Messages von ultraschokomuffin ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ein kurzes Drücken auf eine der wenigen Tasten meines Handys ließ die Musik in meinen Ohren sofort lauter werden. Es war ein Akt der weisen Voraussicht, schließlich war es jeden Tag dasselbe, der gleiche Ablauf wie immer. Sobald der gelbe Bus in Sicht kam, hieß es die Musik lauter zu drehen, um die aufgeregten Stimmen derer auszublenden, die mein Alter teilten, quasselten und zu allem Überfluss auch noch meine Schule besuchten. Es war zwar nicht so, dass ich mich als Einzelgängerin bezeichnete, aber morgens war ich schlicht und ergreifend noch nicht bereit für den Tratsch, den meine Mitschüler in jeder freien Sekunde weiterzugeben schienen. Nun, zumindest die meisten von ihnen. Trotzdem zählten zu meinem engeren Freundeskreis nicht viele, genauer gesagt nur drei Personen, Luna, Esra und Jonas. Luna war ein Mathe-Ass und Esras als auch meine persönliche Rettung vor jeder Mathestunde, wenn es darum ging nicht schon wieder riskieren zu können einen Klassenbucheintrag aufgrund fehlender Hausaufgaben zu bekommen. Hatte man jedoch eine Frage, die nicht gerade das betraf, das man in der Schule lernte oder logisches Denken erforderte, sollte man auf keinen Fall Luna fragen! So wohlbehütet und beschützt aufzuwachsen, wie es bei ihr nun mal der Fall gewesen war, hatte sie zu dem naivsten Persönchen geformt, dass ich bislang kennenlernen durfte. Mal davon abgesehen, dass die meisten ihrer Antworten auf Fragen, die mit ein wenig Allgemeinwissen ganz leicht zu beantworten waren, einfach nur dumm waren. Keine Frage, ich liebte das brünette Mädchen abgöttisch, doch keine andere Person schaffte es so oft das Bedürfnis meinen Kopf gegen den Tisch knallen zu lassen in mir hervorzurufen. Stockend öffneten sich die Türen des alten Busses, dessen beste Tage schon vor Langem gezählt gewesen waren, und während ich versuchte den Freifahrtsschein in meiner Jacke zu ertasten, stieg ich mit hochgezogenen Schultern in das Gefährt. Wie jeden Morgen empfing mich dieser typische muffige Geruch, der mich meine Nase kräuseln ließ. Schnell ließ ich meine Karte aufblitzen, bevor ich mich daran machte den erstbesten freien Platz zu ergattern, um es mir so gut es ging gemütlich zu machen. Tief durchatmend schloss ich meine Augen, damit mir Myles Kennedy weiterhin erklären konnte, weshalb das Leben weitergehen musste. Wie von selbst ließ ich meine Gedanken dabei schweifen und das Bild einer äußerlich kleinen, aber innerlich ganz großen Dame machte sich in meinem Kopf breit. Esra, ein Mädchen türkischer Abstammung, das nur wenige Tage älter war als ich und es geschafft hatte in nur drei Jahren einen sehr wichtigen Platz in meinem Leben einzunehmen. Zwar war die Braunäugige schulisch noch eine größere Niete als ich, aber trotzdem konnte man immer auf sie zählen, schließlich waren ihre Freunde der einzige Halt den sie noch hatte, seit ihre Mutter vor knapp zwei Jahren endgültig dem Kampf mit dem tödlichen Geschwulst, das in ihrer Brust herangewachsen war, erlegen war. Und Esras rücksichtsloser Vater verdiente es nicht auch nur mit einem positiven Wort in ihrem Leben erwähnt zu werden. Der Vierte in unserem Bunde war Jonas, der einzig Männliche unter uns. Auch wenn ich mit absoluter Überzeugung behaupten konnte mehr Männlichkeit in meiner rechten Hand versammelt zu haben, als er in seinem gesamten Körper, zumindest wenn man die Geschlechtsteile außer Acht ließ. Auch wenn uns der blonde Lockenschopf oft genug beteuerte, dass er bisexuell war, wussten wir doch alle, dass der schmächtige Achtzehnjährige stockschwul war. Allein die Tatsache, dass er seit ich ihn kannte noch kein einziges Mal ein Mädchen auch nur geküsst hatte, war Beweis genug. Politik, Geschichte und Geografie waren Jonas' Lieblingsfächer, wohingegen er in Physik und Chemie ebenso abkackte wie ich. Jawohl, abkackte, das einzig treffende Wort für unsere unterdurchschnittlichen Noten. Ein spöttisches Lächeln zeichnete sich auf meinen Lippen ab, als ich daran dachte, dass es sicher nicht mehr lange dauern würde, bis Esra, Jonas und ich erneut einschlagen würden, weil wir mal wieder alle drei eine schlechte Beurteilung für eine Arbeit bekommen hatten. Seufzend nahm ich mein Handy aus meiner Tasche, entsperrte es und öffnete das Internet. Wenn ich weiterhin meinen Gedanken nachhing, würde ich bloß wieder müde werden, und das wollte ich auf jeden Fall vermeiden. Schon nachdem ich die ersten beiden Buchstaben der gewünschten Seite eingetippt hatte, schien die Web-Adresse auf. Worldwideamity.net, ein soziales Netzwerk für Menschen, die gerne Leute aus aller Welt kennenlernen wollten, ohne dabei um die halbe Erdkugel reisen zu müssen. Langsam baute sich der hellgrüne Grund der Startseite auf und ich loggte mich ein. Automatisch landete ich auf meinem Profil, eine kurze Beschreibung über mich selbst leuchtete mir entgegen, einige der Wörter waren durch ihre bunte Farbe hervorgehoben, und alles in allem war es nichts Besonderes, doch die Seite gefiel mir so, wie sie war. Geradezu erstaunt bemerkte ich, dass die Benachrichtigungszeile aufschien und das Nachrichtenfeld rot hinterlegt war. Ich war das letzte Mal vor einigen Tagen online gewesen, doch zurzeit gab es niemanden, mit dem ich regelmäßig Kontakt hatte. Gespannt drückte ich auf den Nachrichten-Ordner, die neue befand sich mit fettgeschriebenem Betreff ganz oben. Ein gewisser Jacques_1507, hatte den überaus kreativen Einfall gehabt die Betreffzeile seiner Nachricht mit dem simplen Wort „German“ und einem Fragezeichen auszustatten. Mehr als skeptisch öffnete ich die Mitteilung und ließ meine Augen sogleich über die wenigen Zeilen gleiten. Message from Jacques_1507 received at 2.36 am CET on September 24th, 2013 [German?] Bonjour mademoiselle! My name is Jacques and I’m 20 years old. Currently I live in Québec, Canada, but I was born and raised in Lyon, France. Anyway, I am fascinated by the German language and searched for someone who can teach it to me. I hope you’re interested, cause you seem very likeable to me. Best wishes, Jacques. * Mit zusammengekniffenen Augenbrauen klickte ich auf das Bild dieses ominösen Jacques und ließ mich somit auf sein Profil führen. Sehr viel mehr als in seiner Nachricht gab er auch hier nicht Preis, einzig und allein sein Interesse für Sport war mir neu. Neugierig vergrößerte ich sein Profilbild und musste zugeben, dass auch wenn man sein Gesicht nicht sah, sein Oberkörper definitiv schön anzusehen war. Ein definierter Sixpack, schön angeordnete und präzise gestochene Tattoos … keineswegs zu verachten. Doch da die Wahrscheinlichkeit, dass das nicht mal sein Körper war, enorm hoch lag, und in mir sowieso nur der Eindruck eines eingebildeten, selbstverliebten Machos hervorgerufen wurde, beeindruckte mich sein gut gebauter Oberkörper schlichtweg überhaupt nicht. Ganz abgesehen davon, dass ich diesen Kerl vermutlich sowieso nie zu Gesicht bekommen würde. Hätte ich damals schon gewusst, was diese Bekanntschaft alles mit sich bringen würde, wäre meine Antwort auf seine Bitte wohl gänzlich anders ausgefallen. _______________________ * Nachricht von Jacques_1507 erhalten um 02:36 Uhr MEZ am 24. September 2013 [Deutsch?] Guten Tag Fräulein! Mein Name ist Jacques und ich bin 20 Jahre alt. Zurzeit lebe ich in Québec, Kanada, aber ich bin in Lyon, Frankreich, geboren und aufgewachsen. Wie auch immer, ich bin von der deutschen Sprache fasziniert und habe nach jemanden gesucht, der sie mir beibringen kann. Ich hoffe, du bist daran interessiert, denn du wirkst sehr sympathisch auf mich. Liebe Grüße, Jacques. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)