Der Ring der neun Welten von Vampire-fairy-chan ================================================================================ Kapitel 45: Schmerzhafte Erinnerungen ------------------------------------- Sollte ich es wagen? Ich müsste ihm auch antworten… aber die ich aussuchen kann. Hmmm, das war wirklich ein verlockendes Angebot und… ich kann einem Schnäppchen einfach nicht wiederstehen. Probieren wir es… aber die Frage muss gut ausgesucht sein. Das ist eine einmalige Chance und die muss gut genutzt sein! So vieles fiel mir ein… doch nur eine brannte mir wirklich auf der Zunge, nein, zwei, nein drei… Mist. Wie soll man sich da entscheiden? Hin und her gerissen starrte ich angestrengt gequält in die linke obere Ecke. Dann platzte doch eine heraus, auf die mir seine Mutter schon geantwortet hatte… aber ich wollte es von ihm hören. Oder… besser formulieren wir es nicht als Frage… sondern stiften wir ihn gleich zum Reden an. “Erzähl’ mir von deiner ersten großen Liebe…” Gespannt hielt ich den Atem an. Ich spürte sofort, wie er erstarrte und einige Sekunden so verharrte, bevor er sich von mir löste und den Blick abwendete. “Wieso willst du das wissen?”, fragte er mit rauer Stimme. Weil ich am Liebsten deine erste große Liebe wäre? Weil ich wissen will, auf was für einen Typ Frau du stehst? Weil ich irre eifersüchtig bin, auch wenn sie schon tot ist? “Weil’s mich interessiert…”, sagte ich mit einem Schulternzucken. “Es ist schon so lange her…”, begann er nach einem kurzen Zögern. “Sie hat mich verletzt, hat den Preis dafür gezahlt und ist jetzt tot… mehr brauchst du nicht zu wissen.” Seine Stimme war voller unterdrückter Emotionen und es war klar, dass er nicht wirklich darüber reden wollte. Irgendwie konnte ich das genervte Stöhnen nicht unterdrücken. Ich wollte mehr. Jap, gierig war ich auch noch und obwohl es mir klar war, dass das wahrscheinlich etwas kaltblütig und taktlos war. “Wie lange? Wie verletzt? Welchen Preis? Wie ist sie gestorben? Wer war sie? Wie war sie? Und ich weiß, dass ich es nicht wissen brauche”, das Wort spie ich förmlich aus, “aber ich will es wissen!” Upps. Eigentlich wollte ich diesen schlechten Charakterzug nicht so offen zeigen. Verdammt! Er zuckte zusammen und leise flüsterte er: “Ich will nicht darüber reden, Robin… zwinge mich nicht dazu.” Seine Stimme war verletzlich und unendlich traurig. Ich bekam ein schlechtes Gewissen und mir tat es dann doch ziemlich leid, damit angefangen zu haben… mein Herz wurde etwas schwer und vielleicht sollte ich es dabei beruhen lassen. Ich war ja kein Unmensch… Stille trat ein. “Könnte ich dich denn zwingen?” Ich denke nein. Er wandte sich mir etwas zu, sodass ich erkennen konnte, wie seine Augen feucht glänzten. “Du könntest es… nur du”, war das Einzige, was er herausbrachte. Scharf zog ich die Luft ein. Wirklich? Aber wieso?... Ach ja, ich bin ja eh die Einzige, die ihn besucht. “Wie?” Ich bin böse. Durch und durch böse. Obwohl ich weiß, dass es ihn quält, frage ich weiter. Ha! Nun ergibt es einen Sinn, warum mich der Ring hierher geschafft hatte, zum angeblich größten Bösewicht unserer Welt. Um mir zu beweisen, dass ich böser war. Er schüttelte aber den Kopf, sagte kein Wort und zog die Schultern hoch, als es schien, als würden ihn seine Erinnerungen überwältigen. “Nicht…”, flüsterte er heiser, “tu’ es nicht…” “Ich tue doch nichts… ich… ich frage doch nur…” Ich bot ihm nicht an, es zu lassen. Denn dann würde ich meine einzige Chance, es jemals herauszufinden, zunichte machen. Ich quälte ihn absichtlich und… na ja, immerhin fühlte ich mich schlecht dabei. Aber noch war meine Neugier zu stark. Noch, gab ich nicht auf. Noch nicht. Noch… Loki wusste nicht, wie schnell die Stimmung hatte umschlagen können. Gerade noch hatte er sich vollkommen wohl gefühlt, sie umarmt, ihre Wärme genossen… und jetzt würde er sie am liebsten nicht bei sich haben… nicht mit dieser Frage. Die Erinnerung an Louise… heute hätte er über die Situation gelacht, wäre sie ihm passiert… aber er war verliebt gewesen… und so jung. Und die Erinnerung schmerzte noch immer. Er hatte niemandem je die ganze Geschichte erzählt, sagte immer nur, dass sie ihn abgewiesen hatte. Aber sie hatte so viel mehr getan. Sie sprach nicht. Blickte ihn nur abwartend an. Mit einer kalten Gewissheit, die sie noch nie zuvor an den Tag gelegt hatte. Loki wusste, dass sie nicht locker lassen würde… dass er ihr nicht standhalten konnte. Was nur machte sie dazu fähig, solch eine Macht über ihn zu haben? Was erlaubte es ihr, seine Schale so aufzubrechen? In seinem Magen sammelte sich Wut, Wut auf Louise, Wut über Robins Macht über ihn, Wut über seine Machtlosigkeit. Forsch drehte er sich um, Schultern gestrafft, Hände im Rücken verschränkt. “Es war nichts”, sagte er mit ätzender Stimme, “Und ich sehe keinen Grund, weshalb du etwas darüber wissen solltest.” Er versuchte mit allen Mitteln seine Verletztheit herauszuhalten… aber er scheiterte kläglich. Sie zögerte. Die Entschlossenheit sank allmählich. Doch sie startete trotzdem einen weiteren Versuch. “Da war etwas! Sonst würdest du nicht so reagieren und wir sind Freunde, meintest du vorhin nicht noch, dass man sich da alles erzählen kann? Also erzähle es mir… das Tauschgeschäft schon vergessen?” Loki schloss gequält die Augen und mit einem letzten tiefen Aufseufzen sank sein Körper in sich zusammen. Schwach setzte er sich in den Sessel, auf dem er vorhin saß und legte seinen Kopf in seine Hände. “Ich war noch sehr jung… vielleicht 16 oder 17 verglichen mit euch Menschen. Und ich war verliebt… hoffnungslos verliebt”, begann er mit leiser Stimme. “Ihr Name war Louise Helville. Sie war die Tochter einer Bediensteten im Schloss und das schönste Mädchen, dass ich bis dahin je gesehen hatte. Und das war nicht nur meine Meinung… vielen im Reich war sie aufgefallen, aber niemand kannte sie so wie ich. Nur ich wusste, dass sie es liebte, kleine Käfer auf ihren Armen krabbeln zu lassen, dass sie den Geruch von Zimt verabscheute und den von Vanille liebte, dass sie sich gerne in der Bibliothek zurückzog…” Er atmete zitternd ein. Robin schwieg. Schwer bemüht, keine Miene zu verziehen, denn sie hatte Angst, dass jegliche Gefühlsregung ihn veranlassen könnte aufzuhören. Vor allem da die Gefühlsregung aus Hass bestehen würde. Sie konnte Louise jetzt schon nicht leiden. “Ich folgte ihr überall hin, half ihr, wenn sie Hilfe brauchte, unterstützte sie, wenn sie Unterstützung brauchte, ließ sie an meiner Schulter weinen, wenn sie jemanden dazu brauchte… sie war meine beste Freundin… und eines Tages beichtete ich ihr meine Gefühle…” Gespannt hielt sie den Atem an. Hatte Louise ihn sofort abgewiesen? Was war passiert? Gequält schloss Loki die Augen, als er sich daran zurück erinnerte. “Ich war damals… ach was… ich war schon immer unbeliebt und derjenige, der getriezt wurde. Besonders Nalim und seine Bande waren schlimm… ich wusste nicht, dass Louise mit ihnen verkehrte.” Zitternd holte er wieder Luft. “Ich hatte sie damals gebeten, mich außerhalb der Palastmauern zu treffen, am Abend. Sie war dort… doch sie war nicht allein.” In Erwartung, dass gleich etwas Schreckliches kommen würde, zog sie scharf die Luft ein. Doch immer noch schwieg sie. Ließ ihn seine Zeit, um die Geschichte zu beenden. Loki kämpfte mit sich, wollte die Geschichte wirklich nicht erzählen, doch er hatte schon angefangen, sie sollte sie fertig hören. “Die Bande hatte sich hinter den Gebüschen versteckt und sie stand dort, sah mich abwartend an… und als ich ihr sagte, dass ich sie liebte…” Lokis Stimme stockte, wollte einfach nicht weiterreden. Nun konnte sie doch nicht mehr an sich halten und all der Hass, der sich mit jedem Wort aufgebaut hatte entlud sich in dem einen Satz. “Aber sie war doch deine beste Freundin….” Der Schock stand ihr nun ins Gesicht geschrieben. Loki zuckte zusammen, als hätte sie ihn geschlagen und leise flüsterte er: “Das war eine Lüge… es war alles gelogen… sie hatte mit der Bande gewettet, dass sie mich in sie verlieben lassen könnte, dass sie es schaffen könnte, dass ich ihr meine Liebe gestehe… sie kamen aus dem Gebüsch, erzählten mir von ihrem Spiel, erzählten mir, wie sie die Gefährtin Nalims war… sie erzählte mir, wie sie mich niemals lieben würde, wie mich nie irgendjemand lieben würde…” Loki brach ab… er konnte es nicht, zu ähnlich waren ihre Worte mit denen, die er sich selbst hatte einzureden versucht. Zu nah waren sie an der Wahrheit. “Sie hatte recht”, murmelte er, sah auf seine Hände und spürte nicht, wie eine einzelne Träne über seine Wange rann. Kaum war die Träne herausgetreten, wie seine letzten Worte, war sie schon in Bewegung. Keinen Augenblick später zog sie ihn in eine Umarmung. Die erste, die von ihr selber aus ging. Ganz fest an sich gedrückt schüttelte sie immer wieder den Kopf und murmelte: “Das stimmt nicht!” und “glaube das nicht!”. Loki erstarrte, war es nicht gewohnt, dass Robin ihn freiwillig umarmte, doch dann schlang er seine Arme fest um sie, drückte sie an sich. Sie würde es nicht tun… sie würde nicht wie Louise sein… sie würde ihn nicht demütigen und auf seine Liebe spucken. Nicht Robin… nicht seine Robin. “Meine Robin…” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)