Der Teufel soll dich holen... von Anemia ================================================================================ Epilog: Rückkehr ---------------- Epilog - Rückkehr     Gleißendes, weißes Licht. So hell, dass es in meinen Augen schmerzte. Erbarmungslos durchdrang es meine geschlossenen Lider, welche ich kaum zu heben vermochte. Schwer waren sie. Genau wie meine Glieder. Mein Arm gehorchte mir nicht so recht, als ich versuchte, ihn anzuheben. Und mein Kopf, er schien fast zu explodieren...   Wo war ich hier? Ich war das Licht nicht mehr gewöhnt, denn ich hatte einige Tage in ewiger Dämmerung verbracht. All das Weiß, es schrie regelrecht auf mich ein. Und es war nur Weiß, alles was mich umgab. Die Wände, die Decke. Wohin hatte man mich gebracht? Wo war Mister Steele? War ich nicht gestern Nacht neben ihm in seinem Bett eingeschlafen, nachdem ich...nachdem wir... Zwischen all den Schmerzen funkte etwas in mir auf. Ein zartes Wohlgefühl, hervorgerufen durch all die Erinnerungen an die letzte Zeit. Doch ich verlor diesen Pfad sehr schnell wieder. Denn nichts schien mehr so zu sein, wie es gewesen war. Ich hatte eine Nadel in meinem Arm. Und irgendetwas steckte in meiner Nase. Ich befand mich im Krankenhaus, ohne Zweifel. Ich musste einen Unfall gehabt haben oder etwas dergleichen.   Gut, an das Weiß hätte ich mich gewöhnen können. Und vielleicht sogar an den Schmerz in meinem Kopf und in meiner Brust. Aber da gab es etwas, das mir einen Pfahl mitten in das Herz schlug. Ich war in der Hölle gewesen. Es stimmte tatsächlich. Ich war tot gewesen. Aber seit dem Zugunglück war sicher beinahe eine Woche vergangen. Hatte Mister Steele mir etwas angetan? Nein. Das hätte er niemals fertiggebracht. Ich vermutete, dass die Wahrheit eine ganz andere war. Egal wie viel Zeit vergangen war - man hatte es irgendwie geschafft, mich zurück in das Leben zu holen. Mich aus der Hölle zu reißen. Und nein, das wollte und konnte ich einfach nicht wahrhaben. Ich war wieder hier und man erwartete, dass ich mein jämmerliches Leben fortsetzte, das ich vor meiner Reise in die Unterwelt geführt hatte. Dieses Leben umgeben von all dem Luxus. Welches mir aber doch nicht das geben konnte, was ich wollte. Was ich brauchte. Man hasste mich hier. Und ich hasste wider. Hasste mit einem Mal noch stärker als jemals zuvor. Das hier, das war nicht der Ort, an dem ich sein wollte. Hier hatte ich alles. Alles, was man mit Geld hätte kaufen können. Und doch war es so wenig gewesen. Mister Steele hatte Recht. Die Dinge, die man nicht mit Geld bezahlen konnte, das waren die besten, die wertvollsten. Das hatte ich am eigenen Leib spüren dürfen. In der letzten Nacht, da hatte er mich geheilt. Das, was er mit mir getan hatte, das war wirkungsvoller gewesen als es hätte jede Psychotherapie sein können. Und nun lag ich hier, umgeben von Schläuchen und piepsenden Geräten. Getrennt von ihm. Nein. Das wollte ich nicht. Das wollte ich um keinen Preis. Lieber wollte ich für immer in der Dunkelheit mein totes Leben führen, als Lustknabe des Teufels, als noch einmal diesen Menschen unter die Augen treten zu müssen, die mich nicht verstanden. Sterben wollte ich nicht. Und das würde ich auch nicht tun. Ich würde lediglich einen anderen Ort für meine Existenz auswählen. Ich kannte das Prozedere. Wusste, dass es nicht wehgetan hatte, als Weston mich geholt hatte. Ich empfand keine Angst gegenüber dem, was die Menschen als den Tod bezeichneten. Denn ich wusste, was danach kam. Dass es weiterging. Und dass die Hölle im Grunde das war, was man als das Paradies bezeichnete. Dort hatte ich alles. Dort hatte ich das gefunden, was ich immer gesucht hatte. Und hier, da hielt mich nichts. Nicht mein Vater. Nicht meine Mutter. Vielleicht würde ich sie irgendwann einmal vermissen, aber sicher nicht mehr als sie mich. Und sicher nicht mehr, als ich Mister Steele im Moment vermisste. Dieses Gefühl strömte plötzlich so heftig durch mich, dass es unter meinen Augenlidern drückte. Alles hätte ich dafür getan, für immer bei ihm zu bleiben, in der Unendlichkeit. Und deswegen fiel es mir auch nicht schwer, das zu tun, was ich mir überlegt hatte.   Ich biss die Zähne zusammen, als ich die Nadel mit meiner verbundenen Hand aus meinem Arm riss. Die Maschine neben mir stieß ein alarmiertes Piepsen aus, das meine Ohren beinahe betäubte. Blut quoll aus der Wunde, die ich mir zugefügt hatte, es rann vielen roten Regentropfen gleich über meine bleiche Haut und färbte die Bettdecke in ebendieser Farbe ein. Nun überkam mich doch ein kleiner Anflug von Panik. Wollte ich tatsächlich sterben? Endgültig? Unwiederbringlich? Was, wenn es schiefging? Oder der Ort, an dem ich Mister Steele getroffen hatte, gar nicht die Hölle gewesen war? Was, wenn es doch nichts gab nach dem Tod? Doch es war längst zu spät für mich. Wahrscheinlich hatte ich mir bei dem Zugunglück zu schwere Verletzungen zugeführt, denn es dauerte nicht lange, bis ich eine große Müdigkeit spürte, die ihre schwere Decke über mir ausbreitete.   Und dann wurde ich emporgehoben. Ich hoffte so sehr, dass es der war, den ich erwartet hatte. Mit noch immer geschlossenen Augen streckte ich meine Hand aus, um irgendeinen Anhaltspunkt an dem Körper der Person zu ertasten, die mich in ihren Armen hielt. "Weston..." Ich klang so klein und schwach. Doch als mir Westons unverkennbare Stimme antwortete, da war mit einem Mal alles gut. Es gab nichts mehr, vor dem ich Angst haben musste. "Bleib ganz ruhig, wir sind gleich da. Tut mir leid, dass ich dich zurückholen muss..." "Es ist...es ist das, was ich will...", stammelte ich leise und blinzelte empor zu seinem Gesicht. Die Helligkeit war längst verschwunden. Über uns brannten wieder die roten Schlieren in dem schwarzen Himmelszelt. "Ich will...zu Mister Steele...bring mich zu ihm..." "Das werde ich", versicherte mir mein Retter. "Der Meister wird mich sicher auf ganz besondere Weise dafür belohnen, dass ich dich wiedergefunden habe..." Über sein Gesicht zuckte ein Grinsen, doch dieses verbargen gleich darauf die langen, schwarzen Haare, die der Wind in alle Richtungen blies. "Ich habe mich umgebracht", gestand ich ihm. "Ich habe mir die Nadel aus meinem Arm gezogen. Ich war im Krankenhaus...ich wollte...sterben..." "Du wärst ohnehin gestorben", erklärte mir der andere. "Denn du gehörst längst nicht mehr in die Welt. Du gehörst dem Meister. Er hatte mich sofort nach deinem Verschwinden losgeschickt, um dich zu suchen." Eine leise Träne rann über meine Wange. Er hätte mich so einfach ersetzen können. Mit irgendeinem anderen Jungen. Oder einem Mädchen. Aber er hielt an mir fest. Wollte mich bei sich haben. Ich war sein.   Und als ich spürte, wie Westons Hände mich in zwei andere übergaben, da wusste ich, wo ich zu Hause war. Nicht in der Musik. Nicht in Leipzig. Sondern in Mister Steeles Armen. In den Armen des Teufels.   "Mein süßer André...", hauchte er mir in mein Ohr und ich erkannte ihn auch mit geschlossenen Augen am bloßen Klang seiner Stimme und seinem männlichen Duft. "Noch einmal lasse ich dich nicht gehen. Du bist jetzt ein Engel. Mein Engel."   Und ich fühlte mich lebendig. Viel lebendiger, als ich es jemals während meiner Zeit auf der Erde gewesen war.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)