Ein zweites Leben von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 49: Unmissverständlich ------------------------------ Es vergingen zwei Wochen, ohne dass weder Sophie die Gelegenheit fand, ihren Enkel in der Kaserne zu besuchen, noch Oscar mit ihrem Vater zu sprechen. General de Jarjayes, wie auch seine Gemahlin, waren einfach mit ihren Pflichten in Versailles zu beschäftigt. Und auch Oscar selbst war nicht mehr sehr oft daheim. In der Kaserne gab es genug zu tun. Noch immer brachten viele Söldner ihrer Kompanie ihr eine Antipathie entgegen. Das störte sie keineswegs. Für sie war nur von Bedeutung, dass sie in der Nähe ihres Mannes und ihres Sohnes sein konnte. Oscar las gewohnheitsgemäß einige Dokumente in ihrem Offizierszimmer durch, schrieb etwas darunter und dachte dabei an den Tag, an dem sie von allem dem frei sein würde. Sie lehnte sich in dem Stuhl zurück und legte sich unbewusst eine Hand auf ihren Bauch. Jemand klopfte an die Tür. Sofort saß sie gerade auf und griff nach ihrer Schreibfeder. „Herein!“ Leutnant Dagous trat ein und teilte ihr die Ermordung eines Marquis mit. „Versammelt die Soldaten! Wir machen sofort einen Erkundungsritt!“, ordnete Oscar gleich an. „Zu Befehl!“ Der Leutnant salutierte und verließ ihr Zimmer. Oscar suchte noch eine Liste mit Namen heraus und ging ihm nach. Die Soldaten standen schon stramm und in zwei Reihen aufgeteilt. Oscar nannte einige Namen der Liste und diese Männer sollten sie begleiten. Draußen herrschte noch früher Abend. Erst vereinzelt zeigten sich Sterne am dunkler werdenden Himmelsgrund. Einer der Söldner, der als Späher vorausgeschickt wurde, preschte ihnen auf halbem Weg entgegen und berichtete über die nächste Ermordung an einem anderen Marquis. Oscar blieb gefasst und wandte sich an ihren Adjutanten. „Leutnant Dagous! Nehmt ein paar Männer, die Euch wohler gesinnt sind als mir, und findet mehr über diese feige Ermordung heraus! Der Rest wird mit mir hier in der Gegend weiter patrouillieren!“ „Jawohl, Kommandant!“ Leutnant Dagous suchte auf der Stelle ein paar Männer aus und ritt mit ihnen davon. „Diesmal sind mehr geblieben, als ich es mir erhofft habe...“, dachte Oscar bei sich mit einem Blick auf die verbliebenen Soldaten. Sie atmete auf und ihre Hand legte sich wieder auf ihren Bauch. „Wir warten hier, bis sie zurück sind!“, teilte sie den Männern laut mit und schaute in die Richtung der weg gerittenen Truppe. Den Söldnern war es relativ gleich, ob sie hier warteten oder patrouillierten. Hauptsache sie waren nicht gezwungen, über die Ermordung an irgendeinem Adligen nachforschen zu müssen. Sie unterhielten sich mit ihren Kameraden, obwohl sie still sein sollten. Oscar ermahnte sie nicht. Sie wusste, die Männer würden auf sie kaum hören. Andre und Alain beobachteten sie aus geringerer Entfernung. „Wenigstens haben bereits einige Männer gelernt, sie zu schätzen“, bemerkte Andre beiläufig. „Da hast du nicht unrecht, Kumpel“, musste Alain grinsend zugeben und zog sogleich stutzig seine Augenbrauen zusammen. „Aber mal was anderes: Seit wann macht sie wieder diese Geste?“ „Welche denn?“ „Sich ihre Hand auf den Bauch zu legen.“ „Das macht sie seit vorgestern...“, erinnerte sich Andre und starrte seinen Freund entgeistert von der Seite an. „Du meinst doch nicht etwa, sie ist wieder...“ „Was fragst du mich?! Du musst es ja besser wissen!“ Alain lachte auf und stupste ihn mit einem Fuß an der Wade an. „Auf jeden Fall sieht es danach aus! Es ist fast wie damals, bei dem Ersten!“ „Aber es ist noch zu früh...“, protestierte Andre kategorisch: „...wir sind erst seit fast zwei Wochen aus der Normandie zurück...“ „Dann wart ihr halt auch davor fleißig gewesen!“, bemerkte Alain anzüglich und lachte wieder, damit ihn keiner verstand. Andre verstand ihn dagegen sehr wohl und ihm fiel nur eine einzige Nacht ein, wann es passiert sein könnte - wenn seine Vermutungen überhaupt stimmten! Er trieb sein Pferd an, bahnte sich geschickt einen Weg durch die Reihen seiner Kameraden, gefolgt von Alain, und zügelte neben Oscar sein Pferd. „Geht es dir gut?“ Oscar fuhr erschrocken mit ihrem Kopf herum. Sie war anscheinend in ihren Gedanken vertieft gewesen. „Andre! Was machst du hier?! Und wieso soll es mir nicht gut gehen?“ „Na ja, du legst wieder die Hand auf deinen Bauch...“, flüsterte Andre mit hinweisenden Blicken. Erst jetzt wurde Oscar die Geste bewusst. Ruckartig entfernte sie ihre Hand, griff nach den Zügeln und sah ihren Mann mit weit aufgerissenen Augen an. „Du meinst...“ „Ich weiß es nicht, Oscar. Deswegen frage ich dich: Ob dir übel ist oder so...“, flüsterte Andre noch leiser. In seinen Augen lag ein gewisser Ausdruck von Sorge und Vorfreude. Oscar senkte ihren Blick. Sie musste sich überlegen, was sie schon aus eigener Erfahrung darüber wusste. Übelkeit verspürte sie nicht. Obwohl gestern Abend und heute früh war da etwas! Sie hatte das nur nicht zur Kenntnis genommen. Wieder einmal. Und ihr Monatsfluss? Sie rechnete kurz im Kopf und stellte fest, dass er sich um fünf oder sechs Tage verspätete! Aber wann war es genau passiert? Nicht in der Normandie, dafür war es noch zu früh! Und davor kam nur eine Nacht in Frage: Die Nacht, in der sie Liebe und Leid vermischt hatten! Ihr Herz klopfte aufgeregter, als wollte es ihre Berechnung bestätigen. Ihre Hand schoss dabei mechanisch zum ihren Bauch. Es war also wieder geschehen und sie trug wieder die Verantwortung über das neue Leben in ihr! Ein Kloß sammelte sich in ihrer Kehle und sie sah zu Andre auf. „Es steht noch nicht fest...“, murmelte sie mehr zu sich selbst, als zu ihm: „Ich fühle mich nicht wohl... Ich brauche Zeit...“ Andre nickte ihr stumm zu, er hatte sie verstanden. Oscar richtete sich im Sattel noch gerader auf, straffte ihre Schultern und wendete ihr Pferd zu ihren Männern. „Alle Mann herhören!“ Sie wartete geduldig, bis alle Augenpaare auf sie gerichtet waren und fuhr dann fort: „Ich habe noch etwas zu erledigen! Daher übernimmt Alain jetzt die Befehlsgewalt für mich!“ Sie stieß ihrem Pferd heftig in die Seiten und preschte davon. „Was ist denn mit der los?“, fragte einer der Männer in der vordersten Reihe. Anstatt zu antworten, hob Alain wie selbstverständlich seine raue Stimme: „Ihr habt gehört Männer! Sie hat noch etwas zu erledigen, was uns nichts angeht! Also lasst uns etwas in der Gegend umschauen und dann in die Kaserne zurückkehren! Die anderen werden auch ohne uns zurechtkommen!“ „Ein guter Vorschlag, Alain!“, johlten die Männer und gruppierten sich zum Aufbruch. Alain und Andre setzten sich an die Spitze der Truppe. Normalerweise wäre Andre seiner Frau nachgeritten, aber er wollte nicht auffallen. Und er wusste, dass sie vorerst allein sein wollte. Sie würde ihm ihre Erkenntnis später schon sagen. So war das immer zwischen ihnen. Oscar trieb ihr Pferd durch die Dunkelheit des Abends, als wäre jemand hinter ihr her. Sie musste unbedingt Gewissheit haben! Über das eine, wie auch über das andere! Sie suchte ihren Familienarzt auf. „Entschuldigt für die späte Stunde, Doktor Lasonne, aber ich möchte, dass Ihr mich untersucht.“ „Ihr braucht Euch nicht zu entschuldigen, Lady Oscar.“ Doktor Lasonne ließ sie freundlich herein und geleitete sie in seinen Salon, wo er seine Patienten meistens empfing. Er lud Oscar ein, auf einem der Stühle Platz zu nehmen und setzte sich dann selbst ihr gegenüber. „Jetzt könnt Ihr erzählen, was Euch fehlt, Lady Oscar. Macht Euch eine Eurer früheren Verletzungen zu schaffen?“ „Nein, Herr Doktor. Ich möchte wissen, ob meine Lungen in Ordnung sind.“ „Eure Lungen? Habt Ihr Beschwerden?“ „Das noch nicht. Aber ich habe das Gefühl, dass etwas mit mir nicht stimmt.“ „Dann lasst uns nachsehen, Lady Oscar.“ „Ach ja, und ich habe Magenbeschwerden, Herr Doktor!“ „Das können wir auch gleich untersuchen, Lady Oscar.“ - - - „Und, habt Ihr etwas feststellen können, Herr Doktor?“, fragte Oscar beim Anziehen ihrer Uniformjacke nach der Untersuchung. Doktor Lasonne setzte sich zurück an den Tisch und legte seine Utensilien vor sich ab. „Mit Euch ist alles in Ordnung, Lady Oscar...“ So ganz sicher, klang er jedoch nicht. Oscar schloss die Knöpfe ihrer Uniform zu Ende und nahm ihm gegenüber Platz. „Seid Ihr Euch sicher?“ „Was Eure Lunge angeht, ja...“, meinte Doktor Lasonne mit fester Stimme und sah ihr dabei direkt ins Gesicht. „Aber was Euren Magen angeht...“ „Was ist mit meinem Magen?“, hakte Oscar beherrscht nach. In ihrem Inneren brodelte es dagegen aufgebracht. Das mit der Lunge beruhigte sie etwas, aber vielleicht war es auch noch zu früh. Sie wusste: Solange sie kein Brennen und Rasseln in ihrer Lunge verspürte, war alles noch in Ordnung. „Darf ich Euch vorerst ein paar unangenehme Fragen stellen, Lady Oscar?“ Oscar kehrte aus ihren kurzen Gedanken sofort zurück. „Nur zu, Herr Doktor.“ „Also gut.“ Doktor Lasonne atmete tief durch. „Geht es Euch in letzter Zeit nicht wohl? Oder verspürt Ihr manchmal Übelkeit? Fühlt Ihr Euch müde? Habt Ihr Kopfschmerzen oder ist Euch schwindelig?“ „Nichts dergleichen“, verneinte Oscar aufrecht und korrigierte sich sogleich: „Obwohl, am frühen Morgen ist mir schon etwas übel. Aber es vergeht gleich nach dem Aufstehen.“ Sie entschied sich mit einem Mal, nichts mehr zu verbergen. „Und wie sieht es mit Eurem Monatsfluss aus? Ist er in diesem Monat ausgefallen? Oder ist es noch nicht soweit?“ „Er verspätet sich um einige Tage. Etwa um sechs, um genauer zu sein.“ Oscar wirkte kühl, als wären das ganz normale Fragen. Innerlich fühlte sie sich in ihrer Vermutung mehr und mehr bestätigt. Wenn der Arzt ihr solche Fragen stellte, dann vermutete er das Gleiche. Sie war auf alles gefasst und legte sich bewusst eine Hand auf den Bauch. Die Augen von Doktor Lasonne weiteten sich. Nein, das war nicht möglich! Nicht die stolze, unnahbare Lady Oscar! Aber die Anzeichen sprachen deutlich für sich. Er räusperte sich in die Faust und senkte verlegen die Stimme: „Glaubt mir, Lady Oscar, ich will Euch nichts unterstellen, aber ich habe da eine Vermutung...“ „Und die wäre?“, hakte Oscar unbekümmert nach, als der Arzt verstummte. Sie ahnte seine Vermutung. Sie wollte sie nur noch deutlich aus seinem Munde hören. Doktor Lasonne verdeckte plötzlich seine Augen mit der Hand und stützte sich mit den Ellbogen auf dem Tisch ab. „Vergebt mir, Lady Oscar... Ich bin doch schon so viele Jahre Euer Arzt... Ihr und Eure Familie seid mir doch schon so sehr ans Herz gewachsen...“ „Das weiß ich, Herr Doktor. Deswegen bin ich auch zu Euch gekommen“, unterbrach ihn Oscar mit ungewohnt sanfter Stimme: „Sagt mir bitte die Wahrheit und spannt weder Euch, noch mich länger auf die Folter. Ich werde Euch nichts vorwerfen, ich verspreche es.“ Doktor Lasonne entfernte seine Hand von den Augen und sah sie beinahe mitleidig an. „Lady Oscar... Es ist gut möglich, dass Ihr ein Kind erwartet...“ „Also doch!“ Oscar erhob sich mit einem kaum merklichen Lächeln um ihre Mundwinkel. „Ich danke Euch, Herr Doktor.“ „Ihr seid nicht überrascht?“ Verwundert tat es ihr Doktor Lasonne gleich und stützte sich an der Tischkante mit beiden Armen ab. „Nein. Ihr habt mir nur bestätigt, was ich schon selbst geahnt habe.“ „Aber...“ Doktor Lasonne fand keine Worte mehr dafür. Nun, Lady Oscar war eben eine Frau und nicht einmal die mannhafte Erziehung konnte das übergehen. Er wagte nicht zu fragen, wer der Mann war, mit dem sie sich vereint hatte. Lady Oscar wusste schon immer, was sie tat. Es blieb nur noch die Frage der Familienehre, die er ihr vorsichtig stellte: „Weiß Euer Vater schon darüber Bescheid?“ „Nein. Ich werde es ihm morgen offenbaren.“ Und nicht nur das! Sie würde morgen alle Karten offen auf den Tisch legen! So hatte sich Oscar gerade entschieden! Es würde keine zweite Verbannung für eineinhalb Jahre geben! Dafür war nicht die richtige Zeit, denn unter dem Volk herrschten mehr Unruhen und Proteste gegenüber dem Adel und der Monarchie als noch vor fünf Jahren. Sie würde in den nächsten Wochen versuchen, ihren Mann und ihr Kind aus Frankreich heraus zu schaffen. „Ich bitte Euch, passt gut auf Euch auf“, drangen die mitfühlenden Worte von Doktor Lasonne in ihr Gehör, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Oscar nickte ihm entschlossen zum Abschied zu. „Danke, das werde ich.“ In dieser Nacht schlief Oscar unruhig. Ein Alptraum suchte sie heim, wie schon seit zehn Jahren nicht mehr: Paris brannte. Unmenschliche Schreie erfüllten die Luft und schwarze Rauchfahnen zogen über die Stadt. Zwei weiße Tauben, ganz verloren und fehl am Platz, lichteten sich durch den Rauch und den Qualm am Himmel. Sie drehten ihre Runden in einem langsamen und fließenden Rhythmus, als würde sie das ganze Chaos nicht stören. Oscar stand an der Seine und beobachtete die Vögel reglos, bis ein Gewehrschuss hinter ihr donnerte. „Oberst!“, schrie jemand lauthals: „Andre hat es erwischt!“ Mit Entsetzen im Gesicht wirbelte Oscar um ihre eigene Achse, aber es hatte nicht Andre erwischt. Er war überhaupt nirgends zu sehen. Weder er, noch sonst ein Mensch. Nur ein kleiner Junge, etwa hundert Meter von ihr entfernt, kniete auf dem steinigen Boden. Er hielt sich eine blutende Wunde an der Brust mit seiner Hand und die andere streckte er nach ihr aus. „Mama...“, formten seine blutleeren Lippen. Seine blonden, kurzen Locken fielen ihm ins Gesicht. Seine grünen Augen flackerten und sein kleiner Körper sackte nach vorn. Oscar rannte unverzüglich zu ihm. Sie eilte mit all ihrer Kraft und stolperte. Sie stand sofort wieder auf und rannte wie besessen weiter, aber konnte ihn nicht erreichen. Sie schrie seinen Namen aus voller Kehle, kämpfte sich verbissen voran und es schien ihr tatsächlich zu gelingen, zu ihm zu gelangen. Sie erreichte ihn schnell atmend, aber es war nicht mehr ihr Sohn, der bäuchlings vor ihren Füßen lag. Sein Körper war größer und in die Länge gewachsen. Auch sein blondgelocktes Haar reichte ihm jetzt fast bis zu den Hüften. Oscar kniete sich vor die leblose Gestalt und drehte sie auf den Rücken. Sie erschrak! Blaue und trübe Augen starrten in die ungewisse Leere. Die Uniform war blutgetränkt und eine Hand verdeckte die Verletzung am Bauch. Eine große Blutlache bildete sich bereits unter dem zartgliedrigen Körper, als ein kleiner Geist auftauchte. Er hatte kein Gesicht - nur die undefinierbare und durchscheinende Form eines kleines Kindes. Mehr war an ihm nicht zu erkennen. Wie aus grauweißem Nebel geschmiedet kniete er vor der getöteten Person und rüttelte sie mit seinen kleinen Händen. „Wach bitte auf, Mama... Wir müssen fort von hier... Papa wartet auf uns...“ - - - Oscar schreckte schweißgebadet aus dem Schlaf hoch. Diese Person - das war sie selbst! Sie hatte sich selbst als Tote gesehen! Ihr Herz raste, das Blut rauschte ihr wild durch die Adern und ein eiskalter Schauer überlief ihren Rücken. Eine Hand legte sie systematisch um ihre Mitte und die andere an ihre Stirn. Sie musste sich beruhigen! Es war nur ein Traum, der keinen Zusammenhang mit der Zukunft hatte! Das redete sie sich ein. Es begann draußen zu dämmern. Die ersten Sonnenstrahlen des anbrechenden Morgen breiteten sich in der Umgebung aus und Oscar stieg noch leicht zittrig aus dem Bett. Sie schwankte zu der Waschschüssel und begann mit der Morgenwäsche. Übelkeit stieg in ihr hoch, die sie sogleich verdrängte. Sophie kam wenig später mit dem Frühstück für sie, nachdem sie schon längst in ihre blaue Uniform gekleidet war. Während sie frühstückte legte sich die Übelkeit nieder. Ihr Körper entspannte sich und der Traum entschwand ihrem Gedächtnis. Andre dagegen hatte solch einen Traum nicht. Gleich nach dem Aufwachen, wusste er nicht mehr, was er geträumt hatte. „Wie es aussieht, wird heute die Inspizierung nicht stattfinden...“, vermutete einer der Söldner. Das war Jean. Sie hatten sich mittlerweile schon richtig kennengelernt und angefreundet. Sowohl Jean, als auch Lassalle hatten sich etwas später an den kleinen Zwischenfall vor vielen Jahren erinnert und konnten nur darüber lachen. Was Oscar anging, da gehörten diese zwei Männer zu denjenigen, die sie schon langsam akzeptierten und zu ihr Vertrauen fassten. Immerhin hatten sie, vor allem Jean, mit ihr schon einstmals ein Bier getrunken und sich dabei nicht schlecht amüsiert. Jetzt, in der Kaserne, vertrieben sich die Männer die Zeit mit Karten spielen auf ihrem Quartier. Alle, außer Andre. Er stand am Fenster und stierte hinaus. Draußen herrschte sonniges Wetter, ohne ein einziges Wölkchen am Himmel. Ein schönes Wetter, aber für Andre war das allerlei. Er dachte an Oscar. Sie war heute noch nicht in der Kaserne aufgetaucht. Normalerweise war sie ordnungsgemäß schon bei Sonnenaufgang hier und führte ihren Dienst als Befehlshaber durch. Aber jetzt war schon Vormittag und sie war immer noch nicht da. „Mach dir ihretwegen keine Sorgen, Kumpel.“ Alain gesellte sich unbemerkt zu ihm. „Sie wird schon kommen.“ „Ich weiß“, seufzte Andre leise: „Das ist mit ihr schon immer so, wenn sie Zeit braucht.“ Die Tür im Quartier ging urplötzlich auf und einer der Wachposten stürmte strahlend herein. Es war Lassalle. Auch hier war er dafür bekannt, dass er seinen Kameraden alle Neuigkeiten sofort mitteilte. „Hey, Alain! Deine Schwester ist hier!“ „Was? Die kleine, süße Diane?!“ Ein Kopf nach dem anderen reckte sich hellhörig hoch. Vergessen war das Kartenspiel und ein verzücktes Leuchten breitete sich in den Augen der Männer aus. Alain hob seine Faust und grollte allen seinen Kameraden beim Vorbeigehen entgegen: „Schlagt sie euch aus den Köpfen! Sonst erlebt ihr euer blaues Wunder von mir!“ Er lachte dabei grimmig und marschierte breitbeinig hinaus. Allerdings nahm keiner der Männer seine Drohung ernst. Sie alle kannten ihn gut genug. Er war schon immer so. „Kommt Männer!“, spornte Jean sogleich seine Kameraden an: „Anschauen können wir uns die Kleine aber trotzdem!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)