The Place, where you belong... von caty (Wichtelgeschenk für Kiki) ================================================================================ Kapitel 4: An Weihnachten ist niemand allein! --------------------------------------------- Mit einem erschöpften Seufzen ließ er sich geradewegs bäuchlings auf das große Bett fallen und vergrub sein leicht erhitztes Gesicht in den weichen mit Satinbezogenen Kissen. Alles um ihn drehte sich, obwohl er ruhig lag und die Augen geschlossen hielt. Eine seltsame Mischung aus gefühlter Schwerelosigkeit und gleichzeitig bleierner Schwere hatte seinen Körper befallen und ließ ihn daher keinen Muskel mehr rühren. „Was war bloß in diesem Punsch drin?“, grummelte er in das Kissen und spürte die Hand, die ihm die schwarze Weihnachtsmütze vom Kopf nahm und ihm daraufhin sanft durch das leicht verschwitzte Haar strich. Im Gegensatz zu sonst wunderte sich Rayne diesmal nicht über Azraels Berührung. Sein Verstand war wie benebelt und das einzige, das er noch zu erfassen fähig war, war dass es gut tat. Dagon hatte ihn auch manchmal auf diese Art durchs Haar gestreichelt und ihm mit einem sanften Lächeln gesagt, wie schön seine Haarfarbe war. Auch, dass er sich hier in Azraels Schlafgemächern befand, wusste er zwar, störte ihn aber nicht. Er hatte nicht vor, heute noch zu gehen, denn es fühlte sich an, als würde sein Körper ihn ohnehin nicht mehr tragen wollen. Eigentlich hatte er nicht viel getrunken, aber spätestens jetzt wusste er, dass er wohl nach der ersten Tasse Glühwein hätte aufhören sollen. Duras vertrugen keinen Alkohol! Oder zumindest er nicht. Er wusste nicht, wie es bei anderen Obersten war, aber nachdem Rayne vor 100 Jahren von Dagon in diese Welt gerufen wurde und begonnen hatte, die Menschen zu studieren, hatte er auch diverse Getränke ausprobiert. Alkohol gab es bei ihnen im Infernos schließlich auch, nur natürlich aus anderen Dingen zubereitet, weil schlichtweg alles im Infernos anders war als in der Menschenwelt. Andere Tiere, andere Pflanzen und auch die Duras unterschieden sich immerhin deutlich von den Menschen. Die meisten Gifte und Krankheiten der Menschen kamen gegen das Immunsystem eines Duras nicht an. Nur beim Alkohol hatte Rayne die Erfahrung gemacht, dass es seltsamerweise bei ihm deutlicher anschlug als bei den Menschen. Zwei Tassen von diesem Teufelszeug hatten genügt und er fühlte sich wie gerädert und auf der anderen Seite so gut wie schon lange nicht mehr. „Ich bin stolz auf dich.“, hörte er Azrael sagen, während dieser ihm weiterhin über das Haar strich, „Danke, dass du geblieben bist.“ Rayne konnte nicht anders als zu lächeln, merkte es nicht einmal, weshalb er es nicht unterbinden konnte, doch stehen lassen konnte er diese Worte so auch nicht. „Spar’s dir, Eng‘lchen!“, erwiderte er mit leiser, träger Stimme, ohne sich die Mühe zu machen die müden Lider zu heben, „Nett sein is‘… anstreng’nd! Das mach ich sicher nich wieder.“ Und ja, es war anstrengend! Ob man ihn wirklich als „nett“ bezeichnen könnte, war vielleicht fraglich, denn dass er eben gerne prahlte und seinen Senf zu allem dazu gab, war ein Teil von ihm, den er nicht einfach ablegen konnte, aber Azrael zuliebe hatte er zumindest versucht, heute ein bisschen weniger beleidigend und zynisch zu sein. Nicht immer ganz leicht, aber wenn er wollte, konnte er sich schließlich ganz gut beherrschen. Er wagte es kaum, es zuzugeben, doch… der Abend war amüsant gewesen. Momentan kam es ihm allerdings irgendwie irreal vor. Nicht nur, dass er in seinem ganzen Leben nie zuvor Weihnachten gefeiert hatte, wäre er nie auf die Idee gekommen, dies mit einem Erzengel und seinem Wächterverein zu tun. Dass es dann sogar irgendwie angenehm gewesen war, war der nächste Schreck. Die Diskussionen mit der vorlauten Wächterin waren bisweilen sehr erheiternd und drehten sich hauptsächlich darum, wer von ihnen in ihrem Outfit heißer aussah und wenn er das nicht nur geträumt hatte, hatte er sich von ihr tatsächlich zu einem Gesangscontest herausfordern lassen. Was zu einer bühnenreifen Performance des Songs „Bed of Nails“ geführt hatte und ja, tatsächlich Spaß gemacht hatte. Zudem war das das erste mal gewesen, dass er so lange am Stück mit seinem Sohn zu tun gehabt hatte und auch wenn er nichts von dem allgegenwärtigen Familiengesülze hielt, musste er erkennen, dass es zwischen Renjo und ihm vielleicht doch ein paar Parallelen gab. Zumindest dann, wenn er sein Söhnchen Sprüche klopfen hörte oder den Blick sah, mit dem dieser seinen geliebten Windbeutel betrachtete, kam ihm dies vage bekannt vor. Und sein Windbeutel… die amethystfarbenen Augen, die auch dessen Bruder hatte, sie erinnerten ihn unweigerlich an Dagon. So schien zumindest Renjos Geschmack nicht gänzlich von seinem abzuweichen, wobei es ohnehin nicht nur Dagons Äußeres gewesen war, weswegen Rayne ihn geliebt hatte… Rayne lachte leise, als ihm plötzlich etwas einfiel, das Dagon mal zu ihm gesagt hatte und als Azrael nachfragte, was so komisch war, drehte er sich etwas mühsam auf den Rücken. So konnte er Azrael ansehen, der neben ihm auf dem Bettrand saß und auch wenn Raynes Sicht verschwommen war, meinte er ein dezentes Strahlen von dem Todesengel ausgehen zu sehen. Klar, Engel hatten diesen himmlischen Schimmer, Erzengel erst recht, aber es war ihm nie zuvor so deutlich aufgefallen wie jetzt. „Dagon meinte mal… wir beide… also du un ich“, Rayne grinste sacht, während er bemüht geordnet fortfuhr, „würden gut zusamm’n pass‘n.“ Etwas irritiert von dem eigenen Leiern seiner Stimme runzelte er sacht die Stirn. Er klang ja wie ein Volldepp! Mal abgesehen davon, dass diese Aussage ebenso bescheuert war. Das hatte er Dagon auch schon klar gemacht, als dieser das behauptet hatte, warum erwähnte er es also jetzt? „Und was denkst du?“, fragte Azrael nun und die Sanftheit und Ruhe seiner Stimme waren einlullend. Normalerweise würde Rayne diese Frage gehörig ausnutzen, ein wenig mit Azrael flirten und sich über seine Reaktion amüsieren, aber momentan kam er nicht einmal auf die Idee, sich damit vor einer ehrlichen Antwort zu drücken. Es wäre irgendwie gerade zu anstrengend. Was war schließlich dabei, wenigstens einmal die Wahrheit zu sagen und weder eine Show abzuziehen, noch zu lügen? Es war immerhin Azrael… „‘S is absurd!“, antwortete er daher ehrlich und immer noch nicht fähig, die Trägheit seiner Stimme zu überwinden, während er matt lächelte, „Du bist’n Erzengel…“ „Das war Dagon auch.“, warf Azrael ruhig ein und Rayne nickte sacht, bevor er den Kopf schüttelte. „Ja, aber’n Gefall’ner! Kein Hamplmann Gottes… Nich‘ dass du… ich mein…“, Rayne seufzte müde und schloss erneut die Augen. Nichts von dem, was seinen Mund verließ drückte annähernd das aus, was er eigentlich meinte. Dass Azrael ein Erzengel war, war eine Tatsache und das allein machte schon Dagons Worte lächerlich. Aber nicht, weil Azrael ein Hampelmann Gottes wäre, nach allem was er bereits für Rayne getan hatte und die Tatsache, dass er ihm vertraute und sich für ihn einsetzte, war nämlich Hinweis genug, um zu wissen, dass Azrael nicht wie seine Brüder und Schwestern tickte. Das Leben hier im Menschenreich musste ihn wohl verändert haben, so wie auch Rayne. Aber nur rein hypothetisch – wenn Rayne und Azrael angeblich so gut füreinander geschaffen wären, würde das dann nicht vielleicht schon genügen, um Azrael auch zu einem Gefallenen werden zu lassen? Rayne war immerhin ein Dämon und die meiste Zeit benahm er sich auch wie einer! Würde er Azrael nicht verunreinen? Der Gedanke hätte an sich etwas für sich! Selbst derjenige zu sein, der genug Einfluss besaß um den Fall eines Erzengels herbeizuführen und wenn er Azrael dann für sich hätte, wäre das auch nicht schlecht. Doch wenn er ein Gefallener war würde er sterblich werden und früher oder später… „Was hat’s mir gebracht?“, wisperte Rayne mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen, „Dämon, Gefallner… am Ende lass’nse ein’n im Stich! Un‘ ich…“ Er brach ab und spürte die Hand, die ihm nun statt durchs Haar über die Wange strich und ihn zwang, die Augen wieder zu öffnen. Azrael beugte sich nun zu ihm herab und war ihm mit einem mal so nahe, dass Rayne ihn trotz seiner verschwommenen Sicht wieder klarer erkennen konnte. Alles andere um sie herum schien sich auf einmal um sie zu drehen und nun war es nur noch das Zimmer hinter Azrael das verschwamm, während er die hellen Augen des Todesengels so deutlich und so eindringlich sah als würde er sie zum ersten Mal richtig erkennen. Der Schmerz in ihnen, die Verlorenheit, die Einsamkeit, Trauer, Verlust… so viel stand in ihnen geschrieben und noch mehr, denn als er ihn nun ansah war da etwas, das Rayne nie bei ihm gesehen hatte. Zumindest nie auf sich bezogen. „Du bist nicht mehr alleine, junger Duras.“, erklärte Azrael leise ohne seine Hand von Raynes Wange zu nehmen und das Lächeln auf seinen Lippen, traurig und doch irgendwie glücklich ließ Raynes Herz höher schlagen, „Wir beide müssen dies nicht mehr sein! Dagon hat uns beide verraten. So ist das Leben...“, Azrael lächelte verständnisvoll und bevor Rayne sich versah nahm er seine dunkle Gestalt an. Die silbernen Haare färbten sich dunkel, die hellen Augen wurden golden und die Aura, die von ihm ausging wechselte mit. Der zuvor traurige und verstehende Ausdruck in den hellen Augen wurde nun zu Entschlossenheit aus der nichts desto trotz dieselbe Ehrlichkeit sprach, als er fortfuhr: „Ich aber bin der Tod, Rayne! Und der Tod verrät einen nie!“ Mit diesen Worten überbrückte er die letzten Zentimeter zwischen ihnen und als sich ihre Lippen berührten war es, als würden mit einem Mal all der Schmerz und die Ängste von ihm abfallen. Wie aus Reflex öffnete Rayne den Mund, um Azraels Zunge Einlass zu gewähren und alles an diesem Kuss, alles an seiner Nähe, alles an IHM fühlten sich so richtig an, dass Rayne mit einem mal begriff, was Dagon gemeint hatte. Es spielte weder eine Rolle, dass Azrael ein Erzengel war und er ein Dämon, noch dass Azrael wie Dagon um so vieles älter war als er und in ihm vielleicht noch ein halbes Kind sah. Auch spielte es keine Rolle, dass Azrael und er nicht unterschiedlicher sein könnten, denn was ihre Gefühle anbelangte und den Dingen, nach denen sie sich sehnten könnten sie sich vermutlich nicht ähnlicher sein. Den Großteil seines Lebens, hatte sich Rayne nach dem Tod gesehnt und sich dann hier dennoch solange an das Leben geklammert, bis es ihn erneut verriet. Wenn man also alles verloren hatte, was blieb einem noch bis auf den Tod? Ja, dieser würde einen nie verraten und war zudem unsterblich! Dieses Mal wiederholte Rayne seinen Fehler nicht! Dieses Mal machte er zum ersten Mal etwas richtig! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)