Melodie der Einsamkeit von by_my_side (Wie geht man mit seiner Vergangenheit um?) ================================================================================ Kapitel 6: Man muss den Vogel erst im Käfig haben, eh man ihn singen lehrt – oder doch nicht? --------------------------------------------------------------------------------------------- Kakashi setzte sich gemütlich auf einen Stuhl und blickte sich nach ihr um. Es waren einige Leute im Lokal, weshalb er sie nicht sofort entdecken konnte. Als er sie fand, sah er, dass sie jetzt nicht mehr ihr Kleid von gestern anhatte, sondern eine Bediensteten Schürze. Er beobachtete sie eine Weile, wie sie die anderen Gäste höflich und immer mit einem Lächeln auf den Lippen bediente. Er wollte erst einmal abwarten, da er sowieso gerade gegessen hatte. Er fragte sich, wieso er eigentlich hier war. Was sollte er ihr sagen? “Ich möchte bloss ihre Stimme hören“ ? Als ob er sie nur auf ihre Stimme reduzieren würde. Das war doch verrückt. Kakashi schüttelte den Kopf über sich selbst. Vielleicht sollte er einfach gehen und… „Herr Hatake! Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“ Sie stand plötzlich an seinem Tisch und schaute ihn aufmunternd an. Er blickte zu Melodie hoch. Er musste einen besorgten Eindruck auf sie gemacht haben. „Oh, guten Abend Frau Kodoku! Nein, mir geht es gut, danke. Sie arbeiten fleissig wie ich sehe“ Dabei versuchte er gut gelaunt zu wirken, denn besorgt war er eigentlich nicht. „Danke, obwohl es ziemlich schwer ist sich zu konzentrieren, wenn man ständig von jemandem gemustert wird“, meinte sie mit hochgezogener Augenbraue. Sie meinte damit offensichtlich ihn. Komisch, dass er es nicht gemerkt hatte. „Das tut mir leid, ich war wohl in Gedanken“, antwortete er etwas beschämt. Sie lehnte sich zu ihm hinunter und stemmte die Ellenbogen auf den Tisch: „Woran haben Sie denn gedacht, wenn ich fragen darf?“ Selbstbewusst liess sie ihn in ihre blauen Augen sehen. Die Wahrheit; „an Sie“, wäre ziemlich missverständlich gewesen. Deswegen sagte er, dass er nicht darüber reden wolle. Sie richtete sich auf und schien enttäuscht zu sein. Dieser Mann war mindestens so geheimnisvoll wie seine Maske. Melodie blickte um sich: „Jedenfalls rate ich Ihnen irgendetwas zu bestellen, bevor mein Chef merkt, dass Sie hier einen Platz besetzen. Sonst schmeisst er Sie noch raus, und das wollen weder Sie, noch ich.“ Er wies darauf hin, dass er bereits sein Abendessen hinter sich hatte. Deshalb wünschte er sich bloss einen Tee. „Sie sind also nur wegen mir gekommen? Das ist aber lieb!“ Melodie freute sich sichtlich. Kakashi probierte sich zunächst rauszureden, kratzte sich verlegen am Nacken und fragte sie, ob sie denn auch schon gegessen hätte, was sie verneinte. Sie mache aber gleich eine Pause, wenn ihre Arbeitskollegin die ihrige beendet habe. „In dem Fall würde ich Ihnen gerne das Essen spendieren“, meinte er, weil er sich bei ihr revanchieren wollte. „Das ist nicht nötig. Ich bekomme das Essen hier gratis. Ein andermal gerne! Ausserdem sollte ich nicht hier bei den Gästen essen. Es gibt da einen Personalraum wo ich ungestört essen darf. Kommen Sie mit?“ „Dürfen Sie denn jemanden dahin mitnehmen?“ „Weiss ich noch nicht, das wird sich herausstellen“, lachte Sie und wies ihm den Weg zu einer Türe, die mit der Aufschrift „nur für Personal“ versehen war. In der Kammer befanden sich vier Spinde, eine Umkleidekabine, ein Lavabo, ein Schrank und ein Tisch mit Stühlen. Anscheinend hatte die andere Kellnerin schon gegessen, weshalb sich niemand im Zimmer befand. Melodie bat ihn, sich schon einmal zu setzen, währendem sie seinen Tee und ihr Essen holte, und ihrer Kollegin bescheid gab. Sie schloss die Türe und liess ihn alleine im Zimmer. Er setzte sich. Kakashi hörte das Klappern des Geschirrs und die Gespräche aus dem Restaurant. Irgendwie war ihm mulmig zu mute. Nicht etwa, weil er sich vielleicht Ärger mit dem Chef einhandelte, da er womöglich in die „Verbotene Kammer“ eingedrungen war, sondern weil er sich nicht sicher war, ob er mit Melodie allein sein wollte. Sie vertraute ihm offenbar genug, um ihn im Personalraum allein zu lassen. Oder war sie einfach zu leichtsinnig? Vielleicht war ihr aber auch bewusst, dass er sich hier als Ninja jederzeit hätte einschleichen können, falls er es wollte. Oder es gab hier überhaupt nichts zu holen. Er fragte sich nochmals, ob er nicht einfach verschwinden sollte. Wenn er sich jetzt aus dem Staub gemacht hätte, könnte sie meinen, er hätte etwas gestohlen. Also entschied er sich zu warten. Gerade als er sein Buch hervorholen wollte, wurde die Türklinke nach unten gedrückt und Melodie reichte ihm seinen Ingwertee. Er bedankte sich, sie legte ihr Essen auf den Tisch und setzte sich ihm gegenüber. Schon das zweite Mal an diesem Abend wünschte er einen guten Appetit. Sie hatte sich eine Nudelsuppe geschnappt und schlug nun ordentlich zu. Es schien ihr sichtlich zu schmecken. „Isch sage Ihnen, meine Abeit is klasche! Zwar muss isch auch unangenehme Dinge machen, Toiletten putzn un so, aber das Essen…!“, schmatzte sie mit den Nudeln, die von ihrem Mund hinunterhingen. Zuerst schaute Kakashi baff auf seine Tischnachbarin, deren Essverhalten nicht mit ihrem Gesang zu vereinbaren war. Anschliessend musste er jedoch schmunzeln. Auf einmal schaute sie geschockt, als ob sie sich an etwas Wichtiges erinnerte. „Oh, Entschuldigung. Ich habe ganz vergessen… Das ist mir jetzt aber peinlich!“, sagte sie endlich, nachdem sie geschluckt hatte. Mit einem beschämten Lächeln blickte sie ihn mit gesenktem Kopf an. Grinsend meinte dieser: „Sie haben mich grade an meinen Chaosschüler erinnert. Er heisst Naruto.“ „Chaosschüler? Das hört sich nach keinem Kompliment an… Sie haben auch drei Schüler, wie Gai Sensei, oder? Wie heissen sie denn?“ „Da ist eben Naruto, unser lauter Überraschungsninja. Er streitet sich oft mit Sasuke, da er ihm seine Fähigkeiten beweisen will. Sasuke ist sehr begabt und introvertiert, da er seine ganze Familie verloren hat, als er noch klein war. Und die dritte ist Sakura, eine schlaue Kunoichi. Allerdings fühlt sie sich den beiden unterlegen. Vor allem seit der letzen Mission.“ „Mögen Sie Ihre Schüler?“ „Sie sind meine ersten Schüler die ich bekommen habe. Und das will schon was heissen. Zwar kennen wir uns erst seit Jahresanfang, aber sie sind mir schon ans Herz gewachsen. Ich denke… Es gibt vermutlich keinen Lehrer, dem seine Schüler egal sind... Oder sagen wir, keinen guten Lehrer.“ Sie hatte einen weiteren Happs hinuntergeschluckt und sah nun, dass Kakashi noch nichts getrunken hatte: „Wollen Sie nicht endlich die Maske ausziehen und den Tee trinken?“ Er mochte es nicht, vor anderen seine Maske herunterzuziehen. Sonst fehlte irgendetwas. So wie jemand sich komisch fühlt, seine Brille abzulegen, die er gewöhnlich immer anhat. Und dass die Leute so ein grosses Theater daraus machten, steigerte dieses Gefühl noch mehr. Deshalb drehte er sich um und nahm einen Schluck aus seiner Tasse, sodass sie es nicht sah. „Ich bin ein Ninja. Und für jemanden wie mich ist es besser, niemandem zu viel von sich preiszugeben.“ Ab diesem Zeitpunkt hatte sich Melodie vorgenommen, irgendwann hinter seine Fassade zu blicken und seinen Schleier zu lüften. Sie hatte dazu schon einen Plan, den sie heute einführen wollte… „Mögen Sie den Ingwertee?“ „Er ist ganz in Ordnung. Ingwertee hat eine wärmende Wirkung. Meine Hände sind manchmal kalt, bei solchem Wetter.“ Sie fasste auf dem Tisch seine Hand und spürte seine, trotz der Ninjahandschuhe, kalten Fingerspitzen. Sachte zog er seine Hand aus den ihrigen und umschloss wieder seine Teetasse. Kakashis Gelassenheit machte ihr ihre Aufregung greifbar. Ihr Herz pochte im schnellen Rhythmus gegen ihre Brust. Ihre Hand schien ihr durch die Berührung noch wärmer geworden zu sein. Ihr fielen seine kräftige Hände auf, die wohl alles beschützen könnten, was sie umfassen. Kakashi brach das plötzliche Schweigen: „Wieso wollten Sie eigentlich nach Konoha und nicht in ein anderes Dorf?“ „Vor ungefähr zehn Jahren kam ein Mädchen an unserem Dorf vorbei. Ich war damals noch etwa 14 Jahre alt. Sie hatte allein gelebt sagte sie, und wanderte von Dorf zu Dorf. Sie war etwa 20 Jahre alt. Meine Familie hat sie aufgenommen und wir haben während zwei Jahren viel Zeit miteinander verbracht. Sie erzählte mir, sie käme aus Konoha und hat von diesem Dorf nur Gutes erzählt. Da konnte ich nicht anders als mir vorzunehmen, eines Tages auch nach Konoha zu kommen.“ „Wer war sie?“ „Sie nannte sich Kaiko. Sie war eine sehr liebe und ruhige Person, die mir immer geholfen hat und mich tröstete, wenn ich mal traurig war. Mein grosser Bruder hat sich sogar in sie verliebt. So habe ich ihn noch nie erlebt“, Melodie lächelte bei der Erinnerung, „Aber sie hat seine Gefühle nicht erwidern können. Ich glaube, da gab es jemanden in ihrem Leben, den sie nicht vergessen konnte. Irgendwann ist sie dann weitergezogen. Wir haben sie seitdem nicht mehr wiedergesehen. Mein Bruder hat sie sehr vermisst. Seither hat er nur traurige Lieder gesungen“ Melodie wurde ernster und nahm einen weiteren Happen zu sich. „Vielleicht habe ich auch gehofft, sie hier wiederzutreffen und sie zu meinem einsamen Bruder zu bringen… Aber sie wird wohl nicht hier sein, sondern umherreisen.“ „Wenn sie wirklich mal hier gelebt hat, sollte sie im Personenverzeichnis unseres Dorfes stehen. Leider dürfen nur Konohabewohner Einblick in die Liste bekommen. Aber vielleicht kann ich mich mal umsehen nach ihr. Wie lautet ihr ganzer Name? Und wie sah sie aus?“ „Ich weiss nicht mehr, als dass ihr Name Kaiko war. Und das ist schon kein gewöhnlicher Name, wenn Sie mich fragen. Leider hat sie nur wenig über sich geredet… Sie hatte braune, lange Haare, aber das könnte sich ja wieder geändert haben. Sie war hübsch, falls Ihnen das weiterhilft“, sagte sie mit bedrücktem Lachen. „Eigentlich nicht. Aber ich werde mich mal nach dem Namen umschauen.“ Kakashi war bewusst, dass er ihr nicht einfach so Informationen seines Dorfes übergeben sollte, aber er wollte erstmal nachschauen, ob er überhaupt Informationen fand, und ob diese heikel waren, konnte er später immer noch entscheiden. Melodie hatte jetzt ihre Nudelsuppe fertiggeschlürft, schob die Schüssel beiseite und lehnte sich über den Tisch zu ihm: „Ich wollte Sie unbedingt noch etwas anderes fragen. Ich…wollte Sie fragen, ob ich mit Ihnen Singunterricht machen könnte. Also… dass ich mit Ihnen zusammen singen übe…?“ Kakashi hatte mit so einer Frage nicht gerechnet. Dementsprechend verblüfft sah er auch aus. Melodie schielte zur Seite und meinte kleinlaut: „Aber wenn Sie nicht wollen, kann ich das verstehen… Das war ja auch ein komischer Vorschlag“ Kakashi fiel ihr ins Wort: „Nein, überhaupt nicht, ich… Würde gern mit Ihnen singen.“ Eigentlich hatte er nicht vor, seine gesanglichen Fähigkeiten zu verbessern. Aber so könnte er ihre Stimme hören, wenn er wollte. „W-Wirklich?!“, Melodie strahlte vor Freude. „Ja, wenn Sie riskieren wollen, wegen meiner Stimme kurzzeitig taub zu werden...“, lächelte er wieder mit seinem Auge. "Wehe Sie singen extra falsch, das merke ich!", meinte sie mit gespieltem Tadel. Anscheinend muss man den Vogel nicht immer zuerst im Käfig haben, eh man ihn das Singen lehrt. „Dann…Haben Sie heute Zeit? Wenn ich hier fertig bin, können wir zu mir gehen.“ „Heute schon? Ja, eigentlich habe heute schon Zeit. Wenn Sie einverstanden sind, gehe ich nochmals kurz nach Hause und hole Sie später hier ab“ So wurde es also beschlossen. Noch konnte sich Kakashi nicht vorstellen, wie dieser Singunterricht aussehen würde. In freudiger Erwartung kehrte er also zurück nach Hause. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)