Wenn man vom Teufel spricht... von Anemia (Fortsetzung zu "Der Teufel soll dich holen...") ================================================================================ Kapitel 8: Das Geschenk ----------------------- 8. Kapitel - Das Geschenk     Der Tag hatte so friedlich begonnen. Ich war neben Lenny aufgewacht und sofort war alles wieder da. Sequenzen von letzter Nacht. Wärme. Nähe. Ich wusste nicht, wann ich zuletzt so ergriffen von etwas gewesen war, so viel gefühlt hatte. Ich hatte manchmal geglaubt, ein Mensch ohne jegliche Gefühle zu sein. Doch das war ich nicht. Lenny hatte es mir bewiesen. In diesen Jungen hatte ich alles gesteckt, was ein Mensch nur empfinden konnte. Am liebsten wollte ich ihn gar nicht mehr loslassen, aber ein Tag im Bett mit stundenlangem Kuscheln, welches immer wieder in Sex ausartete war nicht drin. Die Arbeit rief. Und Lenny würde allein zurückbleiben, wie immer. Doch dieses Mal würde er nicht flüchten, da war ich mir ganz sicher. Auch wenn ich zuerst nicht gewusst hatte, ob seine reumütigen Worte ehrlich waren, so hatte ich zu spüren bekommen, was er von mir hielt und wie leid es ihm tat, dass er so etwas Gemeines gesagt hatte. Sex mit einer Person, die man wirklich, aus tiefstem Herzen mochte, konnte so erfüllend sein. Natürlich war auch Geschlechtsverkehr nur der Lust wegen gegen nichts auf der Welt einzutauschen, aber das mit Lenny, das war doch etwas Besonderes gewesen. Man konnte es nicht an einer Geste, einem Blick festmachen, dass er genauso fühlte wie ich, aber dennoch war ich mir sicher, dass er dieses Mal nicht gelogen hatte. Es hätte ohnehin keinen Sinn ergeben. Lennys Gefühle waren aufrichtig. Genau wie das verschlafene Lächeln, welches er mir geschenkt hatte, als ich ihn heute Morgen geweckt hatte. Darin lag so viel. Ich konnte es fühlen. Und ich wollte ihm erneut zeigen, was er für mich war. Doch wie gesagt, die Arbeit rief. Und ich musste mich wohl oder übel aus den Federn schälen.   "Komm nicht so spät", brummelte Lenny noch, als er sich gegen meinen Rücken schmiegte und seine Wange an mir rieb, noch immer halb in den Träumen hängend. "Ich vermiss dich doch sonst..." "Ich beeil mich", versprach ich ihm und gab ihn einen Kuss auf den Mund, den in seinem Tran allerdings nicht erwiderte. Als ich mich erhob, lag er längst wieder unter der Zudecke und hatte die Augen geschlossen. Mich durchfuhr ein Gefühl ähnlich von Stolz, als ich auf ihn herabblickte. Wenn er schlief, dann glich er noch mehr einem Engel. Dann war er so friedlich und rein und schien kein Wässerchen trüben zu können. Ich wusste, dass er der schönste Junge auf der ganzen Welt sein musste. So einen wie Lenny gab es nicht noch einmal. Er war einmalig. Und das Beste: Er war mein. Er würde es für immer sein. Doch da ahnte ich noch nicht, dass sich bald schon alles ändern sollte. Sehr bald.   Bereits als ich den Meister aus seinem Arbeitszimmer rauschen sah, schwante mir nichts Gutes. Es konnte kein Zufall sein, dass er ausgerechnet dann erschien, wenn ich an seiner Tür vorbeikam. Er hatte mich gehört, mich und meine schweren Schritte. Und der Blick, der mich traf, als er mir direkt ins Gesicht sah, schien nur eines zu sagen: Du bist erledigt.   Doch auch wenn ich kein gutes Gefühl hatte, es gab kein Zurück. Ob ich wollte oder nicht, ich hatte zu zucken, wenn der Meister mich zu sich heranwinkte. Und das tat er. Er sprach kein Wort, machte lediglich eine Handbewegung, die mir verriet, dass ich ihm in sein Büro folgen sollte. Mir wurde ganz anders. Es war etwas geschehen. Oh, ich hoffte so sehr, dass es nicht mit Lenny zu tun hatte...   Zögerlich nahm ich auf der Ledercouch Platz, die seitlich seines Schreibtisches angebracht war. Ich ließ ihn für keine einzige Sekunde aus den Augen. Er hatte sich derweil dafür entschieden, mich keines Blickes mehr zu würdigen. Die Luft um mich herum war kalt. Der ganze Raum war kalt. Es war das, was von dem Meister ausging. Er demonstrierte mir unmissverständlich, dass er der Mächtigere von uns beiden war. Es sprach aus seiner Körperhaltung, die er einnahm, als er hinter seinem Schreibtisch saß. Sein Haupt hielt er erhoben und sein Mund war zu einem gehässigen Schmunzeln verzerrt. "Mir ist da etwas zu Ohren gekommen", begann er schließlich. Seine Hände waren auf dem Tisch verschränkt wie die eines Diplomaten. Er musste gar nicht mehr sagen. Diese wenigen Worte hatten bereits in mich eingeschlagen wie ein Blitz. Doch er war natürlich noch nicht fertig. Nein, er fing ja erst an.   "André hat mir gebeichtet, dass er einen Fehler begangen hat. Einen ziemlich großen Fehler." Sein Kopf schnellte herum und seine schmalen Augen musterten mich prüfend. "Aber keinen so großen wie du ihn begangen hast." Mir war, als würde ich in ein tiefes Loch fallen. Tausend Gedanken kreisten in meinem Kopf. André. Diese miese, kleine Ratte. Wie hatte ich auch nur so leichtsinnig sein können? Ich hätte mir doch denken können, dass er irgendetwas verriet. Dass er seine Fresse nicht halten konnte. Er war das treu ergebene Lämmchen des Meisters, das ihm die Füße küsste und ihm jeden Wunsch von den Lippen ablas. Ich verdammter Idiot...   "André hat mir erzählt, dass er bei dir war. Weil du etwas von ihm wolltest. Dass er mich sogar beinahe mit dir betrogen hätte." Er machte eine Pause, die er sichtlich zu genießen schien. "Mit dir und deinem Lustknaben." Seine Stirn zog sich in Falten und er kratzte sich mit einem Finger am Kopf. "Ich wusste gar nicht, dass du einen solchen hast." Und eindringlicher: "Wer hat dir denn erlaubt, einen solchen zu besitzen?" Die Frage erübrigte sich. Natürlich tat sie das. Sie war rein rhetorischer Natur. Ich sparte mir die Antwort darauf. Er kannte sie ohnehin nur zu gut. Mit einem Mal war er hochgeschnellt. Noch immer hielt sein Blick mich in der Mangel. "Stimmt es, dass du einen hast? Dass du einen Jungen besitzt, obwohl dir keiner zusteht?" Seine Stimme war ruppig. Ich wagte es kaum noch, mich zu bewegen, geschweige denn zu sprechen. Oder gar zu lügen. "Und wenn ich einen hätte?", stellte ich die provokante Frage in den Raum. "Was dann? Was würdet Ihr dann tun?" Er aber ging überhaupt nicht auf meine Worte ein. "Bring mich zu ihm", verlangte er mit so einem Nachdruck, dass ich wusste, er würde keine Widerrede zulassen. Und deswegen tat ich auch, wie mir befohlen. Einmal mehr wurde ich daran erinnert, auch nur ein kleines Lämmchen in einer großen Herde von Schafen zu sein. Ich wusste, dass es ein großer Fehler war, ihm zu gehorchen, doch ich wusste auch, dass es einer gewesen wäre, mich ihm zu widersetzen. Beides hätte Konsequenzen mit sich gezogen. Und ich sollte nun die eine Seite kennenlernen.   Ohne vorher anzuklopfen riss er die Tür zu meinem Zimmer auf und trat entschlossen in den Raum ein. Lenny, der noch immer im Bett gelegen hatte, war augenblicklich hellwach und starrte den imposanten Mann aus großen, runden Augen an. So voller Angst, dass ich mich am liebsten schützend vor ihn gestellt hätte. Doch es hätte nichts geholfen. Der Teufel bekam immer, was er wollte. Und wenn es das Wichtigste war, was ich besaß.   Lenny war noch nicht einmal dazu gekommen, sich anzukleiden. Dem Meister war es ohnehin egal, ob er nackt oder angezogen vor ihn trat. Er wurde grob hochgezogen und stand dann da, total verstört und durcheinander. Und ich konnte nichts weiter tun als daneben zu stehen und zuzuschauen. "Wie heißt du?" Die Lippen des Kleinen öffneten sich, doch die Angst hatte ihm die Kehle zugeschnürt, sodass sie kaum ein Wort verlassen wollte. "Lenny...also...Leonard." "Und wie weiter?" "Giesinger. Leonard Giesinger." Das schien den Meister zufriedenzustellen. Vorerst. Er legte seine Hand unter Lennys Kinn und betrachtete ihn eingehend. Er war wunderschön, er würde an ihm keinen Makel finden. Und das war das Schlimmste.   "Weißt du, was mit Personen geschieht, die es wagen, mich zu hintergehen?" Diese Frage galt mir. Er brauchte mich nicht anzuschauen, damit ich das verstand. Ich wollte etwas sagen, doch es gelang mir nicht. Ich sah nur Lenny, flehte und bat stumm, dass er ihm nichts antat oder ihn mir wegnahm. Doch es gab keinen Gott, der mein Gnadengesuch hätte erhören mögen. Es gab nur ihn. Den Teufel. "Ich schenke ihnen das Leben", raunte er gefällig und das letzte, was ich sah war, dass er mit den Fingern schnippte.   Dann war ich weg. Nur um kurze Zeit später wieder zurückzukehren.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)