25 Ways to meet someone von Jyll ================================================================================ Kapitel 14: Lost ---------------- Der Verlorene: Blaue, grüne, gelbe und rote Linien. Schwarze Striche. Alle gingen wirr ineinander, dazwischen standen Buchstaben und auch Zahlen auf weissem Grund. Ruki seufzte und starrte auf das Chaos. So kam er nicht weiter. Er hatte noch nie Karten lesen müssen, wieso auch. Normalerweise benutzte er ein Navigationssystem. Nachdem er sich eine Strähne weggestrichen hatte, die immer wieder nach vorn in seine Augen rutschte, drehte er die Karte. Er war sich auch nicht ganz sicher, wie er sie halten sollte. Die Strasse, auf der er sich befand, konnte er auch nicht finden im 1:200'000 Massstab. Er rümpfte seine Nase und wackelte dann missmutig mit ihr. Ein Ort, an dem er sich nicht auskannte, eine Karte, die er nicht lesen konnte, kein Gerät, das automatische Navigation hatte. Ein Ruki, der aufgeschmissen war. Da gab es nur noch eine Möglichkeit. Fragen. Mit Wildfremden sprach er eigentlich nicht so gerne. Eigentlich gar nicht gerne. Aber er musste. Er kaute auf seinem Lipgloss rum und merkte es gar nicht, während er sich um sich selbst drehte, um jemanden zu finden. Eine alte Frau? Hörte vielleicht nicht mehr so gut. Ein Mann im Anzug? Nein, viel zu beschäftigt. Ein Kind? Oh Gott, nein, was für ein Gedanke! Ausserdem konnte das wirklich falsch rüber kommen. … Verdammt. Oh, jemand in seinem Alter! Ungefähr. Ruki war verzweifelt, er würde alles nehmen, dass er halbwegs ansprechen konnte. Er holte tief Luft und holte nochmals tief Luft. Erst beim dritten Mal konnte er ein paar schnelle Schritte machen, damit der Mann nicht über eine Treppe verschwand. „Hey!“ Ruki hechelte schon fast. Er war nicht sportlich und seine kurzen Beine kamen den Langen des Fremden kaum nach. Der Mann drehte sich um und sah auf Ruki runter. Ruki war wie erstarrt. „Ja?“, fragte der Grössere rau und wartete. Ruki war wie paralysiert, ihm wurde heiss und er hatte vergessen, was er hatte fragen wollen. Er fing an, schneller zu atmen. „Wo…wo…bin ich?“, fragte er unbeholfen und wäre am liebsten wieder weg gerannt. Er konnte nicht mit Fremden reden, und dieser Mann starrte ihn auch noch so an und ausserdem war er so gross und sein Gesicht war halb verdeckt und was wenn er zur japanischen Mafia gehörte?! „Ach so.“ Ein Lächeln bildete sich auf den Lippen des anderen. „Sie brauchen Hilfe?“, fragte er höflich. „…Ja…JA!“ Ruki nickte und knitterte die Karte in seinen Händen. „Wo müssen Sie hin?“ „Eh…“ Ruki faltete die Karte hastig wieder auseinander und nannte ihm die Strasse, mit zweimal verhaspeln. „Ah, ich weiss wo. Kommen Sie…“ Mit einem weiteren Lächeln und einer Handbewegung wurde Ruki aufgefordert zu folgen. Verdutzt setzte er sich in Bewegung und musste ein wenig rennen, weil er schon wieder zu klein war. Schweigend lief er ein Stück hinter dem Fremden und wischte sich die Hände an der Jeans ab. „Ist es…ist es in der Nähe?“ „Hm? Nein. Wir müssen eine ganze Weile laufen.“ kam die Antwort von oben. Rukis Augen weiteten sich. „Und äh…wie jetzt du-äh Sie kommen mit?“ „Selbstverständlich.“ „Den ganzen Weg?“ „Natürlich.“ Ruki hätte bestimmt nicht perplexer ausgesehen, wenn ein grünes Männchen auf seinem Kopf gelandet wäre. „Liegt es…ah, liegt es in Ihrer Richtung?“ „Nein.“ „Hä, aber dann…?“ Der Fremde drehte sich um und lächelte. „Wir müssen über die Kreuzung.“ Er blieb neben ihm stehen und wartete geduldig. Die Masse um sie herum wurde immer grösser. Die Geräusche der Autos betäubten Rukis Ohren. Auch die Sprache summte in seinen Ohren. Er hätte gar nicht gemerkt, dass es grün wurde, wenn die Leute um ihn herum ihn nicht angeschoben hätten. Dadurch war er schneller auf der anderen Seite, als er blinzeln konnte und musste schnell nach seinem Führer sehen. Den entdeckte er aber schnell in seiner Nähe und wurde weiter geführt. Sie verliessen die Hauptstrassen und es ging immer mehr durch Nebenstrassen, wo es nicht mal viele Leute hatte. Plötzlich kam Ruki eine schreckliche Idee. Was wenn…er hatte ja keine Ahnung, ob sie überhaupt in die richtige Richtung liefen oder wo der Fremde ihn hier eigentlich hinführte. Wenn er ihn zu sich nahm oder irgendeinen anderen Ort, wo er nicht mehr wegkam? Nein, das war doch absurd oder? Aber wenn er doch von der Mafia war? Rukis Puls beschleunigte sich wieder rasant. „Sie sind Japaner, aber Ihr Akzent ist seltsam…“, meinte der Fremde und Ruki merkte erst jetzt, dass er gemustert worden war. „Ich eh…bin in Amerika aufgewachsen. Meine Eltern sind Japaner.“ murmelte Ruki. „Ah, ich verstehe.“ Der Grössere nickte leicht mit dem Kopf, wie wenn er einer Geschichte zuhören würde und bog um die Ecke. „Dies ist die Strasse. Wo müssen Sie hin?“ Ruki blickte sich um. Tatsache. Also doch keine Mafia. Es war ja auch albern von ihm gewesen, schalt sich Ruki. „Das reicht schon, Vielen Dank.“ Er verbeugte sich brav. „Aber nicht doch. Welche Nummer ist es. Es ist eine lange Strasse.“ Zwar war die Stimme rau, aber sehr ruhig. Ruki kaute sich wieder den Lipgloss weg. „52.“ „Nach links.“ Sie liefen schweigend weiter. Ruki fand das ausserordentlich seltsam. Als der Fremde anhielt, wäre Ruki fast in ihn hinein gelaufen. „Da ist es. Finden Sie den Weg zurück danach?“ „Ja, das wird schon gehen. Nochmals vielen Dank…“ Ruki verbeugte sich noch etwas tiefer. Der Unbekannte nickte wieder freundlich. Ruki holte Luft. Es liess ihm keine Ruhe. „Ich hab nur noch eine kleine Frage… Was soll der Nasentanga?“ Der Helfer: „Der Nasentanga?! Nasen - Tanga?! Ich hör wohl schlecht!“ Reita sah den Kleineren erschreckt zurückweichen. Er hatte ja auch ohne Vorwarnung seine Stimme erhoben. Aber das konnte ja wohl nicht sein Ernst sein?! „Das ist kein Nasentanga! Das ist ein Band, ja?! Das sieht man ja wohl!“ Reitas Knöchel knackten, als er die Finger zur Faust schloss und wieder öffnete. „I-I-Ich...Ich…“ Die dunklen Augen waren aufgerissen und die Hände abwehrend erhoben. Reita kam wieder zu sich. „Es…es tut mir Leid…tut mir Leid…“ Er machte einen Schritt auf ihn zu, aber als dieser zurückwich, ging er wieder zwei Schritte nach hinten. „Verzeihung…“, sagte er leise und verbeugte sich. Der amerikanische Japaner sah nach wie vor verschreckt aus, aber die Hände waren wieder nach unten gewandert. „Ich wollte nicht…naja…“ Reita nickte. „Ja, schon klar.“ „Ich dachte nicht, dass der Ta-äh…“ Der Kleinere brach ab und Reita schnaubte. „Band, verdammt!“ Diesmal reagierte der andere weniger verängstigt. „Band.“ „Ja…“ Reita fuhr sich durch die Haare. So viel zu guten Vorsätzen. „Ich muss dann mal…“ „Sicher…also danke.“ „Bitte.“ Reita drehte sich um und ging rasch, aber nach einem halben Block kehrte er sich unauffällig um und stellte sicher, dass der Kleine sicher ins Gebäude gelangt war. Zufrieden und ruhiger setzte er seinen Weg fort. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)