Der perfekte Freund von _Schneewittchen_ (Das kranke Herz) ================================================================================ Kapitel 1: Der perfekte Freund ------------------------------ Ich öffnete langsam den Deckel der kleinen roten Schachtel. Drinnen befand sich ein silbernes Armband mit Süßwassersteinen in einem angenehmen Pastelgrün und ich entdeckte eine Gravur mit meinem Namen: Emelie. Ein verträumtes Raunen ging durch die Mädchenreihen welche uns beobachteten. „Das ist ja so romantisch!“, hörte ich eine Mitschülerin aus der Parallelklasse sagen. Da war ich anderer Meinung, aber das konnte ich mir nicht anmerken lassen, sonst würde Kris noch wütend werden... Ich zwang mir ein Lächeln auf und antwortete mit leichtem Zittern in der Stimme: „Danke... Schatz...“ Er mochte es, wenn ich ihn in der Öffentlichkeit bei einem für Paare typischen Kosenamen nannte. Nur wenn uns niemand beobachtet durfte ich keinen Laut von mir geben. Ich blickte ihm in die Augen und sah dort das Verlangen aufblitzen, nur für einen Augenblick. Für die anderen war es nur ein Geschenk von dem perfekten Jungen an seine geliebte Freundin, für mich war es eine Warnung. Dieses Armband von ihm sollte mir sagen, dass ich nach dem Unterricht auf ihn warten solle, denn heute wird er mich nach Hause begleiten und... Ich wollte das nicht! Aber ich hatte keine Wahl, denn wenn ich weglaufe, würde er zu mir kommen und mir noch mehr wehtun. Kris schloss mich sanft in eine Umarmung. Er liebte diese Auftritte, denn somit konnte er mir zeigen, dass es keinen Sinn macht sich zu wehren, dass mir niemand glauben wird. Er war beliebt, bei Lehrern und Schülern; er war Schulsprecher, Klassensprecher und der Beste unseres Jahrgangs, wurde von den Jungs respektiert und von den Mädchen angehimmelt. Und ich? Ich konnte nicht einen meiner Mitschüler einen Freund nennen. Mir würde niemand glauben und das wusste er ganz genau. Ich versuchte zu Lächeln und meine Arme um seine Schultern zu legen, aber der Ekel der mich packte ließ jegliche Reaktion meinerseits ersterben. „Versuch mich einfach nicht wütend zu machen, Emelie, mehr verlange ich heute nicht von dir...“, zischte er gefährlich in mein Ohr, so leise dass nur ich es hören konnte. Für einen kurzen Moment entgleisten meine Gesichtszüge und ich starrte voller Entsetzten in die Ferne und fing mich wieder so weit, ein falsches Lächeln aufzusetzen. Nur zögerlich legte ich meine Arme um ihn, Kris, als er die Umarmung auflöste und mir breit grinsend in die Augen schaute. Nun sah ich ihn direkt an, meinen selbsternannten perfekten festen Freund, meinen Peiniger. Der perfekte Freund, bei dieser Aussage hätte ich am liebsten immer lautschallend aufgelacht. Doch Kris würde es mir nicht verzeihen und mich wieder mit Gewalt nehmen... „Dann sehen wir uns nach dem Unterricht, Hase!“, flötete er und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Ebenfalls so eine Szene für die Öffentlichkeit. Unsere „Beziehung“ sollte nach außen hin so rein wie möglich wirken. Du übervorsichtiger kranker Bastard! Das war, was ich ihm eigentlich sagen wollte, geantwortet hatte ich: „Bis dann...“ Meine Aussage klang schüchtern nicht ängstlich und damit war er mehr als zufrieden. Kris wusste nun ganz genau, dass ich es nicht wagen würde das Schulgebäude ohne ihn zu verlassen. Dafür hat er versprochen heute sanfter zu sein... Nach dem Unterricht suchte ich mir einen Sitzplatz in der Pausenhalle. Eine schöne etwas abgelegene Bank nahe den Fensterscheiben, sodass ich mich dort mit meinen Kopf anlehnen konnte. Ich setzte mich hin und zog meine Beine schützend vor meinen Körper und legte mein Buch auf meine Knie. Gut es handelte sich hierbei um einen Manga, wenn man es genau betrachtet. Aber so spannend wie ein Buch war es allemal. Heute hatte ich mir Scary Lessons mitgebracht. Eines der wenigen Mangas welche Kris mir noch nicht versaut hatte. Er ist damals kritisch durch alle meine Bücher gegangen und hat mir bereits Gib mir Liebe!, Girls Love Bible und Kleiner Schmetterling komplett ruiniert. Ich konnte die Bücher nicht mal mehr in die Hand nehmen, so angewidert war ich. Nicht weil er sie angefasst hat, nein. Er hat sie nachgespielt… mit mir in der Hauptrolle. Dreckskerl! Horror war das einzige was ich gefahrenlos lesen und schauen konnte, denn er würde mir nichts antun… also nicht in dem Ausmaß. Sonst muss er ja eine Erklärung finden für meine Verletzungen oder, Gott bewahre, für mein plötzliches Verschwinden. Ich bereute es, dass ich viele Mangas gesammelt hatte, welche mit Romanze zu tun hatten. Er hatte immer noch eine große Auswahl für heute… Erneut schauderte ich und versuchte dieses Gefühl abzuschütteln. Widerlich! Ich widmete mich wieder meinem Buch, okey Manga! Gerade war ich bei dem Kapitel „Boys  Love Story“. Interessant… Ein Freund der für dich über Leichen geht und dich bis zum kompletten Wahnsinn liebt! Bei mir war es leider das genaue Gegenteil. Hier waren von beiden Seiten keine Gefühle im Spiel. Ich zähle Hass, Ekel und Abscheu nicht als Gefühle, ebenso wie Verlagen und Lust. Etwas anderes war da nicht… Einfach gar nichts… „Entschuldige, ich hab mich etwas verlaufen!“, hörte ich eine verlegene Stimme. Eine männliche Stimme! Panisch drehte ich mich um. Wer war das?! Dunkle kurze Haare, braune Augen, sanfte Gesichtszüge. Es schien ihm peinlich zu sein mich angesprochen zu haben. Ich räusperte mich verlegen und setzte ein schüchternes Lächeln auf. Ich hielt natürlich auch auf Abstand, denn so einen Kerl wie Kris konnte ich mir nicht schon wieder anlachen… Buchstäblich! Er blinzelte mich überrascht an und musste anfangen zu lachen. Hab ich etwas Falsches gesagt? Moment ich hab noch gar nichts gesagt! „Wa… Warum lachst du…?“, stotterte ich verlegen und versuchte ihn nicht anzusehen. Super, das ist der erste Junge, der sich seit langem traut mich anzusprechen und nun so was… Er wischte sich über seine Stirn und kicherte noch etwas. „Entschuldige…“, sagte er. „Ich bin neu hier und es ist mein erster Tag. Ich wollte dich nicht erschrecken.“ Verlegen schüttelte ich meinen Kopf: „Schon gut…“ Er setzte sich vor meinen Füßen auf die Bank und schaute über den Rand des Mangas um ins Buch zu schauen. „Was liest du?“ Zögerlich zeigte ich ihm das Cover. Er schaute mich grinsend an und meinte: „Was ist es für ein Gerne?“ „Horror…“, piepste ich. „Du heißt also Emelie?“, fragte er plötzlich. Mein Herz setzte einen Schlag aus. Was weiß er denn alles? Hat Kris ihn geschickt um mich weiter zu quälen? Er deutete mit dem Zeigefinger auf mein Handgelenk: „Steht auf deinem Armband.“, und er lächelte erneut. „Natürlich…“, nuschelte ich und versuchte die Angst zu unterdrücken. „Ich bin Ilian. Schön dich kennen zu lernen, Emelie.“, sagte er und streckte mir die Hand hin. Ich rutschte auf meinem Platz zur Seite, so dass ich neben ihm saß und nicht wie vorhin gegenüber. Langsam streckte ich meine Hand aus und unterdrückte das Zittern. Vielleicht war ich ja doch masochistisch veranlagt, so wie Kris es sagte. Anders konnte ich mir nicht erklären, warum ich dabei bin mich mit einem Neuling anzufreunden. Ich wusste doch, dass Kris alles daran setzt diese Freundschaft zu unterbinden. Was wenn er mich jetzt so sieht?! Panisch zog ich die Hand zurück. Ilian schaute mich überrascht an und merkte an: „Meine Hände sind sauber. Siehst du?“, und er hob seine Handflächen in die Luft damit ich sie sehen konnte. Ein leises Lachen entwich mir. „Na endlich hast du auch mal gelacht!“, grinste er mich triumphierend an. Ich verstummte und drehte mein Gesicht beschämt zur Seite. An meinem rechten Handgelenk trug ich eine Armbanduhr und blickte nun prüfend auf die Zeiger. In etwa 15 Minuten würde die Schulglocke das Ende der Nachmittagsveranstaltung ankündigen, welche Kris besuchte. Und bis dahin musste ich wieder alleine sein. „Ich hab jetzt eigentlich Unterricht.“, meine Ilian beiläufig und fügte grinsend hinzu: „Aber ich hab das Klassenzimmer nicht gefunden.“ Er ist etwas eigenartig. Ist er etwa über einer Stunde im Schulgebäude herum geirrt? Ein winziges Lächeln erschien auf meinen Lippen. „Weißt du vielleicht wo der Computerkurs stattfindet?“, fragte er und schaute zur Decke bevor er mich musterte. Ungewollt verhärtete sich meine Miene, denn es war der Kurs den auch Kris besuchte. Ein Schauder jagte durch meinen Rücken. Ich musste ihm antworten, so normal wie möglich sonst... „Der ist im Raum D177... Den Gang entlang und dann rechts... Kaum zu verfehlen.“, antwortete ich und versuchte das Zittern in meiner Stimme zu kontrollieren. Ilian nickte verständnisvoll und schaute zu dem Gang zu welchem ich vorhin mit der Hand gedeutet hatte. „In welcher Klasse bist du?“ Warum fragt er das? „In der 8a.“ „Dann sind wir ja Klassenkameraden!“, merkte er an. Ich nickte nur und es wurde Still um uns. Ilian schaute auf die Uhr welche in der Pausenhalle hing. „Ich mach mich dann auf den Weg, Emelie.“, sagte er. „Soll ich dich nach Hause begleiten?“ Erschrocken wandte ich mein Gesicht zu ihm. „Was? Warum?“ Er lachte wieder, aber es klang nicht so als ob er über mich lachen würde. „Oder wartest du auf jemanden?“ Er stand auf und schaute mich eine Weile an. Ich dachte ernsthaft darüber nach mit ihm zu gehen, denn es war unmöglich dass er schlimmer war als Kris... Der jeden Moment hier auftauchen würde. Die Schulglocke ertönte in meinen Ohren und ich antwortete schnell: „Schon gut...“ und zwang mich zum Lächeln. Er musste jetzt gehen! Sofort! „Dann sehen wir uns morgen in Deutsch.“, sagte er fröhlich und hob seine Hand zum Abschied, bevor er aus dem Schulgebäude lief. Er kann mir nicht helfen, versuchte ich mir einzureden. Ich kann mir ja selbst nicht helfen! Ich verstaute den Manga wieder in meiner Tasche, als ich schon seine Stimme hörte und sich mir nähernde Schritte. „Emelie, schön dass du gewartet hast!“, flötete Kris von weitem. Er legte mir seine Hände auf die Schultern und flüsterte mir mit einer bedrohlichen Stimme „Braves Mädchen“ zu. Ich hatte mich vor meiner Tasche auf den Boden gekniet und zuckte unter seiner Berührung erschrocken zusammen. Ich sagte nichts, sondern schluckte nur schwer. Mistkerl! „Lass uns nach Hause gehen.“, sagte er und griff nach meiner Hand. Mit einem leichten Ruck zog er mich auf die Beine und führte mich bereits Richtung Ausgang. In meiner linken Hand war mein Schulranzen und die rechte hielt er fest in seiner. Nur schwermütig setzte ich einen Fuß vor den Anderen. Als würde man mich zum Schafott geleiten. Was ja letztendlich die korrekte Metapher war. Wir sprachen kein Wort miteinander und so war es sehr still während dem 20 minütigen „Spaziergang“ bis zu meiner Haustür. Ich wohnte alleine, das sollte mich auf das Erwachsen werden vorbereiten. Plausible Gründe gab es hierfür nicht. Vielleicht wollten meine Eltern auch nur ihre Ehe retten, denn sie stritten sich lautstark über jegliche Banalitäten. Immer noch hielt Kris mich mit eisernem Griff an der Hand. Als könnte ich jetzt noch weglaufen... Arschloch! Ich kramte also nach meinem Schlüssel und führte ihn zitternd zum Schloss. Mit der freien Hand nahm er mir den Schlüssel und deutete nur genervt an: „Ich sagte doch du sollst dich richtig ernähren!“ Und Kris öffnete mit einem gewohnten Griff die Haustür. Es geht ihn einen Scheiß an, was ich esse und wie oft! Penner! Er hatte schon oft den Schlüssel an sich gerissen und meine Wohnungstür geöffnet. Natürlich in meinem Beisein. Krüppel! Gott sei Dank hatte er keinen eigenen. Die Wohnung war recht klein. Ein kleines Wohnzimmer vollgestellt mit Regalen und Büchern. Das Bad war durch den Flur leicht erreichbar und um ins Schlafzimmer zu gelangen, musste man erst durch das Wohnzimmer gehen, welches auch gleich die Küche mit einschloss. Wir betraten den Flur wobei er mich eher rein zerrte, in meine eigene Wohnung. Wichser! Kris zog seine Schuhe aus und schloss hinter mir gleich die Tür. Auch noch mit der Kette? Als hätte ich eine Chance gegen ihn gehabt. Die Flucht war ebenso wie mein Herz, ausgeschlossen. Kris schaute mich ungeduldig an. „Trödel nicht, ich mach jetzt erstmal einen Tee...“, sagte er genervt. Na klar machst du jetzt „Tee“. Ich wusste, dass er da irgendwas rein tat, damit ich willig war. Elender Sadist! Ich stellte meine Tasche am Regal neben dem Sofa ab und setzte mich. Es war so hoffnungslos! Ich konnte nur warten, dass es jetzt endlich vorbei war, sonst nichts. Ich bin ein Feigling und es ist nicht in Worte zu fassen, wie sehr ich mich dafür hasste. Ein leises Klingeln ertönte und ich wusste, dass der Drogentee schon so gut wie fertig war. Ich schaute zu Kris und sah nur, wie er etwas in meinen Kirschtee goss. War ja klar! Sich hat er gleich einen Kaffee gemacht. Mit vorsichtigen Schritten ging er auf die Couch zu, um keinen Tropfen zu verschütten. Widerling! Kris reichte mir die Tasse. „Vorsicht heiß!“, keifte er. Schon die ganze Zeit hatte er diese beschissene Laune und die würde er an mich auslassen... Kris setzte sich neben mich und schaltete den Fernseher an. Das Zeug musste erst seine Wirkung entfalten, hatte er mal erzählt. Mistgeburt! Ich becherte den Inhalt der Tasse in einem Zug weg. Es hatte gebrannt als die heiße Flüssigkeit meinen Hals herunter rannte. Aber wenn ich diese Zeit des Ausharrens damit verzögern kann und Kris so schneller zum Gehen bewege, wird es das wert sein. Zudem ist der Schmerz den er mir zufügt um einiges schlimmer... Mit Gier in den Augen schaute er mich herausfordernd an. „Wir können es auch beschleunigen...“, flüsterte er, stellte seinen Kaffee auf dem Tisch ab und schob seine Hand langsam in meinen Schoss. Das ist immer der Moment in dem ich die Augen schließe und mir vorstelle ich wäre wo ganz anders. Anders kann ich diese wiederholte Peinigung einfach nicht ertragen. Mein Verstand droht sonst zu zerbrechen... so tut es nur mein Körper. „Dann werd ich jetzt gehen.“, sagte er und ging von mir runter. Es war wie bei einem Blackout. Ich war nackt und wusste nicht warum. Das war mein einziger Schutz gegen ihn gewesen. Kris zog sich an und ging mit einem „Bis Morgen!“ aus der Wohnung. Angewidert von ihm und mir selbst, richtete ich langsam meinen Körper auf. Neben mir lag meine Bluse und ich legte das Kleidungsstück schützend auf meine Schultern. Bevor ich wieder abdriften konnte und die verdrängten Erinnerungen zurück in meinen Kopf fanden, stand ich auf. Das Handtuch, welches unter mir lag, nahm ich mit ins Badezimmer und warf es sofort in den Wäschekorb. Ich sollte bald wieder den Korb mit der dreckigen Wäsche leeren, sowas regt Kris nur auf. Bei dem Gedanken an ihn schlug ich mir mit beiden Händen auf meinen Kopf. Er ist gegangen! Also ist es vorbei... für heute! Ich stellte mich unter das warme Wasser und wusch jede seiner Berührungen von meinem Körper. Aber egal wie oft ich es versuchte, seine Spuren waren noch zu sehen. An meiner rechten Schulter sah ich den leichten Umriss eines Bissabdrucks und auf meinem Oberkörper waren unzählige Knutschflecke. Drecksschwein! Von Tag zu Tag wurden es immer mehr statt weniger. Sobald eines verblasste, verpasste er mit drei Neue! Dieser Blutsauger! Wann hat er denn endlich genug? Ich fragte mich schon oft wie das alles angefangen hatte. Aber ich habe jegliche Erinnerung an Kris aus dem Gedächtnis verbannt. War ich in ihn verliebt gewesen? Absurd! Wann hatte ich ihn noch mal kennen gelernt? Das war glaub ich zu der Zeit meines Umzugs, vor vielleicht drei Wochen? Ich wusste es nicht mehr! Verdammt! Aber das würde auch nichts an der Situation ändern... Ich bin doch erst 15 Jahre alt! Warum denn ausgerechnet ich? Weil ich niemanden hatte? War das nicht Grund genug, mich in Ruhe zu lassen? Heiße Tränen stiegen auf. Aber das Wasser wischte sie mir aus dem Gesicht. Nach weiteren 10 Minuten verließ ich die Dusche und trocknete mich ab, wickelte mir das Handtuch um meine schulterlangen Haare, zog mir saubere Unterwäsche an und kuschelte mich in meinen Bademantel. Ich kippte das Fenster und verließ das Badezimmer. Mir war leicht schwindelig. Bestimmt hatte ich wieder zu lange unter dem heißen Wasser gestanden. Hoffentlich war es nicht das Zeug welches Kris mir verabreichte. Ich trat ins Wohnzimmer. Allein der Anblick des Sofas hatte gereicht und ich machte auf dem Absatz kehrt. Ich kniete mich vor der Toilette und übergab mich etwa zweimal. Ekelhaft! In meinen Augen sammelten sich bereits neue Tränen. Ich will nicht mehr! Ich kann nicht mehr! Es muss doch etwas geben um diesen Teufelskreis zu brechen. Ich legte mich sofort ins Bett. Es war mir psychisch nicht möglich etwas zu tun. Scheiß auf die Schule und Hausaufgaben! Fuck auf all die Lehrer und Schüler... bis auf einen. Ilian! Er war meine einzige Hoffnung, glaubte ich jedenfalls. Vielleicht konnte er mir helfen... ja vielleicht... Plötzlich schreckte ich aus meinem Schlaf auf. Schnaufend und mit zitternden Hand griff ich an meinen Kopf. Nein! Nicht schon wieder! In meinem Traum sah ich wieder einige Erinnerungsfetzen. Diesmal konnte ich es deutlich spüren, wie Kris sich nackt über mich beugte und mir etwas mit einem innigen Zungenkuss verabreichte. Ich wusste nicht genau was es war. Eine Micro Tablette? Wann war das? Die Übelkeit kam wieder hoch und ich stand hastig vom Bett auf. Ich musste sofort ins Bad. Mich auf dem Boden zu übergeben war wirklich ekelhaft. Ich schaffte es grad noch rechtzeitig, putzte mir die Zähne und schwankte zurück ins Bett. Lass diesen Tag doch bitte endlich enden! Am Morgen klingelte mein Handywecker und die Musik von Brokencyde drang in meinen ruhelosen Schlaf. Schizophrenia, hieß der Song und er weckte mich wie immer erfolgreich. Ich öffnete meine Augen und schaute müde zu meiner Rechten, wo mein Handy fröhlich Musik machte. Mein Schädel brummte und ich fühlte mich so geplättet, als wäre ein vollgeladener Lieferwagen über mich gefahren. Nach meiner körperlichen Verfassung zu urteilen so etwa achtmal hinter einander. Nein, ich konnte nicht zu Hause bleiben! Er würde kommen und er würde wütend sein. Kris würde mich wieder gegen die Wände schubsen und mich ans Bett fesseln, bis ich mich oft genug bei ihm entschuldigt hatte. Ich hatte ihm damals nicht Bescheid gegeben, dass ich zu meinen Eltern fahren wollte und er wartete stundenlang vor der Wohnung auf mich. Mit dem einzigen Wunsch in mich einzudringen... Psychopathischer Nymphoman! Ich versuchte mich aufzurichten, aber ich fiel erschöpft zurück ins Kissen. Nein ich war definitiv nicht in der Verfassung das Haus zu verlassen. Ich griff nach meinem Handy. 6.15 Uhr! Ich hatte noch genug Zeit meinen Ausfall zu melden. Da ich aber immer noch minderjährig war schrieb ich eine kurze SMS an meinen Vater und meine Mutter, damit wenigstens einer meine Abwesenheit entschuldigen kann. Ich hasse Freitage! Das Wochenende ist immer das Schlimmste für mich, denn Kris lädt sich öfters selber ein und bleibt oft über Nacht. Einmal ist er bis Sonntag geblieben. In der Zeit in der er mich nicht wollte, hatte er an seiner PlayStation irgendwelche Spiele gezockt, während ich mich in meinem Schlafzimmer versteckte und nur versuchte ihn nicht aufzuregen. Ich legte mein Handy beiseite. Erledigt! Und schloss meine Augen um endlich Erholung zu finden. Ein penetrantes Klingeln donnerte in meinen Ohren und erschrocken stellte ich fest, es war meine! Jemand steht vor der Tür! Panisch stand ich auf und zog mir ein Kleid an und schlüpfte noch zusätzlich in den Bademantel. Mit vorsichtigen Schritten ging ich auf die Wohnungstür zu. Versuchte kein verräterisches Geräusch zu verursachen. Nun klopfte dieser Jemand an der Tür und mein Herz setzte kurz aus. Es konnte sich hierbei doch nur um Kris handeln! Wer sonst außer ihm weiß wo ich wohne? Mir wurde auf einmal ganz schlecht und ich legte meine Hände auf den Mund um den Drang, alles auszukotzen was noch in meinem Magen war, nieder zu kämpfen. „Emelie, ich bringe dir die Hausaufgaben. Bist du zu Hause?“, hörte ich die Person sagen. Mit meinem benebelten Kopf verstand ich nicht sofort wer es war, aber langsam lichtete sich der Nebel. Die Übelkeit verschwand schlagartig. Ich entfernte hastig die Kette von der Tür und riss sie auf. „Ilian!“ Dieser war überrascht darüber wie schwungvoll ich die Tür öffnete und merkte neckisch an: „Mir wurde gesagt du musst das Bett hüten, dass man davon Bärenkräfte bekommt war bis dato unbekannt.“, und er grinste über beide Ohren. Ich war sprachlos und konnte ihm nicht antworten. Vielleicht war ich auch etwas überrumpelt über sein plötzliches Auftauchen oder schlicht und ergreifend froh, darüber dass er es war, Ilian! Er musterte mich und fragte: „Hab ich dich geweckt? Oder stör ich grade?“ Ich schüttelte hastig den Kopf. „Keineswegs, bitte komm rein...“, nuschelte ich recht verlegen. Ich machte einen Schritt zur Seite. Ilian schien zu überlegen. „Gut, ich bleib auch nicht lange. Danke!“, und betrat die Wohnung. Er zog seine Schuhe aus und ließ seine Schultasche daneben fallen. Er schien etwas zu suchen und wandte sein Gesicht zu mir. Ich schloss währenddessen die Tür und hing die Kette wieder ein. Nur eine Vorsichtsmaßnahme für den Fall, dass Kris doch einen Schüssel hat. „Wohnst du etwa alleine?“, fragte Ilian und schaute ins Wohnzimmer. „Sieht so leer aus...“, merkte er an. Ich nickte. „Ich wohne erst seit diesem Schuljahr hier, deshalb ist es noch etwas ungemütlich hier...“ Meine Wände sahen kahl aus. Und auch sonst hatte ich kaum persönliche Sachen. Keine Fotos oder Poster oder irgendwelche Bilder. Nur meine Bücher. „Du kannst dich gerne setzen. Möchtest du etwas trinken, Ilian?“, fragte ich ihn und schloss hinter mir dir Tür in den Flur. Ich weiß nicht warum, aber es machte mich nervös wenn diese Tür offen war. Bevor sich Ilian aufs Sofa setzte, schaute er sich kurz im Raum um und merkte an: „Das sind ziemlich viele Mangas...“ „Ich lese sehr gerne.“, antwortete ich und lächelte unbewusst. „Möchtest du lieber Tee oder Kaffee?“ „Wenn du mich so fragst, nehm ich gern einen Kaffee. Mit einem Schuss Milch ohne Zucker.“, sagte er und konnte seinen Blick nicht von dem Regal lassen. Ich setzte Wasser auf und bereitete die Tassen soweit vor. Er mochte den Kaffee also genauso wie Kris. Sollte ich mir Sorgen machen? Vielleicht hatte ich gerade den Teufel in die Wohnung gebeten...? „Du bist ein Fan von Kaori Yuki?“, hörte ich ihn plötzlich sagen und zuckte zusammen. Er ist doch nicht etwa auch ein Otaku...? „Ja, ich liebe ihren Zeichenstil und ihre Geschichten mit deren unerwarteten Wendungen.“, antwortete ich etwas verlegen. „Ja das stimmt, bis jetzt hab ich kein einziges Mal die Story durchschauen können.“, sagte er mit breitem Grinsen. „Wie klein die Welt doch ist. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemanden kennen lernen würde mit der gleichen Begeisterung.“ Er schaute weiter durch die Regale und ihm fielen die Bücher auf, welche ich mit voller Absicht falsch eingeordnet hatte. Es waren die bereits erwähnten Mangas! Der Wasserkocher klingelte und ich goss den Kaffee auf. Als ich mich umdrehte mit jeweils einer Tasse in der Hand, sah ich wie Ilian diese Mangas herausnahm und auf dem kleinen Tisch vor dem Sofa stapelte. Meine Augen weiteten sich und mir blieb die Luft weg. Gott sei Dank hatte ich die Tassen nicht vor Schreck fallen gelassen. Ich sammelte mich kurz und machte kleine Schritte zum Tisch. Vorsichtig stellte ich seinen Kaffee vor ihm ab und setzte mich auf ein Kissen im Seiza auf den Boden, Ilian gegenüber. Ich vermied es die Bücher anzusehen und vergrub kaum merklich meine Hände im Bademantel. Er ging mit den Augen die Titel durch und schaute mich fragend an: „Was ist mit den Büchern?“ Als würde er etwas wissen, ich konnte mir das Gefühl nicht erklären. War es vielleicht verängstigter Scham? Okey ich wurde gerade sehr absurd... „Nichts...“, piepste ich unsicher. Ilian musterte mich, das konnte ich spüren. Wie sein Blick mein Gesicht ins Visier nahm, um jegliche Lüge als solche zu enttarnen. „Muss dir doch nicht peinlich sein, wenn du des liest!“, meinte er lächelnd und hielt Gib mir Liebe! in die Luft. Es war mir nicht peinlich. Nein, es war abartig und masochistisch diese Bücher immer noch im Regal zu bewahren. Beinahe hätte ich ihm erzählt, was wirklich der Grund ist, doch ich nahm lieber einen Schluck meines überzuckerten Kaffees. Das Thema war auch recht schnell vom Tisch und Ilian erzählte mir etwas über den Unterricht, den ich verpasst hatte. Viel war es ja nicht, Gott sei Dank. Denn meine Noten durften nicht schlechter als 2 sein. Meine Eltern hätten dann nur wieder einen Grund zu streiten. Nach etwa zwei Stunden waren unsere Tassen leer und Ilian machte sich langsam auf den Weg nach Hause. Er kramte in seiner Tasche nach den Unterlagen und reichte sie mir. „Danke, dass du extra gekommen bist Ilian!“, sagte ich und drückte die losen Blätter an mich. „Es hat Spaß gemacht, sich mit dir zu unterhalten Emelie. Vielleicht wiederholen wir das mal...“, antwortete er und kratzte sich verlegen an der Wange. Ich nickte. „Gerne!“ Wir verabschiedeten uns mit den gewohnten Floskeln und ich schloss die Tür. Die Kette hatte ich nicht reingehängt, das sollte sich als Fehler raus stellen. Ich ging sofort an meinen Schreibtisch im Schlafzimmer und bearbeitete die Arbeitsblätter und Hausaufgaben. Es war gegen 16 Uhr, als ich mich endlich wieder ins Bett legen konnte. Wenn man krank ist, ist das Alleinleben echt scheiße! Ich hatte keine Medizin im Haus oder Wissen über diese Gesundheitstipps im Haushalt. Ich tat das einzige was mir gut tat. Augen zu und schlafen. Zum ersten Mal seit langem träumte ich wirklich etwas. Es waren keine verdrängten Erinnerungen oder traumatische Erlebnisse aus meinem Leben. Da war ein Schloss und ich trug ein schönes langes Ballkleid und hatte mit einem Mann getanzt, welcher ein liebevolles Lächeln aufsetzte. Meine Eltern waren dort und hatten sich für mich gefreut, ihre kleine Prinzessin. Ich hatte wirklich einen Traum gehabt. Doch dieser endete abrupt als ich das Klimpern von aneinander schlagenden Schlüsseln hörte und wie sich das Schloss drehte, mit diesem mechanischen Geräusch. Zu Beginn dachte ich, dass es einfach an den dünnen Wänden liegt und bestimmt die Nachbarn von gegenüber nach Hause gekommen waren... Doch dann hörte ich wie die Tür aufging mit dem mir nur allzu bekannten Quietschen. Unmöglich! Meine Eltern würden mich niemals am Wochenende besuchen kommen, vor allem nicht wenn sie wissen, dass ich krank bin. Die würden nicht auf heile Familie machen und mich gesund pflegen. Das musste ich leider einsehen, als ich sie das letzte Mal besucht hatte. Beide schienen durch mich durch zu sehen... Ich hatte viel abgenommen und eine blassere Haut bekommen und trug Augenringe bis zum Bauchnabel und keiner der beiden hatte mich darauf angesprochen. Wenn es also ausgeschlossen war, dass gerade meine Eltern die Wohnung betraten, konnte es nur Kris sein. Er hatte also doch einen Schlüssel?! Ich wusste es! Gott sei Dank hatte ich die Kette wieder eingehängt... oder?! Erst als ich ihn in meiner Wohn-Ess-Küche hörte, wurde mir panisch bewusst, dass es nicht der Fall war. Ich lag im Bett und zog meine Beine nah an meinen Körper, schlang schützend meine Arme darum. Was mache ich jetzt? Panik schoss in meinen Kopf und benebelte meinen Verstand. Was macht er hier? Warum? Mein Körper begann zu Zittern. Aus Angst, nehme ich an, denn Kris ist nicht nur vorbei gekommen um nach mir zu sehen. Ich zog die Beine näher an mich und kniff meine Augen zusammen. Was wird er jetzt mit mir machen? Er ist sicherlich wütend. Plötzlich hörte ich Porzellan aneinander stoßen. Ich war so froh gewesen, Ilian zu sehen und mit ihm zu reden, dass ich vergass die Tassen aufzuräumen. Verdammt! Mein Herz schlug nun schmerzhaft gegen meinen Brustkorb. Panik, Angst, Verzweiflung machte sich in mir breit, als ich Kris sagen hörte: „Emelie, hattest du Besuch? Wer war es?“ Es klang streng und abweisend und mein Innerstes zog sich zusammen. Ich hörte seine Schritte und spürte seinen Blick starr auf mir ruhen. Aber ich konnte mich nicht rühren und ich wollte ihn nicht ansehen, meine Angst war zu groß. Kris seufzte. Was? Warum? War er nicht wütend? Vermutlich verdrehte er gerade genervt seine Augen. Ich schaute ihn kurz an. Kris hatte die Hand durch seine Haare wandern lassen und schloss seine Augen, atmete tief ein und wieder aus. Mein Herz setzte einen Schlag aus, denn Kris wandte sich von mir und ging wieder zum Wohnzimmer. Er setzte Wasser auf und kramte kurz in einer Plastiktüte. Wo kam diese her? Hatte er diese etwa mitgebracht?! Langsam richtete ich mich auf und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Ich beobachtete Kris dabei wie er verschiedene Medikamente auspackte. Wofür braucht er die denn alle? Was hatte er vor? „Hast du schon gegessen?“, fragte Kris streng und kühl ohne mich anzusehen. Ich war unfähig ihm zu antworten und schüttelte nur den Kopf, es war kaum zu sehen. Aber er hatte es gesehen oder geahnt, denn er antwortete: „Dachte ich mir...“ Wieso fragt er danach? Das war sehr irritierend. Was macht er da? Ich konnte sehen wie Kris in meinen Schubladen etwas suchte. Ein Messer?! Mir blieb das Herz stehen! Er würde mich töten? Es ist aus! Er ist ein Psychopath, ein Irrer. Er würde nicht mal mit der Wimper zucken... Bevor ich richtig nachgedacht hatte, begann ich bereits folgendes zu schluchzen, während Tränen mir über mein Gesicht liefen: „Warum...?“ Kris legte ein Schneidebrett auf die Arbeitsfläche des Küchenregals und fing an, einen Apfel in kleinere Stücke zu halbieren. Ich bin mir nicht sicher, ob er mich gehört hatte. Auf jeden Fall antwortete er nicht auf meine verzweifelte Frage. Meine Starre löste sich und ich schaute ungläubig zu ihm auf, als er mit einem Teller geschälter Apfelstücke an mein Bett trat. Ich war recht verstört. Was war das für eine Art von Folter? Hatte er die präpariert? Ist an dem Apfel irgendeine Droge oder gar Gift?! Aber… Ich habe ihn doch die ganze Zeit angeschaut und beobachtet, was er macht. Mit der panischen Angst, dass er mit dem Messer auf mich losgeht. Ich habe nichts gesehen… Es waren schlicht und ergreifend geschälte rote Apfelstücke. Verwirrung machte sich in mir breit und ich erwischte mich, wie ich Kris einfach nur geschockt anstarrte, ohne auch nur einen Finger zu rühren oder gar zu atmen. Ich hatte doch tatsächlich die Luft angehalten. Kris knurrte um seiner Verärgerung über mein Glotzen Luft zu machen und drückte mir den Teller in beide Hände. „Nun iss schon!“, bellte er und setzte sich neben mich. Ich zuckte zusammen und duckte mich instinktiv, um eine kleine Verteidigung aufzubauen. Wenn er mich heute wieder derart berührt, hatte ich das Gefühl, dass ich sterben würde. Ich nickte zur Antwort und mein Blick fiel auf die Apfelstücke, welche doch aussahen wie Hasen, wenn ich mich nicht irrte… Ja! Sie sahen aus wie… „Usagi Ringo…“, murmelte ich unbewusst und schaute vorsichtig zu Kris, welcher sich mit den Armen nach hinten auf dem Bett abstützte. Das war eine japanische Art die Äpfel zu verziehen. Meist für Kinder oder für einen Krankenbesuch... Kris schaute mich nicht an. Sein Blick war auf die Decke gerichtet. Er drehte seinen Kopf in meine Richtung und schaute mich gleichgültig an, vielleicht auch genervt. Es war schwer seinen Blick zu deuten. Er schaute mich direkt an. Und ich? Ich konnte nichts tun außer zurück zu starren. Was war hier los? War das eine Art Entschuldigung? War das ein Zeichen von Reue? Wieso macht er mir Apfel-Häschen? „Jetzt iss schon!“, zischte er wütend. Seine Stimme zerschnitt förmlich die Stille zwischen uns und ich wandte meine Augen wieder auf den Teller. Mit einer zittrigen Hand nahm ich einen der Usagi Ringo in meine Hand und führte es vorsichtig zum Mund. Plötzlich fiel es mir aus der Hand und landete wieder zurück auf dem Teller. Genervt stöhnte Kris auf. „Kannst du denn gar nichts richtig machen?“, keifte er. Mit einer schnellen Bewegung nahm er das Stück in seine Hand, klemmte es sich leicht zwischen den Zähnen und legte seine Lippen auf meine. Es ging so schnell und überraschend. Instinktiv biss ich zu und… fing an zu kauen? Hatte er mich gerade gefüttert?! „Den Rest schaffst du ja wohl alleine…“, murmelte Kris mit vollen Mund und stand auf. Was war hier los? Ich schluckte runter und nahm mir einen weiteren Usagi Ringo. Kris schaute mich kurz an, als er an dem Küchenregal stand. Ich wusste nicht, warum er hier war… Vielleicht war es mir auch mittlerweile egal. Immer wenn Kris in meiner Nähe ist, scheint sich mein Kopf zu leeren und meine Gedanken abzuschweifen. „Willst du wieder einen Kirschtee oder was gegen den Magen?“, fragte er und nahm sich zwei Tassen aus meinen Hängeschrank. Ich saß an der Bettkante und drehte mich nun in seine Richtung, schluckte den Bissen runter und richtete meine Augen auf ihn. „Wirst du wieder etwas in den Tee mischen…?“, piepste ich erstickt. „Was?“ Kris schaute überrascht ins Zimmer und fing meinen Blick auf. Ich sah wie ihm ganz kurz seine Gesichtszüge entgleisten… Einbildung? Er schien sich wieder gefangen zu haben und meinte genervt: „Hast du was gesagt? Sonst mach ich dir gar nichts!“ Er blickte mich eiskalt an. „Bitte… mach das nicht…“, nuschelte ich nur wieder fast tonlos und legte den Teller auf meinem Schoß ab. „Reiz mich nicht, Emelie. Sprich einfach laut und deutlich mit mir. Ich versteh dich so kaum!“, seine Stimme hatte bereits den Gefrierpunkt überholt und seine Augen schienen sich in meine zu bohren. Kalt! Mir wurde kalt und übel… Ich legte meine Hand auf den Mund und versuchte den Drang niederzukämpfen mich zu übergeben. Es war mir nicht möglich an Kris vorbei zu gehen oder ihm nahe zu kommen oder überhaupt aufzustehen, denn meine Knie zitterten. Ich wusste genau, dass sie mein Gewicht nicht tragen würden, dass ich stürzen würde sobald ich vom Bett aufstehen würde. „Hast du deine Medizin wieder nicht genommen?!“, schrie er mich an und fing an etwas in der Plastiktüte zu suchen. Warte… Was? Woher…? Die Übelkeit verflog augenblicklich und ich stellte den Teller mit den Usagi Ringo auf dem Boden ab. Woher, verdammt nochmal? Ich schaute Kris direkt an, doch er kramte immer noch in der Tüte. Er soll mich verdammt noch mal ansehen! „Woher…“, setzte ich vorsichtig an, „Woher weißt du davon?“ Er antwortete nicht. Das machte mich wütend, rasend, aggressiv. Die Ungeduld nagte an mir und ich schrie ihn an: „Antworte!“, und ich stand auf. Überraschenderweise konnten mich meine Beine tragen. „Kris!“ Er drehte sich zu mir und schenkte mir wohl seinen finstersten Blick. Mit schnellen Schritten war er bei mir und… Er packte mich an meinen Schultern und schubste mich mit Wucht auf mein Bett. Ich landete weich. Es tat mir nicht weh und machte mir auch keine Angst… noch. „Wer war heute hier?“, brüllte er nur aufgebracht. Doch ich antwortete nicht. „Verarsch mich nicht Emelie!“ Als ich immer noch nichts sagte, sprang er regelrecht auf mich und setzte sich auf meinen Bauch, nahm meine Hände in seine und drückte sie in die Matratze. Er wusste doch, dass ich zu schwach war mich zu wehren. Das hatte er sich doch selbst schon zu Genüge bewiesen. Kris schaute mich an, beherrscht und vor allem angepisst. Fordernd legte er seine Lippen auf meine und drückte meinen Kopf tiefer ins Kissen. Ich weigerte mich vehement meinen Mund zu öffnen, um seiner Zunge Einlass zu gewähren. Nein, heute spielen wir nicht nach deinen kranken Regeln! Er löste den gescheiterten Zungenkuss und schaute mich an. „Immer zwingst du mich dazu…“, raunte er gefährlich in mein Ohr. Was zur Hölle redete er? Ich biss die Zähne aufeinander. Nein, heute werde ich nicht so tun als wär alles in Ordnung. Heute sollst du sehen, wie sehr du mich zerstörst, Arschgesicht! Ich muss den Teufelskreis brechen, endgültig! Und wenn du mich schlägst, soll mir das heute recht sein, denn dann hab ich etwas gegen dich. Also nur zu… Er griff sich in die Hosentasche und holte eine Packung Tabletten raus. Drogen?! Meine Hände waren frei und ich holte aus. Kris‘ Kopf drehte sich zur Seite als ich ihm eine Ohrfeige verpasste. Sein Blick jagte mir eine Gänsehaut über den ganzen Körper ein und Panik ergriff mich. Was hab ich mir nur dabei gedacht? Ich hab doch keine Chance aus dem Teufelskreis auszubrechen… Er klemmte sich die Tablette zwischen seinen Lippen und raunte: „Wenn du deinen Mund jetzt nicht aufmachst, werde ich dir wieder wehtun müssen, Emelie… Sei brav und öffne den Mund!“ Ich presste meine Lippen gegeneinander. Nein! Ich will nicht! Er soll aufhören! Brutal packte Kris meinen Kiefer und öffnete mir gewaltsam meinen Mund, seine Lippen berührten meine und seine Zunge umspielte meine. Ich schluckte und das war der Moment, als Kris von mir abließ. Er seufzte und stand auf, verließ das Schlafzimmer und machte sich einen Kaffee. Ich sah, wie er den Fernseher anmachte, sich auf das Sofa setzte und etwas im Verzeichnis herum zappte. Was war das? Was habe ich eben schlucken müssen? Warum ist Kris immer noch hier?! Was zum Teufel will er? Ich schlug meine Hände aufs Gesicht und versteckte die Tränen, welche in meinen Augen brannten. Was soll das alles nur? Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte, starrte ich einige Zeit an die Decke. Ich war irritiert darüber, dass sich mein Gemüt abgekühlt hat, obwohl doch mein Peiniger nebenan saß und friedlich seinen Kaffee trank. Meine Tränen waren auf einmal versiegt und meine Atmung wurde flacher, ruhiger. Eigenartig. Was war denn passiert? Die Tablette? Was war das? Ein Beruhigungsmittel? Eine Droge..? Ich setzte mich auf und schaute ins Wohnzimmer. Kris saß regungslos da und beachtete mich nicht. Ich stand langsam auf und ging mit zittrigen Schritten zu dem Teller mit den Usagi Ringo, nahm einen und begann die Apfelstücke aufzuessen. Mein Teller war bereits leer aber ich traute mich nicht aus dem Schlafzimmer. Ich saß auf dem Fußende des Bettes. Kris stand auf und schenkte sich noch mal einen Kaffee ein. Anscheinend hatte ich lange gebraucht die Usagi Ringo aufzuessen, denn Kris trank seinen Kaffee sehr langsam und genießerisch. Wie spät es wohl war? Draußen waren bereits die Straßenlaternen angegangen. Vielleicht nach 20 Uhr? Da ich im Schlafzimmer keine Uhr besaß, konnte ich das nicht überprüfen. „Es ist kurz nach acht!“, sagte Kris ruhig, als würde er in meinen Gedanken lesen können wie in einem Buch und machte den Wasserkocher noch einmal an. „Willst du jetzt etwas trinken?“ Ich dachte kurz über das Mittel nach, welches er immer in meinen Tee hinzufügte. „Schon gut…“, antwortete ich ruhig. „Ich möchte jetzt nichts…“ „Seit ich hier bin hast du nur geheult und nicht einen Schluck getrunken!“, motzte er und legte einen Kirschteebeutel in eine Tasse. „Du wirst dich mit mir aufs Sofa setzen und einen Film mit mir ansehen, während du deinen beschissenen Tee trinkst, hast du verstanden?“ Seine Stimme war grob, befehlend, gebieterisch. Er duldete keine Widerrede! Ich nickte schwach. „Gut…“ Ich stand vom Bett auf und durchquerte das Zimmer, setzte mich auf mein Sofa und wartete. Ein kurzer Blick zu Kris, bestätigte meinen Verdacht. Er nahm ein kleines Fläschchen aus seiner Tüte und tropfte etwas in meinen Tee. Sinnlos! Es war sinnlos etwas zu erwidern. Ich kämpfte die Tränen zurück. Kris setzte sich zu mir und stellte den Tee vor mir ab. „Vorsicht, heiß!“, knurrte er. Das sagte er immer, als wüsste ich das nicht! Selbstsüchtiger… Jetzt gehen mir doch glatt die Beleidigungen für ihn aus… Wer hätte das vermutet? Ich umfasste mit meinen eisigen Händen die warme Tasse. Doch die Kälte in meinem gesamten Körper konnte nicht abklingen, solange er neben mir saß und seinen Arm auf die Sofalehne legte, um mich jederzeit an sich drücken zu können, wenn ihm danach war. Ich warf einen verstohlenen Blick zu seinem Gesicht. Emotionslos und distanziert! Wie immer eigentlich. Aber heute war etwas anders… und wie zur Bestätigung fragte Kris plötzlich: „Hast du einen Filmwunsch?“ Ich hatte doch was mit den Ohren… oder? Hatte Kris, der sonst immer nur auf seine Triebe aus ist, gerade nach meinen Bedürfnissen gefragt? Ja ich weiß. Es war nur die Frage, ob ich einen besonderen Film schauen wollte… aber irgendwie… machte es mich glücklich? Ein düsterer Gedanke setzte sich in meinem Kopf fest. Will er mit mir etwa wieder etwas nachspielen? So wie mit den Manga? Geschockt blickte ich ihn an und er erwiderte den Blick gleichgültig. Hob eine Augenbraue hoch und fragte: „Ist was?“ Er klang nicht wütend. Warum klang er nicht wütend??? Er legte mir die Hand aufs Gesicht und drückte meinen Kopf zurück. „Heute hab ich keine Lust auf sowas… Also starr mich nicht so an!“, keifte er. Erleichterung! Ich spürte tatsächlich sowas wie Erleichterung in mir aufsteigen und mein Körper entspannte sich. Ich hätte nicht gedacht, dass ich zu positiven Gefühlen fähig war in seiner Gegenwart. Oder überhaupt, dass ich etwas fühlen würde, wenn Kris neben mir sitzen würde. Ohne darüber nach zu denken, sagte ich den ersten Titel, welcher mir in den Sinn kam: „Silent Hill…!“ Seine Augen schauten mich erstaunt an und er seufzte: „Hast du den auf DVD?“ Ich nickte leicht. „Aber nur die geschnittene Fassung…“ Kris stand auf und ging in den Flur. Vielleicht wollte er ja aufs Klo? Er kam wenige Augenblicke mit einem Laptop in der Hand wieder und stellte ihn auf den Couchtisch. Kris schloss seinen tragbaren Computer an die Stromversorgung in meiner Wohnung an und schaltete ihn ein. „Log dich schon mal ins WLAN ein und lad den Film, ich muss noch mal ins Bad!“, sagte er und verschwand aus dem Wohnzimmer. Warum? Ich blickte nach draußen. Es war schon sehr dunkel. Das ließ nur eine Vermutung zu: Kris würde über Nacht bleiben! Ich schluckte hart und versuchte mich auf das Schlimmste vorzubereiten. Obwohl er gesagt hatte, dass er heute keine Lust hatte, konnte ich ihm das nicht so recht glauben… Der Rechner fuhr hoch und ich gab das Kennwort für mein WLAN ein, öffnete eine Streaming Website und suchte den Film. Ich hatte Glück und fand auch die ungeschnittene Version auf Anhieb, schloss die Werbeseiten mit anzüglichen Inhalt und wartete. Der Film hatte bereits zur Hälfte geladen, aber Kris kam noch nicht aus dem Badezimmer, also trank ich noch einen Schluck vom Kirschtee. Vorsichtig roch ich daran, aber ich konnte keine chemische Note wahrnehmen. Was zum Teufel tropft er mir in meinen Tee?! Ich hatte meine Tasse bereits geleert… Es war ja auch egal, irgendwie. Ich konnte nicht fliehen und er würde nicht gehen. Ich legte mich auf die Sitzfläche des Sofas und schloss kurz meine Augen. Ich war müde, schon fast ständig. Es war bereits Standard, dass meinem Körper wichtige Energie fehlte. Das Zimmer war dunkel und nur das Flimmern des Fernsehers, welchen keiner von uns beiden ausgemacht hatte, und das Licht aus dem Laptop erhellten den Raum. Ein schwaches Licht, das auch nur auf mich fiel. „Bist du schon müde?“, hörte ich Kris plötzlich fragen. Seine Stimme hatte einen sonderbaren Klang. Ich erschrak und öffnete meine Augen. Wann ist er denn aus dem Bad gekommen? Ich habe ihn gar nicht gehört! „Es ist schon spät…“, merkte er an. Ich wusste wohin seine Anmerkung hinführen würde und richtete mich so schnell wie möglich auf. Mein Kopf drehte sich und mir war wieder etwas übel, aber es war auszuhalten. „Es geht schon…“, nuschelte ich leise und erhaschte einen Blick auf die Uhr im Laptop. Es ist schon 21 Uhr?! Ich muss wohl eingeschlafen sein… Wie lange stand Kris denn am Sofa? Hatte er mich beim Schlafen beobachtet und sich schweinische Sachen überlegt? Die Vorstellung war beängstigend und ich fügte hinzu: „Ich möchte den Film gerne sehen…“, ich klang etwas sicherer, etwas lauter und… fordernder. Ich glaube ein Grinsen in seinem Gesicht gesehen zu haben. „Gut, wie du willst…“, antwortete er. „Dann mach ich noch mal was zu essen und du ziehst dich derweil um!“ Seine Stimme duldete keine Widerrede, keinen Einspruch. Ich stand mit wackligen Beinen auf und knickte um. Anscheinend war die Kraft wieder aus meinem Körper gewichen… Ich hatte mich schon auf einen Sturz zu Boden eingestellt, aber eine Hand schlang sich um meine Taille und fing mich auf. Was?! Kris, fing mich auf… Einfach so? Was ist los mit ihm? Oder mit mir! Mein Herz schlug etwas schneller… Aus Angst, hoffte ich doch! „Soll ich dir beim Umziehen helfen?“, fragte er plötzlich in die Stille. Was? Nein! Aber ich war unfähig zu antworten, schüttelte nur meinen Kopf und schluckte. Mein Körper begann zu zittern und ich versuchte mich aus seinem Griff zu lösen. Erfolglos! Wie vorhersehbar… Er knurrte, (aber warum?) packte meine Hand und zog mich ins dunkle Schlafzimmer. Er schleuderte mich wieder aufs Bett und machte anschließend das Licht an. „Zieh dich um. Solltest du das in zwei Minuten nicht hinkriegen, werde ich das für dich tun!“, sprach er wieder kühl und schloss die Tür. Kris ließ sie einen Spaltbreit offen. Vielleicht um mich dabei zu beobachten? Wie abartig! Ich blieb einen Moment auf dem Bett liegen, um meinen Körper etwas Ruhe zu gönnen. Das dachte ich jedenfalls; bis ich versuchte mich aufzurichten und wie ein Stein zurück ins Kissen fiel. Hilflos… Ich war ja so hilflos! Tränen sammelten sich erneut in meinen Augen. Schwach! So schwach… Die Tür öffnete sich und Kris stürmte ins Zimmer. „Deine Zeit ist abgelaufen…“ Er ging direkt auf meinen Kleiderschrank zu und blickte kurz in die Regale. Hat er etwa gesehen, wie ich zurück fiel, weil mir die Kraft fehlte. Nein, das würde ja bedeuten… Unsinn! Kurz schien er etwas zu suchen, aber ich konnte es nicht so gut sehen. Ich versuchte mich wieder aufzurichten und schaffte es endlich meinen Oberkörper in eine senkrechte Lage zu bringen. Mit vorsichtigen Augen beobachtete ich ihn und löste langsam den Knoten, um meinen Bademantel auszuziehen. Kris schien gefunden zu haben, was er gesucht hatte. Er drehte sich mit einem Pyjama um, in den Farben Flieder und Violett. Meine Lieblingsfarben. Er hatte keine andere Alternative in meinem Kleiderschrank. Meine Garderobe bestand fast ausschließlich aus Schwarz, Lila und etwas Pink, wenn man die Jeans nicht mitzählte, denn diese waren natürlich dunkelblau, alle. Kris setzte sich neben mich und strich mir den Bademantel behutsam von den Schultern. Fast schon eine sanfte Berührung, könnte man sagen. Aber ich tu das lieber nicht… Ich bin schon verwirrt genug! Er nahm die Shorts und zog sie mir über die Beine und meine Knie. Vorsichtig, als wollte er meine Haut nicht berühren. „Steh mal auf!“, befahl er. Ich wusste nicht, ob mich meine Beine tragen würden, aber ich stand auf. Wie hypnotisiert von dieser Szene, tat ich was er von mir wollte. Warum? Das wüsste ich auch gern! Vielleicht bin ich ja doch ein Masochist! Vielleicht bin ich ja genauso krank wie Kris! Der Gedanke gefiel mir nicht, aber ich konnte diesen, Gott sei Dank, nicht weiter verfolgen, denn er griff nach meinem Saum von dem Kleid und zog es mir über den Kopf aus. Dann strich er mir das T-Shirt über den Kopf. Es war fast so, als versuchte er mich nicht anzusehen. Mein Körper war übersäht mit seinen Spuren, seinen Küssen, Berührungen, seiner Gier. Vielleicht wollte er das nicht sehen? Kris verließ das Zimmer und ließ die Tür ins Schloss fallen. Etwas stimmte nicht! Heute war etwas anders! Nicht nur an ihm, sondern auch an mir! Als mir das endgültig klar wurde, wollte ich eigentlich nur noch ins Bett und schlafen. Ich stand eine Weile regungslos da, nachdem ich mir das Shirt vollständig anzog, und starrte auf meine nackten Füße. Die Tatsache, dass er mich kaum ansah, dass er mich fragte, ob ich gegessen hatte oder wer hier war… Das war untypisch… Das war anders. Und das Schlimmste: Es gefiel mir! Ich war krank… Nein, wir beide! Auf unsere ganz individuelle Art und Weise! Es klopfte an der Tür und Kris Stimme drang an mein Ohr: „Komm endlich raus! Ich hab Sandwiches gemacht!“ Diesmal klang er wütend. Auf sich selbst, nehme ich an, weil er gesagt hatte, er würde heute nichts tun, aber er wollte. Das würde ja heißen, dass er das Versprechen halten würde?! Ich musste es wissen! Sofort! Ich wollte die Wahrheit hören… Aber ich traute mich nicht. Kris öffnete genervt die Tür und machte das Licht aus. „Emelie! Mach schon!“, bellte er. Mir ist das erst jetzt aufgefallen, dass er in jeder erdenklichen Situation ein Gespräch mit mir anfing, auch wenn es nur Befehle waren. Er sprach doch sonst nicht so viel... Ich nickte und ging mit vorsichtigen Schritten auf ihn zu. „Ich hab dir noch einen Tee gemacht!“ Er klang angepisst. Ich sagte nichts. Es war nicht nötig. Er trug meine Tasse wieder zum Tisch und setzte sich. Ein prüfender Blick in meine Richtung, ob ich auch wirklich kommen würde. Ja, er war ein Kontrollfreak. Er hasste es, wenn etwas nicht nach seinem Kopf ging, das wusste ich bereits. Aber heute hatte er mir die Freiheiten überlassen, ihn auf die Probe zu stellen. Er ist gekommen ohne der Absicht mich zu nehmen, sondern, und das erschreckte mich, nach mir zu sehen, mich wieder gesund zu pflegen? Lachhaft! Ich setzte mich neben ihm und berührte leicht seine Knie, als ich ins Stolpern geriet. Ihm entglitt ein leichter Seufzer… Was tut er hier überhaupt? Ich war zu perplex ihn das zu fragen. Also saß ich ruhig neben ihm und schaute dabei zu wie Rose, Cybil und Sharon in Silent Hill gezogen wurden und versuchten, zu überleben. Wer den Film kennt, weiß, dass es keine Überlebenden aus Silent Hill geben wird… Aber die Verschmelzung zwischen Drama, Horror und Psycho gefiel mir. Ich könnte es mir wieder und wieder ansehen, aber ich war müde. Meine Augen fielen mir zu und ich konnte meinen Kopf nicht mehr aufrecht halten. Unbewusst lehnte ich meinen Kopf an Kris‘ Schulter und war fast dabei einzuschlafen, als seine Stimme in der Stille widerhallte. „Ich bin müde! Lass uns schlafen gehen!“ Ich nickte, was hätte ich denn anderes machen können? Einen Hofknicks? Kris stand auf und klappte den Laptop zu. „Du hast kaum was gegessen!“, zischte er und schaltete den Fernseher aus. Durch das Fenster im Wohnzimmer drang schwaches Mondlicht, im Schlafzimmer das Licht der Straßenlaterne. Es war also nicht ganz dunkel. Kris seufzte schon wieder. Dies machte er heute auffallend oft. „Kannst du alleine laufen?“, fragte er und klang dabei kühl. Da schon wieder! Er fragte mich wieder nach meinem Befinden. Und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen soll… „Warum fragst du mich das?“, nuschelte ich. Es war dumm von mir, denn ich wusste, dass er mir nicht antworten würde. Und wenn doch, was wird er mir sagen? Und wollte ich das überhaupt hören? Im Halbdunkel konnte ich seine Mimik nicht deuten, konnte ich eigentlich noch nie. Er drehte sich um und murmelte nur: „Dann geh doch alleine!“ Warum war er denn so sauer? „Und vergiss nicht deine gottverdammte Medizin!“, bellte er noch zu mir, bevor er die Tür zum Schlafzimmer mit einem lauten Knall schloss. Wenn der Arsch dachte, dass ich ein schlechtes Gewissen hatte, dann war er noch verrückter als ich gedacht habe. Ich stand langsam auf und ging ins Bad. Ich wusch mir das Gesicht und meine Hände und putzte meine Zähne. Sollte er doch ruhig einschlafen, bis ich ins Schlafzimmer kam. Obwohl ich auch auf der Couch schlafen könnte… Auch ohne Decke wäre es immer noch besser als mit Kris mein Bett zu teilen oder meine Decke. Ich verzog das Gesicht. Ich solle meine Medizin nehmen, hatte er gebrüllt. Völlig außer sich. Ich spülte meinen Mund mit Wasser aus und öffnete mein Badezimmerschränkchen über dem Becken. Ja, da waren meine Tabletten gelegen, welche er meinte. Auch wenn ich keinen Schimmer hatte, woher er diese Information hatte… Ich füllte meinen Becher mit Leitungswasser und nahm zwei Tabletten ein. Die vorgeschriebene Dosis vom Arzt, welcher mich vor einigen Jahren untersucht hatte. Nachdem ich schon zum zweiten Mal damals im Sportunterricht umgekippt war, hatten meine Eltern jemanden engagiert, der mit mir durch die Ärzteverzeichnisse ging. Ich war überall gewesen, bis ein Psychotherapeut mir Tabletten gegen meinen labilen Geisteszustand verschrieb. Diese nahm ich seitdem immer täglich ein. Mein Zustand hatte sich nicht verschlechtert, aber auch nicht verbessert… Aber nachdem Kris in mein Leben geplatzt war, war es mir nicht mehr möglich diese Tabletten in den gewünschten Zeitabständen einzunehmen. Wenn ich mir die Packung so ansehe, hatte Kris nicht die… selben…? Was zum…?! Das mir das nicht früher auffiel! Ich ging zurück. Ich musste wissen, was hier los war! Ich durchschritt die Wohn-Küche und öffnete die Schlafzimmertür ohne hinein zugehen. Ich blieb im Rahmen stehen und blickte auf das Bett. Kris lag drin und ich wusste, dass er mich jetzt heimlich beobachtete. Vorerst sagte ich nichts und sah zu, wie er sich im Bett aufrichtete. Er winkelte sein rechtes Knie an und stützte seinen Arm drauf ab, wartend darauf, was ich zu sagen hatte, aber ich sagte immer noch nichts. Ich schaute ihn einfach nur weiter an. „Emelie, was soll der Scheiß? Leg dich jetzt hin! Mach mich nicht wütend…“, zischte er gefährlich. „Warum machst du das?“, war meine Antwort. Er schien über meine Widerrede überrumpelt, oder war das auch nur Einbildung meinerseits? Nein! Ich konnte sehen, wie er mich neugierig musterte, soviel konnte ich noch erkennen im Straßenlaternenlicht von draußen. „Was meinst du?“, keifte er und gewann wohl seine Beherrschung wieder. „Warum bist du hier?“, fragte ich erneut, mit einer eindringlicheren Stimme als zuvor. „Warum tust du das alles…?“ „Ich habe keine Ahnung, was du meinst!“, blockte er sofort ab und legte sich wieder ins Bett, deckte sich zu und zeigte mir seine eiskalte Schulter. Als hätte dir das jetzt geholfen, du Idiot! „Beantworte einfach meine Fragen!“, meine Stimme war sicherer, das muss ihm doch aufgefallen sein. Warum wurde er nicht wütend? Warum zog er sich zurück? „Halt deine Fresse und leg dich endlich ins Bett Emelie!“, seine Stimme wurde lauter und kälter, aber ich konnte nicht zurück weichen. Ich war gerade dabei, ihn in eine emotionale Sackgasse zu lenken und er wusste das auch… „Warum bist du gekommen und hast mir meine Medizin verabreicht? Oder mir Essen gemacht und darauf geachtet, dass ich es auch zu mir nahm?“, fragte ich erneut. Ich wollte es wissen und zwar aus seinem Mund. „Warum hast du mir Usagi Ringo gemacht? Oder die Sandwiches?“ Ich konnte sehen, wie Kris‘ Atmung schwerer wurde und er sich zusammen reißen musste, um nicht aufzustehen und… Ja, was würde er jetzt wohl mit mir machen? „Warum hast du mir beim Umziehen geholfen? Mich vor dem Sturz auf den Boden bewahrt? Mir angeboten mich ins Bett zu tragen…?“ Kris schmiss die Decke zurück und stand vom Bett auf. Mit schnellen Schritten ging er auf mich zu und starrte mich mit seinem finstersten Blick an. Schien zu versuchen, mich zu verunsichern, mir Angst einzujagen. Pech gehabt, ich hatte gerade die doppelte Dosis Medizin in mir. Egal was du jetzt machst, es würde mich kalt lassen… „Was soll der Mist?“, fragte er und legte mir seine Hand auf die Hüfte. Er versuchte mich zu provozieren. Mich von meiner Fragerei ablenken, mir einfach nur Angst machen. „Willst du mich reizen? Es ist fast schon, als willst du, dass ich in dich eindringe… Ist es das? Soll ich dir noch mal so richtig zeigen, wer hier das Sagen hat?“, raunte er in mein Ohr und bewegte seine Hand auf meiner Hüfte, kniff mir noch demonstrativ in meine Arschbacke und zog meinen Körper näher an seinen. „Du weißt, ich werde nicht Nein sagen…“ „Ich will einfach nur wissen, warum du das hier alles tust…“, piepste ich. Meine Selbstsicherheit zog sich etwas zurück und ich konnte hören, wie Kris leicht grinste. Er hatte es also doch noch geschafft mich zu verunsichern… „Sag es doch einfach…“ Kris packte mich an den Schultern und schleuderte mich auf das Bett. Unsanft fiel ich auf meine Kissen, aber vernahm keinen Schmerz. Er hätte mich genauso gut auch mit Wattebällchen bewerfen können. „Ich bin dir keine Antwort schuldig!“, sagte er knapp und ging aus dem Schlafzimmer. Den Geräuschen nach ging er ins Badezimmer… Warum? Ich lag unter meiner Decke und holte mein Handy unter einem meiner Kissen hervor. Es lag dort seit heute Morgen. Ich blickte auf die Uhr, es war fast Mitternacht. Meine Gedanken schweiften wieder zum Megasadisten. Was macht er denn so lange im Bad? Ich sollte vielleicht mal kurz nach sehen… oder? Er ist geflüchtet. Warum? Wovor? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er es tat um sein Versprechen von vorhin zu halten. Das war ja total lächerlich! Ich musste kichern… und stockte erstickt… Was wenn ich Recht hatte? Was wenn sich meine Vermutung bewahrheitet? Was soll ich dann tun? Bevor ich auch nur überlegen konnte, stand ich bereits vom Bett auf und steuerte Richtung Badezimmer… Ich klopfte gegen die Tür. Aber erhielt keine Antwort. „Kris…?“, meine Stimme zitterte etwas, aber das sollte mich nicht aufhalten. Was konnte er mir denn jetzt noch antun, was er nicht schon getan hatte? Ja, ich war wirklich krank… „Verschwinde! Ich will dich jetzt nicht sehen Emelie…“, antwortete er angestrengt. Ich konnte Wasser hören. Was machte er denn da? Ich öffnete die Tür. Die Badezimmertür war die Einzige, welche man nicht hätte abschließen können, obwohl der Schlüssel in der Tür steckte. Das lag an einem Einbaufehler. „Ich sagte, HAU AB!!!“, brüllte Kris und richtete sich auf. Er hielt bis vor kurzem seinen Kopf über dem Becken und ließ kaltes Wasser drüber laufen… Warum? „Wieso tust du das…?“, fragte ich vorsichtig. Kris nahm sich ein Handtuch, das er sich selbst mitgebracht hatte, denn so eins hatte ich nicht besessen. Er schaute mich wieder wütend an und knurrte: „Immer zwingst du mich dazu dir weh zu tun… Hau ab, hab ich gesagt! Los, verschwinde!“ Er stieß mich aus dem Badezimmer und ich fiel zu Boden. „Ich wollte es nicht… Okay? Also geh jetzt einfach schlafen!“ Er war aufgebracht. Warum? Diese Frage brannte sich in meinen Kopf. „Warum?“ Er stürmte an mir vorbei ins Wohnzimmer, versuchte einen weiteren Fluchtversuch… Wovor? Ich stand auf und ging ihm hinterher. Holte ihn ein und verpasste ihm hinterrücks einen heftigen Stoß. „Wovor läufst du weg?“, fragte ich lauter als gewollt. Kris stürzte zu Boden, stützte sich gerade noch mit seinen Händen ab. Er hatte eine schnelle Reaktion, warum also hatte er sich von mir ohrfeigen lassen? Desto mehr ich ihn eindringlich beobachte, desto weniger Sinn ergibt dieser Kris und mein Peiniger. „Hör endlich auf mich zu provozieren Emelie…“, flüsterte er angestrengt und blickte zu Boden. „Ich will dir heute einfach nicht wehtun, kapier das endlich!“ Er ballte seine Fäuste und schaute mit einem Seitenblick zu mir. Warum tu ich das eigentlich alles? Er zieht sich zurück, reißt sich zusammen und ich… ja ich provozier ihn. Oh ich hasste es, wenn er Recht hat. „Antworte einfach auf meine Frage!“, sprach ich kühl und fixierte ihn mit meinem wütenden Blick. Er drehte sich um und schaute mich mit denselben Augen an. Wut stand ihm quer durchs Gesicht geschrieben. „Nein!“, meinte er kurz und knapp, stand auf und ging ins Bett. Er legte sich hin, deckte sich zu und schaute noch mal zu mir. Ich stand neben dem Couchtisch und beobachtete ihn durch die offene Tür. Kris hob seine Decke und meinte einladend: „Komm ins Bett…“ Ich konnte etwas Sanftes in seiner Stimme heraus hören. Nein, das waren nicht meine Medikamente oder irgendeine Droge in meinem Körper. Ich konnte es deutlich hören. Es war etwas Liebliches in seine Stimme geschlichen. Er räusperte sich leise, glaubte wohl ich würde das nicht hören, und fügte eisig hinzu: „Wird’s bald?“ Es war als eine Frage gedacht, aber klang wie ein Befehl. Mit langsamen Schritten ging ich ins Schlafzimmer und blieb wieder im Türrahmen stehen. „Wieso erzählst du mir nicht einfach, warum?“, nuschelte ich fordernd. „Komm her und ich überleg’s mir… vielleicht…“, antwortete er. Wo war denn seine Selbstsicherheit geblieben? Also strauchelte er auch. „Wirst du mir wehtun?“, fragte ich traurig. „Nein!“ Ich wusste nicht, ob er log. Aber es machte bereits keinen Unterschied. Ich war müde. Das Katz und Maus Spiel hatte zu nichts geführt und mich nur noch mehr erschöpft. Meine Knie zitterten bereits wieder und nur langsam erreichte ich das Bett und legte mich vorsichtig zu ihm unter die Decke, meinem Peiniger, diesem beschissenen Lügner! Wir lagen eine Weile da. Kris hielt mich in seinen Armen und er drückte mich fest an seine Brust. Ich konnte sein rasendes Herz hören. Musste er sich in meiner Gegenwart wirklich derart zusammenreißen? Der Härte die gegen meinen Magen drückte nach, ja, definitiv! Warum machte er das alles? Ich schluckte schwer. „Entschuldige…“ Ich horchte auf. Was? Hab ich das gerade gehört? Kris… hatte sich entschuldigt? Wegen was? Wegen den Vergewaltigungen? Nein, dafür war das zu wenig, das wusste er. So geisteskrank konnte er nicht sein, zu glauben, dass es mit einer Entschuldigung wieder gut wurde. „Ich werde mich einfach umdrehen…“, flüsterte er. Ich krallte mich in sein T-Shirt und meinte nur: „Sag mir einfach nur woher du von den Medikamenten weißt, woher du den Schlüssel hast und was du mir in den Tee gemischt hast…“ Ich hatte immer noch nicht aufgegeben. Er drückte mich von sich weg und drehte sich um. Es reicht! Ich setzte mich auf, griff nach Kris, drehte seinen Körper um und setzte mich auf den Bauch. Perplex starrte er mich an und ohne auf eine Reaktion von ihm zu warten, ohrfeigte ich ihn wieder. Und noch mal und noch mal… Sein Gesicht folgte der Wucht meiner Handfläche, aber er rührte sich nicht. Was zum…?! Dass er nicht reagierte machte mich wütender, also holte ich wieder aus… Kris fing meine Hand und die nächste. Er schaute mich an und mit einem Ruck wechselten wir die Positionen. Er befand sich jetzt über mir und stützte sich mit den Knien über meinem Becken ab. Eine Zeitlang schaute er mir nur in die Augen. Sein Blick war undefinierbar. „Lass das! Lass mich los!“, zischte ich und wand mich unter seinem Griff. Ohne mir zu antworten, beugte sich Kris zu mir runter und legte seine Lippen auf meine. Nicht gewaltsam oder fordernd, nein, sanft… Er löste diese zärtliche Berührung und verstärkte seinen Griff um meine Handgelenke. „Warum tust du das…?“, meine Stimme zitterte und Tränen flossen mein Gesicht herunter und wurden von den Kissen gierig aufgesogen. In seinem Kopf schien es zu rattern. Kris schien zu überlegen. Schließlich seufzte er. „Mandelaroma…“, antwortete er leise. Ich verstand nicht was er mir damit sagen wollte. „Du magst deinen Tee doch mit einer feinen Mandelnote…“, fügte er hinzu, so leise, dass ich es fast nicht verstand. „Was…?“ Ich verstand nicht so recht, was er meinte „Die Informationen und den Schlüssel bekam ich von deinen Eltern.“, nuschelte er und legte sich wieder neben mir. Er schaute mich nicht an, starrte zur Decke. Ich verstand nicht was er mir gerade gesagt hatte und schaute ihn an. Ich setzte mich auf und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. „Heute bekam ich eine Nachricht von deiner Mutter und deinem Vater. Die SMS welche du an sie geschickt hattest und hatte dich für den Tag beim Direktor entschuldigt. War schnell nach dem Unterricht einkaufen und bin vorbei gekommen. Ich wusste, dass du nichts essen würdest, also hatte ich etwas mitgebracht. Dass du deine Medizin wiedermal nicht nehmen würdest, war auch klar, wenn man bedenkt, dass du eh nichts im Magen behalten kannst…“ Ich lauschte seinen Worten, aber es ergab keinen Sinn. „Also zwang ich dich diese scheiß Tabletten zu nehmen, so wie jedes Mal…“ Er verstummte. Und die Tatsache, dass er mich jedes Mal dabei missbrauchte? War das unter den Tisch gefallen? Du krankes Arschloch! Ich wendete mich von ihm ab und drehte Kris den Rücken; zog meine Beine an den Körper. Glaubt er damit ist alles wieder gut? Mistkerl! „Ich…“, begann er wieder, aber ich wollte ihm nicht zuhören. Wie konnten meine Eltern mir das nur antun? „Ich wollte dir nicht länger wehtun, Emelie. Ich wollte nicht mehr nur deinen Körper… Ich wollte auch dein Herz…“, flüsterte er erstickt. Was zur Hölle?! Ich drehte mich zu Kris um und schaute in an, setzte mich aufrecht hin und versuchte seine Mimik im Halbdunkel zu deuten. „Was hast du gesagt?“, fragte ich streng. „Es tut mir Leid…“, war das Einzige, was ich noch von ihm hören konnte. Dann drehte er mir den Rücken und versteckte sein Gesicht. „Soll das ein Witz sein? Du hast mich wochenlang nach Belieben geschändet und das Einzige, was dir einfällt, ist ein beschissenes Tut mir Leid???“, schrie ich ihn an. „Sieh mich an!“ Ich schlug Kris auf die Schulter. „Sieh mich verdammt noch mal an, wenn du es ernst meinst!“ Ich war außer mir und das war mein verficktes Recht ihm alles Mögliche an den Kopf zu werfen, was mir gerade in den Sinn kam. „Ich habe wochenlang deine kranken Spielchen mitmachen müssen. War an der Grenze zum Wahnsinn und du willst mir sagen, dass ES DIR LEID TUT???“ Kris drehte sich langsam zu mir und setzte sich auf. Er schaute mir in die Augen… Ja dieser Blick war neu! Er gefiel mir! Zerrissenheit! Verzweiflung! Schuld! Es stand in deinen Augen geschrieben. Ich holte aus und ohrfeigte ihn erneut. Er wehrte sich nicht. Mir soll’s recht sein! Ich schlug ihn immer wieder, bis sich meine Wut langsam verflüchtigte und ich wieder halbwegs klare Gedanken fassen konnte. Kris schaute mich nur an und bewegte sich nicht. Mein Puls raste immer noch, aber meine Hände schmerzten bereits. Ich konnte ihn nicht mehr ins Gesicht schlagen. Schade! Grade hatte ich Gefallen daran gefunden, es diesem Psycho mit gleicher Münze auszuzahlen. Meine Atmung war schwer und Kris sah, wie aufgewühlt ich war. Also tat er das Einzige, was ihm wohl einfiel. Er streckte seine Hand nach mir aus und zog mich zu sich herunter. Er küsste mich. Leidenschaftlich, gierig. Als wollte er mir etwas beweisen. Die eine Hand fuhr mir durch die Haare, die andere meine Wirbelsäule entlang. Hitze stieg in mir auf. Dies war der Moment, in dem ich normalerweise die Augen schließe und mir vorstelle wo anders zu sein… „Nein! Bleib bei mir Emelie…“, seufzte er in den Kuss hinein. Warum sagte er das? Als wüsste er, dass ich mich gedanklich gerade verabschieden wollte. „Nur dieses eine Mal, Emelie…“ Das war keine Einbildung, er bettelte. Seine Stimme zitterte etwas. Ich wusste nicht genau, ob vor Erregung oder Furcht. Ich löste mich von seinen Lippen und schaute in seine Augen. Kris schaute mich flehend an. „Ich möchte nur ein einziges Mal, dass es nicht nur dein Körper ist, der sich mir hingibt, sondern du!“ Ich war geschockt! „Und danach lässt du mich in Ruhe?“, fragte ich keck. „Wenn du das möchtest, werde ich dir diese Bitte nicht abschlagen…“, antwortete er. Es klang ehrlich, aber warum sprach Kris so geschwollen? Ich nickte. „Das ist das letzte Mal… Halt dich daran!“ Auch Kris nickte. Ich beugte mich zu ihm und drückte ihm diesmal einen Kuss auf, beugte mich über ihn und drückte meinen Oberkörper gegen seinen. Das Gefühl war komisch, es war mir sowohl vertraut als auch fremd. Seine Hände wanderten meine Oberschenkel entlang und fuhren weiter unter mein Oberteil, streichelten sanft meinen Rücken und tasteten sich vorsichtig zu meinem BH. Ein einfacher Griff und er war offen. Automatisch zog ich mir mein Shirt und mein Unterwäschestück aus und deckte uns mit der Decke zu. Ich konnte es mir nicht erklären, aber ich genoss es. Kris drückte meinen Busen fester gegen seine Brust und biss mir leicht in die rechte Schulter. „Fester!“, entkam es aus meinem Mund… Ich erschrak! Was zum…?! Seine Küsse wanderten über meinen gesamten Brustkorb. Sie waren zart gehaucht worden, aber ich wollte mehr. „Stärker!“, sagte ich schon wieder… Ich verstand nicht recht, was hier vor sich ging. Kris legte seine Hände auf meine Hüften und wechselte so die Position mit mir. Ich lag unten und er beugte sich über mich. Sein Gesicht glühte und er schien verunsichert. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und zog ihn wieder näher an mich. Er versuchte meinem Griff zu entkommen, aber ich begann leicht an seinem Ohrläppchen zu knabbern. „Verstehst du es jetzt… Emelie…?“, keuchte er und schluckte. Seine Stimme lichtete den Nebel in meinen Kopf auf. Meine Augen weiteten sich vor Schreck und ich starrte zur Decke; konnte Kris nicht einfach so los lassen. Ich war doch nackt! Das war mir peinlich… „Ich war in dich verliebt. Das hattest du gewusst, sonst niemand. Du hattest mir einen Korb gegeben und gesagt, dass du solch ein Weichei niemals lieben könntest… Weißt du noch?“, fragte Kris leise. „Du hattest mich so lange provoziert bis ich mich traute dich zu berühren, ohne deine Erlaubnis einzufordern… Aber ich will nicht mehr! Emelie… Ich will nicht deinen Körper, sondern dich!“ Dieser Bastard! Was zum Teufel sprach er da? Ich habe das Spiel begonnen? Wann? Warum?! Kris nahm mich schützend in die Arme. „Lass uns aufhören… uns gegenseitig weh zu tun… Emelie…“ In meinem Kopf erschienen kleine Erinnerungsfetzen und ich musste grinsen. „Als könnten wir damit einfach so aufhören…“, antwortete ich keck und biss in seine Halsbeuge… Ja, wir waren beide geisteskrank! Jeder auf seine individuelle Art und Weise! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)