Story between Worlds von FeelLikeParadise (Samael und Aurelia) ================================================================================ Kapitel 27: Kapitel 27 ---------------------- Als Aurelia aufwachte, war Samael nicht mehr an seinem Platz. 'Wo ist er denn nun schon wieder hin?', fragte sie sich. Sie rieb sich die Augen, streckte sich und stand auf. Kaum hatte sie ihren Blick über das Lager schweifen lassen, sah sie ihn am Ufer des Sees stehen. Sein T- Shirt hatte er ausgezogen und die Haare waren nass. War er etwa baden gewesen? Seine Kleidung schien trocken zu sein... Er war also baden gewesen...nackt, während sie am Platz lag und schlief. Aurelia spürte sofort, wie die Röte ihr ins Gesicht stieg. Und so schlecht sah er gar nicht mal aus...Im Gegenteil, er war wunderschön! Diese kräftige Rückenmuskulatur, seine Schultern, die in einem perfekten Bogen in die Arme überliefen... Aurelias Blick blieb schlagartig an seinem Schulterblatt hängen. Mehrere tiefe Kratzwunden schnitten sich in sein Fleisch und zogen sich quer über den ganzen Rücken. Sie bluteten und taten höllisch weh, da war sie sich sicher. Ihre Müdigkeit war verflogen und sie machte ein paar Schritte auf ihn zu, ganz langsam. „Darf ich dich was fragen?“, fragte er und seine Stimme klang aufrichtig und gleichzeitig so, als wäre er in etwas vertieft. „Natürlich“, antwortete sie ihm und blieb einen Schritt hinter ihm stehen. „Was vermisst du am meisten? Ich meine seit wir hier sind“. „Meine Familie“, kam ihre Antwort prompt: „Besonders meinen Bruder“. Und erst jetzt merkte sie, wie sehr sie ihn doch vermisste. Die ganze Zeit, hatte sie dieses Gefühl der Einsamkeit unterdrückt...und nun kam es in ihr hoch, überschlug sich mit ihren Gedanken, wie eine riesige Welle. „Der Blonde Schreihals von Engel?!“, meinte er und sie konnte in seiner Stimme hören, das er versuchte sich das Lachen zu verkneifen. „Er ist kein Schreihals!“, verteidigte sie sich und musste sogar selbst lächeln. „Ach, nein?!“. Samael drehte sich um und sah sie grinsend an. „Nein“, bemerkte sie nochmals und blickte ihm direkt in die Augen. Wieder fiel ihr auf, dass seine Augen blasser geworden waren, als das letzte Mal, als sie sie betrachtet hatte. Bildete sie sich das nur ein, oder...?!. „Hast du Geschwister?“, fragte sie ihn, um nicht länger über seine Augen grübeln zu müssen. Es dauerte einen Moment, bis er antwortete. „Ja“. „Wie heißen sie?“. „Raphael und Jewel“. „Ich hoffe es macht dir nichts aus, wenn ich...wenn ich sage, dass...“. Sie brach ab. Mist! Dann versuchte sie es nochmal: „Deine Stimme wird tiefer, wenn du über sie sprichst“. Aurelia hoffte, dass sie ihn nicht verärgert hatte, doch als sie zu ihm aufsah, konnte sie erkennen, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte. Er blickte geradeaus ins leere. „Jewel ist ein Geschenk. Ich könnte mir keine bessere Schwester vorstellen“. Dann machte er eine Pause. Sie würde ihn nicht drängen weiter zu sprechen, wenn er das nicht wollte. Schließlich ging es sie ja auch nichts an. Doch zu ihrer Überraschung, sprach er nach einigen Augenblicken weiter: „Nur Raphael. Wir sind wie Himmel und Hölle. Wir können nicht miteinander, aber auch nicht ohneeinander. Wir verstehen uns meistens gar nicht und sind oft, naja eigentlich fast immer, unterschiedlicher Meinungen. Doch wir respektieren uns gegenseitig, helfen einander und haben schon viel gemeinsam erlebt und durchgemacht. Im Kampf können wir uns blind vertrauen, was im Alltag eher nicht der Fall ist. Wir gehen uns eben meistens aus dem Weg. Keine Ahnung warum das so ist. Es war auf einmal so“. Aurelia hörte ihm aufmerksam zu und versuchte sich vorzustellen, wie das war. Wenn sie sich überlegte, wie es wäre, wenn es bei Elijah und ihr genauso wäre...Aurelia mochte gar nicht dran denken. Es wäre viel mehr als schrecklich. „Das heißt, dass es nicht immer so zwischen euch war?“. „Naja, in gewisser Weiße, war zwischen uns schon immer eine bestimmte Distanz, doch ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir das erste Mal gemeinsam geflogen sind und zusammen Spaß hatten, gelacht haben...“. „Ist er älter als du?“, versuchte sie ihn von dieser Erinnerung wegzubringen. Man konnte ihm ansehen, dass es ihm weh tat, darüber zu sprechen. „Er ist elf Monate älter, als ich“. Dann war es still und Aurelia merkte, wie nah sie bei ihm stand. Sie konnte sogar seine Körperwärme spüren. Unwiderruflich musste sie auf seinen nackten Oberkörper schauen. Sofort ballte sie ihre Hände zu Fäusten, bevor sie nicht wusste, was sie machten und ihn berührten. Die Spannung war zum greifen nah. Dann trat sie abrupt einen Schritt zurück. Es war besser so... „Du hast eine offene Wunde an deinem Rücken“. „Ich weiß“. „Wenn man sie nicht behandelt, wird sie sich entzünden!“. „Und mit was willst du sie jetzt heilen?! Mit Efeu und Tannenzweigen?!“. „Idiot. Dreh dich um“, sagte sie und legte einen Ton in ihre Stimme, der ihn wissen ließ, dass sie es ernst meinte und besser machen sollte, was sie sagte. „Hmpf“, machte er und tat wie geheißen. Es waren vier große und tiefe Kratzer die sich von seinem linken Schulterblatt, bis hin zu seiner rechten Hüfte zogen. Aurelia streckte ihre Hand aus und berührte die gerötete Haut Außenrum. Ganz leicht und sachte. Samael sog scharf die Luft ein. „´Tschuldige“, sagte sie: „Aber sie fängt bereits an sich zu entzünden“. Es mussten höllische Qualen sein. 'Und dabei hatte er gestern am Lagerfeuer nicht mal ein Anzeichen von Schmerzen von sich gegeben', ging es ihr durch den Kopf. 'Wie konnte er es so nur aushalten?'. „Heißt es nicht, dass Engel blind werden, wenn sie weinen?“, fragte er und Aurelia fragte sich wiederum, wieso er das gerade jetzt fragte. Erst dann spürte sie, wie eine Träne ihre Wange hinunter floss. Schnell wischte sie sie sich weg und sagte: „Hey, dreh dich wieder um!“. „Wieso weinst du?“. „Ich weine nicht...Ich weiß nicht wieso, manchmal passiert das einfach, dass Engel eine Träne verlieren. Das ist ganz normal“. „Also stimmt es? Das Engel durch Tränen blind werden?“. „Das verrate ich dir nicht“, sagte sie. Er drehte sich um und sah sie so an, wie er es noch nie getan hatte. Sie lächelte. „Komm, wir müssen deine Wunde auswaschen gehen“, meinte sie und nickte in Richtung See. Bevor sie reagieren konnte, fasste er Aurelia mit beiden Händen an der Hüfte und drückte sie gegen einen Baum. Sein Griff war fest, aber nicht besitzergreifend. Aurelia fasste an seine Arme, fuhr hinauf zu seinen Schultern und ließ sie auf seiner Brust verweilen. Sie konnte einfach nicht anders. Samael atmete tief ein und aus. Seine Augen schweiften über ihren Körper, ihr Gesicht, Lippen, Augen... Seine Hände waren warm und irgendwie auch beschützend. Sie wusste nicht wieso, aber es war, als wären alle feindlichen Fehden verschwunden und zurückgeblieben war Respekt und...Vertrauen. Aurelia lehnte sich an den Baumstamm, atmete seinen Duft von Wald, Blut und Feuer ein. Seine rechte Hand strich hinauf und umfasste ihre Wange. „Ich mache mir Sorgen, um dich“. Aurelia konnte nicht anders, als ihn verwundert anzuschauen. „Wegen den Träumen...Ich glaube nicht das sie gut für dich sind“. Im ersten Moment war sie einfach zu schockiert, um etwas zu sagen. Ein Dämon machte sich Sorgen um einen Engel! Für sie klang das wie pure Ironie. „Mir geht es gut“, versicherte sie ihm, doch ihre Stimme wollte nicht so kräftig klingen, wie vorgehabt. Was zur Hölle war los? „Ich meine es ernst“, sagte er und blickte ihr tief in die Augen. Auf einmal wirkte er melancholisch und zornig zugleich. Jetzt war es Aurelia, die noch einen Schritt näher an ihn herantrat. „Was ist?“. „Es tut mir leid. Es stand mir nie zu, sie dir wegzunehmen“, sagte Samael, entfernte sich ein kleines Stück und ließ die Hände zu ihrem Nacken gleiten. Dann drückte er zu, wie schon einmal. Der stechende Schmerz kehrte zurück, diesmal nur viel schlimmer. Er zog sich durch ihren Rücken, schnürte ihr die Brust zu und trieb ihr eine glühende Hitze in den Kopf. Aurelia krallte sich an Samael fest, um sich auf den Beinen halten zu können. Sie spürte, wie sich neue Muskeln in ihrem Rücken aufbauten, das Gewebe sich um ihre Rippen schlang und sich verfestigte. Ihre Beine gaben nach und Samael fing Aurelia auf und drückte sie fest an sich. Dann, urplötzlich ließ der Schmerz nach und sie fing sich wieder. Samael ließ sie sofort los und trat zurück. Die Unbeweglichkeit, das lähmende Gefühl, dass sie die ganze Zeit hatte, war verschwunden. Als wäre es nie da gewesen. Aurelia blickte über ihre Schulter und sah ihre Federflügel, kräftig, groß, cremefarben und nicht zu unterschätzen. Der Perlmutt –Glanz zeigte sich in den Strahlen der aufgehenden Sonne. Sie ließ die verborgenen Klingen aus ihnen fahren, spitz und messerscharf, gefährlich. Sie fühlte sich wieder vollständig, so wie es hätte immer sein sollen. Aurelia sah zu Samael, der erst auf den Boden blickte aber dann den Kopf hob, um sie anzusehen. Auf einmal schien es egal zu sein, was zwischen ihnen gerade passiert war. Er wirkte wieder so distanziert, aber anders als am Anfang. Vielleicht aber brauchten sie auch nur etwas Abstand, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Vielleicht...später irgendwann... Aurelia öffnete den Mund, wusste aber selbst nicht was sie sagen sollte. Doch bevor sie einen Satz zustande bringen konnte, ergriff Samael das Wort: „Dafür gibt es keine Entschuldigung...Lassen wir es...Packen wir unsere Sachen zusammen und brechen auf“. Anscheinend wusste sogar er nicht, was er sagen sollte. Er drehte sich um und fing an aufzuräumen. Doch bevor Aurelia zu ihm ging, um zu helfen, konnte sie sich ein kurzes Lächeln nicht verwehren. Sie hatte ihre Flügel wieder! Doch was sie nicht hatte, war der erbitterte Zorn auf den Dämon, der sie ihr einst weggenommen hatte. Nachdem sie ihre Sachen schnell zusammengepackt und alle Spuren von ihrem Lagerfeuer beseitigt hatten, flogen sie los, ohne noch einmal zurückzublicken. Die Sonne verschwand schon sehr bald hinter dichten Wolken, als würde sie sich vor etwas verstecken. Der Wald wurde dunkler und Aurelia spürte leichte Tropfen auf ihrem Gesicht. Alles war ganz still. Nicht einmal die Zweige der Bäume gaben ein sanftes Rauschen von sich und standen da, als würden sie darauf warten, dass Ragnaröck kommen, und sie vernichten würde. „Ich glaube es war Yggdrasil, den du in deinen Träumen gesehen hast“, teilte ihr Samael nach einer Zeit mit. Seit sie von ihrem Lager aufgebrochen waren, hatten sie nicht viele Wörter miteinander gewechselt. Aber nicht weil sie sauer aufeinander waren. Beide waren Verlegen, zumindest konnte das Aurelia von sich sagen. Wie es Samael erging, wusste sie nicht genau, doch sie wettete das es ihm nicht sehr viel anders erging. Während sie ihre Sachen zusammengepackt hatten, war die Stille fast unerträglich gewesen, doch die Spannung zwischen ihnen war umso greifbarer gewesen. Es hatte Augenblicke gegeben, in denen sie sich berührt, gestreift oder kurze Blicke miteinander getauscht hatten, doch keiner hatte den leisesten Ton von sich gegeben. Irgendwann hatte sich Aurelia darüber keine Gedanken mehr gemacht und sich ihren Aufgaben zugewendet. Das er sie jetzt wegen ihren Träumen ansprach, überraschte sie umso mehr. „Der Gedanke ist mir auch schon gekommen, doch warum sollte Bal mir Träume von Yggdrasil schicken? Was will er mit damit mitteilen?“. „Das kannst nur du herausfinden. Frag ihn“. „Das könnte ich, nur ich bezweifle, dass ich darauf eine Antwort bekommen würde. Er darf es mir nicht sagen, weil sonst etwas schlimmes passieren würde“. Sie flogen nebeneinander her. Ihre Flügel schwangen im gleichmäßigen Takt. Aurelia genoss das Gefühl ihrer eigenen Flügel, zwei kräftige Schwingen, die sie überall hin trugen und ihr unendliche Freiheit bescherten. Das hatte sie sich gesagt, als sie noch ein Kind gewesen war. Doch die Zeit war vergangen und inzwischen wusste sie, wie begrenzt die „unendliche Freiheit“ in Wirklichkeit war. Plötzlich erschallte das Echo von Wolfs heulen und viele andere schlossen sich an. „Nicht schon wieder!“, sagte Samael und legte an Tempo zu. „Wir müssen sie besiegen, ein für alle mal“. „Wir haben keine Ahnung, wie viele es tatsächlich sind“. „Da kommen sie!“. Sie sahen hinter sich mindestens fünf der riesigen Wölfen auf sie zu preschen. Ihre dunkelgrüne Schuppenhaut glänzte gefährlich, scharf, ihre Mäuler weit aufgerissen, die Zähne fletschend. Bestialische Geschöpfe, die in ihrer Brutalität doch wieder eine außergewöhnliche Schönheit ausstrahlten. „Gott, kriegen wir die überhaupt irgendwann los?!“, meinte Samael und machte einen Schlenker nach links. Aurelia folgte ihm. „Was hast du vor?“. „Wir werden dem breiten Fluss weiter unten folgen. Die Strömung dort ist ziemlich stark und ich denke das kommt nicht von ungefähr“. Aurelia verstand. Sie fragte sich nur: Woher wusste ER es? Die Wölfe folgten ihnen den steilen Hang hinab und nahmen nebenbei keine Rücksicht auf Bäume oder anderes Gestrüpp, das aus dem Unterholz wuchs. Ihre Verfolger brachen das Holz der Baumstämme und sprangen darüber hinweg. Samael und Aurelia beschleunigten ihre Geschwindigkeit, wichen nach recht und links aus, verloren absichtlich an Höhe. Dann konnte sie das Rauschen des Flusses hören und wenige Momente später folgten sie der Strömung. Die Wölfe noch immer dicht hinter ihnen. „Die Strömung ist nicht stark genug, um sie mitzureißen!“, schrie Aurelia. Allein wegen dem Wasser, das so heftig gegen die Felsen klatschte und so schnell war, als wäre es selber auf der Jagd, konnte sie ihre Worte und Samaels Antwort nicht verstehen. Samael flog auf einmal noch tiefer, sodass das Wasser gegen seinen Körper spritzte. Sie tat es ihm gleich und kaum befand Aurelia sich auf seiner Höhe, wusste sie, was er vorhatte. Gleichzeitig ließen sie sich auf den flachen Felsen nieder und rannten vorwärts. Der Stein lag in der Mitte des Flusses und endete in einigen abrupt, während die Strömung immer stärker wurde. Aurelia musste sich Mühe geben, nicht abzurutschen, weil er so glitschig war und machte deshalb größere Schritte. Als sie vorne ankamen, schrie Samael: „JETZT!“ und sie sprangen gemeinsam kopfüber den größten Wasserfall hinab, den Aurelia je gesehen hatte. Als sie von dem Felsen absprangen, ergriff Samael ihre Hand und sie breiteten ihre Flügel aus. Die Wölfe konnten nicht schnell genug reagieren und fielen in die Tiefe. Sie verfestigten den Griff um die Hand des anderen und stürzten. Gemeinsam. „Aurelia! Wir...wechseln -“. Aurelia konnte Samaels Worte nicht verstehen, als sie kurz darauf durch spitze Zweige zu Boden krachten. Samael umfing ihren Körper, sodass er während dem Fallen unten lag. Aurelia hörte nur, wie Samael kurz vor Schmerz aufstöhnte. Ihre Landung war um einiges leichter gewesen. Sie öffnete die Augen, ihr Kopf lag auf seiner Brust. Dann hob sie den Kopf und sah Samael an, der unter ihr lag und sie ansah. „´Tschuldige. Habe ich dir weh getan? Bin ich -“, fragte sie ihn ehrlich besorgt, doch er ließ sie nicht aussprechen. „Nein, überhaupt nicht“, sagte er in einem sanften Ton. Er sah sie so an, als ob alles Außenrum egal wäre, als ob es nichts geben würde, nichts außer sie. Er streckte eine Hand aus und umfasste ihre Wange. Sie war warm und Aurelia hätte sich nur zu gern hinein geschmiegt. Ihre Hände verweilten bis zu diesem Zeitpunkt auf seinen Schultern, wanderten den Hals hinauf und legten sich um seine Kieferknochen. Sein Gesicht war voller Schmutz und Aurelia war sich sicher, dass sie nicht viel anders aussah, doch das war jetzt egal. Sie wollte nicht den Blick von ihm abwenden, und das konnte sie auch nicht, selbst wenn sie gewollt hätte. Sie wollte ihn anschauen, ihn anfassen, realisieren und sicher gehen, dass es ihn wirklich gab. Aurelia fühlte, wie seine Hand unter ihren Haaren über ihren Nacken, und durch die Haare strich. Sie dort packte und zu sich hinunterzog. Seine Körperwärme strahlte ihr entgegen, lud sie umso mehr ein. Aurelia konnte seinen warmen Atem spüren, der direkt über ihre zitternden Lippen strich. Ihre Augen wollten sich gerade schließen, als seine Hände ihre Arme packten und sie beiseite stieß. Aurelia war perplex. Was war los? Was war passiert? War sie zu weit gegangen? Hatte sie -. Gefühlte tausend solcher Fragen schossen ihr in einer Sekunde durch den Kopf, doch in der anderen schien sich alles zu verselbständigen. Samael griff nach seinem Schwert, dass wenige Meter von ihm entfernt lag und sprang auf. Vor ihnen offenbarte sich eine kleine Gestalt, den Kopf hängend, die Schultern, als wären sie leblos, die Nägel lang, spitz und höchstwahrscheinlich sehr scharf. Erst jetzt bemerkte Aurelia die neue, ungewohnte Umgebung. Es war Nacht, dichte Nebelschwaden hingen in der Luft und die Bäume hatten keine Blätter, waren tot. Die Gestalt hob den Kopf, öffnete die Augen...Nein, es waren keine Augen. Es war, als wären sie herausgerissen worden und zurückgeblieben war ein hohles Loch, das von innen her grelles Licht trug. Die Haut war zerfetzt und hing in Stücken hinunter. Die Lippe war schwarz angelaufen, zwischen der unzählige von spitzen Zähnen hervorlugten. Die Gestalt glich der eines Mädchens, hatte lange zerzauste Haare und einen dünnen Körper. Aurelia schaute hinter sich und griff nach ihrem Schwert. Dann wandte sie sich sofort wieder um, und sah das Gesicht der schrecklichen Gestalt direkt vor ihr. Sie öffnete ihr Maul und kreischte laut. Ihre Augenhöhlen brannten, als wären sie die Grube der Hölle und zogen aus Aurelia jegliche Kraft. Samael schwang sein Schwert und stieß die Kreatur gerade noch rechtzeitig beiseite. Danach machte er kurzen Prozess mit ihr und durchtrennte ihr die Kehle. Aurelia griff um das Heft ihres Schwertes und sprang auf. „Alles okay mit dir?!“; fragte er, als er auf sie zukam. Sie nickte und erstarrte im selben Augenblick. Vor ihnen standen hunderte dieser schrecklichen Gestalten, verdrehten die Köpfe, bis sie knacksten. Das Mondlicht schien auf sie hinab, schlug ihren Schatten auf den Boden, der mit verdorrten Blättern übersät war. Ihre dünnen Hemden, die sie trugen waren befleckt von getrocknetem Blut. Ihre Arme und Beine waren knochig, und auch dort hing die Haut in Fetzen hinab. Die Höhlen ihrer Augen waren der Eingang zur Hölle. Samael hörte es hinter sich rascheln und drehte sich in Windeseile um. Sie kamen von überall, von jeder Seite und von oben. Sie kraxelten über die abgestorbenen Äste der Bäume und ließen sich noch im selben Moment auf sie stürzen. Aurelia und Samael schlugen ihre Schwerter gegen die Körper der Untoten, schnitten ihnen durchs Gewebe, brachen die Knochen und teilten sie entzwei. Die, die Samael und Aurelia umzingelten rannten sofort auf die beiden zu und griffen sie an. Der Engel und der Dämon sahen sich eine Sekunde an, brachten ihre mächtigen Flügel hervor und stiegen empor, bevor ihre Feinde sie kriegen konnten. Aurelia wollte durch die Baumkronen, bemerkte aber erst als sie ganz oben war, das sie so die Äste so verzweigt und fest waren, dass es kein entrinnen gab. „Wir kommen hier nicht raus!“, sagte sie Samael, der sich schon nach einer neue Möglichkeit umsah. „Komm“, sagte er und ergriff ihre Hand. Sie flogen hintereinander zwischen zwei Bäumen hindurch, doch als Samael hinter Aurelia her flog, spürte er ein ruckartiges Ziehen an seinen Flügeln und stürzte zu Boden. Ein Untoter saß auf seinen Schultern und zerkratzte ihm das Gesicht. Weiter kamen hinzu, stürzten sich alle auf ihn, rissen an seiner Haut. Samael schrie. Aurelia flog auf sie zu, ließ die Klingen aus ihren Flügeln fahren, umfasste ihr Schwert. Dann durchstießen ihre eisernen Klingen die Köpfe der Untoten und Aurelia flog noch etwas weiter. Dann schleuderte sie sie mit aller Wucht weg, rannte auf Samael zu und streckte ihm die Hand entgegen. Er nahm sie an und zog sich hinauf. „Wenn wir das hier überleben, musst du mir nicht danken“, sagte sie und stieß sich sogleich in die Lüfte. Er holte sie ein: „Es werden immer mehr“. „Was sollen wir tun? Wir können sie unmöglich besiegen!“. Samael antwortete nicht. Was sollte er auch sagen? Es wird alles gut? Das wäre vielleicht schön gewesen, aber nicht die Wahrheit. Die Untoten waren ihnen dicht auf den Fersen und Aurelia wusste nicht, wie lange sie beide noch durchhalten würden. Samael hatte Wunden, sie hatte Schmerzen... Aurelia wurde aus ihren Gedanken gerissen als sie eine riesige Wand aus Dornen und spitzen Klingen vor sich sah. Sie wollte umkehren, doch es war zu spät. Die Kreaturen der Hölle hatten sie eingeholt. Nach oben gab es auch keinen Ausweg. Sie saßen in der Falle. „Wenn du jetzt sagst, dass alles gut wird, töte ich dich als erstes“, sagte Aurelia sarkastisch, während sie von lebenden Toten umzingelt und immer näher an die spitze Wand des Todes gedrängt wurden. „Das hatte ich auch nicht vor“, sagte er und ergriff ihre Hand: „Aber du hast mein Leben gerettet, ein Engel und ein Dämon haben gemeinsam um ihrer beiden Überleben gekämpft, zwei Erzfeinde, DAS kann unmöglich das Ende sein“. An seinen Worten war nichts falsches. Wenn er sagte, dass DAS unmöglich das Ende sein konnte, musste es nicht heißen, dass es gut endete. Daher ließ sie ihn gewähren, für diesen Moment. Die Untoten sprangen auf Samael und Aurelia zu und stießen sie in die tödlichen Spitzen der Dornen und Klingen. „Ich vertraue dir“, sagte sie, spürte wie er noch einmal ihre Hand drückte. Helles Licht strahlte ihnen entgegen, Aurelia musste die Augen zusammenkneifen. Der Schmerz, den sie jeden Moment erwartet hatte, kam nicht. Stattdessen schienen wärmende Sonnenstrahlen auf sie hinab. Sie öffnete die Augen, sog den wohltuenden Duft von frischem Gras, Blumen und Wärme ein. Erst dann realisierte sie, dass sie nicht tot war. Die Sonne ging gerade unter und ihr Licht färbte die Wolken am Horizont in Orange -, Rosa -. und Rottönen. Vögel zwitscherten und flogen vorbei, so leicht und friedvoll. Ein Baum stand ein paar Meter von ihnen entfernt, hinter ihnen grünbewachsene Felsen, vor ihnen ein Abgrund, der in DIE Stadt führte. Aurelia erkannte die alten Gebäude, die verzierten Turmspitzen der Kirchen, den Hafen, die sanften Hügel...das Edinburgh Castle. „Wir sind angekommen. Wir sind daheim“. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)