Die Zeit deines Lebens von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 8: Lebensweisheiten. ---------------------------- There's a part of me I can’t get back. Warrior, Demi. Demi Lovato, 2013. 29. Mai 2010. Odaiba, Japan. Wohnung der Yagamis. Sie blickte verstohlen zu ihrem Bruder, der sich gerade das zweite Stück Kuchen nahm. Sie schluckte und konzentrierte sich darauf, was ihre Eltern alles fragten. Sie fühlte sich ein wenig wie bei einem Verhör. Aber wahrscheinlich war das so, wenn man ein Jahr im Ausland verbracht und nur wenig Zeit zum Reden hatte. „Und sind du und deine Zimmergenossin endlich etwas warm miteinander geworden? Wie heißt sie noch gleich…ach ja. April!“ Kari schaut zu ihrer Mutter und schenkte ihr ein knappes Lächeln. Sie hatte ihr mal erzählt, dass sie mit April einfach nicht warm wurde – doch das war schon einige Monate her gewesen. Normalerweise erinnerte sie sich nicht an solche Details. „Wir verstehen uns besser“, erzählte sie und nippte an ihrem Milchkaffee. April war eigentlich ihr geringstes Problem an der Juilliard gewesen. Das merkte sie, nachdem sie sich fürsorglich um sie kümmerte, als sie mitten in der Nacht von einer Party heim kam. Carter und Michael hatten sie abgefüllt und in ihrem eigenen Erbrochenen wortwörtlich liegen lassen. Erst später fand sie heraus, das Carter sie nur ins Bett bekommen wollte. Deswegen hatte er ihr einen Drink nach dem anderen ausgegeben. Doch das Schicksal wollte wohl, dass sie und April sich endlich ein wenig näher kamen. Eigentlich war sie nicht der Cello-Freak, der jeden Tag fast vierundzwanzig Stunden probte. April liebte auch Popmusik und war ein großer Fan von Katy Perry – etwas mit dem Kari nie gerechnet hatte. Wahrscheinlich musste man doch erst hinter die Fassade schauen, bevor man einen Menschen beurteilen konnte. Sie war einer der wenigen, die in einer sehr schwierigen Zeit für sie da gewesen war. Sie war einer der wenigen, die die Wahrheit wusste. Sie war einer der wenigen, der sie vertrauen konnte. „Wie läuft es eigentlich sonst bei dir? Hast du vielleicht jemanden kennen gelernt, den du uns mal vorstellen möchtest?“, fragte ihre Mutter fast flüsternd und grinste, während Tai und ihr Vater gespannt ihre Antwort abwarteten. „Nein, da gibt es keinen“, antwortete sie wahrheitsgemäß und man merkte förmlich, dass sich die Anspannung von Tai und ihrem Vater legte. Beide schienen immer noch diesen ausgeprägten Beschützerinstinkt zu besitzen. Doch leider konnte dieser ihr in Amerika nicht helfen. Auch wenn Wallace die Aufgabe des Beschützers übernahm, konnte man niemanden vor allem schützen. Das musste auch Kari einsehen. Sie war ungewollt schwanger geworden und versuchte die Wahrheit zu verdrängen. Nein. Sie versuchte sich das Ganze schön zu reden. So als wäre es nur halb so wild. Doch wenn sie ehrlich war, musste sie fast sekündlich daran denken. Hikari war nicht so taff wie sie sich gab. Auch wenn sie Mimi immer erzählte, dass alles in Ordnung war, es ihr gut ginge, schrie ihr Innerstes täglich vor Schmerz. Sie hatte einen großen Fehler begangen. Einen Fehler den sie nicht wieder gut machen konnte. Das Baby war weg. So als hätte es nie existiert. Alles was sie noch daran erinnerte, trug sie zusammengefaltet in ihrer Hosentasche. Und jetzt war sie wieder in Japan und aß mit ihren Eltern und ihrem Bruder gemeinsam eine Schokoladentorte, die ihre Mutter frisch gekauft hatte. Alles fühlte sich so verlogen und falsch an. Am liebsten würde sie sich wieder in den nächsten Flieger setzen, um aus dieser Situation endgültig zu entfliehen. Wahrscheinlich war es am besten für immer unterzutauchen und einen neuen Namen anzunehmen. Vollkommen anonym sein. Einfach von vorne anfangen. Eine Wunschvorstellung, der Hikari gerne nachgehen würde. „Und was habt ihr heute Abend noch so geplant?“, fragte ihr Vater und wand sich an Taichi. „Ehm…Matt hat mich und Kari eingeladen ein paar neue Stücke von ihm anzuhören. Du kommst doch sicher mit, wenn unser Möchtegern-Rockstar auf die Pauke haut, oder?“ „Ach wirklich? Davon wusste ich ja gar nichts“, erwiderte Kari und zog die Stirn in Falten. „Ist eher so eine kurzfristige Geschichte. Aber du kommst doch mit oder?“ Kari hielt kurz inne. Eigentlich freute sie sich Matt so schnell wieder zusehen, vor allem wusste sie auch, dass Mimi sich den Abend mit Sora verabredet hatte. Es sprach also soweit nichts dagegen. „Klar, warum auch nicht“, meinte sie knapp und aß weiter. „Klasse“, jubelte Tai und tippte eine Nachricht an Matt, während ihre Eltern, das erste Mal seit ihrer Ankunft schwiegen. Dennoch belastete Kari auch noch eine andere Tatsache, mit der sie sich noch nicht auseinander gesetzt hatte. Sie hatte weder Yolei noch TK eine Nachricht geschrieben, um ihnen Bescheid zu sagen, dass sie wieder da war. Irgendwie war ihr die Sache mit Tai und ihren Eltern schon zu viel gewesen. Am liebsten würde sie sich unsichtbar machen und die Tatsache ignorieren, dass sie sich gegenüber ihren Freunden unfair verhielt. Aber möglicherweise hatte Matt bereits den anderen Bescheid gesagt. Sie fragte sich, ob TK wohl sehr sauer wäre, wenn sie sich bei ihm nicht persönlich melden würde. Kari wusste auch nicht was es war, aber sie hatte zu ihren Freunden den Kontakt verloren. E-Mails waren wirklich nicht die beste Alternative den Kontakt zu halten. Oft hatte sie TK oder Yolei erst nach mehreren Tagen, manchmal auch nach zwei Wochen erst geantwortet. Kein Wunder, dass der Kontakt von Mal zu Mal weniger wurde. Seit drei Monaten war er komplett abgebrochen. Wahrscheinlich auch wegen der Baby-Sache. Sie hatte das Bedürfnis, auf Abstand zu gehen. Die Brünette wusste nicht wieso, aber irgendwie hatte sie das Jahr komplett verändert. „Und sie haben wirklich keine Ahnung?“ fragte Izzy abermals und stellte die Getränkekiste auf einem der Tische ab, die Davis und der Rest vorhin rangiert hatten. „Nein. Es soll eine Überraschungsparty werden. Du weißt schon was Überraschung heißt oder?“ „Haha sehr witzig Matt. Und wo sind die anderen jetzt?“ Matt setzte sich auf einen der Tische und fuhr sich mit dem Handrücken über seine verschwitze Stirn. „TK und die anderen sind noch ein paar Sachen einkaufen. Knabberzeug und so“, erklärte er knapp, während sich Izzy erschöpft gegen eine freie Wand lehnte. „Sora ist mit Mimi unterwegs und bringt sie später her. Das Gleiche gilt für Tai, der mit Kari bei seinen Eltern ist.“ „Und was ist mit Cody?“, wollte der Rotschopf wissen. „Der kommt nach seinem Kendo-Training her. Hast du eigentlich etwas von Joe gehört? Wo ist er nochmal?“ Izzy lachte leise, denn immer wenn er an Joe und seine Reisepläne dachte, musste er einfach schmunzeln. Der Musterstudent schlecht hin bricht einfach so aus und hinterlässt seinen Vater, der fast einen Herzinfarkt bekommen hatte. „Er ist in Fujishizuoka, um dem Fuji ein bisschen nahe zu kommen!“ „Aber er klettert doch nicht ernsthaft auf das Ding drauf? Da gibt es wirklich einfachere Wege dem Tod ins Gesicht zu blicken“, meinte Matt sarkastisch und zog die rechte Augenbraue nach oben. „Er klettert nicht auf den Fuji. Im Moment ist doch gar keine Kletterseason!“ „Und was macht er dann da? Ihn anstarrten? Anbeten? Fotografieren?“ Izzy lachte wieder und schüttelte nur den Kopf. „Es gibt auch ein paar Wanderwege, aber ich glaube er macht bei dieser Reise nur mit, um herauszufinden, was er eigentlich will!“ „Also will er gar kein Arzt werden“, schlussfolgerte der Blonde haarscharf. „Nein nicht wirklich. Und vielleicht hilft ihm diese Selbstfindungsreise dabei, zu erkennen, was er will! Auch wenn er es nicht oft gesagt hat, war er mit dem Studium sehr unglücklich gewesen“. Matt nickte verständnisvoll. Auch er hatte am Rande mitbekommen, dass er sich schon öfters darüber beschwert hatte. Sein Vater drängte ihn hinein und hörte noch nicht mal zu, was er eigentlich wollte. Einmal hatte Matt einen riesengroßen Streit zwischen ihnen auf dem Campus mitbekommen. Er wusste nicht genau, weshalb sie sich stritten, aber es hatte mit dem Medizinstudium zu tun. Da war er sich so sicher, wie das Amen in der Kirche. Vielleicht war es ganz gut, dass sich Joe eine Auszeit nahm. Auch wenn er, jetzt wohl die beste Überraschungsparty aller Zeiten verpassen würde. Mimi schlenderte mit Sora durch die Einkaufmeile und blieb schon wieder direkt vor einem der Schaufenster stehen. Es war ein Brautmodengeschäft und ein wunderschönes Hochzeitskleid mit Rüschen und Perlen strahlte sie an. „Oh ich will auch irgendwann so ein Kleid haben, wenn ich mal heirate“, schwärmte die Brünette und sah verträumt zum Schaufenster. Sora lächelte nur müde und wand ihren Blick ab. Im Moment hatte sie für sowas wirklich nichts übrig. Sie war schon knapp ein Jahr Single und haderte immer noch mit ihren unerwünschten Gefühlen für Matt. Mittlerweile wurde ihr auch immer bewusster, dass Matt in ihr nur eine gute Freundin sah. Die Mädchen, die er aufriss, hatten mit ihr wenig gemein. Sie war eher der sportlich-gemütliche Typ Frau, während er sich nur nach Weibern mit einer üppigen Oberweite und knappen Röckchen umsah. Und jetzt war auch noch Mimi da, die voll in Matts Beuteschema passte, abgesehen von den Brüsten. „Gibt es bei dir eigentlich etwas Neues? Ich meine Beziehungstechnisch“, fragte Mimi sie unverblümt und wand ihren Blick zu ihrer besten Freundin, die sie schon so lange nicht mehr gesehen hatte. „N-Nein. Ich glaube ich bin noch nicht bereit für etwas Neues!“, log sie und wisch ihren Blicken gekonnt aus. Mimi hingegen sah sie mitleidig an und legte ihre Hand auf ihre linke Schulter. „Das mit Tai und dir…es tut mir wirklich leid, dass es nicht geklappt hat!“ Die Rothaarige schüttelte jedoch nur unwirsch den Kopf und zwang sich erneut zum Lächeln. „Es war besser so. Wir waren fast schon wie Geschwister“, sagte sie knapp. „Mit einer Beziehung hatte das nicht mehr viel zu tun“. „Verstehe“, murmelte die Brünette und versuchte die aufkommenden Gedanken an ihren untreuen Ex zu verdrängen, als Sora ihr die Gegenfrage stellte. „Und wie läuft es bei dir?“ Mimi presste ihre Lippen aufeinander und schaute zur Seite. „Michael und ich sind ebenfalls getrennt. Er hat mich wohl schon öfter betrogen“, gab sie verbissen zu. Eigentlich hatte sie vor, eine andere Geschichte zu erzählen. Die Wahrheit wurde manchmal wirklich überbewertet. Was machte es schon groß, wenn sie erzählte, dass Michael und sie einfach gemerkt hatten, dass es nicht mehr passte? Indirekt war es sogar die Wahrheit. Wenn auch mit ein paar Auslassungen. Doch Sora konnte sie schlecht belügen. Sie war jahrelang ihre beste Freundin gewesen. Es kam ihr falsch vor, sie belügen zu müssen. Sora hatte sie auf ihr Geständnis hin, nur eine Zeitlang wortlos angestarrt. Betrogen? Das konnte doch nicht ihr ernst sein? Doch ihr Gesicht schien Bände zu sprechen. Sie sagte definitiv die Wahrheit. „Tut mir leid, Mimi!“ „Ich bin froh, dass ich ihn los bin. Er ist ein Idiot, der mich einfach nicht verdient hat!“, antwortete sie mit einem schmerzlichen Unterton. Die gleichen zwei Sätze, hatte sie fast täglich zu sich gesagt, als sie morgens in den Spiegel schaute. Sie wollte stark sein. Nicht mehr weinen oder wieder schwach werden und in seine starken Arme fallen. Diesmal war er zu weit gegangen. „Und was wollen wir noch machen? Lust auf Eis?“, wollte sie wissen und legte ihr überzeugendes Grinsen auf, sodass sich Sora prompt erschreckte. Sie war wohl die geborene Schauspielerin. „Also Matt hat uns heute Abend eingeladen. Er will uns ein paar neue Songs vorspielen“, erzählte die Rothaarige fast schon ein wenig zu euphorisch und hakte sich bei Mimi unter. Diese hingegen zog nur skeptisch ihre Augenbraun zusammen. Songs vorspielen? Das konnte doch nicht sein Ernst sein. „Müssen wir da hingehen oder ist das eher freiwillig?“ „Was wieso? Wird sicher lustig“, versuchte Sora sie zu überzeugen. Doch Mimi hatte dieses ganze Rockstar-Getue bereits hinter sich gelassen. Wie oft saß sie bei Michael und seiner Möchtegern-Band und hörte ihnen zu, wie sie zweitklassische Musik von drittklassischen Künstlern spielte. Darauf hatte sie wirklich, absolut keine Lust. „Wollen wir heute nicht ein bisschen feiern gehen. In ne Disko oder so?“ „Nein komm schon. Ich habe Matt bereits zugesagt!“ „Aber das klingt totlangweilig“, kommentierte Mimi leicht eingeschnappt. Sie konnte sich tausend bessere Dinge vorstellen, die sie heute Abend machen wollte. Und Matts Musik gehörte sicher nicht dazu. „Ach Mimi, bitte!“, bettelte Sora übertrieben hartnäckig. „Ich habe aber keine Lust.“ „Aber…“ „Nichts aber. Wir gehen heute tanzen oder betrinken uns mit Cocktails!“, schlug die Brünette freudestrahlend vor. „Mimi…“, begann sie. „Zip. Wir gehen tanzen basta!“ Die Rothaarige hatte wirklich vergessen, wie dominant Mimi doch sein konnte. Passte ihr etwas nicht in den Kram, wurden die Pläne einfach ihren Vorstellungen angepasst. „Ich habe es Matt aber versprochen!“ „Das versteht er schon“, meinte sie fast schon gleichgültig. „Bestimmt wird sich Tai seine Musik anhören und begeistert brüllen wie toll er sie findet. Er braucht nur einen Affen!“ „Mimi.“ „Tut mir leid? Ex-Freund-Bonus?“ „Nein…aber du verstehst…“, doch weiter kam sie nicht. Mal wieder musste Mimi sie unterbrechen. „Sora wo kommt denn das ABER schon wieder her? Wir gehen Tanzen, das ist beschlossene Sache!“ Die Angesprochene stöhnte laut auf und fuhr sich durch ihre kurzen Haare. „Wir haben eine Willkommensparty für euch geplant, du Spielverderberin!“, blaffte sie ihre beste Freundin an und schaute in ihr überraschtes Gesicht. „Nicht dein Ernst?“, vergewisserte sie sich grinsend. „Doch. Und ich habe jetzt die Überraschung verdorben“, tadelte sie sich selbst und verzog das Gesicht. „Ach was. Ich kann überrascht tun. Das kann ich gut, siehst du?“ Mimi legte ihr „Überraschungs-Gesicht“ auf und Sora musste prompt lachen. So etwas Gekünsteltes hatte sie noch nie zuvor gesehen. „Ist gut, das üben wir noch!“, meinte sie immer noch lachend und zog Mimi weiter. Genervt stand Davis im Supermarkt und klapperte die Gänge ab, um den Rest wieder zu finden. Er fragte sich langsam, warum er nur zugesagt hatte. Er wollte Kari nicht wiedersehen. Davis hatte sich damals noch nicht mal von ihr verabschiedet gehabt. Also warum tat er sich das Ganze an? Die Antwort war klar – so klar wie Kloßbrühe. Er wollte ihn vor ihr beschützen. Natürlich war Davis nicht entgangen, wie aufgeregt und nervös Takeru, nach dem Gespräch mit Matt war. Er vermisste sie immer noch. Deswegen war die Sache mit Mariko auch so aus dem Ruder gelaufen. Sie sah Kari ähnlich. Deswegen verbrachte der Blondschopf auch so viel Zeit mit ihr. Davis wollte sich am liebsten selbst Ohrfeigen. Er hat ihn auch noch die ganze Zeit dazu ermutigt gehabt, da er dachte, dass er Hikari dadurch endlich vergessen würde. Doch kaum hieß es, sie sei wieder da, sprang Takeru wie das brav dressierte Hündchen hervor, obwohl sie sich noch nicht mal bei ihm persönlich gemeldet hatte. Mariko war auch prompt abgeschrieben. Jetzt brauchte er den Kari-Ersatz nicht mehr. Das Original war im Land und Davis stand kurz vorm Erbrechen. Er konnte nicht fassen, dass sich alles wieder nur um Kari drehte. Hatte sie nicht schon genug kaputt gemacht? Oder war er einfach nur zu nachtragend, was ihm Yolei schon die ganze Zeit vorwarf? Er wusste es schon gar nicht mehr. Davis hatte vollkommen vergessen, wie es war Hikari als Freundin zu haben. Eigentlich war sie immer nett zu ihm gewesen, bis sie ihn ausnutzte. Sie hatte mit seinen Gefühlen gespielt, nur um ihre Gefühle für Matt unter Verschluss zu halten. Er fragte sich, ob sie wohl immer noch auf ihn stand, oder ob sie sich in den USA einen anderen Schönling angelacht hatte? „Man Davis, wir suchen dich schon überall“, rief Ken ihm zu und riss ihn aus seinen Gedankengängen. Davis verrollte nur kurz die Augen und rannte zu seinen Mitbewohnern, die mit einem vollbepackten Einkaufswagen auf ihn warteten. „Ich hoffe Matt hat dir auch Geld gegeben“, meinte er, nachdem er das ganze Zeug vor sich sah. Sie hatten sogar Grillzeug geholt, da Matts Probenraum an einem Grillplatz mit Meeresblick lag. „Natürlich hat er mir welches mitgeben. Yolei hat es in ihrer Handtasche“, entgegnete TK und deutete auf Yolei, die mit ihrem Handy beschäftigt war. „Man wem schreibst du schon wieder? Du hängst ja wirklich nur noch an diesem Teil. Ist ja schrecklich“, kommentierte Davis genervt und wand seinen Blick zu Takeru, der unwissend mit den Schultern zuckte. „Vielleicht hat sie ja einen geheimen Verehrer“, meinte er daraufhin und bemerkte nicht, wie sich Kens Blick auf einmal veränderte. Er hatte auch schon daran gedacht, sich jedoch nie getraut es auszusprechen. Alle schauten zu Yolei, die ihren Kopf immer noch gesenkt hatte und ihren Blick auf ihr Handydisplay fixierte. „Hallo? Erde an Yolei?“ Davis fuchtelte ihr mit der Hand vor dem Gesicht herum, doch das verhinderte nicht ihr dumm-dämliches Grinsen, dass Davis meist noch mehr auf die Palme brachte. „Oh man jetzt grinst sie auch noch. Da kann nur ein Kerl dahinter stecken!“, erwiderte er und ließ von ihr ab. „Ist doch schön wenn sie jemanden gefunden hat, oder?“, fragte TK und wand sich zu Ken. Er lächelte müde und bemerkte wie sich innerlich sein Herz zusammen zog. Ihm war schon seit einigen Wochen aufgefallen, dass sich Yolei allmählich verändert hatte. Neuerdings trug sie Parfüm und zog viel öfters Kleider an. Ken hatte schon damit gerechnet, dass ein Kerl dahinter steckte. Jetzt wusste er, dass er dieser Kerl nicht sein konnte. „Habt ihr irgendetwas gesagt?“ Yolei blickte nach oben und verstaute ihr Handy in ihrer Tasche. Davis schüttelte nur den Kopf, während TK etwas schief grinste. Ken hingegen ließ die Mundwinkel nach unten hängen und hoffte, dass dieser stechende Schmerz in seiner linken Brusthälfte bald verschwinden würde. „Ich hoffe wirklich, dass sie bald auftauchen. Mimi und Kari kommen schon in einer Stunde“, nörgelte der Blonde und sah zu den beiden Anwesenden. Cody war mittlerweile ebenfalls eingetroffen und saß neben Izzy auf einem der Tische. Matt hatte noch die Anlage angeschlossen und wartete ungeduldig auf die Rückkehr der anderen. Tai hatte ihm gerade geschrieben, dass er nochmal mit Kari zum Hotel ging, da sie sich noch umziehen wollte. Mimi und Sora befanden sich immer noch in der Stadt und würden wahrscheinlich mit unzähligen Shoppingtüten hier auftauchen. TK hatte ihm vor zwanzig Minuten geschrieben, dass sie alles im Supermarkt bekommen hatten und sich jetzt auf dem Rückweg befanden. Sie waren immer noch nicht da. Obwohl der Weg vom Supermarkt bis zum Proberaum keine zehn Minuten dauerte. Wahrscheinlich hatten sie sich mal wieder verquatscht. Die Jugend von heute eben. „Izzy kannst du ihnen nochmal eine SMS schreiben? Auf meine reagiert keiner!“ „Vielleicht liegt es daran, dass du schon gefühlte Zwanzig geschrieben hast. Sie werden sicher gleich da sein“, beruhigte ihn der Rotschopf und zuckte mit den Achseln. „Wenn du meinst“, antwortete Matt und verrollte die Augen. Er war in solchen Sachen einfach ein Perfektionist wie es im Buche stand. Zum Leidwesen aller anderen Beteiligten. „Und Joe kommt heute nicht?“, fragte der Jüngste an Izzy gewandt. „Nein, er ist…“. „Wahrscheinlich betete er gerade den Fuji an und hofft, dadurch eine Erleuchtung zu erhalten“, unterbrach Matt ihn unsanft, während ihm Izzy einen bösen Blick zuwarf. „Er ist zum Fuji gefahren? Wieso das denn?“ „Also eigentlich ist es eine Reisegruppe und…“. „Und Joe hofft dadurch endlich einen Sinn und Zweck in seinem Leben zu finden. Indem er einen dummen Berg anbetet!“ „Sag mal machst du dich lustig über ihn?“, wollte Izzy von dem Blondschopf wissen. „Nein“, nuschelte er und schüttelte zeitgleich den Kopf. „Es ist nur mal wieder typisch.“ „Typisch?“, wiederholte Izzy mit hochgezogener Augenbraue und schaute skeptisch zu Cody, der ebenfalls ratlos wirkte. „Ja typisch. Jetzt wo wir mal die Gelegenheit haben uns alle zu sehen, glänzt Mister Kido mit Abwesenheit“. „Er wusste doch gar nichts davon?“, verteidigte Izzy ihn. „Sag mal seit wann bist du so dramatisch?“ „Ich bin nicht dramatisch!“, verneinte Matt überdrüssig. „Klar, im Moment bist du voll die Drama Queen! Hat es vielleicht etwas mit deinen Eltern zu tun?“ „Man Izzy“, zischte er und wand den beiden den Rücken zu. „Halt gefälligst meine Eltern da raus!“ Izzy wollte gerade etwas sagen, als sie von Davis unterbrochen wurden, der ihre Rückkehr groß ankündigte. „Da sind wir wieder“, pfiff er durch den Raum und stellte zwei Tüten auf den Tisch. Auch die anderen waren schwer beladen und bemerkten gar nicht die angespannte Stimmung, die bei den dreien herrschte. „Ich geh eine Rauchen!“, meinte Matt und verschwand kurz darauf. „Welche Laus ist dem denn über die Leber gelaufen?“ Davis blickte ihm hinterher und auch TK merkte schnell, dass etwas nicht stimmte. „Was war hier los?“, wollte er wissen und starrte zu den beiden, die die ganze Zeit über anwesend waren. „Nichts…“, murmelte Izzy in einem Flüsterton und erntete von Cody einen vielsagenden Blick. Warum konnte er nicht die Wahrheit sagen? Jeder wusste von der Sache. Jeder wusste, dass Matt sich nicht mit Ruhm bekleckert hatte. Jeder wusste, das Takeru deswegen so sauer auf ihn war. „Wir haben über eure Eltern geredet“, antwortete Cody direkt und ein leises Stöhnen überkam Takerus Lippen. „Das ist nicht eure Sache, verstanden?“, brüllte er in die kleine Runde und verschwand ebenfalls nach draußen. Angesäuert zog er an seiner Zigarette und blies den Rauch gleich wieder aus seiner Lunge. Er konnte nicht fassen, dass Izzy gerade dieses Thema angeschnitten hatte. Klar als Mitbewohner bekam er sicher am meisten mit, doch selbst Tai ließ ihn allmählich damit in Ruhe. Er kam einfach mit der ganzen Situation nicht klar. Fertig. Punkt. Aus. Das einzige was ihm zu schaffen machte, war das sein kleiner Bruder ihm genauso große Vorwürfe machte, wie seine Eltern. Sie konnte es nicht verstehen, warum er es nicht akzeptierte. Man konnte es eben schlecht ändern. Jetzt sowieso nicht mehr. „Warum bist du nur so?“ Erschrocken drehte sich Matt herum und entdeckte Takeru vor sich, der ihn mit einem traurigen Blick anschaute. „Ach du bist es. Du hast mich ganz schön erschreckt!“ meinte er und lenkte vom ursprünglichen Thema ab. Doch Takeru kannte seine Masche. Und er wäre der letzte, der drauf hineinfallen würde. „Wieso bist du nur so unfair zu unserer Familie?“, fragte er diesmal etwas detaillierter. „Wir sind keine Familie. Das sind wir schon lange nicht mehr!“ „Warum sagst du nur so was? Die Hoffnung stirbt doch bekanntlich zu Letzt!“, erwiderte Takeru verbissen und merkte wie seine Gesichtspartien unkontrolliert zuckten. Das passierte nur, wenn er wirklich verärgert war. Und am liebsten würde er Matt gerade eine reinhauen. „TK unsere Eltern haben alles kaputt gemacht, als sie sich dazu entschieden haben, sich scheiden zu lassen“, versuchte der Ältere seinem Bruder ins Gedächtnis zu rufen. „Aber die Situation hat sich geändert. Wann akzeptierst du es endlich?“ „Takeru es hat sich überhaupt nichts geändert. Oder sind unsere Eltern nach all dem wieder zusammen?“ Der Jüngere biss sich auf die Unterlippe und schüttelte zaghaft den Kopf. Mit Matt konnte man einfach nicht diskutieren. „Siehst du. Und je schneller du dich von dieser Traumvorstellung verabschiedest, desto besser!“, antwortete er kühl und drehte ihm wieder den Rücken zu. „Du bist so ein Idiot!“, brüllte er zu ihm und ging ohne ein weiteres Wort zu verlieren wieder in den Raum zurück. Er schloss die Tür und lehnte sich an sie. Insgeheim wusste er, dass er nur einer Traumvorstellung nach jagte. Aber etwas sagte ihm, dass er die Hoffnung noch nicht aufgeben sollte. Es war so viel passiert. Das Ganze musste doch bei seinen Eltern Spuren hinterlassen haben. Er sah doch ihre Blicke und er war sicherlich nicht blöd. Takeru wusste, dass seine Eltern immer noch etwas für einander empfanden. Besonders nach der Geschichte vom letzten Jahr, war er sich sicher, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis sie wieder zusammen kamen. Er wollte nicht aufgeben. Er wollte weiter hoffen. „Warum braucht ihr eigentlich immer so lang, um euch ein Outfit herauszusuchen?“ Tai ging neben seiner Schwester her und konnte es nicht fassen, dass sie für das Raussuchen eines dummen Kleides tatsächlich eine halbe Stunde gebraucht hatte. Wahrscheinlich wurde sie doch so langsam zu einer zweiten Mimi. Seine Befürchtungen schienen sich zu bewahrheiten. „Ich will halt gut aussehen“, murrte sie angesäuerte und betrachtete ihr rotes Kleid, dass am Ende mit Rüschen verziert war. „Für wen willst du gut aussehen? Etwa für Matt?“, witzelte er und grinste unverschämt. Kari lief leicht rot an und schaute gerade aus. Voll ertappt. Für ihren Bruder würde sie sich sicherlich nicht eine solche Mühe geben. „N-Nein?! Ich will für mich gut aussehen!“ „Für dich? Ist das so eine komplizierte Mädchensache?“ „So in etwa“, nuschelte sie kaum hörbar, während Tai sich fragend am Kopf kratzte. Was sollte das schon wieder? Würde er die Frauen eines Tages wirklich mal verstehen? Er glaubte nicht daran. Obwohl er bei seiner Schwester eigentlich immer den Durchblick hatte. Jedenfalls mehr oder weniger. „Ist das da vorne nicht Mimi?“ Tai blieb stehen und grinste leicht, als er Mimi und Sora erkannte. Da hatte wohl alles wie am Schnürchen geklappt. „Tai was ist hier los?“, fragte Kari verwirrt und ging auf die beiden zu. „Ach Matt hat euch auch eingeladen“, stellte Mimi nüchtern fest. „Sieht wohl so aus“, meinte Kari gespielt locker, um ihre aufkommende Enttäuschung vor den anderen zu verbergen. Eigentlich hatte sie ja gehofft, dass sie das einzige weibliche Wesen bleiben würde. Pustekuchen. Sora und Mimi waren auch eingeladen. Dennoch begrüßte Kari Sora sehr herzlich und drückte sie fest an sich. Sie war ja schließlich jahrelang ihre Fast-Schwägerin gewesen. Insgeheim dachte sie immer, dass Sora und Tai einmal heiraten würden. „Ach es ist so schön euch beide zu sehen!“ Sora wirkte fröhlich und begrüßte kurze Zeit später auch Taichi mit einer Umarmung. Anscheinend kamen beide wirklich gut mit der Trennung zurecht. Kari hatte wirklich mit mehr Drama gerechnet. Vielleichten konnten manche Paare wirklich nach einer Trennung noch miteinander befreundet sein, auch wenn es bei manchen nicht zu traf. Mimi und Michael waren das perfekte Gegenbeispiel. Doch heute wollte Hikari einfach nur Spaß haben und nicht an ihre leidige Vergangenheit denken, bei der Michael ebenfalls eine große Rolle spielte. Sie hatte sich vorgenommen die Zeit in Japan einfach zu genießen. Vielleicht hatte Mimi ja Recht. Vielleicht war Japan genau das was sie brauchte. Tai war auf Karis Gesicht gespannt. Damit würde sie sicher nicht rechnen. Er warf Sora einen vielsagenden Blick zu und sie setzten sich ohne weiteres in Bewegung. Sora und Tai gingen voraus und öffneten die Tür, während Mimi und Kari ihnen ahnungslos hinterher schlenderten. „ÜBERRASCHUNG!“ Mimi und Kari blieben automatisch stehen und hielten sich beide die Hände vor den Mund und wirken wirklich überrascht. Auch Mimi, die von der ganzen Aktion bereits wusste. „Oh mein Gott, das habt ihr wirklich alles für uns gemacht?“ Kari blickte sich in dem kleinen Raum um, der liebevoll dekoriert war. Auch ein „Willkommen zurück“-Schild hing mitten im Raum. Nebenbei lief die neuste Popmusik, die Izzy mit Hilfe seines Laptops über eine größere Lautsprecheranlage laufen ließ. „Wow ich bin wirklich beeindruckt“, meinte auch letztlich Mimi, die bis vor kurzem noch sprachlos neben Kari stand. Tai grinste zufrieden und rückte näher an Sora heran. „Da haben wir wirklich gute Arbeit geleistet. Sag mal hat unsere Shopping Queen nichts gekauft oder hast du die Tüten verschwinden lassen?“ Sora kicherte leise. Mimi wäre nicht Mimi, wenn sie nichts gekauft hätte. „Ich bin mit dem Wagen meiner Mutter hier. Ihre Taschen liegen im Kofferraum“. „Typisch“, grummelte er und sah das Izzy ihm auffällig zu wank. „Bin gleich wieder da“. Er wand sich von Sora ab und ging zu Izzy rüber, der heute nur für die Musik zuständig war. „Was ist los?“ „Ich glaube du solltest später mal mit Matt reden“, informierte er ihn genervt. „Er ist wegen der Sache schon wieder ausgeflippt!“ „Oh okay. Und was ist mit TK?“ Izzy presste die Lippen aufeinander und schaute ihm direkt in die Augen. Er musste ihm nichts weiter sagen. Er wusste auch so, dass die Beziehung der beiden Brüder zurzeit recht schwierig war. Streitigkeiten inklusive. „Ich rede mit ihm. Mach dir keine Gedanken“, versicherte er dem Rotschopf und machte sich auf die Suche nach Matt. Natürlich musste er nicht lange suchen. Er wusste genau, dass er draußen war und mal wieder eine rauchte. „Du wirst noch zum Kettenraucher“, kommentierte er, als sich Matt die nächste Zigarette anstecken wollte. „Boah ist heute Tag des Erschreckens? Erst TK und dann du?“ „Izzy hat mir von dem Streit zwischen euch erzählt!“ „Und weiter? Willst du mir jetzt auch ne Moralpredigt halten?“ Er wand sich ihm zu und versuchte seine Zigarette anzustecken, doch der Wind brachte jeden Versuch zum Scheitern. Vielleicht war es ein Omen. „Will ich nicht“, seufzte er und trat näher an ihn heran. „Ich mach mir nur Sorgen um dich!“ „Wirklich? Da bist du sicher nicht der Erste. Also stell dich hinten an“, schnaubte er und schaffte es endlich seine Zigarette anzuzünden. „Hey wir wollten doch alle heute einen netten Abend zusammen haben. Also vergiss den Streit. Nur für ein paar Stunden“, bat Taichi und lächelte aufmunternd zu ihm. Er hingegen nahm seine Zigarette zwischen zwei Finger und etwas Asche fiel zu Boden. „Okay, aber nur weil du es bist.“ „Gut, dann komm. Lass uns wieder reingehen!“, sagte er fröhlich und zog ihn mit sich. Er schnaufte laut. Schon seit einer geschlagenen halben Stunde starrte er sie an. Bisher hatte er noch nicht den Mut gefunden mit ihr zu sprechen. Es fühlte sich alles so komisch an. Sie war ein knappes Jahr weg gewesen und jetzt war sie ohne Vorwarnung einfach wieder da. Gedankenverloren nippte Takeru an seinem Bier und betrachtete sie weiter, als Davis plötzlich hinzukam. Auch er hatte Kari eine Zeitlang beobachtet und sah wie unbekümmert sie mit Sora und Yolei sprach, während einer seiner besten Freunde wie ein begossener Pudel einige Meter weiter weg stand. Er sollte sie einfach vergessen, doch das schien wohl leichter gesagt, als getan zu sein. Wehmütig blickte der Blonde immer noch zu seiner besten Freundin, die sich anscheinend keine Millisekunde für ihn zu interessieren schien. „Vergiss sie endlich. Das tut dir nur unnötig weh!“ „Ich weiß aber…“, begann er mit einem schmerzverzerrten Gesicht. „Nichts aber. Am besten hauen wir in der nächsten Stunde ab. Aber ich möchte auf jeden Fall noch ein Steak bekommen.“ Tai befand sich mit Matt und Mimi im Schlepptau am Grill und hatte gerade das Fleisch aufgelegt, das bald gut sein würde. Wenn Davis ehrlich war, war er eigentlich nur wegen des Essens gekommen. Dafür musste er heute Abend mal nicht kochen und konnte sich etwas zurücklehnen. Etwas Positives hatte es doch irgendwie. Er hatte heute definitiv weniger Arbeit. „Hey wollen wir vielleicht mal nach dem Fleisch sehen?“ TK schüttelte mit dem Kopf und trank den Rest seines Biers in einem Zug aus. „Ich werde jetzt zu ihr gehen. Ist doch Schwachsinn sich so zu verhalten. Schließlich waren wir die besten Freunde“, erwiderte er hoffnungsvoll und setzte sich in Bewegung, bevor Davis etwas daraufhin kontern konnte. Wahrscheinlich musste er ihn einfach in sein Unglück laufen lassen. Er kapierte es anscheinend nicht anders. Schulterzuckend betrachtete Davis, wie Takeru zu Yolei, Sora und Kari ging. Möglicherweise hatte er sich zuvor etwas Mut angetrunken, da er sofort mit den drei Mädels ins Gespräch kam – obwohl Kari anwesend war. Die Situation war mehr als nur merkwürdig gewesen. Davis verstand nicht, warum Takeru ihr einfach so wieder verzeihen konnte. Schon heute Morgen sagte er immer wieder das gleiche: „Sie hat es sicher nicht böse gemeint. Außerdem kann man sich nicht aussuchen in wen man sich verliebt“. Er verdrängte die Tatsache, dass sie sich NIEMALS in ihn verlieben würde, da sie bestimmt immer noch Gefühle für den falschen Bruder hatte. Davis hatte das Gefühl, dass er trotz der Sache mit Mariko und dem einen Jahr Distanz, sie immer noch nicht aufgeben hatte. „Bist du auch sicher, dass du das richtig machst? Mein Vater macht das immer anders“, kommentierte sie unverblümt und kassierte prompt einen angesäuerten Blick. „Kannst du dir deine schlauen Ratschläge auch sonst wo hinstecken? Ich weiß wie man grillt!“ „Sicher? Das Stück sieht aber ganz schön angebrannt aus!“, provozierte sie ihn und deutete gleich darauf. „Man kannst du vielleicht Matt auf den Sack gehen?“, fragte er und wand sich hilfesuchend an Matt, der sich immer wieder über die Streitigkeiten der beiden amüsierte. „Auf Youtube wärt ihr beide wirklich der Hit. Wie ein altes Ehepaar!“, kommentierte er belustig und lehnte sich an die Wand. „Sehr witzig“, zischte Tai Zähneknirschend und blickte wieder zu Mimi, die sein Fleisch immer noch auffällig musterte. „Hau jetzt gefälligst ab“, maulte er und schubste sie leicht zur Seite. „Was bist du denn für ein Spielverderber?“ „Verschwinde einfach. Unterhalt dich mit Matt. Er sieht gelangweilt aus!“, riet er ihr und wandte sich wieder seinem Fleisch zu. „Ach leck mich doch, du Depp!“, zischte sie und verschränkte angesäuert die Arme vor die Brust. „In deinen Träumen vielleicht“, nuschelte er, sodass es nur Mimi hören konnte. „Ich hoffe dein Fleisch brennt jetzt erst recht an!“, geiferte sie und streckte ihm prompt die Zunge raus. „Wie im Kindergarten“, kommentierte Matt, biss sich jedoch augenblicklich auf die Lippe, um nicht gleich laut los zu pusten. „Also wirklich, da bin ich mal wieder da und schon wird man so unfreundlich behandelt“, säuselte sie und stellte sich neben Matt, der sie aus dem Augenwinkel heraus musterte. Sie trug eine dunkelblaue Jeansjacke und hatte darunter ein gelb-geblümtes Kleid an, das perfekt zu den langen braunen Haaren passte. Ihren Pony hatte sie mit einer farblich passenden Haarspange zurückgesteckt. Alles war abgestimmt, selbst ihre Schuhe passten wie angegossen zum restlichen Outfit. „Seit wann ist er überhaupt so zickig?“ „Keine Ahnung“, antwortete er lachend und betrachtete weiterhin ihre „perfekte“ Erscheinung. „Ich kann euch immer noch hören“, knurrte Taichi und wendete das Fleisch. Mimi schüttelte nur beiläufig den Kopf und starrte den jungen Yagami fast schon nieder, als Matt sie plötzlich aus ihren Gedanken riss. „Du siehst heute wirklich hübsch aus!“ „Findest du?“ Unsicher strich sie sich eine Strähne hinter ihr Ohr und lächelte verhalten. Matt nickte und Mimis Lächeln wuchs ins Unermessliche. „Vielen Dank. Das ist wirklich süß von dir“. „Schleimer!“, rief Tai ihm entgegen und grinste herausfordernd. „Halt die Klappe, Tai“, gaben beide synchron zurück und mussten lachen. „Verhext“, sagte Mimi und spielte verträumt an ihren Haaren. Ihr war nie aufgefallen, wie aufmerksam Matt sein konnte. Und er sah wirklich unfassbar gut aus. Ein wenig wie Michael, doch an diesen Idioten wollte sie wirklich nicht mehr denken. Matt war einer ihrer Freunde, den sie schon jahrelang kannte. Er war sicherlich nicht so ein Arsch. Während Mimi und Matt gegenseitig anschmachtende Blicke miteinander tauschten, schnaubte Tai säuerlich vor sich hin. So schnell war mal also abgemeldet. Tolle Freunde hatte er da. Dennoch gefiel ihm diese Entwicklung ganz und gar nicht. Mimi interessierte sich plötzlich für Matt? Und umgekehrt? Wo kam dieser plötzliche Sinneswandel her? Er musste das dringend unterbinden, ansonsten würden sie wahrscheinlich einer Person wehtun, die ihm immer noch sehr am Herzen lag. Beide standen im Abseits und lauschten den Gesprächen der anderen. Selbst Davis hatte sich mittlerweile zu dem Rest gesellt und machte gute Miene zum bösen Spiel. Cody und er hingegen standen neben dem Pult auf dem Izzy seinen Laptop aufgebaut hatte und sahen den anderen beim Amüsieren zu. Izzy unterhielt sich schon die ganze Zeit angeregt mit Yolei, die ebenfalls bei ihnen in der Nähe stand. Tai war immer noch am Grill, während Mimi und Matt sich zu Sora und dem Rest gesellt hatten. „Ich fühle mich irgendwie fehl am Platz“, gab Cody kleinlaut zu und trank an seiner Cola. „Hey das stimmt doch gar nicht“, meinte Ken aufmunternd und stupste ihn leicht an. „Aber als Jüngster kann ich fast nirgends mitreden, außerdem habe ich mit allen gar nichts mehr groß zu tun.“ „Ehm wir sehen uns doch regelmäßig!“, konterte Ken fast schon etwas gekränkt. „Du bist mein Nachhilfelehrer. Das zählt nicht“. Ken zog die Mundwinkel leicht nach unten und schnaufte leise. Er hatte Recht. Privat machten sie sonst eigentlich nichts zusammen. Und Mathenachhilfe war wirklich nicht unbedingt Kommunikationsfördernd. Selbst er wusste kaum, was in Codys Leben so los war. Er schien immer noch Kendo zu machen und in den anderen Fächern keine Probleme zu haben, außer halt in Mathe. Sonst wusste er eigentlich nichts über ihn. Er wusste noch nicht mal ob er eine Freundin hatte, ob er seine Mitschüler mochte oder was er sonst noch nach der Schule gerne machte. „Tut mir leid. Wir scheinen dich alle ganz schön vernachlässigt zu haben“. Cody nickte nur traurig und betrachtete sein Spiegelbild im Glas. „Scheint so“. Ken fragte sich, wie das alles nur passieren konnte? Sie standen sich früher doch alle immer so nah. Fast jedes Wochenende hatten sie gemeinsam verbracht. Doch dann kam die Pubertät und puff. Alles war anders. Erst dieses Hick-Hack mit Davis, Kari und TK, dann der Abschied von Kari und jetzt auch noch seine äußerst überforderten Gefühle für Yolei. Sie war verliebt. Die Frage war in wen? Sie hatte nie irgendetwas in dieser Richtung erwähnt. Doch diese unzähligen SMS. Dieses „Ich-bin-ja-so-glücklich“-Grinsen. Die geänderte Garderobe. Es war eindeutig. Ken hatte sie verloren, ohne richtig um sie gekämpft zu haben. Er konnte sich wirklich nur selbst in den Arsch treten und verfluchte sich innerlich dafür auf Davis gehört zu haben. Er riet ihm davon ab, mit Yolei über seine Gefühle zu sprechen. „Das gibt nur Stress und dann haben wir den Salat. Versuch es einfach zu ignorieren. Vielleicht geht es ja auch wieder von alleine weg. Ist wahrscheinlich eh nur ein Strohfeuer“. Doch Ken wusste, dass es nicht so war. Er hatte diese Gefühle schon länger, ohne sie gleich bemerkt zu haben. Anfangs war es ein unauffälliges Kribbeln. Später wurde er in ihrer Gegenwart immer nervöser, bis ihn die Erkenntnis beinahe traf wie ein Blitz. Er hatte sich in sie verliebt und schleppte diese unerfüllten und vor allem unerwünschten Gefühle, weiß Gott schon wie lange mit sich herum. Er tat wirklich alles, um sie loszuwerden. Er ging sogar mit verschiedenen Mädchen aus, die er durch Davis und TK kennen lernte. Nichts half. Die Gefühle waren immer noch da. Und er? Er war tot unglücklich damit. Er freute sich sie wiederzusehen. Wirklich. Im Moment hatte er das Gefühl, dass die letzten paar Jahre einfach nur ein böser Traum waren, aus dem er langsam zu erwachen schien. Takeru hatte nicht damit gerechnet, dass Hikari und er sich auch nach einem Jahr der Distanz noch so gut verstehen würden. Vielleicht lag es am Alkohol, aber sie unterhielten sich unbefangen bereits schon über eine Stunde. Selbst Davis hatte den Weg zu ihnen gefunden, auch wenn er sich zu neunzig Prozent nur mit Sora unterhielt. Aber er erwartete von Davis ganz sicher keine Wunder. Jedoch hatte er nicht erwartet, dass das Gespräch kurz vor der Eskalation stand. Takeru hatte mal wieder ein Telefonat weggedrückt, diesmal hatte es Davis hautnah mitbekommen. Mariko versuchte ihn schon die ganze Zeit zu erreichen, da er ihr zu ihrem nächsten Treffen nur eine äußerst unschlüssige Antwort gab. Bisher hatte er alle Anrufe ignorieren können, doch diesmal hatte er die Rechnung ohne Daisuke gemacht, der prompt anfing zu sticheln. Matt und Mimi hatten sich ebenfalls in der kleinen Gruppe eingefunden als Davis die Initiative ergriff. „Sag mal war das Mariko?“ „Und wenn schon? Ich unterhalte mich gerade“, erklärte er deutlich und zeigte auf Kari. „Findest du nicht, dass du sie etwas unfair behandelst? Kaum ist Kari wieder da, ist sie plötzlich abgeschrieben“, bohrte er weiter und weckte auch die Aufmerksamkeit von Matt, der sich ebenfalls in das Gespräch einmischte. „Seid ihr zwei jetzt eigentlich zusammen? Du hättest sie auch ruhig mitbringen können“, warf Matt ein und schaute zu seinem Bruder, der vor Scham rot anlief. „Wer ist Mariko?“, fragte nun auch Kari interessiert und brachte unerwartet Bewegung ins Geschehen. „Schätzungsweise Takerus Freundin“, schlussfolgerte Matt und erntete von Takeru einen bösen Blick. „Sie ist nicht meine Freundin“, knurrte er. „Wahrscheinlich wohl eher deine Fick-Freundin“, ergänzte Davis sarkastisch. „Halt deinen Mund“, zischte der Blonde. Ihm war die Situation vor Kari mehr als nur peinlich. Diese blickte ihn fragend an. Mimi und Sora hatten das Gespräch gar nicht mitbekommen und plauderten munter weiter. „Ich fass es nicht, dass du wirklich so abgebrüht bist“, flüsterte Matt ihm zu und heizte das Geschehen immer weiter an. „Halt doch deine Klappe. Du bist wohl der Letzte der sowas behaupten sollte“, brüllte er und erweckte die Aufmerksamkeit der anderen um ihn herum. „Was ist hier los?“, wollte Mimi wissen und zog Kari zu Rate, die nur unsicher mit den Schultern zuckte. „Ich mache mir wirklich nur Sorgen um dich!“, versicherte ihm Matt und versuchte seine Hände auf seine Schultern zu legen, doch Takeru schlug beide von sich und ging einen Schritt zurück. „Du bist doch Schuld daran, dass es unserer Familie so schlecht geht! Wann akzeptierst du es endlich?“ „TK, fang nicht wieder davon an!“, brüllte er zurück und ging einen weiteren Schritt auf seinen Bruder zu, während er einen weiteren zurückging. Auch Davis hatte mittlerweile gemerkt, dass sein Manipulationsversuch, um Kari loszuwerden, wohl eher nach hinten losging. Jetzt hatten sich tatsächlich die beiden Brüder in den Haaren. „Warum kannst du es nicht akzeptieren? Ist es wegen Saya?“ Matts Blick veränderte sich auf einmal, als er ihren Namen nannte. Seine Miene verfinsterte sich und seine Mundwinkel hingen nach unten. „Es ist nicht wegen…Saya“, antwortete er unschlüssig. „Ach ja und warum hast du Mama seither kein einziges Mal besucht?“ „Ich konnte es nicht. Es fühlte sich irgendwie falsch an!“, antwortete er wahrheitsgemäß. Die Wut in Takeru sprudelte hoch. Es fühlte sich falsch an? Was dachte sich Matt nur dabei? Von seiner Wut geleitet stürzte er sich auf Matt und gab ihm einen Kinnhaken. Aus einem wurden schnell zwei und aus zweien entstand eine heftige Prügelei unter zwei Brüdern. „So eine Scheiße aber auch! Izzy? Tai? Kommt schnell her!“, rief Sora hilflos und versuchte TK von Matt runter zu reißen. Izzy rannte raus und holte Tai zu Hilfe, der immer noch am Grill stand. Beide kamen wenige Sekunden später ins Gebäude gestürmt und rissen beide auseinander. „Man was ist nur los mit euch?“, fragte Tai aufgebracht, während Matt sich sein Kinn hielt. Auch Takeru hatte einige Blessuren abbekommen. „TK hört einfach nicht auf über dieses leidige Thema zu sprechen. Langsam geht es mir wirklich auf den Sack!“ „Du gehst mir im Moment auch ganz schön auf den Sack“, blaffte er zurück und wollte sich erneut auf ihn stürzten, wurde jedoch rechtzeitig von Izzy zurückgehalten. „Müsst ihr das ausgerechnet heute klären? Wir wollten doch ganz in Ruhe Karis und Mimis Rückkehr feiern“, warf Sora enttäuscht ein und blickte zu ihren beiden Freundinnen, die immer noch ratlos im Halbkreis standen, der sich gebildet hatte. „Ohne mich“, giftete Takeru, schnappte sich seine Jacke und verschwand nach draußen. Davis und Ken liefen ihm ohne ein Wort zu verlieren hinterher und ließen einen aufgebrachten Matt und eine vollkommen gekippte Partystimmung zurück. „Was war das denn jetzt?“ Mimi stand immer noch neben Kari und blickte verwirrt in die kleine Runde, die übrig geblieben war. Keiner der Anwesenden sagte ein Wort, bis Matt ein leises „Ich ertrag das nicht mehr“ hervorbrachte und ebenfalls verschwand. Tai stöhnte und hielt sich die Hand an die Stirn. „Na super. Das nennt man wohl eine ordentlich Party“. „Ich denke, dass hat für heute keinen Sinn mehr“, meinte Izzy und wurde von Tais Nicken bestärkt. „Willst du mit ihm reden, oder soll ich?“ „Ich mach das schon“, erklärte sich der Rotschopf bereit. „Danach werde ich noch ein bisschen aufräumen.“ „Ich kann dir gerne helfen“, bot sich Yolei an und Izzy nickte nur zustimmend. „Dann bringe ich Cody und die Mädels heim“. „Quatsch ich kann sie doch fahren. Ich bin doch mit dem Auto hier! Und getrunken habe ich auch nichts“, schlug Sora vor. „Ich komme trotzdem mit, wenn du nichts dagegen hast“, erklärte Tai und warf einen Blick zu seiner Schwester, die immer noch verwirrt zu sein schien. „Tut mir wirklich leid, dass die Party so ein Reinfall war“. Kari erwiderte daraufhin nichts, sondern holte ihre Jacke und ging danach direkt zu Soras Wagen. Mit diesem Ausgang hatte wohl keiner gerechnet. Was war nur in ihrer Abwesenheit zwischen Takeru und Matt passiert? Wer Mariko? Und wer war diese Saya, die Matt offensichtlich nicht mochte? Zu viele Fragen und zu wenige Antworten strömten durch ihren Kopf. Wahrscheinlich war es doch ein großer Fehler wieder zurückzukommen. Sie befanden sich nur noch zu viert im Wagen. Cody hatten sie inzwischen heil zu Hause abgesetzt. Von Izzy hatten sie erfahren, dass Matt sich nicht mehr in der Nähe befand und er mit Yolei noch ein bisschen aufräumen würde. Tai hingehen saß auf dem Beifahrersitz von Soras Wagen und war froh, dass weder Kari noch Mimi irgendwelche Fragen stellten. Beide saßen stillschweigend auf der Rückbank und starrten aus dem Fenster. Sora bog gerade in die Straße ihres Hotels ein und suchte einen Parkplatz, als sich Mimi plötzlich zu Taichi vorbeugte. „Tut mir leid, was ich vorhin zu dir gesagt habe. Wegen dem grillen!“ Tai drehte sich perplex zu ihr und schaute ihr in die braunen Augen. Sie schien es wohl wirklich ernst zu meinen. Woher kam dieser plötzliche Sinneswandel? „Okay? Hast du noch was genommen oder warum entschuldigst du dich bei mir? Ist ja sonst nicht deine Art!“ Mimi presste die Lippen aufeinander und schloss für einen kurzen Moment die Augen, bevor sie sie wieder aufschlug. „Keine Ahnung, vielleicht will ich einfach noch mehr Stress vermeiden“. „Das ist nicht eure Schuld. Das ist eine Sache zwischen TK und Matt“, gestand der junge Yagami, auch wenn er leicht verwundert über Mimis Reaktion war. „Okay“, gab sie zurück und ließ sich wieder nach hinten plumpsen. Wahrscheinlich war sie einfach zu müde, um noch etwas zu entgegnen. Oder sie wollte wirklich keinen weiteren Stress heraufbeschwören. Doch daran glaubte Taichi noch nicht so recht. Immer wenn er und Mimi sich in einem Raum befanden, war die Stimmung meist hochexplosiv. Er war gespannt wie lange dieser vermeintliche Waffenstillstand anhielt. Sora hatte inzwischen einen Parkplatz ergattert und parkte ohne Probleme ein. Sie stellte den Motor an und schnallte sich ab. Der Rest tat es ihr gleich und alle vier stiegen aus dem Wagen aus. Sora ging zum Kofferraum und holte die Tüten hervor, die Mimi und sie heute Mittag geshoppt hatten. Sie reichte sage und schreibe fünf der sieben Tüten an Mimi weiter und Tai musste sich buchstäblich auf die Zunge beißen, um nicht ein Kommentar loszuwerden. „Danke fürs herbringen!“, sagte Mimi und verabschiedete sich von Sora indem sie, sie knapp umarmte. Selbst von Taichi verabschiedete sie herzlicher als sonst. Wohlmöglich lag es einfach nur am Schock. „Gute Nacht“, wünschte Kari ihnen und verabschiedete sich ebenfalls. Beide blieben noch solange draußen stehen, bis sie den Eingang des Hotels erreicht hatten, danach stiegen sie wieder ins Fahrzeug. Gerade als Sora wieder losfahren wollte, legte Tai seine Hand auf ihre und brachte sie augenblicklich zum Stoppen. Die Rothaarige stöhnte genervt, denn sie wusste genau, was er ihr sagen wollte. Auch er hatte ihre Blicke mitbekommen. Wie verletzt sie war, dass Matt Mimi mehr Aufmerksamkeit schenkte als ihr. Er hatte ihr regelrecht hinterher gesabbert, das war selbst Taichi nicht entgangen. „Bitte Tai…lass es gut sein. Ich will nicht darüber reden!“ „Das sagst du schon seit ich dich vollkommen betrunken in dem Club aufgelesen und mit nach Hause genommen habe“, entgegnete er verständnislos. „Rede doch bitte mit mir!“ „Was soll ich denn noch groß sagen? Mein betrunkenes Ich hat dir wohl alles anvertraut, obwohl du der Letzte warst mit dem ich darüber reden wollte!“ „Aber Gefühle kann man eben nicht ändern und mir macht es wirklich nichts aus!“, gab er ihr zu verstehen. „Ich würde mich freuen, wenn es klappen würde. Für euch beide“. Sora seufzte und die ersten Tränen bildeten sich in ihren Augen. „Er bemerkt mich noch nicht mal. Und ich werde mich ganz sicher nicht so aufdackeln wie Mimi. Das bin ich nicht und das werde ich nie sein“, sagte sie und bemerkte erst gar nicht, wie ihr die Tränen die Wange hinunterflossen. „Sie ist doch sowieso viel hübscher als ich“. „Red doch keinen Quatsch. Das stimmt doch gar nicht!“ „Ach und du findest sie etwa nicht hübsch? Anziehend? Sexy?“ „Ä-Ähm naja also…“, stotterte er und wand sein Gesicht von ihr. Was sollte er nur sagen, ohne in ein riesengroßes Fettnäpfchen zu treten? „Ich finde die innere Schönheit viel wichtiger als die äußere Kulisse“, sagte er nach langem hin und her. Er wusste, dass sie ihm nicht glaubte. Wie auch…sie kannte ihn besser als jeder andere. Sie wusste Dinge, die selbst Matt nicht wusste. Natürlich fand er Mimi hübsch, aber auch außerordentlich nervig. Und Schönheit lag sowieso im Auge des Betrachters. Die Mädels die Matt meist abschleppte, waren nur für eine Nacht gedacht. Sora war die Sorte Mädchen, die man einmal heiraten wollte. Selbst wenn er sie mochte, würde er sie von sich fern halten, nur aus Angst sie irgendwann zu verletzen. Matt war in dieser Sache schon immer komisch gewesen. Die Tatsache mit seinen Eltern und Takeru kam noch erschwerend hinzu. Tai war sich nicht sicher, ob er wissen wollte, was ihn da zu Hause erwartete. Aber im Moment dachte er noch gar nicht daran nach Hause zu gehen. Erstmal musste er Sora wieder etwas beruhigen. Das war er ihr schuldig. Sie hatte bereits ihren Pyjama an und setzte sich auf ihr Bett, als Mimi mit ihrer Haarbürste bewaffnet im Raum herum lief. „Das war heute ja `ne krasse Aktion“, meinte sie und fuhr sich mit der Bürste durch die langen braunen Haare. „Ich frage mich wirklich, was mit Matt und TK los ist. Irgendwie habe ich mich nicht mehr getraut zu fragen“. „Ging mir genauso“, antwortete Kari und starrte auf den Boden. Irgendwie fühlte sie sich seltsam, so als wäre sie nicht ganz bei Sinnen. „Naja wir werden sicher rausbekommen, was da los ist“, erklärte Mimi optimistisch und verschwand kurze darauf ins Badezimmer. Kari blickte immer noch zu Boden und ein Gefühl der Leere machte sich mal wieder in ihr breit. Sie stand auf und kramte kurz in ihrer Tasche, bis sie das geknickte Bild wieder in ihren Händen hatte. Sie legte es immer unter ihr Kopfkissen – so als wäre es eine Art Ritual, dass sie immer vor dem Schlafen gehen zelebrierte. Die Wahrheit war, dass sie sich ohne dieses Bild verletzlich und schwach fühlte. So als würde etwas fehlen. Etwas, das sie nicht so einfach wieder zurückbekommen würde. Sie schleppte sich wieder zum Bett und versteckte das gefaltete Stück Papier wie immer unter ihrem Kopfkissen. Danach kuschelte sie sich in ihre Decke und starrte an die Wand, an der ein Bild mit einem Sonnenuntergang hing. Sie wusste, dass sich viel geändert hatte. Dennoch hätte sie nicht damit gerechnet, dass sich in Japan während ihrer Abwesenheit, ebenfalls so viel verändert hatte. Doch es war wohl sehr naiv zu glauben, dass hier die Zeit still stehen würde. Natürlich drehte sie sich weiter und hielt einige Überraschungen parat mit denen die junge Yagami nicht gerechnet hatte. Aber anscheinend war nicht nur sie diejenige, die sich verändert hatte. Auch ihre Freunde wirken auf sie viel reifer. Besonders Takeru, der heute auf seinen Bruder losgegangen war. Den Takeru, den sie kannte, hätte sowas nie getan. Sie fragte sich, was alles dahinter steckte. Doch auch Veränderungen verbargen nicht nur Vorteile, sondern mit jeder Veränderung hatte Hikari das Gefühl ein Stückchen von sich selbst zu verlieren. Und sie musste machtlos mitansehen, wie alles in die Brüche ging. Wahrscheinlich würde sie nie wieder die „alte Kari“ werden. Fortsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)