Die Zeit deines Lebens von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 16: Liebschaften. ------------------------- I got a little piece of you Slut like you, The Truth About Love. Pink, 2012. 05. Juni 2010. Odaiba, Japan. Park. Kari war schon beunruhigt, dass er etwas merken würde. Doch nichts dergleichen geschah. Selbst Mimi hatte nichts bemerkt. Vielleicht wollte sie auch nichts bemerken. Kari war schon aufgefallen, das sie sehr geistesabwesend wirkte. Sie hatte sich jedoch nicht mehr getraut zu fragen, wie das Date gelaufen war. Und jetzt saß sie gemeinsam mit Takeru im Park und starrte in die weite Ferne. Ihr Schmerz, ihr Leiden, ihre Schuld. All das spukte ihr im Kopf herum. Sie wusste nicht, wie sie es noch schaffen sollte. Wie sollte sie damit leben? Sie merkte doch jetzt schon, dass ihr schlechtes Gewissen sie tagtäglich immer mehr auffraß. In den USA hatte sie immer noch die Möglichkeit gehabt, alles für einige Stunden zu vergessen. Nur deswegen war sie auf so vielen Partys gewesen. Nur deswegen hat sie so viel getrunken. Sie wollte vergessen. Am liebsten alles auslöschen, was sie an die letzten paar Wochen erinnerte. Doch hier in Japan konnte sie sich schlecht daneben benehmen ohne, dass es jemand bemerken würde. Hätte sie einmal so etwas hier abgezogen wie in den USA, wäre sie sicher innerhalb weniger Sekunden aufgeflogen. Die Menschen, die hier lebten, kannten sie einfach zu gut. Auch wenn sie in Amerika Freundschaften mit Mimi, Wallace und Peter geknüpft hatte, kannte keiner sie so gut, wie ihre Freunde in Japan. Erst jetzt bemerkte sie, dass Takeru sie sorgenvoll musterte. „Ist alles in Ordnung? Du wirkst so abwesend“. „Ehm“, stotterte sie. Was sollte sie nur sagen? Sie war am Donnerstag einfach abgehauen, nur weil er einen Satz zu ihr sagte, den sie nicht ertragen konnte. Das war bereits auffällig genug gewesen. Sie musste sich also dringend etwas einfallen lassen. „Ich bin nur müde“, meinte sie und schenkte ihm ein knappes Lächeln. „Mimi und ich quatschen einfach zu lange“. Eine Lüge. In den letzten paar Nächten hatten sie kaum miteinander gesprochen. Kari musste einfach zu viele Eindrücke verarbeiten. Da erzählte sie ihr, sie habe vor Jahren mit ihrem Bruder geschlafen, um ihr dann noch zu sagen, dass sie ein Date mit Matt hatte. Sie konnte einfach nicht mit Mimi mithalten. Sie war hübsch, talentiert und sexy. All das was Kari nie sein würde. Kein Wunder also, dass die Kerle nur auf sie flogen und Michael sie wieder zurückhaben wollte. Es war wohl auch nur eine Frage der Zeit, bis ihr bester Freund sich von ihr verabschiedete, weil er von ihrer Schönheit geblendet wurde. Kari wollte einfach nicht sehen, dass er nur Augen für sie hatte. Sie sah einfach nur das, was sie sehen wollte. Das Negative. Das Unschöne. Das Schlechte. Besonders seit sie mit Mimi befreundet war, stellte sie ihr eigenes Licht stets unter den Scheffel. Klar war Mimi eben Mimi, aber dennoch hatte auch sie mit Problemen zu kämpfen, die Kari gar nicht wahrnahm. Sie sah einfach nur das begehrenswerte Wesen, das sich an ihren Jugendschwarm heranmachte, indem sie einfach ein paarmal mit den Wimpern klimperte. Dabei war sie es schon lange leid geworden, immer nur in ihrem Schatten zu stehen. „Was wollen wir heute eigentlich unternehmen?“, riss Takeru sie plötzlich aus ihren Gedanken. Kari schreckte leicht zusammen und sah ihn unsicher an. „Wir können ja noch ein bisschen hier bleiben und später etwas essen gehen“, schlug sie vor und wartete auf seine Antwort. „Wenn ich dich einladen darf?“, antwortete er keck, doch Hikari senkte nur den Kopf. Er wollte sie einladen. Das liebte sie ja. Wohl eher nicht. „Ich bezahle lieber selbst“, meinte sie kleinlaut, ohne ihn nochmal anzuschauen. „Oh. Okay“, erwiderte und klang enttäuscht. „Ich will dich doch nicht arm machen“, witzelte sie, sah ihn an und hoffte damit die Situation zu retten. Sie wusste nicht, was sie dagegen hatte, wenn Takeru sie einlud. Schließlich war er ihr bester Freund. Aber dennoch wollte sie es nicht. Der Blonde lachte kurz und berührte ihre Schulter. „Also ich kann dir schon das Essen bezahlen, ohne gleich mittellos zu werden“. „Das brauchst du aber…“. „Keine Widerrede! Ich darf doch wohl meine beste Freundin zum Essen einladen, wenn sie hier zu Besuch ist. Ich…“, begann er, aber sagte darauf nichts. Er schaute sie an. Sein Blick wirkte traurig. „I-Ich weiß ja nicht, wann ich dich das nächste Mal wiedersehe“. Kari stockte der Atem. Er hatte Recht. Sie würde nach ihren Semesterferien wieder nach New York gehen, um ihr Studium weiter zu machen. Sie erinnerte sich dunkel an das Weihnachtsdrama und daran, dass sie wegen Geldmangel nicht nach Japan fliegen konnte. Wahrscheinlich würde sich das in Zukunft auch nicht ändern. Diesen Flug hätte sie sich ja schließlich auch nicht leisten können, wenn Mimi ihn nicht gebucht und bezahlt hätte. Okay, wenn ihre Eltern nicht bezahlt hätten. Sie wusste auch nicht, was sie an der Juilliard erwartete. Sie hatte keine Ahnung, wie viele bereits von ihrer ungewollten Schwangerschaft wussten. Vielleicht alle, vielleicht nur ein paar. Möglicherweise auch keiner. Dennoch machte ihr die Ungewissheit Angst. Auch wenn, das mit Michael rauskommen würde, wäre sie sicher für Mimi gestorben. Und Mimi war eine ihrer engsten Vertrauten. Kari wollte sie sicherlich nicht gegen sich haben. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie auf Takerus Aussage noch nichts geantwortet hatte. „Noch bin ich hier“, begann sie leise und schielte zu ihm. Er lächelte schwach und drückte sich gegen die Lehne der Parkbank, auf der sie saßen. „Ja. Noch“. Mimi lag auf ihrem Bett und bemerkte erst gar nicht, wie ihr Handy vibrierte. Erst als sie sich aufsetzte, erkannte sie, dass sie drei Anrufe und zwei Nachrichten hatte. Sie nahm das Handy vom Tisch und sah, dass die verpassten Anrufe von derselben Nummern waren. Es war Matt, der sie dreimal versucht hatte anzurufen. Sie atmete genervt aus und öffnete die erste Textnachricht, die ebenfalls von ihm war. „Tut mir leid, dass das Date so blöd gelaufen ist. Können wir vielleicht darüber reden? Bei einem Kaffee?“ Mimi schüttelte instinktiv den Kopf und ging weiter zur nächsten Nachricht. Sie war zu ihrer Überraschung von Taichi. „Ich hoffe du behältst unser Geheimnis für dich! P.S.: Matt wird schon irgendwann von selbst aufgeben, wenn du dich nicht bei ihm meldest ;)“. Sie grinste leicht und tippte eine Antwort an ihn zurück. Sie las nochmal drüber und drückte auf senden. „Sag mal, wie geht es dir eigentlich damit, dass DEINE Ex auf deinen besten Freund steht? Ist das nicht komisch für dich?“ Es brannte ihr schon lange unter den Nägeln. Genaugenommen 48 Stunden. Sie hoffte wirklich, dass es sich hier um kein Dreiecksdrama handelte. Sie hatte mit Kari schon genug Drama, mehr brauchte sie wirklich nicht. Wieder vibrierte ihr Handy. Wieder hatte sie eine neue Nachricht. „Komisch ist es schon, aber wir sind nicht mehr zusammen und ich empfinde sowieso nur noch Freundschaft für sie. Außerdem will ich wirklich, dass sie glücklich wird“. Mimi presste die Lippen aufeinander und überlegte kurz, was sie darauf antworten sollte. Natürlich wollte sie auch, dass Sora glücklich wird. Deswegen traf sie auch eine Entscheidung. „Ein süßes Paar wären sie schon. Ich werde mich auf jeden Fall von ihm fern halten. Vielleicht passiert ja noch etwas zwischen den beiden :P“. Vielleicht konnte sie ja beide irgendwie zusammen bringen. Tai schien ja bereits auf ihrer Seite zu stehen. Auch Kari würde sie irgendwie zum Mitmachen animieren können. Manchmal brauchte man in der Liebe einfach ein paar Verkuppler. Auch wenn es Sora sicherlich nicht in den Kram passte. Aber von selbst, schien sie ja nicht wirklich sonderlich aktiv zu werden. Erneut zeigte Mimis Handy an, dass sie eine neue Nachricht hatte. „Gutes Mädchen ;) Aber wahrscheinlich wird zwischen den beiden in hundert Jahren nichts passieren. Matt ist zu blind und Sora zu schüchtern“. Gutes Mädchen? War sie neuerdings sein Hund? Sie las die Nachricht mehrmals und schüttelte bei diesem Ausdruck immer unwillkürlich den Kopf. Dennoch breitete sich in ihrem Hinterkopf eine Idee aus, die nur danach schrie, endlich in die Tat umgesetzt zu werden. Manchmal musste eben andere die Zügel in die Hand nehmen. Sie saßen mittlerweile wieder auf der Parkbank und hatten sich beim Asiaten um die Ecke gebratenen Nudeln mit Gemüse und Hähnchenfleisch geholt. Zuvor hatten sie sich über die banalsten Dinge unterhalten. TK hatte ihr von seinem Studium erzählt. Das einzige was Hikari auffiel war, mit welcher Begeisterung er davon erzählte. Man merkte, dass es ihm Spaß machte. Erzählte sie auch so über ihren Studiengang? Voller Elan und Freude? Wohl eher nicht. So zufrieden war sie nicht. Das erste Semester war sehr hart. Der Konkurrenzkampf war allgegenwärtig. Jeder wollte der Beste sein und ging sozusagen über Leichen. Deswegen fiel es Kari auch so schwer neue Freundschaften zu knüpfen. Die meisten waren gar nicht hier, um Freunde zu finden. Sie wollten schnellstmöglich anerkannt und am liebsten gleich berühmt werden. Und das zweite Semester war auch nicht besser gewesen. Zuerst hatte Mimi übelsten Liebeskummer, der auf alle seine Auswirkungen hatte. Mehr oder weniger. Und dann passierte das mit Michael. Der Rest des Semesters war einfach nur die Hölle für sie. Takeru erzählte immer noch und Kari versuchte ihm auch weiterhin zuzuhören, auch wenn eine Welle der Traurigkeit sie mal wieder überkam. Schon wieder dachte sie daran. Vergessen war wohl ausgeschlossen. Außer Takeru hätte irgendwo eine Flasche Wodka versteckt, die sie noch nicht gefunden hatte. Wieso gab es in solchen Momenten keine Tablette gegen Schmerzen? Warum musste sie das alles getragen und genau wissen, dass es ihr danach nicht besser gehen würde? Ihr Blick wurde immer trauriger, was Takeru nicht entging. Ihre Gedanken hingen immer noch bei der Dunkelheit, die sich in ihrem Herzen angesammelt hatte. „Sag mal, gefällt dir dein Studium?“, fragte er auf einmal und sah sie mit großen Augen an. „Was? Ja natürlich“, antwortete sie schnell und wirkte alles andere als überzeugend. „Warum fragst du überhaupt?“ „Naja, du siehst so traurig aus!“, stellte er besorgt fest und ließ die Plastikstäbchen in die Pappbox seines Essens gleiten. „Ich hatte vielleicht des Öfteren Heimweh gehabt“, gab sie kleinlaut zu. „Außerdem ist es wirklich sehr schwer neue Freunde zu finden, da jeder irgendwie auf sich selbst fixiert ist“. Sie erschreckte sich ein bisschen über ihre eigene Ehrlichkeit. Das hatte sie noch niemandem erzählt. Kari fühlte sich plötzlich vollkommen nackt, so als hätte sie ihm ihre tiefsten Geheimnisse gebeichtet. Es war ebenso, dass sie sich in New York nie richtig heimisch gefühlt hatte. Der Besuch in Japan hatte es ihr das bewusst gemacht. „Wieso kommst du nicht einfach wieder hier her? Hier gibt es doch auch gute Schulen“. „Das ist alles nicht so einfach. Außerdem ist die Juilliard, die Schule für Künste. Wenn ich da meinen Abschluss mache, hätte ich wirklich gute Chancen in diesem Bereich auch Fuß zu fassen“, erwiderte sie nachdrücklich. Sie wollte Tänzerin werden und diesen Traum konnte sie sich nur in New York erfüllen. Dort hatte sie die Connections. Vielleicht würde sie ja irgendwann mal als Backgroundtänzerin von Beyoncé arbeiten – auch wenn sie wusste, dass das wohl ein unerfüllbarer Traum blieb. „Verstehe. Ich habe früher immer gedacht, du würdest mal was mit Kindern machen“. „Träume ändern sich“, sagte sie leise und aß weiter. Sie erinnerte sich noch an den Traum. Sie wollte Erzieherin werden oder am liebsten Sozialpädagogik studieren. Ihr Traum hatte sich erst geändert, als ihre jahrlange Tanzlehrerin meinte, sie hätte gute Chancen in diesem Bereich Fuß zu fassen. Tanzen war eigentlich immer nur ihr Hobby gewesen, das sie machte, um einen körperlichen Ausgleich zu finden. Früher hatte es ihr auch mal mehr Spaß gemacht, als jetzt. Immer wenn sie versagte, wusste sie, dass es Auswirkungen auf ihre Noten, sprich ihre Zukunft hatte. Es war nicht mehr ihr Hobby, sondern sollte einmal ihr Beruf werden. „Was willst du noch machen?“, versuchte er auf ein anderes Thema zu lenken. „Ein Eis essen vielleicht?“ „Klingt wirklich sehr verlockend“, meinte sie lächelnd und aß den letzten Bissen ihrer Nudeln. Auch Takeru war bereits fertig und brachte den Müll zu der nahegelegenen Tonne, als er auf einmal seinen Namen hörte. Auch Hikari drehte sich herum und entdeckte, wie ein Mädchen auf die beiden zukam. Takerus Blick veränderte sich plötzlich und langsam schritt er wieder zur Bank zurück. „M-Mariko? Was machst du denn hier?“ Mariko? War etwa das, dass Mädchen mit dem Takeru etwas am Laufen hatte? Kari wurde auf einmal ganz blass. Sie richtete den Blick auf sie und erkannte, dass sie immer näher kam. Mariko trug ein leichtes Sommerkleid mit kleinen roten Punkten. Ihre Haare waren braun und unfassbar lang, sodass sie sich unten zu locken begannen. Sie war leicht geschminkt und strahlte förmlich als sie Takeru sah. Hikari hingegen versuchte kein grimmiges Gesicht zu machen. Warum war sie nur so hübsch? „Du hast gar nicht mehr auf meine SMS geantwortet und dann habe ich bei euch angerufen. Davis meinte du wärst im Park“. Davis. Schon wieder mischte er sich ein. Takeru versuchte nicht gleich auszuflippen, auch wenn er am liebsten seinem Mitbewohner eine Reinhauen wollte. Konnte er sich denn kein einziges Mal um seinen eigenen Kram kümmern? „Tut mir leid“, murrte er und sah unsicher zu Kari, die immer noch auf der Bank saß und Mariko begutachtete. „Ehm das hier ist meine beste Freundin Kari! Sie studiert in Amerika und kam vor kurzem zu Besuch“, stellte er sie vor. Mariko reichte ihr selbstverständlich die Hand und begrüßte sie mit einem zuckersüßen Grinsen. Sie wusste genau, wer sie war. „Nett dich kennen zu lernen“, sagte sie und die beiden jungen Frauen schüttelten sich kurz die Hand. Eine seltsame Stimmung machte sich bei allen drei breit. TK wusste, dass Mariko, Kari gleich als das Mädchen, in das er jahrelang verknallt war identifiziert hatte. Karis Blick konnte er nicht wirklich deuten. Alles was er wusste, war das er Davis dafür büßen lassen würde. Wie konnte er das nur zulassen? War er auf Drogen? „Also wir wollten jetzt los“, begann Takeru unsicher. „Ach ihr hab doch sicher nichts dagegen, wenn ich mich euch anschließe oder? Deine beste Freundin wollte ich schon so lange mal kennen lernen“, flötete sie fröhlich und hakte sich bei Takeru unter. Kari biss sich auf die Unterlippe. Sie kannte Mariko keine fünf Minuten, doch aus irgendeinem Grund war sie ihr sofort unsympathisch. Sie konnte sich wirklich nicht vorstellen, dass Takeru etwas mit ihr hatte. Obwohl ihr Äußeres alles andere als abschreckend war. Doch für Kari hörte sich das nicht so an, als hätten sie nur eine rein körperliche Beziehung zueinander. Sie stand eng gepresst neben ihm und schmachtete ihn regelrecht an. Kari passte das ganz und gar nicht. Er war mit ihr verabredet gewesen! Doch jetzt hatte sie das Gefühl, sie sei das fünfte nervige Rad am Wagen. Mariko wollte sicherlich mit ihm alleine sein und weiß Gott was mit ihm treiben. Kari verzog das Gesicht. Sie hatte es sich bildlich vorgestellt. Auch wenn sie es sich genaugenommen nicht wirklich vorstellen konnte. Takeru war einfach zu brav, um etwas Versautes zu tun. Auch wenn er schon zugeben hatte, mit ihr geschlafen zu haben. Langsam bildete sich in ihrem Kopf wirklich ein Knäul, sodass sie gar nicht bemerkte, wie unangenehm die Situation für Takeru erst war. Mariko hatte sich an seinen Arm geklammert und wollte am liebsten gar nicht mehr loslassen, währen Kari immer noch teilnahmslos auf der Bank saß. Abrupt sprang sie auf und presste die Lippen aufeinander. „Vielleicht gehe ich jetzt besser. Ihr Turteltauben wollt sicher alleine sein“, sagte sie verbissen. Mariko nickte nur zustimmend, während Takeru ansetzte etwas zu sagen. Kari kam ihm jedoch zuvor. „Du kannst mir ja ne SMS schreiben. Wir sehen uns sicher nochmal“. Dann ging sie einfach, ohne sich richtig von ihm verabschiedet zu haben. Takeru warf einen bösen Blick zu Mariko und riss sich aus ihrem Klammergriff. „Man, was sollte das?“ „Du hast dich nicht gemeldet, da wollte…“. „Ach Bullshit! Falls ich dich daran erinnern muss, WIR haben KEINE Beziehung!“, warf er ihr an den Kopf. Mariko blieb jedoch unbeeindruckt. Sie wusste, dass er immer zur ihr zurückkam, wie ein räudiges kleines Hündchen. Takeru befand sich jedoch auf hundertachtzig. Es war nicht das erste Mal, dass sie ihm „dazwischenfunkte“. Seit sie diese spezielle Freundschaft führten, mischte sie sich zu sehr ein. Jedes Mädchen, das er nur ansatzweise interessant fand, vergraulte sie. Er bekam meistens noch nicht mal ein zweites Date. Erst vor kurzem hatte er herausgefunden, dass sie hinter dem Ganzen steckte. Das war auch der Grund warum er eigentlich auf Abstand ging. Nicht weil Kari wieder da war…nein. Er hatte die Befürchtung, dass sie sich in ihn verliebt haben könnte. Doch er empfand einfach nicht das gleiche für sie. Takeru mochte sie, aber das war´s eigentlich auch. Schon seit längerem wollte er die „spezielle“ Freundschaft zu ihr beendet, fand aber jedoch nicht die passenden Worte dazu. Jetzt würde er sie erst recht nicht finden. Dafür war er einfach zu sauer. „Ich gehe jetzt nach Hause…ALLEINE!“, meinte er streng und schob seine Hände tief in seine Hosentasche. Mariko sah ihn flehend an, doch er reagierte nicht mehr. Er drehte sich einfach herum und ließ sie stehen. Damit wollte er sich heute nicht mehr auseinandersetzen. 10. Juni 2010. Odaiba, Japan. Supermarkt. Gedankenverloren streifte sie durch den Supermarkt und blieb direkt vor dem Regal mit der Schokolade stehen. Sie brauchte einfach Nervennahrung. Mimi war vor gut einer Stunde zum Kino gegangen, da sie sich mit Sora verabredet hatte und später noch was gemeinsam mit ihr essen wollte. Sie war mal wieder allein. Takeru hatte sie seit Samstag nicht mehr gesprochen, da ihr die Situation mit Mariko mehr als nur unangenehm war. Sie wusste noch nicht mal wieso. Er war nur ihr bester Freund und natürlich durfte er eine Freundin haben, auch wenn es genaugenommen keine feste Beziehung war. Trotzdem störte sie etwas. Sie wollte ihn nicht mit einem anderen Mädchen teilen. Auch wenn es egoistisch klang, besonders weil sie knapp ein Jahr weg war. Takeru war immer der Einzige, der immer zu ihr gehalten hatte. Sie war immer seine Nummer eins. Und jetzt hatte er eine, mit der er Bettsport ausübte. Wieder unterdrückte sie die aufkommenden Bilder, doch sie hatte sich bereits vorgestellt, wie Mariko an seinem Hals klebte. Sie schüttelte sich leicht und griff nach einer Nuss-Nugat-Tafel und wollte gerade zur Kasse gehen, als sie ihren Namen hörte. Sie drehte sich herum und sah auf einmal Matt vor sich, der ebenfalls einkaufte. „Na was machst du denn hier?“ „Ich hatte Lust auf Schokolade“, sagte sie und hielt die Tafel hoch. „Und du? Willst du ne Party feiern?“ Sie deutet auf den Einkaufkorb und sah ziemlich viele Flaschen sämtlicher alkoholischer Getränke. Auch ein paar Würstchen und eine große Schale Eiersalat waren dabei. „Sozusagen“, meinte er und grinste. „Okay und was ist der Anlass?“, fragte sie verwundert und zählte unbewusst die Flaschen. „Naja unsere Band hat Grund zum Feiern“, eröffnete er und stellte den schweren Korb kurz ab. Die Flaschen klapperten leise. „Wir wurden gebucht“. „Gebucht?“, wiederholte sie stirnrunzelnd. „Ja. Wir werden auf verschiedenen Festen spielen. Sind hauptsächlich kleine Veranstaltungen. Und wir spielen am 7. Juli an Tanabata.“ „Wirklich? Ist ja klasse“, gratulierte sie ihm begeistert. „Da habt ihr wirklich einen guten Grund zum Feiern“. „Wenn wir uns gut schlagen, werden wir vielleicht noch mehr Auftritte bekommen“, erzählte er munter weiter. „Klingt wirklich toll“. „Möchtest du vielleicht mitfeiern? Wir treffen uns in ner halben Stunde im Probenraum“. Feiern? Ob das so eine gute Idee war? Aber vielleicht konnte sie ihre Probleme dadurch für einen kurzen Moment vergessen, besonders weil er auch alkoholische Unterstützung dabei hatte. Matt würde sicher nichts sagen. Immerhin hatte sie nur noch ein Jahr bis zur Volljährigkeit. Und an ihrer Willkommensfeier wurde ja schließlich auch etwas Alkohol getrunken. „Klar wieso auch nicht“, antwortete sie schließlich und wirkte belustigt. „Sehr schön. Kann ich dich dennoch etwas fragen?“, wollte er wissen und nahm den Einkaufskorb wieder hoch. „Ja, du kannst mich alles fragen“. Er konnte sie alles fragen? Wie bescheuert hörte sich das denn an? Sie sollte wohl eher Nachdenken, bevor sie überhaupt etwas sagte. „Weißt du warum Mimi meine Anrufe und SMS ignoriert?“ Kari biss sich auf die Zunge. Mimi. Nicht schon wieder. Warum konnte sich ein Gespräch mal nicht um sie drehen? Musste sie immer der Mittelpunkt der Welt darstellen? Sie hatte Kari sowieso nicht viel erzählt. Sie meinte nur, dass das Date schlecht gelaufen wäre. Mehr Details bekam sie nicht. So war Mimi eben. Sie prahlte nur, wenn es etwas zum Prahlen gab. „Ehm naja, vielleicht fand sie euer Date nicht so toll. Ist denn etwas vorgefallen?“, fragte sie neugierig. Matt wank jedoch schnell ab. „Nee nichts Außergewöhnliches. Wir wurden nur von ein paar Fans überrascht. Sie ist daraufhin raus gegangen und ich glaube, sie war sauer. Danach habe ich sie jedenfalls nicht mehr gefunden“, schlussfolgerte er und wirkte geknickt. „Mhm, das kann sein. Sie ist manchmal sehr…impulsiv“, gestand sich Hikari ein. „Aber vielleicht ist auch nichts. Sie ist im Moment etwas wählerisch“. „Naja ist auch nicht so wichtig“, meinte er und ging an Kari vorbei. „Die Schokolade geht auf mich. Willst du noch etwas haben? Chips oder so?“ Kari schüttelte rasch den Kopf und wurde leicht rot um die Nase. Heute würde sie wohl den Tag mit Matt verbringen. Und da sollte einer sagen, dass Träume nie in Erfüllung gehen würden. Sora und Mimi hatten sich gerade ins Restaurant gesetzt, dass am Kino angrenzte, als schon ein Kellner auf die beiden zukam und freundlich die Bestellung aufnahm. „Der Typ ist echt verdammt süß“, meinte Mimi und beugte sich etwas zu Sora vor. Sie wollte schnellst möglich das Thema auf Jungs, sprich Matt lenken. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt beide miteinander zu verkuppeln. Auch wenn Tai sehr wahrscheinlich von ihrem Plan weniger begeistert war. Aber was der nicht wusste… „Vielleicht solltest du dir seine Nummer besorgen“, meinte Sora sarkastisch nachdem sie bemerkt hatte, dass Mimi dem Kellner immer noch hinterherstarrte. „Nee der ist nicht so mein Typ“, wank Mimi sofort ab, „aber wie wär´s mit dir? Du bist schon so lange Single“. „Seit August. Das ist noch nicht mal ein Jahr“, murmelte sie trocken und durchstöberte die Karte nach etwas Essbarem. „Ach Sora, das ist schon eine halbe Ewigkeit, jetzt traut dich doch mal aus deinem Schneckenhaus“. „Mimi…es ist alles okay. Man kann auch als Single glücklich sein“, antwortete sie leicht genervt. Bevor Mimi etwas erwidern konnte, kam der Kellner mit ihren Getränken zurück. Sora hatte sich einen Eistee bestellt, während Mimi sich einen Orangensaft genehmigte. „Wissen die Damen schon, was sie essen wollen?“ Er lachte leicht und seine braunen strubbeligen Haare fielen ihm leicht ins Gesicht. Er war wirklich süß. Vielleicht besorgte sich Mimi doch nachher noch seine Nummer. „Also ich hätte gerne einen Salat mit Champions. Mit Kräuterdressing“, bestellte Sora für sich und sah zu Mimi, die noch nicht mal in die Karte geschaut hatte. „Ehm, ich nehme einfach das Gleiche“, sagte sie zügig. Der Kellner notierte sich die Bestellung und verschwand wieder. „Ich verstehe wirklich nicht, wieso du bei so jemandem nicht schwach wirst? Hast du ihn dir mal richtig angeguckt?“ Sora nickte nur und sah kurz zu dem Kellner. „Er sieht aus wie Tai“. „Na und? Tai ist dein Ex, müsstest du ihn dann nicht erst recht toll finden?“, fragte sie und redete sich allmählich in Rage. Sora war eine verdammt harte Nuss. „Vielleicht findest du ihn ja deswegen so heiß“, säuselte sie im Flüsterton und grinste wissend. Mimi wurde augenblicklich rot und nippte zur Erfrischung an ihrem Orangensaft. „Ich glaube du siehst Gespenster“. „Und ich glaube, eure Streitereien haben nichts mehr mit Freundschaft zu tun“. Mimi rollte auffällig mit den Augen. „Er bringt mich halt auf die Palme. Was kann ich denn dafür, dass du da mehr reininterpretierst“. „Reininterpretieren?“, wiederholte sie lässig. „Das ist offensichtlich. Oder muss ich dich an Silvester 2005 erinnern?“ „Da war doch gar nichts“, grummelte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. Sora zog die Augenbraue nach oben, doch sagte zuerst nichts, da gerade in diesem Moment ihr Essen kam. Erst als der Kellner wieder weg war, diskutierten die beiden weiter. „Also Tai hat mir etwas anderes erzählt“. „Was hat Tai dir erzählt?“, fragte sie verwundert und wurde gleichzeitig sehr wütend auf den Brünetten. Wie konnte er nur? Es war doch eine Sache zwischen ihm und ihr. Damals hatte sie wirklich fest daran geglaubt, dass Sora ihr glauben würde. Sie konnte es nicht fassen, dass Tai bei ihr gepetzt haben sollte. Warum machte er das nur? „Du hast es also gewusst?“ Die Rothaarige nickte nur knapp. „Wieso erzählt er dir das?“ „Wir hatten eine Beziehung?“, erinnerte sie die Brünette und runzelte fragwürdig die Stirn. „Du kannst dir sicher denken, dass wir beide uns irgendwann auch über Sex unterhalten haben“. Mimi schüttelte sich leicht. Tai. Sora. Sex. Nein, dieses Bild wollte sie sicherlich nicht im Kopf herumschwirren haben. „So ein Arsch“, kommentierte sie und kaute angesäuert auf einem Salatblatt herum. „Er hat es nicht böse gemeint. Er wollte einfach ehrlich zu mir sein“. „Und warum bist du nicht ehrlich zu mir? Ich habe voll das schlechte Gewissen gegenüber dir“, platzte auf einmal aus ihr heraus. „Was? Warum?“ „Na wegen Matt“, sagte sie und setzte einen mitleidigen Blick auf. „Matt? D-Du weißt es also?“, fragte sie und ließ das Besteck sinken. „Woher?“ Mimi stöhnte und fuhr sich durch die Haare. „Na dreimal darfst du raten“. „Krass wie viel sie trinken kann“. „Von einem Mädchen erwartet man das auch nicht unbedingt“. „Findest du nicht, dass es langsam genug ist?“ Die beiden jungen Männer schauten sich eindringlich an, zucken jedoch dann mit den Schultern. „Es kann uns doch eigentlich egal sein. Sie ist Matts Problem“, meinte Shinji schnaubend. „Du weißt schon, dass sie Tais Schwester ist. Von ihm will ich sicher keine auf die Fresse bekommen“, antwortete Yutaka und verzog die Augen zu Schlitzen. „Matt wird sie sicher nicht besoffen nach Hause bringen. Und was Tai nicht weiß, macht ihn nicht heiß“. „Na ich hoffe mal, dass du Recht behältst“, erwiderte Yutaka und nippte an seinem Bier. Matt saß bei Kari und Takashi und plauderte mit ihren gelassen. Jedoch bemerkte auch er, Hikaris deutlich angetrunken Zustand. „Hey willst du nicht lieber mal ein Wasser oder so trinken?“ Kari wollte sich gerade nachschenken, stoppte dann aber abrupt. „Du bist nicht mein Bruder, alles klar!“, stellte sie schnippisch fest und machte sich den Becher voll. „Ich meinte ja nur“, grummelte der Blonde und trank auch einen Schluck an seinem Wodka Lemon. Hätte er gewusst, dass sie sich so zulaufen lassen würde, hätte er sie sicher nicht mitgebracht. Das war gar nicht Karis Art. Sie war doch sonst immer so vernünftig. Doch sie wollte heute wohl Party machen. Takashi war sehr belustig und feuerte sie sogar an, mehr zu trinken. Natürlich kassierte er von Matt einen bösen Blick. Tai würde ihn sicher umbringen, wenn Kari vollkommen besoffen wäre. Eigentlich wollten sie doch nur etwas feiern. Mehr nicht. Keiner konnte wissen, dass es so ausarten würde. Kari legte es auch wirklich darauf an, betrunken zu werden. Matt hatte nicht mitgezählt, doch sie hatte sicher schon mehr Alkohol intus als er. Und selbst er merkte schon den angestiegenen Alkoholpegel in seinem Körper. So langsam fiel es ihm schwer dem Gespräch von Takashi zu folgen, der um einiges nüchterner war als er. Matt trank den Rest aus seinem Becher aus und entschloss sich auf Wasser umzusteigen. Kari hingegen belustigte sich selbst und lachte wegen alles und jedem. Matt beugte sich plötzlich zu ihr rüber. Ihre Wangen wurden ganz warm, als sie seine Stimme vor ihrem Ohr wahrnahm. „Es wäre wirklich besser, wenn du jetzt auf Wasser umsteigst. Ich will keinen Stress mit Tai, okay?“ Sie sah ihn entgeistert an und presste die Lippen aufeinander. Musste sie den jeder wie ein Kleinkind behandeln? „Man Matt ich bin kein kleines Mädchen mehr“, blaffte sie ihn an und sprang von der Couch auf. Sie wankte zur Toilette und warf mit einem lauten Knall die Tür hinter sich zu. Hoffentlich übergab sie sich jetzt nicht auch noch. Tai würde ihm den Kopf abreißen. „Ich glaube wir sollten jetzt Schluss machen. Ich warte noch auf Kari und werde sie dann nach Hause bringen“, erklärte Matt seinen Bandkollegen, die ihn teilweise böse anstarrten. „Tolle Feier“, zischte Shinji und verschränkte die Arme vor der Brust. „Deswegen bringt man keine Kinder zu Partys“, nörgelte Yutaka und schnappte sich seine Jacke. „Sie ist kein Kind mehr. Sie ist neunzehn“. „Das macht´s auch nicht besser“. Takashi grinste ein wenig und klopfte beim Gehen Matt kurz auf die Schulter. „Mach dir keine Gedanken, die beiden sind immer so, wenn sie angetrunken sind. Ich bringe sie nach Hause. Kümmere du dich um Kari“. „Danke Mann“, sagte er knapp und verabschiedete auch den Rest. Als die anderen verschwunden waren, klopfte er an die Toilettentür, die Kari hinter sich abgeschlossen hatte. „Mach bitte auf. Ich bringe dich jetzt nach Hause“. „Ich will aber noch nicht gehen“, hörte er sie durch die Tür rufen. „Kari! Jetzt mach auf!“ „Nö, vergiss es!“, antwortete sie trotzig. Matt stöhnte leise und hielt sich den Kopf. Er hatte eindeutig zu viel getrunken. Sein Kopf fühlte sich schwer an…am liebsten wollte er sich hinlegen. Doch das konnte er erst, wenn Hikari aus dem Bad herauskommen würde. „Ich kann auch den Zweischlüssel holen“, bluffte er. Es gab keinen Zweischlüssel. Doch sein Bluff schien geholfen zu haben. Wenige Sekunden später schloss sie auf und kam aus dem kleinen Bad heraus. Sie wirkte richtig unglücklich, so als würde sie kurz vorm Weinen stehen. Dabei hatte er gar nichts Schlimmes gesagt. Er wollte nur, dass sie sich nicht weiter betrank. „Geht´s dir gut?“, fragte er besorgt, doch sie ging wortlos an ihm vorbei und setzte sich auf die Couch, auf der sie schon zuvor gesessen hatten. Matt setzte sich zu ihr und beobachtete sie. So hatte er sie noch nie gesehen. Dieser Blick. Er wirkte so starr und verbittert, sodass er sich große Sorgen machte. Was war nur in so kurzer Zeit mit ihr passiert? „Und deine Mitbewohner sind wirklich nicht zuhause?“, fragte er zum gefühlten zehnten Mal. Seine Begleitung grinste nur und nickte. „Ken arbeitet bis fünf. Davis hat bis sechs Uni und TK hat noch bis Acht Basketballtraining“, zählte sie ihm auf und ließ ihn zur Tür hinein. „Dann haben wir ja eine knappe Stunde Zeit“, erkannte er und grinste. Sie lächelte zurück und attackierte gleich seinen Mund. Sie vergrub ihre Finger in seinen rötlichen Haaren und steuerte rückwärts auf die Couch zu. Sie ließen sich fallen und Yolei spürte sein zusätzliches Gewicht auf ihrem Körper, der stetig nach mehr lechzte. Sie wusste nicht, was es war, aber sie hatte das Gefühl immer mehr den Verstand zu verlieren. Sie haben nie benannt, was sie da genau am Laufen hatten. Sie fühlte sich insgeheim schon sehr schlecht, da sie Takerus Verhalten gegenüber Mariko anfangs verurteilt hatte. Und jetzt befand sie sich selbst in einer ähnlichen Situation. Nur das es ein Geheimnis zwischen ihnen beiden war. Nicht, das sie sich einander schämten, doch Izzy hatte Angst, dass wenn sie es benennen würden, diese Beziehung nicht mehr funktionieren könnte. Er hatte viel Stress und für eine richtige Beziehung mit allem Drum und Dran hatte er einfach keine Zeit. Er und Yolei trafen sich nur ab und zu. Es war eben alles sehr unverbindlich. Einfach. Ohne Verpflichtungen. Izzy konnte auch nicht behaupten richtig verliebt zu sein. Es war mehr ein körperliches Verlangen, dass nach Ausgleich schrie, da er sonst zu nichts kam. Stundenlang saß er in der Bibliothek und lernte. Nichts Zwischenmenschliches geschah. Er drohte schon zu vereinsamen. Dann kam Yolei. Sie brachte ihm den Spaß und die Freude am Leben wieder zurück. Kein Wunder bei ihrer quirligen Art. Dennoch wollte er sie nicht seine Freundin nennen. Bei dem Begriff „Freundin“ verspürte er einen Druck, dem er definitiv nicht gerecht werden konnte. Und Yolei verstand es. Auch sie wollte noch ein Stückchen Freiheit behalten, auch wenn sie es eher sagte, um ihm zu gefallen. Genaugenommen wäre sie schon gerne seine Freundin. Aber man konnte niemandem zu seinem Glück zwingen. Manchmal musste man sich mit denen Sachen zufrieden geben, die man hatte. Es dauerte vielleicht noch ein bisschen, aber sie hoffte, dass Izzy sie eines Tages, als seine Freundin vorstellen würde. Vorerst würden sie so weitermachen, wie zuvor. Keine Verpflichtungen. Unverbindlich. Einfach. Sie hatte sich noch keinen Meter bewegt, obwohl er sie schon ein paar Mal aufgefordert hatte aufzustehen. Sie blickte einfach traurig in die Ecke und sagte überhaupt nichts mehr. Matt machte sich wirklich langsam Sorgen. „Kari? Ist alles in Ordnung? Soll ich vielleicht Tai anrufen?“ Tai? Sie schien langsam aus ihrer Starre aufzuwachen. Was war nur los mit ihr? Für den Moment ging es ihr doch so gut. Sie hatte das Gefühl sie könnte Bäume ausreißen, aber jetzt wollte sie sich am liebsten verkriechen. Mit ihrem Bruder wollte sie sich sicher nicht auseinandersetzen. „Es ist alles gut. Ich bin nur etwas enttäuscht“, gestand sie sich ein, scheute es aber Matt anzuschauen. „Enttäuscht?“ Seine Stimme hallte in ihrem Kopf. Ja sie war enttäuscht. Sie hatte sich das Ganze anders vorgestellt. Matt behandelte sie immer noch wie ein Kind. Er war weit davon entfernt, in ihr eine Frau zu sehen, zu der sie mittlerweile herangewachsen war. Doch das konnte sie ihm nicht sagen. Sie drehte sich zu ihm und lächelte aufgesetzt. „Na du hast mit mir nicht einmal angestoßen“, sagte sie vorwurfsvoll, während er leicht grinste. „Tut mir leid. Aber wir können es gerne nachholen. Danach bringe ich dich aber nach Hause“. „Gut, dann gibt mir mal deinen Becher her“, forderte sie ihn auf und öffnete eine neue Wodkaflasche. Er wusste auch nicht so recht, was er von ihrem Verhalten halten sollte. Sie war so traurig, nur weil er nicht mit ihr angestoßen hatte? Das konnte sie jemand anderem erzählen. Aber vielleicht brachte er sie ja noch zum Reden. Er war sich sicher, dass sie sich danach besser fühlen würde. Schwerfällig bewegte er sich die Treppen nach oben. Manchmal bereute er es wirklich, dass sie keinen Lift hatten. Er war vollgepackt, da er noch extra für seine Mitbewohner einkaufen gegangen war. TK und Davis kamen heute sogar noch später nach Hause als er und Yolei…sie war einfach sehr vergesslich, was das Einkaufen anbetraft. Vielleicht lag es daran, dass sie es nicht gerne tat. Ken hingegen war die gute Seele der vier. Ihm machte es nichts aus, nach der Arbeit noch ein paar Lebensmittel zu besorgen. Heute durfte er sogar ein bisschen früher Feierabend machen. Es war halb fünf, als er die Wohnung erreichte. Er kramte seinen Schlüssel hervor und steckte diesen ins Schloss. Nebenher balancierte er mehrere Tüten in seiner Hand. Er hoffte, dass Yolei ihm wenigstens beim Wegräumen helfen würde. Er schloss auf und drückte mit seinem Rücken die Tür auf. „Ich bin wieder da“, rief er durch die Wohnung, doch er bekam keine Antwort. Ken pfriemelte seinen Schlüssel aus dem Schloss und legte ihn auf die Theke ihrer Küche. Die Tüten mit den Einkäufen stellte er direkt daneben. „Yolei? Bist du da?“ Wieder bekam er keine Antwort. Er kratzte sich leicht am Hinterkopf und runzelte die Stirn. War sie heute etwa noch verabredet gewesen? Hatte er vielleicht irgendwas vergessen? Plötzlich hörte er ein leises Stöhnen. Seine Augen weiteten sich und er erinnerte sich an die Situation nach dem Konzert. Ken presste die Lippen aufeinander und ging langsam zu ihrem Zimmer. Sein Herz pochte gegen seine Brust, als die Stöhnlaute immer lauter wurden. Er hatte sie zwar damals gesehen, aber er hoffte, nein er betete, dass es nur eine einmalige Sache war. Er hatte Yolei nicht darauf angesprochen und Izzy sah er zum Glück auch nicht häufiger, aber dennoch hatte er Angst sie endgültig verloren zu haben. Eine Resthoffnung blieb immer zurück. Doch so wie sich das Anhöre, würde sie augenblicklich zerschmettert werden. Sie hatte ihre Tür noch nicht mal geschlossen. Er schluckte und kam näher. „Yolei?“ „Scheiße“, hörte er sie plötzlich fluchen. „Du hast doch gesagt, dass sie anderen später kommen“, sagte eine sehr bekannte Stimme. Er hielt es nicht mehr aus und platzte einfach in den Raum. „KEN!“, quietschte sie und zog ihre Bettdecke über ihren halbnackten Körper. Neben ihr lag tatsächlich Izzy, der wohl genauso wenig anhatte wie sie. Ein Todesstoß für sein Herz. Er hielt die Luft an und dachte schon, dass er nie wieder atmen könnte. Ken starrte beide regelrecht nieder und reagierte gar nicht auf Yoleis Schreierei. „Geh aus meinem Zimmer“, zischte sie und wollte schon ein Kissen nach ihm werfen, als er wortlos den Raum verließ und die Tür hinter sich zu knallte. Er hatte noch die Türklinke in der Hand und starrte mit geweiteten Augen auf den Boden. Yolei. Izzy. Körperkontakt. Er konnte einpacken. Sie küssten sich wild und der Alkohol pulsierte durch ihre Adern. Sie vergrub ihre langen Finger in seinen langen blonden Haaren und stöhnte laut, als er ihren Hals liebkoste. Hikari wusste nicht mehr was sie eigentlich noch tat. Ihr Gehirn war wie vernebelt und ihre Beine begangen langsam an zu zittern, als er an ihrer Unterwäsche zupfte. Ihr war heiß. Ihre Atmung wurde immer flacher und die Lust nach ihm wurde immer größer. Er küsste sie auf den Mund und saugte leicht an ihrer Unterlippe, als er ihr gleichzeitig den BH öffnete. Sie zog ihm gierig sein T-Shirt über den Kopf und glitt mit ihren Fingern herab zu seiner Hose. Sie hatte leichtes Spiel und öffnete zuerst den Kopf und dann den Reißverschluss, während sie seine Brust entlang küsste. Der Blondschopf atmete scharf ein, als sie immer weiter hinab glitt und seine Hose hinunterzog. Er wusste selbst nicht, warum er das eigentlich tat. Es war einfach der Moment, der ihn in diese Situation getrieben hatte. Okay vielleicht auch das ein oder andere Glas Wodka, dass er gemeinsam mit ihr getrunken hatte. Doch sie wusste genau, was sie hier tat. Das alles wünschte sie sich schon eine Ewigkeit. Sie wollte ihm nah sein. Ihn fühlen, berühren, küssen und in ihren Armen halten. Er sollte ihr gehören. Yamato hingehen hatte ganz andere Gedanken, die er versuchte zu verdrängen. Immerhin war sie die kleine Schwester seines bestens Freundes und auch er wusste, dass sich TK und Kari ebenfalls wieder etwas näher gekommen waren, seit sie wieder in Japan war. Kaum zu übersehen, dass sein kleiner Bruder sie immer noch liebte. Und was tat er? Er war gerade im Begriff mit ihr zu schlafen. „Ich kann das nicht“, sagte er plötzlich und stieß sie sanft weg. Kari sah ihn erschrocken an und musterte ihn kurz. „Was? Warum?“ „Du weißt genau, das TK das hier sehr verletzen würde und außerdem ist Tai dein Bruder und mein bester Freund“, antwortete er geleitet von seinem schlechten Gewissen. Die junge Yagami verrollte die Augen und zog ihn wieder näher heran. „Vergiss sie. Dieser Moment gehört nur uns“, erwiderte sie und küsste ihn hungrig. Doch er entfernte sich von ihr und drückte sie sanft zur Seite. „Das ist ein Fehler. Wir sollten das nicht tun“, sagte er bestimmend und stand auf. Sie saß vor ihm, halbnackt. Noch nie hatte ein Mädchen so zerbrechlich gewirkt wie sie. „Du solltest besser gehen“. In ihren Augen bildeten sich Tränen und sie zog beschämt ihr danebenliegendes Shirt vor ihren nackten Oberkörper. Sie bückte sich und raffte ihre Wäsche auf, als sie danach schnurstracks an ihm vorbei lief. Er konnte ihr noch nicht mal in die Augen schauen. Sie schämte sich. Warum sollte auch gerade Matt auf sie stehen? In seinen Augen würde sie wohl immer, das kleine Mädchen bleiben. Davis war genervt. Von allem. Der Uni. Seiner Familie. Seinen Mitbewohnern. Der Familie seiner Mitbewohner. Nur weil Takeru immer noch auf Matt sauer war, musste er heute den Postboten mimen. Ein Kommilitone von Matt hatte TK einen Ordner gegeben, den er seinem Bruder wiedergeben sollte. Kurz bevor er ins Training musste, trafen sich Davis und er wie jeden Donnerstag für einen kleinen Kaffee zum Mitnehmen. Er hatte ihn regelrecht angebettelt, Matt den Ordner vorbeizubringen. Anfangs wollte er nicht, doch dann zog er „Du-hast-mir-die-Tour-bei-Kari-versaut-Karte“. Davis wusste selbst, dass es fies war Mariko einfach zu sagen, wo sie TK und Kari finden konnte, aber er durfte wirklich nicht zulassen, dass sie ihn noch mehr verletzte. Er meinte es doch nur gut. Und jetzt hatte er diesen elenden Kurierdienstjob an der Backe. Er hoffte wirklich, dass Matt ihn nicht wegen TK ausquetschte – so wie er es sonst immer tat. Darauf hatte er wirklich keine Lust. Er war nur noch wenige Meter vom Probenraum entfernt, da er wusste, dass Matt gewöhnlich immer um diese Uhrzeit probte. Kurz bevor er ankam, wurde plötzlich die Tür aufgerissen und eine vollkommen verzweifelte und leichtbekleidete Kari Yagami kam herausgestürmt. Davis erschreckte sich kurz, doch fing sich danach wieder und versteckte sich hinter einigen Müllcontainern, die vor dem Probenraum standen. Er lugte leicht hervor und sah auf einmal wie Matt Kari hinterhergestürmt kam. Er streifte sich sein T-Shirt über und brüllte ihr nach, zu warten. Doch sie weinte nur unaufhörlich und blieb erst stehen, als er sie am Arm gepackt hatte. „Jetzt warte doch!“ „Nein!“, kreischte sie, riss sich los und kam leicht ins straucheln. „Es tut mir leid, ich hätte sowas nicht machen dürfen“, entschuldigte er sich fast schon ein wenig mitleidig. Kari reagierte jedoch nicht und konzentrierte sich darauf, ihr Sommerkleid wieder richtig herum anzuziehen. Sie weinte noch immer und fuhr sich kurz mit dem Arm über ihr Gesicht. Davis‘ Kinn klappte nach unten. Passierte das gerade wirklich? Matt und Kari? In welchem Paralleluniversum war er nun schon wieder gelandet? Das durfte doch nicht wahr sein…doch er träumte tatsächlich nicht, was er nach mehrfachem Zwicken nüchtern feststellen musste. Es passierte wirklich. „Lass uns nochmal darüber reden“, versuchte er sie verzweifelt zu erreichen. Doch Kari schlüpfte nur in ihre Schuhe, die sie bis vor kurzem noch in ihrer Hand gehalten hatte. „Ich will nicht darüber reden! Das war demütigend“, schluchzte sie und begann leicht zu zittern. „Man, das tut mir wirklich so leid“, wiederholte er sich und ging ein Schritt auf sie zu, „wir hätten nicht so viel trinken dürfen“. „Gibst du dem Alkohol für alles die Schuld?“, fragte sie bissig und umklammerte ihren Oberkörper. „Nein, aber du sollst wissen, dass ich das unter normalen Umständen nie zugelassen hätte. Ich kenne dich schon so lange. Du bist fast wie meine eigene Schwester“. Davis schluckte hart, als er seine Worte hörte und Karis Gesicht sah. Das hatte definitiv gesessen. Auch wenn er Kari zurzeit nicht sonderlich mochte, sowas wünschte man noch nicht mal seinem schlimmsten Feind. „Du hast eine Schwester, die du vollkommen ignorierst“, warf sie ihm an den Kopf und schniefte laut. Ihre Augen waren leicht geschwollen und ihre Stimme klang sichtlich heiser. „Und i-ich, i-ich bin kein Kind mehr. Wann siehst du das endlich?“, wimmerte sie, während einige Tränen über ihre Wangen kullerten. „Kari, i-ich“, begann er und berührte sachte ihren Arm. „Fass mich nicht an“, blaffte sie und ging auf Abstand. Bevor er etwas sagen konnte, machte sie eine Kehrtwendung und lief los. Er dachte schon darüber nach ihr nachzulaufen, doch das brachte in dieser Situation wohl nichts mehr. Sie musste sich erstmal beruhigen, bevor er mit ihr reden konnte. Matt konnte ja nicht ahnen, dass Davis hinter den Müllcontainern jedes einzelne Wort mitangehört hatte... Fortsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)