Die Zeit deines Lebens von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 17: Wahrheitsgemäß. --------------------------- I'm a sweet disaster Fire Starter, Demi. Demi Lovato, 2013. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Wollte sie wirklich mit ihm in die Kiste springen, um dieses leidige Mädchenimage loszuwerden? Natürlich wollte sie, dass er sie als Frau wahrnahm, aber warum musste sie nur soweit gehen? Er hatte sie fast nackt gesehen. Und dann bekam er trotzdem kalte Füße. Sie schämte sich so. Wie konnte sie nur so blauäugig sein? Warum musste sie überhaupt wieder so viel trinken? Sie wusste doch, dass sie Alkohol nicht vertrug. Warum legte sie es immer wieder aufs Neue an? War sie etwa wahnsinnig geworden? Fast schon panisch öffnete sie die Tür zu ihrem Hotelzimmer und stellte erleichtert fest, dass Mimi noch nicht da war. Wahrscheinlich war sie immer noch mit Sora unterwegs. Sie schnappte nach Luft und sah kurz in den großen Wandspiegel, der ihr verheultes Selbst wiederspiegelte. Kari presste die Lippen aufeinander und schaute weg. Sie konnte es langsam nicht mehr ertragen, sich so fertig zu sehen. Schwerfällig bewegte sie sich zum Nachtisch und kramte das gefaltete Bild hervor, das sie sonst immer bei sich trug. In letzter Zeit hatte sie es lieber im Hotel gelassen, da die junge Yagami zu große Angst hatte, dass jemand ihrer Freunde es entdecken könnte. Es war eindeutig. Selbst ihr Bruder würde gleich verstehen, was diese Aufnahme zu bedeuten hatte. Wenn es jemand entdecken würde, müsste sie mit der Wahrheit herausrücken. Und jetzt hatte sie auch noch das Problem mit Matt, obwohl sie eher davon anging, dass er den Mund halten würde. Tai würde ihm sicher eine reinhauen, wenn er davon je erfahren würde. Selbst die Reaktion von TK konnte sie beim besten Willen nicht einschätzen. Kari wusste, dass er nie von der Vorstellung, dass sie mit Matt eine Beziehung haben wollte, begeistert war. Kein Wunder. Es wäre einfach eine seltsame Situation, die nach heute sicherlich niemals zu Stande kommen würde. Matt war angetrunken, aber trotzdem zog er eine ganz klare Grenze. Er hatte sie sogar als kleine Schwester bezeichnet, etwas das Hikari das Herz brach. Niemand wollte von seinem Schwarm hören, dass er sie wie eine Schwester liebte. Sie hatte schon einen Bruder und wollte nicht noch einen haben. Die Brünette raffte sich auf und taumelte leicht ins Badezimmer. Sie schloss die Tür hinter sich und rutschte am glatten Holz hinunter. Sie kauerte sich auf den Fliesenboden und starrte ins Leere. Eine Welle der Tränen überkam sie auf einmal und kontrollierte ihren ganzen Körper, der sich schmerzhaft zusammenzog. In ihrer rechten Hand hielt sie immer noch das Bild, das vom vielen Knicken sehr abgenutzt aussah. Sie hob ihren Arm an, der sich so anfühlte, als hätte sie einen Betonklotz in den Händen. Sie starrte tränenvernebelt auf das Bild. Ihre Lippen zitterten und sie brachte einen undefinierbaren Laut hervor. Wie konnte nur alles so aus dem Ruder laufen? Wieso musste sie das alles ertragen und durchmachen? Hatte sie nicht schon genug gelitten? „Wieso hat er dir das nur erzählt? Ich könnte ihn wirklich umbringen“, murrte die Rothaarige angesäuert und starrte auf ihren Tee, der vor sich hin dampfte. Schon während des Essens hatten sie sich über die Situation unterhalten. Sora war immer noch sauer. Wie konnte Taichi ihr nur so in den Rücken fallen und es Mimi erzählen? Normalerweise hielt er doch sonst immer dicht. Vielleicht hatte er ja doch Hintergedanken. Ihm schmeckte es sicher nicht, dass sein bester Freund mit dem Mädchen ausging, mit dem er sein erstes Mal hatte. „Bitte sag es ihm nicht“, murmelte sie und rieb mit dem Daumen den Henkel ihrer Tasse. Mimi hatte sich einen Cappuccino bestellt und nippte kurz daran. „Wieso sollte ich ihm was sagen? Das ist deine Aufgabe“, gab sie zurück und stellte die Tasse wieder auf den Tisch. „Ich weiß, aber er sieht mich nicht so“. „Wie meinst du das?“, fragte sie Brünette verblüfft, während Sora etwas rot anlief. „Naja“, stotterte sie unsicher, „i-ich denke, ich bin einfach nicht sein Typ und außerdem sind wir schon seit Jahren befreundet“. Mimi verrollte die Augen. Hatte Hikari nicht das gleiche über Takeru gesagt? Wussten sie etwa nicht, dass die besten Beziehungen auf Freundschaften aufbauten? Mimi verstand ihre Freundinnen wirklich nicht. Nicht jeder stand halt auf Typ Arschloch. Sie sollten sich doch freuen, dass sie sich in liebe, nette Männer verguckt hatten. Sie hatte mit Michael wirklich überhaupt kein Glück gehabt. Sora musste doch einfach nur aus ihrem Schneckenhaus kriechen. Matt würde ihr sicher verfallen. „Ach Sora natürlich bist du sein Typ! Du bist sportlich, witzig und unheimlich hübsch“. Die Rothaarige starrte sie ungläubig an. Meinte sie das wirklich ernst? Sie war doch im Vergleich zu Mimi einfach nur…gewöhnlich. Fast schon langweilig. „Ich weiß nicht so recht. Er hat mich nie um ein Date gebeten und außerdem ist er mit dir ausgegangen. Und du passt voll in seine Beuteschema“, erklärte sie hastig und huschte mit ihren Augen immer wieder an ihr vorbei. Es war ihr peinlich, es Mimi mitten ins Gesicht zu sagen. Sie konnte ja nichts dafür, dass Matt sie ihr vorzog. „Man Sora du musst auch mal in die Pushen kommen. Zieh dir ein kurzes Kleid an! Wackel´ ein bisschen mit deinem süßen Hintern und schon wird er dir hörig sein“, erwiderte sie lauter als gewollt. Die anderen Gäste sahen sie bereits an und Sora sank langsam den Stuhl hinab. Musste Mimi ausgerechnet in einem Restaurant über solche Themen reden? Manchmal war sie wirklich unmöglich. Besonders weil ihre Vorschläge viel mehr nach ihr klangen, als nach Sora. Sie hasste Kleider und für Matt verändert wollte sie sich ganz sicher nicht. „Mimi so bin ich einfach nicht. Außerdem will ich, dass er mich so mag, wie ich wirklich bin“. „Hallo ein Kleid oder ne enge Jeans umspielen nur deine weiblichen Reize. Und jeder hilft nach!“, antwortete sie und runzelte die Stirn. „Vielleicht besorgen wir dir einen Push-Up. Im Moment siehst du wirklich aus wie meine Mutter“. Sora sah missmutig an sich herunter und verkrampfte die Hände ineinander. Sie trug eine Jeans mit weiten Beinen und dazu weiße Turnschuhe. Obenrum hatte sie ein blaues, etwas weiteres Shirt an, das sie wirklich nicht besonders weiblich erschienen ließ. Mimi hingegen trug eine gelbe gerüschte Bluse mit leichtem Ausschnitt. Dazu trug sie einen bunt geblümten Rock und dazu schlichte schwarze Ballerinas. Sie stöhnte leise und sah leicht genervt zu Mimi, die sich wahrscheinlich schon neue Outfits für sie überlegte. Sora mochte es eigentlich ganz und gar nicht, ihre Reize in den Vordergrund zu heben. Wahrscheinlich weil sie dachte, dass sie sowieso nicht sonderlich reizvoll seien. Doch vielleicht musste sie Mimi einfach ein wenig Vertrauen schenken. Auch wenn Sora Modedesign studierte, hatte sie eigentlich keine Ahnung, wie sie sich selbst präsentieren sollte. Sie hatte immer das Gefühl, dass ihr viele Sachen, die sie selbst herausgearbeitet hatte, einfach nicht standen. Sie brauchte wohl jemanden, der ihr den nötigen Zuspruch gab. Und wer weiß, vielleicht traute sie sich danach mehr zu, als nur die Schlapperjeans zu tragen. Er war vollkommen verwirrt. War das gerade wirklich passiert? Er hatte immer noch das Gefühl, er wäre in seinem schlimmsten Alptraum gefangen. Nachdem sie ihn rausgejagt hatte, barrikadierte er sich in seinem eigenen Zimmer und starrte auf die Uhr. Ken hörte sie auf dem Flur leise reden, doch er verstand kein einziges Wort. Immer wieder hatte er das gleiche Bild in seinem Kopf. Hatte er wirklich gedacht, dass der Kuss beim Konzert nichts zu bedeuten hatte? In welcher Welt lebte er überhaupt? Natürlich hatte es etwas zu bedeuten. Er hatte verloren. Er hatte sie verloren. An Izzy. Ken könnte sich Ohrfeigen. Warum hatte er überhaupt auf Davis gehört? Sein Herz hat doch förmlich nach ihr geschrien. Doch jetzt war alles zu spät. Sie hatte sich für jemand anderen entschieden. Plötzlich vernahm er ein leises Klopfen an der Tür. Er sah hoch und erkannte Yolei, die zurückhalten den Kopf in sein Zimmer steckte. „Können wir vielleicht nochmal miteinander reden?“ War Izzy etwa gegangen? Er hatte gar nicht die Tür gehört. Aber was sollte er auch noch hier? Ken hatte beiden doch ganz schön die Tour vermasselt. Klar das da keine neue Stimmung mehr aufkam. Fast schon ein wenig schüchtern, trat sie in den Raum und schloss die Tür hinter sich. Sie blieb mitten im Raum stehen und sah verstohlen zur Seite. „Tut mir leid. Ich wollte dich nicht anschreien, aber ich hatte mit dir einfach noch nicht gerechnet gehabt“, gestand sie sich selbst ein. Ken saß immer noch regnungslos auf seinem Bett und verkrampfte seine Finger ineinander. Was sollte er nur sagen? ‚Sorry, dass ich reingeplatzt bin?‘ Klang doch bescheuert, deswegen entschied er sich dazu lieber nichts zu sagen. Doch die Stille wurde für beide immer unerträglicher. Yolei presste die Lippen aufeinander und setzte an, gerade etwas sagen zu wollen, als sie von Ken unterbrochen wurde. „Wie lange läuft das schon zwischen euch?“ „Ehm naja…also schon länger“, erklärte sie ihm und wurde leicht rot. „Wie lange?“, fragte er und hatte das Gefühl jeden Augenblick die Fassung zu verlieren. Er liebte sie, doch sie würde es sicherlich nie erfahren. Ken könnte sich in seinen eignen Hintern beißen. „Seit Mitte Dezember. Aber es war am Anfang wirklich nichts Ernstes. Wir haben uns eigentlich nur einmal geküsst. Er hat ja auch eigentlich gar keine Zeit für sowas, aber…“, sie stoppte abrupt und fuhr sich durch die langen Haare. Yolei rückte ihre Brille zurecht und schaute ihn zum ersten Mal wieder an. „Aber ich glaube, dass ich mich in ihn verliebt habe“. Ein stechender Schmerz durchfuhr seinen Körper. Hatte sie wirklich „verliebt“ gesagt? Nein, das durfte nicht wahr sein. Warum konnte er nicht einmal in seinem Leben etwas Glück haben? „Oh“, gab er leise von sich und setzte an etwas zu sagen, als beide plötzlich Davis Stimme vernahmen. Er war also auch schon zurück. „Bitte behalte es für dich“, bat sie ihn und er nickte leicht. Mit sowas würde er auch gerade hausieren gehen. „Man ich suche euch überall“, platzte er hinein und kratzte sich am Hinterkopf. „Haltet ihr hier wieder ein Kaffeekränzchen ab?“ „So in etwa“, meinte Yolei und wirkte geistesabwesend. Davis hingegen ließ sich nicht beirren und trat in das Zimmer. „Ich muss euch unbedingt etwas erzählen“, verkündete er ihnen geheimnisvoll. „Ihr werdet nicht glauben, wen ich gerade gesehen habe“. Müde und ausgelaugt stand er vor seiner Wohnungstür. Er pfriemelte seinen Schlüssel hervor und steckte diesen ins Schloss. Er drückte die Tür auf und ließ seine Sporttasche geräuschvoll auf den Boden fallen. Mit dem Fuß trat er sie leicht zur Seite und ließ sie dort liegen. Er wollte einfach nur noch bequeme Sachen anziehen und ein bisschen fernsehen. Der Tag war wirklich anstrengend genug gewesen. Besonders Mariko ging ihm auf die Nerven, die sich zisch Mal für ihr unmögliches Verhalten gegenüber Kari entschuldigt hatte. Doch Takeru wollte endgültig einen Schlussstrich ziehen. Er hatte gemerkt, dass sie beide keine lockere Beziehung mehr führten. Sie wollte mehr, doch er hatte sich nicht in sie verliebt. Nein – er war sogar noch immer in Kari verliebt, wahrscheinlich mehr als zuvor. Das hatte er am Samstag deutlich gespürt. Und auch sie schien ihn endlich in einem anderen Licht wahrzunehmen. Jedenfalls dachte er das. Er wollte es einfach riskieren und nicht an Morgen denken. Er quälte sich schon so lange damit. Das musste einfach ein Ende haben. Im Wohnzimmer sah der Blondschopf schon den Rest seiner Mitbewohner sitzen. Sie hatten noch nicht bemerkt, dass er wieder da war. Er schlenderte langsam zu ihnen hin und Ken war der Erste, der ihn bemerkte. „Hallo, du bist ja schon da“, stellte er fest und weckte auch Davis Aufmerksamkeit. Er sah, wie glücklich er war und er wusste auch, dass er dieses Glück innerhalb weniger Sekunden zu Nichte machen würde, wenn er ihm die Wahrheit sagte. Doch was sollte er machen? Ihn anlügen? Kari heilig sprechen? Matt kastrieren? „Stimmt was nicht, Davis?“, fragte er besorgt und ließ sich zu ihm auf die Couch fallen. „Hast du Matt seinen Ordner zurückgegeben?“ „Nein das habe ich nicht“, antwortete er und sah zu den anderen beiden, die ihn schulterzuckend ansahen. Keiner wollte diese Bombe platzen lassen. „Man, Davis kannst du nicht einmal, das machen, worum ich dich bete? Dank dir hatte ich am Samstag Mariko an der Backe“, nörgelte er und verdrehte die Augen. Er würde seinem Bruder sicherlich nicht das Ding zurückbringen. Er wollte ihn einfach nicht sehen, geschweigenden mit ihm reden. Takeru hatte wirklich die Hoffnung, dass Davis es verstanden hatte. Doch es war wohl doch nicht so. „Du weißt, dass es mir leid tut, aber Kari tut dir wirklich nicht gut“, erwiderte er angestrengt. „Geht das schon wieder los“, murrte der Blondschopf und sprang vom Sofa auf. „Du sollest ihr wirklich langsam mal verzeihen. Das ist schon Jahre her!“ Davis schüttelte den Kopf und gab einen undefinierbaren Laut von sich. „Das wird nicht passieren und wenn ich dir, dass erzähle was ich mitbekommen habe, willst du sicher auch nichts mehr mit ihr zu tun haben“. „Du sprichst wirklich in Rätseln“, knurrte er und sah zu Yolei und Ken, die wissend die Köpfe senkten. Was war nur los? Wussten etwa alle Bescheid, außer er? „Man jetzt rück‘ endlich mit der Sprache raus“, forderte er Davis auf, der für einen Moment verstummt war. Er hatte darüber nachgedacht, wie er es ihm schonend beibringen sollte, doch er stellte fest, dass das wohl nicht möglich war. Er sollte es einfach geraderaus sagen. Ohne Kompromisse. Das Leben war nun mal ein Arschloch. Und Takeru, wollte die Wahrheit einfach nicht sehen, obwohl er es ihm ständig gesagt hatte. „Kari und Matt hatten was miteinander“, eröffnete er ihm und Takeru starrte ihn ungläubig an. „Verarsch‘ mich nicht. Das ist nicht witzig“. „Ich verarsch‘ dich nicht. Ich wollte ihm den Ordner bringen und da ist Kari halb nackt aus seinem Probenraum gelaufen“, sagte er bitter. TK runzelte nur ungläubig die Stirn. „Matt hat von irgendeinem Fehler gesprochen und keine Ahnung. Ich hab noch gesehen, wie er sich sein Shirt angezogen hat“. „Du lügst doch“, blaffte er ihn an und ging auf Abstand. „Nein und wenn du mir nicht glaubst, dann frag ihn doch selbst. Oder frag‘ doch am besten deine heißgeliebte Kari, die dich NIE lieben wird“. „DAVIS“, zischte Yolei, während Ken praktisch die Luft anhielt. Takerus Miene war undefinierbar. Eine Mischung aus Wut und Schmerz. „Du bist wirklich das Letzte! Kari würde sowas nie machen“. „Dann geh‘ doch zu einem der beiden hin und konfrontier‘ sie damit, du Schlaumeier! Ich weiß genau, was ich gesehen habe“, plusterte sich Davis auf und schenkte ihm einen angesäuerten Blick. Wieso konnte er ihm nicht einfach glauben? Sie waren doch so enge Freunde. „Okay gut, dann gehe ich eben zu Matt. Ich muss ihm ja. dank dir immer noch den blöden Ordner bringen“, schrie er zurück, schnappte sich den Ordner und verschwand polternd aus der Wohngemeinschaft. „Toll gemacht Davis! Jetzt wird er sicher auf Matt losgehen“, protestierte Yolei und sah herausfordernd zu dem Igelkopf. Davis hingegen blieb unbeeindruckt. „Na und? Er hat es wirklich verdient“. „Super, dann wird die Beziehung der beiden wohl noch zerrütteter“, murmelte Yolei angesäuert und verschwand in ihr Zimmer. Davis und Ken blieben alleine zurück. „War das wirklich zu hart?“, fragte er nach einer Weile. Ken zuckte jedoch nur fragwürdig mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Aber wir werden es sicher bald erfahren“. „Wieso bist du so gereizt?“, fragte Taichi seinen Mitbewohner und beäugte ihn kritisch. Izzy wuselte durch die Küche und wirkte so, als wäre er mit seinen Gedanken ganz woanders. Tai konnte ja nicht ahnen, dass er sich Sorgen machte. Ken hatte Yolei und ihn fast in flagranti erwischt. Er war wirklich froh gewesen, dass er nicht fünf Minuten später ins Zimmer geplatzt war. Selbst Yoleis SMS beruhigte ihn kein bisschen. Klar, dass er sagte, er würde den Mund halten – bis es ihm doch irgendwann „ausversehen“ herausrutschte. Nicht das sich Izzy schämte, aber dennoch ließ die ganze Situation kein gutes Licht auf ihn fallen. Er wollte im Moment nichts Festes. Nicht weil er Yolei nicht mochte. Er hatte einfach Angst als Freund versagen zu können, da er einfach zu viel um die Ohren hatte. Er wollte keine Bezeichnung haben, sondern es einfach laufen lassen, auch wenn es egoistisch klang. Doch selbst Tai hatte bemerkt, dass mit ihm irgendetwas nicht stimmte. War es wirklich schon so auffällig? „Ich bin nicht gereizt“, knurrte er, „ich habe nur viel um die Ohren“. „Klar wie immer“, meinte Tai belustigt und merkte, dass sich die Tür gerade öffnete und Matt in die Wohnung trat. Er sah ziemlich verdattert aus und begrüßte keinen der beiden. Erst als Tai ihm ein knappes „Hi“ zurief, reagierte er. „Hallo“, antwortete er leise und presste seine Lippen aufeinander. Er traute sich noch nicht mal Tai ins Gesicht zu schauen, so sehr schämte er sich. Jedoch wusste er, dass er ihm die Wahrheit sagen musste. Wenn er es von Kari erfahren würde, riss er ihm sicherlich den Kopf ab und drapierte ihn auf dem Fenstersims. Matt wusste allerdings nicht, wie er das Gespräch anfangen sollte, besonders weil auch Izzy hier war. Einfach zu sagen „Hey ich habe beinahe mit deiner Schwester geschlafen“, kam doch recht plump rüber, auch wenn es die Wahrheit war. Er würde ihn verachten, schlagen, das Treppenhaus hinunterjagen und ihn wohl für immer von seiner Facebook-Freundschaftsliste streichen. Das war wohl das geringste Problem. Tai war seine kleine Schwester heilig. Wenn ihr irgendetwas passieren würde, könnte es Tai nicht verkraften. Obwohl Matt gemerkt hatte, dass etwas mit ihr nicht stimmen konnte. Klar, sie hatten beide viel getrunken, aber ihr Verhalten passte gar nicht zu der Kari, die er kannte. Sie wirkte verzweifelt. Ängstlich. Gebrochen. So hatte er sie noch nie erlebt. Auch wenn die Situation, in der sie sich befanden, alles andere als angenehm für sie war. Trotzdem störte Matt etwas, dass er nur schwer in Worte fassen konnte. Sie hatte sich verändert. „Tai?“ „Ja?“, fragte er und zog die Augenbraue nach oben. „Ich muss dir etwas sagen“, begann er leise, während Tai ihn misstrauisch begutachtete. „Du hast doch hoffentlich niemanden geschwängert? Patenonkel will ich noch nicht werden“. Izzy lachte leise. Matt schüttelte nur den Kopf. „Nein darum geht es nicht“. „Sag mir bitte nicht, dass du dich in Mimi verknallt hast!“ Tai sah ihn entrüstet an, doch wieder schüttelte er den Kopf. „Das ist es auch nicht. Vielleicht setzt du dich…“. Ein Klingeln. Alle drei horchten auf. „Ich geh schon“, meinte Matt missmutig und schritt langsam zur Tür. Warum wurde er ausgerechnet jetzt unterbrochen? Nachher hatte er sicher keinen Mut mehr, Tai die Wahrheit zu sagen. Zu seiner eignen Überraschung stand sein Bruder vor der Tür, der nicht sonderlich begeistert war ihn zu sehen. „TK? Was machst du denn hier?“ Der Blondschopf hielt einen blauen Ordner nach oben und Matt erinnerte sich dunkel daran, ihn Katsu geliehen zu haben. Matt nahm ihn entgegen und bedankte sich kaum hörbar. TKs Miene veränderte sich jedoch kaum. „Willst du rein kommen?“ „Eigentlich nicht“, antwortete er kühl. „Ich will nur wissen, ob es stimmt“. Matt sah den Jüngeren verwirrt an. „Ob was stimmt?“ „Na das mit Kari, du Idiot!“, blaffte er ihn an und die Zornesröte stieg ihm ins Gesicht. „Davis hat dich mit ihr gesehen“. Er schluckte hart. Davis hatte ihn gesehen? Wie konnte das nur sein? „Er war vorhin am Probenraum gewesen, um dir das Ding vorbei zu bringen“, erklärte er weiter und funkelte ihn weiterhin böse an. „Und da hat er euch gesehen“. „E-Ehm…“. „Stimmt es?“ Ja. „Weißt du, das ist alles nicht so wie es aussah“, versuchte er es zu erklären. „Ach und wie war es wirklich?“ „Naja…es ist kompliziert“. „Kompliziert?“, wiederholte er. „Was ist daran kompliziert? Hattest du was mit ihr? Ja oder Nein?“ Janein. „Lass uns bitte in Ruhe darüber sprechen“, erwiderte er in einem ruhigen Ton und wollte gerade die Tür hinter sich schließen, als Tai plötzlich auftauchte. „Man streitet ihr etwa schon wieder? Langsam ist es wirklich mal genug“, mischte sich der Brünette ein und entfachte die aufkommende Wut Takerus aufs Neue. „Mein Bruder ist halt ein riesen großes Arschloch“, brüllte er durch das Treppenhaus und hoffte, dass es ja alle Nachbarn hören würden. „Erst gibt er unsere Familie auf und dann fickt er alles was nicht bei drei auf dem Baum ist“. „So war das gar nicht“, zischte er und wurde immer hibbeliger. „Ach und wie war es dann? Hältst du mich für vollkommen blöd? Du wusstest genau, was ich für sie empfinde!“, schrie und bemerkte, dass Davis mit allem Recht hatte. Sein Bruder versuchte sich herauszureden, weil er zur Wahrheit nicht stehen konnte. Er hatte tatsächlich etwas mit Hikari, obwohl er über seine Gefühle Bescheid wusste. „Wovon redet er überhaupt?“, fragte Tai sichtlich verwirrt und erntete von TK einen verärgerten Blick. „Ach weiß er noch nicht Bescheid?“ „Takeru, bitte“. Er blieb unbeeindruckt. Als ob er sich auf eine Bitte von ihm einlassen würde. „Matt konnte noch nicht mal die Finger von deiner Schwester lassen!“, tönte er abfällig, während Matts Gesicht ganz weiß wurde. „Was? Labber‘ doch keinen Scheiß“, erwiderte Taichi und sah zu seinem besten Freund, der seinen Blicken ausweichte. „Alter…das ist doch nicht sein Ernst oder?“ „Es ist nicht so weit gekommen“, murmelte er im Flüsterton, sodass es nur Tai hören konnte. „Willst du mich verarschen? Mit meiner kleinen Schwester? Ist dir dein Hirn in die Hose gerutscht?“ Er war wütend und das vollkommen zurecht. Jetzt hatte er nicht nur seinen Bruder vergrault, sondern auch seinen besten Freund, der seine Fäuste geballt hatte. Auch Izzy stand in Tür Nähe, hatte jedoch nicht mitbekommen, um was es bei dem Streit überhaupt ging, bis Tai auf einmal auf Matt losging und Takeru teilnahmslos nebendran stand. „Du blödes Arschloch!“ „Was ist denn jetzt passiert?“, fragte der Rotschopf und sah hilfesuchend zu TK, der mit einem kalten Blick auf die beiden herabschaute. Tai hatte Matt zu Boden geworfen und schlug auf ihn ein, während Izzy versuchte beide voneinander zu trennen. „Kannst du mir vielleicht mal helfen?“ „Nein. Das geschieht ihm recht“, antwortete der Jüngere kühl und verschränkte die Arme vor der Brust. Izzy starrte ihn entgeistert an, schaffte es einen Moment die beiden zu trennen, als Tai sich erneut auf Matt stürzte und sich dieser noch nicht mal dagegen wehrte. Er war selbst daran schuld und hatte es verdient. Es war wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis auch TK auf ihn losging. Matt hatte aber auch ganz schön viel Mist gebaut. Seine Schwester hatte er nur von Fotos gesehen, die ihm Takeru aufgezwungen hatte. Seine Mutter und seinen Vater ignorierte er konstant. Und dann schlief er auch noch fast mit dem Mädchen, in das Takeru schon seit Jahren verliebt war. Hinzukam, das es auch gleichzeitig die Schwester seines besten Freundes war, der ihm gerade die Nase blutig geschlagen hatte. „Man es reicht jetzt!“ Alle sahen zu Izzy, der bereits einen hochroten Kopf hatte. „Seid ihr alle verrückt geworden?“ „Ganz sicher nicht! Das hat er wirklich verdient“, verteidigte sich Taichi und stand auf. Matts Nase blutete noch immer und er strich sich mit dem Arm kurz darüber. Takeru stand immer noch am gleichen Fleck und hatte eine ganze Weile nichts mehr gesagt. Sein Blick war vollkommen leer. „Es ist wirklich nichts passiert, dass musst du mir glauben“, versicherte er Taichi, doch er presste nur die Lippen erbost aufeinander. „Einen Scheiß werde ich tun“, blaffte er zurück und drückte sich an Takeru vorbei. Izzy ging ihm ein Stückchen nach und rief ihm hinterher: „Wo willst du hin?“ „Weg“, schrie er zurück und verschwand im Treppenhaus. Izzy drehte sich herum und sah das Matt immer noch am Boden lag und Takeru sich ebenfalls in Bewegung gesetzt hatte. Er packte den Blonden am Arm, als er an ihm vorbeigehen wollte. „Was ist passiert? Warum seid ihr so sauer?“ „Das kannst du ihn fragen“, meinte er abweisend und deutete mit dem Kopf in Matts Richtung. Der Rotschopf ließ ihn los und schaute kurz zu Matt. Als er seinen Blick wieder zu Takeru richtete, war dieser bereits verschwunden. Irritiert fuhr sich Izzy durch die Haare und raufte sie sich kurz. Was war hier nur passiert? Sie hatte den kompletten Tag mit Sora verbracht und war gerade auf dem Weg ins Hotel. Das Gute war, dass sie Sora tatsächlich dazu überreden konnte sich einem kleinen Make Over zu unterziehen. Allerdings hatte absolut kein Selbstbewusstsein und war immer noch nicht bereit, mit Matt über ihre Gefühle zu sprechen. Eine harte Nuss. Doch Mimi war bereit sie zu knacken. Fröhlich pfeifend schaute sie durch die Gegend und beobachtete die Schönheit der Natur, als sie plötzlich mit jemandem zusammenstieß. „Pass doch auf“, zischte die Person patzig, während Mimi auf ihrem Hintern landete. „Das kann ich an dich zurückgeben“, zickte sie und rieb schmerzvoll den Po. Erst danach sah sie nach oben und blickte in Tais missmutiges Gesicht. „Tai? Was willst du denn hier in der Gegend?“ „Ach, ich wollte einfach nur in dich reinrennen“, antwortete er sauer und zog die Augenbrauen zusammen. „Ich wollte zu Kari“. „Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“ Immer noch verärgert über Tais ruppige Art, stand sie langsam auf und strich sich ihren Rock wieder glatt. „Hast du schlechte Laune oder was?“ „Kann man so sagen. Sag‘ mal wo warst du eigentlich den lieben langen Tag?“ „Ich war mit Sora unterwegs“, erwiderte sie verwirrt. „Und warum nehmt ihr Kari nicht mit?“ „Sie wollte nicht?“ „Was? Du bist doch sonst immer so hartnäckig“, giftete er und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. Mimi schüttelte sich nur leicht. „Was ist überhaupt los mit dir?“ „Nichts“, knurrte er und ging weiter. Doch Mimi wäre nicht Mimi, wenn sie ihm nicht folgen würde. Von wegen nichts. Das konnte er seiner Mutter erzählen, aber nicht ihr. „Jetzt warte doch!“, rief sie ihm hinterher und klammerte sich an seinem Arm fest. „Bist du noch ganz dicht? Lass gefälligst wieder los“, murrte er und versuchte sie abzuschütteln. „Ich denk‘ ja gar nicht dran“. Sie verfestigte ihren Griff und Tai schnaubte abfällig. „Du gehst mir ganz schön auf die Eier!“ „Seit wann habe ich irgendwelche Auswirkungen auf deine Eier?“, fragt sie grinsend und Tai lief prompt rot an. So etwas Ähnliches hatte sie doch schon mal gesagt. Damals in der Vorlesung hatte sie sich zu ihm rüber gebeugt und ihm ins Ohr geflüstert, dass sie genau den Grund wusste, warum er sich gegenüber ihr so verhielt. Natürlich war es nach wie vor komisch für ihn. Sie hatten nie wirklich über den Vorfall gesprochen und Tai war mehr als nur sauer darüber gewesen. Er war enttäuscht, dass sie am nächsten Morgen gleich abgehauen war – so als hätte es ihr nichts bedeutet. Es war ja auch sein erstes Mal gewesen. Aber das war ihr anscheinend egal gewesen. „D-Du weißt wie ich das gemeint habe“, stotterte er und schüttelte nur unwirsch den Kopf. „Schon klar“, sagte sie grinsend und ließ ihn los. „Aber jetzt sag‘ mir was passiert ist!“ Und er begann zu erzählen. Er berichtete von Kari und Matt. Erzählte wie Takeru bei ihnen aufgetaucht war und die Bombe im großen Stil platzen ließ. Und natürlich auch von der Prügelei, obwohl eigentlich nur er derjenige war, der die Fäuste sprechen ließ. Mimi hörte gespannt zu, doch als sie realisierte, was ihre Freundin Hikari getan hatte, klappte ihr die Kinnlade nach unten. Jetzt drehte sie wohl auch noch in Japan durch. Sie musste dringend mit ihr reden. „Das ist ja wirklich schrecklich. Oh nein“. Gerade fiel ihr Sora wieder ein, die sie regelrecht dazu angestachelt hatte, sich an Matt ranzuschmeißen. „Oh nein?“ „Sora! Ich habe heute mit ihr über Matt gesprochen“. „Was? Über Matt ge…ich hab doch gesagt, dass es unter uns bleiben soll!“, rief er ihr ins Gedächtnis, doch Mimi blieb unbeeindruckt. „Du hast ihr auch Sachen erzählt, die eigentlich unter uns bleiben sollten“, erwiderte sie gereizt und Tai verstummte. Über was quatschten die Frauen nur alles? Geheimnisträgerin konnte sich wohl keiner von ihnen nennen. Am besten sollte man als Mann wirklich die Klappe halten. „Ist doch jetzt egal. Lass uns zu Kari gehen“, forderte er sie auf. Mimi schüttelte jedoch den Kopf. „Ich glaube es wäre besser, wenn ich zuerst mit ihr spreche. Mit seinem großen Bruder spricht man sicherlich nicht gerne über solche Sachen“. „Aber…“. „Kein aber. Ich kümmere mich schon darum und dann schreib ich dir ne SMS okay?“ Tai nickte nur widerwillig, da er beim besten Willen heute keine Kraft mehr hatte, sich gegen Mimi zu wehren. Vielleicht war es wirklich besser, wenn diese Aufgabe eine Gleichgesinnte übernahm. Er würde sicherlich sowieso nur ausrasten. Tai hoffte nur, dass Mimi es nicht noch schlimmer machte. In solchen Fällen war sie wirklich ein kleiner Chaosmagnet, aber er musste ihr wohl oder übel Vertrauen schenken. Sie saß auf ihrem Bett und weinte noch immer. Fast zwei Stunden hatte sie unter der Dusche verbracht, um durch das wärmende Wasser einen Hauch Geborgenheit zu erhaschen, doch rein gar nichts geschah. Sie fühlte sich einfach nur allein. Am liebsten wollte sie für immer im Erdboden versinken. Tief in ihrem Selbstmitleid gefangen, bemerkte sie gar nicht, wie Mimi ins Zimmer trat und sie böse anfunkelte. Doch die Wut über ihre Taten verflog recht schnell wieder, nachdem sie bemerkte, dass Kari wie ein Häufchen Elend auf dem Bett hockte. Langsam trat Mimi an sie heran, doch sie bemerkte sie nicht. Erst als Mimi sanft ihren Arm berührte, wurde sie augenblicklich in die Realität zurückgeschleudert. „Ich habe eine Fehler gemacht“, schniefte sie und flüchtete sich in Mimis Arme. „Ich weiß“, murmelte sie und fuhr ihr über ihr nussbraunes Haar. „Warum hast du das nur gemacht? Und warum ausgerechnet mit Matt?“ „Es tut mir leid“, schluchzte sie gegen ihre Schulter. „Ich weiß ja, dass du ihn magst“. „Kari das hat doch damit gar nichts zu tun“, meinte sie ruhig und stieß sie sanft von sich weg, um ihr in die Augen schauen zu können. „Er ist der beste Freund von deinem Bruder und der Bruder von deinem besten Freund“. Es klang verwirrender als sie es eigentlich meinte, doch Kari verstand auf was sie hinaus wollte. Natürlich war es nie gut, solche Verwirrung zu stiften, besonders wenn alle in so einem engen Verhältnis zueinander standen. Aber Kari hoffte, dass der Rest es nie erfahren würde. Doch als Mimi ihr berichtete, das Taichi es bereits wusste und Takeru anscheinend auch, brach für die junge Japanerin eine Welt zusammen. „Wie kann das sein?“ „Vielleicht hatte Matt ein schlechtes Gewissen. Ach Kari wieso musstest es ausgerechnet Matt sein?“ Sie senkte ihren Blick und verkrampfte ihre Hände. Danach presste sie ihre Lippen fest aufeinander und unterdrückte ein Schluchzen. „Weil ich ihn liebe“. „Was?“, fragte die Brünette entgeistert. Kari sah sie an. Tränen liefen ihr über die Wangen und sie wiederholte nochmal ihre gesprochenen Worte, die Mimi wie Backsteine entgegenflogen. „Ich bin in ihn verliebt. Schon seit ich fünfzehn bin“. „Du verarschst mich doch!“ Sie schüttelte den Kopf und Mimi stöhnte laut auf. Kari war in Matt verliebt. Genauso wie Sora. In was für ein Drama war sie da nur hineingeraten? Fortsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)