Die Zeit deines Lebens von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 42: Chancenreichtum. ---------------------------- You were the only one, that even kinda came close. Hold me tight or don’t, Mania. Fall out Boy, 2018. Kaum hatten sie es über die Hecke geschafft, machte sich schirre Panik in ihm breit. Er betrat tatsächlich unbefugtes Gelände. Sie taten etwas Illegales, in der Hoffnung vor möglichen Konsequenzen verschont zu bleiben. Doch Takerus Anspannung wuchs je mehr sie das Schwimmbad erkundigten. Eine große Rasenfläche erstreckte sich vor ihnen. Es gab zwei Schwimmbecken, dass für Kinder und Erwachsene geeignet war. Hinter der Wiese befand sich ein kleiner Spielplatz, damit auch die Kleinsten den vollen Schwimmbadspaß mitnehmen konnten. Ein Kiosk und eine Imbissbude befanden sich am Eingang, sowie auch die Toiletten und Spintreihen, um seine Sachen darin einschließen zu können. Doch Takerus Blick richtete sich erneut zu dem Schwimmbecken, dass Hikari tatsächlich erkunden wollte. „Und du willst wirklich schwimmen gehen? Findest du es nicht etwas zu kalt dafür?“, hakte er nach und betrachtete die seichten Bewegungen des Wassers. Der Geruch von Chlor stieg unweigerlich in seine Nase, als Hikari tatsächlich ihre Tasche auf das Gras sinken ließ. Ihr Blick war unergründlich, dennoch wirkte er sehr fokussiert. Ein Strahlen war in ihren braunen Augen deutlich zu erkennen, sodass Takeru wusste, dass er sie von dieser Idee nicht abbringen konnte. „Also das deute ich jetzt einfach mal als ein ‚Nein‘. Temperatur hin oder her. Aber wenn du dich erkältest, dann…“ „Ich bin kein kleines Kind mehr“, unterbrach sie ihn scharf. „Du kannst mich nicht vor allem beschützen und das musst du auch nicht.“ Sie zog ihre Schuhe und Socken aus und rannte einfach los. Takeru hatte kaum einen Moment Zeit zu reagieren. „Hey warte!“, rief er ihr nach und versuchte ebenfalls seine Schuhe zu entfernen. „Na los komm! Wir haben nicht ewig Zeit“, quiekte sie und steuerte direkt auf den Beckenrand zu, bevor sie kurz stehen blieb. Aufgeregt blickte sie auf die Wasseroberfläche, in der sich der helle Mond spiegelte. „Und du willst das jetzt wirklich machen?“, fragte er erneut, doch Hikari zog bereits ihr Shirt über ihren Kopf und entblößte sich vor ihm im BH. Auch wenn Takeru nicht gucken wollte, konnte er sich einfach nicht nehmen lassen einen Blick zu wagen. Sie trug einen rosanen Spitzenbh und den dazugehörigen Slip, den sie ihm als Nächstes präsentierte, nachdem sie aus ihrer Jeans geschlüpft war. Seine Wangen wurden auf einmal ganz warm, als er sie so leicht bekleidet vor sich sah. „Na los, oder kommst du nicht mit rein?“, fragte sie lächelnd. Ihr schien es überhaupt nichts auszumachen, dass er sie so sehen konnte. Bestimmt, weil sie immer noch in ihm nur einen Freund oder wohl eher einen Bruder sah, vor dem man sich nicht schämen brauchte. Frustriert stöhnte er auf und entledigte sich eher widerwillig seinen Kleidungsstücken, die neben Hikaris Klamotten landeten. Unbehaglich näherte er sich ihr und verschränkte die Arme vor seiner Brust, um sich etwas zu wärmen. „Das ist eine Schnapsidee“, fluchte er und blickte nach unten. „Aber trotzdem hast du sofort deine Sachen ausgezogen“, trällerte Hikari fröhlich und musterte ihn auffällig. Ihr Blick schweifte über seinen Körper, sodass Takeru sich komplett nackt fühlte, obwohl er noch eine Unterhose trug. „Starr dich so“, grummelte er. „Das ist schon unangenehm genug.“ „Tut mir leid“, entschuldigte sie sich leise und wandte das Gesicht von ihm. Ob sie ihn mit seinem Bruder verglich? Er schluckte. Ja, sie sahen sich sehr ähnlich. Ähnlicher als Takeru überhaupt wollte. Und er konnte nicht behaupten, dass ihn diese Tatsache sonderlich glücklich machte. Plötzlich spürte er ihre zarten Finger auf seinem Oberarm, die eine deutliche Gänsehaut bei ihm hinterließen. Überrascht schaute er sie mit weitaufgerissenen Augen an und sah einen Gesichtsausdruck, den er noch nie zuvor bei seiner besten Freundin gesehen hatte. Ihre Wangen waren leicht gerötet und ihre Augen wirkten so, als wollten sie viel mehr sagen, als sie eigentlich über ihre Lippen brachte. „Gibst du mir deine Hand?“, fragte sie fast schon ein wenig eingeschüchtert. Er löste seine angespannte Haltung und verschränkte seine Finger mit ihren. „Okay, dann gibt es wohl kein Zurück mehr, oder?“ „Das gibt es doch nie“, antwortete sie zurückhaltend. „Wir schreiten immer voran!“ Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, da er ihre optimistischen Worte nur allzu gerne hörte. Sie war auf dem Weg der Besserung und er würde an ihrer Seite stehen. Egal, was auch passierte. „Gut, dann auf drei?“ „Ja“, hauchte sie ihm entgegen, während er zu zählen begann. „Eins…“ Beide verstärkten ihren Griff und richteten den Blick auf das windstille Wasser. „Zwei…“ Sie machten sich bereit, sprangen aber noch nicht ab. „Drei!“ Takeru nahm leicht Anlauf und sprang ab, während er immer noch Hikaris Hand hielt. Er tauchte in das kalte Wasser ein, dass ihn prompt nach unten drückte. Schnell schwamm er zurück an die Oberfläche und suchte auch schon nach Hikari, die er unter Wasser verloren hatte. Schnaufend tauchte er auf und blickte auf den Haarvorhang seiner besten Freundin, die hustend versuchte ihre freie Sicht wiederzuerlangen. Ihre Haarspange hatte sich gelöst und Hikari fuhr sich hektisch durch das Gesicht, was Takeru deutlich amüsierte. „Dafür, dass du nicht reinspringen wolltest, hast du aber eine Menge Spaß“, stellte Hikari bissig fest. „Naja, wenn du dein haariges Gesicht sehen würdest, wärst du sicher genauso amüsiert wie ich“, tönte er überheblich und näherte sich ihr langsam, um ihr zu helfen. „Haha, ich lache mich gleich tot! Ich hätte einen Pferdeschwanz machen sollen“, murrte Hikari wehleidig. „Warte ich helfe dir“, versprach Takeru und führte sie zum Rand, damit sie wieder stehen konnten. „Also du machst der bärtigen Dame wirklich Konkurrenz“, erwiderte er belustig, nachdem Hikaris Haare immer noch ihr Gesicht versteckten. „TK, das ist so gemein von dir“, antwortete sie beleidigt, fuhr mit der Hand unter ihren Haarvorhang und strich ihn komplett nach hinten, sodass eine Tolle entstand, die Takeru jedoch noch mehr zum Lachen brachte. „Jetzt siehst du echt aus wie Elvis“, sagte er sofort, während Kari erbost zu ihm schaute. „Na warte! Dir wird das Lachen noch vergehen“, drohte seine beste Freundin spielerisch. „Ach komm schon, das ist wirklich witzig“, rechtfertigte er sich, bevor seine Freundin sich jedoch auf ihn stützte und unter Wasser drückte. _ „Und wie hat dir der Film gefallen?“, fragte Yolei freudig und hakte sich bei ihm unter. „Naja, er war ganz gut“, antwortete er unsicher und starrte zu Boden. Wenn er ehrlich war, hatte er nicht sonderlich aufgepasst, sondern hing seinen eigenen Gedanken während der gesamten Vorstellung nach. „Nur ganz gut? Ich fand ihn fantastisch!“, erwiderte Yolei verständnislos. Doch Izzy war nicht danach mit ihr zu diskutieren, weshalb er sich bedeckt hielt. Er war froh endlich in sein Bett zu fallen und sich von diesem anstrengenden Tag zu erholen. Auch wenn er Yolei den Abend nicht verderben wollte, musste er zugeben, dass er sich heute ziemlich übernommen hatte. Nach der Uni war er direkt zum Café geeilt, um Yolei fürs Kino abzuholen. Er war bereits hundemüde gewesen, aber er wollte sie auch nicht enttäuschen, weshalb er sich vor ihr versuchte zusammen zu reißen. Er wollte ihr doch ein guter Freund sein, der sie auf Händen trug und ihr jeden Wunsch von den Lippen ablas. Er wollte seinen eigenen hohen Erwartungen gerecht werden, die er sich selbst auferlegt hatte, wohlwissend, dass er sie wohl niemals erfüllen konnte. Das Leben war einfach ein Chaos, dass jeden Tag eine neue Überraschung für ihn bereithielt. Überraschungen, mit denen er nicht zwangsläufig gerechnet hatte. Er beobachtete Yolei aus dem Augenwinkel heraus und presste wehmütig die Lippen aufeinander, während sie sich liebevoll an ihn kuschelte. Sie waren endlich offiziell ein Paar, was ihn äußerst glücklich stimmte, wenn da nur nicht diese eine Sache wäre… „Kommst du noch mit zu mir?“, fragte er mit brüchiger Stimme und kämpfte gegen sein schlechtes Gewissen an, das ihn bereits seit letzter Woche verfolgte. „Lenke ich dich auch nicht zu sehr ab?“, hakte sie kess nach und zwinkerte ihm zu. „Du hast doch morgen schon zeitig Uni.“ „Ach, das klappt schon“, antwortete er gespielt locker und hauchte ihr einen kurzen bitter schmeckenden Kuss auf die Lippen. Heute Abend würde er mit ihr reden – das hatte er sich fest vorgenommen! In einer ganz entspannten Atmosphäre, ohne irgendwelche Hintergedanken. Bestimmt würde sie seine Sachlage verstehen. So eine Chance bot sich ihm ja nicht alle Tage! Dennoch grummelte sein Magen vor Nervosität. Was, wenn sie die Neuigkeiten nicht gut aufnahm? Er war überhaupt nicht gut darin, solche großen Entscheidungen schonend zu verpacken. Izzy war mehr wie eine Elefant im Porzellanladen, der alles zu Bruch brachte, was ihm in den Weg kam. Doch diese Beziehung wollte er nicht gefährden. Sie war das Kostbarste, das er in seinem Leben zurzeit besaß, aber dennoch konnte er nicht leugnen, dass seine Zukunft förmlich nach ihm schrie. Er hatte vor kurzem das Angebot für ein Auslandssemester in den USA erhalten. Von der Caltech, um genau zu sein – eine der Eliteuniversitäten rund um Technik. Ein geheimer Traum, der sein Herz deutlich zum Höherschlagen brachte. Nie im Leben hatte er erwartet gehabt, dass sich ihm eine solche Chance je bieten würde. Nicht mal in seinen kühnsten Träumen. Allerdings fand er sich jetzt in einem Zwiespalt wieder, der ihn nachts nicht schlafen ließ. Was sollte er tun? Auf seinen scharfen Verstand hören, der ihm sagte, dass er diese Chance nur einmal im Leben haben würde? Oder auf sein flehendes Herz, dass ihm vor Augen führte, dass er jemanden an seiner Seite hatte, den er auf gar keinen Fall verlieren wollte? Er hatte die Qual der Wahl und wusste nicht, wie er sich entscheiden sollte. Musste er überhaupt eine Entscheidung treffen? Konnte er nicht beides haben? Erfolg und Liebe? Wieso musste man immer davon ausgehen, dass eine Entscheidung von Nöten war? Vielleicht war er diesbezüglich einfach nur ein Pessimist. Nichts desto trotz war ihm klar, dass er mit Yolei reden musste. Er konnte dieses Geheimnis nicht ewig vor ihr verbergen. _ „Okay ich kann nicht mehr! Meine Augen brennen schon“, meldete sich Hikari schnaufend und hielt sich am Beckenrand fest, während Takeru immer noch durchs Wasser pirschte. „Du hast doch damit angefangen“, erwiderte er provokant und ließ sich auf dem Rücken treiben. „Und wegen dir ist es eskaliert“, konterte sie sofort. „Ey, das stimmt doch gar nicht“, entgegnete er und kam ihr unweigerlich näher. Kraftlos klammerte sich Hikari am Beckenrand fest, als ein diabolisches Grinsen seine Lippen zierte. „Takeru, ich kann wirklich nicht mehr“, hauchte sie atemlos, nachdem sie feststellte, dass er versuchte nach ihr zu greifen. Sie blockierte daraufhin immer wieder seine Hände, doch er wollte einfach nicht lockerlassen, was sie wahnsinnig werden ließ. „Nein“, quietschte sie als er sie an den Armen gepackt hatte und zu sich zog. Krampfhaft klammerte sie sich an ihm fest, in der Hoffnung, dass er sie so nicht unter Wasser tunken konnte. „Bist du jetzt ein kleines Klammeräffchen?“, fragte er belustigt, während er sich leicht im Wasser mit ihr hin und her bewegte. Ihre Beine hatte sie um seine Hüften geschlungen und nachdem sie sich von seinem hartnäckigen Griff befreien konnte, umklammerte sie mit ihren Armen seinen Nacken. Ihr war nicht bewusst, wie nah sie sich in diesem Moment waren, sie realisierte es erst als sie seine Hände hinter ihrem Rücken spürte. Wortlos blickte sie ihn an, während ihr Herz plötzlich lautstark gegen ihre Brust pochte. Er bewegte sich mit ihr zum Rand und schien genauso hypnotisiert zu sein wie sie, da er ebenfalls den Blick nicht von ihr wenden konnte. Sie schielte zu seinen Lippen, die zum Küssen einluden. Eine süße Versuchung, die ihr den Kopf vernebelte und jeden klaren Gedanken verjagte. Auf einmal spürte Hikari einen Widerstand, der ihr signalisierte, dass sie am Beckenrand angekommen waren. Doch keiner der beiden regte sich auch nur. Starr blickte sie ihm in seine hellblauen Augen, die sie immer an das weite Meer erinnerten. Die kalte Luft erfasste sie und ein leichtes Zittern überkam Hikari sofort. Sie waren schon zwanzig Minuten in dem kalten Wasser, jedoch konnte sie sich einfach nicht von ihm lösen. Beziehungsweise wollte sie es nicht. Sie schluckte, als sie feststellte, wie sich ihr Arm bewegte und zärtlich über Takerus markantes Gesicht streichelte. Er erschrak zuerst, doch Hikari ließ sich nicht beirren. Sie wollte ihm zeigen, dass er für sie weit mehr als ein Freund war. Dass er ihr in der schlimmsten Stunde ihres Lebens immer beigestanden hatte und ihr ein Licht wies, dass allmählich die Dunkelheit ihres Herzens vertrieb und es mit Hoffnung füllte. Mit der Hoffnung, ihr Leben endlich wieder auf die Reihe zu bekommen und einen Neustart zu wagen. Mit ihm. Es war ein einzigartiger Augenblick. Eine Chance, die sie so nie wiedererhalten würde. Sie musste es riskieren. Zaghaft lehnte sie sich ihm entgegen und befeuchtete nervös ihre Lippen, indem sie kurz mit der Zunge darüberfuhr. Takeru hingegen betrachtete ihre Bewegungen mit Argwohn. „Hikari, was hast du…“ Doch weiter kam er nicht, da sie seine Lippen sehnsuchtsvoll mit Ihren verschloss und voller Hingabe ihre Gefühle in diesen einzigen Kuss steckte. Es war jener Moment, der ihr Leben für immer verändern würde… 14. Oktober 2010. Odaiba, Japan. Bibliothek. Es war bereits Abend geworden, doch das hielt ihn nicht vom Lernen ab. Er hatte bald eine wichtige Prüfung, die er unbedingt gut bestehen musste. Auch die Abschlussklausuren standen in den nächsten Monaten an, weshalb er sich mehr als nur überfordert fühlte. Er hatte deutliche Probleme in Japanisch und Englisch, weshalb er sich schon gar nicht mehr richtig konzentrieren konnte. Je länger er sich die Schritt für Schritt Anleitung zur Gedichtsanalyse anguckte, desto mehr Fragen kamen auf. Fragen, die ihm heute sicher keiner mehr beantworten konnte. Er war einer der letzten Bibliotheksbesucher und wollte sich auch zeitnah auf den Heimweg machen, um seiner Mutter keine Sorgen zu bereiten. Frustriert schlug er sein Lehrbuch zu und lehnte sich seufzend nach hinten. Seine warmen Finger wanderten müde durch sein Gesicht. Er vergrub seine Fingerspitzen in seinen kurzen Haaren und blickte sich um. Einige saßen immer noch hochkonzentriert an ihren Aufgaben, während ihm der Allerwerteste langsam wehtat. Auch er saß schon mehrere Stunden auf seinem Platz, hatte jedoch nicht das Gefühl mehr zu wissen als vorher. „Am besten lasse ich es für heute sein“, grummelte Cody niedergeschlagen und widmete sich wieder seinen Büchern, die er zusammensuchte, um sie in seiner Tasche verschwinden zu lassen. Danach streckte er sich herzlich, bevor er lethargisch aufstand und seine Tasche schulterte. Langsam schritt er zum Ausgang und nahm seine Umgebung nur noch bedingt wahr. Seine Gedanken kreisten um seine schulische Laufbahn, die sein ganzes Leben entscheiden könnte. Was wenn er in den Prüfungen nicht gut abschnitt? Was wenn er sich von seinem Traum, Anwalt zu werden, verabschieden musste? Plötzlich stieß er mit jemandem zusammen und strauchelte leicht. Er konnte sich gerade noch halten, ehe er nach oben sah und einen entschuldigenden Blick aufsetzte. „Tut mir sehr leid, ich war wohl…Ken?“, fragt er überrascht und blickte in das verwunderte Gesicht seines Freundes. „Cody? Was machst du denn hier? Alles in Ordnung?“ „Ja“, lachte er unsicher. „Ich habe wohl zu lange gelernt und bin nicht mehr ganz so aufnahmefähig, was meine Umgebung anbetrifft.“ „Stimmt, du müsstet doch bald Abschlussprüfungen haben“, fasste Ken zusammen und Cody kam das Gespräch auf einmal sehr steif vor. Es war lange her seit er mit Ken unter vier Augen gesprochen hatte. Früher konnte er ihn gar nicht leiden, weil ihm alles so leichtfiel und er oftmals überheblicher rüberkam als er eigentlich war. Genau genommen war auch er jemand, der sich schnell verunsichern ließ und an sich zweifelte. „Kommst du denn wenigstens gut voran?“, hakte er nach und hielt ein Buch in seinen Händen, das Cody zuerst gar nicht bemerkt hatte. Einführung in die Kriminologie. Eine Aufsatzsammlung. „Es geht. Ich glaube ich bin einfach kein Sprachgenie“, antwortete er niedergeschlagen und wollte das Thema direkt umlenken. „Und du? Leihst du dir für die Uni ein Buch aus?“ „Ach das? Nein, ich bringe es schon zurück! Ich bin gestern fertig geworden und wollte es zuhause nicht länger rumliegen lassen. Bei meinem Glück landet es zwischen Davis‘ Kochbüchern.“ Er grinste, doch seine Augen wirkten betrübt. Cody konnte sich nicht erklären warum, aber irgendwie machte Ken auf ihn keinen guten Eindruck. Er erinnerte ihn ein bisschen an Joe, der erst nach und nach zu sich selbst gefunden hatte. Während der Ferienbetreuung hatte Cody den Älteren besser kennen lernen können und festgestellt, dass sein Leben alles andere als einfach war. Dass er sehr zu kämpfen hatte, vor allem mit sich selbst. In Kens Augen erkannte er genau diesen Zwiespalt, den er zuvor auch schon bei Joe entdeckt hatte. Doch was sollte er nur sagen? Er konnte sich doch nicht immer in das Leben seiner Freunde einmischen, zumal er oftmals außen vor war und viele Momente nicht mitbekommen hatte. Daher fühlte er sich wie gefangen, indem er nicht wusste, ob er immer noch richtig dazugehörte oder nicht? Ob er noch ein genauso guter Freund sein konnte, auch wenn er die anderen nicht mehr regelmäßig sah? Er schluckte und kalte Verbitterung legte sich um sein schweres Herz. „Ich bringe dann mal mein Buch zurück! War schön dich getroffen zu haben“, brachte Ken hervor, nachdem ihr Gespräch ins Stocken geraten war. Cody hingegen presste nur die Lippen aufeinander. Sollte er ihn wirklich so gehen lassen? Er merkte doch, dass ihn etwas bedrückte! Vielleicht sollte er seine Chance nutzen, um ihm näher auf den Zahn fühlen! Er wollte nicht länger der Außenseiter sein! Er war genauso ein Teil der Gruppe wie die anderen auch! Daher drehte er sich abrupt herum und kaute nervös auf seiner Unterlippe. „Du sag mal…“, brachte er hervor und musste einen Moment überlegen, was er ihn überhaupt fragen wollte. Ken drehte sich interessiert herum, doch Cody wollte einfach nichts Passendes einfallen! Er druckste herum und schielte in seine Tasche, aus der sein Englischbuch hervorlugte. Genau! Das war die perfekte Idee, dachte er, als es ihn wie ein Geistesblitz durchzog. „Würdest du mir vielleicht Nachhilfe in Englisch geben? Du warst doch immer ziemlich gut gewesen und ich könnte wirklich Hilfe gebrauchen“, eröffnete er ihm beschämt. „In Englisch?“, hakte Ken irritiert nach. „Ja, ich bin wirklich nicht sonderlich gut und b-bald ist meine erste wichtige Prüfung“, gestand er ihm errötend. Seine Wangen schienen Feuer gefangen zu haben – jedenfalls fühlte es sich danach an. Sein Herz schlug schnell aber gleichmäßig, obwohl er sich fragte, warum er sich zu diesem Schwachsinn verleiten ließ. „Ähm, also…wir können es gerne versuchen! Wann hast du denn Zeit?“, stammelte er überrascht. Ein Nachhilfelehrer? Diese Blamage wollte er sich eigentlich nicht geben, aber es war wohl die einzige Möglichkeit einen Fuß in die Tür zu bekommen. Er konnte sich nämlich nicht vorstellen, dass sich Ken ihm einfach so öffnen würde. Er brauchte viel Fingerspitzengefühl dafür! Aber er wollte es riskieren. Für die Freundschaft, die ihm nach wie vor immer noch viel bedeutet, selbst wenn sich alle nach und nach aus den Augen verloren hatten. Und diesmal war er sich sicher, dass das der richtige Weg war, um sein Ziel zu erreichen! Fortsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)