Mesh Of Lies von kleines-sama (DoflamingoxCrocodile (AU)) ================================================================================ Kapitel 6: Kapitel 3 (zensiert) ------------------------------- Das nächste, woran Crocodile sich erinnerte, war die Toilettenkabine, in der er sich befand. Jemand hielt ihn von hinten fest und strich ihm die Haare aus dem Gesicht, während er sich über die Toilettenschüssel beugte und erbrach. Er übergab sich nicht bloß ein- oder zweimal: Es kamen unzählige Schübe hintereinander, die so schnell und heftig waren, dass Crocodile nicht einmal daran dachte, sie aufzuhalten. Er fühlte sich schrecklich elend und war nicht ansprechbar, ehe die Toilettenschüssel fast bis zum Rand mit seinem Erbrochenem gefüllt war. Erst dann war er dazu in der Lage, sich (mit Unterstützung seines Helfers) gegen die Wand der Kabine zu lehnen und langsam durchzuatmen. Er fühlte sich noch immer benommen und erschöpft. Die Sicht verschwamm jedes Mal vor seinen Augen, wenn er irgendeinen Punkt in seiner Umgebung fixierte. Außerdem war er so schwach, dass er sich kaum bewegen konnte; geschweige denn aufstehen oder gehen. Als er versuchte zu sprechen, kamen bloßen unartikulierte Krächzlaute aus seinem Mund, der ganz furchtbar nach Erbrochenem und Magensäure schmeckte. Vage konnte er die Person, die sich neben ihm in der Toilettenkabine befand, als Daz identifizieren. Sein alter Studienfreund strich ihm beruhigend über den Rücken und über das Haar. Crocodile versuchte ihn zu begrüßen, doch er brachte kein einziges Wort über die Lippen. Stattdessen rief der gescheiterte Versuch nur Kopfschmerzen bei ihm hervor. Er wollte mit seiner rechten Hand seine Schläfe massieren, doch seine Bewegung war so unkoordiniert, dass seine Hand stattdessen in seinem Haar landete. Es fühlte sich ungekämmt an und das konnte er überhaupt nicht ausstehen. Irgendwann öffnete sich die Türe der Toilettenkabine. Ein Mann mit blondem Haar, schriller Kleidung und einer Sonnenbrille auf der Nase stand im Türrahmen. Crocodile benötigte einen Augenblick, um zu erkennen, dass es sich bei dieser Person um seinen Partner handelte. Er konnte sich nur noch sehr entfernt daran erinnern, dass sie in einem Streit auseinandergegangen waren. „O-oh mein Gott! Crocodile! Was zur Hölle ist passiert?!“ Obwohl sein Partner diese Frage in einer sehr lauten und hysterischen Stimmlage stellte, kam es Crocodile so vor, als wäre dessen Stimme in Watte gepackt worden. Oder würde durch Wasser schwimmen, ehe sie bis zu seinen Ohren gelangte. Es war sehr schwierig zu beschreiben. „Ich habe beobachtet, wie ihm jemand etwas in sein Getränk gemischt hat“, antwortete Daz. Seine Stimme klang ebenfalls alarmiert, doch lange nicht so hektisch wie die seines Partners. Er war generell die ruhigere und rationalere Person von beiden. „Also habe ich mich eingemischt und ihn hierher gebracht. Ich weiß nicht genau, um was für Zeug es sich handelt; vermutlich K.O.-Tropfen oder sogar etwas noch Gefährliches. Ich habe dafür gesorgt, dass er sich erbricht, damit so wenig wie möglich von dem Gift in seinen Blutkreislauf gelangt.“ „Hast du gesehen, wer es gewesen ist?“, fragte Doflamingo, während er sich vor seinem Partner hinkniete. Er klang noch immer nervös, doch der erste Schock schien verflogen zu sein. Nun kam die jahrelangen Erfahrungen als einflussreicher Geschäftsmann zum Vorschein und er verhielt sich professioneller. „Wer ihm das Gift ins Getränk gemischt hat?“ Vorsichtig streichelte er mit einer Hand über Crocodiles Wange. Daz zögerte für einen Moment. Dann sagte er mit fester Stimme: „Ja. Es ist Enel gewesen.“ Doflamingo stockte verwundert in seiner Bewegung. „Enel?“, wiederholte er. „Der Besitzer vom Skypia?“ Daz nickte. „Er ist der Exfreund von Crocodile. Hat er dir das nie erzählt? Sie waren fünf Jahre lang ein Paar. Aber er ist Crocodile gegenüber ausfallend und sogar handgreiflich geworden. Als Enel ihm den Arm gebrochen hat, hat er sich schließlich von ihm getrennt.“ „Er hat ihm den Arm gebrochen?!“ Doflamingos Stimme klang entsetzt, empört, wütend und hasserfüllt. „Warum hast du ihn davonkommen lassen, du Bastard, als du gemerkt hast, dass er Crocodile etwas ins Getränk mischt?! Umbringen sollte man diesen Typen!“ „Du kannst mir gerne glauben, dass ich nichts lieber als das getan hätte!“, erwiderte Daz scharf. „Aber ich konnte doch Crocodile nicht alleine lassen. Nicht in diesem Zustand, in dem er sich gerade befindet. Schau ihn dir nur an! Er kann sich kaum bewegen. Und eben war es noch schlimmer; da war er nämlich überhaupt nicht ansprechbar." „Verdammt!“, sagte Doflamingo und biss sich auf die Unterlippe. Plötzlich schien er untypisch wortkarg geworden zu sein. „Wir haben genug geredet!“, meinte Daz. „Eigentlich schon viel zu viel. Um Enel können wir uns später noch kümmern. Jetzt sollte Crocodile unsere oberste Priorität sein. Wir müssen ihn sofort in ein Krankenhaus bringen!“ „Natürlich“, sagte Doflamingo und richtete sich wieder auf. Er holte sein Handy hervor und rief jemanden über eine Kurzwahltaste an. „Meinen Fahrer“, sagte er an Daz gewandt, „er ist in einer halben Minute hier.“ Daz nickte. Während Doflamingo rasch mit seinem Fahrer telefonierte, beugte Daz sich zu Crocodile hinunter. Dieser spürte, wie sein ehemaliger Nachbar mit einem kräftigen Arm hinter seinen Rücken und mit dem anderen unter seine Knie griff, und ihn dann hochhob. Obwohl Daz sehr bedächtig vorging, verlief die Bewegung aus Crocodiles Sicht heraus so schnell, dass ihm sofort wieder übel wurde. Er übergab sich in einem kurzen Schub über die Schulter und Brust von Daz, dem dies allerdings entweder nicht aufzufallen oder nicht zu stören schien. „Wenn wir hier drüben links gehen, kommen wir zu einem Notausgang“, meinte Doflamingo, während sie die Toilettenräume des Clubs verließen. „Dort steht auch mein Fahrer bereit.“ Daz nickte und folgte Doflamingo, der voranging. Die laute Musik und die stickige Luft innerhalb des Clubs verstärkten Crocodiles Übelkeit und Benommenheit, doch glücklicherweise dauerte es nicht allzu lange, bis sie das Skypia endlich verlassen hatten. Die kalte Nachtluft fühlte sich in seiner Nase zwar schneidend an, doch belebte seine Geister wieder ein wenig. „Da vorne“, sagte Doflamingo und deutete mit dem Finger in die Richtung, die er meinte. „Da steht mein Wagen. Der schwarze Rolls-Royce.“ Doflamingo öffnete die Türe zum Rücksitz, ehe der Fahrer die Möglichkeit dazu bekam, und blaffte diesen an, er solle sich gefälligst hinter das Steuer setzen und losfahren. Schließlich handele es sich um einen Notfall. „Zur Miracle-Sakura-Klinik“, wies er den Fahrer an, als sie sich niedergelassen hatten. „Die ist am nächsten. Außerdem gehört mir die Klinik. Man wird sich dort sofort um ihn kümmern und ihn bestmöglich behandeln.“ Daz nickte und seufzte. Er hielt Crocodile noch immer im Arm. Doflamingo, der nicht angeschnallt war, beugte sich zu seinem Partner hinüber und strich sanft eine Haarsträhne zur Seite, die diesem in die Stirn gefallen war. Er wirkte sehr nervös und gereizt, was nur selten vorkam. Außerdem schien er schrecklich besorgt zu sein. Zumindest kam es Crocodile, der seine Umgebung noch immer nur sehr undeutlich wahrnahm, so vor. „Kannst du verstehen, was ich sage?“, fragte Doflamingo. Crocodile nickte matt. Er wusste nicht, ob er sich inzwischen wieder halbwegs vernünftig artikulieren konnte, doch im Augenblick war er auch nicht sonderlich erpicht darauf, dies herauszufinden. Der Rolls-Royce fuhr nämlich unglaublich schnell und er musste sich zusammenreißen, um sich nicht erneut auf den Körper von Daz oder auf die teure Innenausstattung des Wagens zu übergeben. „Ich verspreche dir, dass alles wieder gut wird“, sagte Doflamingo. Crocodile war sich nicht ganz sicher, ob sein Partner mit diesen Worten ihn oder sich selbst beruhigen wollte. „Die Miracle-Sakura-Klinik ist das beste Krankenhaus der Stadt. Ich bin der Besitzer. Das habe ich dir mal erzählt. Erinnerst du dich daran? Dort wird man sich gut um dich kümmern. Und ehe du dich versiehst, wirst du wieder gesund sein. Du musst dir keine Sorgen machen. Und auch keine Angst haben. Daz und ich haben die Situation völlig unter Kontrolle. Es ist alles in Ordnung, Wani.“ „In zwei Minuten erreichen wir die Notaufnahme des Krankenhauses“, warf der Fahrer ein. Doflamingo nickte. „Das ist gut. Zwei Minuten hältst du noch durch, Croco, oder? Das schaffst du doch, nicht wahr?“ Erneut nickte Crocodile und konnte nicht verhindern, dass er sich ein weiteres Mal erbrach, als der Rolls-Royce scharf in eine Kurve fuhr. Diesmal traf es nicht den Oberkörper von Daz, sondern den von Doflamingo. „Tut mir leid“, brachte er krächzend hervor und presste sich seine Hand auf den Mund, als er die übelriechende Flüssigkeit auf dem schrillen Hemd seines Partners sah. Tatsächlich war ihm dieser Vorfall furchtbar peinlich; Crocodile hasste nichts mehr, als anderen Menschen zur Last zu fallen oder Umstände zu bereiten. Er spürte sogar, wie er trotz seiner Benommenheit errötete. „Das macht doch nichts“, meinte Doflamingo und winkte ab. „Ist nur ein blödes Hemd. Ich besitze tausend Hemden, die genauso fürchterlich aussehen wie dieses hier.“ Diese Äußerung brachte Crocodile zum Lächeln. Sein Freund lächelte zurück. „Siehst du“, meinte er mit aufmunternder Stimme, „wenn du sogar lächeln kannst, dann kann die Situation so schlimm nicht sein. Oder?“ Kaum hatte sein Partner das letzte Wort ausgesprochen, kam der Rolls-Royce zum stehen. Doflamingo öffnete die Wagentüre und stieg als Erster aus; Daz, der mit beiden Armen Crocodile festhielt, folgte ihm. Die Nachtluft war noch immer eisig kalt und schneidend. Draußen warteten bereits in grüne Kittel gekleidete Pfleger mit einer Trage, auf die Daz ihn vorsichtig ablegte. Sobald er sich in einer liegenden Position befand und zugedeckt worden war, schloss Crocodile die Augen. Später konnte er sich nicht mehr daran erinnern, ob er ohnmächtig geworden oder einfach bloß eingeschlafen war. * Irgendwann wachte Crocodile wieder auf. Er fühlte sich schrecklich müde und erschöpft, ansonsten schien es ihm jedoch recht gut zu gehen. Zumindest war ihm nicht mehr schwindelig und übel; außerdem fühlte er sich nicht mehr benommen. Dafür war er nun sehr hungrig und durstig. Als er sich umsah, stellte er fest, dass er im Bett eines Zimmers lag, das vermutlich zu einem Krankenhaus gehörte. Er selbst trug entsprechende Kleidung. Rechts neben ihm stand ein Tropf, mit dem er jedoch nicht verbunden war. Und auf dem Stuhl links neben seinem Bett saß Doflamingo, der allerdings zu schlafen schien; sein Oberkörper lag auf der Matratze, seinen Kopf hatte er auf seine verschränkten Arme gebettet. Nach und nach kehrten die Erinnerungen zurück: Er hatte sich im Skypia mit Doflamingo gestritten, weil sich dieser wieder einmal unreif verhalten und sich geweigert hatte, sich bei ihm zu entschuldigen. Dann war er an der Bar auf Enel getroffen; sein Exfreund hatte sich mit ihm versöhnen wollen (oder dies zumindest vorgegeben) und sie hatten gemeinsam Alkohol getrunken, in den Enel anscheinend K.O.-Tropfen oder Ähnliches gemischt hatte. Allerdings hatte Daz ihn aufgegriffen und in eine Toilettenkabine verfrachtet, wo er sich erbrochen hatte. Irgendwann war Doflamingo dazugekommen. Und dann hatten sein ehemaliger Mitstudent und sein Partner ihn ins Krankenhaus gebracht. Wo er sich allem Anschein nach immer noch befand. Seufzend rieb Crocodile sich die Schläfe. Er konnte gar nicht so recht fassen, was ihm da gestern passiert war. Falls es gestern gewesen war. Unweigerlich fragte er sich, wie lange er nun schon im Krankenhaus lag. Da Doflamingo an seinem Bett eingeschlafen war, schien es naheliegend zu sein, dass es sich um einen längeren Zeitraum handelte. Vielleicht sogar um einen ganzen Tag. Crocodile bemerkte, dass sein Partner langsam erwachte; er richtete sich in seinem Stuhl auf und rückte verschlafen seine Sonnenbrille zurecht, die er die ganze Zeit über auf der Nase gehabt hatte. „Morgen, Doffy", begrüßte Crocodile seinen Freund, der angesichts seiner matten Stimme sofort hellwach zu werden schien. „Crocodile?", sagte er und sah ihm ins Gesicht. „Oh Mann, ich bin so froh, dass du endlich aufgewacht bist! Du ahnst gar nicht, was ich mir für Sorgen um dich gemacht habe! Wie geht es dir?" „Ganz gut, denke ich", antwortete Crocodile. „Ich bin nur schrecklich hungrig." „Ich kann etwas zu essen für dich holen lassen", bot Doflamingo hilfsbereit an. Crocodile zögerte und meinte dann recht verlegen: „Ich weiß nicht, ob ich die Mahlzeiten vertrage, die das Krankenhaus anbietet." Doflamingo winkte ab. „Das ist kein Problem", entgegnete er. „Mir gehört die Miracle-Sakura-Klinik, schon vergessen? Ich gebe einfach in der Küche Bescheid und dann wird man für dich eine Mahlzeit zubereiten, die dein Magen ganz sicher verträgt. Was möchtest du denn gerne essen?" Crocodile zuckte mit den Schultern. „Das ist mir egal. Irgendetwas. Ich habe so großen Hunger, dass ich alles essen würde." Angesichts dieser Aussage schmunzelte sein Partner ein wenig. „Das wundert mich nicht", meinte er, während er nach seinem Handy griff. „Dein Magen müsste derzeit komplett leer sein. Du hast so gut wie den gesamten Inhalt ausgekotzt." Augenblicklich spürte Crocodile, wie er errötete. Plötzlich erinnerte er sich sehr genau daran, dass er sich sowohl auf Daz als auch auf Doflamingo erbrochen hatte. Beide Vorfälle waren ihm sehr peinlich und unangenehm. „Tut mir leid", meinte er, doch sein Freund, der gerade mit den Leuten aus der Küche telefonierte, schüttelte bloß den Kopf. Als dieser das kurze Telefonat beendet hatte, erwiderte er: „Du musst dich nicht entschuldigen." „Doch, das muss ich", sagte Crocodile und senkte den Blick. „Ich habe nicht nur mir selbst, sondern auch dir und Daz die Nacht ruiniert. Ich habe mich sogar auf euch übergeben! Du kannst nicht ahnen, wir furchtbar ich mich dafür schäme! Es tut mir wirklich sehr, sehr leid!" „Red doch keinen Unsinn!", hielt Doflamingo dagegen und griff nach der Hand seines Partners. "Du musst dich für überhaupt nichts entschuldigen und dich auch für nichts schämen. Was passiert ist, war nicht deine Schuld." „Doch, es war meine Schuld! Meine Schuld ganz allein! Wie konnte ich nur so dumm sein und auf meinen Exfreund hereinfallen?! Ich hätte klüger handeln sollen." „Du hast ja aber nicht wissen können, dass er dir K.O.-Tropfen in dein Getränk mischen würde, oder nicht? Es stimmt schon, dass das alles blöd gelaufen ist. Aber die Hauptsache ist doch, dass du das nicht gewollt oder beabsichtigt hast. Es ist Ausversehen und gegen deinen Willen geschehen. Und darum ist es auch nicht deine Schuld. Also hör auf damit, dir solche Vorwürfe zu machen. Das hast du nicht verdient. Ich für meinen Teil bin bloß froh, dass du jetzt endlich aufgewacht bist und dass es dir gut geht! Nur das und sonst nichts zählt!" Crocodile seufzte und schloss für einen Moment die Augen, ehe er nickte. „Allerdings muss ich sagen, dass es doch eine einzige Sache gibt, die du definitiv falsch gemacht hast.“ Verwundert hob Crocodile den Kopf und musterte das Gesichts seines Partners. „Und worum handelt es sich bei dieser Sache?“, fragte er ehrlich interessiert. Er selbst hatte jedenfalls keine Vorstellung davon, was sein Freund damit meinen könnte; nicht, wo dieser doch zuvor alles, wofür er sich verantwortlich fühlte, energisch dementiert hatte. „Du hättest mir vorher sagen sollen, dass der Besitzer vom Skypia dein Exfreund ist!“, meinte Doflamingo mit ernster Stimme. „Ich verstehe einfach nicht, warum du das mit keinem Wort erwähnt hast. Wenn ich das gewusst hätte, dann wäre ich doch nicht mit dir in diesem Club gefahren. Und es wäre gar nicht erst zu dieser Situation gekommen!“ „Also ist doch alles meine Schuld!“, erwiderte Crocodile und ließ sich zurück in seine Kissen sinken. An diesen Umstand hatte er überhaupt nicht gedacht. Obwohl Doflamingo natürlich Recht hatte. Er hätte sich zumindest weigern können, mit ins Skypia zu kommen. Dann wäre er niemals auf Enel getroffen und weder Doflamingo noch Daz hätten ihre Zeit opfern müssen, um sich um ihn zu kümmern und ihn ins Krankenhaus zu fahren. „So habe ich das nicht gemeint!“, warf Doflamingo sofort ein. „Es ist nur so, dass ich mir die Frage stelle, warum du mir das nicht gesagt hast.“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Verschiedene Gründe“, meinte er. Und als sein Freund ihn daraufhin unter den getönten Gläsern seiner Sonnenbrille heraus auffordernd ansah, fuhr er schließlich fort: „Du hast dich so sehr auf diese Nacht gefreut, dass ich dir keinen Strich durch die Rechnung machen wollte. Außerdem habe ich mir eingeredet, dass meine Beziehung mit Enel nun schon lange genug her ist. Und dass er ja bestimmt überhaupt nicht dort sein würde. Und so weiter eben. Ich wollte dich nicht enttäuschen.“ „Aber wenn du mir deine Situation erklärt hättest, dann hätte ich doch sicher Verständnis für dich aufgebracht“, meinte Doflamingo mit niedergeschlagener Stimme. „Dann wären wir eben in einen anderen Club gefahren. Das wäre doch nicht so schlimm gewesen. Mich enttäuscht bloß, dass du diese Sache vor mir geheim gehalten hast, Crocodile.“ „Es tut mir leid“, wiederholte Crocodile noch einmal. „Ich habe es nicht böse gemeint.“ „Das weiß ich doch“, sagte sein Partner. „Ich unterstelle dir auch überhaupt nicht, dass du irgendeine böse Absicht gehabt hast. Aber ich dachte eigentlich, dass du mir vertraust. Dass du mir alles erzählen kannst, was dir auf dem Herzen liegt. Es...“, er zögerte kurz und sagte dann: „Es verletzt mich, dass das anscheinend nicht der Fall ist. Und ich frage mich, woran das liegt. Ich liebe dich, Crocodile! Mehr als jeden anderen Menschen auf der Welt! Gibt es irgendeinen besonderen Grund dafür, dass du nicht ehrlich zu mir bist? Habe ich irgendetwas getan, um dein Vertrauen zu missbrauchen? Bitte sag mir doch, was los ist!“ Crocodile biss sich auf die Unterlippe und wich dem drängenden Blick seines Partners aus. So offen und ernst hatte er Doflamingo noch niemals erlebt. Ihre Beziehung schien ihm tatsächlich unfassbar wichtig zu sein. Während er selbst sich im Gegensatz dazu absolut unverantwortlich und fahrlässig verhielt. Er riskierte ihre Beziehung jedes Mal aufs Neue, indem er seinen Freund nun schon seit Wochen jeden Tag anlog. Doflamingo wusste noch immer nichts von seiner Kündigung. Oder von seinen Schulden. Oder davon, dass sein Mietvertrag in einer Woche auslief. Plötzlich kamen Zweifel in Crocodile auf: War dies vielleicht der richtige Zeitpunkt, um seinem Partner von all diesen Dingen, die ihn in letzter Zeit belasteten, zu erzählen? Sollte er nun endlich die vielen Lügen, die er ihm völlig schamlos aufgetischt hatte, offenlegen? Aber war es dafür nicht schon längst zu spät?! Sein Partner hatte bereits mehrmals deutlich gemacht, dass ihm Ehrlichkeit und Vertrauen in einer Beziehung sehr wichtig waren. Würde er ihm also all die Lügen und die Geheimnistuerei der letzten Wochen verzeihen können? Crocodile strich sich eine Haarsträhne hinter sein Ohr und entschied sich dagegen, Doflamingo die Wahrheit zu erzählen. Das Risiko, seinen Partner anschließend zu verlieren, war eindeutig zu hoch. Er hatte zu Beginn beschlossen, seine Probleme zu verschweigen und diese allein zu lösen - und darum blieb ihm nichts anderes übrig als weiterzumachen. Weiterhin Lügen zu erzählen, weiterhin den Schein zu wahren, weiterhin allein mit allem fertig zu werden. Crocodile war es gewohnt, seine Probleme selbst zu lösen und er war zuversichtlich, dass es ihm auch in dieser Situation gelingen würde. „Es ist nichts“, sagte er darum und bemühte sich um eine möglichst überzeugend klingende Stimmlage. „Du hast überhaupt nichts falsch gemacht. Ich bin eben ein Mensch, der anderen nicht gerne zur Last fällt oder Umstände bereitet. Du weißt, dass ich das auf den Tod nicht ausstehen kann. Es ist nicht so, als würde ich dir nicht vertrauen.“ Um diese Erklärung ein wenig zu bekräftigen und auszuführen, fügte er hinzu: „Ich bin schon immer jemand gewesen, der ungern Hilfe annimmt und seine Probleme lieber allein regelt; ich stand schon sehr früh auf eigenen Beinen. Das kam mir auch sehr zugute, als meine Eltern mich Zuhause rausgeworfen haben. Du weißt schon, weil ich mich vor ihnen geoutet habe. Ich bin dann für drei Jahre zu Mihawk gezogen; er ist ja älter als ich und hat damals bereits allein gewohnt. Als ich mein Studium begann, habe ich mir dann ein eigenes Apartment in der Nähe meiner Universität gesucht. Und, naja, ich bin gut zurecht gekommen; auch ohne Eltern oder viele Freunde. Und dann...ich, ähm, ich war damals fünfundzwanzig Jahre alt, musst du wissen... Kurz bevor ich Enel kennengelernt habe...“ Crocodile musste schlucken und dieses Schlucken war nicht geschauspielert. Auch wenn die Sache, über er die nun sprechen wollte, bereits vor vielen Jahren geschehen war, dachte er nur äußerst ungern daran zurück. „Da habe ich meine Hand verloren. Es war furchtbar! Mich hat weniger die Sache an sich gestört, sondern vor allem, dass ich in dieser Situation auf Hilfe angewiesen gewesen war. Ich... ich wusste ja gar nicht, wie man sich mit bloß einer Hand Kleidung anzieht oder wie man einen Haushalt führt oder... oder wie man Auto fährt. Ich musste sogar mein Studium für ein Semester unterbrechen, weil ich wieder zurück Mihawk gezogen bin. Er hat mir dabei geholfen, naja, damit umzugehen. Es war wirklich anstrengend: Ich musste unglaublich viele Dinge ganz neu lernen. Und ich konnte weder studieren noch arbeiten. Das war die furchtbarste Zeit meines Lebens! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie... wie nutzlos ich mich gefühlt habe. Völlig wertlos. Wie eine Belastung für alle Menschen um mich herum. Mihawk musste sich riesige Umstände wegen mir machen. Ich war heilfroh, als ich mit meinem Leben auch nur wieder halbwegs allein zurechtkam und bin dann auch sofort wieder in mein eigenes Apartment gezogen. Damals habe ich mir gesagt, dass ich es nie wieder soweit kommen lassen möchte. Dass ich niemandem zur Last fallen und niemandem Umstände bereiten möchte. Durch diesen Vorfall haben sich diese Eigenschaften noch tiefer als sowieso schon in meine Persönlichkeit eingebrannt. Ich kann da nichts gegen tun. Bitte nimm solche Dinge also nicht persönlich, ja? Ich meine es überhaupt nicht böse. Und es bedeutet auch nicht, dass ich das Gefühl hätte, ich könnte dir bestimmte Dinge nicht anvertrauen. Es ist einfach eine Charaktereigenschaft von mir, gegen die ich nichts ausrichten kann. Bitte akzeptier das! Und mach dir deswegen keine Vorwürfe! In Ordnung?“ „In Ordnung“, sagte Doflamingo und Erleichterung breitete sich in Crocodiles Körper aus. Dass ihn der Verlust seiner linken Hand damals nicht nur körperlich, sondern auch seelisch sehr stark mitgenommen hatte, war nicht gelogen oder übertrieben dargestellt gewesen. Normalerweise sprach Crocodile zwar nicht gerne über diese Zeit, strich sie normalerweise fast komplett aus seinem Gedächtnis, doch seltsamerweise fühlte er sich ein wenig besser, wenn er seinem Partner nicht bloß eine Lüge erzählte, sondern dazu auch noch eine Wahrheit über sich preisgab. Dann hatte er nämlich ein Stück weit das Gefühl, dass sich diese beiden Pole die Waage hielten. Eine Lüge und eine Wahrheit zu erzählen, dachte er in seiner verquerten Logik, war schließlich besser als bloß eine Lüge zu erzählen. Dieses Gleichgewicht beruhigte ihn ein wenig und milderte sein schlechtes Gewissen ab. Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken heraus. „Herein“, rief Doflamingo, ehe Crocodile die Möglichkeit dazu bekam, was diesen leicht verärgerte. Er beschloss allerdings, Doflamingo nicht zurechtzuweisen; zumindest nicht, während sie nicht unter sich waren, sondern Gesellschaft hatten. Durch die Tür kam nämlich eine junge Krankenschwester herein, die einen Servierwagen vor sich herschob. Augenblicklich vergaß Crocodile seinen Ärger auf Doflamingo und richtete seine Aufmerksamkeit stattdessen auf das Gericht, das die Schwester auf den geräumigen Beistelltisch neben seinem Bett abstellte. Während er mit seinem Partner gesprochen hatte, hatte er seinen Hunger ganz vergessen, doch nun spürte er wieder sehr deutlich, wie leer sein Magen doch war. „Guten Tag, Sir Crocodile“, sagte das hellblonde Mädchen mit einer freundlichen Stimme, während es eine Flasche stilles Mineralwasser und ein Glas auf den Tisch stellte. „Mein Name ist Kaya. Während Ihres Aufenthalts in unserer Klinik bin ich die für Sie zuständige Schwester. Wie geht es Ihnen heute?“ „Gut“, meinte Crocodile und warf einen Blick auf die überaus appetitlich ausschauende Mahlzeit, die für ihn angerichtet worden war. Soweit er es beurteilen konnte, handelte es sich um irgendeinen vegetarischen Gemüseauflauf, der lecker duftete. Entweder hatte die Miracle-Sakura-Klinik eine überraschend gute Küche (in seinem bisherigen Leben hatte Crocodile noch keine sonderlich guten Erfahrungen mit Krankenhausessen gemacht), dachte er, oder sein Freund, bei dem es sich schließlich um den Besitzer dieser Einrichtung handelte, hatte etwas besonders Gutes für ihn beordert. „Das freut mich zu hören“, sagte Schwester Kaya und legte eine kleine Dose, die ein paar Tabletten zu enthalten schien, neben die Wasserflasche. „Bitte nehmen Sie die grüne und die blaue Pille direkt nach ihrer Mahlzeit ein“, erklärte Kaya auf seinen fragenden Blick hin, „und die weiße Pille etwa eine halbe Stunde später. Bitte schlucken Sie sie unzerkaut hinunter und trinken zu jeder Pille etwa einen Viertelliter Wasser. Ich wünsche Ihnen einen guten Appetit!“ „Was sind das für Pillen?“, fragte Crocodile, während er sich Wasser in sein Glas einschenkte. Seit er vor einigen Jahren seine linke Hand verloren hatte und deswegen sehr lange viele verschiedene Medikamente hatten nehmen müssen, war er sehr misstrauisch geworden, was dieses Thema anging. Er wusste zum Beispiel, dass Patienten häufig Schmerzmittel verabreicht wurden, die überhaupt nicht notwendig waren. Und so etwas oder Ähnliches wollte er gerne vermeiden. „Es handelt sich bei der blauen und weißen Pille um Präparate, die gegen Ihre Vergiftung helfen“, erklärte Kaya, „und die grüne Pille verhindert, dass Sie sich gleich nach der Mahlzeit wieder übergeben müssen. Haben Sie noch weitere Fragen?“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Nein, danke, das wäre alles.“ „Wenn Sie noch irgendetwas brauchen sollten, können Sie mich über das Telefon zu Ihrer Rechten erreichen, indem Sie ganz einfach die Nummer 5 wählen. Ich wünsche Ihnen noch einmal einen guten Appetit. Auf Wiedersehen, Sir Crocodile!“ „Auf Wiedersehen“, verabschiedete er die junge Krankenschwester, die nach einem weiteren freundlichen Lächeln aus seinem Zimmer verschwand. „Ich wünsche dir auch einen guten Appetit“, meinte Doflamingo, der ihn dabei beobachtete, wie er sogleich nach seiner Gabel griff und zu essen begann, „obwohl ich glaube, dass du den sowieso hast.“ „Wenn du in meiner Situation wärst, würde es dir nicht anders gehen!“, verteidigte Crocodile zwischen zwei Bissen seinen Heißhunger. Er hatte das Gefühl, er könnte gleich drei oder mehr Aufläufe dieser Größe hinunterschlingen, so leer fühlte sich sein Magen an. Und dabei war er unter normalen Umständen eigentlich ein recht zurückhaltender Esser. „Soll ich noch etwas für dich nachbestellen?“, fragte Doflamingo halb ernst, halb belustigt angesichts der Geschwindigkeit, in der sein Freund seine Mahlzeit verschlang. „Du bist ein blöder Idiot!“, war der einzige Kommentar, den er zu diesem Angebot bekam. Nachdem er den vegetarischen Auflauf aufgegessen hatte -wofür er, um ehrlich zu sein, nur halb so viel Zeit gebraucht hatte wie es normalerweise der Fall gewesen wäre-, fühlte Crocodile sich schon deutlich besser. Satt und (verhältnismäßig glücklich) ließ er sich zurück in seine Kissen sinken. „Du musst deine Medikamente einnehmen“, erinnerte ihn Doflamingo und reichte ihm zuerst die kleine Dose mit den Pillen und dann ein Glas stilles Mineralwasser. „Die blaue und grüne Tablette jetzt sofort. Beide jeweils mit einem Viertelliter Wasser.“ „Ich kann mich selbst noch sehr gut daran erinnern, was die Krankenschwester gesagt hat!“, wies Crocodile seinen Partner mit verärgerter Stimme zurecht. Er hatte bereits die Erfahrung gemacht, dass, auch wenn Doflamingo für gewöhnlich ein sehr lockerer und selbstsicherer Typ war, er manchmal überraschend fürsorglich oder sogar überbesorgt wurde. Crocodile schluckte als erstes die grüne und danach die blaue Pille hinunter; beide spülte er mit ein paar Schlücken Wasser hinunter. „Jetzt zufrieden?“, fragte er seinen Freund, der ihn während dieses Vorgangs aufmerksam beobachtet hatte. „Mach dich nicht über mich lustig“, erwiderte dieser mit einem verkniffenen Gesichtsausdruck, „und nimm die ganze Sache hier lieber nicht auf die leichte Schulter. Das hätte nämlich verdammt übel ausgehen können! Es ist jetzt sehr wichtig, dass du regelmäßig deine Medikamente nimmst. Das Gift, das man dir ins Getränk gemischt hat, ist von deinem Körper noch immer nicht vollständig abgebaut worden.“ „Regelmäßig meine Medikamente nehmen?“, hakte Crocodile misstrauisch nach. „Wie lange muss ich denn diese Pillen schlucken? Ich dachte, es hätte sich nur um ein paar einfache K.O.-Tropfen gehandelt? Da ist es doch sicher nicht nötig, über einen längeren Zeitraum hinweg Medikamente einzunehmen. Oder?“ Doflamingo verschränkte die Arme vor den Oberkörper und Crocodile wusste, dass sein Partner ihn sehr ernst ansah, auch wenn dessen Blick durch die getönten Gläser der Sonnenbrille verdeckt wurde. „Also, um hier mal ein paar Dinge klarzustellen: Auch nur ein paar einfache K.O.-Tropfen hätten schlimme Folgen für dich haben können. Mir wird schlecht dabei, wenn ich mir vorstelle, was dein Exfreund womöglich mit dir vorgehabt hat. Ich bin bloß froh, dass Daz dazwischen gegangen ist. Aber es hat sich überhaupt nicht um K.O.-Tropfen gehandelt.“ „Nicht?“, warf Crocodile verwundert ein. „Worum denn dann?“ „Um ein deutlich stärkeres Gift“, meinte Doflamingo. „Handelsübliche K.O.-Tropfen hätten dich ein paar Stunden lang außer Gefecht gesetzt. Das Zeug, dass dieser Hurensohn dir verabreicht hat, hätte dich allerdings für mindestens drei Tage komplett betäubt. Dein Exfreund scheint ein echter Psychopath zu sein. Wie gesagt, ich will mir nicht auch nur vorstellen, was dieser kranke Wichser geplant hatte.“ „Wow“, sagte Crocodile und rieb sich mit der rechten Hand über den Hals. „Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll.“ „Ist schon gut“, meinte Doflamingo zu ihm und seine Stimme klang nun wieder ein wenig sanfter. „Du musst überhaupt nichts sagen. Ich kann gut verstehen, dass du gerade ziemlich verwirrt und fassungslos bist. Das wäre wohl jeder in dieser Situation. Die einzige Sache, auf die du dich jetzt konzentrieren solltest, ist deine Gesundheit! Um... naja... alles andere, sagen wir mal... werde ich mich kümmern.“ „Wie lange muss ich im Krankenhaus bleiben?“, wollte Crocodile wissen. Sein Partner hatte zwar Recht damit, dass er das, was ihm passiert war, noch immer nicht so recht fassen konnte, doch nichtsdestotrotz musste er sich in seinem Leben auch um andere Dinge kümmern. Und zwar vor allen Dingen um das Bewerbungsgespräch bei diesem Bauunternehmen, das ihm am Montagmittag bevorstand. Es war für Crocodile die einzige Chance auf eine feste Arbeitsstelle und damit auch seine einzige Hoffnung. Würde es ihm gelingen einen guten Eindruck zu machen, dann würde er womöglich schon zum nächsten Monat hin eingestellt werden - und alles wäre im Lot! Er hätte wieder Arbeit, könnte seine Schulden abbezahlen und auch wieder in eine eigene Wohnung ziehen. Und er würde auch seinen Partner nicht mehr ständig anlügen oder seine finanzielle Situation vor ihm verheimlichen müssen. Dieses Gespräch war ungeheuer wichtig für ihn. Er durfte es auf keinen Fall verpassen, ganz gleich wie es gesundheitlich um ihn stand. Es handelte sich dabei um seinen einzigen Weg aus diesem Alptraum heraus, in dem er nun bereits schon seit mehreren Wochen lebte. Wenn er an diesem Bewerbungsgespräch teilnahm und den Personalchef des Unternehmens überzeugen konnte, dann wäre endlich alles wieder wie früher! „Noch mindestens drei weitere Tage“, sagte Doflamingo. „Der Arzt möchte dich unbedingt hierbehalten, um deinen Zustand zu überwachen. Wie gesagt, es befinden sich immer noch Reste des Giftes in deinem Körper.“ „So lange?“ Crocodile bemühte sich gar nicht erst darum, die Enttäuschung in seiner Stimme zu verbergen. Am Montag stand doch sein Bewerbungsgespräch bevor! Vielleicht würde es ihm gelingen, sich bei einer günstigen Gelegenheit aus der Klinik herauszuschleichen, überlegte Crocodile sich. Oder er würde das Gespräch frühzeitig absagen und um einen alternativen Termin bitten. Es wäre sicherlich möglich, sich eine Bescheinigung über seinen Krankenhausaufenthalt ausstellen zu lassen und diese dem Personalchef des Bauunternehmens zukommen zu lassen. „Es geht nicht anders“, meinte sein Partner. „Mir ist klar, dass sich niemand gerne in einem Krankenhaus aufhält, aber es muss nun einmal sein. Schließlich geht es hier um deine Gesundheit! Außerdem werde ich mich darum bemühen, deinen Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Ich habe mir die nächste Zeit frei genommen; das bedeutet, dass ich dich jeden Tag besuchen kann. Und morgen kommen auch Mihawk und Hancock vorbei. Ich habe die beiden angerufen und ihnen erzählt, was vorgefallen ist. Sie machen sich große Sorgen um dich.“ Crocodile nickte matt. Wenn sich so viele verschiedene Menschen um sein Krankenbett lagerten, dann war jede Möglichkeit, sich heimlich davonzumachen, definitiv ausgeschlossen. Er würde also absagen und darum bitten müssen, sich an einem anderen Tag vorstellen zu dürfen. Das waren zwar nicht unbedingt die allerbesten Voraussetzungen für ein Bewerbungsgespräch, aber allem Anschein nach konnte er an dieser Situation nichts ändern; er würde es hinnehmen müssen. „Wo ist eigentlich Daz?“, fragte Crocodile. Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass sowohl sein Partner als auch sein Studienfreund warten würden bis er aufgewacht war. Es war sehr untypisch für Daz, ihn nicht zu umsorgen. Früher, als sie gemeinsam studiert hatten und direkte Nachbarn gewesen waren, hatte er ständig -auch ohne besonderen Grund- nach ihm gesehen. „Er ist so lange da geblieben wie er konnte“, sagte Doflamingo, „aber leider musste er irgendwann wieder zurück nach Hause. Du weißt schon, wegen seiner Arbeit. Er hat mich allerdings darum gebeten, dir gute Besserung zu wünschen und ihm Bescheid zu geben, wenn es dir wieder besser geht. Du solltest ihn gleich mal anrufen. Er würde sich sicher darüber freuen zu hören, dass du aufgewacht bist und dass es dir den Umständen entsprechend gut geht. Er hat sich große Sorgen um dich gemacht.“ „Er musste wegen der Arbeit zurück nach Hause?“, hakte Crocodile misstrauisch nach. Ihm kam eine schreckliche Vermutung. „Wieso das denn? Welchen Tag haben wir? Ich dachte, wir hätten Sonntag!“ Doflamingo schüttelte den Kopf. Er schien die Aufregung, die seinen Partner plötzlich befallen hatte, nicht so recht nachvollziehen zu können. „Es ist Montag“, erklärte er ruhig „Vier Uhr nachmittags, um genau zu sein.“ Montag? Vier Uhr nachmittags? Verzweifelt ließ Crocodile sich zurück in die Kissen sinken, schloss die Augen und legte sich die rechte Hand auf die Stirn. Er hatte sein Bewerbungsgespräch bereits verpasst. Seine einzige Chance, sein Leben endlich wieder in den Griff zu bekommen, war vertan. Enttäuschung und Wut brachen über ihn herein wie eine kochend heiße Tsunamiwelle. Warum nur musste ausgerechnet ihm so viel Unglück zustoßen? Was hatte er verbrochen, um dieses Schicksal zu verdienen? Ganz gleich wie sehr er sich auch bemühte, er schien als gäbe es kein Entkommen aus diesem Alptraum! Crocodile musste zum ersten Mal seit sehr vielen Jahren die Tränen unterdrücken. Fragen nach Schicksal und Gerechtigkeit hatte er sich bereits gestellt, als er seine linke Hand verloren hatte und als ihm die Narbe in seinem Gesicht zugefügt worden war. Und schon damals hatte er keine befriedigende Antwort gefunden. Darum ging er nicht davon aus, dass er es jetzt tun würde. Crocodile seufzte und öffnete seine Augen wieder. Irgendwann in seinem Leben hatte er sich mit der Tatsache abgefunden, dass das Schicksal nicht fair spielte und so etwas wie Gerechtigkeit einfach nicht existierte. Wenn er Hilfe brauchte, dann musste er sich selbst helfen. So war es schon immer gewesen. „Was ist denn plötzlich los mit dir?“, fragte Doflamingo mit besorgter Stimme. „Ist dir wieder schlecht geworden oder so etwas? Soll ich den Arzt rufen?“ „Nein, ist schon gut“, erwiderte Crocodile rasch und schüttelte den Kopf. „Ich kann nur bloß nicht fassen, was mir passiert ist. Es erscheint mit alles so unwirklich. Als würde ich träumen. Ich brauche in wenig Zeit, um damit zurechtzukommen.“ Langsam schöpfte Crocodile neue Hoffnung. Es nützte nichts, sich zu beklagen und darauf zu hoffen, dass ihm irgendeine höhere Macht aus seiner Situation heraus half. Seit dem Verlust seiner Hand glaubte er an keinen Gott mehr. Er würde sich eben weiterhin bewerben und auf das Beste hoffen müssen. Eine andere Möglichkeit hatte er nicht. Er würde dieses Spiel, das er trieb, weiterspielen müssen; und zwar bis zum Game Over! „Ich kann gut verstehen, dass du geschockt bist“, meinte sein Freund. „Schließlich hat niemand damit gerechnet, dass diese Nacht im Skypia mit einem Aufenthalt im Krankenhaus enden würde. Aber das lässt sich nun einmal nicht ändern; du wirst dich damit abfinden müssen. Genug Zeit dafür hast du in den nächsten paar Tagen.“ „Ich kann nicht so lange im Krankenhaus liegen bleiben“, warf Crocodile ein. „Ich muss doch arbeiten!“ „In deinem Zustand wirst du garantiert nicht zur Arbeit gehen!“, entgegnete Doflamingo mit energischer Stimme. „Ich habe mich bereits darum gekümmert und bei der Bank angerufen.“ „Du hast was getan?!“ „Ich habe Robin angerufen“, erklärte sein Partner, „und ihr erzählt, dass du im Krankenhaus liegst und in den nächsten Tagen nicht zur Arbeit kommen kannst. Ich habe auch schon das Attest gefaxt. Du musst dich also um nichts kümmern; es ist bereits alles erledigt. Das einzige, worauf du dich in nächster Zeit konzentrieren solltest, ist deine Genesung!“ Crocodile senkte den Blick. Es behagte ihm gar nicht, dass Doflamingo mit seiner Sekretärin telefoniert hatte. Unweigerlich fragte er sich, ob sie seinem Partner womöglich von seiner Kündigung berichtet hatte. Normalerweise war Robin zwar keine Person, die sich in Angelegenheiten anderer Leute einmischte, aber hundertprozentig ausschließen konnte er diese Möglichkeit dennoch nicht. „Hat Robin vielleicht irgendetwas Ungewöhnliches erwähnt, während ihr telefoniert habt?“, wollte er mit zögerlicher Stimme wissen; es war schwierig, die Frage so zu formulieren, dass er sich nicht selbst verriet. Doflamingo hob eine Augenbraue. „Das hat sie tatsächlich“, erwiderte er. Augenblicklich rutschte Crocodile das Herz in die Hose (die er momentan nicht trug) - hatte sein Partner doch endlich von seiner Kündigung erfahren? Wie würde er reagieren? Jetzt gerade im Augenblick wirkte er jedenfalls recht enttäuscht. Machte er nun Schluss mit ihm? Hatte er sich zuvor nur so sehr um ihn gesorgt, weil er vergiftet worden war und im Krankenhaus lag? Crocodile schluckte und spürte einen schmerzhaften Kloß in seinem Magen. „Als ich sie heute Morgen angerufen habe, um dich krankzumelden, sagte sie, dass du dir heute sowieso freigenommen hättest. Davon hast du mir überhaupt nichts erzählt gehabt. Und ich frage mich, wieso. Denn wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich heute nämlich auch früher Schluss mit der Arbeit gemacht und wir hätten uns ein wenig länger sehen können. Unter normalen Umständen natürlich. Dass du im Krankenhaus landen würdest, konnte ja schließlich keiner von uns beiden ahnen.“ Crocodile rieb sich mit zwei Fingern über die Nase und ließ sich schnell irgendeine Erklärung einfallen. „Ach weißt du, Doffy“, sagte er in seiner bekümmertsten Tonfall, „ich brauchte einfach mal eine kleine Pause von der Arbeit. Du weißt ja, dass es in letzter Zeit schrecklich viel zu tun gibt. Ich fühle mich total überarbeitet und gestresst. Da habe ich mir diesen einen Tag freigenommen, damit ich ein verlängertes Wochenende habe und mich ein bisschen erholen kann. Das hatte ich einfach bitter nötig. Dir ist ja selber schon aufgefallen, dass ich seit ein paar Wochen oft sehr stark gestresst bin. Und in meiner Hektik muss ich wohl völlig vergessen haben, dir das zu erzählen. Tut mir leid; es ist wirklich keine Absicht gewesen.“ „Ist schon gut“, erwiderte Doflamingo, der seiner ausgedachten Erklärung glücklicherweise Glauben zu schenken schien. „So etwas Ähnliches habe ich mir schon gedacht. Du arbeitest in letzter Zeit wirklich viel zu viel. Man merkt sehr deutlich, wie sich das auf deine psychische Verfassung auswirkt. Du solltest dir öfter mal eine Auszeit gönnen.“ „Soll das bedeuten, dass ich ein Psycho bin?!“ Crocodile war ein Mensch, der sich sehr schnell in seinem Stolz verletzt fühlte, und warf seinem Partner darum einen finsteren Blick zu. „Oder was willst du damit sagen?“ „So war das überhaupt nicht gemeint und das weißt du ganz genau!“, entgegnete Doflamingo spitz und verschränkte die Arme vor der Brust. „Warum musst du mir jedes Wort im Mund umdrehen?“ Seine Körperhaltung lockerte sich wieder ein wenig auf und er fügte mit einer sanfteren Stimme hinzu: „Aber du kannst doch selbst nicht verleugnen, dass es dir in letzter Zeit nicht gut geht. Du bist ständig gestresst, gereizt und hektisch. Und zwar nicht bloß seit ein paar Tagen, sondern mehreren Wochen. So ein dauerhafter Stress tut niemandem gut!“ „Lass uns dieses Thema jetzt beenden, ja?“, warf Crocodile ein. Er hatte nicht die geringste Lust dazu, sich mit seinem Partner über seine Arbeit oder seine derzeitige psychische Verfassung zu unterhalten. „Die nächsten Tage werde ich ja sowieso hier im Krankenhaus verbringen müssen. Oder nicht?“ „Aber ein Krankenhausaufenthalt ist doch kein Urlaub!“ „Das weiß ich doch selbst.“ Crocodile seufzte genervt auf. Er liebte Doflamingo mehr als jeden anderen Menschen auf dieser Welt, aber manchmal trieb ihn sein Freund auch einfach bloß in den Wahnsinn. Um diesen endlich zum Schweigen zu bringen, sagte er schließlich: „Ich habe bereits ein paar Wochen Urlaub beantragt. Gibst du nun bitte endlich Ruhe?“ Für einen Moment schwieg sein Partner tatsächlich und sah ihn verwundert an. Dann meinte er: „Davon hast du mir auch nichts erzählt. Wieso erzählst du mir solche Dinge nicht? Ab wann hast du denn Urlaub?“ „Es sollte eine Überraschung für dich werden“, lenkte Crocodile ein, während er rasch den ersten Tag errechnete, an dem er offiziell entlassen sein würde. „Weil du doch immer sagst, dass ich zu lange arbeite und wir uns deswegen zu wenig sehen. Da wollte ich dich damit überraschen, dass ich mir ein wenig freinehme und wir wieder mehr Zeit miteinander verbringen können. Außerdem steht die ganze Sache noch nicht hundertprozentig fest. Ich habe den Urlaub nämlich noch gar nicht genehmigt bekommen. Aber wenn alles wie geplant klappt, dann ist der Fünfzehnte nächsten Monats mein erster Urlaubstag.“ Ein paar Wochen Urlaub vorzutäuschen, um seine Entlassung zu vertuschen, hielt Crocodile alles in allem für eine gute Idee, auch wenn sie ihm sehr spontan gekommen war. Auf diese Weise würde es ihm gelingen, ganz einfach zu erklären, warum er morgens nicht zur Arbeit ging. Ihm war klar, dass es sich hierbei zwar nicht um eine endgültige Lösung handelte, doch zumindest würde ihm dieser Vorwand ein wenig mehr Zeit verschaffen. Und sein Geheimnis wäre für ein paar weitere Wochen gesichert. Außerdem war es tatsächlich sehr lange her, seit er das letzte Mal Urlaub von der Arbeit genommen hatte; das Szenario wirkte also durchaus realistisch. „Das ist wirklich süß von dir“, kommentierte Doflamingo die faustdicke Lüge seines Partners. „Weißt du was? Ich werde mir ab dem Fünfzehnten auch frei nehmen. Dann können wir endlich mehr Zeit miteinander verbringen und mal so richtig schön entspannen. Was hältst du davon?“ „Ähm, das klingt toll“, entgegnete Crocodile kurzerhand, weil alles Andere verdächtig gewirkt hätte. „Aber bist du dir sicher, dass du so kurzfristig überhaupt Urlaub genehmigt bekommst?“ Angesichts dieser naiven Aussage kicherte sein Partner bloß, ehe er meinte: „Bei wem soll ich denn bitteschön Urlaub anmelden, Wani? Ich bin mein eigener Chef. Und das bedeutet, dass ich mir Urlaub nehmen kann, wann und so viel ich will. Es gibt kein Limit. Das ist also kein Problem!“ „Oh, na gut.“ Crocodile war sich dessen bewusst, dass er Enthusiasmus vortäuschen musste, damit Doflamingo nicht misstrauisch werden würde. Darum fügte er in der fröhlichsten Stimme, die er heraufbeschwören konnte, hinzu: „Ich freue mich schon sehr auf unsere gemeinsame Zeit. Ein paar schöne und vor allen Dingen entspannte Urlaubstage haben wir beide uns wirklich verdient, denke ich.“ Doch obwohl Crocodile mit dieser bündigen Aussage seinen Partner schnell überzeugen konnte, gelang dies bei ihm selbst nicht auch nur halb so gut. Wenn er ehrlich war, dann lag ihm der Urlaub, den er ja bloß kurzerhand erfunden hatte, bereits jetzt wie eine schwere Ladung Steine im Magen. Er konnte bloß hoffen, dass es ihm weiterhin so gut gelingen würde geheim zu halten, dass er gekündigt worden war. Je mehr Zeit er mit seinem Freund verbrachte, desto größer wurde das Risiko, dass die Wahrheit womöglich doch ans Tageslicht kam. Allerdings blieb ihm derzeit nichts anderes übrig als dieses Risiko notgedrungen einzugehen. Das Unheil, das er selbst heraufbeschworen hatte, schien sich nicht mehr abwenden zu lassen. * Die drei Tage, die Crocodile in der Miracle-Sakura-Klinik verbringen musste, gingen überraschenderweise sehr schnell herum. Als die Zeit seiner Entlassung anstand, war er beinahe schon wehmütig; dabei konnte er Krankenhäuser normalerweise überhaupt nicht leiden. Womöglich lag dieser Umstand daran, dass er zum ersten Mal seit vielen Wochen endlich einmal dazu in der Lage war, wirklich abzuschalten. Schließlich hatte er während seines Aufenthalts nichts anderes zu tun gehabt als zu essen (und die Mahlzeiten, die Doflamingo für ihn beorderte, hatten weiterhin ausgezeichnet geschmeckt), sich mit seinen Besuchern zu unterhalten und zu schlafen. Er wurde sowohl von Daz besucht, bei dem er sich für dessen Hilfe überschwänglich bedankte, als auch von seinen beiden Geschwistern; alle Drei konnten allerdings nicht allzu lange bleiben, weil sie am Folgetag wieder arbeiten mussten; und der Weg zum Krankenhaus war sehr weit für sie, da sie alle nicht in derselben Stadt wohnten wie er. Aber dieser Umstand störte Crocodile nicht sonderlich. Er freute sich zwar sehr über seinen Besuch und die netten Geschenke, die dieser für ihn mitgebracht hatte, aber er mochte auch die Ruhe und Entspannung, die das Zimmer erfüllte, wenn niemand mehr da war - nicht einmal Doflamingo, der jeden Tag für vier oder fünf Stunden vorbeikam. „Bevor du das Krankenhaus verlässt, müssen wir noch über eine sehr wichtige Sache sprechen.“ Crocodile, der gerade in die Kleidung schlüpfte, die sein Partner für ihn mitgebracht hatte, sah verwundert und skeptisch zu diesem hinüber. Doflamingo wirkte momentan zwar nicht schlecht gelaunt, dafür allerdings sehr ernst. Unweigerlich schluckte Crocodile und ließ von seinem Hemd ab, das er gerade zuknöpfen wollte. Es kam nur sehr selten vor, dass sein Freund sich so ruhig und gemessen verhielt. Meistens ging es um irgendein sehr wichtiges Thema, wenn er diesen Ton anschlug. Crocodile spürte, wie sich Verunsicherung und Nervosität ausgehend von seinem Magen in jede Faser seines Körpers ausbreitete. Er hatte keine Ahnung, worüber Doflamingo mit ihm sprechen wollte. Doflamingo atmete zweimal tief ein und aus, ehe er schließlich mit ruhiger Stimme sagte: „Du weißt, dass wir beide ausgemacht hatten, dass du für eine Zeit lang bei mir Zuhause wohnst. Zur Probe, sozusagen als eine Art Testlauf. Der Zeitraum, den wir vereinbart hatten, ist jetzt allerdings vorüber.“ Crocodile bemühte sich darum, Ruhe zu bewahren. Sein Herz schlug doppelt so schnell wie sonst in seiner Brust und er hatte das unangenehme Gefühl, dass es im Raum plötzlich sehr heiß geworden war. Natürlich hatte er gewusst, dass sein Partner irgendwann demnächst auf dieses Thema zu sprechen kommen würde. Doch er hatte nicht geahnt, dass dieser Zeitpunkt jetzt sofort eintreten würde. Eigentlich hatte Crocodile damit gerechnet, dass man ihm noch ein paar weitere Tage gewähren würde, um über dieses sensible Anliegen noch einmal gründlich nachzudenken. Aber war es denn überhaupt notwendig, seine Entscheidung noch weiter hinauszuschieben? Crocodile biss sich selbst auf die Unterlippe und fixierte dann die Sonnenbrille seines Freundes. Wenn er ehrlich war, dann hatte er sich doch bereits entschieden. Es stand längst schon fest, dass er bei Doflamingo einziehen würde. Eine andere Möglichkeit gab es für ihn nicht, wenn er weiterhin den Schein des reichen Bankmanagers wahren wollte. Auch wenn sich durch diesen Schritt seine finanziellen Probleme noch weiter vergrößern würden. Er durfte dieses Kartenhaus aus Lügen, das er aufgebaut hatte, jetzt nicht zum Einsturz bringen! Doch wollte Doflamingo immer noch mit ihm zusammenziehen? Bei diesem Experiment, das sie beide durchgeführt hatten, ging es schließlich nicht bloß um seine Meinung - sondern auch um die seines Partners. Über die Option, dass Doflamingo seine Ansicht womöglich geändert hatte und überhaupt nicht mehr mit ihm zusammenwohnen wollte, hatte Crocodile sich gar keine Gedanken gemacht. Nutzte sein Freund etwa nun diese Gelegenheit, um ihm mitzuteilen, dass er seinen Vorschlag vom gemeinsamen Wohnen zurücknehmen wollte? „Ich muss gestehen“, fuhr Doflamingo fort, „dass mir die Wochen, in denen wir gemeinsam in meiner Villa gewohnt haben, unglaublich gut gefallen haben. Ich bin so glücklich gewesen wie schon lange nicht mehr.“ Ein Teil der Verunsicherung, die Crocodile gerade belastete, löste sich auf; allerdings handelte es sich dabei bloß um einen sehr kleinen Teil. Sein Partner hatte seine Meinung also doch nicht geändert. Er wollte noch immer mit ihm zusammenziehen. „Es fällt mir sehr schwer, in Worte zu fassen, wie ich mich fühle“, meinte Doflamingo und fuhr mit seiner Zunge über seine trockenen Lippen. „Ich bin nie sonderlich gut darin gewesen, meine Gefühle auszudrücken. Trotzdem weiß ich genau, dass du, Crocodile, der Mann meines Lebens bist und ich jede Minute genieße, die ich mit dir verbringen darf. Schon solche Kleinigkeiten wie morgens neben dir aufzuwachen oder mit dir gemeinsam zu frühstücken reichen aus, um mich den ganzen Tag lang glücklich zu machen. Es ist einfach wunderschön, dir so nah zu sein. Ich weiß, dass das jetzt kitschig klingt, aber ich will es trotzdem sagen: Erst seit du dich in meiner Villa aufhältst, ist sie nicht mehr nur mein Wohnsitz, sondern zu meinem Zuhause geworden. Während der Tage, die du im Krankenhaus verbringen musstest, habe ich mich lieber hier bei dir als in meiner Villa aufgehalten. Sie kommt mir einsam vor, wenn du nicht da bist. Denn mein Zuhause ist dort, wo du auf mich wartest, Crocodile.“ Doflamingo stockte für einen kurzen Moment und wich dem Blick seines Partners aus. Crocodile wusste, dass Doflamingo nur sehr selten seine Gefühlswelt offenbarte. Er grinste und kicherte zwar oft, doch dabei handelte es sich bloß um eine Maskerade. In Wirklichkeit war er ein eher zurückhaltender Mensch, der anderen keine Fläche bieten wollte, um ihn zu verletzen. Darum rührte es Crocodile sehr, dass Doflamingo nun so offen und ehrlich mit ihm sprach. Er war sich dessen bewusst, dass es nur sehr wenige Menschen gab, denen er sich aufrichtig anvertraute. Um seinem Partner die Frage, die dieser allem Anschein nach stellen wollte, ein wenig zu erleichtern, sagte Crocodile „Sprich ruhig weiter. Ich kann mir schon denken, worauf du hinaus willst. Es gibt keinen Grund, um verlegen zu werden. Doffy.“ Er nannte seinen Partner absichtlich bei dessen Kosenamen, weil er wusste, dass Doflamingo ihn sehr gerne hörte; auf eine seltsame Art und Weise schien ihm dieser Name Zuversicht zu schenken und ihn glücklich zu machen. „Mein Fahrer wartet draußen vor dem Gebäude auf uns“, fuhr Doflamingo mit fester Stimme fort. „Es gibt zwei verschiedene Ziele für unsere Fahrt, Crocodile. Aber er wird nur zu einem von beiden fahren. Was soll ich meinem Fahrer sagen, wenn er mich fragt, wohin es gehen soll? Zu dir in deine Loft-Wohnung oder zu mir in meine Villa?“ Crocodile zögerte keinen Augenblick, ehe er meinte: „Sag ihm, er soll zu meiner Wohnung fahren.“ Erst als er Doflamingos enttäuschten und fassungslosen Gesichtsausdruck sah, bemerkte er, wie missverständlich seine Aussage geklungen haben musste. Darum fügte er so rasch wie möglich hinzu: „Um meine Sachen zu holen! Du weißt schon, Kleidung und anderen Kram. Ich besitze ein paar Sachen, die ich gerne mitnehmen möchte, die ich auf jeden Fall mitnehmen muss, wenn ich bei dir einziehe. Verstanden? So habe ich es gemeint!“ Er sah, dass sich der niedergeschlagene Gesichtsausdruck seines Partners in einen verärgerten und betretenen verwandelte. „Dann sag doch das gleich, du Idiot!“, meinte er mit einer vorgeschobenen Unterlippe. „Und jag mir nicht so einen verdammten Schrecken ein!“ „Nenn mich gefälligst nicht einen Idioten!“, gab Crocodile zurück. Er konnte es überhaupt nicht ausstehen, wenn man ihn beleidigte; auch wenn sein Freund dieses Schimpfwort wahrscheinlich bloß halbherzig gemeint hatte. „Und außerdem habe ich überhaupt keine böse Absicht gehabt. Deswegen habe ich mich ja sofort korrigiert, als ich bemerkt habe, dass du meine Aussage falsch verstanden hast!“ „Ich weiß, dass du es nicht böse gemeint, sondern dich bloß falsch ausgedrückt hast“, erwiderte sein Partner schnippisch. „Deswegen habe ich dich ja auch einen Idioten genannt, und nicht etwa einen Bastard oder einen Arsch.“ „Da fühle ich mich aber geehrt, dass ich in deinen Augen kein Bastard oder Arsch bin, sondern bloß ein Idiot!“ Doflamingo grinste. „Jetzt reg dich doch nicht so auf, Crocobaby“, meinte er augenzwinkernd. „Ich habe es nicht böse gemeint. Genausowenig wie du eben. Oder? Also sind wir quitt. Und jetzt lass uns endlich aus diesem Krankenhaus verschwinden, ja? Ich will dich in anderer Gesellschaft als der von weißen Wänden sehen. Man wird ganz verrückt hier drin. Kommst du?“ „Gleich“, erwiderte Crocodile. „Sei doch nicht so hektisch. Auf die paar Minuten kommt es schließlich auch nicht mehr an. Ich knöpfe noch eben mein Hemd zu Ende und dann können wir gehen.“ * Es war ein sehr seltsames Gefühl, nach Wochen der Abwesenheit seine Loft-Wohnung das erste Mal wieder zu betreten. Bedächtig, fast schon melancholisch blickte Crocodile sich um und achtete auf jedes Detail, als er die Türschwelle überquerte. Den Parkett-Boden, die Küche und die Möbel hatte er sich damals bei seinem Einzug nach reichlicher Überlegung neu angeschafft. Auch die Wände hatte er sich frisch tapezieren und streichen lassen. Er hatte sich viel Zeit genommen, um die richtige Einrichtung auszuwählen; und war auch nicht geizig gewesen. Die Farben waren genaustens aufeinander abgestimmt und auch die verschiedenen Materialien harmonierten miteinander. Denn ursprünglich hatte er vorgehabt, sehr lang in dieser Wohnung wohnen zu bleiben. Dass es am Ende doch bloß zwei Jahre werden würden, hatte er damals nicht ahnen können. Unweigerlich fragte Crocodile sich, ob er seine Wohnung wohl anders und womöglich kostengünstiger eingerichtet hätte, wenn er über diesen Umstand vorher Bescheid gewusst hätte. „Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte Doflamingo, der neben ihm stand. „Du wirkst plötzlich irgendwie traurig.“ „Ich bin okay“, entgegnete Crocodile, während er das Wohnzimmer ansteuerte. Das Bücherregal in diesem Raum war eine Sonderanfertigung, die ihm sehr viel bedeutete. „Es ist bloß so, dass es mir schwerer fällt als ich gedacht habe, mich von meiner Wohnung zu trennen. Eigentlich habe ich mich nie für einen sonderlich emotionalen Menschen gehalten, aber jetzt merke ich, dass ich allem Anschein nach an vielen Dingen doch sehr hänge.“ „Oh“, war für eine ganze Weile das einzige, was Doflamingo zu dieser Bekenntnis sagte. Vermutlich hatte er nicht geahnt, dass er mit seinem Wunsch, sein Partner möge rasch bei ihm einziehen, diesen so stark belastete. Er war ein Mensch, der immer durchsetzen wollte, was er sich in den Kopf gesetzt hatte, und häufig erst viel später über die Konsequenzen nachdachte. Sie schwiegen für einen Moment, während Crocodile seinen Blick über die Einrichtung in seinem Wohnzimmer schweifen lief: die Ledercouch, der Fernsehtisch, das Bücherregal, der Teppich, der Couchtisch, der Fernseher, die Lampe, die schweren Vorhänge vor dem Fenster und so weiter. Plötzlich fragte er sich, ob es wirklich die richtige Entscheidung gewesen war, dem Zusammenzug mit seinem Freund zuzustimmen. Eigentlich wollte er doch gar nicht aus seiner Loft-Wohnung ausziehen! Crocodile zögerte und spürte schon, wie er diese überstürzte Entscheidung bereute, als er sich schließlich bewusst machte, dass sein Einzug bei Doflamingo prinzipiell nichts an seiner derzeitigen Situation änderte. Ob nun so oder so: Bleiben konnte er in seiner Loft-Wohnung sowieso nicht. Jetzt, da er seine Arbeit verloren hatte, war sie viel zu teuer geworden. Und seinem Vermieter gekündigt hatte er ebenfalls bereits. Ganz gleich, wie er die Sache auch drehte und wendete, es gab einfach keinen Weg zurück; sondern bloß die Flucht nach vorne. Er würde diesen Umzug durchstehen müssen, ob er wollte oder nicht. Nur auf diese Weise konnte er verhindern, dass sein Partner von seinen Schulden und seiner Kündigung erfuhr. „Du musst ja nicht alles zurücklassen“, durchbrach irgendwann Doflamingos Stimme die Stille. „Ich möchte nicht, dass du das Gefühl hast, du müsstest deine Identität oder dein Leben für mich aufgeben. Ich möchte bloß, dass du einen größeren Raum in meinem Leben einnimmst. Dieser Zusammenzug soll eine Zusammenführung von uns beiden sein. Und das bedeutet natürlich auch, dass du Möbel und andere Dinge von dir mitnehmen kannst. In meiner Villa... also, in unserem Zuhause ist schließlich mehr als genug Platz vorhanden.“ „Das klingt gut“, meinte Crocodile und fühlte sich ein wenig besser; fast schon erleichtert. „Aber es gibt gar nicht allzu viele Dinge, die ich mitnehmen möchte. Der Großteil meiner Kleidung befindet sich ja sowieso schon bei dir.“ Da er für eine Vielzahl seiner Möbelstücke einen Kredit aufgenommen hatte, machte es keinen Sinn, sie bei einem Umzug auf Biegen und Brechen mitzuschleppen. Stattdessen würde er sie lieber verkaufen und mithilfe des Erlöses die ausstehende Summe des entsprechenden Kredites zahlen. Dann wäre er zwar seine exklusiv ausgewählten und sehr hochwertigen Möbel los, dafür wäre allerdings auch ein Teil seiner Schulden getilgt. Crocodile brauchte nicht viel Zeit, um diese beiden Punkte gegeneinander abzuwiegen und letzteren als wertvoller zu befinden. Jeder Berry, den er zurückzahlte, war ein weiterer Schritt auf dem Weg, der aus seiner derzeitigen schlechten Lebenssituation hinausführte. Und brauchen tat er die Möbel sowieso nicht, wenn er bei Doflamingo wohnte. Sein Partner besaß nämlich natürlich bereits jeden Luxusartikel, den man sich nur vorstellen konnte. „Was hältst du davon, wenn du dir in Ruhe überlegst, was du mitnehmen möchtest und was nicht? Und deine Auswahl teilen wir dann dem Umzugsunternehmen mit. Die restlichen Möbel werden dann entsorgt oder was auch immer du damit machen möchtest.“ „Das ist wahrscheinlich die beste Lösung“, stimmte Crocodile dem Vorschlag seines Partners zu. Gemeinsam streiften sie in einem langsamen Schritttempo durch die knapp 250 Quadratmeter zählende Loft-Wohnung; Crocodile begutachtet wehmütig alle Möbelstücke und Einrichtungsgegenstände, die er besaß. Während er sich Gedanken darüber machte, was bereits abbezahlt war, was wie teuer gewesen, wovon er sich trennen und was er unbedingt mitnehmen wollte, hielt Doflamingo sich größtenteils zurück. Er sprach sehr wenig und mischte sich nicht in die Entscheidungen seines Freundes ein, was ein sehr untypischen Verhalten für ihn war. Anscheinend war er der Ansicht, dass es sich hierbei um eine sehr emotionale und intime Situation handelte, in der er seinem Partner lieber ein wenig Ruhe und Raum gewähren sollte. „Ich sollte mir am besten aufschreiben, was ich mitnehmen werde und was nicht“, meinte Crocodile, als er irgendwann feststellte, dass es sich doch um mehr Dinge handelte als er sich im Kopf merken konnte. „In meinem Arbeitszimmer müssten Papier und Stifte sein.“ Gemeinsam mit Doflamingo suchte er also sein Arbeitszimmer auf, das sie bisher noch nicht betreten hatten. Der Anblick des großen Mahagoni-Schreibtisches versetzte Crocodile einen schmerzhaften Stich. Für einen Manager war es natürlich unumgänglich, sich auch Zuhause ein Büro einzurichten. Immer wieder musste man Arbeit mit nach Hause nehmen und auch in seiner Freizeit dem Unternehmen zur Verfügung stehen. Crocodile hatte in den letzten zwei Jahren sehr viel Zeit an diesem Schreibtisch verbracht. Er hatte hart gearbeitet und immer sein Bestes gegeben. Und am Ende war doch alles umsonst gewesen. Crocodile musste hart schlucken. Dieser Schreibtisch aus dunklem Mahagoni machte ihm auf eine ganz furchtbare Art und Weise deutlich, dass er versagt hatte. Er war nicht gut genug gewesen. Er hatte sein Leben verpfuscht. Die vielen Jahre, die er studiert und sich hochgearbeitet hatte, waren umsonst gewesen. Bedächtig umrundete Crocodile seinen Schreibtisch. Neben dem Computer standen einige eingerahmte Fotos. Eines zeigte ihn gemeinsam mit seinen beiden Geschwistern; Hancock lächelte fröhlich in die Kamera, Mihawk wirkte stoisch wie immer und er selbst hatte einen recht genervten Gesichtsausdruck aufgesetzt. Er wusste gar nicht mehr genau, wann oder wo das Bild aufgenommen worden war, doch es gefiel ihm sehr gut. Seiner Meinung nach waren ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten sehr lebensecht festgehalten worden. Auf einem weiteren Foto war Doflamingo abgebildet: Er trug ein orangefarbenes, nur halb zugeknöpftes Hemd und grinste frech in die Kamera. Ein drittes Foto zeigte Daz und ihn in ihrer Studienzeit. Sein alter Freund hatte brüderlich einen Arm um ihn gelegt. Sie waren auf einer Party gewesen, als das Foto aufgenommen worden war: Im Hintergrund sah man ein paar Menschen (seinen Exfreund Marco eingeschlossen), die ausgelassen feierten und sich miteinander unterhielten. Außerdem hielten sie alkoholische Getränke in ihren Händen; Daz ein Bier und er selbst eine kleine Flasche Wein. Damals hatte er noch beide seiner Hände gehabt und auch sein Gesicht war noch von keiner Narbe verunstaltet worden. „Bist du das?“, fragte sein Partner verwundert, während er das eingerahmte Foto betrachtete, das vor vielleicht zwölf oder dreizehn Jahren aufgenommen worden war. Doflamingo hatte sich bisher nie sonderlich oft oder lange in seinem Arbeitszimmer aufgehalten, daher kannte er die Bilder, die dort auf dem Schreibtisch standen, nicht. „Man erkennt dich kaum wieder. So ganz ohne Narbe und mit beiden Händen.“ Crocodile nickte. „Es ist ein sehr altes Bild“, erklärte er. „Daz und ich sind auf einer Studentenparty gewesen. Die Sache mit meiner Hand ist erst gegen Ende meines Studiums passiert. Und meine Narbe ist sowieso erst deutlich später noch dazu gekommen.“ Besagte Party hatte in der Wohnung von Marco stattgefunden, doch Crocodile hielt es für ratsam, diesen Umstand seinem derzeitigen Partner lieber zu verschweigen. Doflamingo reagierte sehr schnell eifersüchtig. Außerdem war diese Tatsache sowieso belanglos. Er hatte seinen Exfreund schließlich seit über zehn Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen; es war bloß eine unbedeutende Jugendliebe gewesen. „Also, ich wollte damit auf keinen Fall sagen, dass du heute schlechter aussiehst!“, warf Doflamingo sofort hektisch aus. „Mir machen deine Narbe und deine fehlende Hand überhaupt nichts aus; schließlich habe ich dich so kennengelernt. Du sahst damals nur eben anders aus. Ganz ungewohnt.“ Crocodile winkte ab. „Ist schon okay, mach dir keine Gedanken.“ Zu Beginn hatte er selbst zwar sehr große Schwierigkeiten damit gehabt, sich an diese beiden Verunstaltungen seines Körpers zu gewöhnen, doch inzwischen hatte er sich damit abgefunden. Ihm machte es nicht aus, wenn sein Partner dieses Thema ansprach, auch wenn jener anscheinend glaubte, dass es sich dabei um einen seiner wunden Punkt handelte. „Wer sind denn die Leute im Hintergrund?“, fragte Doflamingo. Vermutlich wollte er rasch das Gesprächsthema wechseln. „Ach, bloß ein paar Mitstudenten“, erwiderte Crocodile ausweichend und suchte nach einem Stück Papier und einem Stift. Schließlich waren sie deswegen überhaupt ins Arbeitszimmer gegangen; und nicht, um sich alte Fotos von ihm anzuschauen und gegebenenfalls Diskussionen über seinen Exfreund zu führen. „Abgesehen von Daz habe ich eigentlich gar keinen Kontakt mehr zu irgendwelchen Leuten von der Universität. Nach dem Abschluss verliert man sich sehr leicht aus den Augen.“ Er fand schließlich einen unbenutzten Schreibblock und notierte Fotos ganz oben auf der Seite. Dann fügte er einen kleinen Pfeil hinzu und schrieb vorher aussortieren daneben. „Ich habe noch eine Menge anderer Fotos“, meinte er auf den fragenden Blick seines Partners hin. „Du weißt schon, alte Kinderfotos und so einen Kram. Die werde ich bestimmt nicht alle mitnehmen. Es macht nämlich einfach keinen Sinn, hunderte lose Fotos mitzunehmen, die ich mir sowieso nie anschaue. Ich sollte diesen Umzug als Anlass nehmen, um zu sortieren, welche ich mitnehmen möchte und welche nicht.“ „Klingt logisch“, entgegnete Doflamingo. „Wenn du möchtest, dann kann ich dir dabei helfen. Ich würde gerne mal ein paar Kinderfotos von dir sehen. Und was hältst du davon, wenn wir uns ein paar hübsche Fotoalben zulegen? Dann können wir die ganzen losen Fotos einkleben. Ich finde Fotoalben nämlich total romantisch! Das ist so schön altmodisch.“ Crocodile rollte mit den Augen, ergab sich schlussendlich aber doch den Wünschen seines Freundes. „Du stehst doch auf alles, was altmodisch ist. Oder eher kitschig. Aber von mir aus können wir das machen. Wie wäre es mit morgen Nachmittag?“ „Gerne“, sagte Doflamingo, der auf die abfällige Aussage seines Partners hin bloß angefangen hatte zu kichern. „Ich freue mich schon darauf.“ „Wie auch immer“, erwiderte Crocodile und versuchte, die Aufmerksamkeit von ihnen beiden wieder auf den eigentlichen Grund hinzulenken, weswegen sie hier waren. „Jetzt sortieren wir erstmal die Möbel, wenn dir das nichts ausmacht. Um die Fotos kümmern wir uns morgen. Ich möchte möglichst schnell fertig werden. Die Luft hier in der Wohnung ist nämlich furchtbar stickig. Kein Wunder: Schließlich ist wochenlang kaum gelüftet worden.“ Die Raumluft war tatsächlich sehr schlecht, doch wenn er ehrlich war, dann war dieser Grund bloß ein Vorwand für seine Eile. In Wirklichkeit wollte Crocodile bloß die Beine in die Hand nehmen, damit er zum einen nicht mehr den Anblick seines teuren Mahagoni-Schreibtisches ertragen musste und zum anderen, weil er sich sputen musste, was den bevorstehenden Umzug anging - schließlich lief sein Mietvertrag bereits in nur zwei Wochen aus. Bis dato mussten all seine Habseligkeiten entweder vernichtet, abgegeben oder in Doflamingos Villa einquartiert sein. Und das waren bei Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen, die sich auf insgesamt 250 Quadratmeter Wohnfläche verteilten, nicht unbedingt eine leichte Aufgabe. * Am nächsten Tag riefen sie ein Umzugsunternehmen an. Es war früher Abend und sowohl Doflamingo als auch Crocodile waren bereits von ihrer Arbeit ins heimische Wohnzimmer zurückgekehrt. Letzterer fühlte sich ein wenig ausgelaugt, weil seine Arbeit in der Bank heute besonders zermürbend gewesen war und weil er sich noch immer nicht daran gewöhnt hatte, nach Feierabend eine fast einstündige Autofahrt auf sich nehmen zu müssen, um zu der Villa seines Partners zu gelangen, doch er bemühte sich so gut wie möglich darum, diesen Umstand zu verschleiern. „Für wann wollen wir die Möbelpacker denn bestellen?“, fragte Doflamingo, der das Telefon in der Hand hielt. „Gibt es irgendeinen Termin, der dir besonders gut passt?“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Mir ist das eigentlich relativ egal“, sagte er wahrheitsgemäß. Als ihm jedoch der kurze Zeitraum einfiel, den er nur noch für den Auszug aus seiner Loft-Wohnung übrig hatte, fügte er rasch hinzu: „Aber am besten natürlich so schnell wie möglich. Die wichtigsten Sachen sind ja sowieso schon geklärt; also, welche Möbel ich gerne mitnehmen möchte und welche nicht. Von mir aus können wir die Möbelpacker schon für nächstes Wochenende bestellen.“ „Klingt gut“, erwiderte Doflamingo fröhlich; seit der Entlassung seines Partners aus dem Krankenhaus und dessen fester Zusage, bei ihm in die Villa einzuziehen, schien er ständig bester Laune zu sein. Nichts konnte ihm die gute Stimmung verderben. Und offenbar sehnte er sich den bevorstehenden Umzug seines Freundes ebenfalls rasch herbei; jedenfalls machte er den Anschein, als hätte er überhaupt gar kein Problem mit Crocodiles großer Eile. „Passt dir Samstag? Das ist der Dritte nächsten Monats.“ „Samstag passt“, entgegnete Crocodile. „Super“, sagte Doflamingo, während er die Nummer des Umzugsunternehmen, das er herausgesucht hatte, in das Telefon eintippe. Angesichts dieses Verhaltens legte Crocodile die Stirn in Falten. „Warum rufst du an?“, fragte er seinen Partner mit mürrischer und vorwurfsvoller Stimme. „Schließlich ziehe ich um und nicht du. Ich sollte lieber mit dem Umzugsunternehmen sprechen!“ Doflamingo allerdings winkte bloß ab. „Das ist doch völlig egal, oder nicht?“, meinte er unbeeindruckt, während er darauf wartete, dass am anderen Ende der Leitung abgenommen wurde. „Nein, ist es nicht“, erwiderte Crocodile und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du weißt genau, dass ich es überhaupt nicht leiden kann, wenn man mir irgendetwas abnimmt!“ Doflamingo wollte zu einer Erwiderung ansetzen, verstummte allerdings, als sich per Telefon besagtes Umzugsunternehmen meldete. Er ignorierte den finsteren Blick, den sein Freund ihm zuwarf, und erklärte stattdessen den Umzugsleuten ihre Situation; er nannte auch den Termin, den sie beide sich wünschten. Es dauerte etwa eine Viertelstunde, bis alle wichtigen Fragen geklärt worden waren. „Jetzt sei doch nicht so furchtbar eingeschnappt“, sagte Doflamingo, als sein Partner sich auch nach Ende des Telefonats noch immer nicht wieder eingekriegt hatte. „Ich habe allen Grund dazu, eingeschnappt zu sein“, entgegnete dieser giftig. „Du nimmst mir meine Telefonate ab! Es geht hier um meinen Umzug, nicht um deinen. Demnächst geht es noch so weit, dass du Termine beim Zahnarzt für mich ausmachst! Gott behüte!“ Wie so häufig nahm Doflamingo seinen Ärger jedoch nicht sonderlich ernst. „Findest du nicht, dass du ein wenig übertreibst?“, fragte er grinsend und kichernd. „Was wäre denn so schlimm daran, wenn ich Zahnarzttermine für dich ausmachen würde? Wir sind doch schließlich ein Paar, oder nicht? Ein gemeinsames Team.“ „Du tust so, als wären wir seit zwanzig Jahren verheiratet“, sagte Crocodile augenrollend, spürte allerdings bereits wieder, wie sich sein Ärger langsam in Luft auflöste. Er konnte seinem Freund einfach nie lange böse sein; zumindest nicht, wenn es sich bloß um irgendwelche Kleinigkeiten handelte. „Mir kommt es eben so vor, als würden wir uns schon ewig kennen“, erwiderte Doflamingo, während er einen Arm um seinen Partner legte und diesen näher zu sich heranzog. „Man sagt doch immer, dass die Zeit schnell vergeht, wenn man sie mit jemanden verbringt, den man sehr gerne mag, oder nicht?“ „Wir sind erst seit sieben oder acht Monaten ein Paar“, meinte Crocodile und versucht die Röte zu verbergen, die seinen Hals hinaufkroch. Es war ihm immer ein wenig unangenehm, wenn man ihm Komplimente machte. Doflamingo kicherte keck und rückte noch näher an ihn heran. Crocodile konnte den Atem seines Partners an den Spitzen seiner Ohren fühlen. Sofort wurde ihm sehr warm. Er ahnte bereits, worauf dieses Gespräch hinauslaufen würde. „Es kommt mir viel länger vor“, sagte Doflamingo und knabberte sanft an der Ohrmuschel seines Partners. Augenblicklich spürte dieser, wie ihm ein angenehmer Schauer über den Rücken lief. Seine Ohren gehörten nach seinem Hals und seinen Brustwarzen zu seinen empfindlichsten Körperstellen. Worüber Doflamingo ganz genau Bescheid wusste. „Ich kann es mir gar nicht mehr vorstellen, mein Leben ohne dich zu verbringen. Ich hoffe, dass wir beide für immer zusammen bleiben werden.“ „Das hoffe ich auch“, erwiderte Crocodile, während Doflamingos Mund von seinem Ohr hinab zu seinem Hals glitt und dort seine Tätigkeit fortführte. Er bearbeitete sowohl mit seinen Zähnen als auch mit seinen Lippen und seiner Zunge eingehend die überaus empfindliche Haut an dieser Stelle. Sie hatten wegen des Zwischenfalls im Skypia und Crocodiles mehrtägigem Krankenhausaufenthalt, der daraus resultiert war, seit letztem Wochenende keinen Sex mehr gehabt. In ihrer Beziehung und vor allen Dingen für Doflamingo war das ein sehr langer Zeitraum; sein Partner hatte nämlich am liebsten jeden Tag Sex. Mindestens einmal, gerne aber auch zweimal oder öfter. Erst seit sie beide zusammenwohnten und sich jeden Tag sahen, war Crocodile wirklich bewusst geworden, welchen großen Raum Sexualität im Leben seines Freundes tatsächlich einnahm. Und wie sehr sich Doflamingo in den vielen Monaten, als sie noch getrennt gewohnt hatten und sich darum bloß bestenfalls dreimal in der Woche sehen konnten, zusammengerissen und zurückgehalten haben musste. Zumindest ging Crocodile davon aus, dass sein Partner ihm in ihrer Beziehung immer treu geblieben war, auch wenn sie damals nicht ganz so oft Sex miteinander haben konnten, wie dieser es sich gewünscht hätte. Der Gedanke daran, dass Doflamingo ihn womöglich betrügen oder betrogen haben könnte, sorgte bei Crocodile für ein flaues Gefühl im Magen. Schließlich war er in den letzten Wochen und Monaten häufig sehr gereizt und übellaunig gewesen; außerdem hatte er ihrer Liebesbeziehung durch viele Überstunden und abgesagten Verabredungen noch weniger Zeit als sowieso schon eingeräumt. Wäre es da verwunderlich, wenn Doflamingo sich in besonders einsamen Stunden die Zeit mit einem anderen Mann vertrieben hätte? Oder mit einer Frau. Schließlich war sein Partner nicht wie er selbst homo-, sondern bisexuell. Sehnte sich Doflamingo vielleicht gelegentlich nach weiblicher Gesellschaft? „Du wirkst ganz abwesend“, riss ihn die vorwurfsvolle Stimme besagter Person aus den Gedanken. Doflamingo, der sich inzwischen daran gemacht hatte, das Hemd seines Partners aufzuknöpfen, warf ihm durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille hindurch einen abschätzenden Blick zu. „Gefällt dir nicht, was ich mache? Oder bist du heute nicht in der Stimmung für Sex?“ „Doch, doch“, erwiderte Crocodile, der sich ein wenig ertappt fühlte, hastig und rieb sich mit der rechten Hand die Schläfe. „Ich bin nicht wirklich abwesend, ich genieße bloß dein schönes Verwöhnprogramm.“ Er zögerte für einen kurzen Moment, ehe er hinzufügte: „Oder wünschst du dir, dass ich etwas aktiver werde? Wenn du möchtest, dann kann ich heute oben sein?“ Doflamingo schüttelte langsam den Kopf. „Nein, ist schon gut. Ich bin gerne oben, das weißt du doch. Außerdem hast du dir nach deinem Aufenthalt im Krankenhaus ein wenig Entspannung und Zuwendung redlich verdient, finde ich. Also lass dich einfach darauf ein, ja? Ich kümmere mich um dich und bemühe mich darum, dir ein paar schöne Momente zu bescheren.“ Die letzten Worte sprach Doflamingo mit einem lüsternen Grinsen im Gesicht aus. „Ein paar schöne Momente?“, wiederholte Crocodile und versuchte die Instruktionen seines Partners in die Tat umzusetzen. Er schob die Gedanken daran, dass Doflamingo ihn womöglich betrügen könnte, zur Seite und konzentrierte sich stattdessen auf das, was nun geschehen würde. Schließlich hatte er nicht den geringsten Beweis, was das Fremdgehen anging; es handelte sich bloß um eine haltlose Vermutung seinerseits. Vermutlich tat er Doflamingo sogar großes Unrecht damit, dass er an so etwas auch nur dachte. Während ihrer gesamten Beziehung hatte ihm sein Partner jedenfalls noch nie einen ernsthaften Grund zur Eifersucht gegeben. „Ganz genau“, bestätigte Doflamingo, während er die Sonnenbrille ablegte und seine stechend grünen Augen freilegte. Wie immer, wenn sein Freund ihn völlig unverwandt anblickte, lief Crocodile prickelnd ein Schauer über den Rücken; außerdem stellten sich die feinen Härchen an seinen Armen und in seinem Nacken auf. Doflamingo nahm seine Sonnenbrille nämlich nur zum Schlafen und zum Sex ab. [zensiert] „Und?“, meinte Doflamingo breit grinsend, während er sich langsam aufrichtete. „Hat es dir gefallen, Crocobaby?“ Crocodile war zu keiner Antwort fähig. Aber das konnte sein Freund natürlich selbst sehr gut sehen; wie immer wollte er ihn bloß ärgern, vermutete Crocodile. Er lag mit noch immer gefesselten Armen nackt auf der Couch, hatte seine Augen inzwischen wieder geschlossen und bemühte sich darum, zu Atem zu kommen. Er fühlte sich völlig ausgelaugt. Und ein wenig benommen. Er würde ein paar Minuten Ruhe brauchen, ehe er wieder ansprechbar sein würde. Im Augenblick fühlte er sich nämlich weniger wie eine echte Person, sondern eher bloß wie ein zusammengesunkener, heißer und schwer atmender Haufen menschlichen Fleischs. Der Sex mit seinem Freund war zwar meistens gut, doch dieses Mal hatte Doflamingo sich wirklich selbst übertroffen. (Obwohl es sich technisch gesehen nicht einmal wirklich um Sex gehandelt hatte: Schließlich hatte Doflamingo ihn nicht mit seinem Penis penetriert.) „Mach meine Arme los!“, war das erste, was Crocodile sagte, als er sich wieder einigermaßen gesammelt hatte. Jetzt, da er sich nicht mehr in einer erotischen Situation befand, gefiel ihm auch das Gefühl nicht mehr, nackt und gefesselt zu sein, während sein Partner noch immer vollständig bekleidet war. Doflamingo kicherte, doch kam seiner Anordnung rasch nach und befreite ihn von den beiden schwarzen Schals, die er anschließend neben den Vibrator auf den Couchtisch legte. „Und wie hat es dir nun gefallen?“ „Als wüsstest du das nicht schon...!“, erwiderte Crocodile bloß seufzend. Er wollte gerade seine Kleidung zusammensuchen, sie sich überstreifen und sich dann ein großes Glas Wasser besorgen (aus irgendeinem Grund war er im Moment sehr durstig), als ihm plötzlich bewusst wurde, was es bedeutete, dass sein Partner noch immer vollständig bekleidet war: Mal wieder war Crocodile von Doflamingo -ohne danach fragen zu müssen- sexuell verwöhnt worden, während dieser selbst vielmehr zurückgesteckt hatte. Sofort überkamen Crocodile Schuldgefühle: Ganz gleich wie erschöpft und durstig er sich gerade fühlte, konnte er doch seinen Freund, der ihm so viel Gutes getan hatte, nicht einfach unbefriedigt sitzen lassen. Er wusste, dass es sein Pflicht war, den Gefallen zurückzugeben. Crocodile wollte keiner dieser Liebhaber sein, die immer nur nahmen, aber niemals bereit waren, zu geben. Also strich er sich die Haare aus dem Gesicht, anstatt nach seiner auf dem Fußboden liegenden Hose zu greifen, und beugte sich zu Doflamingo hinüber, der am anderen Ende der Couch saß. „Was kann ich tun, um den Gefallen, den du mir erwiesen hast, zurückzugeben?“, fragte er mit gleichzeitig matter und lasziver Stimme. „Dich ausruhen und dir eine Zigarre gönnen“, erwiderte Doflamingo noch immer grinsend, während er ihm mit einer Hand zärtlich durchs Haar fuhr. „Was?“, hakte Crocodile überrascht nach; mit einer solchen Antwort hatte er nicht gerechnet. Eher damit, dass sein Partner sich so schnell wie nur irgendwie möglich aus seiner Hose schälen und sich auf ihn stürzen würde. Da er ja sowieso eben sowohl mittels Finger als auch mittels Vibrator verwöhnt und geweitet worden war, wäre schließlich nicht einmal eine erneute Vorbereitung notwendig. Er könnte sofort loslegen. Wenn er denn wöllte. „Dich ausruhen und dir eine Zigarre gönnen“, wiederholte Doflamingo. „Du siehst ziemlich fertig aus. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie laut du eben geschrien hast.“ „Aber willst du denn nicht weitermachen? Du bist doch noch gar nicht auf deine Kosten gekommen!“ Solche Situationen wie diese hier geschahen in letzter Zeit recht häufig, fand Crocodile. Doflamingo verwöhnte ihn auf irgendeine Art und Weise, hatte es dann allerdings nicht sonderlich eilig, seinen eigenen Anteil einzufordern. Dabei konnte sein Freund doch gerade von Sex normalerweise nie genug bekommen! Crocodile kam nicht umhin, sich erneut zu fragen, ob Doflamingo womöglich eine Affäre hatte. Das würde zumindest erklären, wieso dessen Verlangen nach Sex in letzter Zeit ein wenig abgesunken war. Auf der anderen Seite fragte Crocodile sich allerdings, wieso dieser sich dann überhaupt die Mühe machte, eine erotische Situation heraufzubeschwören und ihn zu verwöhnen; vor allen Dingen dann, wenn er selbst keine Signale setzte, die darauf hindeuten würden, dass er gerade Lust auf Sex hatte. Dieses paradoxe Verhalten seines Partners gab Crocodile Rätsel auf; so kannte er ihn überhaupt nicht. „Natürlich will ich weitermachen“, meinte Doflamingo und gab ihm einen sanften Kuss auf die Lippen. „Aber ich möchte auch, dass es dir gefällt.“ Er zögerte für einen kurzen Moment und holte dann aus: „Ich habe manchmal das Gefühl, dass du es als Pflicht ansiehst, mit mir zu schlafen.Vor allem, wenn ich dir vorher zum Beispiel einen Blowjob gegeben habe oder ich dich wie eben mit dem Vibrator überrascht habe. Aber das möchte ich nicht. Ich möchte nicht, dass du den Sex mit mir bloß als eine Verpflichtung ansiehst; sondern, dass du mit mir schläfst, weil du selber Lust darauf hast und das möchtest. Um ehrlich zu sein, kann ich diese Wenn du mir etwas Gutes tust, muss ich dir um jeden Preis auch etwas Gutes tun-Logik überhaupt nicht leiden.“ „Ich... tut mir leid“, war das einzige, was Crocodile angesichts dieser unerwarteten Beichte hervorbrachte. Er fühlte sich geschockt und sehr überfordert mir diesem Gespräch, das sie beide gerade führten. „Ich...ähm... ich wusste nicht, dass mein Verhalten beim Sex so... so komisch und zwanghaft wirkt.“ „Das soll kein Vorwurf sein!“, warf sein Freund sofort ein, als er bemerkte, dass Crocodile sich ertappt fühlte. „Ich weiß doch, dass du mir nichts Böses willst. Ganz im Gegenteil: Du willst mir ja sogar etwas Gutes tun. Aber ich habe eben oft das Gefühl, dass du das hauptsächlich aus deinem Pflichtbewusstsein heraus tust. Und, ähm, darum bitte ich dich darum, dieses Verhalten einzustellen. Zu versuchen, es einzustellen! Ich möchte nämlich, dass unser Sex ganz locker und entspannt abläuft. Ohne irgendwelche Zwänge und Pflichten. Es ist sowieso unmöglich, eine Art absolute Gleichheit herzustellen. Mal hat der Eine mehr Lust beim Sex und mal der Andere. Und das ist auch überhaupt nicht schlimm. Deswegen mach dir bitte nicht immer selbst so einen fürchterlichen Druck, ja?“ „Ähm, klar“, sagte Crocodile und nickte. Er war sich durchaus dessen bewusst, dass Doflamingo mit seiner Beobachtung genau ins Schwarze getroffen hatte; allerdings war Crocodile nie klar gewesen, dass er beim Sex so schrecklich offensichtlich nach seinem Pflichtgefühl handelte. Und vor allen Dingen wäre er auch niemals auf die Idee gekommen, dass dieses Verhalten einen seiner Sexualpartner stören könnte. Er hatte mit seinen Exfreunden und One-Night-Stands bisher sogar eher noch die Erfahrung gemacht, dass sein Sinn für ausgleichende Gerechtigkeit im Bett sehr gern gesehen wurde. „Ich hoffe, du fühlst dich jetzt nicht verletzt“, sagte Doflamingo und umarmte ihn sanft. „Ich weiß, dass Sex in jeder Beziehung ein sehr sensibles Thema ist und dass es dir ganz besonders schwer fällt, darüber zu sprechen. Sei bitte nicht wütend auf mich, ja? Es ist doch wirklich bloß eine Kleinigkeit, die mich stört. Nichts Schlimmes. Alles andere an dir finde ich super!“ „Nein, ist schon gut, ich bin nicht wütend“, erwiderte Crocodile. Diesmal log er nicht; er war tatsächlich nicht wütend, fühlte sich eher ein wenig vor den Kopf gestoßen. Er schwieg für einen Moment, ehe er zu einer Erwiderung ansetzte: „Aber so einfach wie du dieses Prinzip darstellt, ist es in der Realität nicht umzusetzen! Stell dir das doch nur mal vor: Du gibst mir einen... naja, einen richtig tollen Blowjob oder so etwas in der Art... und dann sage ich einfach Danke, das reicht mir, ich habe keine Lust weiterzumachen. Vielleicht morgen. Dann wärst du doch sicher enttäuscht von mir, oder nicht? Was in dieser Situation natürlich auch völlig verständlich wäre. Und ich möchte dich einfach nicht enttäuschen. Vor allen Dingen beim Sex nicht; ich weiß doch, wie wichtig dir guter Sex in einer Beziehung ist!“ „Klar ist mir guter Sex wichtig“, meinte Doflamingo. „Wenn der Sex nicht gut läuft, dann läuft die gesamte Beziehung nicht gut. Aber genau deswegen möchte ich ja, dass du dich nicht unter Druck setzt. Du sollst den Sex genießen und ihn nicht als lästige Verpflichtung ansehen!“ „Sex ist für mich keine lästige Verpflichtung!“, erwiderte Crocodile und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das ist völlig übertrieben ausgedrückt! Mir gefällt unser Sex doch! Ich brauche bloß manchmal einen kleinen Schubs in die richtige Richtung. Ich bin ja nicht frigide. Oder bist du etwa der Meinung, in letzter Zeit hätten wir eine Flaute im Bett?“ „Nein, natürlich nicht.“ Doflamingo schien langsam, aber sicher zu verzweifeln. „Verdammt, Crocodile, du weißt doch, was ich meine. Ich möchte dich einfach nur darum bitten, unseren Sex ein wenig lockerer und entspannter anzugehen. Und weniger auf irgendeine ausgleichende Gerechtigkeit fixiert zu sein. Um deinetwillen möchte ich dich darum bitten. Auf etwas anderes wollte ich doch gar nicht hinaus!“ „Ist ja schon gut“, versuchte Crocodile seinen Partner ein wenig zu beschwichtigen. Er verstand schließlich schon, worauf dieser hinauswollte. Irgendwo gab er ihm vielleicht sogar ein wenig Recht. Es war nicht gelogen, wenn Doflamingo behauptete, dass er bestimmte sexuelle Handlungen aus einem Pflichtgefühl heraus tat. Er wollte seinen Freund eben nicht enttäuschen. Außerdem befand sich ihre Liebesbeziehung derzeit sowieso in einer sehr heiklen und sensiblen Phase: Es ging nicht nur darum, dass Crocodile letztens nur wenig Zeit für Doflamingo übrig hatte, weil er sehr viel arbeitete, um seine Schulden abbezahlen zu können, sondern auch um ihrem Zusammenzug, in dem sie beide mittendrin steckten. Er hatte ihre Beziehung nur nicht noch stärker belasten wollen, indem er sich lustlos zeigte oder seinen Partner sogar den Sex verweigerte. Aber allem Anschein nach hatte er Doflamingo auch mit dieser Taktik nicht zufriedenstellen können. Crocodile hatte das unangenehme Gefühl, dass er -ganz gleich, was auch immer er tat- nichts richtig machte. Jede Entscheidung, die er traf, war die Falsche. Er würde es seinem Partner niemals recht machen können! Dieses Eingeständnis frustrierte Crocodile. „Na gut“, sagte er einfach bloß, um Doflamingo seine eigene Medizin schmecken zu lassen, „wenn es dich nicht stört, dann rauche ich jetzt in Ruhe eine oder zwei Zigarren und trinke außerdem ein Glas Wasser. Ich hoffe, dass dir das nichts ausmacht!“ „Nur zu“, erwiderte Doflamingo lächelnd und ohne auf den deutlichen Sarkasmus in der Stimme seines Partners einzugehen. „Lass dir ruhig so viel Zeit wie du brauchst. Wir machen dann weiter, wenn du dich bereit dazu fühlst, Wani!“ Doflamingos Unbefangenheit verstärkte Crocodiles Frust noch weiter; er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Freund sich tatsächlich so ohne jeden Missmut an sein eigenes Wort halten würde. Auf der anderen Seite allerdings kam ihm dieses Verhalten natürlich zu gute: Er war im Moment wirklich sehr durstig und sehnte sich nach ein paar Schlücken stilles Mineralwasser. Schlussendlich entschied Crocodile sich also dafür, sich lose seine Hose überzustreifen, ein großes Glas Wasser zu trinken, eine Zigarre zu rauchen und zur Toilette zu gehen, ehe er endlich zu seinem Partner, der die ganze Zeit über überraschend still und geduldig auf der Couch gewartet hatte, zurückkehrte. * Nach dem Sex (der zu Crocodiles Unmut mindestens ebenso gut gewesen war wie das Vorspiel), duschten sie gemeinsam und aßen zu Abend, ehe sie sich ihrem Vorhaben zuwendeten, die vielen Fotos, die Crocodile besaß, zu sortieren und in Fotoalben einzukleben. Damit sie nicht nur deswegen noch einmal zurück zu seiner alten Loft-Wohnung fahren mussten, hatte er die vielen losen Fotos am vorherigen Tag gleich mitgenommen. Vor allen Dingen Doflamingo schien sehr gespannt zu sein. „Ich kann es kaum noch abwarten, endlich die vielen Fotos von dir zu sehen“, meinte er gut gelaunt und aufgeregt, während sie es sich an einem großen Tisch gemütlich machten. Auf der Tischplatte lagen schon sowohl die Fotos als auch verschiedene Fotoalben bereit, die Doflamingo besorgt hatte; dazu natürlich auch Schere und Klebstoff. Der Tisch stand weder im Wohn- noch im Esszimmer der großen Villa, sondern in einem separaten Raum im Erdgeschoss, der zum Garten hinausging. Der Raum war mittelgroß, lichtdurchflutet und sehr gemütlich eingerichtet. Crocodile fragte sich unweigerlich, für welchen Zweck er vorgesehen war, wenn es nicht gerade darum ging, ein paar Bastelarbeiten mit Fotos vorzunehmen. Allerdings wagte er es nicht, seinen Partner zu fragen. Er selbst hatte niemals in einer so unfassbar teuren und luxuriösen Villa wie dieser hier gewohnt und er wollte sich nicht in eine peinliche Situation bringen, weil er sich mit der Raumteilung nicht auskannte. Außerdem, dachte er, umfasste Doflamingos Domizil sicherlich mehrere tausend Quadratmeter und wenn man nicht wollte, dass die Hälfte der Räume völlig leer standen, musste man sie ja schließlich auf die eine oder andere Weise einrichten. „Es sind doch nur ein paar alte Fotos“, meinte Crocodile, der die Aufregung seines Partners überhaupt nicht nachvollziehen konnte. „Nichts besonderes.“ „Für mich sind sie etwas besonderes“, erwiderte Doflamingo breit grinsend. „Ich habe dir doch schon mal erklärt gehabt, dass ich gerne mehr über dich erfahren würde. Du weißt schon, über deine Vergangenheit und deine Familie. Ich möchte einfach alles über dich wissen!“ „Da gibt es doch gar nicht so viel zu wissen“, entgegnete Crocodile und suchte sich relativ wahllos eines der vielen Fotoalben heraus, die sein Freund gekauft hatte. „Ich bin kein Superstar, Doflamingo, sondern bloß ein ganz normaler Mensch. Es gibt mit Sicherheit hunderttausend Personen, die interessanter sind als ich.“ „Nicht für mich“, gurrte Angesprochener, ehe er per Zufallsprinzip nach einen kleinen Stapel Fotos griff. Der große Haufen, der vor ihnen auf dem Tisch lag, war völlig unsortiert; Crocodile hatte seit seinem Einzug in seine Loft-Wohnung keinen Blick mehr auf die vielen Fotos geworfen. Eigentlich hatte er sie damals schon loswerden wollen, doch seine Schwester Hancock, die eine echte Schwäche für Kinder- und Familienfotos hatte, hatte ihn dazu gedrängt, sie zu behalten. Also hatte er sie kurzerhand in irgendeine freie Schublade verfrachtet und für eine lange Zeit nicht mehr daran zurückgedacht. „Oh, das ist ein Foto von Mihawks achtem Geburtstag“, erklärte Crocodile seinem Partner überflüssigerweise, als sie beide einen Blick auf das Bild warfen, das sich dieser herausgesucht hatte: Mihawk saß am Küchentisch und blies die acht bunten Kerzen auf seiner Geburtstagstorte aus. Mit der rechten Hand stützte er sich an der Tischkante ab; mit der linken hielt er Crocodile, der auf dem Schoß seines älteren Bruders saß, fest umschlungen. Zu diesem Zeitpunkt war er noch ein Kleinkind gewesen. „Du warst ein süßes Baby“, sagte Doflamingo, während er entsprechendes Bild so begeistert betrachtete als handelte es sich dabei nicht um ein langweiliges Kinderfoto, sondern um das Werk eines berühmten Künstlers. „Findest du?“, erwiderte Crocodile skeptisch. „Das kannst du doch gar nicht beurteilen. Auf dem Foto bin ich doch gar kein Baby mehr. Als Mihawk acht Jahre alt geworden ist, müsste ich so etwa zweieinhalb gewesen sein. Also eher ein Kleinkind als ein Baby.“ „Dann warst du eben ein süßes Kleinkind“, meinte Doflamingo unbeirrt. „Jedenfalls müssen wir dieses Foto unbedingt einkleben. Am besten wir sortieren die Fotoalben nach Lebensphasen. Alle Fotos, auf denen du als Baby oder Kleinkind zu sehen bist, legen wir auf diesen Stapel hier.“ Er legte das Foto, das er in der Hand hielt, zur Seite und machte somit den Beginn entsprechenden Stapels fest. „Die kommen dann gleich, wenn wir mit dem Sortieren fertig sind, in das erste Fotoalbum. In Ordnung?“ „Klar“, sagte Crocodile, dem die gesamte Sache relativ gleichgültig war. Ihn interessierten Bilder aus alter Zeit nicht allzu sehr. Vor allen Dingen die vielen Kinder- und Familienfotos sah er sich nicht gerne an; sie erinnerten ihn an seine Eltern, zu denen er seit fast zwanzig Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Denn auch wenn so viel Zeit seit dem Rauswurf aus seinem Elternhaus vergangen war, schmerzten ihn die Erinnerungen manchmal doch mehr als er jemals zugeben würde. Eigentlich hatte er dem Wunsch seines Partners, die vielen Fotos zu sortieren und einzukleben, bloß nachgegeben, weil er diesen bei Laune halten und nicht enttäuschen wollte. Doflamingo griff nach einem weiteren Foto. Es zeigte seine beiden Geschwister und ihn im Kindesalter wie sie auf dem Fußboden im Wohnzimmer saßen und ein paar Ostersüßigkeiten verputzten. „Wie alt bist du auf diesem Foto?“, fragte Doflamingo interessiert nach. Crocodile warf einen etwas genaueren Blick auf entsprechendes Bild und zuckte dann mit den Schultern. „Keine Ahnung“, meinte er schließlich, „vielleicht fünf oder sechs?“ „Okay, dann kommt dieses Foto auf einen neuen Stapel“, bestimmte sein Partner und legte das Foto zur Seite, ehe er nach einem anderen griff. Es kamen eine ganze Menge weitere Fotos zutage, die eine Mischung aus besonderen Ereignissen wie zum Beispiel Geburtstagen, Feiertagen oder Familienfesten und aus relativ alltäglichen Handlungen wie etwa Spielsituationen darstellten: Mihawk, Crocodile und Hancock jeweils bei ihrer Einschulung; Crocodile als Zwölfjähriger auf dem Rummelplatz; Mihawk und Crocodile, die miteinander auf dem Fußboden spielten; Crocodile, der Hancocks Haare zu Zöpfen band; Crocodile, der mit ein paar Freunden im Garten Fußball spielte; Mihawk und Crocodile, die die neugeborene Hancock bestaunten und so weiter. Crocodile selbst empfand die vielen Fotos als relativ unspektakulär; sie weckten höchstens ein wenig Wehmut und Sehnsucht nach einer intakten Familie in ihm. Doflamingo allerdings schien jedes einzelne Foto unfassbar interessant und sogar fesselnd zu finden. Er stellte ständig Fragen nach irgendwelchen Details, an die sich nicht einmal Crocodile (der eigentlich ein recht gutes Gedächtnis besaß) erinnern konnte und ordnete mit fast schon peinlicher Genauigkeit jedes Foto dem richtigen Stapel zu. Crocodile rollte angesichts dieser für seinen Partner untypischen Sorgfalt bloß mit den Augen. „Ich kann immer noch nicht nachvollziehen, was du an diesen blöden Fotos so toll findest“, sagte er, während er Doflamingo dabei zusah, wie dieser die ersten Fotos in eines der Alben klebte. „Die sind nun wirklich nichts besonderes.“ „Für mich sind sie das“, war allerdings wieder die einzige Erwiderung, die er seitens seines Partners erhielt. „Schau mal, auf diesem Foto bist du schon älter“, meinte Doflamingo, nachdem er sich ein neues Bild aus dem stetig kleiner werdenden Haufen vor ihnen herausgesucht hatte. „Zwanzig oder so.“ Crocodile beugte sich zu seinem Partner hinüber, um einen etwas genaueren Blick auf das entsprechende Foto zu werfen. Es zeigte Daz und ihn beim Kochen. „Einundzwanzig, um genau zu sein“, erwiderte er schließlich. „Dieses Foto wurde aufgenommen, als ich mein Studium begonnen habe. Ich hatte dir ja schon erzählt, dass Daz und ich während unseres Studiums nebeneinander gewohnt haben. Wir haben oft zusammen gekocht, weil es ziemlich lästig und irgendwie einsam ist, wenn man nur für sich selbst kocht, finde ich.“ Für einen kurzen Moment schwelgte Crocodile in ein paar schönen Erinnerungen, ehe er fortfuhr: „Außerdem wollte Daz sichergehen, dass ich auch genug essen. Er hat mich schon damals als eine Art kleinen Bruder betrachtet, um den er sich kümmern muss. Manchmal, wenn ich mitten im Prüfungsstress war und keine Zeit zum Kochen gefunden hatte, ist er rüber zu mir in die Wohnung gekommen und hat für mich gekocht. Dann hat er mir meine Bücher und Notizen weggenommen und gesagt, dass ich sie erst wieder bekäme, wenn ich etwas gegessen hätte.“ Crocodile kam nicht umhin selig zu lächeln, als er an dieses bemutternde Verhalten seines alten Freundes zurückdachte. Er war sehr froh darüber, dass er Daz kennengelernt hatte. Vor allen Dingen während seines Studiums war ihm der Andere eine große Stütze und ein guter Freund gewesen. Er wusste nicht, wo er heute wäre, wenn Daz sich nicht immer so gut um ihn gekümmert hätte. „Daz ist wirklich ein echt guter Kerl, denke ich“, meinte auch Doflamingo und legte das Foto auf einen neuen Stapel. „Ich bin froh, dass du einen so guten Freund wie ihn hast.“ Angesichts dieser Aussage zog Crocodile überrascht eine Augenbraue hoch und warf seinem Partner einen überaus verwunderten Blick zu. Normalerweise reagierte Doflamingo auf jede Person, die seinem Freund nahestand, sehr eifersüchtig. Die einzigen Ausnahmen dieser Regel bildeten höchstens Crocodiles beide Geschwister. „Ich hätte niemals gedacht, dass ich mal so einen Satz aus deinem Mund hören würde“, sagte Crocodile darum recht erstaunt. Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Du hast mir doch mal gesagt gehabt, dass er hetero ist, oder nicht?“, meinte sein Partner schließlich in einem Tonfall, der so ruhig und gefasst klang, dass man meinen könnte, diese Tatsache würde seine fehlende Eifersucht ganz plausibel erklären. „Also gibt es keinen Grund für mich, um eifersüchtig zu reagieren. Ich habe ja nichts dagegen, wenn du ein paar gute Freunde hast. Ich kann es nur nicht leiden, wenn ich mir ständig die Frage stellen muss, ob diese Freunde dir nicht womöglich an die Wäsche wollen.“ „Aber die Frage nach dem Geschlecht oder der Sexualität einer Person hat dich in dieser Hinsicht doch noch niemals interessiert“, warf Crocodile berechtigterweise ein. Und um seine Aussage mittels eines Beispiels zu untermauern, fügte er hinzu: „Du hast sogar eifersüchtig reagiert, als Tashigi sich in meinem Büro die Kaffeeflecken auf ihrer Bluse ausgewaschen hast. Erinnerst du dich noch? Wir hatten einen riesigen Streit deswegen gehabt!“ „Ich habe nicht eifersüchtig reagiert, weil sie in deinem Büro ihre Bluse ausgewaschen hast, sondern weil sie halbnackt vor deinem Schreibtisch stand, während draußen an der Türklinke ein Bitte nicht stören-Schild hing“, korrigierte Doflamingo ihn spitz. „Und ich bin übrigens immer noch der Meinung, dass du mir wegen meines Verhaltens absolut keinen Vorwurf machen kannst! Jeder, der seinen Partner in einer solchen Situation sieht, hätte eifersüchtig reagiert. Und außerdem wusste ich zu dem Zeitpunkt ja noch nicht darüber Bescheid, dass du homosexuell bist. Ich konnte nicht ausschließen, dass du (so wie ich) vielleicht bi bist.“ „Wie auch immer“, meinte Crocodile, der wegen dieses Vorfalls, der nun schon weit über einen Monat zurücklag, keinen erneuten Streit entfachen wollte. „Trotzdem verhältst du dich ziemlich untypisch, was Daz angeht. Als ich mich an der Bar im Skypia mit ihm unterhalten habe, hast du nämlich noch völlig anders reagiert. Das kannst du nicht abstreiten.“ „Mag sein“, erwiderte Doflamingo, dem diese Diskussion langsam lästig zu werden schien. „Aber das war ja auch, ehe diese Sache mit deinem Exfreund passiert ist. Ich bin Daz sehr dankbar dafür, dass er in die Situation eingegriffen und sich um dich gekümmert hat. Ich will gar nicht wissen, wie es ausgegangen wäre, wenn er nicht zur Stelle gewesen wäre. Ich hätte es mir niemals verzeihen können, wenn dir etwas zugestoßen wäre! Also, etwas noch Schlimmeres, als das Geschehene. Und dass es dazu nicht gekommen ist, war leider nicht mein Verdienst, sondern der von Daz. Wie kann ich also jemanden verunglimpfen, dem ich so unglaublich viel schuldig bin?“ „Ja, ich bin auch sehr froh, dass er mich vor Enel gerettet hat“, sagte Crocodile mit leiser Stimme. Eigentlich fühlte er sich in der Opferrolle nicht sonderlich wohl, doch er war sich dessen bewusst, dass Daz ihm wirklich geholfen hatte. Schließlich hatte ihm Enel nicht bloß ein paar handelsübliche K.O.-Tropfen in sein Getränk gemischt, sondern ein starkes Gift, das ihn für mehrere Tage komplett außer Gefecht gesetzt hätte. Allein die Vorstellung an die Dinge, die sein Exfreund womöglich mit ihm vorgehabt haben könnte, jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken. „Wir, also Daz und ich, haben auch miteinander geredet, während du im Krankenhaus lagst und wir darauf gewartet haben, dass du wieder aufwachst. Er hat mir von eurer Zeit an der Universität erzählt. Und von Enel. Wie er dich behandelt hat.“ Crocodile seufzte. „Können wir bitte das Thema wechseln?“ Er hatte im Augenblick überhaupt keine Lust dazu, sich mit Doflamingo über seine ehemaligen Partner zu unterhalten; und vor allen Dingen nicht über Enel. Am liebsten würde Crocodile niemals wieder an die Zeit, die er mit ihm verbracht hatte, zurückdenken. Es handelte sich hierbei nämlich definitiv um eines der dunkelsten Kapitel in seinem Leben. Nichts, was besprochen werden sollte, während man sich gerade ein paar alte Fotos aus Kinder- und Unitagen anschaute und sie in Fotoalben einklebte. Doflamingo schien zu spüren, dass er einen sehr empfindlichen Punkt bei seinem Partner getroffen hatte, denn glücklicherweise bohrte er nicht weiter nach, was dieses Thema anging. Anstatt weitere Fragen zu stellen, griff er nach dem nächsten Foto, das auf dem Tisch lag. Der Haufen Fotos, der vor ihnen lag, war inzwischen beträchtlich kleiner geworden; es handelte sich um vielleicht noch ein Viertel oder Fünftel der ursprünglichen Menge. Die meisten Bilder waren von Doflamingo bereits peinlich genau sortiert oder sogar schon in Fotoalben eingeklebt worden. Crocodile rechnete damit, dass sie ihre Aufgabe innerhalb der nächsten halben Stunde beenden würden; worüber er überaus dankbar war. Er hatte es längst satt, in Erinnerungen von weit zurückliegenden Tagen zu schwelgen. Die Gegenwart bereitete ihm bereits mehr als genug Probleme, mit denen er zu kämpfen hatte, fand Crocodile. Da musste er sich nicht auch noch zusätzlich mit unangenehmen Details aus seiner Vergangenheit auseinandersetzen. Seine Eltern wollten nichts von ihm wissen und seine Beziehung zu Enel war seit vielen Jahren beendet. Das waren Tatsachen, die sich nicht ändern ließen und die er auch nicht ändern wollte. Basta. Doflamingo förderte noch ein paar weitere Bilder aus der Studienzeit seines Partners zutage. Die meisten Foto zeigten Crocodile gemeinsam mit Daz: Wie sie gemeinsam kochten, für Prüfungen lernten und vor allen Dingen wie sie sich auf Parties amüsierten. Crocodile war kein fauler Student gewesen, der seine Zeit an der Universität damit verplempert hatte, Studentenparties zu besuchen; doch natürlich hatte er sich das eine oder andere Mal von Freunden dazu überreden lassen, mitzukommen. Und auf einer Party wurden eben deutlich mehr Fotos geschossen als in eher alltäglichen Situationen, wodurch sich auch recht einfach die erhöhte Zahl Fotos dieser Art erklären ließ. Viele Parties hatten in der Wohnung von Marco, seinem Exfreund, stattgefunden. Crocodile hatte ihn kennengelernt, als er im dritten Semester studierte, und sie waren rasch ein Paar geworden. Ihre Beziehung hatte allerdings nicht allzu lange gehalten; nach etwa einem gemeinsamen Jahr gingen sie bereits wieder getrennte Wege. Das Ende der Beziehung war von Crocodile ausgegangen: Es hatte ihn furchtbar genervt, dass Marco ständig (und zwar nicht bloß am Wochenende) Alkohol trank und seine Zeit auf Parties verschwendete, anstatt sich mit seinen Vorlesungen und Prüfungen zu beschäftigen. Crocodile war ein sehr ehrgeiziger Student gewesen und hatte befürchtet, diese Verhaltensweisen könnten auf ihn abfärben. Und tatsächlich hatte Marco sein Studium etwa ein Semester nach ihrer Trennung abgebrochen. Crocodile hatte ihn seitdem nicht mehr zu Gesicht bekommen und wusste auch nicht, was aus ihm geworden war. Da auf den meisten Fotos, die in der Wohnung seines Exfreundes geschossen worden waren, dieser bloß im Hintergrund zu sehen war, hielt Crocodile es nicht für notwendig, seinen Partner darauf hinzuweisen, um wen es sich bei dieser Person handelte. Die Fotos, auf denen Marco und er zu zweit zu sehen waren, sowie andere Andenken an die gemeinsame Beziehung, hatte er sowieso gleich nach ihrer Trennung entsorgt. Er war kein Mensch, der Erinnerungen an seine ehemaligen Partner mit sich herumschleppte. Seiner Meinung nach deutete ein solches Verhalten nämlich bloß darauf hin, dass man über jene Person noch nicht hinweg war. Doflamingo und er waren gerade bei den letzten zehn oder fünfzehn Fotos angekommen, als Crocodile auf überaus unangenehme Weise klar wurde, dass er wohl doch nicht alle Aufnahmen, die ihn gemeinsam mit seinem Exfreund Marco zeigten, entsorgt hatte. Ob er dieses Foto absichtlich vor dem Mülleimer verschont hatte oder ob es ihm einfach irgendwie durch die Lappen gegangen war, wusste Crocodile nicht mehr. Jedenfalls hielt sein aktueller Freund nun ein Foto in den Händen, das Marco und ihn zeigte: Sein Exfreund hatte ihn in eine Umarmung gezogen und küsste ihn innig. Sie hatten beide ihre Augen geschlossen und wirkten sehr verliebt. „Oh verdammt“, sagte Crocodile und entriss seinem Partner rasch entsprechendes Bild. „Tut mir leid, Doffy, ich muss versäumt haben, dieses Foto wegzuschmeißen. Das mache ich sofort, wenn wir hier fertig sind. Versprochen.“ Crocodile war zwar durchaus der Meinung, dass er nichts Verwerfliches getan hatte (schließlich war seine Beziehung mit Marco etwa zwölf Jahre her und dieses Foto ebenfalls mindestens genauso alt), doch natürlich war ihm bewusst, dass niemand gerne Bilder sah, die seinem Partner mit dessen Exfreund zeigten. Die ganze Situation war ihm sehr unangenehm. Er hoffte bloß, dass Doflamingo wegen dieses alten Fotos nicht allzu eingeschnappt reagieren würde. „Wer ist das auf dem Foto gewesen?“, fragte Doflamingo sofort, während er versuchte, das Foto von seinem Freund wiederzubekommen. „Mein Exfreund“, antwortete Crocodile, der sich dazu entschied bei der Wahrheit zu bleiben, und sich gleichzeitig darum bemühte, das Foto von seinem Freund fernzuhalten, der wiederum ständig versuchte, es zu fassen zu bekommen. „Was für ein Exfreund?“, hakte Doflamingo nach. Soweit Crocodile beurteilen konnte, klang die Stimme seines Partners nicht wirklich wütend, doch definitiv aufgebracht und eingeschnappt. Schließlich gelang es ihm sogar, Crocodile das Foto abzuluchsen, sodass er einen erneuten Blick auf die Kussszene werfen konnte. „Wir waren zusammen, als ich noch zur Uni gegangen bin“, erklärte Crocodile, dem die ganze Situation furchtbar peinlich war. „Ich habe schon seit mehr als zehn Jahren nichts mehr von ihm gehört. Und wir waren damals auch nicht sonderlich lange ein Paar. Nur für etwa ein Jahr. Ich weiß es gar nicht mehr genau. Es war bloß eine unbedeutende Jugendliebe.“ Er stockte für einen kurzen Moment und fügte dann noch hinzu: „Nachdem ich mit ihm Schluss gemacht hatte, habe ich alle gemeinsamen Erinnerungsfotos entsorgt. Dieses hier ist wohl aus Versehen verschont geblieben.“ Eigentlich hatte Crocodile damit gerechnet, dass Doflamingo angesichts dieser Informationen fuchsteufelswild werden würde. Dass er eifersüchtig reagieren und furchtbar wütend werden würde. Dass er laut schrie und zum nächsten Kamin hastete, wo er dieses Foto, das seinen Partner und dessen Exfreund zeigte, in die Flammen werfen würde. Und dass er erst sich erst zwei oder drei Gläsern harten Alkohol wieder halbwegs beruhigt hätte. Zu seiner Überraschung geschah allerdings nichts von alledem. Anstatt auszurasten, betrachtete Doflamingo bloß stumm und mit völlig undurchsichtiger Miene das Foto, das er in seinen Händen hielt. Zum ersten Mal seit langem wünschte sich Crocodile, Doflamingo möge seine Sonnenbrille ablegen, damit er in dessen Augen sehen und dessen Gefühle ablesen könnte. Doch leider tat ihm sein Freund diesen Gefallen nicht. „Doflamingo?“, fragte Crocodile zaghaft, als Angesprochener auch nach zwei weiteren Minuten, in denen er bloß auf das Bild, das Marco und ihn zeigte, starrte, kein Wort gesagt hatte. Erst als Crocodile vorsichtig an seinem Ärmel zupfte, erwachte Doflamingo wieder zum Leben. Er legte das Foto zur Seite (weit abseits von den Stapeln, die seinen Partner in harmlosen Situationen zeigten, wie Crocodile auffiel) und meinte dann: „Wir werfen es einfach weg, wenn wir mit dem Einkleben der anderen Fotos fertig sind. So wie du es vorgeschlagen hast. Okay?“ „Klar“, erwiderte Crocodile, der sich über die ruhige und gefasste Stimme seines Partners wunderte. Doflamingo verhielt sich im Augenblick sehr untypisch und wenn er ehrlich war, dann verunsicherte ihn dieser Umstand stark. Auch wenn Crocodile oft so tat, als würde ihn die ewig gute Laune und Unbefangenheit seines Freundes stören, so liebte er diese Eigenschaften doch eigentlich besonders an ihm. Es gefiel ihm überhaupt nicht, dass Doflamingo plötzlich so gefühlskalt wirkte. „Bist du dir sicher, dass alles in Ordnung mit dir ist?“, fragte Crocodile nach, während sein Partner nach dem nächsten Foto griff. „Du wirkst plötzlich so komisch. Ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll. Dass du dieses blöde Bild gesehen hast, tut mir leid. Ich kann mir gut vorstellen, dass du nicht gerade begeistert davon bist, mich mit...“ „Es ist nicht wegen dem Foto“, unterbrach ihn Doflamingo. Plötzlich wirkte er nicht mehr so gefasst und unterkühlt wie eben noch, sondern eher aufgebracht. Er fuhr sich mit der rechten Hand durch seine kurzen blonden Haare und rückte dann seine Sonnenbrille zurecht. „Und weswegen ist es dann?“, hakte Crocodile nach. Um ehrlich zu sein, begriff er überhaupt nicht, wo das Problem seines Partner lag. Eben war doch noch alles in Ordnung gewesen. Sie hatten gemeinsam die Fotos sortiert, eingeklebt und sich dabei ein wenig unterhalten. Es war überhaupt nichts Unvorhergesehenes geschehen - natürlich bis auf die Entdeckung des Fotos, das ihn gemeinsam mit seinem Exfreund zeigte. Doch abgesehen davon fiel Crocodile beim besten Willen einfach kein Grund ein, der Doflamingos seltsames und sehr untypisches Verhalten erklären könnte. Doflamingo zögerte für einen kurzen Augenblick, ehe er sich schließlich überwand und mit merkwürdig leiser Stimme meinte: „Es ist wegen dem, was du gesagt hast.“ „Wegen dem, was ich gesagt habe?“, wiederholte Crocodile verwundert. „Aber was habe ich denn gesagt? Verdammt noch mal, Doflamingo, drück dich bitte verständlich aus. Ich kann es nicht leiden, wenn du dich so komisch verhältst. Sag mir doch einfach, was los ist!“ „Naja, du...“, sein Partner stockte kurz, ehe er fortfuhr, „du hast gesagt, dass dein Exfreund für dich bloß eine Jugendliebe war. Eine völlig unbedeutende Liebe. Dass du ihn fast schon komplett aus deiner Erinnerung gelöscht hast. Weil ihr, naja, nur etwa ein Jahr lang zusammengewesen wart.“ „Ich verstehe immer noch nicht, worauf du hinauswillst“, erwiderte Crocodile. „Natürlich habe ich ihn fast schon vergessen gehabt. Die Beziehung zu ihm ist zwölf oder dreizehn Jahre her. Und wir waren wirklich bloß ein Jahr oder vielleicht eineinhalb Jahre zusammen. Ich weiß es gar nicht mehr genau. Es war nichts Ernstes. Darum verstehe ich ja auch nicht, warum dich das so sehr interessiert!“ „Weil wir beide noch nicht einmal ein Jahr lang ein Paar sind“, rückte Doflamingo endlich mit der Sprache heraus. „Heißt das also, dass unsere Beziehung für dich ebenfalls nichts Ernstes ist?“ Crocodile fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Für eine oder zwei lange Minuten war er überhaupt nicht dazu in der Lage, etwas zu sagen oder auch nur zu denken. Stattdessen starrte er seinen Partner einfach bloß stumm und mit einem entsetzten Gesichtsausdruck an. Er fühlte sich völlig geschockt. „W-was?“, war irgendwann der erste artikulierte Laut, der ihm über die Lippen glitt. „Wir sind erst seit knapp acht Monaten ein Paar“, wiederholte Doflamingo. „Und anscheinend ist das für dich keine allzu lange Zeit. Ich meine, Daz hat mir erzählt, dass du mit Enel fünf Jahre lang zusammengewesen bist. Und jetzt erfahre ich, dass du mit einem anderen Exfreund für ein Jahr oder eineinhalb Jahre in einer Beziehung gewesen bist. Ich habe irgendwie das Gefühl, gegen solche langen Zeiträume nicht ankommen zu können. Wenn du schon Beziehungen, die länger als ein Jahr gehalten haben, als unbedeutend bezeichnest... wie ernst ist dir dann unsere Beziehung, die seit gerade einmal ein paar Monaten läuft?“ Langsam gewann Crocodile seine Fassung zurück. Er seufzte laut, rieb sich mit der rechten Hand über seine Schläfe und überlegte sich, wie er die Unsicherheit seines Partners bezüglich ihrer gemeinsamen Beziehung am besten zerstreuen könnte. „Das ist etwas völlig Anderes, Doflamingo“, sagte er schließlich in einer recht unbeholfen klingenden Stimmlage. „Als ich mit Marco zusammengewesen bin, war ich noch ein völlig anderer Mensch. Ein junger Student, der noch ganz grün hinter den Ohren war. Du kannst die Beziehung, die ich vor so vielen Jahren mit ihm geführt habe, nicht mit der Beziehung vergleichen, die wir beide jetzt führen.“ „Und was ist mit Enel?“, hakte Doflamingo nach. „Die Beziehung zu ihm ist noch nicht so lange her. Und mit ihm bist du fünf Jahre lang zusammengewesen!“ „Wir sind seit mehr als fünf Jahren getrennt“, entgegnete Crocodile mit verzweifelt klingender Stimme, „und das aus gutem Grund!“ Er hatte nicht damit gerechnet, dass er sich jemals vor Doflamingo würde rechtfertigen müssen, was seine ehemaligen Beziehungen anging. Sie hatten niemals zuvor über irgendwelche Exfreunde oder -freundinnen gesprochen. „Oh Mann, Doflamingo!“, meinte er irgendwann recht energisch, weil er sich bedrängt fühlte und nicht mehr anders zu helfen wusste. „Wir sind doch keine sechzehn Jahre alt! Es ist absolut selbstverständlich, dass wir beide schon Liebesbeziehungen mit anderen Menschen hatten, bevor wir uns getroffen haben. Oder willst du mir tatsächlich erzählen, dass du dich noch niemals mit irgendjemandem verabredet hast, ehe wir uns bei diesem Geschäftsessen mit Sengoku kennengelernt haben? Ich meine, wir sind beide in unseren Dreißigern! Ja, ich hatte schon mehrere feste Beziehungen gehabt, bevor ich mich in dich verliebt habe. Na und? Das spielt doch keine Rolle! Und es spielt genausowenig eine Rolle, wie lang diese Beziehungen gehalten haben; schlussendlich hat es immer einen Grund gegeben, um sich zu trennen. Wichtig ist doch nur, dass ich jetzt mit dir zusammen bin. Wenn dir acht Monate zu wenig sind und du dich darum verunsichert fühlst, dann sorge eben dafür, dass aus diesen acht Monaten ein Jahr werden. Oder zwei Jahre. Oder zehn. Oder fünfzig.“ „Du hast vermutlich recht“, sagte Doflamingo mit weicher Stimme und griff nach seiner Hand. „Wir beide sind jetzt ein glückliches Paar und das ist das einzige, was zählt.“ „Schön, dass du das endlich eingesehen hast“, erwiderte Crocodile und ließ zu, dass sein Partner ihn sanft auf die Lippen küsste. „Können wir beide jetzt bitte zur Normalität zurückkehren und die restlichen Fotos einkleben?“ „Gefällt es dir etwa nicht, wenn ich mal ernst bin?“, gab Doflamingo keck zurück. „Sonst beschwerst du dich doch immer darüber, dass ich alles ins Lächerliche ziehen würde. Man kann es dir eben nie recht machen, Wani!“ „Ich habe absolut nichts dagegen, wenn du dich ab und zu mal wie ein reifer Erwachsener verhältst“, meinte Crocodile spitz, während er nach dem nächsten Foto griff. „Aber gerade warst du nicht ernst, sondern einfach bloß merkwürdig. Ich habe nicht damit gerechnet, dass dich ein einzelnes Foto so stark aus der Fassung bringen könnte.“ „Naja, mir gefällt der Gedanke, dass du vor mir schon mehrere feste Beziehungen gehabt hast, eben einfach nicht. Aber damit werde ich mich wohl abfinden müssen. Du hast ja recht, wenn du sagst, dass wir keine Sechzehnjährigen mehr sind.“ „Ich habe ebenfalls keine große Lust, mir vorzustellen, wie viele Partner (ob männlich oder weiblich) du bereits vor mir gehabt hast“, erwiderte Crocodile, um auszudrücken, dass es ihm nicht viel anders ging. „Und ich veranstalte deswegen auch kein Theater! Wir beide sind erwachsene Menschen und sollten uns dementsprechend auch verhalten. Außerdem gibt es sowieso keinen Grund, um auf einen Exfreund oder in deinem Fall vielleicht auch auf eine Exfreundin eifersüchtig zu sein; schließlich werden diese Beziehungen nicht ohne einen guten Grund zu Bruch gegangen sein. Nicht wahr?“ „Richtig“, stimmte Doflamingo ihm zu und griff nach dem letzten Foto, das auf dem Tisch lag. Es zeigte Crocodile gemeinsam mit seinen beiden Geschwistern und ein paar Freunden an Mihawks fünfundzwanzigstem Geburtstag. Hancock hatte eine wunderschöne Torte für ihren älteren Bruder gebacken und fünfundzwanzig bunte Kerzen hineingesteckt, die dieser auspusten sollte. Mihawk hielt als Erwachsener von solchen kindischen Traditionen zwar nicht sonderlich viel, doch war dem Wunsch seiner Schwester trotzdem nachgekommen, um dieser eine Freude zu machen. „Mir fällt es trotzdem schwer, zu akzeptieren, dass du vor mir bereits mehrere Partner gehabt hast“, meinte Doflamingo, wähend er das letzte Foto sorgfältig in eines der Alben einklebte, „weil du nämlich mein erster (und hoffentlich auch letzter) fester Partner bist.“ „Ähm, was?“ Crocodile glaubte, sich verhört zu haben. „Du bist mein erster wirklich fester Partner“, wiederholte Doflamingo seelenruhig, während er das Fotoalbum, das er gerade in den Händen hielt, zuklappte. „Das soll doch wohl ein Witz sein, oder?“, fragte Crocodile nach, doch die Miene seines Freundes blieb völlig ernst. „Wie gesagt: Wir sind beide in unseren Dreißigern, Doflamingo! Und du willst mir erzählen, dass du vor mir noch niemals einen festen Partner gehabt hast?“ „Ich habe es dir doch schon mal erklärt gehabt, Crocy“, entgegnete Doflamingo, der die Aufregung seines Partners anscheinend überhaupt nicht nachvollziehen konnte. „Erinnerst du dich nicht mehr? Als ich dich zum Essen ins Flying Lamb eingeladen habe und wir das erste Mal darüber gesprochen haben, zusammenzuziehen? Ich hatte in meinem Leben schon eine Menge Freunde und Freundinnen. Doch all diese Beziehungen haben nicht lange gehalten, weil sie bloß auf Äußerlichkeiten aufgebaut waren. Meistens war schon nach ein paar Wochen oder sogar nach nur ein paar Tagen wieder Schluss. Du bist der einzige, den ich jemals aufrichtig geliebt habe. Und auch der einzige, mit dem ich jemals in einer wirklich festen und ernsten Beziehung gewesen bin. Mir jedenfalls ist unsere Beziehung sehr wichtig. Am liebsten möchte ich bis zum Ende meines Lebens mit dir zusammenbleiben.“ „Ähm, wow“, sagte Crocodile, der sich von dieser Beichte völlig überrannt fühlte. Normalerweise öffnete sich sein Partner ihm nur sehr selten auf emotionaler Ebene. Und weil Crocodile der Meinung war, dass er diesem Verhalten durch seine Antwort nicht ausreichend Würdigung entgegengebracht hatte, fügte er rasch noch hinzu: „Das wünsche ich mir auch. Und, ähm, wenn es weiterhin so gut zwischen uns beiden läuft, spricht doch nichts dagegen, oder? Mir ist unsere Beziehung auch sehr wichtig, Doffy. Wenn sie das nicht wäre, hätte ich mich wohl kaum dazu entschlossen, nach so verhältnismäßig kurzer Zeit mit dir zusammenzuziehen. Dass wir bald zusammenwohnen werden, ist wohl der unmissverständliche Beweis dafür, dass wir eine ernste Beziehung führen. Nicht wahr?“ „Das sehe ich genauso“, erwiderte Doflamingo und es legte sich ein breites Grinsen auf seine Lippen. „Unser Zusammenzug ist Beweis unserer Liebe. Zumindest ein erster Beweis.“ Crocodile musste angesichts dieser zweideutigen Ausdrucksweise schlucken. Er hoffte bloß, dass sein Partner nicht womöglich vorhatte, ihm einen noch deutlicheren Beweis seiner Liebe abzuliefern. Zumindest nicht in nächster Zeit. Doch was dachte er hier überhaupt? Sie waren erst seit knapp acht Monaten ein Paar und auch gerade erste zusammengezogen. Sicherlich hatte Doflamingo nicht vor, ihn zu heiraten. So etwas tat man erst, wenn man allermindestens drei oder vier Jahre lang zusammengelebt hatte. Auf der anderen Seite hatte Crocodile allerdings auch nicht damit gerechnet, dass sein Partner ihn nach nur so wenigen Monaten Liebesbeziehung darum bitten würde, bei ihm einzuziehen. Doflamingo, für den es sich um die erste feste Beziehung handelte, schien diese um jeden Preis rasch verfestigen zu wollen. Crocodile bemühte sich darum, diesen angsteinflößenden Gedanken so gut wie möglich zu verdrängen. Vermutlich hatte sein Partner an die Wahl seiner Worte nicht allzu viele Gedanken verschwendet. Doflamingo war niemand, der so etwas tat. Er war ein junger Mann, der sein Leben in vollen Zügen genoss und am Wochenende gerne mit seinen Freunden ausging und Party machte. Crocodile konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sein Partner selbst auf den Gedanken kommen würde, seiner Freiheit durch einer Heirat den Riegel vorzuschieben. Doflamingo erschien ihm nicht gerade wie jemand, der an den heiligen Bund der Ehe glaubte. Außerdem war es Crocodile sowieso nicht möglich, ihn in nächster Zeit zu heiraten. Seine Schulden beliefen sich noch immer auf mehrere hunderttausend Berry und auch eine neue Arbeitsstelle hatte er noch immer nicht gefunden. Das waren keine Bedingungen, unter denen man eine Ehe einging. Denn wenn sie beide tatsächlich heiraten würden, dann wären seine Schulden natürlich auch die seines... seines Ehemannes. Und das war etwas, was Crocodile unter keinen Umständen verantworten konnte. „Was hältst du davon, wenn wir ein bisschen fernsehen und ein paar leckere Snacks verputzen, bevor wir uns schlafen legen?“, schlug Doflamingo vor. „Ein bisschen Entspannung haben wir beide uns redlich verdient, finde ich; wenn man mal bedenkt, wie viel Arbeit wir damit hatten, die vielen Fotos einzukleben.“ Er kicherte leise und warf einen stolzen Blick auf die fertiggestellten Fotoalben, die auf dem Tisch lagen. „Lieber nicht“, erwiderte Crocodile mit matter Stimme und strich sich ein paar Haarsträhnen aus seinem Gesicht, das sich plötzlich unangenehm heißt anfühlte. „Ich fühle mich ziemlich erschöpft. Ich denke, ich werde mich sofort ins Bett legen. Aber du kannst gerne noch eine Weile fernsehen und dann später nachkommen. Mir macht das nicht aus.“ bye sb Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)