Mesh Of Lies von kleines-sama (DoflamingoxCrocodile (AU)) ================================================================================ Kapitel 24: Kapitel 12 (zensiert) --------------------------------- Als Crocodile am Sonntagabend nach Hause zurückkehrte, fand er seine Schwester Hancock vor: Mit bleichem Gesicht und geröteten Augen saß sie auf der Couch neben Doflamingo, der ihr mit der einen Hand tröstend über den Rücken strich und mit der anderen ein nur noch halb volles Paket Taschentücher festhielt. „Hancock...“ Crocodile wusste nicht, was er sagen sollte. Es war nicht das erste Mal, dass seine gutaussehende Schwester eine Trennung durchlebte, doch selten zuvor hatte er Hancock, die eigentlich eine sehr bodenständige und selbstsichere Person war, so furchtbar niedergeschlagen erlebt. Kaum dass sie ihn erblickte hatte, brach sie unweigerlich in Tränen aus. Doflamingo deutete mit einer unwirschen Kopfbewegung an, dass er sich neben ihren weinenden Gast auf die Couch setzen sollte. Verunsichert tat Crocodile wie ihm geheißen. Weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte, ahmte er seinen Verlobten nach und strich seiner Schwester sanft über den Rücken. Hancock lehnte sich in die Berührung hinein, doch reagierte ansonsten überhaupt nicht auf ihn. Sie sprach nicht mit ihm, schaute ihm nicht einmal ins Gesicht. Crocodile sah scheu zu Doflamingo hinüber, der auf Hancocks anderer Seite saß, doch der Blick seines Partners blieb unter den dunklen Gläsern seiner Sonnenbrille verborgen. Auch er sagte kein Wort, doch über Hancocks Rücken hinweg tätschelte er kurz seine Hand. Crocodile, der sich im Augenblick extrem unwohl fühlte, wollte gerade vorschlagen, gemeinsam ein bisschen Scotch zu trinken, um die Stimmung ein wenig aufzulockern, doch biss sich zum Glück gerade noch rechtzeitig auf die Zunge. Hancock war schwanger, deshalb durfte sie natürlich keinen Alkohol trinken. Allmählich wurde Crocodile das volle Ausmaß ihrer Situation wirklich bewusst: Seine jüngere Schwester war völlig überraschend verlassen worden von dem Mann, den sie für ihre große Liebe gehalten hatte. Nein, eigentlich war es noch weitaus schlimmer - nicht nur sie selbst, sondern auch ihre ungeborene Tochter war von Luffy im Stich gelassen worden. Sie stand nun ganz alleine da. War gezwungen, ohne Hilfe eines Partners ihr Kind großzuziehen. Der Traum von der glücklichen Familie war von einem Tag auf den anderen geplatzt. Crocodile schluckte. „Hancock“, sagte er und wischte sich über den Mund. „Ich weiß, das ist sicher bloß ein schwacher Trost, aber ganz egal, was auch passieren mag: Ich bin immer für dich da. Und Doflamingo natürlich auch. Du darfst gerne so lange hierbleiben, wie du möchtest. Wir kümmern uns um dich. Immerhin sind wir eine Familie.“ „Danke“, brachte Hancock nach einer Weile mit schwacher Stimme hervor. Sie zog geräuschvoll die Nase hoch, nahm ein weiteres Taschentuch von Doflamingo entgegen und blickte zum ersten Mal in das Gesicht ihres Bruders. „Es wäre nett, wenn ich noch ein paar Tage bleiben könnte. L-luffy ist gerade bei mir Zuhause, um seine Sachen zusammenzupacken und ich... ich, nun ja, will ihm im Moment nicht begegnen.“ „Klar“, sagte Crocodile. „Kein Problem.“ „Aber ich möchte keinem zur Last fallen...“ Hancock wischte sich eine Haarsträhne aus dem nassen und bleichen Gesicht. „Du warst doch das ganze Wochenende beruflich unterwegs, Crocodile. Wenn du lieber ein wenig allein sein möchtest mit Doflamingo, könnte ich das natürlich vollkommen verstehen. Ich habe einen Schlüssel für Mihawks Haus. Er ist zwar zurzeit nicht da, aber es würde ihm sicher nicht ausmachen, wenn ich...“ „Unsinn!“, würgte Crocodile seine jüngere Schwester sofort ab. „Ich hätte dir nicht angeboten, dass du hierbleiben darfst, wenn es mir etwas ausmachen würde. Du fällst keinem zur Last, versprochen.“ „Crocodile hat Recht“, schaltete sich nun auch Doflamingo in ihre Unterhaltung ein. „Du gehörst zur Familie, Hancock. Wir haben dich sehr gerne hier bei uns.“ „Danke“, sagte Hancock erneut. Ihre Stimme klang noch immer schwach, aber nicht mehr so verzweifelt wie gerade eben noch. „Das ist sehr nett von euch beiden.“ In den folgenden Tagen bemühten sowohl Crocodile als auch Doflamingo sich darum, Hancock ein wenig aufzumuntern. Sie leisteten ihr so oft wie möglich Gesellschaft (Doflamingo machte für seine Schwägerin sogar täglich eine Stunde früher Feierabend), gaben bei der Küche ihre Lieblingsgerichte durch und schauten sich abends gemeinsam ihre Lieblingsserie an. Es dauerte eine Weile, doch zu Crocodiles Erleichterung begann seine Schwester sich allmählich wieder zu fassen; zumindest brach sie nicht mehr ständig unvermittelt in Tränen aus und außerdem redete sie auch wieder mehr. Trotzdem lösten ihre Sorgen sich nicht in Luft auf. „Eigentlich hatten wir geplant, dass Luffy nach seinem Schulabschluss ein Jahr Zuhause bleibt, um sich um unsere Tochter zu kümmern“, erklärte Hancock. „Durch mein Nagelstudio verdiene ich genug Geld, sodass wir uns diese Rollenverteilung relativ problemlos hätten leisten können. Aber jetzt, wo die Situation sich geändert hat, weiß ich nicht mehr, was ich machen soll: Ich möchte meine Tochter nicht gleich nach der Geburt Vollzeit in eine Betreuung geben. Damit würde ich am liebsten warten, bis sie mindestens ein oder zwei Jahre alt ist. Aber ich kann es mir auch nicht leisten, für sie Zuhause zu bleiben: Wer kümmert sich dann um mein Nagelstudio? Ich stecke in einer völlig ausweglosen Situation fest!“ Noch bevor Hancock zu Ende gesprochen hatte, war Crocodile klar, was sein Verlobter erwidern würde. Und tatsächlich enttäuschte Doflamingo ihn nicht: „Mach dir keine Sorgen, Hancock. Ich habe mehr als genug Geld. Und ich würde mich freuen, wenn ich deine Tochter und dich unterstützen könnte!“ „Nein, bitte, das geht nicht“, winkte Hancock jedoch sofort ab. „Ich möchte keine Almosen annehmen!“ „Es sind doch keine Almosen“, wendete Doflamingo mit eindringlicher Stimme ein. „Du bist meine Schwägerin, Hancock! Für mich ist eine Selbstverständlichkeit, dich in einer Notlage zu unterstützen. Schließlich würdest du für mich dasselbe tun.“ „Ich bin doch noch gar nicht deine Schwägerin“, gab Hancock halb glucksend, halb schniefend zurück. „Du und Crocodile seid noch gar nicht verheiratet.“ Obwohl Doflamingos Augen wie immer hinter den Gläsern seiner Sonnenbrille verborgen blieben, wusste Crocodile ganz genau, dass sein Partner sie genervt rollte. „Du bist ein genauso schlimmer Erbsenzähler wie dein Bruder!“, warf er ihr vor, während er die Arme vor der Brust verschränkte. „Du gehörst zu Crocos Familie, also gehörst du auch zu meiner Familie. So sehe ich das.“ „Das ist sehr nett“, sagte Hancock, die angesichts dieser Worte zum ersten Mal seit Tagen wieder lächelte. „Aber ich kann dein Angebot trotzdem nicht annehmen, Doflamingo. Ich möchte auf eigenen Beinen stehen und ein Vorbild für meine Tochter sein.“ „Warum nutzt du deine Situation nicht, um dein Geschäft zu vergrößern?“, schlug Crocodile vor, der sehr gut nachvollziehen konnte, dass Hancock sich unwohl fühlte bei dem Gedanken, eine riesige Summe Geld einfach geschenkt zu bekommen. „Du könntest zum Beispiel für ein Jahr aus deinem Job aussteigen, um dich um deine Tochter zu kümmern. Für diese Zeit stellst du eine Vertretung ein, die dich im Nagelstudio ersetzt. Und wenn deine Tochter alt genug ist, um außer Haus betreut zu werden, steigst du wieder ein und arbeitest gemeinsam mit deiner Vertretung weiter.“ „Das klingt nach einem guten Plan“, stimmte Doflamingo ihm zu. „Aber damit wären wir wieder beim alten Problem“, warf Hancock ein. „Ich kann nicht einfach ein Jahr lang auf mein Einkommen verzichten. Ganz zu schweigen von der Bezahlung einer zusätzlichen Arbeitskraft. Ich meine, natürlich habe ich ein paar Ersparnisse, aber die werden auf keinen Fall ausreichen, um diese Idee umzusetzen.“ „Wenn du keine Almosen annehmen möchtest, hätte ich einen anderen Vorschlag für dich“, meinte Doflamingo. „Wie wäre es mit einem zinslosen Kredit? Ich könnte dir genug Geld leihen, damit du die Vergrößerung deines Geschäfts verwirklichen kannst.“ „Ich weiß ja nicht...“ Hancock wirkte verunsichert. „Ich würde einen Kredit über mehrere zehntausend Berry benötigen. Das ist eine riesige Menge Geld. Ich weiß nicht, ob ich mir so viel leihen möchte. Hinterher bin ich vielleicht nicht dazu in der Lage, das Geld zurückzuzahlen, weil mein Nagelstudio doch nicht so gut läuft wie geplant.“ „Ich biete dir einen Kredit ohne jegliches Risiko an“, sagte Doflamingo und leckte sich mit der Zunge über die Unterlippe. „Sagen wir, ich stelle dir fünfundsiebzigtausend Berry zur Verfügung. Von diesem Geld kannst du einerseits deine Tochter und dich über die Runden bringen und andererseits eine weitere Kraft für dein Nagelstudio bezahlen. Ich erhebe keine Zinsen und der Kredit hat keine festgelegte Laufzeit. Wenn sich die Vergrößerung deines Geschäfts auszahlt und du mehr verdienst, zahlst du mir das Geld irgendwann zurück. Und wenn nicht, dann eben nicht. Das bedeutet, du gehst überhaupt kein Risiko ein!“ „Du allerdings schon“, erwiderte Hancock, die noch immer nicht recht überzeugt zu sein schien. „Im schlimmsten Fall verlierst du fünfundsiebzigtausend Berry!“ „Na und?“ Doflamingo grinste breit und zuckte mit den Schultern. „Ich möchte nicht eingebildet klingen, Hancock, aber um ehrlich zu sein, besitze ich Kleidungsstücke, die teurer waren.“ Bestimmt sein furchtbarer Federmantel, schoss es Crocodile unweigerlich durch den Kopf und er musste sich ernsthaft zusammenreißen, um keinen missgünstigen Brummlaut von sich zu geben. Sein Partner besaß eine ganze Menge absolut furchtbarer Kleidungsstücke, doch dieses... dieses Büschel an pinken Federn toppte wirklich alles, was Crocodile jemals gesehen alles. Zum Glück trug Doflamingo inzwischen zumeist halbwegs tolerabele Outfits, wenn sie gemeinsam ausgingen. (Noch viel zu gut konnte Crocodile sich an das furchtbare Tiger-Hemd und die Capri-Hose mit Schlangenprint erinnern, die sein Verlobter bei ihrer allerersten Begegnung getragen hatte.) „Fünfundsiebzigtausend Berry sind in meinen Augen nicht viel Geld“, beteuerte Doflamingo. „Ich würde mich wirklich freuen, wenn du mein Angebot annimmst, Hancock! Wie gesagt, für mich gehörst du zur Familie.“ „Vielen Dank.“ Hancock nickte langsam mit dem Kopf. „Also gut, ich nehme dein großzügiges Angebot an, Doflamingo. Aber du kannst dir wirklich sicher sein, dass ich das Geld zurückzahlen werde so schnell ich nur kann!“ „Klar“, gab Doflamingo gleichgültig zurück und winkte ab. „Das weiß ich doch.“ „Es ist wirklich unfassbar lieb von euch beiden, dass ihr mich so sehr unterstützt.“ Wieder einmal brach Hancock unvermittelt in Tränen aus. (Schwangerschaftshormone, dachte Crocodile und danke Gott still dafür, dass er ihn nicht zu einer Frau gemacht hatte.) „Als Luffy mich verlassen hat, hatte ich mir wirklich große Sorgen um die Zukunft gemacht. Aber jetzt bekomme ich allmählich das Gefühl, dass es wieder bergauf geht. Ich bin unglaublich glücklich darüber, dass ich mir um mein Nagelstudio keine Sorgen machen muss. Ich wüsste gar nicht, was ich ohne eure Hilfe machen sollte!“ Crocodile war kurz davor ein bescheidenes „Kein Problem“ von sich zu geben, als ihm plötzlich klar wurde, dass er eigentlich überhaupt nichts zur Unterstützung seiner Schwester beigetragen hatte. Nicht er, sondern Doflamingo war derjenige gewesen, der Hancock einen zinslosen Kredit in Höhe von 75.000 Berry angeboten hatte. Crocodile selbst war nicht einmal auf den Gedanken gekommen, ihr Geld zu leihen. Dabei hatte er doch vor ein paar Tagen erst einen Bonus in einer ähnlichen Höhe bekommen gehabt. War er ein schlechter Mensch, weil er das Geld lieber aufwendete, um seine horrenden Schulden zu tilgen als seine Schwester zu unterstützen? Sie ist schwanger, sagte eine Stimme in seinem Kopf, und ganz allein. Du bist ihr älterer Bruder; es ist deine Pflicht, sich um sie zu kümmern. Aber du hast nichts getan! Unweigerlich überkamen Crocodile schreckliche Gewissensbisse. Doch nur wenig später, hörte er eine andere Stimme erwidern: Du hast sie gewarnt. Auf Mihawks Geburtstagsparty hast du ihr klar und deutlich gesagt, dass es keine gute Idee ist, sich auf einen siebzehnjährigen Jungen einzulassen. Du hast sie gewarnt, aber sie wollte nicht hören. Es ist ihre eigene Schuld! „Lassen wir dieses Thema nun ruhen“, meinte Doflamingo mit freundlicher Stimme. „Es ist Zeit für's Mittagessen. Heute gibt es Paprika gefüllt mit Schafskäse und dazu eingelegte Sardinen. Crocodile hat mir erzählt, das wäre dein Leibgericht, Hancock. In eurer Familie hat man viel für Feta übrig, hm?“ Morgen wollte Hancock wieder nach Hause zurückkehren. Sie hielt sich gerade in ihrem Zimmer auf (selbstverständlich hatte Doflamingo ihr für den Zeitraum ihres Aufenthalt das größte und komfortabelste Gästezimmer der Villa zur Verfügung gestellt) und packte ihren Koffer für die Heimreise. Es war das erste Mal seit Tagen, dass Crocodile seinen Verlobten ein paar Stunden lang ganz für sich allein hatte. Crocodile gab es nur ungern zu, doch um ehrlich zu sein, fand er es nicht sonderlich schade, dass seine Schwester sich wieder gefangen hatte und in ihr eigenes Heim zurückkehrte. Selbstverständlich tat ihm Hancock leid, doch er konnte nicht verhehlen, dass die Art und Weise wie Doflamingo sie betüttelte, die Eifersucht in ihm weckte. Er las ihr praktisch jeden Wunsch von den Augen ab, streichelte ständig über ihren runden Babybauch und unterhielt sich über nichts lieber als ihre Schwangerschaft. Gestern erst hatte er sogar einen Masseur für sie bestellt, bloß weil Hancock angedeutet hatte, dass ihre Füße, die aufgrund der Schwangerschaft ein wenig angeschwollen waren, schmerzten. Vor allen Dingen weil Crocodile sich inzwischen sehr stark daran gewöhnt hatte, dass sein Verlobter ihm seine volle Aufmerksamkeit schenkte, freute er sich darauf, dass bald wieder alles beim Alten sein würde. Gerade hielten sie sich gemeinsam im Schlafzimmer auf. Crocodile wollte die seltene Gelegenheit beim Schopfe packen und die Zweisamkeit mit seinem Partner ausnutzen. Er trat von hinten an Doflamingo heran und legte seine Arme um dessen Oberkörper. „Doffy“, gurrte er verführerisch, weil er ganz genau wusste, dass dieser es liebte mit seinem Kosenamen angesprochen zu werden, „hast du Lust dich mit mir unter die Bettdecke zu verkriechen? Es ist ziemlich lange her, dass wir beide ein bisschen Zeit nur für uns gehabt haben.“ Wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, zögerte Angesprochener nicht lange. „Klar“, meinte Doflamingo breit grinsend. Er löste sich aus der Umarmung, packte seinen Verlobten sanft am Handgelenk und bugsierte diesen hinüber zu ihrem Bett. „Ich habe deine Andeutung durchaus verstanden“, sagte Doflamingo und bedeutete Crocodile, sich auf den Matratzenrand zu setzen. Anschließend ging er vor ihm auf die Knie.“Mir ist bewusst, dass ich dich in den letzten Tagen ein wenig vernachlässigt habe. Tut mir leid. Ich mach's wieder gut, versprochen.“ Bei diesen Worten leckte er sich lasziv über die Lippen und ließ seine beiden Hände über Crocodiles Oberschenkel gleiten. Dieser konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Es freute ihn, dass Doflamingo seinen Fehler einsah. Und noch viel mehr freute er sich auf dessen Wiedergutmachung. Ihr letzter intimer Moment war inzwischen fast drei Tage her - für sie beide war das eine ziemlich lange Zeit. [zensiert] Und dann geschahen mehrere Dinge auf einmal: Doflamingo, der mit dem Rücken zur Tür saß, erschreckte sich fürchterlich und zerquetschte unversehens die Hoden seines Verlobten, die er eigentlich mit seiner rechten Hand massieren wollte. Hancock, die im Türrahmen stand, lief im Gesicht knallrot an und stammelte verlegen ein paar unzusammenhängende Silben. Crocodile schrie schmerzerfüllt auf und trat mit den Füßen gegen Doflamingos Schulter, damit dieser ihn losließ. Seine Wangen färbten sich vor Scham und vor Schmerz noch röter als die seiner Schwester. Eine gefühlte Ewigkeit verging, ehe Hancock ein gepresstes „I-ich wollte nicht stören!“ von sich gab und laut knallend die Türe wieder zuzog. Mit schmerzverzerrtem Gesicht griff Crocodile vorsichtig nach seinen malträtierten Hoden. Sein Verlobter hatte wirklich alles Andere als sanft zugepackt; es tat ganz fürchterlich weh. „Tut mir leid!“ Doflamingo, den Crocodile mit seinen Tritten zu Boden gestoßen hatte, rappelte sich wieder auf und kam zu ihm herüber. „Das war keine Absicht! Tut mir leid!“ „Ist schon gut“, zischte Crocodile, der bloß hoffte, dass er keine dauerhaften Schäden davontragen würde. Immerhin gehörten die Hoden mit zu den empfindlichsten Körperstellen eines Mannes. „Tut mir leid“, wiederholte Doflamingo noch ein weiteres Mal mit schuldbewusster Miene. Er schien ein furchtbar schlechtes Gewissen zu haben. „Hast du starke Schmerzen?“ „Wonach sieht's denn aus, du Idiot?!“, gab Crocodile gereizt von sich und biss sich auf die Unterlippe. Am liebsten wäre er in Tränen ausgebrochen, doch diese Blöße wollte er sich vor seinem Partner nicht geben. „Du hast zugepackt als wolltest du einen nassen Lappen auswringen!“ „Ich habe mich erschreckt“, versuchte Doflamingo sich kläglich zu rechtfertigen. „Ich wollte dir nicht wehtun.“ „Was passiert ist, ist passiert“, seufzte Crocodile und ließ vorsichtig von seinen Hoden ab. Zum Glück schienen sie keinen größeren Schaden genommen zu haben. „Hancock sollte wirklich lernen, darauf zu warten, dass jemand Herein ruft, bevor sie hereinkommt“, murmelte Doflamingo leise. Der Gedanke an seine Schwester ließ Crocodile erneut erröten. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass ihm vor ihren Augen jemals zuvor eine solche Peinlichkeit passiert war. Er schämte sich schrecklich! Hoffentlich würde sie niemanden davon erzählen. „Wollen wir weitermachen?“, unterbrach Doflamingo die Gedankengänge seines Verlobten. Crocodile glaubte, sich verhört zu haben. „Im Ernst?“, wollte er mit ungläubiger Stimme wissen. „Meine Schwester erwischt uns beide in flagranti, du zerquetscht meine Eier - und willst danach wirklich noch weitermachen? Sag mal, hast du noch alle Tassen im Schrank?!“ „Du bist noch nicht gekommen“, erwiderte Doflamingo schulterzuckend. „Außerdem ist die Sache mit Hancock doch nur halb so schlimm, oder? Immerhin ist sie deine Schwester; sie hat dich doch bestimmt schon Dutzende Male nackt gesehen, oder?“ „Erstens hat sie das nicht“, korrigierte Crocodile verärgert seinen Verlobten, „und zweitens geht es nicht bloß darum, dass sie mich nackt gesehen hat. Sie hat mich beim... nun ja... sie hat gesehen, wie du mir einen Blowjob gegeben hat! Das ist so unfassbar unangenehm! Ich schäme mich in Grund und Boden! Und ich verstehe einfach nicht, wie du da so gelassen bleiben kannst? Schließlich hat sie dich ja auch gesehen!“ „Na und?“ Doflamingo rollte mit den Augen. „Wir beide sind ein Paar. Ich bin mir sicher, Hancock war sich auch vor dieser Situation schon bewusst, dass wir beide uns gegenseitig oral befriedigen. So etwas tut doch jedes Paar. Daher verstehe ich nicht, warum mir das Ganze peinlich sein sollte.“ „Das sind doch zwei völlig unterschiedliche Dinge!“, erwiderte Crocodile aufgebracht. „Dass sie vorher schon wusste, dass wir beide gelegentlich miteinander intim werden, ist mir klar, aber trotzdem möchte ich doch nicht von ihr dabei beobachtete werden! Sie ist meine kleine Schwester, verdammt nochmal!“ Gequält seufzte Crocodile auf und bedeckte seine Augen mit der rechten Hand. „Gott, ich werde Hancock nie wieder ins Gesicht sehen können...“ „Versuch die das Ganze gelassen zu sehen; es lässt sich sowieso nicht mehr ändern“, riet Doflamingo ihm. „Und falls es dich tröstet: Hancock scheint nicht weniger peinlich berührt zu sein als du. Sie ist knallrot angelaufen und hat kein einziges Wort hervorgebracht. Ihr seid wirklich eine ziemlich prüde Familie.“ „Das ist ein schwacher Trost“, murrte Crocodile. „Nun ja, es hätte wirklich schlimmer kommen können“, erwiderte Doflamingo. Er grinste breit und entblößte dabei zwei Reihen strahlend weißer Zähne. „Stell dir nur mal vor, ich hätte dir vor Schreck in deinen Schwanz gebissen!“ „Spar dir deine blöden Kommentare“, meinte Crocodile, während er so vorsichtig wie möglich in seine Boxershorts schlüpfte. Seine Hoden schmerzten noch immer. „Ich finde diese Sache wirklich alles Andere als witzig!“ „Sorry.“ Doflamingos Lächeln verblasste. „Ich wollte dich bloß ein bisschen aufheitern. Ist mit deinen Eiern denn soweit alles in Ordnung? Oder möchtest du dich lieber von einem Urologen untersuchen lassen?“ „Was soll ich dem denn erzählen?“ Crocodile warf seinem Verlobten einen ungeheuer vorwurfsvollen Blick zu. „Ich bekomme gerade einen Blowjob, als meine kleine Schwester plötzlich das Schlafzimmer betritt und mein Freund sich so sehr erschreckt, dass er meine Hoden in seiner Hand zerquetscht. Nein danke, heute habe ich wirklich mehr als genug peinliche Momente durchstehen müssen!“ Doflamingo konnte sich ein kurzes Kichern nicht verkneifen, doch wurde gleich darauf wieder ernst. „Jetzt mal ehrlich: Ist alles okay? Die Hoden sind eine sehr empfindliche Stelle, da kann es leicht zu irgendwelchen Problemen kommen. Was glaubst du, wie oft Law Männer bei sich im Krankenhaus hat, die ein Hodentrauma haben oder so einen Mist?“ „Hodentrauma?“, wiederholte Crocodile ungläubig und zog eine Augenbraue hoch. „Das ist ein medizinischer Fachbegriff!“, beteuerte Doflamingo. „Du weißt schon, wenn die Hoden verletzt wurden, weil dir jemand in die Eier getreten hat oder so.“ „So schlimm ist es nicht, denke ich“, meinte Crocodile, während er in seine Hose schlüpfte. „Sicher?“ „Ja, ganz sicher!“ Crocodile hatte keine Lust auf eine erneute Diskussion über seine Gesundheit und die angebliche Ärzte-Phobie, die sein Verlobter ihm schon des Öfteren unterstellt hatte. „Ist ja gut“, gab Doflamingo überraschenderweise relativ schnell klein bei. „Man wird sich ja wohl noch Sorgen machen dürfen...“ „Ich mache mir eher Sorgen um mein Verhältnis zu Hancock“, seufzte Crocodile. Allein der Gedanke an die nächste Begegnung mit seiner jüngeren Schwester ließ ihn erröten. „Ganz ehrlich, so etwas Peinliches ist mir noch nie vor ihr passiert...“ * Dass Crocodile und sein Verlobter von Hancock in flagranti erwischt worden waren, lag inzwischen eine Woche zurück. Und auch wenn er sich wohl nie an diesen unangenehmen Vorfall zurückerinnern konnte, ohne dass sein Gesicht die Farbe einer reifen Tomate annahm, kam er allmählich darüber hinweg; vorgestern war es ihm sogar gelungen, ein ganz normales Telefongespräch mit seiner Schwester zu führen. Außerdem genoss Crocodile es unwahrscheinlich, endlich wieder die ungeteilte Aufmerksamkeit seines Partners genießen zu dürfen, nun da Hancock in ihr eigenes Haus zurückgekehrt war. Als Wiedergutmachung für die letzten Tage (und auch für den missglückten Blowjob) hatte Doflamingo ihm sogar ein romantisches Dinner bei Kerzenschein im Flying Lamb geschenkt. „Was hältst du davon, wenn wir beide uns am Wochenende das Schloss anschauen?“, fragte sein Verlobter ihn zwischen zwei Bissen. „Schloss?“, hakte Crocodile irritiert nach und zog eine Augenbraue hoch. „Du weißt schon“, gab Doflamingo ungeduldig zurück. „Das Schloss, in dem damals meine Eltern geheiratet haben. Und das womöglich auch für uns als Hochzeits-Location infrage kommt.“ „Achso, das Schloss“, meinte Crocodile und senkte verlegen den Blick. Er zuckte mit den Schultern. „Von mir aus, wieso nicht.“ „Wie gesagt, es befindet sich an der Küste, etwa zwei Autostunden von unserem Ferienhaus entfernt. Ich denke, es macht Sinn, wenn wir beide dort dann auch übernachten würden.“ „Im Schloss?“ „Doch nicht im Schloss - im Ferienhaus, du Dussel!“ Doflamingo zeigte vorwurfsvoll mit seiner Gabel auf ihn. „Was ist denn heute nur los mit dir, dass du so schwer von Begriff bist?“ „Tschuldige, ich, ähm, habe ziemlich schlecht geschlafen“, versuchte Crocodile sich recht kläglich zu rechtfertigen. Um ehrlich zu sein, hatte er das Schloss, in dem sein Verlobter gerne die Hochzeitsfeier abhalten wollte, gar nicht mehr auf den Schirm gehabt. Die Elektronik-Messe, die vorheriges Wochenende stattgefunden hatte, und anschließend der mehrtägige Besuch seiner Schwester hatten ihn da viel eher beschäftigt. „Es würde mich freuen, wenn wir beide uns endlich wieder ein bisschen intensiver mit unseren Hochzeitsvorbereitungen beschäftigen würden“, meinte Doflamingo, während er das Stück Fleisch auf seinem Teller kleinschnitt. „Das haben wir in letzter Zeit wirklich schleifen gelassen. Bis auf die Gästeliste haben wir uns um noch nichts so wirklich gekümmert.“ „Nun ja, wir müssen uns ja auch erst einmal einen Termin geben lassen“, erwiderte Crocodile schwach. „Wer weiß, wie beliebt dieses kleine Schoss bei Hochzeitsfeiern ist: Womöglich gibt es eine Menge anderer Paare, die dort ebenfalls heiraten wollen und die Location schon viele Monate im voraus gebucht haben. Es ist nicht abzusehen, wie lange es dauern würde, bis wir beide an der Reihe sind.“ „Papperlapp“, winkte Doflamingo unbekümmert ab. „Einer der vielen Vorteile, wenn man reich ist, besteht darin, dass man nirgendwo lange warten muss. Ein paar Geldscheine, die man in die richtige Hand drückt, können wahre Wunder bewirken. Wir können uns also einfach einen Tag aussuchen.“ „Im Ernst?“ Crocodile konnte nicht so recht fassen, was sein Partner eben von sich gegeben hatte. „Du würdest notfalls jemanden bestechen, bloß damit wir beide unseren Wunschtermin bekommen?“ „Bestechung ist ein sehr negatives Wort“, gab Doflamingo in einem gedehnt klingenden Tonfall zurück. „So würde ich das nicht nennen. Ich bezahle ganz einfach für eine Dienstleistung. So funktioniert diese Welt nun einmal: Man tauscht Geld, das man verdient hat, gegen etwas ein, was man gerne haben möchte.“ „Aber die anderen Paare bezahlen doch auch“, warf Crocodile ein. Er konnte die unethische Denkweise seines Verlobten nicht ganz nachvollziehen. „Wenn viele Leute dasselbe wollen, wird eben an den verkauft, der am meisten bietet. Ähnlich wie bei einer Auktion. So sehe ich das jedenfalls.“ Doflamingo klang sehr gelassen, während er seine Meinung äußerte. Er schien überzeugt davon zu sein, nichts Falsches zu tun. „Wenn also mehrere Paare einen bestimmten Termin haben wollen, bekommt ihn derjenige, der am meisten Geld auf den Tisch legt.“ „Das klingt nicht sonderlich anständig“, gab Crocodile zu bedenken. Er war sich nicht sicher, ob er sich wohl bei dem Gedanken fühlte, einem anderen Paar die Hochzeit zu ruinieren, in dem er ihm den wahrscheinlich schon seit vielen Monaten feststehenden Termin wegstahl. Diesen Umstand schien auch Doflamingo mitzubekommen. „Wer weiß, ob es überhaupt soweit kommen wird“, sagte er ausweichend. „Das Schloss ist ziemlich abgelegen.Vielleicht gibt es gar nicht so viele Leute, die diesen Ort als Location für ihre Hochzeit auswählen. Aber das werden wir ja dann alles am Wochenende in Erfahrung bringen können.“ Samstagvormittag war es dann so weit. Die Koffer für ihren Kurztrip waren gepackt (man hätte meinen können, Doflamingo würde zwei Wochen in Urlaub fahren, so viele Klamotten wollte dieser mitnehmen) und der Fahrer, der sie zum Flughafen bringen würde, stand unten in der Auffahrt bereit. Nach dem kurzen Flug mit Doflamingos luxuriös ausgestattetem Privatjet stand noch eine etwa zweistündige Autofahrt an, ehe sie beide schließlich ihre potenzielle Hochzeits-Location erreichten. Crocodile musste zugeben, dass er absolut überwältigt war, als er aus dem Wagen ausstieg und das kleine, alte Schloss zum ersten Mal mit eigenen Augen sah: In den Innenhof gelangte man durch ein wunderschön verziertes Tor, das rechts und links von zwei weißen Statuetten eingefasst wurde. Insgesamt drei Türme zählte Crocodile; zwei waren oben bezinnt, der dritte verfügte über ein wunderschönes Turmdach aus dunklen Ziegeln. Ohne seinen Blick von dem wunderschönen, alten Gebäude abzuwenden, griff Crocodile nach der Hand seines Verlobten und lotste diesen zum Schloss herüber: Er wollte unbedingt sehen, wie es von innen aussah. „Korrigiere mich, wenn ich falsch liege“, gluckse Doflamingo, dem wohl nicht ergangen war, wie ergriffen Crocodile sich fühlte, „aber ich habe das Gefühl, dass dir das Schloss bisher ziemlich gut gefällt.“ „Es ist wunderschön“, gab Crocodile zu, während er seinen Blick über den weitläufigen Innenhof schweifen ließ. „Man könnte meinen, man wäre geradewegs in ein Märchen hineingestolpert.“ Seine Worte brachten Doflamingo zum Lachen. „Ich hätte nie gedacht, dass ich so eine Aussage mal von dir hören würde, Wani“, meinte er. „Eigentlich bist du doch überhaupt nicht romantisch veranlagt.“ Leicht pikiert zuckte Crocodile mit den Schultern. „Es geht um unsere Hochzeit, oder nicht?“, erwiderte er ausweichend. Und um das Thema zu wechseln, fügte er hinzu: „Ich würde gerne den Schlossgarten sehen. Weißt du, wie man dorthin kommt?“ „Klar“, antwortete sein Verlobter und führte ihn, ohne seine Hand loszulassen, zu einem kleinen Durchgang zu ihrer Rechten. Gemeinsam schauten sie sich den Garten, den großen Saal und die Kapelle an; sie durften sogar den Bergfried, den hohen Turm mit dem Ziegeldach, besteigen. Die Aussicht von dort oben war absolut fantastisch. Begeistert überblickte Crocodile die Umgebung: Die Welt wirkte ganz weit weg und die wenigen Menschen, die auf dem Boden umher liefen, erinnerten ihn unwillkürlich an kleine Ameisen. „Und?“, wollte Doflamingo nach einigen Minuten wissen. Seine Stimme klang ziemlich aufgeregt. Crocodile warf seinem Verlobten einen irritierten Blick zu. „Was meinst du?“, fragte er, denn um ehrlich zu sein, hatte er keine Ahnung, worauf sein Partner hinauswollte. „Du weißt schon“, gab dieser zurück: „Käme dieses Schloss als Location für unsere Hochzeit infrage? Ich finde es hier wunderschön, aber mir ist es wichtig, dass der Ort uns beiden gefällt. Ich möchte unbedingt deine Meinung hören!“ Crocodile senkte den Blick und beobachtete die Spitzen seine Schuhe als handelte es sich um interessante Kunstobjekte. Plötzlich verflog seine Begeisterung und an ihrer Stelle traten die üblichen Sorgen: Dieses Schloss war atemberaubend, doch konnte er es sich finanziell erlauben, es für ihre Hochzeit zu buchen? Crocodile hatte nicht damit gerechnet gehabt, dass es so schön und so gut instand gehalten sein würde. Bestimmt kostete es ein kleines Vermögen, hier seine Hochzeit zu feiern. Doch auf der anderen Seite: Hatte er eine Wahl? Und wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass sie beide sich für eine günstigere Location entscheiden würden? Eher gering, überlegte Crocodile sich, der sich noch gut an Monets Vorschlag erinnern konnte, im Ausland zu feiern. „Ich würde dich sehr gerne hier heiraten“, sagte er schließlich und warf seinem Verlobten ein zaghaftes Lächeln zu. „Dieses Schloss ist bezaubernd. Ich glaube, es ist genau richtig für uns beide.“ Wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, brach Doflamingo sofort in lautem Jubel aus. Gerührt schniefend zog er Crocodile in eine feste Umarmung, die dieser sich gefallen ließ. Er lehnte sogar seinen Kopf an die Brust seines Verlobten an. Und während Doflamingo sein Haar küsste, fragte er sich, ob er gerade eben eine kluge Entscheidung getroffen hatte. * „Wir beide waren den ganzen Tag auf den Beinen“, meinte Crocodile, als er gemeinsam mit seinem Verlobten dessen luxuriöses Ferienhauses betrat. „Ich würde gerne duschen und mich gleich danach ins Bett legen.“ „Klingt gut“, erwiderte Doflamingo, der, seit Crocodile seine Zustimmung gegeben hatte, bester Laune zu sein schien. „Hast du was dagegen, wenn ich mich dir anschließe?“ „Ich bin noch ganz wund von heute Morgen“, wandte Crocodile ein und warf seinem Partner einen überaus vorwurfsvollen Blick zu. Doflamingo hatte sich (wie so oft) nicht beherrschen können und sich gleich nach Aufstehen praktisch auf ihn gestürzt gehabt. „Du klingst fast so als hätte es dir nicht gefallen“, erwiderte Doflamingo keck grinsend. „Aber mal im Ernst: Wenn du keinen Sex haben willst, weil dein Arsch weh tut, ist das okay. Trotzdem könnte ich dir ein paar schöne Minuten verschaffen.“ „Was meinst du damit?“, wollte Crocodile wissen. Die dubios klingenden Worte seines Partners ließen ihn sofort misstrauisch werden. Während er sprach, machte er sich auf den Weg hinüber ins Badezimmer; Doflamingo folgte ihm auf den Fuße. „Nun ja“, meinte dieser und setzte ein verführerisches Grinsen auf. „Ich würde gern wiedergutmachen, dass dein letzter Blowjob in die Hose gegangen ist. Du stellst dich einfach unter die Dusche, schließt deine Augen und lässt mich machen. Was hältst du davon?“ Crocodile musste zugeben, dass dieses Angebot äußerst verlockend klang. Schließlich verfügte sein Verlobter über eine äußerst talentierte Zunge. Letztendlich fiel ihm die Entscheidung nicht allzu schwer. „Gut, von mir aus“, meinte er, während er sich entkleidete. „Du wirst es nicht bereuen“, versprach Doflamingo, der sich ebenfalls aus seiner Kleidung schälte. Gemeinsam stiegen sie in die großzügig geschnittene Duschkabine. Crocodile stellte die Temperatur auf angenehme 41 Grad Celsius und seufzte wohlig auf, als das Wasser seine Haut traf. Wie immer, wenn sie gemeinsam duschten, kam Doflamingo nicht umhin sich zu beschweren. „Viel zu heiß!“, jaulte er und schob die Unterlippe nach vorne. „Du verbrühst uns beide noch, Baby!“ „Quatsch“, gab Crocodile zurück. Er schloss seine Augen und legte den Kopf in den Nacken. Im Augenblick fühlte er sich absolut pudelwohl. „Die Temperatur ist genau richtig. Außerdem geht es doch jetzt um mich und nicht um dich, oder?“ „Ist ja gut“, gab Doflamingo sich überraschend schnell geschlagen. „Du hast ja Recht.“ [zensiert] „Was ist los?“, fragte dieser und richtete sich sofort alarmiert auf. „Hab ich dir wehgetan?“ „Du weißt ganz genau, was los ist“, meinte Crocodile und fixierte seinen Partner mit zu Schlitzen verengten Augen. Er war absolut empört und konnte gar nicht richtig fassen, was hier vor sich ging. „Du hast meine Hoden abgetastet!“ „Wie kommst du denn auf diesen Blödsinn?“, versuchte Doflamingo sich zu verteidigen, doch sein ausweichender Blick und seine halbherzige Stimme verrieten ihn. „Du begrabschst seit mindestens fünf Minuten meine Hoden!“, erwiderte Crocodile und zeigte vorwurfsvoll mit dem Finger auf seinen Partner. „Na und? Darf ich das nicht?“ Doflamingo schien sich ertappt zu fühlen. „Du spielst nie solange mit ihnen, bevor du mir einen Blowjob gibst!“ „Ich habe eben versucht, dich ein bisschen in Stimmung zu bringen“, rechtfertigte sein Verlobter sich kläglich. „Schließlich wäre es schon dein zweiter Orgasmus heute und....“ „Blablabla!“, schnitt Crocodile ihm zornig das Wort ab. „Hör mir auf mit deinen Ausreden, Doflamingo. Und verrate mir lieber, was du damit bezwecken wolltest!“ „Nun ja...“ Doflamingo gab sich geschlagen. Er seufzte leise auf und fixierte ihn mit seinen stechend grünen Iriden. „Ich mache mir ein wenig Sorgen, seitdem ich vor ein paar Tagen ausversehen deine Eier zerquetscht habe... Also wollte ich nachprüfen, ob alles in Ordnung ist.“ „Ich hatte dir doch gesagt, dass alles in Ordnung ist!“, warf Crocodile seinem Verlobten vor. Er konnte dessen Verhalten überhaupt nicht nachvollziehen. „Schon... Aber du weißt doch selber, wie du in dieser Hinsicht bist, Crocodile! Du tust alles, um nicht zum Arzt gehen zu müssen. Außerdem bist du ein ziemlich prüder Mensch. Ich hatte einfach Angst, dass du mir vielleicht vor Scham verschweigst, dass du Schmerzen hast. Also wollte ich zur Sicherheit selbst nachprüfen, ob du okay bist.“ „Ich fasse es nicht...!“ Crocodile warf Doflamingo einen völlig entgeisterten Blick zu. „So ein bescheuerter Einfall kann auch wirklich nur von dir kommen?!“ „Wieso bescheuert?“ Nun ging sein Partner in Abwehrhaltung über. „Als da diese Sache mit dem Blut war... du weißt schon: nach dem Sex, bei Daz Zuhause... Da wolltest du auch um keinen Preis ins Krankenhaus fahren!“ „Das waren doch eine völlig andere Situation“, versuchte Crocodile das Argument seines Partners zu entkräften. „Dass ich mir beim Sex einen kleinen Hautriss zuziehe, ist mir ab und an schon einmal passiert. Damit kenne ich mich aus. Deswegen konnte ich auch einschätzen, ob ein Arztbesuch nötig gewesen wäre oder nicht. Aber dass mein Verlobter mir während eines Blowjobs vor Schreck die Eier quetscht, hatte ich noch nie! Natürlich hätte ich es dir mitgeteilt, wenn ich das Gefühl gehabt hätte, ich wäre ernsthaft verletzt worden!“ „Manchmal kann man das aber selbst gar nicht richtig einschätzen“, erwiderte Doflamingo. Er blieb absolut beharrlich bei seinem Standpunkt. „Und deswegen ist es auch so wichtig, dass eine zweite Person noch einmal nachprüft, ob eine Verletzung vorliegt oder nicht. Die Hoden sind eine extrem empfindliche Körperstelle, Crocodile! Gerade da kann es wirklich sehr leicht zu schlimmen Verletzungen kommen!“ „Du tust so als ob du ein... ein Eier-Experte wärst!“, brüllte Crocodile entrüstet. Noch immer war er stocksauer und konnte nicht fassen, dass sein Verlobter einen intimen Moment heraufbeschworen hatte, nur um seine Hoden abzutasten. Auf eine komische Art und Weise kam er sich betrogen und ausgenutzt vor. „Dabei verstehst du von diesen Dingen doch überhaupt nichts! Du bist kein verdammter Arzt, Doflamingo!“ „Das ist mir klar“, lenkte dieser ein. „Aber ich habe mit einem Arzt gesprochen! Law hat mir genau erklärt, worauf man achten muss und...“ „Law?!“ Wenn Crocodile geglaubt hatte, diese Situation könnte nicht noch unangenehmer werden, dann hatte er sich definitiv geirrt. „Bitte sag mir nicht, dass du Law erzählt hast, was vorgefallen ist?!“ Am liebsten wäre er vor Scham im Boden versunken. „Natürlich habe ich ihm davon erzählt“, meinte Doflamingo, der offenbar überhaupt nicht nachvollziehen konnte, warum sein Partner im Gesicht plötzlich rot wie eine überreife Tomate wurde. „Und das muss dir auch nicht peinlich sein, Crocodile. Als Arzt sieht er das Ganze aus einer absolut professionellen Perspektive.“ „Du hast doch wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank!“ Nun hatte Crocodile wirklich genug. Anklagend zeigte er mit dem Finger auf die nackte Brust seines Verlobten und funkelte diesen aus zornigen Augen heraus an: „Wie kannst du es bloß wagen, deinen Freunden so intime Details über unser Sexleben zu verraten? Was beim Sex zwischen dir und mir passiert, geht niemanden etwas an! Weder Law noch sonst irgendjemanden!“ „Er ist Arz... .“ „Und wenn er der Kaiser von China wäre!“, zischte Crocodile wütend. Er warf seinem Verlobten einen letzten giftigen Blick zu, ehe er nach dem Griff der gläsernen Kabinentüre griff und aus der Dusche stieg. „Was machst du da?“, fragte Doflamingo irritiert, als er bemerkte, was er vorhatte. „Ich veziehe mich in mein Zimmer“, antwortete Crocodile missgelaunt, während er hastig mit einem Handtuch seinen Körper trocken rubbelte. „Für heute habe ich wirklich genug von dir!“ „Jetzt sei doch nicht so!“, bat Doflamingo und verließ ebenfalls die Duschkabine. „Ich meine... Ich weiß, dass du prüde bist und dich schnell unangenehm berührt fühlst, aber findest du nicht, dass du ein wenig übertreibst?“ „Übertreibst?“ Crocodile glaubte, sich verhört zu haben. Wütend drehte er sich zu seinem Partner um und spie diesem entgegen: „Du findest, dass ich übertreibe? Du bist doch echt komplett bescheuert, Doflamingo! Du bist derjenige, der mich am liebsten wegen jedem kleinen Wehwehchen ins Krankenhaus einweisen würde; also wirf du mir gefälligst nicht vor, ich würde übertreiben! Und prüde bin ich auch nicht! Ob du es glaubst oder nicht: Niemand -absolut niemand!- findet es toll, wenn irgendwelche peinlichen Sexunfälle im Freundeskreis die Runde machen!“ „Du tust so, als hätte ich jedem, den ich kenne, davon erzählt!“, erwiderte Doflamingo mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Aber der einzige, mit dem ich darüber gesprochen habe, ist Law! Und zwar nicht, um dich lächerlich zu machen, sondern weil ich mir Sorgen um dich gemacht habe.“ „Und wer garantiert mir, dass Law die Klappe hält?!“ Die Worte seines Partners beruhigten Crocodile kein Stück. Ganz im Gegenteil: Es machte ihn absolut rasend, dass Doflamingo sich (wie immer) keiner Schuld bewusst zu sein schien. „Dass dieser Sexunfall der größte Lacher auf deiner nächsten Party wird, hat mir gerade noch gefehlt! Als hätte es nicht schon gereicht, dass Hancock uns beide erwischt hat! Eine Peinlichkeit folgt der nächsten!“ „Er wird nichts verraten“, versprach Doflamingo ihm. „Ich gebe dir mein Wort, Crocodile! Und nun beruhige dich bitte endlich.“ „Ich beruhige mich dann, wenn ich mich beruhigen will!“, keifte Crocodile. Für heute Abend hatte er von seinem Verlobten wirklich mehr als genug! So schnell er konnte, schlüpfte er in seine Hose und sein Hemd, und ehe Doflamingo dazu kam ihn aufzuhalten, hatte er längst das Badezimmer verlassen. Hastig machte er sich auf den Weg ins Schlafzimmer; und als er es erreicht hatte, schloss er die Türe hinter sich ab. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis Crocodile einigermaßen heruntergekühlt war. Wütend tigerte er im Schlafzimmer auf und ab; zwischendurch ließ er sich auf dem Bett nieder, doch er hielt es höchstens zehn oder fünfzehn Sekunden lang aus, ehe er wieder aufstand und weiter unruhig durch den Raum streifte. Er konnte überhaupt nicht fassen, dass sein Partner sich einfach das Recht herausnahm, einer dritte Person Details über ihr Sexleben zu erzählen. Solche Informationen waren privat und sollten es auch bleiben. Was hatte Doflamingo sich bloß dabei gedacht?! Wie sollte er Law bloß jemals wieder in die Augen schauen, ohne im Gesicht die Farbe einer überreifen Tomate anzunehmen? Es handelte sich bei diesem schließlich nicht einfach bloß um einen Arzt, so wie Doflamingo behauptete, sondern gleichzeitig auch um einen guten Freund von ihnen! „Hätte er nicht irgendwen anders um Rat fragen können?“, murmelte Crocodile und fuhr sich mit der Hand erschöpft durch sein Haar. „Warum ausgerechnet eine Person, die wir beide mindestens einmal pro Woche zu Gesicht bekommen?“ Crocodile seufzte leise auf und öffnete die Türe zum Balkon. Draußen war es längst dunkel geworden: Der weitläufige Garten, der sich vor ihm erstreckte, wirkte düster und still. Man hörte nicht einen einzigen Vogel zwitschern. Und auch kein Mensch war zu sehen; weder ein Gärtner noch ein erschöpftes Dienstmädchen, das ein wenig frische Luft schnappte. Crocodile lehnte sich auf die Balkonbrüstung und ließ seinen Blick über die dunklen Baumwipfel schweifen. Die kühle Abendluft tat ihm außerordentlich gut. Sofort spürte Crocodile, dass er ruhiger wurde: Seine Körperhaltung entspannte sich und seine Atmung wurde gleichmäßiger. Ohne weiter darüber nachzudenken griff Crocodile in die hintere Tasche seiner Hose, holte eine Zigarre hervor und zündete diese an. Während er rauchte, stellte Crocodile fest, dass er nicht mehr wütend und aufgebracht war. Stattdessen überkamen ihn plötzlich Gewissensbisse: Er hat sich Sorgen um deine Gesundheit gemacht, sagte eine süffisant klingende Stimme aus dem hinteren Bereich seines Gehirns. Es ist nie seine Absicht gewesen, dich bloßzustellen. Er hat es nur gut mit dir gemeint - und du hast dich verhalten wie ein betrogenes Eheweib! Crocodile drückte seine Zigarre auf der Brüstung des Balkons aus und machte sich auf den Weg zurück in das Innere seines Zimmers. Hatte er womöglich wirklich übertrieben? Verunsichert biss Crocodile sich auf die Unterlippe. Er weiß ganz genau, dass du ein prüder Mensch bist, verteidigte ihn eine andere Stimme. Und er leitet ein riesiges Krankenhaus. Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, mit einem anderen Arzt zu sprechen. Law hätte man außen vor lassen können. Die Wahrheit, dachte Crocodile und senkte den Blick, liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte. Trotzdem sollte er sich bei seinem Verlobten entschuldigen. Schließlich hatte Doflamingo es nur gut mit ihm gemeint, auch wenn man die ganze Sache zugegebenermaßen etwas geschickter hätte angehen können. Seufzend verließ Crocodile sein Zimmer. Draußen im Gang traf er ein Dienstmädchen, von dem er auf Nachfrage erfuhr, dass sein Partner sich in im Gästezimmer aufhielt. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen machte Crocodile sich auf den Weg dorthin. Um ehrlich zu sein, entschuldigte er sich genauso ungern bei Doflamingo wie dieser bei ihm. Crocodile biss sich selbst auf die Unterlippe, als er leise an der Türe des Gästezimmers anklopfte. „Doffy?“ Es vergingen ein paar Sekunden, ehe sein Verlobter mit abgespannt klingender Stimme „Herein“ rief. Crocodile zwang sich dazu, Ruhe zu bewahren. Er atmete einmal tief ein und aus, ehe er schließlich nach der Klinke griff, die Türe öffnete und das Zimmer betrat. Doflamingo saß im Schneidersitz auf dem Bett. Seine Körperhaltung wirkte nicht abweisend, doch er blickte ihm auch nicht ins Gesicht. Verunsichert näherte Crocodile sich seinem Partner. Er konnte Doflamingos Gemütszustand nicht so recht einordnen. „Doffy?“, fragte er noch einmal und blieb vor dem Bett stehen. „Setz dich ruhig“, sagte Doflamingo und deutete matt auf den Platz gegenüber von ihm. Crocodile tat wie ihm geheißen. Unbewusst imitierte er seinen Partner und ließ sich ebenfalls im Schneidersitz nieder. „Ich möchte mich bei dir entschuldigen“, meinte Crocodile sofort. Er empfand die jetzige Situation als extrem unangenehm. Am liebsten wollte er die Angelegenheit so schnell wie möglich hinter sich bringen. „Vermutlich habe ich ein bisschen überreagiert. Ich weiß ja, dass du nicht die Absicht hattest, mich vor anderen Menschen zu demütigen.“ „Ich würde dich niemals absichtlich vor irgendjemanden demütigen“, erwiderte Doflamingo in einem ungewohnt ernst klingenden Tonfall. „Ich meine... Klar reiße ich manchmal ein paar blöde Witze oder so... Aber ich mache mir doch keinen Spaß daraus, meinen Verlobten bloßzustellen. So etwas würde ich nie tun. Ich liebe dich, Crocodile!“ „Ich liebe dich auch“, erwiderte er und rückte ein Stück näher an Doflamingo heran, der ihn sofort in die Arme schloss und auf sein Haar küsste. Es war ein unfassbar angenehmes Gefühl. „Also“, flüsterte Doflamingo und begann an seinem Ohr zu knabbern, „jetzt hast du schon zwei verpatzte Blowjobs bei mir gut. Wollen wir auf eins reduzieren?“ „Ist das dein ernst?!“ * Als Crocodile von der Arbeit nach Hause kam, fand er seinen Verlobten im Wohnzimmer vor. Doflamingo saß auf der Couch. Der Fernseher lief, doch er schenkte dem Gerät wenig Beachtung. Stattdessen blätterte er interessiert durch die Seiten irgendeiner Zeitschrift. Crocodile gab seinen Partner einen Kuss auf den Mund und ließ sich anschließend neben diesem auf der gemütlichen Couch nieder. Die Arbeit war heute ziemlich anstrengend gewesen (er hatte praktisch den ganzen Tag damit zugebracht, das Feedback wichtiger Kunden in Form einiger aussagekräftiger Diagramme zusammenzufassen) und am liebsten würde er bloß noch eine Kleinigkeit essen und sich gleich danach ins Bett legen. „Was gibt es heute zu essen?“, fragte Crocodile und bemühte sich um einen unbefangen klingenden Tonfall. Doflamingo mochte es nicht gerne, wenn sein Verlobter sich, nachdem er gerade erst zu Hause angekommen war, sofort ins Schlafzimmer verzog. Vermutlich fühlte er sich dann vernachlässigt und übergangen. Crocodile hoffte, seinen eifersüchtigen Partner mit ein wenig freundlichem Smalltalk friedlich stimmen zu können. „Marinierten Wildlachs, glaube ich“, erwiderte Doflamingo mit relativ desinteressiert klingender Stimme. Er wendete den Blick noch nicht einmal von seiner Zeitschrift ab, während er sprach. „Die Arbeit war ziemlich anstrengend“, meinte Crocodile, der sich einen genervten Unterton nicht ganz verkneifen konnte. Er war es nicht gewohnt, dass Doflamingo ihn kaum beachtete. Normalerweise schenkte dieser ihm immer seine einhundertprozentige Aufmerksamkeit. „Ich denke, ich werde mich nach dem Essen schlafen legen.“ „Okay, Croco“, antwortete Doflamingo gelassen und blätterte um. Nun konnte Crocodile nicht mehr an sich halten. „Was liest du da eigentlich?“, fragte er unwirsch und beugte sich zu seinem Partner hinüber, damit er den Titel der Zeitschrift besser erkennen konnte. „Tattoo Art“, las er laut vor. Verwundert zog Crocodile die Augenbrauen zusammen. „Willst du dir etwa ein Tattoo stechen lassen, Doflamingo?“ Angesprochener zuckte mit den Schultern. „Nun ja, ich denke darüber nach. Wieso? Magst du Tätowierungen nicht?“ „Es kommt drauf an“, gab Crocodile ausweichend zurück. „Ein oder zwei kleine Tattoos mit hübschen Motiven sind okay. Aber manche Leute haben ja wirklich den ganzen Körper voll; das finde ich überhaupt nicht schön.“ Erst vor ein paar Tagen hatte Crocodile auf der Straße eine junge Frau getroffen, deren kompletter rechter Oberarm und auch Dekollete von einer dunkelblauen Tätowierung überzogen war. Passend dazu hatte sie sich ihr kurzes Haar in derselben Farbe gefärbt gehabt. Crocodile hatte dieses Erscheinungsbild nicht sonderlich ansprechend gefunden. „Ich auch nicht“, meinte Doflamingo. „Alles in Maßen. Ein oder zwei Tattoos können an den richtigen Stellen wirklich gut aussehen.“ „Aber wie kommst du denn plötzlich darauf?“, wollte Crocodile irritiert wissen. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass Doflamingo jemals zuvor den Wunsch geäußert hatte, sich eine Tätowierung stechen zu lassen. „Naja, ich habe mich letztens mit Law unterhalten“, erklärte Dolamingo. „Und irgendwann sind wir dann auch auf seinen neuen Freund gekommen. Du weißt schon, dieser Eustass Kid. Er hat ihm ja sein neuestes Tattoo gestochen. Und dann bin ich auf den Gedanken gekommen, dass ich selbst vielleicht auch eines haben möchte.“ „Diese Entscheidung solltest du lieber nicht überstürzen“, riet Crocodile seinem Verlobten. „So ein Tattoo behält man sein ganzes Leben lang. Du musst dir gut überlegen, ob dir ein Bild wirklich so gut gefällt, dass du es bis zu deinem Tod an deinem Körper tragen möchtest. Es gibt viele Leute, die sich ein Tattoo stechen lassen und diesen Schritt hinterher bereuen.“ „Natürlich“, erwiderte Doflamingo und auch wenn sein Blick hinter den getönten Gläsern seiner Sonnenbrille verborgen blieben, war Crocodile sich sicher, dass er mit seinen Augen rollte. Er schwieg für einen kurzen Moment, ehe er hinzufügte: „Weißt du eigentlich, dass bevor wir beide ein Paar geworden sind, ich dachte du hättest ein Tattoo?“ „Ich?“ Crocodile setzte einen irritierten Gesichtsausdruck auf. „Wie zur Hölle kommst du denn darauf?“ „Unter deinen Arbeitskollegen kursierte das Gerücht, dass du dir als Teenager einen geflügelten Totenkopf hättest tätowieren lassen“, antwortete Doflamingo. „Ehrlich?“ Über diesen Schwachsinn konnte Crocodile bloß lachen. Doflamingo nickte eifrig. „Selbst Robin hat es geglaubt! Sie erzählte mir von einem weißen Totenschädel mit violetten Flügeln, der von zwei Schwertern gekreuzt wird.“ „Unfassbar.“ Ungläubig schüttelte Crocodile den Kopf. „Ich habe Robin immer für eine vernünftige Frau gehalten. Wie ist sie bloß auf diesen Blödsinn gekommen? Mal ehrlich: Selbst wenn ich mir jemals ein Tattoo hätte stechen lassen, dann doch bestimmt nicht mit einem geflügelten Totenkopf als Motiv!“ „Ich habe wirklich viele Leute getroffen, die absolut überzeugt davon waren, dass diese Tätowierung existiert“, meinte sein Verlobter. „Einige sagten mir, der Totenkopf befände sich auf deinem linken Schulterblatt. Andere glaubten stattdessen, du hättest ihn dir auf den unteren Rücken setzen lassen.“ „Ich? Ein Arschgeweih?“, sagte Crocodile und brach in lautes Gelächter aus. „Und das hast du geglaubt, Dolamingo?“ Sein Verlobter zuckte mit den Schultern. „Jeder hat die eine oder andere Jugendsünde begangen“, antwortete er gelassen. „Es hätte doch sein können. Außerdem hast du, als wir beide die ersten Male miteinander Sex gehabt haben, immer dein Hemd angelassen. Ich dachte mir, dass dein Tattoo dir vielleicht peinlich ist und du es mir nicht zeigen möchtest. Erst später, nachdem ich wirklich jeden Zentimeter von dir gesehen hatte, war ich mir sicher, dass die Sache mit dem Totenkopf-Tattoo bloß ein Gerücht gewesen ist.“ „Manchmal machen wirklich eine Menge schwachsinniger Gerüchte die Runde“, sagte Crocodile. „Über dich habe ich auch einige echt verrückte Sachen gehört gehabt.“ „Ehrlich?“, hakte Doflamingo sofort interessiert nach. „Was denn zum Beispiel?“ „Verschiedenes“, antwortete Crocodile recht ausweichend. Nicht alles, was man über seinen Verlobten erzählte, war unbedingt positiv. Er versuchte sich an ein paar möglichst harmlose Details zu erinnern. „Jemand hat mir mal gesagt, du würdest immer eine Sonnenbrille tragen, weil du zwei verschiedene Augenfarben hast.“ Diese Aussage veranlasste Doflamingo breit zu grinsen. „Und was noch?“ „Naja...“ Crocodile nahm sich einen Augenblick Zeit, um nachzudenken. „Dass du gerne Schnecken isst. Du weißt schon, wie die Franzosen. Dass du mal Sex mit zwei Prostituierten gleichzeitig gehabt hättest. Und dass du dir ein Prinz-Albert-Piercing hättest stechen lassen. So einen Blödsinn halt.“ „Die Leute erzählen gerne Lügen“, meinte Doflamingo kopfschüttelnd. Er wirkte recht amüsiert. „Durch Gerüchte wird der Alltag eben ein bisschen aufregender. Ich bin das gewöhnt und gebe da nichts drauf.“ „Ich muss zugeben, dass ich wegen dem Prinz-Albert-Piercing ziemlich besorgt gewesen bin“, gestand Crocodile und senkte den Blick. „Du ahnst gar nicht, wie erleichtert ich war, als ich festgestellt habe, dass es sich wirklich bloß um ein erfundenes Gerücht handelt.“ „Und ich war so stolz auf mich, weil ich dachte, du wärst von meiner Schwanzgröße beeindruckt“, erwiderte Doflamingo laut lachend. „Nein, im Ernst“, fügte er hinzu, als er sich wieder einigermaßen gefangen hatte. „Ich kann dir versprechen, dass ich niemals einen Piercer oder Tätowierer in die Nähe meines besten Stücks lassen werde. Um ehrlich zu sein, finde ich ein Prinz-Albert-Piercing optisch gar nicht so schlecht. Jedenfalls würde es mich nicht stören, wenn mein Sexpartner eines hätte. Aber mir selbst wäre das viel zu riskant. Ich hätte Angst, dass beim Piercen irgendetwas schief geht.“ „Das Risiko, dass etwas schief geht, besteht immer“, warf Crocodile ein. „Auch bei dem Tattoo, dass du dir vielleicht stechen lassen möchtest. Es kann passieren, dass der Tätowierer mit der Hand abrutscht und das ganze Motiv versaut. Oder...“ „Dessen bin ich mir bewusst“, unterbrach Doflamingo ihn ungeduldig. „Es handelt sich nun einmal um eine Körperverletzung. Zwar eine gewünschte, aber nichtsdestotrotz um eine Verletzung. Eine hundertprozentige Garantie hat man nie. Die Frage ist letztendlich, ob es mir dieses Risiko wert ist oder nicht.“ „Hast du dir schon eine Stelle überlegt?“, hakte Crocodile nach. Die Idee seines Verlobten, sich ein Tattoo stechen zu lassen, überraschte ihn zwar, doch solange es sich um etwas Kleines und Unauffälliges handelte, ging es für ihn in Ordnung. Schließlich wollte Doflamingo sich nicht etwa den kompletten Rücken oder die Oberarme einfärben. „Ich bin mir noch nicht ganz sicher“, antwortete Doflamingo, „aber ich dachte an die Hüfte oder das Handgelenk. Knöchel käme womöglich auch infrage.“ „Du trägst sehr häufig offene Schuhe“, gab Crocodile mit zusammengezogenen Augenbrauen zu bedenken. „Ich würde auf jeden Fall eine Stelle aussuchen, die man leicht verdecken kann.“ „Wieso? Man soll das Tattoo doch sehen können. Schließlich lasse ich es mir aus genau diesem Grund stechen. Es handelt sich sozusagen um Schmuck. Heißt ja auch Körperschmuck, oder nicht?“ „Du bist Geschäftsmann“, erwiderte Crocodile zweifelnd. „Und ein Tattoo am Handgelenk oder Knöchel trägt nicht unbedingt zu einem seriösen Auftreten bei.“ Diese Aussage brachte Doflamingo zum Lachen. „Ich muss mich nicht um Seriösität bemühen“, meinte er in einem nicht gerade bescheiden klingenden Tonfall. „Wer so viel Geld und Einfluss hat wie ich, kann selbst entscheiden, wie er auftreten möchte. Ich muss mich nicht in einen Anzug zwängen, um ernstgenommen zu werden. Erinnerst du dich noch an unsere allererste Begegnung? Weißt du noch, was ich getragen habe bei diesem Geschäftsessen mit Sengoku?“ „Als könnte ich dieses Outfit jemals vergessen“, brummte Crocodile und senkte den Blick. „Du hast ausgesehen wie ein Zirkusclown!“ „Mag sein“, meinte sein Verlobter und zuckte mit den Schultern. „Trotzdem wurde ich von deinem Chef behandelt wie der Präsident des Landes. Weil er nämlich ganz genau weiß, wie viel Geld ich bei seiner Bank habe.“ Der Gedanke an seinen alten Job und Doflamingos Reichtum stimmte Crocodile missgünstig. Rasch versuchte er wieder auf ihr ursprüngliches Gesprächsthema zurückzukommen: „Und wie sieht es mit einem Motiv aus? Hast du dir schon etwas ausgesucht?“ Er griff nach der Zeitschrift, die noch immer auf dem Schoß seines Verlobten lag, und blätterte ein wenig durch die Seiten. Es waren Unmengen verschiedener Tattoo-Motive zu sehen: Von Rosen über Mosaikmustern bis zu Vögeln und noch vieles mehr. Doflamingo schwieg für eine Weile und wich seinem Blick aus. „Ich dachte vielleicht an einen Schriftzug“, antwortete er schließlich mit ruhiger Stimme. „Einen Schriftzug?“, wiederholte Crocodile mit gerunzelter Stirn, während er einen tätowierten Fußknöchel, der auf Seite 23 abgebildet war, näher betrachtete. Bei dem Tattoo handelte es sich um drei kleine, bunte Sterne. So etwas in der Richtung könnte er sich gut für Doflamingo vorstellen: bunt, aber nicht allzu ausgefallen. „Was denn für einen Schriftzug? Einen Spruch oder so etwas in der Art?“ Auf der nächsten Seite war eine (vermutlich) weibliche Schulter zu sehen, die mit dem Sprichwort Jeder ist seines Glückes Schmied verziert worden war. „Ich würde mir gerne deinen Namen tätowieren lassen“, sagte Doflamingo. Crocodile erstarrte zur Salzsäule. Die Zeitschrift Tattoo Art glitt ihm aus der Hand und landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem Fußboden. Absolut entsetzt blickte Crocodile in das Gesicht seines Verlobten. Er erwartete, dort ein breites Grinsen zu entdecken, doch leider wurde seine Hoffnung enttäuscht. Doflamingo wirkte vollkommen ruhig; seine Körperhaltung war gelassen und seine Gesichtszüge waren entspannt. „Du verarschst mich doch!“, waren nichtsdestotrotz die ersten Worte, die Crocodile über die Lippen kamen. Seine Stimme klang erschüttert und spiegelte sehr gut seinen Gemütszustand wieder. „Ich meine es ernst!“, erwiderte sein Partner sofort. „Es wäre absolut perfekt: Dein Name auf meiner Haut; gestochen von dem Mann, der dir einst das Leben gerettet hat! Es gibt nichts, was besser zu mir passen würde!“ „Du bist echt bekloppt, Doflamingo!“ Crocodile konnte kaum fassen, was sein Verlobter ihm gerade mitgeteilt hatte. „Wie kommst du bloß auf so eine Idee?! Mir fallen mindestens einhundert Gründe ein, wieso du das nicht tun solltest!“ „Ach ja?“ Doflamingo kreuzte die Oberarme vor der Brust und schob die Unterlippe nach vorne. „Und welche wären das bitteschön?“ „Zuerst einmal bist du kein liebeskranker Teenager, sondern ein dreißigjähriger Geschäftsmann“, erwiderte er wie aus der Pistole geschossen. „Zweitens ist ein Tattoo eine Entscheidung, die man für sein ganzes Leben lang trifft: Stell dir nur einmal vor, wir beide trennen uns irgendwann. Dann hättest du trotzdem noch bis zu deinem Tod meinen Namen auf dem Handgelenk stehen und würdest jeden Tag an unsere Beziehung zurückerinnert werden. Drittens...“ „Du bist auch eine Entscheidung, die ich für mein ganzes Leben getroffen habe!“, unterbrach sein Verlobter ihn aufgebracht. „Glaubst du, ich hätte dir einen Heiratsantrag gemacht, wenn ich mir nicht sicher wäre, dass du der Richtige für mich bist? Warum heiraten wir beide denn überhaupt, wenn wir sowieso ständig damit rechnen, dass wir uns hinterher doch scheiden lassen werden?“ „So habe ich das nicht gemeint“, erwiderte Crocodile, „und das weißt du auch ganz genau!“ Er holte tief Luft, ehe er fortfuhr: „Wir führen fast dieselbe Diskussion, die wir auch zum Thema Ehevertrag geführt haben: Natürlich liebe ich dich, Doflamingo, und natürlich hoffe ich, dass wir beide ein langes Leben glücklich und gemeinsam führen werden. Aber leider deckt sich nun einmal die persönliche Vorstellung nicht immer mit der Realität! Es muss ja nicht mal unbedingt eine Scheidung sein... Vielleicht sterbe ich ja auch. Alles ist möglich. Schließlich habe ich gerade erst vor kurzem unbeschadet einen Autounfall überstanden, der mich genausogut auch hätte töten können. Stell dir nur einmal vor, so etwas passiert mir noch einmal. Nur dass es dieses Mal nicht gut ausgeht. Ich sterbe in irgendeinem demolierten Autowrack auf irgendeiner Schnellstraße. Und du hast für immer und ewig meinen Namen auf deinem Körper stehen. Wirst jeden Tag an mich zurückerinnert. Würdest du das wirklich wollen?“ „Was redest du denn da?“, rief Doflamingo völlig verzweifelt. „Warum bist du immer so furchtbar negativ eingestellt, was die Zukunft angeht? Ich meine, genausogut könnten wir beide doch auch glücklich zusammenleben, bis wir achtzig Jahre alt sind und dann friedlich im Schlaf sterben. Wie hoch ist im Gegensatz dazu die Wahrscheinlichkeit sein Leben bei einem Autounfall zu verlieren?“ „Ich kann trotzdem nicht nachvollziehen, warum du dir unbedingt meinen Namen tätowieren lassen möchtest“, entgegnete Crocodile. „Selbst wenn wir beide - was ich sehr hoffe- ein langes und schönes Leben führen werden, verstehe ich nicht, was dir dieses Tattoo bringen soll. Ist ja schließlich nicht so, als ob du ständig vergisst, wie ich heiße.“ „Es soll ein Zeichen sein“, versuchte Doflamingo ihm seine Perspektive zu erklären. „Ein Symbol für meine Liebe zu dir. Dieses Tattoo bedeutet, dass ich zu dir gehöre. Für immer.“ Seufzend hielt Crocodile seine rechte Hand hoch, sodass Doflamingo den Diamantring sehen konnte, den dieser ihm zur ihrer Verlobung geschenkt hatte. „Bald wirst du auch so einen haben“, sagte Crocodile mit angesäuerter Stimme. Diese Diskussion strapazierte seine Nerven wirklich extrem. „Reicht das denn nicht als Liebessymbol?“ „Ich freue mich schon auf meinen Ehering“, erwiderte sein Partner, „aber trotzdem halte ich das Tattoo für keine schlechte Idee. Das eine schließt das andere als Symbol doch nicht aus, oder?“ Augenrollend ließ Crocodile seine Hand wieder sinken. „Mir gefällt diese Idee trotzdem nicht“, meinte er. „Sollte das allein als Grund nicht ausreichen? Schließlich geht es hier um meinen Namen.“ „Ich habe mir noch eine Alternative überlegt gehabt“, sagte sein Verlobter, „für den Fall, dass dir mein Plan missfällt. Wie wäre es anstatt eines Schriftzuges mit einem Bild?“ „Einem Bild?“, hakte Crocodile zweifelnd nach. Ihn ergriff eine ungute Vorahnung. „Ein kleines Krokodil“, führte Doflamingo kopfnickend seine Vorstellung weiter aus. „In grün. Du weißt schon, weil du oft grüne Hemden trägst und so. Fändest du das besser?“ „Ich finde beides bescheuert“, antwortete Crocodile kühl. Er sah nicht ein, wieso er lügen sollte. Ganz im Gegenteil: Je eher er Doflamingo von dessen verrückter Idee abbrachte, desto besser! „Warum musst du dir unbedingt ein Tattoo stechen lassen? Warum bleiben wir nicht einfach bei unseren Eheringen?“ „Zu Beginn hast du keine Einwände erhoben“, meinte Doflamingo mit vorwurfsvoll klingender Stimme. „Du hast gesagt, dass du ein kleines Tattoo in Ordnung findest.“ „Da wusste ich ja auch noch nicht, dass das Motiv etwas mit mir zu tun hat!“, entkräftete Crocodile das Argument seines Partners. „Grundsätzlich habe ich ja wirklich nichts dagegen einzuwenden, wenn du dich tätowieren lässt. Aber mir wäre es wirklich lieber, wenn du dir ein neutrales Motiv aussuchst. Unsere Hochzeit ist mir Beweis genug für unsere Liebe. Da benötige ich nicht noch zusätzlich ein Tattoo auf der Haut meines Verlobten.“ „Vielleicht brauchst du ein bisschen Zeit, um dich an die Vorstellung zu gewöhnen“, beendete Doflamingo schließlich ihre Diskussion. Crocodile war sich sicher, dass dieser sich noch längst nicht geschlagen gegeben hatte. Bei seinem Verlobten handelte es sich um eine extrem sture und egoistische Person. Wenn Doflamingo etwas wollte, bekam er es auch. Punkt. Der Krieg ist nicht gewonnen, dachte Crocodile missmutig, die Schlacht ist bloß vertagt. Doch auch wenn er alles daran setzen würde, um seinem Partner diese verrückte Idee rasch wieder aus dem Kopf zu schlagen, schloss er sich dem Waffenstillstand an. Sein Arbeitstag war sehr anstrengend gewesen und er hatte heute Abend wirklich keine Lust mehr auf weitere Diskussionen. „Der Fisch müsste jeden Moment fertig sein“, meinte Doflamingo und erhob sich von der Couch. Gleichzeitig sammelte er die Zeitschrift auf, die Crocodile fallen gelassen hatte, und legte sie behutsam auf den Couchtisch. „Lass uns schon mal hinüber ins Esszimmer gehen.“ * Es war Freitagabend. Doflamingo hatte seinen Verlobten dazu überreden können, gemeinsam mit ihm einem Dinner in the Dark beizuwohnen. Crocodile fand zwar die Vorstellung komplett im Dunkeln zu essen nicht sonderlich verlockend, doch weil Doflamingo so begeistert gewirkt hatte und das Dinner auch nur 55 Berry kostete, hatte er sich schlussendlich doch überreden lassen. Nun stand sie beide in der Auffahrt bereit und diskutierten darüber mit welchem Auto sie fahren sollten. Es ärgerte Crocodile ein wenig, dass sein Verlobter darauf bestand sich chauffieren zu lassen, obwohl er gerne mit seinem eigenen Wagen gefahren wäre. Das Restaurant lag in der Nachbarstadt und um dorthin zu gelangen musste man über eine gut ausgebaute Landstraße fahren; ein Spaß, den Crocodile sich gerne gegönnt hätte. „Du fährst doch ständig selbst“, meinte Doflamingo mit vor der Brust gekreuzten Armen. „Jeden Tag zur Arbeit und wieder zurück. Ich finde, dass du dir wenigstens am Wochenende den Luxus erlauben solltest dich fahren zu lassen.“ „Du weißt ganz genau, dass ich sehr gerne autofahre“, hielt Crocodile dagegen. „Ich liebe meinen Mercedes! Und schnelle Landstraßen auch!“ „Es ist Freitagabend“, erwiderte sein Verlobter. „Alle Straßen, die aus der Stadt heraus führen, werden völlig überfüllt sein. Da macht es wirklich keinen Spaß selbst zu fahren, das kannst du mir glauben!“ Leise seufzend gab Crocodile schließlich klein bei. Er wollte einfach bloß einen netten Abend mit Doflamingo verbringen und hatte keine Lust auf eine Diskussion, die höchstwahrscheinlich im Streit ausarten würde. „Also gut“, meinte er und atmete tief durch. „Von mir aus. Gib deinem Fahrer Bescheid.“ „Mit welchem Auto möchtest du denn fahren?“, fragte ihn sein Partner, der wohl versuchte seinen Wünschen wenigstens ein klein wenig gerecht zu werden. „Das ist mir egal“, antwortete Crocodile achselzuckend. Gerade als er noch etwas hinzufügen wollte, erregte ein Motorradfahrer, der plötzlich in der Auffahrt auftauchte, seine Aufmerksamkeit. Crocodile brauchte nicht lange, um zu erkennen, dass es sich bei dem Fahrzeug um eine schwarze Honda 1200 F handelte. „Du hast mir gar nicht gesagt, dass du Law eingeladen hast“, sagte Crocodile verwundert in Richtung seines Verlobten. „Habe ich auch nicht“, gab Doflamingo, der nicht weniger überrascht wirkte als er selbst, zurück. „Schließlich hatte ich ja geplant gehabt mit dir zusammen essen zu gehen.“ „Vielleicht liegt irgendein Notfall vor“, mutmaßte Crocodile, während er beobachtete, wie Law hektisch von seinem Motorrad abstieg. Er war noch bleicher als üblich und wischte sich nervös mit dem Handrücken über den Mund, während er zu ihnen herüberkam. „Hey“, meinte Law mit schwacher Stimme an sie beide gewandt. Er schien sich extrem unwohl zu fühlen und blickte sich immer wieder fahrig um. Man könnte meinen, er würde verfolgt werden. Crocodile, der nicht so recht wusste, was er tun sollte, überließ lieber seinem Verlobten das Wort. „Law“, sagte Doflamingo, der sich um einen ruhigen Tonfall zu bemühen schien, „schön dich zu sehen. Ist alles in Ordnung? Du wirkst ziemlich nervös.“ Law ließ sich nicht viel Zeit mit seiner Antwort. „Ich habe totale Scheiße gebaut!“, erwiderte er und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein kurzes, braunes Haar. „Was meinst du damit?“, hakte Doflamingo nach. „Was ist passiert?“ „Ich bin abgehauen. Verdammt, ich... ich glaube, ich habe einen Riesenfehler gemacht. Das ist alles falsch! Ich... ich hätte das nie tun dürfen!“ „Wovon redest du denn da?“, fragte Doflamingo mit besorgt klingender Stimme. Er hielt für einen Augenblick inne und blickte zu Crocodile hinüber, der kurz nickte, ehe er fortfuhr: „Am besten gehen wir erst mal rein. Setz dich hin, trink ein Glas Wasser und beruhige dich, Law.“ Doflamingo nahm ihn vorsichtig bei der Hand und lotste ihn durch das Foyer hinüber ins Wohnzimmer. Crocodile folgte den beiden auf dem Fuße. Er hatte ein äußerst ungutes Gefühl im Magen. „Ganz ruhig“, sagte Doflamingo und ließ sich neben Law auf der Couch nieder. Crocodile setzte sich auf die andere Seite. „Atme tief ein und aus. Und dann erzählst du uns, was passiert ist.“ Law tat wie ihm geheißen. Er schloss für einen kurzen Moment seine Augen und nahm zwei Atemzüge, ehe er zu erzählen begann: „Also ich... ich war heute Abend mit Kid verabredet. Du weißt schon, meinem Tätowierer. Wir gehen seit ein paar Wochen miteinander aus. Und, naja, es hat eigentlich auch alles ganz gut geklappt. Aber heute... ich war bei ihm Zuhause... wir hatten ausgemacht, dass ich bei ihm schlafe. Irgendwie ist alles schief gegangen. Dann bin ich abgehauen.“ „Was meinst du mit es ist alles schief gegangen?“, wollte Doflamingo wissen. Skeptisch hatte er eine Augenbraue hochgezogen. „Hat er dir wehgetan? Oder wollte er dich zu irgendetwas zwingen?“ „Nein, Quatsch!“, erwiderte Law sofort kopfschüttelnd. „Kid hat nichts falsch gemacht! Er ist sehr nett, auch wenn er nicht unbedingt so aussieht. Es ist meine Schuld gewesen... Ich hätte mich gar nicht erst auf ihn einlassen dürfen. Ich bin nicht bereit für eine neue Beziehung.“ „Was ist denn angeblich deine Schuld gewesen? Was genau ist überhaupt passiert?“ „Ich... wie gesagt, wir waren bei ihm Zuhause und es war geplant, dass ich dort auch übernachte. Naja, du weißt, was das bedeutet, oder? Wir wollten Sex miteinander haben“, meinte Law mit gesenkter Stimme. „Und zu Anfang war auch alles in Ordnung. Er hat für mich gekocht und wir haben miteinander geredet... aber als es dann... eben halt zur Sache ging... da hat mich irgendwie das schlechte Gewissen gepackt. Ich bin aus dem Bett geflüchtet, habe in Windeseile meine Klamotten angezogen und bin verschwunden.“ „Und wie hat Kid reagiert?“ „Der war natürlich total verwirrt“, antwortete Law. Er knetete nervös seine Hände. Crocodiles Blick fiel unweigerlich auf die Death-Tätowierung, welche die Finger seiner linken Hand zierten. „Wollte wissen, was los ist. Hat versucht mit mir zu reden. Aber ich habe einfach nur meinen Motorradschlüssel gepackt und bin weggelaufen.“ „Ich verstehe das nicht so ganz“, meinte Doflamingo stirnrunzelnd. „Warum hast du denn auf einmal Gewissensbisse bekommen? Schließlich hast du doch ehrliche Absichten mit Kid, oder nicht? Es gibt keinen Grund für ein schlechtes Gewissen.“ Daraufhin schwieg Law für eine Weile. Mit zusammengepressten Lippen fixierte er die Spitzen seiner Schuhe. Es dauerte fast zwei Minuten, ehe er mit leiser Stimme sagte: „Ich habe mich schlecht gefühlt wegen Corazon.“ Diese Aussage schien Doflamingo die Sprache zu verschlagen. Völlig verdattert blickte er Law ins Gesicht und brachte kein einziges Wort hervor. Am Ende war es Crocodile, der die unangenehme Stille durchbrach. „Corazon?“, hakte er mit verwunderter Stimme nach. „Doflamingos Bruder?“ „Ich weiß nicht, ob er dir das je erzählt hat“, meinte Law, „aber wir beide sind ein Paar gewesen, ehe Corazon... ehe er gestorben ist.“ „Er ist seit über zwei Jahren tot!“, sagte Doflamingo. Seine Stimme klang ziemlich kalt, wenn man bedachte, dass er hier über seinen eigenen Bruder sprach. „Es wird endlich Zeit, dass du darüber hinwegkommst, Law! Willst du den Rest deines Lebens damit zubringen, um ihn zu trauern? Glaubst du, Corazon hätte das gewollt?!“ „Glaubst du, er wollte sterben?!“ Es war das erste Mal, dass Crocodile miterlebte, wie Law die Stimme erhob. Aus honiggelben Augen heraus funkelte er seinen Verlobten wütend an. Crocodile fand, dass er aussah wie ein grimmiger Luchs. „Es spielt doch überhaupt keine Rolle, was er gewollt hätte oder nicht! Danach hat niemand gefragt! Das Schicksal hat ihn einfach aus meinem Leben herausgerissen! Von einem Tag auf den anderen!“ „Das weiß ich doch!“, erwiderte Doflamingo nicht minder aufgebracht. „Mir ging es genauso! Ich habe ihn auch verloren, Law! Er war mein kleiner Bruder!“ Law verstummte. Er senkte den Blick, schluckte zweimal schwer und brach dann völlig unvermittelt in Tränen aus. Crocodile, der sich äußerst unwohl fühlte und nicht wusste, wie er reagieren sollte, tätschelte verunsichert seinen Rücken. „Nein, ich... das wollte ich nicht“, gab Doflamingo bedrückt von sich und legte eine Hand über seinen Mund. „Du hast Recht“, sagte Law mit leiser Stimme, nachdem er sich einigermaßen wieder gefangen hatte. Mit dem Hemdsärmel wischte er sich über seine tränennassen Augen. „Ich weiß, dass du Recht hast, Doflamingo. Ich kann nicht mein ganzes Leben damit verbringen zu trauern. Aber das ist leichter gesagt als getan. Jedes Mal, wenn ich mich mit einem Mann treffe, der mir gefällt, kommt es mir vor als würde ich Corazon betrügen. Ich frage mich dann immer, was er denken würde, wenn er mich jetzt sähe. Ob er vielleicht enttäuscht von mir wäre oder wütend auf mich. Er ist tot. Er denkt nichts und er fühlt nichts. Das weiß ich. Aber trotzdem werde ich diese Gewissensbisse einfach nicht los.“ „Oh, Law...“ Doflamingo seufzte und fuhr sich mit der Hand durch's Haar. „Warum hast du nie davon erzählt? Ich meine, mir ist klar gewesen, dass du nach dieser Sache mit Corazon zu einem echten Eigenbrötler geworden bist... Aber ich wusste nicht, dass es daran liegt.“ „Weil ich mir dabei total bescheuert vorkomme“, antwortete Law matt. „Ich bin Chirug. Ich müsste von allen Menschen am besten wissen, dass der Tod eine rein biologische Sache ist. Das Gehirn und die Organe hören auf zu arbeiten. Fertig, aus. Corazon hat einfach aufgehört zu existieren. Es ist nicht so als würde er im Himmel auf einer Wolke sitzen und jeden meiner Schritte beobachten. Trotzdem kommt es mir so vor.“ „Vielleicht solltest du psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen“, schlug Doflamingo vor. „Mir haben die Gespräche mit meinem Therapeuten nach Corazons Tod sehr geholfen. Du würdest dort lernen, auf eine... nun ja... angemessene Art und Weise mit deiner Trauer umzugehen. Denn so wie es momentan läuft, kann es nicht für immer weitergehen, Law!“ „Dessen bin ich mir bewusst“, erwiderte Angesprochener ausweichend. „Aber ich weiß nicht, ob so eine Therapie das Richtige für mich ist. Ich arbeite sehr viel. Wahrscheinlich würde ich es allein schon aus zeitlichen Gründen nicht schaffen, mich regelmäßig mit einem Psychiater zu treffen.“ „Dann musst du dir eben die Zeit dafür nehmen“, schaltete sich nun auch Crocodile in das Gespräch ein. „Es ist nicht gut, wenn man immer nur seiner Arbeit den Vorrang gibt. Ab und an sollte man auch mal an sich selbst denken, Law. Das ist keine Schande. Ich finde, du solltest es wenigstens mal mit einer Therapie versuchen!“ „Dass ich diese Worte ausgerechnet von dir höre“, murmelte Law. Er erweckte noch immer einen ziemlich unentschlossenen Eindruck. „Dabei bist du doch sogar noch ein viel größerer Workaholic als ich, wenn man Doflamingos Worten glauben darf. Überstunden bis Mitternacht und so weiter.“ „Nicht mehr“, verteidigte Crocodile sich. „Ich habe gemerkt, dass ich ein bisschen weniger arbeiten muss, wenn ich noch genug Zeit für Doflamingo übrig haben möchte. Ich mache kaum noch Überstunden oder Wochenend-Arbeit. Wie gesagt, manchmal muss man eben zuerst an sich denken und danach erst an seinen Chef. Du solltest dir wirklich die Zeit für eine Therapie nehmen. Wenigstens ein oder zwei Termine in der Woche müssten doch machbar sein.“ „Meine Situation ist anders als deine“, hielt Law dagegen. „Ich meine das jetzt nicht böse, aber bei deinem Job geht es doch nur um Geld. Um Zinsen, Kredite, Investitionen und so weiter. Bei mir sieht das ganz anders aus: Auf meinem OP-Tisch liegen Menschen. Männer, Frauen, Kinder. Mit Familien und mit Träumen. Was ist, wenn eine junge Frau eingeliefert wird, die sofort operiert werden muss oder ansonsten stirbt? Dann kann ich doch nicht einfach sagen: Keine Zeit, ich muss zum Termin mit meinem Psychiater!“ „Und warum nicht?“, erwiderte Crocodile kühl. „Bist du etwa der einzige Chirug im Krankenhaus?“ „Manchmal habe ich alleine Schicht“, antwortete Law auf die eigentlich rhetorisch gemeinte Frage. „Manchmal“, wiederholte Crocodile. „Aber meistens sind doch auch noch andere Chirugen vor Ort, oder nicht? Dann stellt es kein Problem dar, pünktlich Feierabend zu machen und dich mit deinem Psychiater zu treffen. Und zur Not kann man so einen Termin auch auf den nächsten Tag verschieben. Es ist möglich, Law, und diese Möglichkeit solltest du wirklich in Anspruch nehmen!“ „Ich stimme Crocodile zu“, meinte Doflamingo mit zuversichtlich klingender Stimme. „Du musst endlich lernen mit Corazons Tod abzuschließen, Law. Dir liegt doch auch etwas an Kid, oder nicht? Wie soll eure Beziehung funktionieren, wenn du bei jedem Kuss und bei jedem Ich liebe dich ein schlechtes Gewissen bekommst? Kid scheint ein anständiger Kerl zu sein und er hat es nicht verdient sich wie... wie eine Affäre vorzukommen.“ „Ich glaube nicht, dass aus Kid und mir noch etwas werden wird“, erwiderte Law. Er seufzte leise auf und fixierte die Spitzen seiner Schuhe. „Immerhin habe ich heute wirklich Mist gebaut! Wer weiß, ob er mir verzeihen wird, dass ich einfach ohne jede Erklärung abgehauen bin.“ „Ruf ihn doch einfach an“, schlug Doflamingo vor. „Erklär ihm in Ruhe deine Situation. Vielleicht bringt er ja Verständnis für deine Beweggründe auf.“ „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er immer noch etwas von mir wissen möchte.“ „Du hast nichts zu verlieren!“ Doflamingo blieb absolut hartnäckig. Er holte sogar sein Handy aus seiner Hosentasche hervor und hielt es Law vor die Nase. „Los, ruf ihn an“, forderte er ihn auf. „Worauf wartest du?“ „Jetzt?!“ Law wirkte völlig entsetzt. „Glaubst du, deine Chance steigen, je länger du wartest?“, gab Doflamingo keck zurück. Zögerlich nahm Law das Mobiltelefon entgegen. Mit zweifelnder Miene tippte er Kids Nummer ein. Als am anderen Ende der Leitung abgenommen wurde, stand er panisch von der Couch auf und verließ das Wohnzimmer. Crocodile und Doflamingo blieben sitzen. Sie konnten Law im Nebenzimmer telefonieren hören. „Tut mir leid, dass unser Dinner in the Dark ins Wasser gefallen ist“, meinte Doflamingo an seinen Verlobten gewandt. Er sprach so leise, dass Law seine Worte auf keinen Fall mitbekam. „Ist schon gut“, erwiderte Crocodile und winkte ab. „Solche Dinge passieren eben. Und wenn ich an Laws Stelle gewesen wäre, hätte ich schließlich auch gewollt, dass man sich Zeit für mich nimmt und sich um mich kümmert.“ Natürlich konnte Crocodile sich deutlich Angenehmeres vorstellen als einen am Boden zerstörten Freund zu trösten, doch immerhin musste er nun keine 55 Berry ausgeben für ein Abendessen, auf das er sowieso keine große Lust gehabt hatte. Alles in allem hätte es schlimmer kommen können. „Ich hoffe, dass die beiden wieder zueinander finden werden“, murmelte Doflamingo. „Law ist viel zu lange allein gewesen. Nach Corazons Tod hat er sich praktisch in die Arbeit gestürzt. Es wurde immer schwieriger ihn dazu zu bewegen, mal mit uns in ein Restaurant oder einen Nachtclub zu gehen. Ich würde mich wirklich freuen, wenn es ihm gelingt, eine Beziehung zu Kid aufzubauen und wieder glücklich zu werden.“ „Naja, wer weiß“, erwiderte Crocodile schulterzuckend. „Außerdem wäre es auch kein Weltuntergang, wenn diese Sache mit Kid nicht klappt. Manche Menschen sind auch als Single sehr glücklich. Die Hauptsache ist doch, dass wir Law dazu bewegen können eine Therapie in Anspruch zu nehmen. Die Art und Weise, wie er mit seiner Trauer umgeht, ist definitiv nicht gesund.“ „Du hast Recht, was die Therapie angeht“, sagte sein Verlobter „aber trotzdem wäre es schön, wenn die beiden ein Paar werden würden. Das Single-Leben ist nicht schlecht, aber es ist viel besser einen festen Partner zu haben.“ Verwundert runzelte Crocodile die Stirn. „Ich hätte nie gedacht, dass ich so ein Statement ausgerechnet von dir hören würde“, meinte er. „Hast du nicht erzählt gehabt, dass es sich bei mir um deinen allerersten festen Partner handelt? Wenn du es doch so viel besser findest vergeben als single zu sein, wieso hattest du dann vorher noch nie eine länger andauernde Beziehung?“ „Natürlich ist eine Beziehung nur dann schön, wenn man tiefergehende Gefühle füreinander hegt“, antwortete Doflamingo augenrollend. „Du bist der erste Mensch, in den ich mich verliebt habe, Crocodile. Die Männer und Frauen, mit denen ich vorher zusammen gewesen bin, waren nichts als Spielzeuge für mich. Ich habe für keinen von ihnen etwas empfunden. Und auf einer solchen Basis kann natürlich keine langfristige Beziehung entstehen. Aber bei Law und Kid sieht die Sache anders aus: Die beiden scheinen wirklich ineinander verliebt zu sein. Und deswegen hoffe ich auch, dass sie sich wieder vertragen und ihrer Beziehung eine Chance geben. Ich denke, einen Partner zu haben, dem man sich anvertrauen kann, würde Law auch in Bezug auf seine Trauerbewältigung weiterhelfen.“ „Wahrscheinlich“, gab Crocodile zu. Er wusste ja selbst, wie tröstlich es sein konnte, sich anderen Menschen anzuvertrauen. Da musste er bloß an die Begegnung mit seiner Mutter zurückdenken: Zum Glück war Doflamingo für ihn da gewesen, um sich um ihn zu kümmern und ihn aufzumuntern. „Trotzdem sollte man so etwas nicht erzwingen. Viele Leute gehen eine Beziehung ein, nur um... nun ja, um eben in einer Beziehung zu sein. Ich finde, man sollte lieber auf eine Person warten, mit der man wirklich gut zusammenpasst als bloß den nächstbesten zu nehmen.“ Doflamingo legte den Kopf schief und entblößte seine strahlend weißen Zähne, während er selbstzufrieden grinste. Crocodile warf seinem Partner einen irritierten Blick zu. „So hast du es gemacht, nicht wahr?“, meinte Doflamingo. „Du warst drei Jahre lang single, bevor wir beide uns kennengelernt haben. Du bist eine sehr wählerische Person. Du hast auf den richtigen Mann gewartet - auf mich!“ „Du tust so als hätte ich mich sofort auf dich eingelassen“, dämpfte Crocodile den Enthusiasmus seines Verlobten ein wenig ab. „Vergiss nicht, dass es mehrere Woche gedauert hat, bis du mich zu einem Date überreden konntest.“ „Das liegt daran, dass du eine sehr vorsichtige Person bist.“ Doflamingo ließ sich von seiner Vorstellung nicht abbringen. „Und bereits schlechte Erfahrungen sammeln musstest, was Beziehungen angeht. Letztendlich hast du dich für mich entschieden. Das...“ Er schien noch etwas hinzufügen zu wollen, doch schluckte seine Worte stumm hinunter, als Law wieder das Wohnzimmer betrat und Doflamingo dessen Handy in den Schoß warf. Crocodile fand, dass er nicht weniger angespannt und unruhig wirkte als zuvor. Es war ziemlich seltsam, Law, den er als eine sehr ruhige und besonnene Person kennengelernt hatte, so dermaßen gereizt zu erleben. „Wie ist es gelaufen?“, fragte Doflamingo, als dieser auch nach einer halben Minute noch keinen Ton von sich gegeben hat. „Kid kommt hierher“, antwortete Law und tigerte nervös im Raum umher. „Meinte, wir sollten diese Sache lieber nicht am Telefon klären. Er fährt sofort los, hat er gesagt. Das heißt, er müsste in etwa zwanzig Minuten hier sein, wenn die Straßen nicht völlig verstopft sind.“ „Oh-oh“, machte Crocodile. Das klang verdammt schlecht. „Aber das ist doch gut, oder nicht?“, warf Doflamingo ein. „Also, dass er hierherkommt, um dich zu sehen.“ „Gut?!“ Law warf Doflamingo einen entgeisterten Blick zu. „Das ist überhaupt nicht gut! Das ist praktisch das Gegenteil von gut!“ „Wieso denn?“ Doflamingo schien überhaupt nicht zu verstehen, wo das Problem lag. Irritiert ließ er seinen Blick zwischen Crocodile und Law hin- und herschweifen. „Was ist los?“ „Wahrscheinlich möchte Kid Schluss machen“, flüsterte Crocodile seinem Verlobten zu. „Wie kommst du denn darauf? Warum sollte er dafür extra hierherfahren? Er hätte sich doch einfach per Telefon von Law trennen können. Das wäre viel einfacher und unkomplizierter gewesen.“ „Ist das dein Ernst?“ Crocodile glaubte sich verhört zu haben. „Klar ist das mein Ernst“, erwiderte Doflamingo gelassen. „Wieso sollte er sich die Mühe machen und sich in sein Auto setzen, nur um Law abzuservieren? Das ergibt doch keinen Sinn. Ich glaube nicht, dass Kid Schluss machen möchte.“ „Hast du jemals etwas von dem Wort Anstand gehört?“, zischte Crocodile. Er konnte überhaupt nicht fassen, aus welch unsentimentaler und nüchterner Perspektive sein Verlobter die Situation betrachtete. „Man beendet doch keine Beziehung am Telefon!“ „Ich habe das schon des Öfteren getan“, gab Doflamingo zu. Völlig ungerührt zuckte er mit den Schultern. „Wieso auch nicht? Wenn mir noch etwas an der anderen Person läge, würde ich mich ja schließlich gar nicht erst trennen, oder?“ „Allmählich verstehe ich, warum deine früheren Beziehungen nie lange gehalten haben, du Gentleman“, seufzte Crocodile und schüttelte fassungslos den Kopf. Ihm und auch seinen Freunden gegenüber hatte sich Doflamingo stets freundlich und zuvorkommend verhalten. Nie im Leben hätte Crocodile gedacht, dass sein Verlobter zu der Sorte Mensch gehörte, die per Anruf oder sms Schluss machte. Er selbst war jedenfalls der Ansicht, dass der (Ex)partner auf jeden Fall ein persönliches Gespräch verdient hatte, auch wenn sich ihre Wege von nun an trennen sollten. Schließlich hatte man zusammen viele Erfahrungen gesammelt und gemeinsam die eine oder andere Hürde gemeistert. Crocodile wäre niemals auch nur auf den Gedanken gekommen, eine Beziehung auf eine andere Art und Weise zu beenden. „Willst du mir etwa sagen, dass du jede Trennung mit einem Gespräch unter vier Augen durchgezogen hast?“, fragte Doflamingo mit zweifelnder Stimme. Er wirkte beinahe amüsiert. „Wenn man meine Beziehung mit Enel außen vor lässt, die (wie du ja weißt) durch einen gebrochenen Arm, mehreren gebrochenen Rippen und einer Gehirnerschütterung beendet wurde, dann: Ja, habe ich mit jedem einzelnen meiner Partner auf eine vernünftige Art und Weise Schluss gemacht. So wie es sich für einen erwachsenen Menschen gehört“, erwiderte Crocodole kühl. „Auf eine vernünftige Art und Weise?“, wiederholte Doflamingo. Noch immer erweckte er einen eher belustigten als beschämten Eindruck. „Das klingt ja fast so als wäre eine Trennung weniger schmerzhaft, wenn die Person, die du liebst, dich persönlich abschießt. Ich halte das für Schwachsinn. Es ist für denjenigen, mit dem Schluss gemacht wird, viel einfacher, wenn er nicht mit seinem Expartner konfrontiert wird. Dadurch erlaubt man ihm seine Würde zu behalten.“ „Auch wenn es vielleicht schmerzhafter ist, hat der Andere ein Gespräch verdient“, widersprach Crocodile seinem Verlobten. „Wenn man ihm bloß eine Nachricht schickt oder so etwas in der Art, macht man damit doch deutlich, dass man nichts von ihm hält. Dass er nicht einmal mehr auch nur ein einziges ausgesprochenes Wort wert ist. Ich würde mich schrecklich fühlen, wenn man mich auf diese Weise abservieren würde.“ „Na und?“, warf Doflamingo ein. „Es kann deinem Expartner doch egal sein, ob du dich gut oder schlecht fühlst. Ab dem Zeitpunkt der Trennung bist du schließlich nicht mehr sein Problem.“ Auf diese Aussage wusste Crocodile nichts mehr zu erwidern. Resigniert senkte er den Kopf und seufzte leise auf. „Versprich mir bitte jedenfalls“, meinte er, „dass du mir nicht bloß eine Nachricht schickst, solltest du beabsichtigen mit mir Schluss zu machen.“ „Keine Sorge“, antwortete Doflamingo und streckte seine langen Beine ein wenig. „Ich habe nicht vor, mich je von dir zu trennen.“ Crocodile kam nicht dazu einzuwerfen, dass wohl absolut niemand plante eine gut funktionierende Beziehung zu beenden, doch dass sich die Dinge manchmal eben auch anders entwickelten. Gerade als er den Mund aufmachen wollte, betrat ein Dienstmädchen das Wohnzimmer. „Verzeihung“, sagte das junge Mädchen, „draußen steht ein, mit Verlaub, recht heruntergekommen wirkender Mann namens Eustass Kid. Er behauptet, Herrn Trafalgar Law sprechen zu wollen. Soll ich ihn fortschicken?“ „Nein“, antwortete Doflamingo sofort. „Lasst ihn herein. Und behandelt ihn so zuvorkommend wie jeden anderen meiner Gäste auch.“ „Sehr gerne.“ Das Dienstmädchen wirkte erstaunt, doch tat wie ihm geheißen, und verabschiedete sich mit einer leichten Verbeugung, ehe es das Wohnzimmer wieder verließ. „Er ist da...“ Law schien mehr mit sich selbst als mit ihnen beiden zu sprechen. Er schluckte unwillig und zupfte mit der linken Hand nervös an seinen goldenen Ohrringen herum. Wieder fiel Crocodile die Tätowierung auf den fünf Fingern auf. „Ganz ruhig“, versuchte Doflamingo mit sanfter Stimme auf Law einzureden. „Erkläre Kid einfach, warum du verschwunden bist. Ich bin mir sicher, dass er Verständnis für deine Beweggründe aufbringen wird. Immerhin hast du keine böse Absicht gehabt.“ „Hoffentlich behälst du Recht“, murmelte Law mit wenig zuversichtlich klingender Stimme. Einen Moment später betrat Eustass Kid das Wohnzimmer. Er sah noch fast genauso aus wie Crocodile ihn in Erinnerung gehabt hatte: Knallrotes, vom Kopf abstehendes Haar, hellgrüne Augen, dunkler Lippenstift, dunkler Nagellack. Lediglich seine Figur hatte sich verändert: Vor zehn Jahren noch hatte es sich bei Kid um eine relativ schlanke, beinahe schon zierliche Person gehandelt. Nun war er zu einem breitschultrigen, muskulösen Mann herangewachsen. Seine Unterarme wurden auf beiden Seiten von detailreichen Tätowierungen geziert: Als Crocodile genauer hinsah, erkannte er unter Anderem eine Meerjungfrau, ein Piratenschiff und eine Chimäre. Für eine Weile sagte niemand ein Wort. Kid ließ seinen Blick stumm durch den großen, luxuriös eingerichteten Raum schweifen. Vermutlich kam er sich hier so unpassend vor wie ein Rockmusiker in der Oper. Es beeindruckte Crocodile, dass er dennoch keine Miene verzog. Lediglich als ihre beiden Blicke sich kreuzten, zog Kid überrascht eine Augenbraue hoch. Offenbar hatte er ihn sofort wiedererkannt. „Hey, Kid.“ Schlussendlich war es Laws Stimme, welche die unangenehme Still durchbrach. Sie klang so kläglich, dass Crocodile unweigerlich Mitleid für ihn empfand. Er wollte sich gar nicht vorstellen, wie Law sich fühlen musste. Normalerweise handelte es sich bei diesem um eine sehr besonnene und vernünftige Person. „Können wir irgendwo zu zweit miteinander sprechen?“ Kid redete nicht um den heißen Brei herum. Er hatte nicht einmal Laws Begrüßung erwidert, fiel Crocodile auf. „Ich habe keine Lust auf Publikum.“ Law nickte. Er führte Kid ins Nebenzimmer und es dauerte sehr lange, bis die beiden es wieder verließen. Das erste, was Crocodile auffiel, war Laws Gesichtsausdruck: Er wirkte nicht wirklich erleichtert, doch deutlich weniger beklommen und verzagt als zuvor. Also behielt Doflamingo am Ende doch Recht: Kid hatte den Weg hierher offenbar nicht auf sich genommen, um Schluss zu machen. „Möchtet ihr beide etwas trinken?“, fragte Doflamingo seine Gäste. „Ein Glas Wein vielleicht?“ „Ich bin mit dem Auto hier“, erwiderte Kid mit ruhiger Stimme, doch ließ sich (in einiger Entfernung zu Doflamingo) auf der Couch nieder. Die Lücke zwischen den beiden wurde von Law aufgefüllt. Crocodile saß auf der anderen Seite seines Verlobten. „Fruchtsaft?“, bot Doflamingo stattdessen an. „Limonade? Irgendetwas?“ „Einfach bloß Wasser“, antwortete Kid. „Für mich auch“, fügte Law hinzu. Doflamingo nickte und trug einem Dienstmädchen auf, sich um die Bestellungen zu kümmern. Es dauerte weniger als eine Minute, ehe die junge Frau zurückkehrte; auf dem Tablett, das sie in ihren Händen trug, standen drei große Wassergläser und eine dampfende Kaffeetasse. Der Kaffee war selbstverständlich für Doflamingo. (Crocodiles Magen vertrug solch bittere Getränke nicht. Weil er so gut wie immer stilles Mineralwasser trank, hatte sein Partner gleich eines für ihn mitbestellt.) „Und?“ Jeder von ihnen hatte mindestens fünf Schlücke genommen, ehe Doflamingo es wagte, das betretene Schweigen zu brechen. „Wie schaut es nun aus mit euch beiden?“ Crocodile empfand diese direkte Frage als ein wenig unhöflich und unsensibel, doch wies seinen Verlobten nicht zurecht. Um ehrlich zu sein, interessierte es ihn ebenfalls, wie nun eigentlich der Stand der Dinge war. „Nun ja...“ Law räusperte sich. „Ich habe Kid von der... der Sache erzählt. Du weißt schon, mit Corazon.“ Doflamingo blickte auffordernd zu Kid hinüber, der mit den Schultern zuckte. „Was soll ich dazu sagen?“, meinte Kid mit recht unwillig klingender Stimme. Er schien die Neugier seines Gastgebers als ziemlich unangenehm zu empfinden, was Crocodile ihm kaum verübeln konnte. „Ich hab's verstanden. Also, wo das Problem liegt. Ich hoffe, dass wir das in den Griff bekommen. Mehr gibt es da eigentlich nicht zu sagen. Ob es mit Law und mir klappt oder nicht, wird sich dann zeigen.“ „Es freut mich, dass du Verständnis für Law aufbringst und ihm eine Chance gibst“, erwiderte Doflamingo freundlich lächelnd und nahm einen großen Schluck Kaffee. „Ich habe das Gefühl, dass ihr gut zueinander passt und dass aus euch beiden wirklich etwas werden könnte.“ „Jeder hat sein Päckchen zu tragen“, gab Kid relativ gleichmütig klingend zurück. „Niemand ist perfekt.“ „Da hast du wohl Recht“, stimmte Crocodile ihm zu. Seine Worte waren relativ gedankenverloren gewesen, doch trotzdem schaute Kid ihn eine Weile lang aus aufmerksamen Augen heraus an. Dabei schweifte sein Blick auch immer wieder zu dem Armstumpf auf seiner linken Seite hinüber. Schließlich schien er nicht mehr widerstehen zu können und sagte: „Ich habe mich oft gefragt, was aus dir geworden ist, Crocodile. Aber wenn ich mir diesen Palast hier ansehe, scheinst du doch ein ganz gutes Los gezogen zu haben.“ Seine Worte klangen nicht hämisch, sondern überraschend freundlich und sanft. „Ihr kennt euch?“ Die Verwunderung war überdeutlich aus Laws Stimme herauszuhören. „Dein Freund hat mir mal das Leben gerettet“, erklärte Crocodile ihm. „Das... das Leben gerettet?“, wiederholte Law und blickte irritiert zu Kid hinüber, der eine wegwerfende Handbewegung machte. „Das klingt viel heroischer als es in Wirklichkeit war“, meinte er leicht pikiert. „Ich habe eigentlich nicht viel getan.“ „Wenn du nicht gewesen wärst, dann würde ich jetzt nicht hier sitzen.“ Crocodile sah keinen Grund, wieso er untertreiben sollte. Seine Worte entsprachen vollends der Wahrheit: Hätte Kid nicht für ihn angehalten und sich um ihn gekümmert, wäre er definitiv gestorben. Es war praktisch Rettung in letzter Sekunde gewesen. „Ich habe dir boß ein paar Schlücke Wasser gegeben und die Ambulanz gerufen“, spielte Kid seine Mithilfe herunter. „Das ist nun wirklich nicht der Rede wert. Es waren die Sanitäter, die dein Leben gerettet haben. So Leute wie Law. Chirugen, die kein Problem damit haben, zersplitterte Knochen und Innereien und solche Dinge zu sehen. So einer bin ich nicht. Ich meine... ich musste sogar kotzen, als ich dich da liegen gesehen habe.“ „Redet ihr etwa über den Unfall, bei dem du deine Hand verloren hast?“, hakte Law vorsichtig nach. Crocodile nickte. „Motorradunfall. Ist inzwischen etwa zehn Jahre her. Ich wurde im Gebirge zwischen einer Felswand und einem anderen Fahrzeug eingeklemmt. Kid ist zufällig an der Unfallstelle vorbeigekommen“, fasste er die Geschichte so knapp wie möglich zusammen. Er hatte zwar kein Problem damit über dieses Ereignis zu sprechen, doch hielt es trotzdem für klüger die blutigen Details auszusparen. „Oh Gott“, machte Law und bedeckte seinen Mund mit der Hand. „D-das ist ja furchtbar!“ Angesichts dieser Reaktion runzelte Crocodile irritiert die Stirn. „Ich hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet dich so eine Geschichte schockiert. Hast du nicht praktisch jeden Tag ein schwer verletztes Unfallopfer auf dem OP-Tisch liegen?“ „Schon“, lenkte Law ein. „Aber es ist ein großer Unterschied, ob es sich um irgendeine fremde Person handelt oder um jemanden, den man persönlich kennt.“ „Dieser Unfall ist lange her“, sagte Crocodile schulterzuckend. „Es gibt wirklich keinen Anlass, um einen großen Wirbel darum zu machen. Ich komme im Alltag wunderbar mit nur einer Hand zurecht. Mit der Computertastatur bin ich sogar schneller als die meisten meiner Arbeitskollegen.“ „Crocodile hat Recht“, warf Kid rasch ein. Ihm wurde die ganze Diskussion offenbar allmählich unangenehm. „Es gibt eigentlich keinen Grund, um diese Sache breitzutreten...“ Doch Law schnitt ihm unversehens das Wort ab. „Gerade weil du dich nicht sonderlich eingeschränkt zu fühlen scheinst, bin ich immer davon ausgegangen, dass du ganz einfach bloß mit einer Hand geboren worden wärst. Da dies jedoch nicht der Fall ist, frage ich mich, wieso du keine Prothese trägst. So eine Prothese kann zum Beispiel Phantomschmerzen deutlich lindern.“ „Ähm...“, machte Crocodile unbeholfen. Er fühlte sich von Laws Interesse ziemlich überrumpelt. „Ich persönlich habe nie Erfahrungen mit Phantomschmerzen gemacht. Worüber ich übrigens ziemlich froh bin. Shanks zum Beispiel hat mir erzählt, dass er lange Zeit darunter gelitten hat. Aber, nun ja, wie gesagt, ich bin davon zum Glück nicht betroffen gewesen.“ Law, ganz der Mediziner, nickte aufgeregt. „Um ehrlich zu sein, hielt ich Phantomschmerzen früher für ausgemachten Blödsinn“, erzählte er. „Aber dann habe ich mit einigen Patienten zu tun gehabt, die nach der Amputation eines Körperteils dieses Phänomen erlebten. Obwohl der Stumpf vollkommen verheilt war, spürten sie hin und wieder Schmerzen. Die meisten Patienten beschrieben ein unangenehmes Kribbeln, aber manche berichteten auch von sehr extremen Schmerzen, so als wäre die Wunde ganz frisch. Ich habe mich ein bisschen in die Thematik eingelesen und herausgefunden, dass es tatsächlich eine biologische Ursache für Phantomschmerzen gibt: Nervenbahnen, die am Stumpf abrupt enden, senden gelegentlich falsche Signale ans Gehirn. Der Körper glaubt dann praktisch, dass der Verlust des Körperteils ganz neu ist und schüttet fälschlicherweise Schmerzhormone aus. Dagegen hilft eine Prothese: Man legt sich im Prinzip selbst herein, indem man versucht dem Gehirn Glauben zu machen, das Körperteil wäre noch da. Faszinierend, nicht wahr?“ „Ich denke schon“, sagte Crocodile, der sich mit diesem Gespräch ein wenig überfordert fühlte. Diesen Umstand schien zum Glück auch Kid zu bemerken. „Ganz ruhig, Law“, meinte er in einem beinahe schon amüsiert klingenden Tonfall. „Wir sitzen hier nicht in einer Medizin-Vorlesung.“ „Man wird doch wohl noch was interessant finden dürfen, oder nicht?“, gab Law (leicht rosa im Gesicht) zurück und nahm einen großen Schluck Wasser. Sie unterhielten sich noch eine ganze Weile miteinander und bestellten insgesamt noch vier- oder fünfmal Getränke nach. Um ehrlich zu sein, empfand Crocodile die gemeinsamen Unterhaltungen als ziemlich angenehm. Kid war lange nicht so ungebildet und rüpelhaft wie sein äußeres Erscheinungsbild es vermuten ließ. Eigentlich war er sogar ein ziemlich angenehmer Gesprächspartner. Lediglich Doflamingo vermochte es seine gute Laune ein wenig zu dämpfen. „Keine Sorge“, flüsterte er ihm ins Ohr, als Kid und Law ein wenig miteinander kabbelten, „das Dinner in the Dark holen wir dann nächstes Wochenende nach. Versprochen!“ * Nach diesem Abend bürgerte es sich bei ihnen ein, dass Kid und Law des Öfteren vorbeischneiten. Manchmal kamen sie bloß auf einen Kaffee herein, doch hin und wieder dauerte ein Besuch auch mehrere Stunden. Dann aßen sie gemeinsam zu Abend, sahen sich einen Film an oder unterhielten sich einfach bloß entspannt miteinander. Crocodile erfuhr eine ganze Menge über Eustass Kid: Dass dieser als Tätowierer arbeitete, war ihm bereits bekannt gewesen, doch es überraschte ihn, als er erfuhr, dass Kid von dieser Tätigkeit leben konnte. Früher hatte dieser sich meistens mit irgendwelchen Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten; Barkeeper oder Türsteher oder so etwas in der Art. Doch nun besaß er seit einer Weile ein eigenes Tattoo-Studio, das wohl ziemlich gut lief. Wohnen tat er immer noch in der Nähe der Gold-Roger-Brücke, genauso wie vor zehn Jahren. Heute war Law ohne Kid da. „Er muss arbeiten“, erklärte Law auf Doflamingos verwunderten Blick hin, kaum dass er durch die Türe gekommen war. „Einer seiner Kunden hat auf einen Termin am Abend bestanden.“ „Schade“, meinte Doflamingo. „Später kommen auch Bellamy, Vergo und Monet vorbei. Es wäre eine gute Gelegenheit gewesen, um sie miteinander bekannt zu machen.“ „Mach dir nichts draus“, erwiderte Law und zuckte unbekümmert mit den Schultern. „Das wird sicher nicht die letzte Gelegenheit sein.“ Seit Law sich Kid offenbart hatte und regelmäßig zu seiner Therapie ging, wirkte er deutlich fröhlicher und ausgelassener als vorher. Man könnte meinen, ihm wäre eine riesige Last von den Schultern genommen worden. Crocodile bemühte sich darum sich für Law zu freuen, doch nicht selten packte ihn der Neid: Er würde alles dafür geben, um sich genauso unbeschwert und befreit zu fühlen wie er. Gegen einundzwanzig Uhr erschienen die übrigen Gäste. Doflamingo hatte sie zum Abendessen eingeladen und wie üblich tischte er fürstlich auf: Als Vorspeise gab es Paprika-Tatar mit Wachtelei, Gemüse-Pilz-Suppe und Antipasti-Salat. Beim Hauptgericht durfte man zwischen Entenbrust mit Orangen-Preiselbeersauce, Lachsfiletröllchen mit Wasabi-Pürree und gegrillten Lamm-Koteletts wählen. Und wenn dann immer noch ein kleines bisschen Platz im Bauch war, konnte man hinterher beim Schokoladen-Souffle, Tiramisu oder Vanille-Eis mit Erdbeeren zulangen. Dass Kid heute verhindert war, dachte Crocodile insgeheim und schob sich einen Bissen Lammfleisch in den Mund, war vielleicht gar nicht so schlecht. Er konnte sich ziemlich gut vorstellen, wie erschlagen sich der mittelständische Tätowierer von diesem festlichen Abendessen fühlen würde. Bestimmt hätte er nicht damit gerechnet gehabt, hier praktisch ebenso gut zu speisen wie in einem Fünf-Sterne-Restaurant. Eine solche Mahlzeit gönnten sich normale Menschen vielleicht einmal im Jahr zum Hochzeitstag; für einen reichen Mann wie Doflamingo handelte es sich jedoch um eine Selbstverständlichkeit. Sie waren gerade bei dem Nachtisch angekommen, als plötzlich einer der Angestellten ihre gesellige Runde unterbrach. „Verzeihung, Herr Donquixote“, sagte er und verbeugte sich kurz vor seinem Arbeitgeber, „Herr Disko aus Namibia ersucht dringend ihr Gehör. Offenbar handelt es sich um einen Notfall.“ Der junge Mann hielt ihm ein Mobiltelefon hin (nicht Doflamingos privates Handy, fiel Crocodile sofort auf), welches dieser nach kurzem Zögern entgegennahm. „Entschuldigt mich bitte einen Moment“, meinte er an seine Gäste gewandt, ehe er mit dem Telefon am Ohr aus dem Speisesaal verschwand. „Offenbar ist Kid nicht der einzige, der heute Abend nicht von der Arbeit loskommt“, sagte Law in einem teils resigniert, teils belustigt klingenden Tonfall. „Doflamingo ist eben ein sehr wichtiger Mann“, erwiderte Crocodile schulterzuckend. Ihm machte die Unterbrechung nichts aus. Aus eigener Erfahrung wusste er, dass es ab und an nun einmal Anrufe gab, die nicht warten konnten. Daher verübelte er seinem Verlobten nicht, dass dieser sich im Augenblick lieber um dringende Geschäfte kümmerte als um ihre Runde. „Ich finde es gut, dass du so viel Verständnis für Doflamingos berufliche Situation aufbringst“, fuhr Law fort. Er steckte sich einen Löffel Tiramisu in den Mund. „Viele seiner früheren Beziehungen sind daran kaputt gegangen, dass die Frauen und Männer einfach nicht verstehen konnten, wieso er überhaupt arbeitet. Sie dachten sich, dass er den ganzen Tag lang nichts tun würde außer Spaß zu haben. Schließlich ist er unglaublich reich. Die meisten von ihnen haben sich vernachlässigt gefühlt, wenn er seiner Arbeit mehr Aufmerksamkeit schenkte als ihnen. “ „Vermutlich haben sie selbst nie einen Beruf ausgeübt, der viel Verantwortungsbewusstsein fordert“, mutmaßte Crocodile, „und sind darum nicht in der Lage nachzuvollziehen, wie wichtig ein einzelnes Telefongespräch oder Geschäftsessen sein kann. Bei mir ist das anders: Ich habe selbst eine hohe Position inne und kenne solche Situationen nur zu gut.“ Law nickte. „Ihr beide seid in dieser Hinsicht sozusagen auf einer Wellenlänge“, sagte er. „Das ist auf jeden Fall eine Stärke eurer Beziehung. Auch, dass du viel Geld verdienst. Also... Nein, so habe ich das gemeint! Ich wollte eigentlich sagen... nun ja, dass du anders bist als die meisten Exfreunde und -freundinnen von Doflamingo. Neunundneunzig Prozent von denen waren nämlich bloß hinter seinem Vermögen her. Sie erwarteten ständig teure Geschenke und so weiter. Bei dir ist das anders. Du bringst selber einen üppigen Gehaltscheck nach Hause und musst nicht deinen Freund um Schmuck und Geld anbetteln. Dein Lebensstandard ist nicht von deinem Partner abhängig. Verstehst du, was ich meine?“ „Ich denke schon“, gab Crocodile mit leiser Stimme zurück. Um ehrlich zu sein, war es ihm ausgesprochen peinlich, dass Law davon ausging, er würde jeden Monat einen üppigen Gehaltscheck nach Hause bringen. Schließlich wendete er fast seinen gesamten Lohn auf, um seine ausstehenden Schilden zu tilgen. Und außerdem verdiente er trotzdem bei weitem nicht so viel wie sein Verlobter. „Dein Verlobungsring ist ein ganz gutes Beispiel“, fuhr Law fort und schob seinen leeren Dessert-Teller von sich. „Die meisten Frauen und Männer, mit denen Doflamingo zusammen war, wären angesichts dieses Schmuckstücks vollkommen ausgeflippt. Immerhin hat er für dein Ring knapp eine Millionen Berry ausgegeben. Aber du gehst völlig gelassen damit um und siehst in ihm hauptsächlich seinen symbolischen Wert. Das finde ich wirklich klasse. Du und Doflamingo - ihr passt einfach sehr gut zusammen.“ Plötzlich fühlte sich Crocodiles Kehle staubtrocken an. Er verschluckte sich an der Erdbeere, die er sich gerade in den Mund gesteckt hatte, und musste fürchterlich husten. Law klopfte ihm auf den Rücken, doch trotzdem gelang es Crocodile nicht sich zu beruhigen. Zu den Schmerzen in seinem Brustkorb, die durch den Hustenanfall hervorgerufen worden waren, gesellte sich ein unangenehmer Knoten in seiner Magengegend. Ich muss mich verhört haben, dachte er panisch und trank ein Schluck Wasser. Es ist absolut unmöglich, dass mein Verlobungsring eine Millionen Berry wert ist! Das ist doch absurd! „Doflamingo hat mir erzählt, dass du beim Kauf mit dabei gewesen bist“, sagte Crocodile und bemühte sich um einen möglichst unbekümmert klingenden Tonfall. „Und dass du ihm davon abgeraten hättest, mir schon nach drei Monaten Beziehung einen Antrag zu machen. Weil du der Meinung bist, man sollte mindestens ein Jahr lang warten, ehe man sich verlobt.“ Grinsend trank Law einen Schluck Champagner. „Das stimmt“, gab er zu. „Nun ja, du weißt wohl am besten, wie Doflamingo drauf ist: Er neigt dazu, sich sehr schnell in Dinge hineinzusteigern. Ich wollte einfach vermeiden, dass er eure Beziehung zerstört, indem er mal wieder vorschnell handelt. Immerhin würde ich dich als eine ziemlich bodenständige und rational denkende Person einschätzen. Ich bin mir ziemlich sicher gewesen, dass du schnell die Flucht ergriffen hättest, wenn Doflamingo dir schon nach so kurzer Zeit einen Heiratsantrag gemacht hätte. Nach nur drei Monaten sind die meisten Beziehungen noch zu fragil für einen so großen Schritt.“ „Da hast du wohl Recht“, murmelte Crocodile. Und weil er unbedingt noch einmal auf den Kaufpreis seines Verlobungsringes zurückkommen wollte, fügte er mit ein wenig lauterer Stimme hinzu: „Aber, ähm, sag mal, Law: Wie ist das beim Kauf eigentlich abgelaufen? Wusste Doflamingo sofort, welchen Ring er mir schenken möchte? Oder musstet ihr beide lange suchen?“ Diese Frage entlockte Law ein genervtes Seufzen. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viele verschiedene Ringe er sich hat zeigen lassen. Ich glaube, Silver Rayleigh musste einmal das komplette Sortiment ausräumen. Es hat Stunden gedauert, bis Doflamingo endlich einen Ring gefunden hatte, der ihm hundertprozentig gefiel.“ Silver Rayleigh, dachte Crocodile und senkte den Blick, einer der teuersten Juweliere des ganzen Landes. Er erinnerte sich daran, dass Akainu sich dort einmal ein Paar Manschettenknöpfe gekauft hatte. Die kleinen, roten Knöpfe hatten mehr gekostet als Crocodile in einem ganzen Monat verdiente. Es fiel ihm nicht schwer sich vorzustellen, dass dort auch Ringe im Wert von einer Millionen Berry verkauft wurden. Also hatte er sich doch nicht verhört. Allein mein Verlobungsring macht mich zu einem Millionär, dachte Crocodile niedergeschlagen, und trotzdem habe ich nicht mehr als fünfunddreißig Berry für meinen neuen Haarschnitt bezahlt. Das ist doch wirklich Ironie des Schicksals! Crocodile presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, als er mit dem Daumen vorsichtig über den Ring an seinem Finger strich. Überdeutlich konnte er den grünen Edelstein erfühlen. Dieses winzige Ding war mehr wert als sein Auto. Wenn ich ihn verkaufen würde, schoss es ihm unweigerlich durch den Kopf, könnte ich all meine Schulden auf einen Schlag tilgen und hätte sogar noch genug Geld über, um mir einen Ferrari zu kaufen. Aber natürlich ging das auf keinen Fall. Es handelte sich um seinen Verlobungsring. Doflamingo würde es ihm niemals verzeihen, wenn er ihn weggab. Just in diesem Augenblick betrat sein Verlobter wieder den Speisesaal. Das Telefongespräch mit dem Geschäftspartner aus Namibia schien ihm die Laune verdorben zu haben: Anstatt des üblichen Grinsens, zierten nun ein paar Stirnfalten sein Gesicht. „Was ist passiert?“, fragte Crocodile im Flüsterton, als Doflamingo sich neben ihn hinsetzte. „Nichts von Bedeutung“, log dieser und winkte ab. „Möchtest du noch ein paar Erdbeeren haben, Croco?“ Bevor er schlafen ging, legte Crocodile seinen Schmuck normalerweise auf den Nachttisch neben seinem Bett. Er hatte nie viele Gedanken an dieses Ritual verschwendet. Doch dieses Mal brachte er es nicht über sich, seinen Verlobungsring vom Finger zu streifen. Es kam ihm viel zu fahrlässig vor. Was, wenn er herunterfällt und unter dem Teppich oder hinter einem Schrank landet?, schoss es ihm durch den Kopf, als er sich auf die Bettkante setzte. Ich würde ihn nie wieder finden. Eine Millionen Berry wären einfach weg. Verschwunden. Vom Erdboden verschluckt. Ganz zu schweigen von dem Theater, das Doflamingo veranstalten würde, wenn er erfuhr, dass er seinen Verlobungsring verloren hatte. Crocodile wurde übel, als er daran dachte, dass er ihn oft einfach auf dem Waschbeckenrand gelegt hatte, wenn er ein Bad nehmen wollte. Es war pures Glück, dass das kleine Ding nicht längst im Abfluss gelandet war. Schlussendlich entschied Crocodile sich dazu, auf Nummer sicher zu gehen. Er trug einem Angestellten auf, ihm einen kleinen Zimmersafe zu besorgen. Dort legte er den wertvollen Ring hinein und wählte als Zahlenkombination das Geburtsdatum seines Verlobten. Doch kaum hatte er die Türe des Safes geschlossen, öffnete er sie gleich wieder. Doflamingos Geburtsdatum, dachte Crocodile und kam sich unfassbar blöd vor. Jeder, der mich kennt, würde sofort darauf kommen. Ich brauche einen sichereren Code. Ein halbes Dutzend Versuche brauchte Crocodile, ehe er endlich zufrieden war. Am Ende hatte er sich für eine Kombination entschieden, die aus Mihawks Hausnummer, Hancocks Geburtsmonat und den letzten beiden Ziffern der Handynummer von Daz bestand. Crocodile knöpfte gerade sein Hemd auf, als Doflamingo aus dem Badezimmer kam. Er hatte sich eine ausgiebige Dusche gegönnt und war bloß mit einem Handtuch, das er lose um die Hüften trug, bekleidet. Natürlich sprang ihm der Zimmersafe sofort ins Auge. „Was soll das denn?“, fragte er und zog verwundert eine Augenbraue hoch. „Da ist mein Ring drin“, antwortete Crocodile, dem so plötzlich keine glaubhafte Ausrede einfiel. „Und wieso hast du ihn da hineingetan?“, bohrte sein Partner mit leicht amüsiert klingender Stimme nach. „Naja...“ Crocodile verstummte für einen Moment, ehe er erklärte: „Ich habe mich beim Abendessen ein wenig mit Law unterhalten. Wir haben auch über meinen Verlobungsring gesprochen. Ähm, wie wichtig sein symbolischer Wert ist und wie viel Mühe du dir bei der Auswahl gegeben hast. Da ist mir klar geworden, dass ich es mir nie verzeihen könnte, wenn ich ihn verlieren würde. Also habe ich ihn zur Sicherheit in einen Safe getan.“ „Willst du ihn etwa für immer da drin liegen lassen?“, wollte Doflamingo wissen und brach in lautes Gelächter aus. Er schien das Verhalten seines Verlobten für unfassbar belustigend zu halten. „Ich habe diesen Ring für dich gekauft, damit du ihn trägst und nicht damit er in einem Safe verfault.“ „Ich hole ihn morgen früh wieder raus“, erwiderte Crocodile pikiert. Um ehrlich zu sein, verletzte es ihn, dass Doflamingo seine Sorgen nicht ernst zu nehmen schien. „Ich lasse ihn nur über Nacht im Safe.“ „Ich wusste ja, dass du manchmal ein bisschen paranoid bist“, erwiderte sein Partner prustend, „aber Wani, mal im Ernst: Das ist komplett bescheuert! Wie willst du den Ring denn nachts überhaupt verlieren? Du legst ihn abends vor dem Schlafengehen doch immer auf den Nachttisch.“ „Er könnte herunterfallen“, wendete Crocodile ein. „Das ist in den letzten Monaten nicht ein einziges Mal passiert. Ehrlich, Baby, du machst dir zu viele Sorgen. Leg den Ring einfach auf den Nachttisch und gut ist.“ Allmählich spürte Crocodile, dass Wut in seinem Magen zu brodeln begann. „Sei doch froh, dass ich mir Sorgen mache!“, sagte er entrüstet. „Würde es dir besser gefallen, wenn mein Verlobungsring mir völlig egal wäre? Stell dir nur einmal vor, ich würde ihn tatsächlich verlieren! Fändest du das etwa nicht schlimm?“ „Nichts schlimm ist der falsche Ausdruck“, meinte Doflamingo. „Natürlich wäre ich nicht begeistert, aber ich wäre auch nicht wütend. Jeder verliert mal etwas, das ist nur menschlich.“ „Man verliert bloß Dinge, auf die man nicht gut genug aufpasst!“, erwiderte Crocodile hastig. „Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, jemals etwas verloren zu haben.“ „Wo ist dann das Problem?“ Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Wenn du ein so ordentlicher Mensch bist, dass du nie etwas verlierst, warum solltest du dann ausgerechnet deinen Verlobungsring verlieren? Du machst dich völlig umsonst verrückt, Wani. Versuch bitte dich zu beruhigen.“ „Du verstehst das einfach nicht“, seufzte Crocodile und fuhr sich mit der Hand durch sein Haar. „Mein Ring... er ist so unfassbar viel wert...“ Es gelang ihm gerade noch rechtzeitig, sich auf die Zunge zu beißen und seine Aussage in eine andere Richtung zu lenken: „Ich meine, dieser Ring bedeutet mir so unglaublich viel. Du hast ihn mir auf den Finger gesteckt, als du mich gefragt hast, ob du mich heiraten möchtest! Und Law hat mir erzählt, dass du stundenlang gesucht hast, ehe du dich schließlich für diesen Ring entschieden hast. Er hat einen riesigen symbolischen Wert. Er ist absolut unersetzlich. Und deswegen möchte ich unter keinen Umständen das Risiko eingehen ihn zu verlieren!“ „Ich verstehe, was du meinst“, sagte Doflamingo und legte die Hände auf seine Schultern, „und ich finde es wirklich niedlich, dass du dir Gedanken machst. Aber versuch bitte ein bisschen weniger paranoid zu sein, Crocodile. Es ist alles in Ordnung.“ Er beugte sich zu ihm hinunter und küsste ihn auf den Mund. Kaum berührten Doflamingos Lippen die seinen, spürte Crocodile, wie er tatsächlich ein wenig ruhiger wurde und seine Muskeln sich entspannten. Er schloss seine Augen und erwiderte den Kuss. Der Moment wäre romantisch gewesen, wenn er nicht die Erektion seines Partners unter dem dünnen Handtuch spüren würde. „Denkst du jemals an etwas anderes als Sex?“, fragte er leise seufzend. „Selten“, gab sein Verlobter keck grinsend zurück, „zumindest wenn wir beide allein sind. Schlimm?“ „Heute nicht“, gab Crocodile sich geschlagen und ließ zu, fass Doflamingos warme Hände das offene Hemd von seinen Schultern zogen. * Es war Donnerstagnachmittag. Crocodiles Laune war äußerst schlecht, weil Doflamingo ihn dazu überredet hatte mit ihm zusammen ins Einkaufszentrum zu gehen, obwohl er viel lieber Zuhause geblieben wäre und etwas für die Arbeit getan hätte. Bis Montag musste er noch zwei Berichte für Franky verfassen. Crocodile hätte diese Aufgabe gerne heute erledigt, damit er am Wochenende ein bisschen entspannen konnte, doch es war ihm nicht gelungen sich gegenüber Doflamingo durchzusetzen. Am Ende hatte er (wie fast immer) klein bei gegeben und sich dem Willen seines Verlobten gebeugt. Crocodile gab sich keine Mühe, seinen Unwillen zu verbergen. Mit herabgezogenen Mundwinkeln und in Falten gelegter Stirn ließ er sich von Doflamingo durch Bekleidungsgeschäfte und Frozen-Joghurt-Shops ziehen. Um ehrlich zu sein, fühlte er sich nicht bloß deshalb schlecht, weil er den heutigen Tag lieber Zuhause verbracht hatte. Ihn frustrierte auch diese Welt des bunten Konsums, die sein Partner ihm vor Augen führte. Schicke Hemden, goldene Armbanduhren, teure Parfüms... Früher, bevor ihm gekündigt wurde, war er hin und wieder ganz gerne einkaufen gegangen. Er hatte zwar nie stundenlange Shopping-Touren unternommen, doch stöberte gelegentlich gemeinsam mit seiner Schwester durch ein paar Läden. Nun allerdings hatte seine finanzielle Situation sich drastisch geändert. Nichts von all den teuren Dingen, die ihm hier präsentiert wurde, konnte Crocodile sich erlauben. Und je länger er sich in diesem Einkausfzentrum aufhielt, desto mieser wurde seine Laune. Lustlos beobachtete er seinen Partner dabei, wie dieser in tausende Berry teure T-Shirts und Hosen schlüpfte; nach etwas über einer Stunde weigerte er sich sogar überhaupt irgendeinen Laden noch zu betreten. Im Gegensatz zu Doflamingo, der zwei volle Tüten mit allerhand Schnickschnack spazieren trug, hatte er nichts gekauft. Crocodile war furchtbar genervt und wollte einfach bloß nach Hause fahren. „Was ist denn nur los mit dir?“, fragte Doflamingo mit enttäuschter Stimme. Zu Beginn ihres ausgedehnten Einkaufsbummels hatte er sich sichtlich darum bemüht seinen Verlobten ein wenig aufzumuntern. Doch jeder Versuch war kläglich gescheitert. Crocodiles Laune war bloß noch weiter gesunken. Inzwischen hatte sie ihren absoluten Tiefpunkt erreicht. „Ich will nach Hause“, jammerte er. „Können wir uns nicht einfach auf den Rückweg machen? Du hast bestimmt ein halbes Dutzend Klamotten gekauft. Meinst du nicht, das reicht für heute?“ „Stell dich nicht so an“, gab Doflamingo zurück. „Wir sind seit kaum einer Stunde unterwegs. Ich verstehe einfach nicht, warum du jetzt schon so müde bist!“ „Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich keine Lust auf Shopping habe!“, meinte Crocodile erbost. „Aber du hast es ja für eine tolle Idee gehalten, mich zu zwingen!“ „Ich habe dich überhaupt nicht gezwungen“, erwiderte Doflamingo, der sich ertappt zu fühlen schien. „Glaub mir: Ich wäre nicht hier, wenn ich eine Wahl gehabt hätte“, hielt Crocodile augenrollend dagegen. „Die Arbeit war heute ziemlich anstrengend und bis Montag muss ich zwei Berichte schreiben. Aber nein: Du wolltest unbedingt einkaufen gehen und natürlich ist das Wort unserer königlichen Hoheit Gesetz!“ „Du tust glatt so als hätte ich dich am Kragen gepackt und hierhin geschleift!“, warf sein Verlobter ihm vor. „Du weißt doch genau, wie unnachgiebig du sein kannst“, erwiderte Crocodile. „Du hättest mich den ganzen Abend lang genervt, wenn ich nicht mit dir hierhin gefahren wäre. Da bin ich mir absolut sicher.“ „Nun ja“, sagte Doflamingo, „es schadet dir nicht, wenn du mal aus dem Haus kommst. Du bist ein totaler Workaholic und gönnst dir viel zu selten ein bisschen Spaß.“ „Es macht mir hier aber keinen Spaß“, maulte Crocodile. „Ich bin erschöpft und meine Füße tun weh.“ „Wir könnten eine Pause machen“, schlug Doflamingo vor. „Uns in ein Cafe setzen oder so. Würde es dir dann besser gehen?“ „Ich will einfach bloß nach Hause“, erwiderte Crocodile kopfschüttelnd. „Jetzt sei doch nicht so“, maulte sein Partner. „Ich möchte noch bleiben. Von mir aus darfst auch du entscheiden, in welchen Laden wir beide als nächstes gehen. Immerhin hast du noch gar nichts Passendes gefunden.“ „Ich habe auch nichts gesucht“, gab Crocodile kühl zurück. Seufzend fuhr er sich mit der Hand durch sein Haar. Diese Diskussion strapazierte seine Nerven ganz furchtbar. „Hör mal“, schlug er, vor, „warum gehst du am Wochenende nicht zusammen mit Bellamy oder Dellinger shoppen? Dann könnt ihr euch so viel Zeit nehmen wie ihr möchtet.“ „Weil es mir darum geht gemeinsam mit dir etwas zu unternehmen!“, entgegnete Doflamingo aufgebracht. „Du bist mein Verlobter, nicht Bellamy oder Dellinger! Ich möchte mit dir Zeit verbringen!“ „Aber warum denn ausgerechnet hier? Und warum ausgerechnet heute?“ „Man kann es dir nie recht machen! Egal, ob gestern, heute oder morgen! Du hast nie Lust irgendetwas zu unternehmen!“ „Letztes Wochenende sind wir beim Dinner in the Dark gewesen!“, hielt Crocodile dagegen. „Ach, und deswegen gibt es keinen Grund mehr, um diesen Monat das Haus zu verlassen oder wie?“ „Du weißt ganz genau, dass ich nicht so ein geselliger Mensch bist wie du!“ Crocodile musste sich ernsthaft zusammenreißen, um seinen Verlobten nicht wütend anzubrüllen. „Ich muss nicht jeden Nachmittag in der Woche im Einkaufszentrum, Restaurant oder wo auch immer verbringen, um mich wohlzufühlen!“ „Du bist ein furchtbarer Langeweiler!“, warf Doflamingo ihm vor und zeigte mit seinen Einkaufstüten anklagend auf seine Brust. „Am liebsten würdest du...“ Dieser Vorwurf war der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte. Crocodile kannte kein Halten mehr. „Na und?“, schnitt er seinem Partner zornig das Wort ab. „Dann bin ich eben nicht so ein aufgedrehter Idiot wie du! Damit habe ich kein Problem! Aber du verstehst das einfach nicht! Du glaubst, dass alle Menschen nach deiner Pfeife tanzen müssen, bloß weil du Geld und Einfluss hast! Aber bei mir klappt das nicht!“ Er holte tief Luft und fügte hinzu „Lieber bin ich ein Langeweiler als ein so verdammter Egoist wie du!“, ehe er auf dem Absatz kehrtmachte und in Richtung Fahrstuhl hastete. Doflamingo lief ihm hinterher. „Hey“, sagte er kleinlaut und griff nach seinem Handgelenk, „warte bitte!“ Crocodile schüttelte stumm seinen Verlobten ab und verschwand hastig im Fahrstuhl, dessen Türen gleich hinter ihm schlossen. Doflamingo blieb im Erdgeschoss des Einkaufszentrums zurück, während Crocodile nach oben fuhr. Im ersten Stock stieg eine weitere Person dazu. Crocodile erkannte den gut gekleideten Mann, der sich ungefähr in seinem Alter befand und blondes Haar hatte, im ersten Moment gar nicht. Er musste zweimal hinsehen, ehe er sich wirklich sicher war, um wen es sich handelte. Marco hingegen erkannte ihn sofort. „Hey, Crocodile“, begrüßte ihn sein Exfreund freundlich. „Wie geht’s?“ „Gut“, antwortete Crocodile aus einem Reflex heraus. „Und dir?“ „Danke, mir geht es auch gut“, antwortete Marco. Seine Stimme klang noch ganz genauso weich und angenehm wie damals. Ansonsten hatte sein Exfreund sich jedoch stark verändert, fiel Crocodile auf: Er wirkte viel gepflegter und erwachsener als früher. Inzwischen trug er auch seine Haare anders: Als sie beide noch zur Universität gingen, hatte er sich die Seiten ausrasieren lassen. Crocodile erinnerte sich noch gut daran, wie furchtbar er diese Frisur immer gefunden hatte. Im Streit hatte er Marco deswegen manchmal sogar Ananas-Schädel genannt. „Es ist wirklich schön dich wiederzusehen“, sagte sein Exfreund und lächelte charmant. „Wie lange ist es her? Zehn Jahre? Nein, es müssen mehr sein. Zwölf, dreizehn?“ „Könnte hinkommen“, meinte Crocodile, der nicht so recht wusste, was er sagen sollte. Er fühlte sich ein wenig überfordert angesichts dieses plötzlichen Zusammentreffens. Außerdem machte ihm der Streit mit Doflamingo zu schaffen. „Hast du vielleicht Lust auf einen Kaffee? Um der alten Zeiten willen? Oh, warte, du trinkst ja keinen Kaffee... Wie wäre es mit einem Frozen-Joghurt oder so etwas?“ „Ähm“, sagte Crocodile und fuhr sich mit der rechten Hand verlegen über den Unterarm, „ich weiß nicht so recht...“ Was würde bloß Doflamingo denken, wenn er ihn dabei erwischte, wie er mit seinem Exfreund zusammen Kaffee (oder Frozen-Joghurt) trank? „Komm schon“, meinte Marco und griff nach seinem Handgelenk. Als die Türen des Fahrstuhls sich wieder öffneten, zog er ihn kurzerhand nach draußen und führte ihn in Richtung des unweit entfernten Frozen-Joghurt-Shops. „Da ist doch nichts dabei. Wir löffeln bloß ein bisschen Joghurt und unterhalten uns miteinander. Ich würde zu gerne erfahren, was aus dir geworden ist.“ „Ich glaube wirklich nicht, dass das eine gute Idee ist“, erwiderte Crocodile. Ihm gefiel es nicht, dass Marcos Hand seinen Unterarm noch immer fest umschlossen hielt. Der Griff war nicht schmerzhaft, doch Crocodile empfand ihn als äußerst unangenehm. Diese Geste gehörte sich nicht für zwei Leute, die sich zum ersten Mal seit über zehn Jahren zufällig wieder begegnet waren. „Jetzt sei doch nichts so“, meinte sein Exfreund mit unbefangen klingender Stimme. Sie hatten den Frozen-Joghurt-Shop schon beinahe erreicht. „Weißt du schon, welche Sorte du möchtest? Ich gebe uns aus. Früher standest du immer auf Erdbeere, weißt du noch?“ „Marco!“, erwiderte er ungestüm und versuchte sich aus dem Griff zu befreien. „Ich will keinen verdammten Frozen-Joghurt!“ „Hier gibt es bestimmt auch Wasser“, erwiderte Marco, der Crocodiles Gegenwehr einfach ignorierte und seinen Griff um dessen Handgelenk sogar noch verstärkte. „Such dir einfach etwas aus!“ „Lass! Mich! Los!“, befahl Crocodile mit verzweifelter Stimme und versuchte erfolglos sich loszureißen. Inzwischen begann sein Handgelenk zu schmerzen und er war sich ziemlich sicher, dass er blaue Flecken davontragen würde. Ihm sagte ganz und gar nicht zu, in welche Richtung sich diese Begegnung entwickelte. „Bist du taub, du verdammtes Arschloch?!“ Diese rüden Worte stammten nicht von Crocodile, sondern von Doflamingo, der plötzlich neben ihnen beiden aufgetaucht war. Mit seinen zusammengezogenen Augenbrauen und seiner angespannten Körperhaltung wirkte er alles andere als friedfertig, fand Crocodile. „Was willst du denn hier?“, fragte Marco missgelaunt und ohne von ihm abzulassen. „Lass ihn los“, befahl sein Verlobter mit gefährlich ruhiger Stimme, „oder ich breche dir die Nase.“ Crocodile war sofort klar, dass es sich nicht um eine leere Drohung handelte. Um zu vermeiden, dass die Situation eskalierte, versuchte er erneut sich aus Marcos schraubstockartigen Griff herauszuwinden, doch er hatte keine Chance. „Marco“, sagte er währenddessen an seinen Exfreund gewandt, „tu, was er sagt! Du handelst dir sonst bloß unnötigen Ärger ein!“ „Was willst du überhaupt mit so einem Zirkusclown?! Hast du dir mal...“ Marco kam nicht dazu seinen Satz zu beenden, denn er musste auf äußerst schmerzhafte Art und Weise lernen, dass dieser Zirkusclown im Moment nicht zum Scherzen aufgelegt war. Mit einer einzigen gezielten Bewegung schlug Doflamingo ihm ins Gesicht. Der Hieb war so stark, dass Marco nach hinten auf den Boden fiel. Aus Reflex ließ er Crocodiles Handgelenk los, der sofort einige Meter Sicherheitsabstand zwischen sich und seinem verrückt gewordenen Exfreund brachte. „Bist du komplett bescheuert?!“, rief Marco wutentbrannt und betastete mit der Hand vorsichtig seine blutende Nase. Offenbar war sie wirklich gebrochen. „Dasselbe könnte ich dich fragen“, gab Doflamingo kühl zurück. „Du widerliche rosa Ballerina!“ Mit hasserfüllten Blicken taxierte Marco Crocodiles Verlobten. „Das wirst du noch büßen! Ich zeige dich an wegen Körperverletzung! Mein Vater ist Anwalt!“ Diese Aussage brachte Doflamingo unwillkürlich zum Lachen. „Tu das ruhig“, sagte er grinsend und machte eine wegwerfende Handbewegung. Diese unbekümmert wirkende Reaktion schien Marco aus dem Konzept zu bringen. Er zögerte einen kurzen Augenblick, ehe er sagte: „Ich meine es ernst, du Schwuchtel! Schon mal was von der Kanzlei Phoenix gehört? Ich werde dich auf Schmerzensgeld verklagen! Das sind mindestens 50.000 Berry, die du blechen musst! Wenn nicht mehr! Darauf schwöre ich!“ „50.000 Berry“, wiederholte Doflamingo mit leiser Stimme. Er griff in die Innentasche seiner Jacke, holte sein Portemone hervor und zählte laut die darin befindlichen Geldscheine ab, bis er auf eine Summe von 50.000 gekommen war. „Dann bringe ich zur Gerichtsverhandlung lieber meine Kreditkarte mit. Ich habe nämlich immer gern ein bisschen Kleingeld in der Tasche. Man weiß ja nie, was passiert.“ Der absolut entsetzte Gesichtsausdruck, den Marco aufsetzte, entschädigte Crocodile beinahe schon wieder für sein schmerzendes Handgelenk. Leider fasste dieser sich relativ schnell wieder. „So ist das also“, meinte er und warf Crocodile einen verachtungsvollen Blick zu. „Eigentlich dachte ich, du wärst ein Mann mit Klasse, aber am Ende stellst du dich bloß als billige Nutte heraus. Wie viel zahlt diese Transe dir, damit du ihm einen bläst?“ „Junger Mann“, schaltete sich plötzlich eine dunkelhaarige Frau ein, die auf ihrer Höhe stehen geblieben war, „hüten Sie ihre Zunge!“ Crocodile war es gar nicht wirklich aufgefallen, doch in der Zwischenzeit hatte sich eine kleine Menschenmenge um sie herum gebildet. Viele Schaulustige waren stehen geblieben, um zu sehen, was passiert war. „Halten Sie sich gefälligst raus!“, schnauzte Marco die Frau unfreundlich an. „Außerdem habe ich jedes Recht darauf wütend zu sein! Sehen Sie nicht, dass diese Schwuchtel mir die Nase gebrochen hat?!“ „Da sind Sie selber Schuld“, rief ein junger Mann in kariertem Hemd, der ein bisschen weiter hinten stand. „Ich habe alles genau gesehen: Sie haben den dunkelhaarigen Herrn am Handgelenk gepackt und durch die Gegend gezerrt!“ „Ich habe ihn überhaupt nicht gezerrt!“, versuchte Marco sich zu verteidigen. „Wir waren mal zusammen und ich wollte ihn auf einen Frozen-Joghurt einladen! Das ist doch wohl nicht verboten!“ „Er hat sich aber gewehrt und versucht von Ihnen loszukommen“, hielt der Mann im karierten Hemd dagegen. „Sie haben ihn gegen seinen Willen mit sich geschleppt und das ist sehr wohl verboten!“ Anschließend wandte er sich an Doflamingo: „Wenn dieser Typ Sie tatsächlich verklagen will, können Sie mich gerne als Zeugen aufrufen. Ich kann es nämlich überhaupt nicht leiden, wenn irgendwelche Leute meinen sie könnten sich alles erlauben, bloß weil sie einen reichen Daddy haben!“ „Danke“,erwiderte Doflamingo in einem unwahrscheinlich freundlich klingenden Tonfall. „Das ist sehr nett von Ihnen.“ „Trotzdem darf mir diese Schwuchtel nicht einfach die Nase brechen!“ Marcos Stimme klang inzwischen völlig verzweifelt. Offenbar war er sogar den Tränen nahe. „Das war Notwehr“, schaltete sich ein anderer Schaulustiger ein. „Außerdem hat er Sie vorgewarnt und Ihnen die Chance gegeben loszulassen. Wer nicht hören will, muss fühlen. So einfach ist das!“ Für diese Aussage erntete er sogar Applaus von den umstehenden Menschen. Auch wenn Crocodile sich darüber freute, dass sein anscheinend übergeschnappter Exfreund in seine Schranken gewiesen wurde, begann er sich ein wenig unwohl zu fühlen. Schließlich hatte er überhaupt nicht beabsichtigt, solch einen Trubel zu verursachen. So unauffällig wie möglich zupfte er am Hemdsärmel seines Verlobten. „Könen wir jetzt bitte endlich gehen?“, fragte er mit leiser Stimme. „Vorher holen wir noch einen Frozen-Joghurt für dich“, erwiderte Doflamingo. „Ich will keinen verdammten Frozen-Joghurt!“, erwiderte Crocodile aufgebracht. Um ehrlich zu sein, kam er sich gerade wirklich auf den Arm genommen vor.„Ich dachte eigentlich, das wäre deutlich genug geworden. Im Ernst: Ich mag dieses Zeug nicht einmal!“ „Damit kannst du dein Handgelenk kühlen“, meinte sein Partner, „wegen dem Hämatom. Danach können wir uns von mir aus auf dem Heimweg machen.“ Im Auto drückte Crocodile wie ihm geheißen das kalte Joghurt-Getränk gegen sein malträtiertes Handgelenk. Inzwischen schmerzte es nicht mehr und wenn er Glück hatte, würden nicht einmal blaue Flecken zurückbleiben. „Jedes Mal, wenn wir etwas unternehmen, laufe ich einem verrückten Ex über den Weg und kriege was ab“, sagte Crocodile leise seufzend. „Verstehst du jetzt, warum ich nicht gerade ein riesiger Fan von öffentlichen Orten bin?“ „Ist gut“, antwortete Doflamingo, der sich nicht ganz sicher zu sein schien, ob diese Aussage ernst gemeint war oder nicht. „Das Wochenende verbringen wir beide Zuhause.“ „Du hättest ihm aber wirklich nicht die Nase brechen dürfen“, fuhr Crocodile fort. „Das war doch ein bisschen übertrieben. Du verlierst viel zu leicht deine Beherrschung, Doflamingo.“ „Ernsthaft?“ Lachend zog sein Verlobter eine Augenbraue hoch. „Glaub mir, ich habe mich bereits zusammengerissen. Immerhin habe ich ihn vorgewarnt und ihm die Möglichkeit gegeben dich loszulassen. Diese Sache hätte auch friedlich gelöst werden können. Es ist so wie dieser Mann im Einkaufszentrum gesagt hat: Er ist selbst Schuld. Wer nicht hören will, muss fühlen! Mir tut dieser Mistkerl jedenfalls überhaupt nicht leid.“ „Mir auch nicht“, gab Crocodile zu. Er schwieg für eine Weile, ehe er fortfuhr: „Ich verstehe das nicht. Früher, als wir beide noch studierten, ist er ganz anders gewesen. Er war sehr nett und freundlich. Ich hätte nie geglaubt, dass er sich einmal in solch einen Arsch verwandeln würde.“ Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Menschen verändern sich“, sagte er gelassen, „manchmal zum Guten, manchmal zum Schlechten. Da kann man nichts gegen tun.“ „Vermutlich hast du Recht“, seufzte Crocodile. Gedankenverloren blickte er aus dem Fenster. Die Welt draußen zog mit fünfzig Stundenkilometern an ihm vorbei. „Warum hast du damals eigentlich mit ihm Schluss gemacht, wenn er so nett und freundlich gewesen ist?“, hakte sein Verlobter nach. Crocodile überraschte diese Frage nicht. „Er hat jeden Tag Alkohol getrunken“, erklärte er ohne den Blick von der Fensterscheibe abzuwenden. „Seine Zeit immer auf Parties und in Nachtclubs verschwendet, anstatt sich um seine Zukunft zu kümmern. Vermutlich ist er davon ausgegangen, dass er als Sohn eines erfolgreichen Anwalts im Leben alles zugespielt bekäme und sich um nichts kümmern müsste. Diese Mentalität hat mich tierisch geärgert.“ „Du bist eben wirklich ein Langeweiler“, meinte Doflamingo. Er brach in lautes Gelächter aus und ließ sich auch von dem Hieb mit dem Ellbogen, den Crocodile ihm verpasste, nicht beeindrucken. * Doflamingo hielt sein Versprechen und zwang ihm am kommenden Wochenende nicht dazu die Villa zu verlassen. Doch wie immer fand er eine Lücke im Vertrag. „Ich habe gesagt, dass wir beide Zuhause bleiben“, erklärte sein Verlobter auf Crocodiles missbilligenden Blick hin. „Davon, dass wir beide allein Zuhause bleiben, ist nie die Rede gewesen!“ „Ich dachte, es ging darum ein bisschen zur Ruhe zu kommen“, jammerte Crocodile, der sich ein Stück weit betrogen fühlte. Er hatte sich auf einen entspannten Fernsehabend zu zweit gefreut und war nicht sonderlich begeistert von der Aussicht sich mit Doflamingos zum Teil doch recht exzentrischen Freunden herumschlagen zu müssen. „Es sind bloß zehn, fünfzehn Leute“, versuchte dieser ihn zu beschwichtigen. „Keine richtige Party.“ „Keine richtige Party“, wiederholte Crocodile. Ihn konnten die Worte seines Partners nicht überzeugen. „Deswegen hast du auch einen DJ gebucht. Eine Bar aufbauen lassen. Und Kellner bestellt, die umherlaufen und Snacks verteilen. Weil es keine richtige Party ist.“ „Du weißt, dass ich mich immer darum bemühe ein guter Gastgeber zu sein“, verteidigte sich Doflamingo. Crocodile wusste, dass er bei diesem Gespräch nicht gewinnen konnte. Also gab er sich geschlagen. „Was du hier veranstaltest, ist in erster Linie deine persönliche Sache“, meinte er schließlich in einem resigniert klingenden Tonfall. „Mich geht das Ganze nicht an. Feiere mit deinen Freunden keine richtige Party, wenn du möchtest. Ich verziehe mich nach oben in mein Zimmer und schreibe meine Berichte.“ Doch natürlich ließ ihn Doflamingo das nicht durchgehen. „Bitte, Wani“, bettelte er mit vorgeschobener Unterlippe. „Es würde mich wirklich freuen, wenn du mit dabei wärst.“ „Ich habe aber keine Lust auf eine Party“, entgegnete er stur. „Es ist ja auch keine richtige Party“, wendete sein Partner ein und brachte ihn auf diese Weise unweigerlich zum Lächeln. „Ein oder zwei Stunden“, meinte Crocodile schließlich augenrollend. Es gehörte mit zu seinen größten Schwächen, dass er Doflamingo nie etwas abschlagen konnte. Daran musste er unbedingt arbeiten. „Aber nicht länger. Später möchte ich meine Ruhe haben.“ „Ist in Ordnung“, antwortete Doflamingo und Crocodile musste sich ernsthaft zusammenreißen, um ihn darauf hinzuweisen, dass er nicht seiner Erlaubnis bedurfte. Um ehrlich zu sein, waren die ein oder zwei Stunden, die er seinem Verlobten versprochen hatte, bei weitem nicht so schlimm wie befürchtet. Crocodile trank ein bisschen Rotwein, schnappte sich hin und wieder Bruschetta vom Tablett eines vorbeihuschenden Kellners und unterhielt sich mit den Gästen. Neben Law, Kid, Monet, Bellamy, Dellinger, Violet, Vergo und den anderen üblichen Verdächtigen waren auch ein paar Menschen anwesend, die Crocodile kaum oder sogar gar nicht kannte. „Unglaublich, wie viele Leute Doflamingo kennt“, merkte er gegenüber Monet und Kuma an. „Ich habe das Gefühl, bei jeder Party sind irgendwelche Neuen dabei.“ „Doflamingo ist eine sehr gesellige Person“, stimmte Kuma ihm zu. „Es fällt ihm leicht neue Bekanntschaften zu schließen. Das ist eine seiner größten Stärken, denke ich.“ „Da hast du Recht“, meinte auch Monet und gluckste fröhlich. Sie hatte bereits mehrere Gläser Champagner getrunken. „Er lernt auch auf wirklich ungewöhnlichem Wege neue Freunde kennen. Ich weiß gar nicht, ob ihr je darüber gesprochen habt, Crocodile, aber Doflamingo und ich haben uns kennengelernt, indem er aus Versehen meinen Wagen gerammt hat. Ich hatte bei einer Kreuzung das Rechts-vor-Links übersehen und er konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen.“ „Doch“, erwiderte Crocodile kühl und nahm einen Schluck Rotwein, „davon hat er mir mal erzählt gehabt.“ Nachdem ich selbst einen schweren Autounfall gebaut hatte, fügte er in Gedanken hinzu. Allerdings sagte er mir, er hätte dir die Vorfahrt genommen und nicht anders herum. Er wusste nicht so recht, was er von dieser unerwarteten Erkenntnis halten sollte. „Ich hoffe, dass niemand verletzt wurde.“ „Nein, zum Glück nicht“, meinte Monet unbekümmert. „Doflamingo war bloß ziemlich sauer. Sein Cadillac war nämlich brandneu gewesen. Holming hatte ihm den zu seinem Geburtstag geschenkt.“ Holming war der Name von Doflamingos Vater, erinnerte Crocodile sich. „Ich weiß noch ganz genau, wie böse er dreingeblickt hat, als er aus seinem demolierten Wagen gestiegen ist. Aber er hat sich schnell wieder eingekriegt. Ich glaube, sein Vater hat dann auch die Reparatur bezahlt.“ „Ich habe Doflamingo über Corazon kennengelernt“, erklärte Kuma mit gedankenverlorener Stimme. „Wir haben gemeinsam studiert. Es ist wirklich schade, dass er nicht mehr bei uns ist.“ „Mir fehlt er auch sehr“, sagte Monet. „Er hat immer für gute Stimmung gesorgt. Manchmal freiwillig, manchmal unfreiwillig. Weißt du noch, als er an Doflamingos sechsundzwanzigsten Geburtstag gestolpert und mitten in der Torte gelandet ist? Das werde ich nie vergessen! Wie kann man bloß so ungeschickt sein?“ Unauffällig entfernte Crocodile sich von der kleinen Gesprächsrunde. Ihm ging noch immer nicht aus dem Kopf, was Monet zu dem Verkehrsunfall gesagt hatte. Warum hatte Doflamingo ihn angelogen? Vielleicht um ihn zu trösten? Es dauerte nicht lange, bis er seinen Verlobten fand. Er unterhielt sich gerade mit Kid über Tattoos. Unweigerlich bekam Crocodile einen kleinen Teil ihres Gespräches mit. „Ich würde dir auf jeden Fall davon abraten, dir seinen Namen tätowieren zu lassen“, hörte er Kid mit ernster Stimme sagen. „Ich habe schon viele Menschen getroffen, die diesen Schritt irgendwann bereut haben. Law ist ein ganz gutes Beispiel: Sein halber Körper ist voll mit Tätowierungen, die ihn an Corazon erinnern. Und sieh dir an, wohin das geführt hat.“ „Dasselbe hat Crocodile auch gesagt“, erwiderte Doflamingo mit resignierter Stimme. „Er ist auch dagegen. Also nicht gegen Tattoos generell, sondern gegen seinen Namen auf meiner Haut.“ „Doflamingo“, unterbrach Crocodile kurzerhand das Gespräch der beiden. Er tat so als hätte er nicht mitbekommen, worüber sie sich unterhalten hatten. „Können wir kurz reden?“ „Klar“, antwortete sein Verlobter mit ein wenig verdattert klingender Stimme. Er schenkte Kid ein entschuldigendes Lächeln, ehe er Crocodile hinaus ins Foyer folgte. „Was gibt es denn?“ „Ich habe gerade eben mit Monet gesprochen“, sagte er ohne Umschweife. Es ging ihm nicht darum, Doflamingo ein schlechtes Gewissen zu machen. Um ehrlich zu sein, war er nicht einmal wütend. Crocodile wollte bloß eine Erklärung für diese Lüge haben. „Sie hat mir von einer Sache erzählt, die mir keine Ruhe mehr lässt. Ich bin nicht sauer... Ich würde nur gern deine Beweggründe wissen. Warum hast du mir nicht die Wahrheit gesagt?“ Doflamingo tat etwas, was er nur sehr selten tat: Er seufzte laut auf. Crocodile beobachtete außerdem, wie er einen äußerst unwilligen Gesichtsausdruck aufsetzte und die Arme vor der Brust verschränkte. Offenbar fühlte er sich im Augenblick alles Andere als wohl in seiner Haut. „Wir hatten vereinbart, dass sie dir nichts davon erzählt“, sagte er mit belegter Stimme. „Ich glaube, sie ist betrunken“, versuchte Crocodile Monet in Schutz zu nehmen. Er hatte nichts gegen sie und wollte ihr keinen Ärger machen. „Es war eine einmalige Sache“, meinte Doflamingo und senkte den Blick. „Und wir beide sind noch nicht zusammen gewesen. Ich verspreche dir, dass zwischen mir und Monet nichts mehr läuft. Absolut gar nichts!“ „Du... du hast mit ihr geschlafen?“ Crocodile versuchte ein bisschen Speichel unter seiner Zunge hervorzukramen, doch sein Mundraum fühlte sich staubtrocken an. Um zu verhindern, dass er loshustete, presste er seine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. Er war vollkommen fassungslos. „Nun ja“, erwiderte sein Verlobter schwach. „Was hast du denn gemeint?“ „Den Autounfall, bei dem ihr beide euch kennengelernt habt“, sagte Crocodile. Er war so perplex, dass er es nicht einmal schaffte, seiner Stimme einen wütenden Ton zu verleihen. „Du hast mir gesagt, du hättest ihr die Vorfahrt genommen. Und Monet hat eben genau dieselbe Geschichte erzählt, nur andersherum. Ich... ich... ihr hattet Sex?!“ Allmählich drang die volle Bandbreite dieser neuen Erkenntnis bis zu ihm durch. „Wie gesagt“, meinte Doflamingo hektisch, „das ist passiert, bevor wir beide ein Paar wurden. Ich... du kannst mir keinen Vorwurf machen! Wir waren noch nicht zusammen, ich habe dir nichts geschuldet! Und es war auch nur eine One-Night-Stand! Ich war betrunken! Wir beide waren betrunken!“ „Wie lange ist das her?“, wollte Crocodile wissen. Sein Partner jaulte verzweifelt auf. „Do-fla-min-go“, Crocodile betonte jede einzelne Silbe überdeutlich, „wann ist dieser One-Night-Stand passiert?!“ „Vor etwas mehr als elf Monaten“, gestand Doflamingo schließlich. „Wir beide sind seit elf Monaten ein Paar“, stellte er in einem Flüsterton fest. Und als ihm klar wurde, was das bedeutete, wurde er plötzlich vollkommen ungehalten. Crocodile verlor die Kontrolle über sich und seine Zunge. „Du hast mit ihr geschlafen, kurz bevor wir beide ein Paar wurden?“, brüllte er und konnte nicht verhindern, dass ihm die Verzweiflung überdeutlich anzuhören war. „Wir hatten uns schon kennengelernt! Du hast mich um eine Verabredung gebeten! Und bist kurz danach mit ihr ins Bett gestiegen?! Sag mal, hast du sie noch alle? Verfügst du auch nur über ein Quäntchen Anstand? Du fragst mich, ob ich mit dir essen gehen möchtest, und steckst kurz darauf deinen Schwanz in den Schlitz irgendeiner Frau?!“ „Es war eine einmalige Sache“, wiederholte sein Verlobter, der sich ernsthaft darum zu bemühen schien, dieses Gespräch nicht eskalieren zu lassen. „Ich fühlte mich einsam, nachdem ich mit Bonney Schluss gemacht hatte. Und du warst so unnahbar... Du hast meine Bitte um ein Date abgelehnt... Ich wollte einfach bloß meinen Frust ablassen. Dieser Sex hatte nichts zu bedeuten. Weder für mich noch für Monet. Wir haben hinterher darüber geredet und beschlossen, dass wir lieber Freunde bleiben sollten.“ „Freunde“, hauchte Crocodile entsetzt. „Du gehst eine Beziehung mit mir ein und stellst mir Monet als Freundin vor - ohne mir zu erzählen, dass ihr was miteinander hattet! Ich habe mich in den letzten Monaten so oft mit ihr unterhalten, mit ihr zusammen gelacht ohne zu wissen, was zwischen euch beiden war! Kannst du dir auch nur im Mindesten vorstellen, wie verletzt und betrogen ich mich fühle, du gottverdammtes Arschloch?! Sag mal, kannst du deinen Schwanz nicht mal eine Woche lang in deiner Hose lassen?!“ „Ich habe dich nicht betrogen!“ Nun wurde auch sein Verlobter laut. „Ich würde dich nie, niemals betrügen! Ich liebe dich, Crocodile! Das ist passiert, bevor wir beide miteinander ausgegangen sind!“ „Und das soll ich dir glauben?“ Seine Wut verflog so urplötzlich wie sie gekommen war. Stattdessen liefen ihm auf einmal Tränen über das Gesicht. „Du hast mir nichts davon erzählt! Du hast mich einfach im Dunkeln gelassen! Wie soll ich dir glauben, dass dieser Sex vor unserer Beziehung passiert ist? Wie soll ich dir jemals wieder irgendetwas glauben?!“ Crocodile spürte, dass ihm die ganze Sache zu viel wurde. Sein Blickfeld verschwamm. Durch die vielen Tränen fühlten sich seine Augen warm und weich an. „Ich muss jetzt gehen“, sagte er mit erstickter Stimme, machte auf dem Absatz kehrt und lief davon so schnell er nur konnte. bye sb Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)