Mesh Of Lies von kleines-sama (DoflamingoxCrocodile (AU)) ================================================================================ Kapitel 31: Kapitel 16 ---------------------- Es war als wäre Crocodile eine schwere Last von den Schultern genommen worden. Seit er Doflamingo seine Lügen gebeichtet und dieser ihm verziehen hatte, fühlte sich sein Herz so leicht an wie eine Feder. Es tat unwahrscheinlich gut nicht mehr penibel genau auf jedes Wort achten zu müssen, das er von sich gab. Ganz ohne jede Angst konnte er seinem Ehemann von seinen Arbeitstag erzählen. Von dem aufdringlichen Kunden, mit dem er hatte telefonieren müssen, und von Kiwi und Mozz, die ihm zwischendurch Getränke brachten und die Gelegenheit nutzten, um ein wenig mit ihm zu plaudern. Seine Schulden beliefen sich nur noch auf 8.564 Berry - ein relativ kleiner Betrag, den er diesen Monat würde begleichen können. Crocodile konnte es kaum erwarten. 8.564 Berry und dann wäre dieser Alptraum endlich vorüber. Ein warmes Kribbeln breitete sich ausgehend von seinem Herzen in seinem ganzen Körper aus.Das Leben könnte nicht besser sein. Crocodile fühlte sich so wohl wie seit Jahren nicht mehr. Selbst damals, als er noch bei der Bank gearbeitet und ein wenig mehr Geld verdient hatte, war es ihm nicht besser gegangen. Das einzige, was er von dort vermisste, war seine ehemaliges Sekretärin Robin. Eine äußerst intelligente und kompetente Frau. Er sah sie hin und wieder, wenn sie seinen Chef Franky von der Arbeit abholte. Offenbar waren die beiden nun offiziell zusammen. Crocodile gönnte es ihnen von Herzen. Von Tashigi, die nach ihrem Praktikum eine Vollzeit-Stelle bei der Bank angenommen hatte, erfuhr er, dass sein Nachfolger sich als völliger Versager herausgestellt hatte. „Sein Name ist Buggy“, erklärte sie ihm mit leidiger Stimme, als er ihr kurz bei Mihawk Zuhause begegnete, „und er hat sich als echter Reinfall entpuppt. Sengoku hat ihn auf Empfehlung seines guten Bekannten Borsalino eingestellt. Er versicherte ihm, dass es sich bei Buggy um einen äußerst erfahrenen Manager handelt. Aber um ehrlich zu sein, habe ich das Gefühl, dass er es aus purem Glück geschafft hat soweit aufzusteigen. Seit er deine Stelle besetzt hat, geht jedenfalls alles den Bach runter. Ich glaube, Sengoku bereut es inzwischen dir gekündigt zu haben.“ Diese Neuigkeiten verschafften Crocodile eine gehörige Portion Genugtuung. Er kam nicht umhin sich vorzustellen, wie Buggy seinen ehemaligen Vorgesetzten in die Verzweiflung trieb. Angesichts dessen, dass es Sengoku war, mit dem das Leid der letzten Monate begonnen hatte, schämte er sich nicht einmal für seine Schadenfreude. Ganz im Gegenteil: Er erwischte sich sogar dabei, wie er darauf zu hoffen begann, dass Buggy die Bank in den Ruin treiben würde. Als er Doflamingo von seinem Gespräch mit Tashigi berichtete, erzählte dieser ihm, dass er schon länger mit dem Gedanken spielte sein Vermögen woanders verwalten zu lassen. „Ich bin bloß bei dieser Bank geblieben, weil du dort gearbeitet... weil ich dachte, du würdest dort noch arbeiten. Ich hatte die Befürchtung, dass du Ärger mit Sengoku bekommen könntest, wenn dein Freund -der immerhin einer der wichtigsten Kunden ist- die Bank wechselt. Das wollte ich dir natürlich nicht antun. Aber da sich diese Sache ja nun von selbst gelöst hat, spricht nichts mehr dagegen mein Geld woanders unterzubringen.“ „Ich würde zu gern Sengokus Gesicht sehen, wenn er erfährt, dass du dich von ihm abwendest“, warf Crocodile böse lachend ein. Eigentlich handelte es sich bei ihm um keinen sonderlich missgünstigen oder nachtragenden Menschen, doch für Sengoku konnte er kein Mitleid aufbringen. „Das glaube ich dir gern“, erwiderte Doflamingo, der sich überraschenderweise kein Stück an diesem rachsüchtigen Kommentar seines Partners zu stören schien. Er schwieg für einen kurzen Moment, ehe er mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck hinzufügte: „Ich verstehe immer noch nicht, wieso er dich überhaupt loswerden wollte. Laut deiner Aussage hat es sich bei diesem Fehler, den du gemacht hast, ja bloß um einen Vorwand für deine Kündigung gehandelt. Und dein Nachfolger, dieser Buggy, scheint ja nun auch keine Verbesserung zu sein.“ „Sengoku konnte mich nie leiden“, gab Crocodile schulterzuckend zurück. Irgendwann in seinem Leben hatte er aufgehört ständig nach dem Warum zu fragen. Vielleicht hatte er sich, nachdem er seine linke Hand verloren hatte und sein Gesicht von seinem Exfreund mit einem Messer bearbeitet worden war, einfach damit abgefunden, dass sich nicht hinter allen schlimmen Dingen ein logischer Grund verbarg. Manchmal war das Schicksal ein mieser Verräter, nichts weiter. „Keine Ahnung, wieso. Ich habe ihm nie etwas getan. Vielleicht hasst er Schwule. Oder einfach nur mich ganz persönlich.“ Doch mit dieser Antwort gab sein Ehemann sich nicht zufrieden. „Sengoku wusste von unserer Beziehung“, gab er zu bedenken. „Als er dir gekündigt hat, waren wir beide schon seit sechs Monaten ein Paar. Hältst du es nicht für ziemlich gewagt, den festen Freund deines besten Kunden zu feuern? Er muss doch damit gerechnet haben, dass du mir davon erzählst und ich mir aus Wut eine andere Bank nehme.“ Dieser Gedanke war ihm damals auch schon gekommen. „Sengoku kennt mich gut. Vielleicht setzte er darauf, dass mein angeschlagener Stolz es mir nicht erlauben würde dir davon zu erzählen.“ „Nun ja, wie auch immer. Jedenfalls werde ich morgen mit meinen Beratern sprechen. Sie sollen mir eine andere Bank vorschlagen.“ Er zögerte kurz, ehe er grinsend anfügte: „Vielleicht werde ich meinen Assistenten darum bitten, eine geheime Kamera zu tragen. Du weißt schon, so wie Detektive sie benutzen. Dann könntest du live miterleben, wie Sengokus Gesichtszüge entgleisen, wenn mein Assistent ihm mitteilt, dass ich die Bank wechsle.“ Bei dieser Vorstellung brachen sie beide in rachsüchtiges Gelächter aus. ~ Ihre Nichte Nozomi verbrachte inzwischen jeden Samstag bei ihnen. Crocodile, der sich selbst zuvor nie als einen sonderlich kinderfreundlichen Menschen eingeschätzt hatte, musste zugeben, dass er es sehr genoss Zeit mit dem kleinen Mädchen zu verbringen. Außerdem gelang es ihm auf diese Weise seine Schwester Hancock zu unterstützen, die ihre Tochter zwar über alles liebte, doch trotzdem für einige Stunden Ruhe überaus dankbar war. Crocodile konnte gut nachvollziehen, dass es anstrengend war, sich allein um einen Säugling zu kümmern. Zum Glück hatte er immer Doflamingo an der Seite, der ihn bei der Pflege von Nozomi unterstützte so gut es ging. Der Sommer neigte sich dem Ende zu. Die Tage wurden kürzer und kälter. Crocodile, der sehr schnell fror, hatte längst wieder seinen Nerzmantel hervorgekramt, während Doflamingo immer noch seinen leichten Federmantel über seinem nur bis zur Brust geknöpftem Hemd trug. Diesen Samstagnachmittag verbrachten sie alle gemeinsam im städtischen Zoo. Es war kein schöner, heller Herbsttag. Der Himmel war mit Wolken bedeckt und mit knapp dreizehn Grad Celsius war es für Crocodiles Geschmack zwar deutlich kühl, doch zumindest hatten sie fast den gesamten Zoo für sich allein. Außer ihrer bunt gemischten Gruppe waren nur wenige andere Besucher gekommen, um sich die Tiere anzuschauen. „Laut Wetterbericht wird es erst heute Abend regnen“, meinte Doflamingo in einem mokierenden Tonfall, als er den besorgten Blick bemerkte, den sein Ehemann gen Himmel warf. Sie hielten sich im Moment in der Nähe der Pinselohrschweine auf. Das waren lustig anzuschauende Tiere mit rötlich-braunem Fell, weißem Backenbart und natürlich den namensgebenden langen, pinselartigen Ohren. Es war lange her, seit Crocodile das letzte Mal einen Nachmittag im Zoo verbracht hatte. „Hoffentlich“, gab Crocodile unwillig zurück. „Ich habe keine Lust nass zu werden. Und kalt ist mir auch.“ „Da vorne ist ein Cafe“, meinte Mihawk, der ihr Gespräch mitbekommen zu haben schien. „Warum legen wir nicht eine Pause ein und wärmen uns auf?“ Mit diesem Vorschlag waren sie alle einverstanden. Im Cafe sicherte Crocodile sich sogleich den wärmsten Platz in der Nähe der Heizung. Er nahm Nozomi, die bisher im Kinderwagen gelegen hatte, auf seinen Schoß. Seine Nichte war inzwischen sieben Monate alt und normalerweise handelte es sich bei ihr um ein sehr aufgewecktes Mädchen. Heute jedoch war sie zum Glück ganz ruhig und kuschelte sich prompt in seinen weichen Nerzmantel. Ausnahmsweise bestellte Crocodile sich kein stilles Mineralwasser, sondern einen Pfefferminz-Tee. Gerade als er seine Finger um die warme Tasse legte, hörte man die ersten Regentropfen, die geräuschvoll auf das mit Tonziegeln bedeckte Dach des kleinen Zoo-Cafes aufschlugen. „So viel zum Wetterbericht“, meinte er mit spöttischer Stimme in Doflamingos Richtung gewandt. „Wenigstens haben wir uns rechtzeitig in Sicherheit gebracht“, gab sein Ehemann gelassen zurück und nahm einen großen Schluck seines heißen Kakaos. „Und bestimmt ist es nur ein kleiner Schauer, der gleich wieder aufhört.“ Entgegen Doflamingos Prophezeiung regnete es die nächsten eineinhalb Stunden ohne Unterlass wie aus Kübeln. Dicke Tropfen trafen auf die Erde und bald waren alle Wege des Zoos mit großen Pfützen bedeckt. Dichte, dunkle Wolken bedeckten den Himmel und ließen kaum einen Sonnenstrahl hindurch. Doch daraus machten sie sich nichts. Nach seinem Pfefferminz-Tee bestellte Crocodile sich einen Roiboos- und anschließend noch einen Kamillen-Tee. Zu viert (nein - Nozomi eingerechnet zu fünft) saßen sie im kleinen Zoo-Cafe, plauderten ohne Unterlass miteinander, lachten und ließen sich vom schlechten Wetter nicht die Laune verderben. Mihawk erzählte davon, wie sein Schüler Zoro bei der Landesmeisterschaft letztes Wochenende die Goldmedaille gewonnen hatte. „Er ist ein außerordentlich talentierter Fechter“, erklärte er ihnen. „Wenn er seine Motivation beibehält und regelmäßig trainiert, könnte er in einigen Jahren bei Olympia mitmachen.“ Normalerweise lag stets eine stoische Ruhe in Mihawks Stimme, doch als er von seinem vielversprechenden Schüler berichtete, wurde sie von einer ungewöhnlichen Wärme erfüllt. „Einer deiner Schüler bei den olympischen Spielen...“, sagte Crocodile und nippte an seinen Roiboos-Tee. „Das wäre wirklich was, nicht wahr?“ Mihawk nickte. „Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Den Erfolg bekommt man nicht geschenkt. Zoro muss weiter am Ball bleiben. Ich hoffe nur, dass er sein Training nicht schleifen lässt so wie Tashigi.“ „Nimmt Tashigi keine Stunden mehr bei dir?“, hakte Crocodile verwundert nach. Er hatte die junge Frau doch letztens erst bei Mihawk Zuhause gesehen gehabt. „Unregelmäßig“, antwortete sein älterer Bruder und verzog das Gesicht. „Sie hat nun eine Festanstellung bei der Bank bekommen und kann nur noch wenig Zeit für das Training erübrigen. Wenn sie kommt, ist sie oft sehr unkonzentriert. Einmal erzählte sie mir, dass ihr Vorgesetzter Akainu ihr zu schaffen macht.“ „Oh, das glaube ich ihr auf's Wort. Akainu kann ein echter Hund sein.“ Mihawk zuckte mit den Schultern. „Es ist schade, dass sie die Fechtstunden nicht mehr so ernst zu nehmen scheint. Aus ihr hätte auch eine wirklich gute Fechtmeisterin werden können. Doch inzwischen hinkt sie hinterher. Zoro ist viel weiter als sie, obwohl sie beide zeitgleich mit dem Training angefangen haben.“ „Vielleicht hat sie nicht das gleiche Talent wie Zoro?“, warf Hancock ein und blickte hinüber zu ihrer kleinen Tochter, die inzwischen auf Doflamingos Schoß saß. Mihawk winkte ab. „Zugegebenermaßen spielt das natürliche Talent auch eine Rolle“, erwiderte er, „aber am wichtigsten ist und bleibt das Training. Der talentierteste Fechter der Welt würde gegen ein Kind verlieren, wenn er nicht an sich arbeitet und seine Fähigkeiten ausreift. Übung macht den Meister. Und da Zoro nun einmal deutlich mehr trainiert als Tashigi, wird er das Rennen machen.“ „Du klingst wie diese furchtbaren Mütter in Nozomis Spielgruppe“, sagte Hancock. Sie seufzte leise und stützte den Kopf auf ihre Hand auf. „Was meinst du damit?“, hakte Doflamingo nach, während er Nozomi ein kleines Stück des Kekses, den er zu seinem Capuccino erhalten hatte, gab. „Ich gehe zweimal in der Woche mit Nozomi in eine Gruppe für Kleinkinder“, erklärte Hancock. „Du weißt schon, damit sie mit Kindern in ihrem Alter spielen kann und man Gelegenheit bekommt sich mit anderen Eltern auszutauschen. Eigentlich eine nette Idee, dachte ich zu Beginn. Aber inzwischen werde ich verrückt dort. Frühförderung scheint das einzige Thema der Eltern zu sein. Es gibt Kinder, die gehen montags zum Klavierunterricht, dienstags zur Spanischstunde, mittwochs zum Kinderyoga und so weiter. Dabei sind die Kleinen nicht mal zwei Jahre alt. Letztens habe ich zufällig mitbekommen, wie sich zwei Mütter gegenseitig beinahe die Augen ausgekratzt hätten, weil das Kind der einen Mutter schon weiter auf Spanisch zählen konnte als das Kind der anderen Mutter. Übung, Training, Förderung... Wenn ich diese Wörter nur höre, bekomme ich schon schlechte Laune.“ „Ohje“, meinte Doflamingo und legte den Kopf schief. „Das klingt ja alles andere als nett.“ „Ist es auch nicht“, pflichtete seine Schwägerin ihm dabei. „Ich möchte doch nur, dass Nozomi dort etwas Kontakt zu anderen Kindern aufnimmt und Spaß hat. Doch von allen Seiten kommt nichts als Druck. Ich erinnere mich noch genau an den entsetzten Blick einer Mutter, als ich ihr erzählte, dass Nozomi keine musikalische Frühförderung bekommt. Was bitte erwarten die Leute von einem sieben Monate alten Baby? Dass sie lernt Geige zu spielen?“ „Mach dir nichts draus“, versuchte Doflamingo sie zu trösten. „Diese ganzen Lernangebote bringen sowieso nichts, wenn das Kind damit bloß überfordert wird. Weißt du, ich habe schon als kleines Kind professionellen Klavierunterricht bekommen. Es hat mir keinen Spaß gemacht und ich habe seit über fünfzehn Jahren keine einzige Taste mehr berührt. Lass dich nicht so unter Druck setzen. Wenn Nozomi etwas älter ist, kannst du sie ja selbst entscheiden lassen, ob sie vielleicht ein Instrument oder eine Fremdsprache lernen möchte.“ „Danke“, sagte Hancock und wirkte erleichtert. „Es freut mich, dass endlich mal jemand meine Meinung teilt. Ich habe das Gefühl, dass man ein bisschen verrückt wird, wenn man zu viel Zeit mit den Eltern kleiner Kinder verbringt. Ich liebe meine Tochter, aber ich kann nicht den ganzen Tag nur über selbstgemachten Brei aus ökologisch angebautem Gemüse oder die Entscheidung, ob das Kind mittwochs zum Musik- oder Sprachunterricht gehen soll, reden.“ Diese Aussage ließ Crocodile schmunzeln. Er konnte sich gut vorstellen, wie seine Schwester mit genervtem Gesichtsausdruck zwischen miteinander diskutierenden Müttern saß. Um ehrlich zu sein, war er selbst nie auf die Idee gekommen Nozomi in besonderem Maße zu fördern. Wenn Doflamingo und er ihre kleine Nichte am Samstag zu sich holten, kuschelten sie einfach bloß mit ihr oder gingen spazieren. Ihm wäre es nicht in den Sinn gekommen eine Spanisch-DVD mit ihr durchzugehen. „Wie geht es eigentlich Law?“, fragte Mihawk. „Er hatte sich den Arm gebrochen, oder nicht?“ Crocodile nickte langsam. „Er arbeitet seit letzter Woche wieder“, erklärte er seinem älteren Bruder. „Zum Glück ist der Bruch wieder vollständig verheilt.“ „Das ist schön zu hören“, schaltete sich auch Hancock ein. „Es ist wirklich schade, wenn sich ausgerechnet ein Chirug den Arm bricht. Bestimmt mussten viele Operationen verschoben werden.“ „Er ist auch nur ein Mensch“, meinte Doflamingo und gab Nozomi, die auf seinem Schoß saß, einen Kuss auf den Scheitel. „Obwohl er das selbst nicht wahrhaben möchte. Er legt freiwillig Doppelschichten ein und möchte so viele Operationen wie möglich nachholen. Hoffentlich übernimmt er sich nicht.“ „Ohje...“ Das hatte Crocodile gar nicht gewusst. „Davon ist Kid sicher nicht begeistert.“ „Ich auch nicht“, gestand sein Ehemann. „Aber so ist Law eben. Ein echter Workahalic. Genauso wie du.“ Während er diese letzte Aussage tätigte, musste er schmunzeln. „Kid und Law werden zusehen müssen, dass sie eine Lösung finden, die zu ihnen passt.“ „Ich bin kein Workaholic“, verteidigte sich Crocodile. „Zumindest kein schlimmer mehr. Ich arbeite acht oder neun Stunden pro Tag. Das ist völlig normal.“ „Der Regen hört allmählich auf“, unterbrach Mihawk ihr Gespräch. Als Crocodile seinen Blick durch das Fenster nach draußen warf, stellte er fest, dass sein Bruder Recht hatte. Nur noch ein paar Tropfen fielen vereinzelt herab. Und sogar ein paar Sonnenstrahlen kämpften sich durch die dichte Wolkendecke. „Wollen wir weitergehen?“ Gegen diesen Vorschlag hatte niemand etwas einzuwenden. Sie erhoben sich von ihrem Tisch und Doflamingo bezahlte die Rechnung. Hancock setzte ihre Tochter zurück in den Kinderwagen, während Mihawk zur Toilette ging. Als Crocodile nach draußen trat und seinen Mantel enger um den Körper schlang, konnte er am Himmel einen großen, wunderschönen Regenbogen ausmachen. „Hübsch, nicht wahr?“, meinte Doflamingo, der neben ihm stand und ebenfalls den Regenbogen betrachtete. Crocodile nickte. „Die Farben erinnern mich an meinen Heiratsantrag“, sagte er mit leiser, verträumter Stimme. „Hm?“ Sein Ehemann warf ihm einen verwunderten Blick zu. „Wieso das denn?“ Doflamingos perplexer Gesichtsausdruck brachte Crocodile zum Lachen. „Erinnerst du dich etwa nicht mehr? Als du vor mir auf die Knie gegangen bist, ging gerade die Sonne unter. Sie tauchte das Meer in bunte Farben... Weißt du das wirklich nicht mehr? Du hattest doch sogar deine Sonnenbrille abgenommen, oder nicht?“ Es war äußerst untypisch für Doflamingo so etwas zu vergessen. Sein Partner kratzte sich verlegen am Kopf. „Um ganz ehrlich zu sein, habe ich nicht wirklich auf das drumherum geachtet. Ich war viel zu nervös, um irgendetwas anderes als dein Gesicht wahrzunehmen. Ich weiß noch, wie mir das Herz in die Hose gerutscht ist, als du so lange dagestanden und kein Wort herausgebracht hast. Zum Glück hast du am Ende doch ja gesagt.“ „Ich war ziemlich geschockt“, versuchte Crocodile sein Verhalten zu erklären. „Ich hatte noch nicht mit einem Heiratsantrag gerechnet.“ Doflamingo kicherte. „Weiß ich doch. Hauptsache du hast ihn angenommen. Das ist das einzige, was zählt.“ Crocodile nickte ohne den Blick vom Regenbogen abzuwenden. „Es war wirklich ein schöner Moment, den du dir ausgesucht hast. Nur wir beide... Ganz allein am Meer bei Sonnenuntergang... Ich glaube, ich selbst hätte mir nichts Schöneres einfallen lassen können.“ Diese Aussage ließ Doflamingo nicht los. „Ach ja?“, hakte er breit grinsend nach. „Wie hättest du denn den Heiratsantrag gestaltet? Wolltest du derjenige sein, der auf die Knie geht? Sorry, dass ich dir zuvor gekommen bin, Wani.“ „Nein“, gab Crocodile hastig zurück. „Es ist schon gut, dass du ihn gemacht hast. Du weißt doch, dass ich nicht sonderlich romantisch veranlagt bin. Ich habe keinen Sinn für solche Momente. Bestimmt hätte ich dich bloß enttäuscht.“ „Das glaube ich nicht... Ich hätte mich auf jeden Fall über einen Antrag von dir gefreut. Egal, wie oder wo er stattgefunden hätte. Der Gedanke zählt.“ „Tatsächlich?“ Dessen war Crocodile sich nicht so sicher. Er warf seinem Partner einen zweifelnden Blick zu. Doflamingo war ein echter Romantiker, der alles liebte, was mit Kitsch zu tun hatte. „Auch wenn ich dich... sagen wir... ich hätte dich in so einer Situation wie jetzt hier gefragt. Während wir beide im Zoo vor dem Gehege der Pinselohrschweine stehen und uns der aufgeweichte Boden die Schuhe versaut... Würdest du wirklich ja sagen, wenn ich dich frage: Doffy, möchtest du mich heiraten? Das kann ich mir kaum vorstellen.“ „Ja!“, platzte es unbeherrscht aus seinem Ehemann heraus. „Ja! Ja, ich will!“ Crocodile brach erneut in Gelächter aus. „Das glaube ich dir nicht“, sagte er und hielt sich die Hand vor dem Mund. „Wärst du nicht enttäuscht, dass es nicht romantischer gewesen ist?“ „Nun ja“, gab Doflamingo mit gespielt vorwurfsvoller Stimme zurück, „du bist nicht einmal vor mir auf die Knie gegangen!“ „Ich möchte mir meinen schönen Mantel nicht versauen“, erwiderte Crocodile lachend. „Er ist ein Geschenk von dir gewesen.“ „Ist er nicht“, widersprach ihm Doflamingo. „Du hast darauf bestanden, mir das Geld wiederzugeben.“ Er zögerte einen kurzen Moment, ehe er hinzufügte: „Und einen Ring hast du auch nicht mitgebracht!“ Crocodile, der gut gelaunt war, hatte Lust das Spiel mitzumachen. Er nahm den Ring am Zeigefinger seiner rechten Hand ab. Anschließend ging er vor seinem Ehemann auf die Knie, wobei er versuchte seinen teuren Mantel vor dem dreckigen Boden zu schützen. Die beiden Pinselohrschweine, die nah ans Gitter ihres Geheges gekommen waren und freudig grunzten, waren ihre einzigen Zeugen. „Doffy“, sagte Crocodile und räusperte sich, „möchtest du mich heiraten?“ Und während er sprach, öffnete er seine Faust mit dem goldenen Ring. „Ja!“, kreischte Doflamingo mit begeisterter Stimme. „Ja, ich will!“ Er stürmte auf ihn zu und umarmte ihn so heftig, dass sie beide zu Boden gingen und Crocodile der Ring aus der Hand glitt. Als sie beide sich wieder aufrichteten, warf Crocodile einen leidigen Blick auf seinen verdreckten Mantel. Und der Ring war auch fort. Schließlich verfolgte er Doflamingos Blick, der hinüber zum Gehege der Schweine geglitten war. Der goldene Ring war zwischen die Gitter des Geheges gerutscht und lag nun im Matsch zwischen den Hufen der Pinselohrschweine. „Oh nein“, jammerte Crocodile und richtete sich auf. Er ging hinüber zum Gitter und versuchte verzweifelt an den Ring zu kommen, doch es gelang ihm nicht. Gerade als Doflamingo, der schmalere Finger hatte, ihm zur Hilfe eilen wollte, konnte er beobachten, wie eines der Schweine mit seinem Rüssel im Dreck wühlte und den Ring prompt verschluckte. „Siehst du“, sagte Crocodile mit angesäuerter Stimme und gesenktem Blick, „das wäre passiert, wenn ich dir den Antrag gemacht hätte.“ „Zum Glück war es nicht dein Ehering“, versuchte Doflamingo ihn aufzumuntern. Wie er sich fühlen würde, wenn ein Ring im Wert von weit über einer Millionen Berry im Magen eines Schweines gelandet wäre, wollte Crocodile sich nicht einmal vorstellen. Ihn schmerzte schon der Verlust dieses Ringes, für den er damals etwa viertausend Berry beim Juwelier gelassen hatte. „Was ist denn mit euch beiden passiert?“ Mihawk, der von der Toilette zurückgekehrt war, blieb mit einem irritierten Gesichtsausdruck neben ihnen stehen. „Wieso kniet ihr vor den Schweinen? Und warum ist eure ganze Kleidung so eingesaut?“ „Wani hat versucht sich von seiner romantischen Seite zu zeigen“, meinte Doflamingo breit grinsend. Angesichts dieser Aussage griff Crocodile prompt nach einer Portion Matsch und pfefferte diesem seinen Ehemann ins Gesicht. Sie beide war nun sowieso schon verdreckt, also was sollte es? „Hey!“, beschwerte sich Doflamingo und wischte den braunen Matsch mit dem Hemdsärmel fort. Sein ganzes Gesicht war eingesaut. „Sorry“, log Crocodile. „Ich hab den Blumenstrauß im Auto vergessen.“ Für diesen Spruch kassierte er einen Matschball von Doflamingo, der ihn an der Brust traf und sein Lieblingshemd verunstaltete. Gerade wollte er zurückschlagen, als Hancock, den Kinderwagen vor sich her schiebend, in seinem Blickfeld erschien. Als seine Schwester sie beide dort im Dreck sitzen saß, brach sie in lautes Gelächter aus. „Was ist denn mit euch los?“, wollte sie prustend wissen. „Ich dachte, Nozomi sei das Kleinkind in dieser Familie.“ „Doflamingo hat angefangen“, erklärte Crocodile, während er sich langsam erhob, „er hat mich zu Boden gestoßen!“ Mihawk bedeckte das Gesicht mit den Händen. „Zum Glück sind wir hier so gut wie allein.“ „Zwei erfolgreiche Geschäftsmänner, die neben den Schweinen eine Matsch-Schlacht starten“, sagte Hancock lachend. „Damit wärt ihr die Sensation des Zoos, noch vor den Sibirischen Tigern.“ ~ Es war Dienstagabend. Crocodile saß auf dem Sofa im Wohnzimmer; auf dem Schoß hatte er seinen Laptop. Mit konzentriertem Gesichtsausdruck ging er eine Email durch, die sein Chef Franky an ihn weitergeleitet hatte. Es ging um die Wünsche eines neuen Kunden namens Foxy. Foxy stellte elektronisches Kinderspielzeug her und wollte dieses bei der nächsten Tom's Workers-Messe präsentieren. Besonders erfolgsversprechend erschien das Spiel Davy Back Fight, eine Art modifiziertes Brettspiel, bei dem man in Teams bestimmte Aufgaben erfüllen musste. Crocodile war so sehr in seine Arbeit vertieft, dass er seinen Ehemann, der gerade hereingekommen war und sich neben ihn gesetzt hatte, gar nicht bemerkte. Erst als dieser sich räusperte, schreckte Crocodile auf. „Ich will dich nicht lange stören“, meinte Doflamingo sofort. „Ich möchte nur wissen, ob du etwas dagegen hättest, wenn morgen Law und Kid zum Abendessen kommen würden?“ „Ähm“, machte Crocodile und warf einen unwilligen Blick auf den Bildschirm seines Laptops. „Eigentlich habe ich morgen keine Zeit, um etwas zu kochen. Weißt du, ich muss diesen neuen Kunden betreuen und...“ „Es geht nicht darum, dass du für uns kochst“, winkte sein Partner rasch ab. „Von mir aus können wir uns von unseren Angestellten bekochen lassen. Ich möchte bloß, dass Law und Kid uns Gesellschaft leisten.“ „Gibt es dafür einen besonderen Grund?“, hakte Crocodile nach, der nun doch neugierig wurde. Sie hatten die beiden das letzte Mal erst am Freitag gesehen gehabt. Doflamingo zögerte für einen Moment, ehe er sagte: „Morgen ist Corazons vierter Todestag.“ „Oh.“ Crocodile hatte keine Ahnung, wie er darauf reagieren sollte. Er hatte nicht gewusst, wann genau der jüngere Bruder seines Partners gestorben war. Schließlich sammelte er sich wieder und meinte: „Du.. du willst nicht allein sein an diesem Tag, oder? Wenn du möchtest, dann verschiebe ich die Arbeit mit meinem Kunden auf's Wochenende und...“ „Es geht nicht um mich“, unterbrach ihn Doflamingo, „sondern um Law.“ Als Crocodile seinem Ehemann daraufhin einen verwunderten Blick zuwarf, fuhr dieser fort: „Du weißt, dass Law und mein Bruder lange ein Paar waren, bis Corazon schließlich gestorben ist. Und, nun ja, auch wenn Law nun mit Kid zusammen ist, habe ich das Gefühl, dass er nicht hundertprozentig über ihn hinweg ist. Es fiel ihm sehr schwer Corazons Tod zu akzeptieren und er ist allein geblieben, bis er Kid kennengelernt hat. Ich möche nicht, dass es an Corazons Todestag zu einem Streit zwischen den beiden kommt. Ich mag Kid sehr gerne und ich denke, dass er Law gut tut. Und wenn die beiden den Tag morgen hier verbringen, bekommen sie gar nicht erst die Gelegenheit, über Corazon zu sprechen.“ „Hältst du das wirklich für eine gute Idee?“, fragte Crocodile mit zweifelnder Stimme. Doch Doflamingo nickte energisch. „Wir werden sie den ganzen Nachmittag unterhalten. Zuerst schauen wir uns die neuen Folgen von Pandaman im Fernsehen an. Danach essen wir zusammen ein Menü mit mehreren Gängen. Währenddessen reden wir die ganze Zeit über harmlose Themen. Über unsere Nichte oder deine neue Arbeit oder so etwas in der Art. Und ehe Law und Kid auch nur die Gelegenheit bekommen haben ein Wort über Corazon zu verlieren, ist der Tag auch schon vorbei und die beiden liegen erschöpft im Bett.“ „Ich bin mir nicht sicher, ob es der Beziehung von Law und Kid sonderlich zuträglich ist, ein solch wichtiges Thema einfach totzuschweigen“, wandte Crocodile ein. „Der Konflikt wird doch dadurch nicht gelöst, sondern nur verlagert. Meinst du nicht, wir sollten die beiden morgen vielleicht lieber in Ruhe lassen, damit sie unter sich ausmachen können, wie sie mit diesem Tag umgehen?“ Doch davon wollte Doflamingo nichts wissen. „Du weißt nicht, wie Law über Corazon denkt...“ „Ich erinnere mich noch gut daran, wie Law völlig aufgelöst hierher kam“, erwiderte Crocodile kühl. „Wie sehr ihn seine Schuldgefühle belastet haben, weil er glaubte, seinen verstorbenen Freund zu betrügen, indem er sich auf Kid einlässt. Doffy, mir ist völlig klar, dass diese Geschichte mit Corazon nicht einfach ist. Aber wir können Law und Kid diese Bürde nicht abnehmen. Wie soll das funktionieren?“ Sein Ehemann schüttelte den Kopf. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie die Beziehung von Law und Corazon gewesen ist. Law hat ihn regelrecht verehrt. Was zwischen ihnen lief, war etwas ganz Besonderes. Und nun wird Law jedes Mal, wenn er an Corazon erinnert wird, von negativen Gefühlen übermannt. An den letzten drei Jahrestagen war es schrecklich schlimm. Law versank regelrecht in einer depressiven Episode. Das möchte ich Kid nicht antun; das hat er nicht verdient.“ Crocodile seufzte leise. „Kid befindet sich nicht in einer leichten Situation“, gab er schließlich zu. „Um ehrlich zu sein, wüsste ich nicht, wie ich mich an seiner Stelle verhalten würde. Sicher möchte er nicht, dass sein Freund traurig ist und würde versuchen ihn zu trösten... doch auf der anderen Seite ist er womöglich auch eifersüchtig auf Corazon. Das ist zwar unvernünftig, aber immerhin waren Law und er sehr lange ein Paar und ihre Beziehung wurde nicht... nun ja... einvernehmlich getrennt.“ „Ich weiß, was du meinst“, sagte Doflamingo. „Kid hat keine Ahnung, wie er sich in Bezug auf Corazon verhalten soll. Es fühlt sich falsch an, seinen Freund wegen einer anderen Liebe zu trösten. Aber es fühlt sich auch falsch an, eifersüchtig auf einen Toten zu sein.“ „Stell dir nur einmal vor, Law würde weinen wegen Corazons Tod... Was sollte Kid da sagen? Dass er sich wünscht, dass Corazon nicht gestorben wäre? Aber wenn er noch leben würde, dann wären Law sicher immer noch mit ihm anstatt mit Kid zusammen.“ Crocodile wollte nicht in Kids Haut stecken. „Es ist wie es ist“, sagte Doflamingo schließlich. „Corazon ist tot. Niemand kann ihn zurückholen. Es macht keinen Sinn zu spekulieren, was wäre und was nicht wäre... Das einzige, was am Ende zählt, ist das Hier und Jetzt. Ich mag Kid. Er tut Law gut und die beiden sind ein tolles Paar. Ich möchte nicht, dass ihre Beziehung leidet, weil morgen Corazons Todestag ist.“ „Also gut“, gab Crocodile sich geschlagen. „Dann laden wir sie morgen ein. Aber ich habe keine Lust zu kochen.“ Am folgenden Nachmittag war es das erste Mal in Crocodiles Leben, dass er sich darüber freute im Stau zu stehen. Er schrieb Doflamingo eine Nachricht, dass sich wegen eines Unfalls auf der Autobahn seine Ankunft verzögerte; insgeheim betete er darum, dass es Stunden dauern würde, bis man wieder schneller als mit Schrittgeschwindigkeit vorankam. Er könnte aus dem Stehgreif mindestens einhundert Dinge aufzählen, die er lieber tat als gemeinsam mit Corazons Bruder, Ex-Freund und seinem Nachfolger dessen Todestag zu verbringen. Als er schließlich mit leider bloß einer halben Stunde Verspätung Zuhause ankam, waren Kid und Law bereits anwesend. Sie wirkten beide nicht besonders gut gelaunt. Crocodile begrüßte sie mit leiser Stimme und setzte sich schließlich neben seinem Ehemann auf das Sofa. Im Fernsehen lief Pandaman. Doflamingo versuchte Konversation zu betreiben, doch die meisten seiner Versuche blieben erfolglos. Die Stimmung wurde immer unangenehmer. Crocodile wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte Corazon nie gekannt. Doflamingos jüngerer Bruder war zwei Jahre, ehe sie sich das erste Mal beim Geschäftsessen mit Sengoku gesehen hatten, gestorben. In der ersten Hälfte ihrer Beziehung war Crocodile sogar davon ausgegangen, dass es sich bei seinem Partner um ein Einzelkind handelte. Von einem Bruder hatte er nie etwas erzählt. Auch bei Tisch verbesserte sich die Atmosphäre nicht. Obwohl das Essen hervorragend schmeckte, stocherte jeder bloß lutslos mit der Gabel darin herum. Crocodile vermied den Blickkontakt mit Kid und Law. Wenn er ehrlich war, dann fühlte er sich hier völlig fehl am Platz. Um acht Uhr abends verabschiedeten sich ihre Gäste bereits wieder. Doflamingo, der seinen ausgeklügelten Plan in Gefahr sah, versuchte die beiden zum Bleiben zu überreden. Doch Law ließ sich nicht beirren. „Ich möchte noch auf den Friedhof“, erklärte er mit ruhiger Stimme. „Corazons Grab besuchen.“ Letztendlich war es dieser Satz, der das Eis brach. „Hältst du das wirklich für eine gute Idee?“, wollte Doflamingo wissen. Seine Augen wurden durch die dunkel getönten Gläser seiner Sonnenbrille verdeckt, doch Crocodile war sich sicher, dass sein Ehemann einen zweifelnden Blick in Kids Richtung geworfen hatte. „Ich weiß, dass du mit Corazons Tod anders umgehst als ich“, sagte Law. „Dass dir sein Grab und sein Todestag nicht viel bedeuten. Aber für mich ist das wichtig.“ Doflamingo versuchte Law die Worte im Mund umzudrehen. „Wenn dir dieser Tag so wichtig ist, wieso bist du dann hierher gekommen, anstatt dich gleich auf den Weg zum Friedhof zu machen? Pandaman zu schauen ist nun wirklich keine pietätvolle Art, um Corazon zu gedenken.“ Diese Aussage schien Law wütend zu machen. „Du bist derjenige gewesen, der uns darum gebeten hat zu kommen“, erwiderte er mit giftiger Stimme. „Deinetwegen sind wir hier!“ „Weil ich nicht wollte, dass du mit Kid über Corazon sprichst“, gab Doflamingo nicht minder aufgebracht zurück. Doflamingos Worte fächerten Laws Zorn weiter an. „Worüber ich mit meinem Freund spreche, geht dich einen Scheißdreck an, Doflamingo! Hör endlich auf, dich ständig in meine Angelegenheiten einzumischen!“ „Ich versuche doch nur dich zu beschützen“, gab Doflamingo verzweifelt zurück. „Ich weiß, wie hart dich Corazons plötzlicher Tod getroffen hat und dass es dir auch nach vier Jahren noch schwer fällt, damit umzugehen. Aber ich möchte nicht, dass deine Beziehung zu Kid darunter leidet.“ „Du hast doch überhaupt keine Ahnung von mir und Kid!“, zischte Law. „Hör auf dich einzumischen! Das ist eine Sache zwischen meinem Freund und mir!“ Crocodile, der bisher nur schweigend zugschaut hatte, beschloss das Wort zu ergreifen. „Ich denke, dass Law nicht Unrecht hat, Doffy. Wir sollten uns zurückhalten. Wenn die beiden Corazons Grab besuchen möchten, dann sollten wir nicht versuchen sie davon abzuhalten.“ „Jetzt fall du mir nicht auch noch in den Rücken!“, fuhr sein Ehemann ihn mit giftiger Stimme an. „Was meinst du denn, wie Kid sich fühlen wird, wenn Law weinend vor dem Grab seines toten Freundes steht?!“ „Doflamingo“, nun mischte sich zum ersten Mal auch Kid ein, „versuch dich zu beruhigen. Law und ich haben schon öfter über Corazon gesprochen. Ich bin damit einverstanden, gemeinsam mit ihm zum Friedhof zu gehen. Es gibt also keinen Grund, um sich so aufzuregen.“ „Du weißt nicht, worauf du dich einlässt!“, erwiderte Doflamingo mit harter Stimme. „Du weißt nicht, wie sehr Corazons Tod ihn mitgenommen hat! Glaub mir, wenn ich dir sage, dass es keine gute Idee ist, gemeinsam mit ihm das Grab meines Bruders zu besuchen!“ „Das ist nicht deine Entscheidung!“, schnaubte Law. Er griff seinen Freund beim Handgelenk und gemeinsam verließen sie das Esszimmer. Doflamingo wollte ihnen hinterherlaufen, doch als Crocodile ihn an der Rückseite seines Hemdes festhielt, blieb er stehen. „Du hättest auf meiner Seite sein müssen!“, schimpfte Doflamingo, nachdem Law und Kid verschwunden waren. „Wenn du mir nicht in den Rücken gefallen wärst, hätte ich die beiden bestimmt dazu überreden können, hierzubleiben.“ „Das glaube ich nicht“, erwiderte Crocodile, der sich darum bemühte ruhig zu bleiben. „Offenbar hatten sie fest geplant zum Friedhof zu gehen.“ „Wir hätten überzeugender sein müssen...“ „Kid und Law müssen ihren eigenen Weg finden“, versuchte Crocodile seinem aufgelösten Ehemann zu erklären. „Corazons Tod kann nicht für immer zwischen ihnen stehen. Sie scheinen sich sehr zu lieben und ich bin mir sicher, dass sie einen Möglichkeit finden werden, um damit zurechtzukommen.“ Doch Doflamingo schüttelte den Kopf. Erschöpft ließ er sich auf einem Stuhl nieder und bedeckte das Gesicht mit den Händen. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr Law unter Corazons Tod gelitten hat“, flüsterte er. „Er ist wahnsinnig geworden. Es klingt bescheuert, aber ich habe damals sogar ein schlechtes Gewissen bekommen, weil ich Laws Reaktionen nicht nachvollziehen konnte.“ „Wie hat er denn reagiert?“, fragte Crocodile mit vorsichtiger Stimme. „Er... er... ich... eines abends kam ich in seine Wohnung und er war kurz davor, sich mit einer Rasierklinge die Pulsadern aufzuschneiden. Nachdem ich ihn davon abbringen konnte, ließ er sich zig Tätowierungen als Erinnerung an Corazon stechen. Er begann sich zu ritzen, Alkohol zu trinken... Einige Monate lang tat er praktisch nichts Anderes außer zu arbeiten und sich dann Zuhause unter Drogeneinfluss die Haut aufzuschneiden... Es war eine furchtbare Zeit...“ Die Worte seines Partners schockierten Crocodile. So hatte er Law, der meistens ganz ruhig und vernünftig wirkte, gar nicht eingeschätzt. Es dauerte eine Weile, bis er seine Worte wiederfand. Schließlich sagte er: „Das klingt schrecklich. Aber das ist nun vier Jahre her. Law hat sich verändert. Und mit Kid hat er einen guten Freund an seiner Seite. Gemeinsam werden sie es schaffen dieses Kapitel zu beenden. Du... du musst einfach etwas Vertrauen haben, Doffy!“ Doflamingo schnaubte. „Ich bin nicht sonderlich gut darin zu vertrauen“, gab er schließlich zu. Er nahm die Hände vom Gesicht und richtete den Blick auf Crocodile. „Und in letzter Zeit habe ich auch nicht die Erfahrung gemacht, dass es sich auszahlt, wenn man jemandem vertraut.“ Das tat weh. Crocodile, dem klar war, dass niemand außer ihm selbst mit diesen verletzenden Worten gemeint war, senkte den Blick. ~ Mit einem leeren Gesichtsausdruck betrachtete Crocodile den Kontoauszug, den er sich soeben am Automaten gezogen hatte. Normalerweise erledigte er seine Finanzen online, doch an diesem besonderen Tag hatte er unbedingt ein Stück Papier in der Hand halten wollen. Zum ersten Mal seit über einem Jahr schrieb er wieder schwarze Zahlen. Crocodile konnte es kaum fassen. Eigentlich hatte er erwartet, dass die pure Ekstase ihn ergreifen würde, wenn er den Beweis, dass seine Schulden alle getilgt waren, zwischen seinen Fingern fühlte, doch dem war nicht so. Stattdessen fühlte er sich seltsam leer. Er stopfte den Kontoauszug in die Tasche seines Mantels und verließ die kleine Bankfiliale. Erst als er mit seinem Mercedes C 216 die Autobahnauffahrt erreichte, spürte er, dass sich ausgehend von seinem Herzen die Erleichterung in seinem ganzen Körper ausbreitete. Kleine Wellen strömten warm durch seine Glieder. Seine Fingerspitzen kribbelten. Es fühlte sich fast wie ein Orgasmus an. Er war gerade erst ein paar Kilometer auf der Autobahn gefahren, als Crocodile bei einer Tankstelle anhielt. Als er noch verschuldet gewesen war, hatte er die Pflege seines geliebten Autos vernachlässigt. Angesichts des hohen Schuldenbergs, den er abzubauen hatte, war er nicht auf die Idee gekommen viel Geld für Autowäsche auszugeben. Nur zweimal hatte er seinen Mercedes C 216 durch die Waschanlage geschickt; dabei hatte er jeweils das günstigste Programm ausgewählt. Die Pflege des Innenraums hingegen war absolut zu kurz gekommen. Crocodile war kein Mensch, der ständig Müll in seinem Wagen hinterließ, doch der Fahrzeugboden hatte definitiv schon bessere Tage gesehen. Crocodile überließ seinen Mercedes C 216 dem dafür zuständigen Mitarbeiter an der Waschanlage, die sich gleich neben der Tankstelle befand. Es handelte sich um einen Mann mittleren Alters, der sich ihm als Kinemon vorstellte. Ein kleiner Junge (wahrscheinlich Kinemons Sohn) saß im kleinen Büroraum der Waschanlage und spielte mit einer veralteten Version des Gameboys. Crocodile, der ein wenig Mitleid mit dem Familienvater bekam, bestellte das komplette Pflegeprogramm inklusive Unterbodenwäsche und gab dazu noch ein recht großzügiges Trinkgeld. Als er nach seinem Besuch bei der Tankstelle, wo er sich eine Flasche stilles Mineralwasser und eine Tageszeitung besorgt hatte, zurückkehrte, strahlte sein Mercedes C 216 wie neu. Crocodile konnte ein Lächeln nicht verhindern, als er die im Sonnenlicht glänzender Karosserie betrachtete. Im Nachhinein tat es ihm wirklich leid, dass er die Pflege seines Wagens so stark vernachlässigt hatte. Der Mercedes C 216 war ein großer Wunsch von ihm gewesen, den er sich erfüllt hatte, nachdem er die Stelle als Manager bei der Bank angenommen hatte. Als Crocodile sich von Kinemon die Autoschlüssel zurückgeben lassen wollte, begegnete dieser ihm mit einem unwilligen Gesichtsausdruck. Sofort schrillten bei Crocodile die Alarmglocken. War etwas mit seinem Auto nicht in Ordnung? „Bei der Unterbodenwäsche ist mir etwas aufgefallen“, sagte Kinemon. Ihre Finger berührten sich, als er Crocodile die Autoschlüssel zurückgab. „Etwas aufgefallen?“, hakte Crocodile mit trockener Stimme nach. Von der Euphorie, die er eben noch empfunden hatte, war nichts mehr übrig geblieben. Kinemon griff in seine Tasche und holte ein kleines, schwarzes Kästchen hervor. Es war nicht größer als eine Ringbox. „Das hier habe ich am Unterboden ihres Wagens gefunden“, erklärte er und überreichte ihm das Kästchen. Mit einem Schlag wurde Crocodile klar, worauf Kinemon hinauswollte. „Ein GPS-Sender“, sagte er mit tonloser Stimme. Kinemon nickte. „Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, haben Sie den Sender nicht selbst dort angebracht. Ich möchte Ihnen etwas im Vertrauen sagen: Ich habe diese Waschanlage vor etwas mehr als fünf Jahren gekauft und seitdem finde ich mehr an Unterböden angeheftete GPS-Sender als man meinen dürfte. Aber dieses Ding hier - das ist kein billiger Sender, den eine eifersüchtige Frau für dreißig Berry im Internet bestellt hat, sondern ein absolutes High-End-Gerät. Ich will Sie nicht beunruhigen... aber offenbar haben Sie das Interesse eines reichen Typen auf sich gezogen.“ „Danke“, sagte Crocodile. Er fühlte sich wie betäubt. „Danke, dass Sie mir das mitgeteilt haben.“ Er steckte den GPS-Sender zu dem Kontoauszug in seine Manteltasche. Und noch bevor er auf die Idee kam, Kinemon ein zusätzliches Trinkgeld zu geben, hatte er sich schon in seinen Wagen gesetzt und fuhr zurück auf die Autobahn. Zuhause wartete Doflamingo auf ihn. Crocodile hätte sich auf den Weg zu seinen Geschwistern oder Daz machen können, doch wie von selbst dirigierte ihn sein Mercedes C 216 in die Tiefgarage der Villa. Nachdem er den Motor abgestellt hatte, holte Crocodile den GPS-Sender aus seiner Tasche hervor. Es handelte sich um ein kleines, filigranes Gerät, das beinahe gewichtslos in seiner Hand lag. Unwillig ließ Crocodile den Blick über die anderen Fahrzeuge, die hier unten standen, wandern. Sein Ehemann besaß mehr als ein Dutzend Autos; jedes einzelne hatte einen Wert von mehreren hunderttausend Berry. Gleich rechts von ihm stand einer von Doflamingos besonderen Lieblingen: sein Aston Martin DBS V12. Im Halbdunkeln war die dunkelblaue Metallic-Lackierung des 250.000 Berry teuren Wagens kaum zu erkennen. Ohne den GPS-Sender loszulassen, stieg Crocodile aus und machte sich auf den Weg hinüber zum Fahrstuhl. Seine Beine fühlten sich so schwer an, dass man meinen könnte, er trüge Gewichts-Manschetten. Während der Fahrstuhl beinahe geräuschlos nach oben fuhr, schloss er für einen Moment die Augen. Die Vermutung, die immer drückender wurde, lag wie ein schwerer Stein in seinem Magen. War es möglich... dass Doflamingo diesen Sender an den Unterboden seines Mercedes C 216 angebracht hatte? Als die Türen des Fahrstuhls sich wieder öffneten, stopfte Crocodile das kleine Kästchen rasch zurück in seine Tasche. Und wenn er sich irrte? Vielleicht hatte sein Ehemann damit ja überhaupt nichts zu tun? Aber wer könnte sonst dahinter stecken? Sengoku? Aber warum sollte dieser ihn überwachen, nachdem er ihm gekündigt hatte? Angestrengt durchforstete Crocodile sein Gedächtnis. Hatte womöglich Enel bei ihrem Wiedertreffen im Skypia den Sender angebracht? Nein, das war unmöglich. Sie waren mit Doflamingos Rolly-Royce dorthin gefahren. Im Wohnzimmer erwartete ihn sein Partner, der ihn mit einem strahlenden Lächeln begrüßte. Crocodile setzte sich schweigend neben ihn auf das Sofa. Konnte es wirklich sein, dass Doflamingo sein Auto mittels eines GPS-Senders überwachte? Seit wann? Seit er ihm seine Lügen gebeichtet hatte? Crocodile legte den Kopf schief. Hatte sein Ehemann nicht letztens erst angedeutet, dass ihr Vertrauensverhältnis durch dieses Geständnis geschädigt worden war? Wollte er ihn überwachen, weil er ihm keinen Glauben mehr schenken konnte, wenn er sagte, dass er hierhin oder dorthin fuhr? „Ist alles in Ordnung, Wani?“, unterbrach ihn die besorgt klingende Stimme seines Partners in seinen Gedankengängen. Doflamingos Lächeln war ein wenig schmaler geworden. „Du wirkst durcheinander. Ist etwas passiert?“ „Ähm“, gab Crocodile unbeholfen von sich. Und wenn der GPS-Sender nicht erst seit ein paar Wochen am Unterboden seines Mercedes C 216 klebte? Er besaß den Wagen seit fast drei Jahren. Theoretisch könnte jeder Mensch, den er kannte, zu irgendeinem Zeitpunkt den Sender dort angebracht haben. Crocodile fuhr sich mit der Hand durch sein dunkles Haar, ehe er in seine Manteltasche griff. „Ich.. ähm... Ich habe mir eben einen Kontoauszug geholt“, sagte er schließlich. „Mir ist es endlich gelungen alle Forderungen zu bezahlen. Endlich bin ich schuldenfrei.“ Er zeigte Doflamingo den zerknitterten Kontoauszug. Sein Ehemann warf nur einen kurzen Blick auf das Papier. „Das freut mich für dich“, sagte er und zog ihn in eine Umarmung. Obwohl Crocodile das mulmige Gefühl, das ihn überkommen hatte, nicht abschütteln konnte, ließ er es mit sich geschehen. Seinen Kopf legte er an Doflamingos Brust. Überdeutlich nahm er den schnellen Herzschlag seines Partners wahr. Wie konnte er herausfinden, ob Doflamingo etwas mit diesem Sender zu tun hatte, ohne ihn direkt zu konfrontieren? ~ Es war Sonntagmittag. Crocodile und Doflamingo waren auf den Weg zu Daz Bones. Crocodiles alter Studienfreund hatte ihn tags zuvor angerufen und gefragt, ob sie beide ihn nicht besuchen wollten. Weil es schon eine ganze Weile her war, seitdem sie sich das letzte Mal gesehen hatten, hatte Crocodile sogleich zugesagt. Doflamingo schien besonders gute Laune zu haben. Crocodile hatte sich schon früh in ihrer Beziehung an das breite Grinsen, das ständig auf den Lippen seines Partners klebte, gewöhnt. Doch heute lachte und witzelte Doflamingo ohne Unterbrechung. Unwillig musste Crocodile zugeben, dass ihn das alberne Verhalten seines Partners allmählich annervte. Daz wohnte in einer anderen Stadt und die Fahrt zu ihm dauerte etwas über eine Stunde. Sie hatten etwa die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht, als Doflamingo sich entschied die Geduld seines Ehemanns auf eine andere Art und Weise zu strapazieren. „Ich habe Hunger“, verkündete er und drehte sich mit einem auffordernden Gesichtsausdruck zu seinem Partner um. „Und was soll ich jetzt tun?“, gab Crocodile gereizt zurück ohne den Blick von der Fahrbahn abzuwenden. Er hielt seinen Mercedes C 216 sehr sauber und hatte deshalb üblicherweise keine Snacks im Handschuhfach verstaut. Was sein Ehemann eigentlich auch wissen sollte. „Na, fahr durch einen Drive-in“, forderte Doflamingo ihn auf. „Wir sind mitten auf der Autobahn“, erwiderte Crocodile geplättet. „Dann fahr halt bei der nächsten Ausfahrt runter“, verlangte Doflamingo und streckte auf dem Beifahrersitz seine langen Beine aus. „In der Nähe von Abfahrten gibt es doch immer irgendwelche Fast-Food-Restaurants. Magst du Burger King?“ „Ist das dein Ernst?“ „Klar, wieso nicht?“, gab sein Partner zurück. „Fahr die Nächste runter. Wenn mich nicht alles täuscht, ist hier ein Popeyes.“ „Wieso hast du eigentlich Hunger? Hast du Zuhause nichts gegessen?“ „Ich habe seit dem Frühstück nichts mehr gehabt.“ „Daz erwartet uns“, erwiderte Crocodile mit unwilliger Stimme. „Wir fahren doch nur durch den Drive-in“, hielt Doflamingo dagegen. „Das dauert nicht lange.“ „Also gut.“ Schlussendlich ließ Crocodile sich erweichen und steuerte die nächste Autobahnabfahrt an. Hoffentlich würde sich wenigstens die zweite Hälfte ihrer Fahrt etwas angenehmer gestalten, wenn sein Ehemann mit seinem Fast-Food beschäftigt war. „Weißt du schon, was du essen willst?“, fragte ihn Doflamingo. „Ich möchte nichts“, gab Crocodile rasch zurück. Obwohl die Augen seines Partners durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille verdeckt waren, spürte Crocodile, dass dieser ihm einen ungläubigen Blick zuwarf. „Ist das dein Ernst? Wir fahren zu Popeyes und du willst nichts haben?“ „Was verkaufen die überhaupt? Wahrscheinlich nichts, was mein Magen verträgt, oder?“ „Du kennst Popeyes nicht?“ So entsetzt wie Doflamingo sich anhörte, könnte man meinen, dass Crocodile soeben verkündet hätte, dass er in seiner Freizeit gerne Hundewelpen mit Elektroschocks quälte. Popeyes Lousina Kitchen? Das muss man doch kennen!“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Ich esse eigentlich gar kein Fast Food“, gestand er. „Die meisten Sachen sind viel zu fettig oder salzig für mich.“ Als Kind war er mit seinen Eltern und seinen Geschwistern ganz selten einmal bei McDonald's oder Burger King gewesen. Doch er konnte sich nicht daran erinnern als erwachsener Mann jemals einen solchen Laden betreten zu haben. Wie so oft schien Doflamingo vergessen zu haben, dass sein Ehemann einen äußerst empfindlichen Magen hatte und deshalb auf viele Lebensmittel verzichten musste. „Popeyes hat, ähm, Kartoffelpürree. Chickennuggets... Darfst du Nuggets essen?“ Sie hatte die Drive-in-Einfahrt erreicht. Crocodile winkte ab. „Bestell einfach, was du haben möchtest. Ich will nichts.“ „Ganz sicher?“, hakte Doflamingo noch einmal nach. „Auch nichts zu trinken?“ „Ein Wasser“, antwortete Crocodile. Eigentlich hatte er keinen Durst; er wollte bloß, dass sein Partner ihn endlich in Ruhe ließ. Sie erreichten die Sprechanlage. „Willkommen bei Popeyes“, drang eine freundliche, weibliche Stimme aus der Anlage. „Was darf es für Sie sein?“ Doflamingo hatte sich abgeschnallt und beugte sich über Crocodile hinweg, um seine Bestellung aufgeben zu können. „Ich hätte gerne einen Double Whopper“, sagte Doflamingo mit einem breiten Grinsen im Gesicht. „Sie sind hier bei Popeyes, nicht Burger King“, erwiderte die Stimme aus der Anlage. „Dann nehme ich einen normalen Cheeseburger.“ „Wir führen keine Burger.“ Allmählich klang die Stimme nicht mehr so freundlich, sondern gereizt. „Wenn Sie möchten, dann kann ich Ihnen ein Sandwich anbieten, zum Beispiel das Chicken Po'Boy Sandwich.“ „Ist das mit Rindfleisch?“ „Nein. Hähnchenfleisch.“ „Ich möchte etwas mit Rindfleisch.“ „Wir sind eine Hähnchen-Kette“, erklärte die inzwischen ein wenig verzweifelt klingende Stimme. „Wir führen keine Rindfleisch-Burger.“ Crocodile, der Mitleid mit dem armen Mädchen auf der anderen Seite der Sprechanlage bekam, gab seinem Ehemann einen Klaps gegen die Seite. Er hatte als Student zwar nicht bei einer Fast-Food-Kette gearbeitet, doch oft gekellnert oder an der Theke bedient. Noch gut konnte er sich daran erinnern wie sehr es gehasst hatte, wenn die Kunden sich blöde Scherze auf seine Kosten erlaubt hatten. Doch Doflamingo schien seinen Hinweis nicht zu verstehen oder er setzte sich ganz einfach darüber hinweg. „Dann nehme ich einen McChicken Classic. Das ist doch Hähnchen, oder nicht?“ „Doflamingo“, zischte Crocodile. „Hör auf dieses Mädchen zu verarschen.“ „Also gut“, gab sein Ehemann sich schließlich geschlagen. „Ich nehme das kleine Chicken-Menü mit milder Würzung. Eine große Cola, Pommes, Kartoffepürree und Buttermilch-Kekse. Und ein großes Wasser extra.“ „Das sind 18,99 Berry am nächsten Schalter“, sagte die Stimme aus der Sprechanlage mit matter Stimme. Doflamingo ließ sich wieder auf dem Beifahrersitz nieder. Crocodile warf seinem Partner einen vernichtenden Blick zu. Doch Doflamingo schien sich keiner Schuld bewusst zu sein. „Was ist?“, fragte er mit einem breiten Grinsen im Gesicht. „War das unbedingt nötig?“ „Nein“, gab sein Ehemann schmunzelnd zurück. „Aber es hat Spaß gemacht.“ „Es war bloß peinlich! Am liebsten würde ich einfach wegfahren!“ „Nun hab dich nicht so.“ Allmählich schien Doflamingo zu begreifen, dass er ernsthaft sauer war. „Das Mädchen wird bestimmt ständig auf den Arm genommen.“ „Und deshalb ist es in Ordnung? Das arme Mädchen versucht nur seinen Job richtig zu machen und du veranstaltest so einen Blödsinn!“ „Nun hab dich nicht so. Ich mach es wieder gut, okay?“ Crocodile wäre am liebsten vor Scham im Boden verschwunden, als er vorfuhr, um zu bezahlen. Am Schalter saß ein hübsches, vielleicht achtzehnjähriges Mädchen, das ihnen einen genervten Blick zuwarf. „18,99“, sagte es ohne auch nur einen Hauch von Freundlichkeit in der Stimme und hielt die rechte Hand hin. Wieder beugte sich Doflamingo über den Fahrersitz. Er holte aus seiner Brieftasche drei Hundert-Berry-Scheine hervor. „Das stimmt so“, sagte er und drückte dem Mädchen die Scheine in die Hand. Und ehe die Kassiererin reagieren konnte, fuhr Crocodile rasch zum nächsten Schalter vor, um die Bestellung entgegenzunehmen. „Ist es jetzt okay?“, fragte Doflamingo, während er auf dem Beifahrersitz Hähnchenschenkel futterte und Cola schlürfte. Mit einem unwilligen Gesichtsausdruck beobachtete Crocodile wie eine Pommes auf der Fußmatte landete. Es hatte schon seinen Grund, dass er es normalerweise vermied im Auto zu essen. Trotzdem nahm er, als sie an einer roten Ampel halten mussten, von Doflamingo ein Löffelchen Kartoffelpürre entgegen und ließ sich sogar zu einem Bissen mild gewürztem Hähnchenfleisch hinreißen. „Okay“, sagte Crocodile. „Trotzdem hätte ich nichts dagegen, wenn du anfangen würdest dich wie ein erwachsener Mann zu benehmen.“ Crocodile mochte das Zuhause von Daz sehr gerne. Sein bester Freund bevorzugte eine stilvolle und simple Einrichtung. Alle Gegenstände, die sich in seinem Haus finden ließen, waren funktional und zeitlos. Hier war es nicht so bunt und überladen wie in Doflamingos Villa. Man hatte mehr Raum zum atmen. Crocodile und Doflamingo ließen sich auf dem gemütlichen Sofa im Wohnzimmer nieder, während Daz ihnen Tee servierte. Seine Hündin Fiffie, ein cremefarbener Golden Retriever, erhob sich aus ihrem Körbchen und schlenderte zu ihnen hinüber, um gestreichelt zu werden. Obwohl Crocodile für Hunde eigentlich nicht allzu viel übrig hatte, ließ er sich dazu hinreißen Fiffie zu liebkosen. Natürlich kam sein Ehemann nicht umhin diesen Umstand zu kommentieren. „Hätte ich gewusst, dass du Hunde so gerne magst, hätte ich damals zwei Hundewelpen anstatt der beiden Kitten angeschleppt“, neckte er ihn. „Ich bin kein großer Hunde-Fan“, gestand Crocodile ohne von der Hündin abzulassen. „Aber Fiffie ist eine Ausnahme.“ „Er hat Fiffie schon immer gemocht“, sagte Daz und ließ sich zu einem Schmunzeln herab. „Ich hab sogar ein Foto von dir mit Fiffie auf dem Arm. Da war sie noch ein kleiner Welpe; ich hatte sie gerade erst vom Züchter geholt. Weißt du noch?“ Crocodile gab es nur ungern zu, doch er erinnert sich noch äußerst gut an den niedlichen Hundewelpen, den Daz eines Tages adoptiert hatte. Auch wenn er selbst nie auf den Gedanken gekommen war sich ein Haustier zuzulegen (für so etwas hatte er keine Zeit), hatte er sich gegen Fiffies plüschiges Fell und Knopfaugen nicht zur Wehr setzen können. Daz klappte seinen Laptop auf, der auf dem Wohnzimmertisch lag. Es dauerte nicht lange, bis er das Foto fand, von dem er gesprochen hatte. Crocodile errötete leicht, als er das Bild von sich mit dem zuckersüßen Welpen im Arm sah. Doflamingo war natürlich sofort begeistert und bat Daz darum ihm weitere Fotos zu zeigen. Eine Weile saßen sie einfach nur da, streichelten Fiffie, schauten sich Fotos an und redeten über alte Zeiten. Irgendwann klingelte Doflamingos Handy. Crocodile erkannte sofort, dass es sich um das Diensthandy seines Partner handelte. Er machte eine Geste, die bedeutete, dass dieser ruhig das Zimmer verlassen durfte, um in Ruhe zu telefonieren. „Ein wichtiges Dienstgespräch“, erklärte er Daz, der ihm einen verwunderten Blick zuwarf. Nun waren sie allein. Plötzlich wurde Crocodile klar, dass sein Freund sich ziemlich gut mit Technik auskannte. Ob er ihm womöglich etwas über den GPS-Sender, den er am Unterboden seines Wagens gefunden hatte, sagen konnte? Letztendlich traf Crocodile die Entscheidung im Bruchteil einer Sekunde. „Daz“, sagte er, ohne dass er dagegen etwas hätte unternehmen können, „du kennst dich mit solchen Dingen doch gut aus, oder nicht? Kannst du mir etwas darüber sagen?“ Er hielt ihm das kleine Kästchen hin, das er aus seiner Hosentasche hervorgekramt hatte. Seitdem er es gefunden hatte, schleppte Crocodile es mit sich herum wie einen Talisman. Es ließ ihm einfach keine Ruhe. „Nun, das ist ein GPS-Sender“, sagte Daz. Er warf ihm einen sorgenvollen Blick zu. „Woher hast du den?“ „Jemand hat ihm am Unterboden meines Mercedes angebracht“, erklärte Crocodile. „Ich weiß nicht, wie lange schon oder wer dafür verantwortlich ist. Bist du dazu in der Lage das herauszufinden?“ „Solche GPS-Sender übermitteln Daten üblicherweise an ein Trackingportal. Dort kann sich derjenige, der den Sender angebracht hat, einloggen und den Aufenthaltsort deines Wagens ausfindig machen. Wenn ich das Portal hacken würde, könnte ich womöglich herausfinden, um wen es sich dabei handelt.“ „Würdest du das für mich tun?“, bat Crocodile sofort. Augenblicklich ergriff ihn helle Aufregung. „Der Gedanke, dass irgendjemand seit... seit... ich weiß nicht... vielleicht schon seit Monaten oder Jahren auf seinem Computer verfolgen kann, wo mein Wagen steht... das macht mich verrückt. Das ist doch krank, Daz!“ Der Blick seines alten Studienfreunds wanderte zu der Türe, durch die Doflamingo soeben verschwunden war, hinüber. „Du verdächtigst deinen Ehemann“, stellte er mit ruhiger Stimme fest. „Ich...“ Crocodile wusste nicht so recht, was er darauf erwidern sollte. Unrecht hatte Daz nicht. „Es könnte jeder gewesen sein. Vielleicht Sengoku. Enel. Oder irgendein anderer Exfreund von mir. Ich habe niemanden konkret im Visier. Dieser GPS-Sender ist mein einziger Anhaltspunkt.“ „Du hast gewartet, bis Doflamingo das Zimmer verlassen hat, um dieses Thema anzusprechen.“ Wie fast immer wirkte Daz so gelassen wie eine Bronzestatue. „Das hättest du nicht getan, wenn du ihn nicht auch verdächtigen würdest.“ Betreten senkte Crocodile den Blick. „Doflamingo... Er wird schnell eifersüchtig“, sagte er schließlich. „Und er macht sich schnell Sorgen“, fügte Daz hinzu. Diese Aussage erregte Crocodiles Aufmerksamkeit. „Was willst du damit sagen?“, wollte er mit scharfer Stimme wissen. „Ich habe nicht das Gefühl, dass Doflamingo dir nicht vertraut. Oder dass er dir etwas Böses will. Vielleicht hat er aus Sorge um dich diesen Sender an deinen Wagen anbringen lassen. Damit er sehen kann, dass dir zum Beispiel auf dem Arbeitsweg nichts zustößt. Seit du bei Doflamingo wohnst, hast du eine ziemlich lange Anfahrt, oder nicht?“ Crocodile konnte kaum fassen, was er da hörte. „Du tust ja glatt so als wäre es das Normalste auf der Welt seinen Partner per GPS zu überwachen!“, fauchte er. „Geht's dir noch gut?!“ „Ich behaupte nicht, dass es richtig ist“, erwiderte Daz. „Das ist es selbstverständlich nicht. Zumindest nicht, ohne es mit dir abzusprechen. Ich möchte nur sagen, dass der Grund hierfür nicht Eifersucht sein muss. Vielleicht hat er einfach nur Angst um dich. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, wie aufgewühlt Doflamingo war, als du im Skypia vergiftet wurdest...“ „Jetzt komm mir nicht damit!“, unterbrach Crocodile seinen besten Freund. „Die Sache im Skypia ist schon über ein Jahr her. Und außerdem hat das nichts miteinander zu tun. Ich finde es wirklich unfassbar, dass du jemanden verteidigst, der ohne mein Einverständnis einen Sender an mein Auto angebracht hat!“ „Hättest du es denn zugelassen, wenn er dich darum gebeten hätte?“ „Natürlich nicht“, gab Crocodile entrüstet zurück. „Ich bin doch kein kleines Kind, das immer angeben muss, wohin es unterwegs ist.“ „Dann kannst du ihm schwerlich vorwerfen, es ohne dein Einverständnis getan zu haben.“ „Er hätte es gar nicht tun sollen!“ Diese Diskussion strapazierte Crocodiles Nerven. „Wie auch immer“, sagte er schließlich. „Wir wissen ja gar nicht, ob er dafür verantwortlich ist. Vielleicht verdächtige ich ihn auch völlig zu Unrecht. Könntest du das für mich herausfinden?“ „Das könnte ich wohl“, sagte Daz. „Allerdings wird das eine Weile dauern. Dieser Sender ist kein billiges Teil. Ich bin mir sicher, dass das zugehörige Tracking-Portal nicht leicht zu knacken sein wirst. Du wirst dich also gedulden müssen.“ Crocodile kam nicht umhin zu spüren, wie sich Enttäuschung ausgehend von seinem Magen in seinem ganzen Körper ausbreitete. Er hatte darauf gehofft, gleich hier und jetzt eine Antwort zu bekommen. „Ruf mich an, sobald du etwas weißt, ja?“ „Sobald er was weiß?“ Ohne dass Crocodile es bemerkt hatte, war Doflamingo wieder im Raum erschienen. Sein Diensthandy ließ er in seine Hosentasche gleiten. Hektisch warf Crocodile einen Blick hinüber zum GPS-Sender, den Daz in der Hand hielt; zum Glück hatte dieser schnell reagiert und seine Hand unauffällig zur Faust geballt. „Ich habe einen Freund, der als Manager für Brook arbeitet“, log Daz ohne rot zu werden. „Ein bekannter Musiker, du hast sicher schon mal von ihm gehört. Crocodile hatte mich gebeten ihm sofort Bescheid zu geben, sobald ich weiß, wo er als Nächstes auftritt. Es kommt ja nicht selten vor, dass Brook irgendwo ein kleines Überrraschungs-Konzert gibt.“ Doflamingo schien ihm diese Lüge abzukaufen. „Hattest du damals von Daz die VIP-Karten für das Konzert bekommen?“, fragte er, während er sich auf dem Sofa niederließ und gelassen eine Hand nach Fiffie ausstreckte. „Es ist wirklich schade gewesen, dass wir es verpasst hatten. Ich hätte nichts dagegen das nachzuholen.“ Crocodile, der froh war, dass sein Ehemann keinen Verdacht schöpfte, nickte. „Durch seinen Freund kommt Daz immer an gute Karten“, sagte er. Er vermied es den Blick mit seinem alten Studienfreund zu kreuzen, während er sprach. ~ Es war Donnerstagnachmittag. Wieder einmal hatte Doflamingo ihn gegen seinen Willen ins Einkaufszentrum geschleppt. Crocodile hätte seine Zeit lieber Zuhause damit verbracht ein paar Dinge für die Arbeit zu erledigen, doch weil er genau wusste, dass Widerstand zwecklos war, trottete er nun schlecht gelaunt hinter seinem Partner her. Gerade schaute Doflamingo einen Ständer mit Hemden durch (allesamt in schrillen Farben), während Crocodile nach einer Sitzgelegenheit, auf der er sich niederlassen konnte, Ausschau hielt. „Welches findest du besser?“, wollte sein Ehemann wissen. In der rechten Hand hielt er ein rosafarbenes und in der linken ein dunkelblaues Hemd mit wirrem Muster. Crocodile warf Doflamingo einen genervten Blick zu. „Ist das dein ernst? Die sehen beide furchtbar aus.“ „Aber welches findest du besser?“ Natürlich ließ Doflamingo nicht locker. „Hast du nicht schon genug Hemden?“, erwiderte Crocodile, ohne auf die Frage seines Ehemannes einzugehen. Doflamingo verfügte über einen begehbaren Kleiderschrank, der größer war als eine Dreizimmerwohnung. Crocodile war sich sicher, dass er ein Jahr lang jeden Tag ein anderes Hemd tragen könnte und nicht einmal waschen müsste. „Man hat nie genug Klamotten“, meinte Doflamingo glucksend, doch legte die beiden Kleidungsstücke wieder zurück. „Du lebst im totalen Überfluss“, seufzte Crocodile und fuhr sich mit der Hand durch's Haar. „Viel zu viel Kleidung, zu viele Autos, Angestellte, ein Haus mit zu vielen Zimmern... Manchmal frage ich mich, wie du dich überhaupt wohlfühlen kannst. Wird dir das nicht manchmal selbst alles zu viel, Doffy?“ Diese Aussage schien seinen Ehemann zu irritieren. Er warf ihm unter den dunkel getönten Gläsern seiner Sonnenbrille einen verwunderten Blick zu und schwieg für eine Weile, ehe er schließlich mit ruhiger Stimme sagte: „Nein, nie. Wie kommst du darauf?“ „Naja...“ Crocodile suchte nach den richtigen Worten. „Meinst du denn, dass es normal ist, in seiner Garage mehr als zwei Dutzend Autos stehen zu haben, obwohl man selbst ein schlechter Fahrer ist? Oder in einer Villa zu wohnen, die so groß ist, dass man einige Zimmer schon seit Jahren nicht mehr betreten hat?“ Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Was ist schon normal?“, erwiderte er schließlich gelassen. „Ich führe kein normales Leben, habe. Das habe ich nie. Ich bin es nicht anders gewöhnt. Immerhin bin ich ein Kind reicher Eltern.“ „Hast du dich als Kind nie verloren gefühlt in der großen Villa?“ Sein Ehemann schüttelte den Kopf. „Wie gesagt, ich kenne es nicht anders. Ich bin mir dessen bewusst, dass ich ein sehr priviligiertes Leben führe. Auf der anderen Seite ist Luxus für mich schon immer Normalität gewesen. Als Kind hatte ich drei Spielzimmer. Ich weiß, dass die meisten nur ein Kinderzimmer haben. Aber ich kannte es eben nicht anders und habe mein Leben nicht hinterfragt.“ „Ich hatte als Kind nicht immer ein eigenes Zimmer“, murmelte Crocodile mit leiser Stimme und schüttelte ungläubig den Kopf. „Eine Zeit lang musste ich es mir mit Hancock teilen.“ Er konnte Doflamingos wahnsinnige Dekadenz kaum fassen. Unweigerlich fragte er sich, ob sein Ehemann ihre eigenen Kinder -sollten sie jemals welche bekommen- ebenfalls so schrecklich verwöhnen würde. Gott bewahre, schoss es Crocodile sofort durch den Kopf, er wollte keine verzogenen Gören als Kinder haben. „Du musstest dir ein Kinderzimmer teilen?“, hakte Doflamingo nach. „Das Haus, in dem wir lebten, hatte nur drei Schlafzimmer“, erklärte Crocodile. „Eines gehörte meinen Eltern und das andere war Mihawks Zimmer. Also mussten Hancock und ich uns ein Kinderzimmer teilen. Erst als Mihawk ausgezogen ist, hatten wir dann getrennte Zimmer.“ Doflamingo legte den Kopf schief. „Warum haben deine Eltern denn drei Kinder in die Welt gesetzt, wenn sie nur zwei Kinderzimmer zur Verfügung hatten?“ Diese Frage empfand Crocodile, ehrlich gesagt, als ein wenig übergriffig. „Keine Ahnung“, meinte er mit platter Stimme. „Warum denn nicht? Klar, es war ein bisschen nervig sich das Zimmer mit Hancock teilen zu müssen. Aber es hat mich nicht umgebracht. Und hinterher hatte dann ja auch jeder sein eigenes Zimmer.“ „Wenn man sich nur zwei Kinder leisten kann, sollte man sich kein weiteres anschaffen“, schnaubte Doflamingo. Er griff nach einem neuen Hemd, das er aufmerksam begutachtete. „Wie kannst du so etwas nur sagen?“ Zornig verschränkte Crocodile die Arme vor der Brust. Er empfand die Aussage seines Ehemannes als absolut unverschämt. „Meine Eltern konnten sich drei Kinder leisten! Keiner von uns musste je hungern und wir haben auch jedes Jahr ein Weihnachtsgeschenk bekommen. Wir wohnten nur eben in einem Haus mit drei Schlafzimmern. Das ist doch nicht schlimm!“ „Ich sehe auf der Straße immer wieder ärmliche Familien“, sagte Doflamingo und hängte das Hemd zurück. „Deren Kinder tragen gebrauchte Klamotten und heulen, weil sie nicht in den Fußballverein dürfen, da für so etwas das Geld nicht reicht. Da komme ich nicht umhin mich zu fragen, wieso solche Leute immer weiter Kinder zu produzieren. Es reicht doch nicht einmal für die Kinder, die schon da sind, und trotzdem ist die Mutter wieder schwanger. Ist es nicht besser, nur ein oder zwei Kinder zu haben und diesen alles bieten zu können als noch mehr Kinder in die Welt zu setzen, sodass das Geld nicht mehr für alle reicht?“ „So läuft das aber nicht immer ab“, erwiderte Crocodile. „Eine Lebenssituation kann sich auch ändern. Man kann auch arbeitslos werden oder steht plötzlich ohne Partner da. Nicht jeder hat das Glück von Geburt an so unfassbar wohlhabend zu sein wie du, Doflamingo.“ „Es gibt auch viele Paare, die Kinder in die Welt setzen, obwohl sie schon seit Jahren von Sozialhilfe leben“, hielt Doflamingo dagegen. „Tu nicht so als gäbe es das nicht.“ „Das will ich nicht bestreiten“, lenkte Crocodile ein. „Aber ich finde es nicht richtig, dass du Familien mit mehreren Kindern pauschal verurteilst. Und du bist doch selbst auch kein Einzelkind gewesen.“ „Meine Eltern hatten auch mehr als genug Geld, um sich zwei Kinder leisten zu können.“ „Also sollten in deinen Augen nur reiche Leute Kinder bekommen?“ Crocodile konnte überhaupt nicht fassen, was sein Ehemann da von sich gab. „Denk doch nur mal an Hancock. Sie ist auch in finanzielle Not geraten. Und trotzdem ist sie eine gute Mutter und würde alles für Nozomi tun!“ „Sie spielt aber auch nicht mit dem Gedanken in dieser Situation noch ein zweites Kind zu bekommen“, erwiderte Doflamingo schnippisch. „Weil sie sich dessen bewusst ist, dass es im Moment ein schlechter Zeitpunkt ist.“ „Naja, sie hat ja gerade auch keinen Partner“, gab Crocodile zu bedenken. „Zum Kinderkriegen gehören immer zwei dazu. Hancock hat, als sie mit Luffy zusammen gewesen ist, alles durch eine rosarote Brille gesehen. Wer weiß, wie sie zu dem Thema stehen würde, wenn sie einen neuen Freund hätte.“ „Ich denke nicht, dass sie noch einmal so leichtfertig wäre“, meinte Doflamingo. „Bestimmt hat sie aus dieser Sache mit Luffy gelernt. Auf den nächsten Typen fällt sie nicht so einfach rein.“ „Jedenfalls weiß ich nichts davon, dass sie wieder in einer Beziehung wäre oder sich mit einem Mann trifft“, erklärte Crocodile. „Wahrscheinlich hat sie für so etwas im Augenblick auch einfach keine Zeit. Sie hat mit Nozomi wirklich alle Hände voll zu tun.“ „Die Straße runter gibt es ein süßes Babyfachgeschäft“, meinte sein Ehemann. „Wollen wir dort mal nach ein paar Sachen für Nozomi schauen?“ „Sie hat doch alles, was sie braucht“, wandte Crocodile sofort ein. „Was möchtest du ihr denn noch holen?“ „Ach, ich weiß nicht, einfach ein paar süße Kleider oder etwas Spielzeug. Bestimmt finden wir etwas Schönes für sie.“ „Ich finde es nicht gut, dass du Nozomi so sehr mit Geschenken überhäufst“, merkte Crocodile an. Seine Nichte war noch nicht einmal ein Jahr alt und besaß schon mehr Spielzeug als ein durchschnittlicher Kindergarten. Oft genug erlebte Crocodile, dass sie an vielen Dingen kaum Interesse zeigte. Ihr Kinderzimmer war bis oben hin vollgestopft mit Spielzeug und Kleidung, die Doflamingo gekauft hatte. „Sie ist eben meine einzige Nichte“, verteidigte er sich. „Es ist doch normal, dass man als Onkel die Kinder in seiner Familie verwöhnt, oder nicht?“ „Ich denke nicht, dass es gut ist, wenn ein so kleines Kind schon so viel Spielzeug besitzt. Nozomi ist doch völlig überfordert mit all den Dingen. Sie kann sich gar nicht richtig auf eine Sache konzentrieren.“ „Nun übertreib doch nicht. Ich bringe ihr gern Spielzeug mit, stimmt schon, aber das schadet ihr doch nicht. Ich habe als Kind auch alles bekommen, was ich wollte, und mir ging es immer gut.“ „Du hast sogar schon ein Laufrad für sie geholt“, wandte Crocodile mit zweifelnder Stimme an. „Was soll sie denn damit? Sie kann schließlich noch nicht einmal laufen.“ „Hancock kann es für später aufbewahren“, hielt Doflamingo dagegen. „In ein paar Monaten wird Nozomi mit dem Laufrad sicher viel Spaß haben.“ „Sie hat sehr viele Spielsachen, mit denen sie erst später etwas anfangen können wird. Ich finde, wir sollten es mal gut sein lassen, Doflamingo. Glaub mir: Hancock wird sich nicht bei uns bedanken, wenn wir aus Nozomi eine verzogene Göre machen, die ein Theater veranstaltet, wenn man ihr die Wünsche nicht von den Augen abliest.“ „Ich bin auch nicht verzogen“, meinte Doflamingo. „Obwohl ich auch immer alles bekommen habe.“ Angesichts dieser Aussage konnte Crocodile ein verächtliches Schnauben nicht unterdrücken. „Du willst nicht verzogen sein?“ „Das bin ich auch nicht!“ „Erinnerst du dich nicht mehr daran, wie du dich zu Beginn unserer Beziehung oft genug aufgeführt hast? Du konntest es überhaupt nicht ertragen, wenn es mal nicht nach dir ging. Ständig wolltest du ohne Rücksicht auf Verluste deinen Willen durchsetzen. Das ist wirklich anstrengend gewesen. Zum Glück läuft es inzwischen ein bisschen besser.“ Doflamingos Lächeln gefror auf seinen Lippen. Verlegen kratzte er sich den Kopf. „Da hast du nicht ganz Unrecht“, gab er schließlich zu. Dann grinste er wieder breit. „Aber mit dir bin ich ja an den Richtigen geraten. Du hast dir wirklich alle Mühe gegeben mich richtig zu erziehen...“ Crocodile reagierte mit einem genervten Augenrollen auf den lasziven Unterton seines Partners. Er wollte seinen Ehemann nicht auf dumme Ideen bringen. „Wir sind nun schon seit über einer Stunde hier“, sagte er. „Ich würde gerne wieder nach Hause und ein Bad nehmen. Kaufst du nun ein Hemd oder nicht?“ ~ Als Crocodile von der Arbeit heimkam, fand er Doflamingo im Wohnzimmer vor. Sein Ehemann hatte es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht und surfte ein wenig im Internet. Bei dem Laptop, der auf seinem Schoß lag, handelte es sich um ein Gerät, das Doflamingo ausschließlich für private Zwecke nutzte. „Was machst du da?“, wollte Crocodile mit neugieriger Stimme wissen und ließ sich neben seinem Partner nieder. „Ich gucke ein paar Online-Shops durch“, antwortete Doflamingo mit gelassener Stimme und ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden. „Online-Shops?“, wiederholte Crocodile verwundert. Er hatte noch nie erlebt, dass sein Partner etwas online bestellte. Doflamingo liebte es, stundenlang durch die verschiedensten Läden zu stromern und die Dinge, die er kaufen wollte, vorher gründlich zu begrapschen. „Was denn für Online-Shops?“ „Naja, da hätten wir adultshop.com, erotic-gigant.com, cosmic ware...“ „Das... das sind alles Sexshops, Doflamingo!“, unterbrach Crocodile seinen Partner mit aufgebrachter Stimme. Ein selbstgefälliges Grinsen breitete sich auf Doflamingos Gesicht aus. „Warum klingst du denn so entsetzt, Baby?“, meinte er schmunzelnd und scrollte völlig ungerührt durch das Angebot des nächsten Shops. „Hast du etwa noch nie online erotisches Spielzeug eingekauft?“ „Nun, um ehrlich zu sein nicht“, gab Crocodile zu. Während er sprach, legte sich eine leichte Röte auf seine Wangen. Es handelte sich bei ihm um eine sehr prüde Person und es fiel ihm schwer mit seinem Partner über solche Themen zu sprechen. Allein schon neben seinem Ehemann zu sitzen, während dieser sich im Internet zig verschiedene Sextoys und erotische Outfits anschaute, fiel ihm schwer. Doflamingo setzte einen irritierten Gesichtsausdruck auf. „Wirklich nicht? Wow. Ich hätte dich nicht für einen Typen gehalten, der so etwas vor Ort im Laden kauft. Genau deswegen habe ich gar nicht erst versucht dich dazu zu überreden in einen Sexshop zu gehen.“ „Ich... ich... ich gehe auch nicht in solche Läden!“, verteidigte Crocodile sich pompt. Er spürte, dass sich ein unangenehmer Kloß in seinem Hals bildete. „Und wo hast du dann bisher immer Sextoys und Dessous gekauft?“, hakte Doflamingo mit absolut gelassen klingender Stimme nach. Unter den Gläsern seiner Sonnenbrille warf er ihm einen neugierigen Blick zu. „G-gar nicht“, antwortete Crocodile hastig und versuchte den Kloß in seinem Hals hinunterzuschlucken. Er fühlte sich sehr unwohl. Er konnte über solche Themen nicht so ungezwungen sprechen wie andere Menschen. Was sein Ehemann auch ganz genau wusste. Wie so oft wollte dieser ihn bloß ein wenig necken. „Du bist Mitte dreißig“, hielt Doflamingo dagegen. „Du kannst mir nicht erzählen, du hättest (bevor wir beide ein Paar wurden) nie irgendwelche Sextoys benutzt. Oder wenigstens etwas schöne Wäsche besessen.“ „Selten.“ Endlich gelang es Crocodile den Kloß loszuwerden. „Und... und wenn, dann hat mein Partner so etwas besorgt.“ „Ernsthaft? Du hast selbst noch nie etwas in einem Sexshop eingekauft?“ Doflamingo wirkte ehrlich erstaunt. „Naja, warum sollte ich auch?“, hielt Crocodile dagegen. „Es hat bisher eigentlich immer gut auch ohne... ohne irgendwelche Hilfsmittel funktioniert.“ „Wenn ich dich mit Toys überrascht habe, hat es dir aber immer gefallen“, wandte Doflamingo grinsend ein. „Was hatten wir da schon? Einen Vibrator, eine Analkette...“ „Hör auf“, jammerte Crocodile und warf seinem Ehemann einen unwilligen Blick zu. „Wie kannst du bloß so unverblümt darüber sprechen!?“ Dieser Kommentar brachte Doflamingo zum Lachen. „Wieso denn nicht?“, meinte er und zuckte mit den Schultern. „Sex ist eine völlig normale Sache.“ „Aber doch diese Hilfsmittel nicht!“ „Klar.“ Doflamingo winkte ab. „Fast alle Paare, die schon länger zusammen sind, benutzen Sextoys. Das ist doch ganz selbstverständlich. Dafür muss man sich nicht schämen.“ Crocodile senkte den Blick. Sein Gesicht brannte unangenehm heiß. Er war sich sicher, dass es inzwischen knallrot angelaufen war. Aus dem Augenwinkel heraus warf er einen Blick auf den Bildschirm des Laptops. Doflamingo hatte wohl gezielt nach erotischer Wäsche gesucht; jedenfalls wurden reihenweise Schuldmädchen- und Krankenschwester-Outfits angezeigt. „Das sind ja gar keine Spielzeuge“, stellte Crocodile verwundert fest. „Scheinst ja doch nicht abgeneigt zu sein“, neckte Doflamingo ihn, ehe er mit gelassener Stimme erklärte:„Ich habe nach ein paar Klamotten für ein Schüler-Lehrer-Rollenspiel gesucht.“ „Bitte was?“ Es fühlte sich an als hätte man Crocodile den Boden unter den Füßen weggerissen. Entsetzt blickte er zu seinem Partner hinüber, der fortfuhr: „Als du letztens erzählt hast, ich würde mich aufgrund deiner Erziehung nicht mehr aufführen wie ein verzogenes Balg, hat mich das zum Nachdenken gebracht. Und inzwischen lässt mich die Vorstellung von dir als meinem Lehrer einfach nicht mehr los. Deswegen habe ich mir überlegt, dass ich ja ein paar Outfits für uns besorgen könnte und wir schauen, wo uns das Spiel hinführt...“ „Ich weiß nicht, ob ich in so etwas sonderlich gut bin“, merkte Crocodile zögerlich an. Er hatte überhaupt keine Erfahrungen im Rollenspiel. Insgeheim befürchtete er, seinen Partner mit seinen schlechten schauspielerischen Qualitäten abzuturnen. Oder sogar von diesem ausgelacht zu werden. Doch sein Ehemann winkte bloß ab. „Ich bin mir sicher, dass es dir auch Spaß machen würde. Du bist ein Mensch, der sehr autoritär wirken kann, wenn er möchte.“ Da hatte Doflamingo nicht ganz unrecht. „Wie stellst du dir das denn vor?“, fragte Crocodile mit verunsicherter Stimme. „Oh, da gibt es viele Möglichkeiten“, sagte Doflamingo und richtete sich in seiner Position ein wenig auf. „Wir könnten zum Beispiel so tun als wäre ich dein Schüler. Und weil ich im Unterricht Blödsinn angestellt habe, muss ich nachsitzen. Wir sind allein im Klassenzimmer. Du bist einer von der alten Schule... willst mir eine Lektion erteilen... hältst eine Rede und erklärst mir, dass ich unerzogen bin und Disziplin benötige... Wir könnten auch einen Rohrstock für dich besorgen...“ Doflamingos Eifer schreckte Crocodile ein wenig ab. Sein Partner schien ja bereits sehr konkrete Vorstellungen für dieses Rollenspiel zu haben. „Dir würden ein weißes Hemd und eine Krawatte gut stehen“, fuhr Doflamingo fort und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. Seine Stimme klang lüstern und gierig. „Oh, und du bräuchtest auch einen Aktenkoffer!“ „Und was würdest du tragen?“, wollte Crocodile wissen. Er warf einen missgünstigen Blick auf die Schulmädchen-Outfits, die angezeigt wurden. Um ehrlich zu sein, stand er nicht auf Männer, die sich wie Frauen oder Mädchen anzogen. Er hatte nie verstanden welchen Sinn es machte, mit einem feminin wirkenden Mann auszugehen. Da konnte man es mit der Homoexualität auch gleich bleiben lassen. Sein Ehemann schien seine Zweifel zu spüren. „Ich kann eine ganz normale Schuluniform tragen, wenn du möchtest“, meinte er. „Eine für Jungen. Ich hätte zwar nichts dagegen einen Rock zu tragen, aber wenn dich das stört, kann ich auch mit einer ganz normalen Uniform vorlieb nehmen.“ „Werden überhaupt Uniformen in deiner Größe verkauft? Du bist über zwei Meter groß.“ Doflamingo winkte ab. „So etwas kann man sich auch schneidern lassen“, meinte er. „Das dürfte kein Problem sein.“ „Es gibt auch Schulen ohne Uniformen“, wandte Crocodile ein. „Möchtest du nicht, dass ich eine Schuluniform trage?“ Doflamingo legte für einen kurzen Moment die Stirn in Falten, ehe er neugierig fragte: „Was würdest du dir für mich wünschen? Hast du auch eine Vorstellung?“ Crocodile senkte den Blick. „Vielleicht etwas rowdy-haftes“, schlug er schließlich mit zögerlicher Stimme vor. „Du wärst ein aufmüpfiger Schüler, nicht wahr? Ein Rebell, ein jugendlicher Delinquent. Du könntest eine Lederjacke tragen. Zerrissene Jeans. Und Stiefel!“ Doflamingo gluckste. „Darauf könnte ich mich einlassen“, meinte er breit grinsend. Crocodile, dem plötzlich in aller Deutlichkeit klar wurde, was sie gerade besprachen, bedeckte mit der rechten Hand sein dunkelrot angelaufenes Gesicht. Sein Ehemann lachte bloß angesichts dieser Reaktion. ~ Crocodile hielt sich allein in seinem Büro auf, als Daz ihn auf seinem privaten Handy anrief. Ohne auch nur den Bruchteil einer Sekunde zu verlieren, nahm er ab. „Hast du etwas heraugefunden?“, sagte er anstelle einer Begrüßung. Eigentlich war es nicht seine Absicht gewesen seinem Freund so über den Mund zu fahren, doch er konnte seine Neugierde nicht zurückhalten. Ungeduldig wartete er eine Antwort ab. „Ja“, erwiderte Daz. Wie immer klang er völlig unberührt. Oft genug hatte Crocodile seinen alten Studienfreund schon um seine stoische Ruhe beneidet. „Mir ist es gelungen das Tracking-Portal zu hacken und herauszufinden, wer für den GPS-Sender verantwortlich ist.“ „Und?“ Nervös tigerte Crocodile in seinem Büro auf und ab. „Nun lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen, Daz! Wer hat diesen Sender an meinen Mercedes angebracht? Und wie lange werde ich schon überwacht?!“ Er spürte seinen Puls so deutlich in seinem Schädel, dass man meinen könnte, sein Herz und sein Gehirn hätten die Plätze getauscht. Blut rauschte in seinen Ohren. „Doflamingo“, sagte Daz ohne einen Hauch von Emotion in der Stimme. Crocodile schwor, dass ihm für einen kurzen Moment schwarz vor Augen wurde. Seine Knie fühlten sich so schwach hin, dass er sich mit letzter Kraft zu seinem Schreibtischstuhl schleppte und darauf niederließ. „Seit wann?“ Seine Stimme war leise, fast tonlos. Es war nicht seine Absicht gewesen zu flüstern, doch er brachte nicht genug Kraft auf, um lauter zu sprechen. „Die ersten Aufzeichnungen stammen aus der Anfangszeit eurer Beziehung“, erklärte ihm Daz. „Wenn ich mich nicht irre, müsstet ihr zu diesem Zeitpunkt etwa seit einem Monat ein Paar gewesen sein.“ So lange schon? Crocodiles Zunge lag schwer und bewegungsunfähig in seinem Mundraum. Es gelang ihm nicht sie zu bewegen. Als er es versuchte, musste er husten. Er konnte überhaupt nicht fassen, was Daz ihm soeben mitgeteilt hatte. Bedeutete es, dass Doflamingo von Anfang an gewusst hatte, dass er nicht länger bei der Bank, sondern stattdessen bei Tom's Workers arbeitete? Hatte Doflamingo von allem gewusst, es ihm aber verschwiegen? Aber warum sollte er so etwas tun? Auf der anderen Seite hatte er den GPS-Sender bereits fünf Monate, bevor Crocodile gekündigt wurde, angebracht gehabt. Warum? Wegen seiner krassen Eifersucht? Hatte Doflamingo ihm nie vertraut? Es ist alles gelogen gewesen, schoss es Crocodile durch den Kopf. Selbst seine Wut, als ich ihm berichtete habe, dass ich schon seit Monaten nicht mehr bei der Bank arbeite. Nichts davon ist ehrlich gewesen. „Ich glaube nicht, dass er das aus Eifersucht getan hat“, meinte Daz. „Außerdem würde ich davon ausgehen, dass er sich den Verlauf des GPS-Signals schon seit vielen Monaten nicht mehr angeschaut hat.“ „Wie kommst du darauf?“, hakte Crocodile mit zittriger Stimme nach. „Konntest du den letzten Abruf der Daten ermitteln?“ Hoffnung keimte in ihm wie ein zartes Pflänzchen. Handelte es sich bei dem GPS-Sender lediglich um eine irre Idee, auf die ein betrunkener Doflamingo gekommen war, als ihre Beziehung noch jung und fragil gewesen war? Hatte sein Ehemann längst vergessen, dass er dieses Ding jemals besorgt hatte? „Nein“, erwiderte Daz. „Aber es erscheint mir logisch. Erinnerst du dich noch an den Autounfall, den du gebaut hast, als du auf dem Weg zu mir gewesen bist? Du warst stundenlang fort und Doflamingo hatte sich schreckliche Sorgen um dich gemacht. Wenn er den Standort deines Autos einfach über per GPS ermittelt hätte, wäre er wohl nicht erst Stunden nach eurem Streit bei mir Zuhause aufgeschlagen. Er hat erzählt, dass er überall herumtelefoniert hat, um dich ausfindig zu machen. Warum sollte er das tun, wenn er auf einfach deinen Mercedes hätte orten können?“ Crocodile musste zugeben, dass diese Vermutung seines besten Freundes durchaus Sinn ergab. „Aber sicher weißt du es nicht?“, fragte er trotzdem noch einmal nach. „Nein“, gab Daz zu. „Das Tracking-Portal ist extrem gut gesichert. Doflamingo hat für diese Sache definitiv eine Menge Geld ausgegeben. Es hat Wochen gedauert, bis es mir gelungen ist, in das System einzudringen. Ich konnte herausfinden, von welchem Computer aus der Sender registriert wurde. Aber auf Daten wie den Verlauf oder den letzten Login konnte ich nicht zugreifen.“ Crocodile schloss seine Augen. Hunderte Gedanken schossen wild durch seinen Kopf, doch er bekam keinen von ihnen so recht zu fassen. Sein Ehemann überwachte sein privates Auto seit mehr als einem Jahr per GPS. Er wollte irgendetwas sagen, doch ihm fiel nichts ein. „Bitte überstürz jetzt nichts, Crocodile“, hörte er Daz mit ruhiger Stimme sagen. Crocodile fragte sich, wie sein alter Freund so gelassen mit dieser Situation umgehen konnte. Er wurde seit Monaten ohne sein Wissen überwacht! Von dem Menschen, der ihm eigentlich am meisten vertrauen sollte! Begriff Daz das etwa nicht?! „Du weißt nicht, wieso Doflamingo diesen Sender an deinen Wagen angebracht hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er dir nicht vertraut. Vielleicht ist er einfach nur besorgt um dich gewesen.“ „Über seine Motive können wir nur spekulieren“, erwiderte Crocodile. Allmählich überwand er den großen Schock und kehrte zu seinem alten Selbst zurück. Er lehnte sich in seinem mit teurem Leder überzogenen Schreibtischstuhl zurück und richtete den Blick nach oben. „Du möchtest ihn also zur Rede stellen?“ Daz kannte ihn gut. „Habe ich eine andere Wahl?“, gab Crocodile mit verzweifelter Stimme zurück. „Wie soll ich denn mit mit dieser Sache leben, wenn ich nicht einmal sein Motiv kenne? Ich brauche Gewissheit.“ „Natürlich ist es am Ende deine Entscheidung“, sagte Daz, „aber ich würde dir raten nichts zu überstürzen. Beruhige dich erst einmal, bevor du einen riesigen Streit vom Zaun brichst.“ Dass Daz ihm empfahl Ruhe zu bewahren, wunderte Crocodile nicht. „Danke für deinen Rat“, sagte er trotzdem. „Ich... ich muss jetzt weitermachen, ja? Ich bin gerade bei der Arbeit.“ Er beendete den Anruf, legte das Handy auf dem Schreibtisch ab und bedeckte seine untere Gesichtshälfte mit der rechten Hand. Sein Blick drückte pure Verzweiflung aus. ~ Wie fast jeden Samstag holten Crocodile und Doflamingo ihre kleine Nichte für eine Übernachtung zu sich. Doflamingo war absolut vernarrt in das inzwischen zehn Monate alte Mädchen. Mit einem Gesichtsausdruck, der nichts Anderes als pure Wonne ausdrückte, hob er Nozomi aus ihrem Hochstuhl und drückte ihr ein halbes Dutzend Küsse auf den Scheitel, während er sie fragte, ob sie sich darauf freue den Tag mit ihrem Onkel Doffy zu verbringen. Das fröhliche Glucksen, dass seine kleine Nichte von sich gab, schien ihm Antwort genug zu sein. Es waren Momente wie diese, in denen Crocodile zu zweifeln begann. Unwillig biss er sich auf die Unterlippe, während er mit seinen Fingern über den GPS-Sender in seiner Hosentasche fuhr. Er trug das kleine schwarze Kästchen mit sich herum wie einen Talisman. Wie konnte es nur sein, dass Doflamingo, der seine Freunden nie etwas anderes als Liebe und Fürsorge zeigte, ihn seit Beginn ihrer Beziehung überwachte? „Vielleicht machen wir einen kleinen Ausflug mit ihr“, sagte Doflamingo an Hancock gewandt. „Du hast doch letztens erzählst, dass ihr jetzt in einem Baby-Schwimm-Kurs seid, nicht wahr? Croco und ich könnten also mit ihr ins Schwimmbad fahren.“ „Das halte ich für keine so gute Idee“, lenkte Hancock ein, noch ehe ihr Bruder Gelegenheit dazu bekam, seinen Unmut zu äußern. „Crocodile geht nie schwimmen.“ Mit einem überraschten Gesichtsausdruck wandte Doflamingo sich an seinen Ehemann. „Du kannst nicht schwimmen, Wani?“ „Ich kann schwimmen“, erwiderte Crocodile sofort. „Ich mag es bloß nicht. Lass uns lieber etwas Anderes machen.“ „Ist es wegen deiner fehlenden Hand?“, hakte Doflamingo mit leiser Stimme nach. „Hast du Angst, dass du deswegen angestarrt wirst?“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Nein. Jedenfalls geht es nicht hauptsächlich darum.“ „Und was ist dann das Problem?“ Es war typisch für seinen Partner, dass dieser einfach nicht locker ließ. „Ist das so wichtig?“ Allmählich fühlte Crocodile sich von diesem Gespräch angenervt. „Lass uns einfach einen anderen Ausflug machen. Kinderbauernhof oder so.“ Doch Donquixote Doflamingo wäre nicht Donquixote Doflamingo, wenn er ein unangenehmes Thema einfach auf sich beruhen ließe. Ein wissendes Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus. „Gib zu“, meinte er mit süffisant klingender Stimme und zeigte mit dem Finger auf ihn. „Es ist, weil du prüde bist!“ Crocodile zog eine Augenbraue hoch. „Was?“ „Du bist verklemmt“, stichelte sein Ehemann. „Du kannst es nicht haben, wenn viele halb nackte Menschen um dich herum sind. Ganz abgesehen davon, dass du dich unwohl fühlst, wenn du selbst nur ein Paar Badeshorts trägst.“ „Das stimmt überhaupt nicht“, gab Crocodile empört zurück. Dass Doflamingo vielleicht nicht ganz Unrecht hatte, wollte er sich nicht eingestehen. „Wohl!“, hielt dieser dagegen. „Du trägst nie kurze Klamotten. Selbst im Hochsommer hast du immer ein langärmliges Hemd an. Und in Shorts habe ich dich auch noch nie gesehen.“ „Ist halt nicht jeder so exhibitionistisch veranlagt wie du“, verteidigte Crocodile sich und deutete auf das offene Hemd seines Partners. Nozomi patschte mit ihren kleinen Händchen ungeniert auf seiner nackten Brust herum. Doch Doflamingo kicherte bloß. Ebenso wie Hancock, die allerdings zumindest genug Anstand besaß, um ihr Grinsen hinter vorgehaltenen Hand zu verstecken. „Das ist kein Problem“, meinte Doflamingo. „Wenn du möchtest, dann miete ich einfach ein komplettes Schwimmbad nur für uns an. Dann musst du vor fremden Leuten nicht so viel Haut zeigen.“ „Hatte ich nicht erst mit dir darüber gesprochen, dass du Nozomi zu sehr verziehst?“, hielt Crocodile dagegen. „Ein ganzes Schwimmbad nur für uns drei?“ „Ist ja nicht für sie“, meinte Doflamingo, „sondern für dich. Und dich darf ich doch immer noch verziehen, oder nicht, Liebling?“ Crocodile rollte genervt mit den Augen. „Ich gehe eben nicht gerne schwimmen. Kannst du das nicht einfach akzeptieren?“ „Aber warum denn nicht?“ „Da kann ich dir ein ganzes Dutzend Gründe nennen!“ „Na dann los!“ „Ich werde beim schwimmen schnell müde“, fing Crocodile an. „Ich mag es nicht über Stunden so kletschnass zu sein. Wenn ich aus dem Becken steige, ist mir immer kalt. Und es ist eklig in derselben Suppe wie zig andere Menschen zu schwimmen.“ „Das waren aber noch kein Dutzend Gründe“, neckte Doflamingo ihn. „Es dauert lange, bis meine Haare trocken geföhnt sind“, fuhr Crocodile fort. „Und meine Haut verträgt das Chlor im Wasser nicht.“ „Da wären wir jetzt bei sechs“, sagte sein Ehemann und streckte ihm die Zunge raus. „Echs, echs, echs“, ahmte Nozomi ihren Onkel mit heiterer Stimme nach. „Man sieht ständig Leute, die man lieber nicht in Badekleidung sehen möchte!“ „Das ist fies“, tadelte Hancock ihn. „Als wärst du der Meinung, dass Gecko Moria in knapper Badeshorts ein schöner Anblick wäre!“ „Sieben“, sagte Doflamingo. „Ich habe keine Badeshorts.“ „Das ist kein richtiger Grund.“ „Klar ist es das.“ „Wir könnten dir einfach eine kaufen.“ „Das will ich aber nicht!“ „Jetzt ist aber gut“, meinte Hancock schließlich lachend. „Eure ewigen Streitereien sind ja nicht auszuhalten.“ „Dann fahren wir eben zum Kinderbauernhof“, gab Doflamingo sich endlich geschlagen (nicht ohne ihm die Zunge herauszustrecken). „Aber ich bin mir sicher, dass Nozomi lieber schwimmen als ponyreiten würde!“ „Po-ny“, machte Nozomi und klatschte giggelnd in ihre kleinen Händchen. „Da siehst du's!“, gab Crocodile triumphierend zurück. Am Ende schien Doflamingo auch der Ausflug zum Kinderbauernhof gut zu gefallen. Während Crocodile ein paar Ziegen mit Futter zu sich lockte, streichelte Doflamingo gemeinsam mit Nozomi, die er fest im Arm hielt, deren weiches Fell. Ihre Nichte hatte heute außerordentlich gute Laune. Als Crocodile ihr ein paar Futterpellets in die Hand legte und eine kleine Ziege diese abschleckte, lachte sie laut auf. „Ich finde, du machst das wirklich gut“, sagte Doflamingo und lächelte. „Was? Die Ziege füttern?“ „Wie du mit Nozomi umgehst“, meinte sein Ehemann. Crocodile legte den Kopf schief. „Nun, warum sollte ich das nicht gut machen?“ Doflamingo schwieg für einen kurzen Augenblick, ehe er schließlich erklärte: „Um ehrlich zu sein, war ich mir zu Beginn nicht sicher, ob du gut mit ihr zurechtkommen würdest. Du bist ja eigentlich nicht gerade ein kinderfreundlicher Typ.“ „Das stimmt so nicht“, wandte Crocodile ein, während er eine Ziege mit hellbraunem Fell fütterte. „Nur weil ich mal zu dir gesagt habe, dass ich nicht weiß, ob ich selbst Vater werden möchte, heißt das nicht, dass ich Kinder partout nicht mag.“ „Aber du hattest nie etwas mit Kindern zu tun.“ „Naja, Nozomi ist eben das erste Kind in meinem Familien- und Freundeskreis. Vorher hat sich nie die Möglichkeit gegeben mit einem kleinen Kind etwas zu unternehmen.“ Doflamingo senkte den Blick. Schließlich fragte er in einem untypisch zaghaften Tonfall: „Hat denn Nozomi deine Perspektive geändert? Also, in der Hinsicht, ob du selbst Kinder haben möchtest?“ Crocodile erstarrte in seiner Bewegung. Die feuchte Zunge der Ziege, die über seine Handfläche schleckte, fühlte sich beinahe schon außerirdisch an. Ist das sein ernst?!, schoss es Crocodile unweigerlich durch den Kopf. Er konnte nicht verhindern, dass er wütend wurde. Er vertraut mir so wenig, dass er einen verdammten Sender an mein Auto anbringt, aber will gemeinsam mit mir ein Kind haben? Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, Doflamingo entgegenzuschleudern, dass er mit ihm nie Kinder haben wollte. Die Vorstellung, aus Rache die Hoffnungen seines Partners zu zerstören, reizte Crocodile ungemein. Er wusste selbst nicht genau, wieso er stattdessen bloß mit den Schultern zuckte, sich erhob und das restliche Futter vor die Füße der Ziegen warf. „Lass uns zu den Ponys gehen“, sagte er. „Die sind dahinten. Ich glaube, man darf sie mit Möhren füttern.“ Es war eine der seltenen Situationen, in denen Doflamingo beschloss nicht weiter nachzubohren, obwohl er keine eindeutige Antwort erhalten hatte. Weil sie heute viel erlebt hatte, schlief Nozomi schon auf der Rückfahrt ein. Crocodile betrachtete seine kleine Nichte im Rückspiegel seines Mercedes C 216. Sie war ein hübsches Kind mit langen Wimpern und rosigen Wangen. Glücklicherweise kam Nozomi kaum nach ihrem Vater und sah stattdessen Hancock sehr ähnlich. Zum ersten Mal in seinem Leben fragte Crocodile sich, wie ein leibliches Kind von ihm aussehen würde. Vermutlich dunkelhaarig. Und relativ groß gewachsen. Der Rest hinge wohl stark von der Kindsmutter ab. Und wenn Doflamingo einen Sohn oder eine Tochter hätte? Crocodile stellte sich unweigerlich ein blondes, wild grinsendes Kind vor, dessen Lieblingsworte Ich will! waren. Er verzog den Mund und warf einen unwilligen Blick zu seinem Ehemann herüber. Sie beide könnten niemals ein gemeinsames Kind haben. Es bestand lediglich die Option, dass höchstens einer von ihnen beiden mit dem Kind verwandt war. Oder keiner, wenn sie sich nicht für eine Leihmutterschaft, sondern für die Adoption eines fremden Kindes entschieden. „Worüber denkst du nach?“ Es war Doflamingos neugierige Stimme, die Crocodile aus seinen Gedanken riss. „Ach, nichts weiter“, log er hastig. „Ich war nur etwas gedankenverloren.“ „Konzentrier dich lieber auf's Fahren“, gluckste Doflamingo und streckte im Fußraum seine Beine aus. „Nicht, dass du noch einen Unfall baust, während Nozomi hinten im Auto sitzt.“ Crocodile drehte sich mit einem völlig entsetzten Blick zu seinem Partner um. Doflamingo, dem erst im Nachhinein klar wurde, was er gerade gesagt hatte, lenkte hastig ein: „So ist das nicht gemeint gewesen! Ich... Das sollte bloß ein Scherz sein... Nicht, dass... Tut mir leid. Das habe ich blöd ausgedrückt.“ Crocodile richtete den Blick wieder auf die Fahrbahn. „Mal im Ernst“, sagte er nach kurzem Zögern. „Hältst du mich für einen schlechten Autofahrer?“ Er lenkte das Gespräch ganz bewusst auf dieses empfindliche Thema. Vielleicht halfen ihm Doflamingos Ansichten bei seiner Suche nach Antworten. Wieso hatte sein Ehemann einen Sender an seinen Mercedes geheftet? „Nein, natürlich nicht“, antwortete Doflamingo sofort. „Du fährst gut. Am Anfang hatte ich Bedenken, wenn ich ganz ehrlich bin. Du weißt schon, wegen deiner fehlenden Hand. Aber ich habe schnell gemerkt, dass du sehr sicher und besonnen fährst.“ „Ich habe aber auch mal einen schlimmen Unfall verursacht...“, wandte Crocodile ein. Sein Partner verzog das Gesicht. „Erinnere mich nicht daran“, sagte er mit leiser Stimme. „Mir lief es kalt den Rücken herunter, als ich die Fotos gesehen habe, die deine Versicherung geschickt hat. Aber das hatte nichts damit zu tun, dass du ein schlechter Autofahrer wärst. Dieser Unfall hätte jedem passieren können.“ Sein Mercedes C 216 war in Reparatur gewesen, fiel Crocodile plötzlich ein. Die rechte Fahrzeugtüre musste ausgetauscht werden. Die Kosten hatte Doflamingo übernommen. Hätte er sich, wenn er den Sender zwischenzeitlich ganz vergessen hatte, nicht spätestens zu diesem Anlass daran erinnern müssen? Crocodile konnte sich kaum vorstellen, dass der Sender den Männern in der Werkstatt nicht aufgefallen war. Vielleicht haben sie ihn darauf angesprochen, überlegte er. Kalte Wut schäumte in seinem Magen, als er sich ausmalte, wie sein Ehemann mit gelassener Stimme erwiderte: Das ist in Ordnung so. Der GPS-Sender soll bleiben, wo er ist. Doflamingo hob Nozomi, die tief und fest schlief, behutsam aus ihrem Kindersitz und trug sie nach oben ins Schlafzimmer. Er legte sie in das Gitterbett, welches er eigens für seine Nichte angeschafft hatte, und gab ihr zum Abschluss einen Kuss auf ihr Haar. „Sie ist so ein süßes Kind“, sagte er an Crocodile gewandt. Er nickte, doch sagte nichts weiter dazu. Stattdessen ging er hinüber ins Badezimmer und wusch sich den Ziegensabber von den Fingern. Während das Wasser lief, fragte er sich, ob es sich lohnen würde bei der Werkstatt anzurufen und nachzufragen. Doch er war sich sicher, dass Doflamingo die Leute dort bestochen hatte. Bestimmt hat er sie großzügig bezahlt, damit sie dicht halten, falls ich jemals nach dem Sender frage. Sein Ehemann war der Meinung, dass sich mit Geld so gut wie alles regeln ließe. „Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte Doflamingo, der nach ihm das Bad betrat. „Du verhältst dich irgendwie komisch.“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Ich bin bloß müde“, sagte er lahm. „Es ist erst achtzehn Uhr“, wandte sein Partner mit zweifelnder Stimme ein. „Alles okay. Wirklich.“ „Ist es wegen dem, was ich gesagt habe? Das war...“ „Alles. Okay. Doffy.“ Allmählich verlor Crocodile die Geduld. „Ich glaube, ich lege mich heute etwas früher schlafen. Die Arbeitswoche ist ziemlich anstrengend gewesen.“ Das war nicht einmal gelogen. Foxy, der Hersteller für elektronisches Kinderspielzeug, hatte ihn fast stündlich mit nervenaufreibenden Anrufen gequält. Crocodile fuhr sich mit der Hand durch sein Haar und machte sich daran sein Hemd aufzuknöpfen. Vielleicht täte ihm ein ruhiger Abend wirklich ganz gut. Sein Ehemann schien mit sich zu hadern. Offenbar war er sich nicht sicher, ob er diese Sache auf sich beruhen lassen oder weiter nachbohren sollte. Schließlich trat er noch einmal nah an Nozomis Babybett heran und sagte mit verträumter Stimme: „Sie hat kaum etwas von Luffy, nicht wahr? Ich finde, sie sieht stattdessen dir sehr ähnlich.“ „Ich bin bloß ihr Onkel, nicht ihr Vater“, erwiderte Crocodile matt und schälte sich aus seiner Hose. Nur in Boxershorts bekleidet schlüpfte er ins Bett. „Trotzdem“, hielt Doflamingo dagegen und ließ sich auf der Bettkante nieder. „Ihr habt dieselben Haare. Meinst du, wenn wir beide irgendwann ein Kind haben sollten, dass es auch diese Haare haben wird?“ „Wir beide können gar kein Kind zusammen haben.“ „Wir könnten aber eine Leihmutter suchen, die unser Kind austrägt.“ „Entweder dein Kind oder mein Kind“, hielt Crocodile dagegen. „Unser Kind kann es nicht geben.“ Doch Doflamingo ließ sich nicht beirren. „Man könnte es so machen, dass du mit dem Kind verwandt bist und ich es dann nach der Geburt adoptiere. Dann wäre es unser Kind.“ Verwundert zog Crocodile eine Augenbraue hoch. „Eher anders herum, oder nicht?“ „Du meinst, dass ich das Kind zeuge und du es adoptierst?“ Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Mir ist die biologische Verwandtschaft nicht so wichtig. Wenn ich es mir aussuchen könnte, hätte ich lieber ein Kind mit deinen Haaren.“ „Und wenn es die Haarfarbe der Leihmutter bekommt?“ „Dann wäre das auch nicht schlimm“, gluckste Doflamingo. „Von mir aus könnten wir auch ein Kind adoptieren. Also eines, das weder mit dir noch mit mir blutsverwandt ist. Dann könnten wir uns sogar an Baby aussuchen.“ „Was für ein schräge Vorstellung.“ Es war schon zu spät, als Crocodile auffiel, dass er diesen Gedanken laut ausgesprochen hatte. „Ist es dir denn gar nicht wichtig mit deinem Kind verwandt zu sein, Doffy? Du redest oft davon, dass dir deine Familie fehlt.“ „Familie bedeutet nicht unbedingt, dass man miteinander verwandt ist“, meinte sein Ehemann nach kurzem Zögern. „Ein gemeinsamer Nachname reicht mir schon.“ „Machst du dir gar keine Sorgen, dass deine Kinder gehänselt werden könnten?“ „Gehänselt? Weswegen? Weil sie zum Zeitpunkt ihrer Geburt schon reicher sein werden als alle Menschen, die wir kennen? Das kann ich mir kaum vorstellen.“ „Ist sicher nicht immer leicht, die Kinder eines Multimillionärs zu sein“, gab Crocodile zu Bedenken und schlang die Bettdecke noch ein wenig enger um seinen Körper. „Es würde ein hoher Druck auf ihnen lasten.“ Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Ich bin immer gut zurecht gekommen. Und Corazon eigentlich auch.“ „Ist sicher auch nicht so toll, wenn man zwei Väter hat“, fuhr Crocodile fort. „Eine Mutter und ein Vater wären wohl besser.“ Diese Aussage handelte ihm einen ungläubigen Blick seitens seines Partners ein. „Meinst du das ernst?“, wollte er mit entsetzter Stimme wissen. „Du bist der Meinung, dass zwei Männer schlechtere Eltern wären als ein Hetero-Paar?!“ „Naja“, meinte Crocodile und zog die Augenbrauen zusammen. „In gewisser Weise schon. Stell dir mal vor, wir beide bekämen eine Tochter. Ist bestimmt blöd, wenn man das erste Mal seine Periode bekommt und dann keine Mutter hat, zu der man dann hingehen kann.“ „Es gibt auch Familien, in denen die Mutter verstorben ist oder sich getrennt hat“, wendete Doflamingo ein. „Ideal ist das aber wohl nicht“, hielt Crocodile dagegen. „Ich kann mir jedenfalls schon vorstellen, dass es am besten ist, wenn man bei einem Vater und einer Mutter aufwächst. So hat es die Natur schließlich eingerichtet.“ „Deine Eltern sind ein Mann und eine Frau. Sie haben dich wegen deiner Homosexualität verstoßen, als du achtzehn Jahre alt warst und seitdem kein einziges Wort mehr mit dir gewechselt! Nicht einmal, als du nach einem schweren Verkehrsunfall in Lebensgefahr schwebtest, haben sie sich für dich interessiert!“, sagte sein Ehemann mit aufgebrachter Stimme. „Ich würde immer zu meinem Kind stehen, egal was passiert! Und wenn es jemanden umgebracht hätte!“ „Nicht so laut“, sagte Crocodile, weil er nicht wusste, was er sonst erwidern sollte. „Sonst weckst du Nozomi noch auf.“ „Ich verstehe einfach nicht, wie du als schwuler Mann so eine homo-feindliche Ansicht haben kannst“, meinte Doflamingo mit leiser, aber energischer Stimme. „Die Frage, ob man dazu in der Lage ist Kinder großzuziehen, hat doch nichts mit der Sexualität zu tun.“ „Meinst du denn, dass du das Zeug zum Vater hättest?“, wollte Crocodile wissen und warf seinem Ehemann einen zweifelnden Blick zu. „Ich glaube, du würdest dein Kind von vorne bis hinten verziehen. Viele reiche Eltern haben Versager als Kinder, oder nicht? Gören, denen ihr ganzes Leben lang jeder Wunsch von den Augen abgelesen wird und die nie einen Finger rühren müssen. Am Ende schaffen sie nicht einmal ihr Studium und werden abhängig von irgendwelchen Partydrogen.“ Doflamingo legte den Kopf schief. „Meinst du nicht, dass das eine ziemlich schwarzgemalte Vorstellung ist?“ „Ich habe während meines Studiums sehr oft Leute kennengelernt, die zwar erfolgreiche Eltern hatten, aber selbst kaum etwas auf die Reihe bekamen“, erklärte ihm Crocodile. „Da muss ich nur an Phoenix Marco denken: Sein Vater betreibt eine große Anwaltskanzlei. Aber Marco dachte, er könnte sich auf dem Namen seines Vaters ausruhen und ist ständig nur auf irgendwelchen Parties gewesen, anstatt sich um sein Studium zu kümmern. Er brauchte doppelt so viele Fachsemester wie planmäßig vorgesehen, um abzuschließen.“ Da begann Doflamingo plötzlich zu kichern. Er schlug die Beine übereinander, stützte sein Kinn auf die Hand und gab zu: „Okay, ganz Unrecht hast du vielleicht nicht. Ich habe damals auch die eine oder andere Prüfung verhauen, weil ich am Abend zuvor mit Freunden unterwegs gewesen bin. Aber aus mir ist trotzdem ein erfolgreicher Mensch geworden, oder nicht?“ Crocodile rollte mit den Augen. „Ein erfolgreicher, aber kein einfacher Mensch“, sagte er schließlich, was seinen Ehemann zum Lachen brachte. „Ich weiß, dass ich dazu neige, unsere Nichte zu verziehen. Als du mich letztens zurechtgewiesen hast wegen der vielen Geschenke, hat mich das schon zum Nachdenken gebracht. Aber ich glaube, dass wir beide ein gutes Team wären, Croco. Du wärst streng und konsequent. Und ich wäre der liebe Papa, der alles durchgehen lässt. Zusammen würden wir das Ding schon schaukeln.“ „Kinder sind anstrengend.“ Crocodile schloss für eine Weile die Augen und atmetete den angenehmen Geruch der frisch gewaschenen Bettwäsche ein. „Wir haben das Glück, dass wir Nozomi nur einmal in der Woche bei uns haben. Im Alltag zehrt es dagegen echt an den Nerven, wenn du ständig ein kleines Kind um dich herum hast. Ich glaube, Hancock ist sehr dankbar, dass wir ihr Nozomi hin und wieder abnehmen.“ „Ich hatte eigentlich den Eindruck, dass du gerne Zeit mit Nozomi verbringst.“ „Das tue ich auch“, erwiderte Crocodile. „Aber wenn wir Nozomi samstags abholen, machen wir ja oft tolle Ausflüge mit ihr. Sie hat dann gute Laune und schläft abends auch schnell ein. Das ist einfach eine ganz andere Situation.“ „Aber man hat ja auch als Elternteil sein Kind nicht rund um die Uhr um sich“, wandte Doflamingo ein. „Die Kinder gehen ja auch in die Schule oder verbringen Zeit bei Freunden.“ „Ja, wenn sie älter sind“, hielt Crocodile dagegen und öffnete langsam wieder die Augen. „Aber ein Kleinkind hat man in der Regel ja schon die meiste Zeit um sich.“ „Naja, es gibt heutzutage auch die Möglichkeit sein Kind recht früh in einer Kindertagesstätte betreuen zu lassen“, meinte Doflamingo. „Oder man stellt ein Kindermädchen ein. Gerade wenn beide Eltern beruflich sehr erfolgreich sind -so wie wir beide-, wird das oft gemacht. Dann muss auch keiner im Beruf so arg zurückstecken.“ Crocodile fixierte Doflamingo. Jetzt kam seine Ehemann also mit dieser Tour. Er konnte es kaum fassen. Wieso versuchte Doflamingo ihm mit allen Mitteln ein Kind anzudrehen? „Wenn man sein Kind gleich nach der Geburt den ganzen Tag fremdbetreuen lässt, kann man das Kinderkriegen doch auch gleich bleiben lassen, oder nicht?“, gab er garstig zurück. „Du widersprichst dir selbst“, erwiderte sein Partner. „Eben meintest du noch, dass es furchtbar anstrengend sei, wenn man den ganzen Tag ein Kind um sich herum hat. Aber von einem Erzieher willst du es auch nicht betreuen lassen.“ „Ich finde einfach, dass es wenig Sinn macht, ein kleines Kind von morgens bis abends fremdbetreuen zu lassen. Was habe ich denn von meinem Kind, wenn ich es täglich bloß eine Stunde vor dem Zubettgehen sehe? Ganz abgesehen davon, dass es sicher auch für ein Kleinkind nicht schön ist, wenn die Eltern den ganzen Tag fort sind. Man kann dann doch gar keine echte Bindung zueinander aufbauen.“ „Es könnte auch einer von uns Zuhause bleiben und sich um das Kind kümmern, bis es alt genug ist, um in den Kindergarten zu gehen. Und dann geht man wieder ganz normal arbeiten.“ „Und mit einer von uns meinst du mich.“ Crocodile hatte keine Lust mehr um den heißen Brei herumzureden. Es ärgerte ihn, dass sein Ehemann ihn wieder einmal mit diesem Thema nervte. Sie beide waren doch seit noch nicht einmal zwei Jahren ein Paar. Sie waren noch lange nicht bereit dazu, Eltern zu werden. „Nun ja...“ Man konnte Doflamingo ganz deutlich ansehen, dass er sich auf den Schlips getreten fühlte. „Ich verdiene deutlich mehr als du. Und im Gegensatz zu dir bin ich nicht angestellt, sondern Geschäftsführer zahlreicher Unternehmen. Es wäre für dich viel leichter ein oder zwei Jahre aus dem Job auszusteigen.“ „Ich könnte mich von meinem Job komplett verabschieden, wenn ich mir eine mehrjährige Auszeit nehme“, hielt Crocodile mit zorniger Stimme dagegen. „Franky müsste sich einen neuen Manager besorgen, der die Tom's Workers-Messe organisiert. Und wenn der Typ gut ist, wird Franky sicher kein Risiko eingehen und ihn zwei oder drei Jahre später wieder gegen mich austauschen. Das könnte ich ihm nicht mal verübeln.“ „Aber du bist ein kompetenter und erfahrener Manager. Du würdest schnell eine andere Arbeit finden.“ Crocodile war nicht naiv genug, um sich von seinem Partner Honig um's Maul schmieren zu lassen. „Ich werde garantiert nicht meinen Job bei Tom's Workers aufgeben, Doffy! Ich fühle mich sehr wohl dort. Die Kollegen sind nett und die Arbeit macht mir Spaß. Außerdem möchte ich nicht von anderen Menschen abhängig sein. Mir ist es wichtig mein eigenes Geld zu verdienen.“ „Was wäre denn so schlimm daran, wenn du von mir abhängig wärst?“ Allmählich schien Doflamingo die Geduld zu verlieren. „Wir sind immerhin verheiratet. Ich bin dein Ehemann! Vertraust du mir nicht?“ „Darum geht es nicht“, lenkte Crocodile sofort ein. „Ich... Es ist nur... Ich habe keine guten Erfahrungen damit gemacht, von einem anderen Menschen abhängig zu sein. Als ich wegen meines Motorradunfalls bei Mihawk gewohnt und auf seine Kosten gelebt habe, kam ich mir vor wie unnötiger Ballast. Das war eine echt harte Zeit für mich. Heißt aber nicht, dass ich meinem Bruder nicht vertraue! Und später... Enel hat mich auch dazu gedrängt meine Arbeit aufzugeben und Zuhause zu bleiben... Wie diese Sache ausging, weißt du ja. Mir ist es wichtig für mich selbst sorgen zu können, Doffy. Kannst du das nicht verstehen?“ „Schon...“ Doflamingo fuhr sich mit der rechten Hand durch sein kurzes, blondes Haar. Auf seiner Stirn waren zwei Sorgenfalten zu sehen. „Mir ist klar, wie du das meinst.“ Er hielt kurz inne, ehe er interessiert nachfragte: „Wollte Enel auch Kinder mit dir haben?“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Er war nicht sonderlich kinderfreundlich. Und noch dazu extrem eifersüchtig. Er konnte es nicht ertragen, wenn meine Aufmerksamkeit nicht zu einhundert Prozent nur bei ihm lag. Ich glaube, er hätte es nicht ausstehen können, wenn in unserem Haushalt ein Kind gelebt hätte. Du bist generell der erste Partner, der gerne Kinder mit mir haben möchte. Für meine früheren Freunde ist das nie ein ernstes Gesprächsthema gewesen.“ „Damals bist du auch jünger gewesen“, merkte sein Ehemann an. „Vor fünf Jahren hätte ich es mir auch noch nicht vorstellen können eine Familie zu gründen.“ „Und warum möchtest du dann jetzt auf einmal unbedingt Kinder haben?“ „Weil ich endlich den richtigen Partner gefunden habe“, antwortete Doflamingo sofort. „Die Männer und Frauen, mit denen ich vorher zusammen war, hätten alle wahrscheinlich nur zu gern ein Kind mit mir gehabt. Aber bloß, weil goldene Berryzeichen in ihren Augen leuchteten beim Gedanken an Unterhaltszahlungen im sechs- oder siebenstelligen Bereich. Mit so einer Person hätte ich nie ein Kind gewollt. Aber bei dir habe ich ein gutes Gefühl, Crocodile. Du bist nicht hinter meinem Geld her. Und ich denke, dass du ein wunderbarer Vater wärst. Ich sehe doch, wie liebevoll du mit Nozomi umgehst. Und wenn wir beide ein Kind hätten, dann würde aus ihm sicher auch kein verzogener Taugenichts werden.“ Crocodile senkte den Blick. Er gab es nur ungern zu, doch die Worte seines Partners rührten ihn. Trotzdem konnte er es sich nicht vorstellen seine Arbeit bei Tom's Workers einfach aufzugeben. „Vielleicht könnten wir eine Kompromisslösung finden“, fuhr sein Ehemann fort. Aufgeregt leckte er sich über die Unterlippe. „Wir beide könnten unsere Arbeitsstunden reduzieren. Dann müsste unser Kind nicht bis nachmittags betreut werden. Wäre das in Ordnung für dich? Ich meine, in einer Kindertagesstätte ist ein Kind ja grundsätzlich auch nicht schlecht aufgehoben. Dort kann es mit anderen spielen und wird von den Erziehern gefördert. Das ist doch gut, oder nicht? Wir könnten uns wochenweise abwechseln, wenn...“ „Stopp! Stopp, Stopp!“, unterbrach Crocodile seinen Partner. „Bleib bitte auf dem Teppich, Doflamingo. Warum musst du bei manchen Dingen so überstürzen? Du bist gerade erst Anfang dreißig. Dir rennt doch die Zeit nicht davon!“ „Weiß ich doch“, sagte Doflamingo, aber Crocodile fand, dass er nicht ganz überzeugt wirkte. „Ich möchte nur gern wissen, ob es grundsätzlich für dich infrage käme. Mir ist dieses Thema sehr wichtig. Ich hätte wirklich gerne irgendwann eine eigene Familie.“ „Vielleicht in ein paar Jahren“, antwortete Crocodile. Er musste an den GPS-Sender denken. „Wenn die Umstände stimmen.“ Er schwieg für einen kurzen Moment. „Aber wir haben ja im Moment Nozomi. Sie gehört doch auch zur Familie, oder nicht?“ „Natürlich“, sagte Doflamingo und wirkte beschwichtigt. Er warf einen Blick hinüber zum Gitterbett, in dem ihre Nichte friedlich schlief, und lächelte. ~ In der darauf folgenden Woche trafen sie sich mit Hancock, Mihawk und einigen Freunden in einem Restaurant. Doflamingo, der das gemeinsame Essen vorgeschlagen hatte, hatte einen Tisch im Flying Lamb reserviert. Es war das selbe Restaurant, in dem er damals Crocodile gefragt hatte, ob er nicht bei ihm einziehen wollte. Er erinnerte sich noch sehr genau an diesen Abend. Sein Freund hatte nicht einfach bloß den besten Tisch, sondern gleich das gesamte Restaurant gemietet. Diese Situation war äußerst unangenehm gewesen; das hatte Crocodile noch sehr deutlich in Erinnerung. Er kam sich neben seinem reichen Partner vor wie ein ungehobelter Bauer. Zum Glück hatte Doflamingo inzwischen dazu gelernt. Dieses Mal hatte er lediglich einen Tisch in einem abgesperrten Separee reserviert. So hatten sie ihre Ruhe, ohne dass die Anderen sich blöd vorkamen. Ein seltsames Gefühl breitete sich in Crocodiles Bauch aus, als er bemerkte, dass sie vom selben Kellner wie vor einem Jahr bedient wurden. Der junge, blonde Mann mit der kunstvoll geformten Augenbraue war aufmerksam genug, um einen Kinderstuhl zu besorgen, als sein Blick auf Nozomi fiel. Seine kleine Nichte saß vor Kopf. Auf der rechten Seite saßen Hancock und Mihawk; auf der linken Seite Doflamingo und er (sein Ehemann hatte sich ganz bewusst gleich neben Nozomi gesetzt). Links neben Crocodile hatten sich Shanks und Ben niedergelassen; ihnen gegenüber saßen Ran und Sondersonia, zwei sehr gute Freundinnen von Hancock. Es herrschte eine ziemlich ausgelassene Stimmung. Nozomi, die ihre ersten Sprechversuche unternahm, unterhielt die Erwachsenen mit ihrem fröhlichen Gebrabbel. Man sprach über dieses und jenes. Mihawk lobte seinen Schüler Zoro in höchsten Tönen. Sondersonia erzählte von einem Kinofilm, den sie sich vor kurzem gemeinsam mit ihrer Schwester Marigold angesehen hatte. Doflamingo erwiderte Nozomis Gebrabbel in Babysprache und gab ihr den Keks, den er zu seinem Kaffeegetränk bekommen hatte. Als Hancock den Kellner um ein Zitronentuch bat, fiel Crocodiles Blick auf den attraktiven Mann mit den glatten, blonden Haaren und dem Dreitagebart. Er schien nicht gerade einen Hehl daraus zu machen, dass Hancock ihm gefiel, und holte in Windeseile die Zitronentücher. „Sieht so aus als hättest du einen neuen Verehrer“, kommentierte Shanks das Schauspiel und lachte schelmisch. Hancock rollte mit den Augen und winkte ab. „Nicht mein Typ“, sagte sie mit platter Stimme. „Ich finde dunkelhaarige Männer besser.“ „Ach, stimmt ja“, erwiderte Shanks und wandte sich breit grinsend zu Crocodile um. „Du bist derjenige in der Familie, der auf Blond steht, nicht wahr?“ Entrüstet ließ Angesprochener von seiner Bruschetta ab. „Das kann man so allgemein nicht sagen“, verteidigte sich Crocodile sofort. Shanks aufmerksamer Blick wanderte zu Doflamingo hinüber, der ihrem Gespräch gefolgt war. Wie fast immer lag ein freches Grinsen auf seinen Lippen. „Nur weil ich einen blonden Mann geheiratet habe, heißt das nicht automatisch, dass ich nur auf blonde Männer stehe!“ „Hat nicht letztens erst Moria dieses Thema aufgegriffen“, schaltete sich auf einmal Mihawk ein. „Er meinte, du würdest nur auf große und blonde Männer stehen.“ „Und seit wann ist Gecko Moria eine zuverlässige Quelle?“, gab Crocodile zurück und verzog den Mund. Ihm war diese Diskussion ziemlich unangenehm. Es fiel ihm schwer offen über sexuelle Präferenzen zu sprechen. „Nun ja, gelogen hat er jedenfalls nicht“, meinte Hancock. „Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass du jemals einen Typen getroffen hättest, der dunkle Haare hat.“ Crocodile durchforstete sein Gedächtnis, doch musste zu seinem Unmut feststellen, dass seine Schwester mit dieser Aussage nicht Unrecht hatte. Ihm selbst fiel auf Anhieb auch kein dunkelhaariger Mann ein, mit dem er sich verabredet hatte. Oder... „Es gab da mal einen names Gin“, meinte Crocodile mit nachdenklicher Stimme. „Der hatte braune Haare.“ Eigentlich zählte der gar nicht wirklich, weil sie sich bloß ein einziges Mal getroffen hatten, doch Crocodile wollte seinen Geschwistern eins auswischen. „Gin“, wiederholte Mihawk und legte die Stirn in Falten. „Kann mich nicht erinnern, dass du jemals einen Gin erwähnt hättest.“ „Bestimmt denkst du dir das bloß aus“, warf Hancock ihm sogar lachend vor. „Ich denke mir das nicht aus“, gab Crocodile spitz zurück. „Er hing früher immer mit Don Creek rum, weißt du nicht mehr?“ „Das lasse ich nicht gelten“, schaltete sich nun wieder Mihawk ein. „Der trug doch immer so ein breites Stirnband. Seine Haare hat man kaum gesehen.“ „Absalom, Marco, Sabo, Basil, Enel, Smoker, Doflamingo“, zählte Shanks an der Hand ab. „Alle haben helle Haare.“ „Ich... So viele waren das gar nicht, mit denen ich zusammen gewesen bin“, verteidigte sich Crocodile. „Mit Basil war ich nie wirklich in einer Beziehung. Das war nur... eine Bekanntschaft.“ „Bekanntschaft“, wiederholte Shanks immer noch neckisch grinsend. „Mein erster fester Freund ist Absalom gewesen“, erklärte Crocodile. „Im Studium habe ich Marco kennengelernt. Und danach war ich mit Sabo zusammen. Aber das hielt nicht lange. Drei Monate oder so.“ „Der war aber auch wirklich schräg“, lenkte Hancock ein. „Warum war er schräg?“, wollte Doflamingo wissen, der bisher nur interessiert zugehört hatte. Es überraschte Crocodile, dass sein eifersüchtiger Ehemann dieses Gespräch nicht rasch abwürgte, sondern sogar mit einstieg. „Er hatte total viele seltsame Angewohnheiten“, meinte Hancock und verzog das Gesicht. „Und er war ein furchtbarer Geizhals.“ „Ein Geizhals?“ „Wenn sich selbst Crocodile darüber beschwert, dass jemand zu vieles aufrechnet und mal etwas großzügiger sein könnte, dann weiß man, dass der Typ wirklich richtig schlimm geizig sein muss“, ließ Mihawk verlauten. „Was hat er denn getan?“, hakte Doflamingo neugierig nach. Crocodile zuckte ausweichend mit den Schultern. Ihm war dieses Thema etwas unangenehm. Warum mussten seine Geschwister auch in Anwesenheit seines Partners von seinen Exfreunden sprechen? Das war ziemlich unangebracht. „Naja, zum Beispiel wollte absolut alles ganz strikt getrennt bezahlen“, erklärte er schließlich. „Ich habe ihn mal bei einem Wocheneinkauf begleitet. Und als ich eine Packung Cracker, die nicht mal zwei Berry kostet, auf das Kassenband gelegt habe, hat er einen Warentrenner dazwischen getan. Das war schon echt seltsam.“ „Ernsthaft?“ Doflamingo brach in lautes Gelächter aus. „Hat dich das nicht gestört?“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Ich bin ein Mensch, der sich ungern einladen lässt oder Geschenke annimmt. Von daher hatte ich eigentlich nichts dagegen, getrennt zu bezahlen. Nur manchmal kam es mir komisch vor. Sabo war selbst bei absoluten Kleinigkeiten unfassbar geizig.“ „Erinnerst du dich noch daran, wie wir mal zu dritt in eine Diskothek gegangen sind?“, sagte Hancock und beugte sich ein klein wenig über den Tisch. „Ich weiß noch genau, dass er unbedingt vor zweiundzwanzig Uhr da sein wollte, weil bis dahin der Eintritt frei gewesen ist. Stundenlang waren wir praktisch die einzigen Gäste dort und haben uns furchtbar gelangweilt.“ Crocodile seufzte leise auf. Tatsächlich hatte er besagten Abend noch recht gut in Erinnerung. Ihm fiel außerdem noch eine andere Anekdote ein: „Einmal bat er mich darum für ihn eine Tasche zu kaufen. Die gab es nur im Ausverkauf in einem speziellen Laden am anderen Ende der Stadt. Ich bin mit dem Motorrad hingefahren und hab für neunundvierzig Berry diese blöde Tasche gekauft. Als ich sie ihm gab, fragte er mich, ob ich ihm einen Berry geben könnte. Dann könnte er mir ja nämlich glatt einen Fünzig-Berry-Schein zurückgeben.“ Die Geschichte sorgte für allgemeines Gelächter am Tisch. „Es wundert mich wirklich nicht, dass du es nicht lange mit diesem Typen ausgehalten hast“, meinte Doflamingo lachend. „Im Nachhinein kann ich gar nicht mehr genau sagen, was ich an Sabo gefunden habe“, gestand Crocodile und senkte den Blick. „Er ist ein wirklich komischer Typ gewesen.“ „Aber er war nun mal blond“, stichelte Shanks und stupste ihn mit dem Ellenbogen an. Crocodile gab sich schließlich geschlagen. „Ja und?“, erwiderte er, ohne den Blick mit Shanks zu kreuzen. „Dann habe ich halt eben gewisse Präferenzen. Was ist daran schlimm? Fast jeder hat bei der Partnerwahl einen bestimmten Typen.“ „Da hast du wohl Recht“, stimmte Doflamingo ihm zu. „Ich stehe zum Beispiel total auf lange Haare. Wenn eine Frau oder ein Mann raspelkurze Haare hat, ist man bei mir sofort unten durch.“ „Ich mag Männer, die eine Brille tragen“, schaltete sich Sondersonia ein. „Damit wirken sie irgendwie ruhig und gemütlich, finde ich. Nicht so prollig wie viele andere Männer.“ „Und ich“, meinte Shanks strahlend, „stehe auf Frauen mit großer Oberweite. Und Sinn für Humor!“ „Wenn Crocodile sich die Haare abschneiden würde“, fragte Mihawk mit ruhiger, interessierter Stimme, „würde er dir dann nicht mehr gefallen?“ Doflamingo zögerte. Crocodile, der diese Frage für ziemlich fies hielt, warf seinem älteren Bruder einen bösen Blick zu. Er fand es nicht fair, seinen Ehemann in eine solche Zwickmühle zu bringen. Und das auch noch vor ihren Freunden. „Ich liebe Crocodiles Haare“, meinte Doflamingo schließlich. „Und ich wäre alles andere als begeistert, wenn er auf einmal auf die Idee käme, sie sich raspelkurz schneiden zu lassen. Natürlich würde ich mich deswegen nicht von ihm trennen; unsere Beziehung basiert schließlich nicht bloß auf Äußerlichkeiten. Aber ich fände es sehr schade. Er hat so schönes Haar.“ Crocodile bemühte sich darum sich seine Verlegenheit nicht anmerken zu lassen. An Doflamingos Antwort hatte er nichts auszusetzen; er empfand dessen Einstellung als völlig legitim. Doch es war ihm immer ein wenig unangenehm, wenn sein Partner ihm in Anwesenheit von anderen Menschen Komplimente machte. Doch Mihawk legte den Kopf schief. „Und wenn er kurzes Haar gehabt hätte, als ihr euch kennengelernt habt... Hättest du dich trotzdem in ihn verliebt?“ Crocodile wollte seinen Bruder gerade entrüstet zurechtweisen, als sein Ehemann sagte: „Ja, definitiv. Ich habe mich doch in Crocodile verliebt, nicht bloß in seine Frisur. Mir hat sofort alles an ihm gefallen. Ich weiß noch, wie umwerfend ich ihn fand, als ich wir uns das erste Mal sahen. Sein Blick, seine blasse Haut und sein Geruch... Eigentlich entsprechen kurzhaarige Männer nicht meinem Geschmack. Aber als ich Crocodile kennenlernte, ging es um viel mehr als bloße Äußerlichkeiten. Es war die wahre Liebe. Und die lässt sich natürlich nicht durch einen schlechten Haarschnitt oder ein unpassendes Outfit beirren. Nichtsdestotrotz“, fügte er lustig grinsend an, „bin ich froh, dass er bisher noch nicht auf die Idee gekommen ist, sich eine Glatze zu rasieren.“ „Ich denke, das wird auch nicht passieren“, meinte Hancock, die ganz gerührt von Doflamingos offensichtlichen Liebesbekundungen war. „Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass Crocodile jemals kurze Haare gehabt hätte. Schon als Kind trug er sie allermindestens kinlang.“ „Können wir bitte das Thema wechseln“, bat Crocodile, den dieses Gespräch allmählich zu nerven begann. Es mochte wohl niemand, wenn andere Leute sich über seinen Haarschnitt ausließen. Doch Doflamingo grinste bloß. Natürlich interessiere es ihn nicht im Mindesten, dass seinem Ehemann diese Situation unangenehm war. Ganz im Gegenteil: Eher amüsierte er sich noch über seine Verlegenheit. ~ Mit einem leidenden Gesichtsausdruck betrachtete Crocodile den kleinen, schwarzen Sender, der in seiner Handinnenfläche lag. Er war so leicht, dass er sein Gewicht kaum spürte. Wie war es möglich, dass ein so unscheinbares Ding ihm so viel Kummer bereitete? Crocodile hielt sich auf seinem Balkon auf, der gleich an sein Lesezimmer grenzte. Das Wetter war sehr angenehm. Die Sonne schien, aber es war nicht schwül. Er saß in einem bequemen Sessel. Ein paar Vögel zwitscherten. Doch er fand keine Ruhe. Immer wieder kreisten seine Gedanken um den GPS-Sender. Ungemütlich saß er im Schneidersitz und betastete das kleine, schwarze Kästchen. Doflamingo hatte ihn dazu gedrängt, bei ihm Zuhause einzuziehen. Er hatte ihm nach noch nicht einmal einem Jahr Beziehung einen Heiratsantrag gemacht und darauf bestanden, dass die Hochzeit bald vollzogen wurde. Jetzt sprach er von Kindern. Obwohl er mir so wenig vertraut, dass er mein Auto per GPS überwachen lässt, sagte eine bitter klingende Stimme in Crocodiles Kopf. Er wurde abrupt aus seinen Gedanken gerissen, als er hörte, wie sich die gläserne Balkontüre öffnete. Plötzlich stand Doflamingo gleich neben ihm. In den Händen hielt er eine Flasche Wein und zwei Gläser. „Ich dachte, du könntest vielleicht ein Glas vertragen“, sagte sein Ehemann mit unbekümmerter Stimme und ließ sich ungebeten auf dem Sessel gegenüber von Crocodile nieder. Den Wein und die Gläser stellte er auf das kleine Tischlein zwischen ihnen ab. Ohne Crocodiles Reaktion abzuwarten, schenkte er in beide Gläser ein. „Du wirkst in letzter Zeit so angespannt.“ Doflamingo hielt einen kurzen Moment inne, griff nach einem der Weingläser, nippte daran und fragte anschließend: „Was hälst du da in der Hand?“ „Den GPS-Sender, den du an der Unterseite meines Mercedes angebracht hast“, antwortete Crocodile ohne nachzudenken. Das Weinglas in Doflamingos Hand zerplatzte mit einem lauten Knall. Die Augen seines Partners wurden durch die dunkel getönten Gläser seiner Sonnenbrille verdeckt, doch Crocodile benötigte nicht viel Fantasie, um sich seinen völlig entsetzten Blick vorzustellen. Doflamingo verschlug es nicht oft die Sprache, doch jetzt gerade brachte er kein einziges Wort hevor. Auch seine wegen der Glassplitter blutende Hand und sein durchnässtes Hosenbein schien er gar nicht zu registrieren. Mit einer Gelassenheit, die ihn selbst überraschte, legte Crocodile den Sender auf den Tisch neben die Weinflasche und blickte seinem Ehemann ins Gesicht. „Ich weiß, dass du diesen Sender schon kurze Zeit nach Beginn unserer Beziehung hast anbringen lassen. Was hast du dazu zu sagen?“ Doflamingo fing sich relativ schnell wieder. Er zog sich die beiden größten Splitter selbst aus der Hand, atmete ein paar Mal tief ein und aus, ehe er meinte: „Vertrauen entsteht erst mit der Zeit. Ich war von der ersten Sekunden in dich verliebt, Crocodile, aber natürlich kannte ich dich noch nicht gut genug, um dich richtig einschätzen zu können. In meinem Leben bin ich schon oft belogen und betrogen worden. Also hielt ich es für eine gute Idee diesen Sender anzubringen, um zu überprüfen, ob ich dir vertrauen kann oder nicht.“ „Du hast geglaubt, ich würde meine Nächte bei anderen Männern verbringen?“ Crocodile konnte kaum fassen, was sein Ehemann da sagte. Hatte er wirklich eine solch geringe Meinung von ihm? Hielt er ihn für einen Lügner und Fremdgänger? „Zu Beginn unserer Beziehung wolltest du nicht viel Zeit mit mir verbringen“, warf Doflamingo ihm vor. „Wir haben uns bloß zwei- oder dreimal in der Woche getroffen. Du hattest keine Lust darauf mich öfter zu sehen. Da habe ich angefangen, mir Gedanken zu machen“ „Damals haben wir auch noch nicht zusammen gelebt“, verteidigte sich Crocodile entrüstet. „Meine Wohnung lag fast ein Autostunde entfernt.“ „Es gibt viele Menschen, die einer Beziehung heutzutage keinen großen Stellenwert einräumen“, meinte Doflamingo. Er schien den Schock gut verdaut zu haben und klang sehr gefasst. Offenbar fühlte er sich völlig im Recht. „Ich hatte Angst, dass ich dir vielleicht nicht wichtig genug bin. Viele Leute treffen sich mit Liebhabern und haben Affären. Crocodile, du hast mir von Anfang an so am Herzen gelegen... Ich wollte einfach nur Gewissheit haben, dass da nichts ist!“ „Warum sollte ich mich mit einem Anderen treffen?“ Crocodile erschrak selbst darüber, wie verletzt seine Stimme klang. Es kam ihm so vor, als hätte ihm jemand den Boden unter den Füßen weggerissen. Insgeheim hatte er an die Vermutungen von Daz geglaubt. Dass Doflamingo den Sender angebracht hatte, weil er sich um ihn sorgte. Sicherlich hatte ein einflussreicher und reicher Geschäftsmann wie Donquixote Doflamingo viele Feinde. Die Vorstellung, dass sein Ehemann nicht chronisch eifersüchtig, sondern lediglich fürsorglich war, hatte ihn getröstet. Doch die Wahrheit war für Crocodile wie ein Schlag ins Gesicht. Es war Doflamingo nie um seine Sicherheit gegangen. Er befürchtete einfach bloß, dass er mit einem anderen Mann ins Bett stieg. Wie konnte Doflamingo es wagen, so von ihm zu denken? Noch nie in seinem Leben hatte Crocodile einen seiner Partner betrogen. Nicht einmal Enel. „Wenn wir beide einen Tag nicht zusammen waren, konnte ich nur an dich denken“, sagte sein Partner. „Es ist für mich völlig unbegreiflich gewesen, wieso du deine Freizeit nicht mit mir verbringen wolltest. Manchmal saß ich abends Zuhause und habe mich richtig elendig gefühlt, weil du nicht bei mir warst. Ich habe immer daran gedacht, wie gut du riechst und wie schön es sich anfühlt, wenn wir beide miteinander schlafen. Ich hatte Angst, dass du mich nicht wirklich liebst und bloß die Beziehung mit mir eingegangen bist, weil ich dich so sehr gedrängt habe. Und wenn ich dich angerufen habe und du mir gesagt hast, dass du heute keine Zeit hast, um dich mit mir zu treffen, konnte ich nicht verhindern, dass...“ Doflamingo wurde von der scheppernden Ohrfeige, die Crocodile ihm wutentbrannt verpasste, unterbrochen. Er hatte mit einer solchen Wucht zugeschlagen, dass er seinem Ehemann die lächerlich aussehende Sonnenbrille vom Gesicht gerissen hat. Ihre Blicke kreuzten sich. Wut pulsierte durch Crocodiles Körper; er konnte sie bis in seine Fingerspitzen fühlen. Es waren heiße Wellen, die immer stärker wurden. Völlig außer sich vor Zorn fixierte er das Gesicht seines Partners. Doflamingos Wange zierte ein dunkelroter Handabdruck. „Du verdammtes Arschloch!“, brüllte Crocodile und erhob sich vom Tisch, über den er sich eben gebeugt hatte. „Wie kannst du es wagen, so von mir zu denken! Nur weil du es nicht schaffst deinen Schwanz länger als drei Tage in deiner Hose zu behalten, heißt das nicht, dass das auch für mich gilt! Du bist derjenige von uns, der ständig seine Expartner betrogen hat. Du bist derjenige, der seine beste Freundin gefickt und mir davon kein Wort erzählt hat! Nicht ich! Noch nie...“ Er musste nach Luft schnappen, weil er so laut schrie und vor Wut zitterte. „Noch nie in meinem ganzen Leben hat mich jemand dermaßen beleidigt! Nicht einmal Enel hat jemals so etwas zu mir gesagt! Du bist ein Widerling, Doflamingo! Und nur weil du selbst immer der schlechteste Freund warst, den man sich vorstellen kann, glaubst du, dass ich genauso wäre. Das ist das Allerletzte!“ „Wani...“ Doflamingos bemühte sich darum leise zu sprechen. Er machte mit den Händen eine beschwichtigende Geste. Obwohl er gerade eben von seinem Ehemann ins Gesicht geschlagen wurde, schien er sich darum zu bemühen, nicht die Fassung zu verlieren. Offenbar wollte er verhindern, dass die Situation noch weiter eskalierte. „Diese Gedanken hatte ich zu Beginn unserer Beziehung. Doch irgendwann ist mir klar geworden, dass du anders bist. Anders als... als ich; in diesem Punkt hast du vielleicht nicht Unrecht. Ich habe begriffen, dass dein Libido schwächer ist als meins. Dir ist Sex nicht so wichtig wie mir. Deshalb habe ich nach fünf oder sechs Monaten aufgehört in den Verlauf des GPS-Senders zu schauen und....“ „So ist das also!“, zischte Crocodile. „Du hast gemerkt, dass ich im Gegensatz zu dir keinen Kreislaufkollaps bekomme, wenn ich nicht täglich ejakuliere! Und aus diesem Grund bist du zu dem Schluss gekommen, dass ich doch nicht mit fremden Männern ins Bett steige, sondern manchmal vielleicht einfach keinen Bock auf dich habe. Diese Erkenntnis hat ja auch bloß ein halbes Jahr gedauert, in dem ich permanent von dir überwacht wurde ohne es zu wissen! Dann wüsste ich gerne: Wenn dem so ist, wieso hast du den Sender nicht irgendwann wieder abgenommen? Warum fahre ich noch weitere eineinhalb Jahre mit einem verdammten GPS-Sender an meinem Auto herum? Offenbar bist du immer noch der Meinung, ich würde dich jederzeit betrügen!“ „Ich... Um ehrlich zu sein... Ich habe da nicht mehr so richtig dran gedacht“, sagte Doflamingo und warf ihm einen bitteren Blick zu. „Erst als ich von diesem Autounfall erfahren habe, in dem du verwickelt gewesen warst, fiel mir das mit dem Sender wieder ein.“ Plötzlich fiel es Crocodile wie Schuppen von den Augen. „Deshalb wolltest du dich damals um die Forderungen der Versicherung kümmern“, sagte Crocodile mit giftiger Stimme. Er fühlte sich verraten. „Darum hast du die 120.000 Berry bezahlt! Du wolltest diese Sache übernehmen, damit ich bloß nichts von dem GPS-Sender erfahre! Wie viel hast du der Werkstatt unter der Hand zusätzlich bezahlt, damit sie stillschweigen?!“ „Ich hätte das Geld auch bezahlt, wenn es den Sender nie gegeben hätte“, meinte Doflamingo und schluckte. Er versuchte nicht einmal zu leugnen, dass er Schmiergeld bezahlt hatte. „Trotz allem hast du den Sender nicht entfernen lassen“, zischte Crocodile und verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. Mit jedem neuen Detail, das er erfuhr, wurde er wütender. „Inzwischen wohnen wir zusammen und haben geheiratet und du überwachst mich immer noch mit einem beschissenen GPS-Sender!“ „Nein, das tue ich nicht!“ Nun erhob auch Doflamingo die Stimme. Er stand von seinem Sessel auf und warf Crocodile einen zornigen Blick zu. „Wenn ich dich immer noch überwachen würde, hätte ich doch wohl längst gewusst, dass der Sender nicht mehr an deinem Mercedes befestigt ist. Und ich hätte auch schon längst gewusst, dass du seit vielen Monaten nicht mehr bei der Bank, sondern bei Tom's Workers arbeitest. Ist dir das mal in den Sinn gekommen, verdammt noch mal?! Du bist wirklich nicht in der Position, um mir Geheimniskrämerei vorzuwerfen, Crocodile! Immerhin ist dir gekündigt worden und du hast dich um über eine halbe Millionen Berry verschuldet, ohne mir auch nur ein Wörtchen davon zu erzählen! Du hast mir nicht vertraut und mich belogen, Crocodile, also halte dich gefälligst zurück mit deinen Anschuldigungen!“ Das saß. Crocodile wandte den Blick ab und fuhr sich mit der rechten Hand über seine Augen, die sich heiß und schwer anfühlten. Er zitterte am ganzen Körper. „Ich habe mich dir anvertraut“, sagte Crocodile im Flüsterton. Er fühlte sich so schwach, dass er nicht lauter sprechen konnte. „Als mir gekündigt wurde, habe ich dir nichts erzählt, weil ich damals nicht so viel Vertrauen zu dir hatte wie ich es jetzt habe. Du hast Recht, wenn du sagst, dass Vertrauen erst mit der Zeit wächst. Doch irgendwann habe ich mir ein Herz gefasst und dir meine Lügen gebeichtet. Das hätte ich nicht tun müssen. Meine Schulden waren fast beglichen und meinen Jobwechsel hätte ich dir glaubhaft erklären können. Aber ich habe mich hundeelend dabei gefühlt. Ich wollte dich nicht länger anlügen. Ich war der Ansicht, dass du es verdient hättest, von mir mit Anstand behandelt zu werden und die Wahrheit zu erfahren. Ich habe meinen Fehler bereut und dir alles erzählt. Nur um jetzt zu herauszufinden, dass das Vertrauen nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Wir haben beide Fehler gemacht, Doflamingo. Aber du hast es nie für nötig gehalten, deine Fehler einzusehen und mit mir zu sprechen.“ Er zögerte für einen kurzen Moment, ehe er hinzufügte: „Ich weiß nicht, ob ich dir je wieder vertrauen kann, Doffy. Ob ich mit einem Menschen zusammen sein kann, der so geringschätzig von seinem eigenen Ehemann denkt.“ Doflamingo hob den Kopf. In seinen grünen Augen spiegelte sich die pure Verzweiflung. „Crocodile...“, flüsterte er und kam ein wenig näher. Crocodile wich dieselbe Anzahl Schritte zurück, bis er die gläserne Balkontüre in seinem Rücken spürte. Das fröhliche Gezwitscher der Vögel kam ihm plötzlich sehr weit weg vor. „Was soll das bedeuten, Crocodile? Bitte sag mir nicht... Sag mir nicht, dass es heißt... Bitte sag das nicht, Crocodile! Ich... Ich flehe dich an....! Bitte... Nein, tu mir das nicht an. Das... das darfst du mir nicht antun, Crocodile!“ Noch nie zuvor hatte Crocodile Doflamingo betteln hören. Er gab ein absolutes Bild des Elends ab. Aber Crocodile war so verletzt und wütend, dass er dem keine Beachtung schenkte. „Ich werde Hancock fragen, ob ich eine Weile bei ihr bleiben darf. Sie kann etwas Unterstützung sicher gut gebrauchen. Ich muss ein wenig nachdenken. Mir mal über einige Dinge klar werden.“ Mit diesen Worten öffnete er die Türe und stürzte in sein Lesezimmer. Draußen ließ er seinen am Boden zerstörten Ehemann zurück. bye sb Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)