Mesh Of Lies von kleines-sama (DoflamingoxCrocodile (AU)) ================================================================================ Kapitel 32: Kapitel 17 ---------------------- Crocodile fühlte sich wie betäubt. Es war, als würde er die Welt um sich herum durch einen dicken, grauen Schleier wahrnehmen. Das Weinen seiner kleinen Nichte kam ihm sehr weit weg vor, obwohl sie bloß wenige Schritte von ihm entfernt in ihrem Laufstall saß. Schwerfällig erhob Crocodile sich vom Sofa. Nozomi trug ein pinkes Shirt, das vorne mit einem lachenden Smiley bestickt worden war. Die Erinnerung daran, wie er gemeinsam mit Doflamingo dieses winzige Shirt zu einem horrenden Preis gekauft hatte, hinterließ ein stechendes Gefühl in seiner Brust. Das kleine Mädchen richtete sich mühevoll in seinem Laufstall auf und streckte beide Arme nach ihm aus, als es sein Gesicht erkannte. Leise seufzend hob Crocodile Nozomi hoch. Sie fühlte sich schwer an. Vage erinnerte er sich daran, dass Hancock irgendetwas von neun Kilogramm erwähnt hatte; doch dieses Gespräch schien Ewigkeiten zurückzuliegen, obwohl es nicht länger als eine Woche her sein konnte. Mit Nozomi im Arm ging Crocodile im Wohnzimmer auf und ab. Als sie sich nicht beruhigen ließ, kam er auf die Idee, einen Blick auf die Uhr zu werfen. Es war ein Uhr nachmittags. Ihm fiel ein, dass Hancock gesagt hatte, Nozomi würde zu dieser Zeit immer ihren Brei bekommen. Seine Schwester hatte die Hilfe, die er ihr angeboten hatte, dankend angenommen und ihn für ein paar Stunden mit ihrer Tochter alleingelassen. Sie nutzte die Gelegenheit, um in ihrem Nagelstudio nach dem Rechten zu sehen. Es dauerte nicht mehr lange bis zum ersten Geburtstag seiner Nichte; dann wollte Hancock gerne wieder in ihren Beruf zurückkehren. Hatte sie nicht erzählt gehabt, dass sie auf der Suche nach einer netten Kinderkrippe war? Crocodile erinnerte sich nicht mehr so ganz an das Gespräch, das er mit seiner Schwester geführt hatte. ~ Auf der Arbeit konnte er ein wenig klarer denken. In seinem Büro fühlte er sich deutlich wohler als in Hancocks Haus. Der Geruch von Papier frisch aus dem Drucker und staubigen Aktenordnern half ihm dabei, bei sich zu bleiben. Trotzdem machte er immer öfter Fehler. Er vergaß sogar wichtige Telefontermine mit einigen Kunden. Foxxy, der Hersteller von elektronischem Kinderspielzeug, war so erbost darüber, dass er bei seinem Chef Franky anrief, um sich über ihn zu beschweren. Zum Glück war der zu diesem Zeitpunkt gar nicht da gewesen. Stattdessen hatte Kiwi den Anruf entgegengenommen. Doch obwohl Crocodile sich sicher war, dass sie Franky nichts davon erzählt hatte, fühlte er sich hundeelend. Er unterschrieb gerade ein paar wichtige Dokumente (es tat weh, den Namen Donquixote Crocodile auf die Papiere setzen zu müssen), als Kiwi und Mozz in sein Büro kamen und die Türe leise hinter sich schlossen. Mozz hielt in ihren Händen ein Tablett, auf dem zwei Tassen Kaffee und ein Glas stilles Mineralwasser standen. Crocodile, der ahnte, worauf die beiden Sekretärinnen hinauswollten, bedeckte seine Augen mit der rechten Hand. Er fühlte sich schwach und ausgebrannt und war in keinster Weise bereit zu einem solchen Gespräch. „Wir wollten mal nachfragen, ob bei dir alles in Ordnung ist“, meinte Kiwi mit weicher Stimme und bestätigte damit sogleich Crocodiles Befürchtung. „Du wirkst seit ein paar Wochen ziemlich niedergeschlagen“, fuhr Mozz fort. Die beiden ließen sich ungebeten auf der anderen Seite seines Schreibtisches nieder. „Ist irgendetwas passiert?“ Crocodile nahm die Hand wieder herunter. Stattdessen griff er nach einem Kugelschreiber, der neben seiner Tastatur lag. Aus Erfahrung wusste er, dass es ihn beruhigte, wenn er in unangenehmen Situationen einen Gegenstand festhalten konnte. Er gab sich selbst zwei tiefe Atemzüge, ehe er mit möglichst gefasst klingender Stimme meinte: „Kiwi, Mozz, ihr wisst, dass ich euch beide wirklich sehr schätze. Und ich danke euch für eure Fürsorge. Aber ich denke, dass meine privaten Probleme nicht hierher gehören.“ „Wir sehen uns jeden Tag mindestens acht Stunden“, erwiderte Kiwi und ließ ihn nicht aus den Augen. „Glaubst du, wir können einfach ignorieren wie es dir geht?“ „Du hast nicht bloß einfach einen schlechten Tag“, fügte Mozz hinzu. „Dir geht es schon seit Wochen dreckig. Wir sind doch nicht blind. Und wir machen uns Sorgen. Du kannst ruhig mit uns sprechen, Crocodile.“ Crocodile senkte seinen Blick. Als er ihn wieder hob, schaute er Kiwi und Mozz ins Gesicht. Die beiden Schwestern sahen sich unfassbar ähnlich. Hätten die beiden keine unterschiedlichen Frisuren, könnte er sie wohl kaum auseinanderhalten. „Ich... es... ich habe zurzeit ein paar Probleme mit meinem Ehemann“, sagte er schließlich. „Es tut mir leid, dass meine Arbeit darunter leidet.“ Kiwi und Mozz blickten ihn aufmerksam schweigend an. Offenbarten warteten sie darauf, dass er fortfuhr. Crocodile klickte einmal mit dem Kugelschreiber. Er fühlte sich schrecklich unwohl. „Ich habe ihm gesagt, dass ich Abstand brauche und wohne deshalb seit drei Wochen bei meiner Schwester“, erklärte er schließlich. „Nun ja... und bisher bin ich noch nicht wirklich weitergekommen.“ Crocodile fand, dass dies mehr als genug Informationen waren. „Oh nein“, sagte Kiwi und setzte einen mitfühlenden Gesichtsausdruck auf. „Ihr seid doch noch nicht lange verheiratet gewesen! Du Armer!“ „Ich weiß, wie du dich fühlst“, fügte Mozz hinzu. „Ich bin auch mal von einem Mann betrogen worden. Drei Jahre waren wir zusammen. Es hat sich herausgestellt, dass er seit sechs Monaten eine Affäre mit einer Arbeitskollegin hatte. Für mich brach eine Welt zusammen. Ich kann verstehen...“ „Nein“, unterbrach Crocodile sie rasch und winkte ab. „Doflamingo hat keine Affäre; das ist es nicht. Es geht um eine andere Sache.“ „Hat er dich belogen?“ „Im Grunde schon“, antwortete Crocodile. Er legte den Kugelschreiber zur Seite und und griff nach dem Glas Wasser. „Aber letztendlich ist seine Eifersucht das Hauptproblem gewesen. Und... nun ja... ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich jetzt tun soll. Ich hätte ihm das, was geschehen ist, niemals zugetraut.“ „Hat er dein Handy oder deinen PC durchsucht?“, horchte Kiwi nach. „Manche Menschen verlangen ja Zugang zu allen Informationen, wenn sie in einer Beziehung sind...“ „Er hat einen GPS-Sender an mein Auto angebracht.“ Plötzlich brach es auch Crocodile heraus. Er konnte es nicht verhindern. „Schon ganz zu Beginn unserer Beziehung. Und er hat diesen Sender nie abgenommen oder mir irgendwann mal davon erzählt... Diese Sache ist erst herausgekommen, als ich den Sender zufällig entdeckt habe.“ Entsetzen und Unverständnis waren in Kiwis und Mozz' Gesichtern zu sehen. „Er hat dich die ganze Zeit lang ohne dein Wissen per GPS überwacht?!“ Crocodile nickte beklommen. „Als ich ihn zur Rede stellte, hat er sich sogar noch verteidigt. Ich... ich meine... mir war immer bewusst, dass Doflamingo kein einfacher Mann ist. Aber so etwas habe ich nicht erwartet. Und ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin verschwunden und komme momentan bei meiner Schwester unter.“ „Hast du ihn seitdem noch einmal gesehen?“, wollte Kiwi wissen. Sie wirkte völlig überwältigt. „Nein“, sagte Crocodile mit leiser Stimme. „Er hat versucht mich zu erreichen... aber ich habe mir ein neues Handy mit einer neuen Nummer zugelegt. Ich bin seitdem auch nicht mehr Zuhause gewesen. Ich habe mir alles, was ich im Alltag brauche, einfach neu gekauft. Ihr wisst schon: Kleidung, Rasierer und so weiter. So konnte ich eine Begegnung mit ihm bisher vermeiden.“ Mozz bedeckte den Mund mit ihrer Hand. „Oh, Crocodile, das hört sich ja schrecklich an...! Gibt es irgendetwas, was wir tun können? Brauchst du vielleicht eine oder zwei Wochen Urlaub, um deine Angelegenheiten zu ordnen? Eigentlich können wir nicht auf dich verzichten, aber wenn wir mit Franky sprechen, dann...“ „Nein“, winkte Crocodile sofort energisch ab. „Ich will keinen Urlaub. Ich bin mir dessen bewusst, dass meine Arbeitsleistung zurzeit unter meinem Niveau ist. Aber Zuhause... also... bei Hancock Zuhause werde ich verrückt. Hier geht es mir viel besser.“ Kiwi nickte verständnisvoll. „Wenn wir dir irgendwie helfen können, Crocodile, dann gib uns bitte Bescheid, ja?“ ~ In Hancocks hübschem, heimelig eingerichtetem Haus fiel ihm die Decke auf den Kopf. Crocodile hatte sich inzwischen daran gewöhnt, von seinem Ehemann ständig zu Disko-, Kino- oder Restaurantbesuchen genötigt zu werden. Doch seit vier Wochen pendelte er bloß zwischen seinem Arbeitsplatz und dem Heim seiner Schwester hin und her. Und abgesehen von Mihawk, der manchmal vorbeischaute, hatte er auch keinen Besuch empfangen. Crocodile gab es nur ungern zu, doch er vermisste die lustigen Abende, die er gemeinsam mit Doflamingo und ihren Freunden in Shakky's Bar verbracht hatte. Nachmittags und am Wochenende ließ Hancock ihn häufig für einige Stunden mit Nozomi alleine, weil sie sich um ihr Nagelstudio kümmern musste. Crocodile machte ihr keinen Vorwurf (schließlich hatte er ihr seine Hilfe angeboten), doch um ehrlich zu sein, fühlte er sich dann oft einsam. An diesem Samstagvormittag beschloss Crocodile etwas zu tun, was er sehr lange nicht mehr getan hatte. Er setzte Nozomi in ihren Kinderwagen und ging draußen an der frischen Luft eine Runde spazieren. Es war ein heller, freundlicher Tag und Crocodile folgte ohne nachzudenken dem Weg, den seine Füße ihm vorgaben. Irgendwann erreichte er eine kleine Parkanlage, in deren Mitte sich ein See befand. Bunte Enten watschelten am Ufer entlang. Weil das Wetter so schön war, waren hier viele Menschen unterwegs. Verliebte Paare und Familien mit kleinen Kindern und Hunden. Crocodile, der so viel Trubel nicht leiden konnte, hielt nach einem abgeschiedenen Plätzchen Ausschau. Schließlich fand er eine kleine Holzbank, die versteckt hinter ein paar Bäumen gleich in Ufernähe stand. Crocodiles Blick wanderte hinüber zu Nozomi, die gut gelaunt in ihrem Kinderwagen saß. Plötzlich musste er daran denken, wie er gemeinsam mit seinem Ehemann den teuren Wagen gekauft hatte. Er erinnerte sich daran, dass die Verkäuferin im Babyfachgeschäft sie beide für werdende Eltern gehalten hatte. Und Doflamingo hatte mitgespielt. Crocodile konnte nicht verhindern, dass ein schwaches Lächeln über seine Mundwinkel huschte. Nozomi gab eine Reihe von brabbelnden Geräuschen von sich. Mit ihren blauen Augen musterte sie neugierig ihre Umgebung. Zum Glück war Crocodiles Wunsch wahr geworden: Sie sah ihrer hübschen Mutter ausgesprochen ähnlich; von Luffy hatte sie kaum etwas an sich. Leise seufzend hob Crocodile seine Nichte aus dem Kinderwagen und setzte sich sie sich auf den Schoß. Sie trug ein pinkes Kleidchen, das selbstverständlich ebenfalls Doflamingo gekauft hatte. Unweigerlich fragte Crocodile sich, Nozomi auch Kleidungsstücke im Schrank hatte, die sie nicht von seinem übermütigen Ehemann geschenkt bekommen hatte. Es verging vielleicht eine Viertelstunde, ehe Crocodile plötzlich auffiel, dass er sich nicht zum ersten Mal an diesem kleinen See aufhielt. Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus, als ihm klar wurde, dass er nach seinem Streit mit Hancock hierher geflohen war. War es nicht sogar genau dieser Platz gewesen, an dem am Ende Doflamingo ihn gefunden hatte? Crocodile blickte sich zaghaft um. Doch, es musste so sein: Er konnte sich sehr genau daran erinnern, wie er dort drüben ein Entenpärchen entdeckt hatte. Überraschend gut hatte er die braune Entendame und ihren bunten Partner in Erinnerung. Crocodile blickte vorsichtig nach links und rechts, ehe er Nozomi, die auf seinem Schoß zappelte, auf die Wiese setzte. Während das kleine Mädchen lachend die kitzelnden Grashalme betatschte, zündete Crocodile sich eine Zigarre an und nahm einen tiefen Zug. Der altbekannte Geschmack des teuren Tabaks beruhigte ihn ein wenig. Wehmütig betrachtete er Nozomi, die auf der Wiese umherkrabbelte und versuchte gelbe Löwenzahnblüten (und einmal auch einen Marienkäfer) in den Mund zu nehmen. Es überraschte ihn, doch es erstaunte ihn nicht, als er hinter sich ein paar Zweige knacken hörte. Crocodile brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer dort drüben stand. Genauso wie Doflamingo den Qualm seiner Zigarre roch, konnte er das fruchtig-süße Parfuem seines Partners wahrnehmen. Für eine Weile sagte keiner von ihnen beiden ein Wort. Doch irgendwann ließ Doflamingo sich stumm neben ihm auf der Bank nieder. Nicht zu nah; er hielt einen kleinen Abstand ein. So als wären sie kein Ehepaar, sondern bloß zwei Fremde, die sich zufällig begegneten. Lange (Crocodile konnte nicht sagen wie lange; vielleicht eine Stunde, vielleicht auch nur fünf Minuten) saßen sie stumm nebeneinander und sprachen kein Wort. Das einzige Geräusch, das sie hörten, war Nozomis zufriedenes Schmatzen, als sie sich ein bisschen Erde in den Mund stopfte. „Es tut mir leid.“ Crocodile war sich nicht sicher, ob er sich diese Worte bloß eingebildet hatte oder ob sein Ehemann sie tatsächlich ausgesprochen hatte. Aufmerksam drehte er seinen Kopf nach links. Es schockierte ihn, wie miserabel und jämmerlich Doflamingo aussah. Sein normalerweise sonniger, hellbrauner Teint war verflogen; stattdessen wirkte seine Haut ungesund blass und fahl. Seine Augen waren bläulich umschattet. Obwohl er seine Sonnenbrille trug, konnte Crocodile die tief liegenden Schatten überdeutlich erkennen. Er grinste nicht und lächelte auch nicht. Mit hängenden Schultern und überkreuzten Knöcheln bot er ein Bild des Elends. So hatte Crocodile seinen Ehemann noch nie erlebt. „Es tut mir leid“, wiederholte er mit schwacher, leiser Stimme und ohne zu ihm hinüber zu schauen. „Ich weiß, die Chancen, dass du mir irgendwann verzeihst, sind gering. Ich kann es dir nicht einmal verübeln, Crocodile. Aber ich will, dass du weißt, dass... es mir ehrlich leid tut. Was ich getan habe, war falsch. Das habe ich nun erkannt.“ Als Crocodile schwieg, fuhr Doflamingo zögerlich fort: „Du trägst keine Schuld. Du hast nichts getan, was es gerechtfertigt hätte, einen Sender an dein Auto anzubringen. Du wärst nie auch nur auf die Idee gekommen etwas mit einem anderen Mann anzufangen, während du in einer Beziehung mit mir bist. Ich war... ein Idiot. Verblendet. Ich bin ein nymphomanischer Dummkopf gewesen, der nicht dazu in der Lage war zu erkennen, dass sein Partner ein viel besserer Mensch ist als er selbst. Du bist ein liebevoller, ehrlicher Mann und hast es nicht verdient so hintergangen zu werden. Ich war zerfressen von Eifersucht und irrationalen Ängsten. Es tut mir leid, Crocodile. Wahrscheinlich ist es jetzt sowieso zu spät für uns beide, aber ich muss es dir trotzdem sagen: Es tut mir leid. Und ich hoffe, dass du mir irgendwann verzeihen kannst.“ Crocodile setzte die Zigarre an seine Lippen und nahm einen tiefen Zug. Er schloss für einen kurzen Moment die Augen. Während er einen Rauchring in die Luft bließ, nahm er überdeutlich das Gequake der Enten und Nozomis Gebrabbel war. „Woher weiß ich, dass du diese Entschuldigung ernst meinst?“, fragte er schließlich mit ruhiger Stimme. „Vielleicht versuchst du ja bloß, mich auf diese Tour wieder zurückzubekommen?“ Doflamingo seufzte gequält auf und begrub sein Gesicht in den Händen. Crocodile konnte nicht verhindern, dass er ein Quentchen Mitleid für seinen gebeutelten Ehemann empfand. „Es gibt keine Möglichkeit dir einen Beweis zu liefern“, antwortete Doflamingo verzweifelt. „Ich kann bloß darauf hoffen, dass du mir glaubst. Aber ich werde meine Entschuldigung nicht zurücknehmen, auch wenn du dich gegen mich entscheidest. Mir ist es wichtig, dass du weißt, wie leid es mir tut. Ich sage das nicht, um meine Chancen bei dir zu erhöhen. Ich sage es, weil ich es ehrlich so meine und weil du es verdient hast.“ Doflamingos Worte rührten Crocodile, doch er war zu stolz und zu argwöhnisch, um seinem Partner einfach zu vergeben. „Als ich mit Enel zusammen war“, sagte er mit ruhiger Stimme, „kam Enel nach einem Streit oft zu mir und entschuldigte sich. Er sagte immer, dass er einen Fehler gemacht hätte und sich ändern würde. Bis er mich beim nächsten Streit dann wieder verprügelte. Jedes Mal lief es so ab. Selbst als es schwer wurde an meinem Körper noch eine heile Stelle zu finden, brachte ich es nicht über mich unsere Beziehung zu beenden.“ „Das kannst du nicht vergleichen!“, warf Doflamingo entsetzt ein. „Ich würde dir niemals wehtun, Crocodile! So ein Mensch bin ich nicht. Das weißt du!“ „Und ich bin auch nicht mehr derselbe Mensch wie damals.“ Sein Magen schmerzte, als er diese Worte aussprach. Doch Crocodile blieb standhaft. Er ignorierte die Schmerzen in seinem Bauch, als er weitersprach: „Ich bin nicht mehr so leichtgläubig und naiv wie damals. Ich werde mich niemals wieder in so eine Situation bringen.“ „Es ist nicht richtig, dass du mich für das, was Enel dir angetan hat, büßen lässt“, erwiderte sein Ehemann mit verzweifelter Stimme. „Crocodile... Wani...“ Das tat weh. Als er den Kosenamen hörte, den Doflamingo am liebsten für ihn verwendete, zogen sich Crocodiles Eingeweide schmerzhaft zusammen. Für einen Moment keimte in ihm das Verlangen auf, Doflamingo an seinen Haaren zu packen und ihn zu küssen. Doch er hatte sich gut unter Kontrolle. Anstatt seinem Ehemann in die Arme zu fallen, umkrallte er mit der rechten Hand die Kante der Holzbank, auf der sie beide saßen. „Und wenn ich dir zeigen würde, dass ich mich ändere?“ Doflamingo wollte einfach nicht aufgeben. „Ich habe mit einem Psychologen gesprochen. Er meinte, die Ursache für meine Eifersucht... meiner krankhafte Eifersucht... könnte in meinen Verlustängsten liegen. Du weißt schon... wegen meinen Eltern und meinem kleinen Bruder. Man kann das behandeln. Wenn du möchtest, Crocodile, dann gehe ich regelmäßig zur Therapie. Ich würde keinen Termin verpassen. Meine Eifersucht... meine Angst, dass du dich von mir abwenden könntest... ist krankhaft. Und was krankhaft ist, lässt sich auch heilen. Ich bin mir sicher, dass wir dieses Problem in den Griff kriegen würden.“ Crocodile stöhnte gequält auf; er ließ von dem harten Holz der Bank ab und bedeckte mit der Hand stattdessen sein Gesicht. Fast verbrannte er sich an der glühenden Zigarre, die immer noch in seinem Mund steckte. Es war typisch für Doflamingo, dass er eine Absage nicht einfach hinnehmen konnte. Nie gab er auf. Immer bohrte er weiter nach und strapazierte seine Nerven, bis sein Widerstand irgendwann zu bröckeln begann. Wie damals, dachte Crocodile und konnte ein winziges Lächeln nicht unterdrücken, als er ihn immer wieder um Date gebeten hatte, nachdem sie sich bei einem Geschäftsessen kennengelernt hatten. „Hast du mit dieser Therapie schon angefangen?“, wollte Crocodile schließlich wissen. „Wenn du möchtest, dann mache ich gleich für heute Abend die erste Sitzung aus“, antwortete Doflamingo sofort. „Bitte, Crocodile: Gib mir wenigstens eine Chance, um mich zu beweisen. Ich werde alles tun, was nötig ist, um unsere Ehe zu retten.“ „Ich möchte nichts überstürzen“, bremste Crocodile seinen Ehemann. „Sondern abwarten und sehen, was die Zeit bringt.“ „Noch länger warten?“, jammerte Doflamingo. „Ich habe dich seit über einem Monat nicht zu Gesicht bekommen...“ Er wollte nach seinem linken Unterarm greifen, doch Crocodile zog ihn hastig weg. Er könnte es jetzt nicht ertragen, wenn Doflamingo ihn berührte. Vor allem nicht so nah an seinem Armstumpf. Als er seine Zurückhaltung bemerkte, senkte sein Ehemann den Blick. Crocodile konnte es trotz der Sonnenbrille erkennen. Nachdem sie nun schon länger als zwei Jahre zusammen waren, war es für ihn ein Leichtes die Mienen seines Partners zu deuten. „Ich werde mich nicht aufdrängen“, sagte Doflamingo. Crocodile war sich nicht sicher, ob er zu ihm oder zu sich selbst sprach. Anschließend hob er den Blick und bat: „Nur... könnte ich vielleicht deine neue Handynummer bekommen? Ich fände es wirklich schön, wenn wir wenigstens mal telefonieren könnten. Einfach über den Alltag reden.“ „Da gibt es nicht viel zu erzählen“, erklärte Crocodile und blickte hinüber zu Nozomi, die im Gras saß und fröhlich gluckte. „Im Moment verbringe ich nach der Arbeit die meiste Zeit mit Nozomi.“ „Sie ist gewachsen“, stellte Doflamingo mit wehmütiger Stimme fest. „Ein Monat ist eine lange Zeit für ein Baby. Sie hat sich verändert, seitdem ich sie das letzte Mal gesehen habe.“ „Findest du?“ Crocodile zog eine Augenbraue hoch und betrachtete seine Nichte etwas genauer. Um ehrlich zu sein, fiel ihm kein Unterschied auf. Aber für solche Dinge hatte er sowieso kein Auge. Angesichts seiner Reaktion brach Doflamingo in sanftes Gelächter aus. Es war ein schönes Geräusch. Es weckte Sehnsüchte in Crocodile. Er vermisste seinen ständig grinsenden, neckischen Ehemann ganz schrecklich. „Darf ich sie mal hochnehmen?“ Doflamingos Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Zuerst verstand er gar nicht, worauf sein Ehemann hinaus wollte. Erst als er bemerkte, dass dieser immer noch zu Nozomi schaute, wurde es ihm klar. „Natürlich“, antwortete er hastig. „Das brauchst du mich doch nicht zu fragen. Du bist ihr Onkel.“ Seine Worte schienen Doflamingo zu freuen. Sofort ging er zu Nozomi hinüber, um sie auf seinen Arm zu heben. Leider fing das kleine Mädchen ängstlich zu schreien und zu weinen an, kaum hatte Doflamingo es hochgenommen. „Was hat sie denn auf einmal?“ Dieses Verhalten war sehr untypisch für Nozomi. Eigentlich liebte sie Doflamingo über alles. Früher hatte es nie ein Problem gegeben, wenn er sie getragen hatte. „Vielleicht erkennt sie dich nicht?“, mutmaßte Crocodile. Er stand von der Bank auf, löschte seine Zigarre und ging zu den beiden hinüber. „Sie hat dich jetzt über vier Wochen nicht gesehen. Für sie ist das eine lange Zeit.“ Nozomi beruhigte sich schlagartig, als Crocodile sie übernahm. Seine Fingerspitzen berührten kurz Doflamingos, als dieser mit einem bitteren Gesichtsausdruck ihre Nichte an ihn übergab. „Nimm es nicht persönlich“, versuchte Crocodile seinen Ehemann ein wenig zu trösten. Er wusste, dass Doflamingo sehr an dem kleinen Mädchen hing. „Bei mir würde sie genauso reagieren, wenn ich sie eine längere Zeit nicht gesehen hätte.“ „Ja“, sagte Doflamingo und fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes, blondes Haar. Er wirkte schrecklich niedergeschlagen. „Das verstehe ich schon.“ „Du könntest uns ja vielleicht mal besuchen.“ Ehe Crocodile es verhindern konnte, waren die Worte schon aus seinem Mund gekommen. „Hancock und mich. Sie würde sich bestimmt freuen, dich zu sehen.“ Es wunderte ihn nicht, dass Doflamingo sein Angebot begeistert annahm. „Das wäre wundervoll“, meinte er sofort und nickte hastig. „Deine Geschwister fehlen mir auch sehr. Für mich sind sie längst zu einem Teil meiner Familie geworden - so wie du.“ Crocodile schluckte. Er fragte sich, ob es nicht vielleicht ein Fehler gewesen war, seinen Ehemann einzuladen. Sicherlich würde Doflamingo sich Hoffnungen machen. Doch Crocodile war sich nicht sicher, ob er je dazu in der Lage sein würde, wieder in einer Beziehung mit ihm zu leben. „Ich sollte jetzt langsam nach Hause... Also, du weißt schon, zurück zu Hancock“, sagte Crocodile. „Sie ist bestimmt schon wieder da und fragt sich, wo wir sind.“ Er ging hinüber zum Kinderwagen und setzte seine Nichte hinein. Nozomi, die wohl darauf gehofft hatte weiter auf der Wiese spielen zu dürfen, zog ein grimmiges Gesicht. Unweigerlich fragte Crocodile sich, ob die Löwenzahnblüten, die sie sich fröhlich in den Mund geschaufelt hatte, so gut geschmeckt hatten. „Ich bin mit dem Auto hier. Ich könnte euch bei Hancock Zuhause absetzen“, bot Doflamingo ihm an. Crocodile schüttelte den Kopf. „Nein, danke“, lehnte er hastig ab, „es ist nicht weit von hier.“ „O-okay.“ Doflamingo schien nicht so recht zu wissen, wie er reagieren sollte. „Dann, ähm... bis später. Bestimmt kann ich morgen oder übermorgen einen kleinen Besuch bei Hancock einrichten.“ „Ja“, sagte Crocodile. Er hatte genausowenig wie Doflamingo eine Ahnung, was er nun am besten sagen sollte. „Bis dann.“ Als Crocodile Hancocks Haus betrat, stellte er fest, dass seine Schwester doch noch nicht zurück war. Er hob Nozomi aus dem Kinderwagen und setzte sie in den Laufstall, ehe er sich kraftlos auf dem Sofa fallen ließ. Sein Körper fühlte sich schwach an; als befänden sich darin keine harten Knochen, sondern nur eine wabbelige Masse. Erschöpft legte Crocodile den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Seine Begegnung mit Doflamingo kam ihm plötzlich sehr surreal vor. Er hatte seinen Ehemann über einen Monat lang nicht gesehen... und nun trafen sie sich zufällig im Park. Aber es war eine ganz besondere Stelle, rief er sich ins Gedächtnis. Dort hatte Doflamingo ihn aufgegriffen, nachdem er sich mit Hancock gestritten hatte. Bei der er Trost gesucht hatte, nachdem er herausfand, dass sein Ehemann kurz vor Beginn ihrer Beziehung Sex mit seiner besten Freundin gehabt hatte. Eine komplizierte Geschichte. Unweigerlich fragte Crocodile sich, ob Doflamingo öfters dorthin kam. Er seufzte, richtete sich auf dem Sofa auf und holte sein Handy aus seiner Hosentasche hervor. Hancock hatte ihm eine Nachricht geschrieben. Im Nagelstudio gab es viel zu tun und sie würde etwas später nach Hause kommen. Er hatte sich nach seiner Trennung von seinem Ehemann ein neues Handy zugelegt, nachdem dieser nicht aufgehört hatte ihn mit Anrufen und Textnachrichten zu bombardieren. Wie auch bei seinem alten Handy hatte er die Nummern der wichtigsten Menschen in seinem Leben über Kurzwahltasten gespeichert: Auf der 1 war die Nummer von seinem Bruder Mihawk gespeichert, auf der 2 die von seiner Schwester Hancock und auf der 3 die Nummer von seinem Studienkollegen Daz. Früher hatte seine Sekretärin Robin die 4 und Doflamingo die 5 gehabt, doch weil das nun keinen Sinn mehr machte, hatte Crocodile darauf verzichtet diese beiden Kurzwahltasten zu vergeben. Nico Robin war nicht länger seine Sekretärin und Donquixote Doflamingo nicht länger sein... Partner. Sie beide waren immer noch verheiratet. Crocodile war überhaupt nicht auf die Idee gekommen, sich scheiden zu lassen. Ihm fehlte die nötige Energie, um sich mit einem Anwalt und dem ganzen Papierkram auseinanderzusetzen. Eine Scheidung bedeutete immer eine Menge Aufwand; vor allem natürlich, wenn man sich von einem Multimillionär scheiden ließ. Aber... er hatte es auch nicht gewollt. Um ehrlich zu sein, hatte er überhaupt nicht daran gedacht. Sich von seinem Ehemann vor Gericht scheiden zu lassen, war gar keine Option gewesen, die er im Kopf hatte. Lag es daran, dass er Doflamingo immer noch liebte? Oder war er einfach bloß zu verletzt und durcheinander gewesen? Crocodile betrachtete den Display seines Handys. Wie von selbst bewegten sich seine Finger und fügten Doflamingo mit seiner Handynummer als neuen Kontakt in das Adressbuch ein. Doch die Kurzwahltaste Nummer 5, wie früher, vergab er nicht an ihn. Hancock kam spät am Abend nach Hause. Sie wirkte geschafft, aber auch glücklich. Aufgeregt erzählte sie von dem Besuch in ihrem Nagelstudio. „Der Betrieb läuft wirklich gut. Zum Glück sind mir viele Stammkunden erhalten geblieben. Es sieht ganz so aus, als könnte ich zusammen mit meiner Vertretung weiterarbeiten und das Studio sogar vergrößern. So wie Doflamingo es damals vorgeschlagen hat.“ „Das sind ja tolle Neuigkeiten“, meinte Crocodile. „Apropos Doflamingo... ich, ähm... wir haben uns heute gesehen. Und, nun ja, es könnte sein, dass er morgen oder übermorgen zum Essen kommt. Ich hoffe, dass das okay für dich ist. Mir ist erst im Nachhinein aufgefallen, dass es ziemlich unhöflich gewesen ist, ihn ohne dich zu fragen hierher einzuladen.“ Doch seine Schwester wirkte überhaupt nicht verärgert. Ganz im Gegenteil: Sie setzte eine begeisterte Miene auf: „Das ist ja wundervoll, Crocodile! Konntet ihr beide euch wieder vertragen?“ „Nein“, antwortete Crocodile sofort. „Er... er hat sich bei mir entschuldigt. Aber vertragen haben wir uns nicht.“ „Oh...“ Hancocks erfreutes Lächeln erstarb auf ihren Lippen. „Nun ja, ihr beide habt euch wochenlang nicht gesehen. Ich denke, ihr braucht einfach noch etwas Zeit, um zueinander zu finden. Aber ich finde es gut, dass ihr wieder miteinander redet und dass Doflamingo zu Besuch kommen wird.“ „Mach dir nicht zu viele Hoffnungen“, gab Crocodile mit gesenktem Blick zurück. „Mir ging es hauptsächlich darum, dass er die Möglichkeit bekommt, Zeit mit dir und deiner Tochter zu verbringen. Er ist lange eine wichtige Bezugsperson für Nozomi gewesen und ich finde es nicht richtig, ihm den Kontakt zu verwehren.“ Hancock nickte. „Er... Ihr beide seid mir wirklich eine große Hilfe gewesen. Ich bin euch sehr dankbar, dass ihr mich mit Nozomi immer so gut unterstützt habt. Ich weiß gar nicht, was ich ohne euch gemacht hätte.“ Crocodile winkte ab. „Nein, du musst dich nicht bedanken. Das ist doch selbstverständlich.“ „Sogar in deiner momentanen Lage passt du ständig auf Nozomi auf“, redete Hancock weiter auf ihn ein. „Ohne deine Hilfe wäre es mir gar nicht möglich gewesen, heute so viel Zeit im Nagelstudio zu verbringen und all die Vorbereitungen zu treffen.“ „Ich finde es gut, dass du in deinen Beruf zurückkehren möchtest“, erklärte Crocodile. „Und natürlich unterstütze ich dich, wo ich kann.“ Hancock nickte. „Ich freue mich schon sehr darauf wieder zu arbeiten. Ich liebe Nozomi und mir ist es sehr wichtig gewesen, dass sie ihr erstes Lebensjahr mit mir verbringen konnte. Aber allmählich fällt mir die Decke auf den Kopf. Ich... Manchmal denke ich, dass ich eine schlechte Mutter bin. Weil ich mich darauf freue, dass Nozomi bald in die Krippe geht und ich wieder arbeiten kann. Eigentlich möchte man ja so viel Zeit wie möglich mit seinem Kind verbringen...“ „Du bist eine gute Mutter“, warf Crocodile sofort ein. „Schlag dir diese negativen Gedanken gleich wieder aus dem Kopf, Hancock. Du hast es nicht leicht gehabt. Du bist in der Schwangerschaft verlassen worden und standest plötzlich völlig allein da mit deinem Kind und deinem Nagelstudio. Aber du hast eine Lösung gefunden, die allen gerecht geworden ist. Du solltest stolz auf dich sein.“ Crocodile stellte bestürzt fest, dass er mit seinen Worten seine Schwester zum Weinen gebracht hatte. Unvermittelt brach Hancock vor ihm in Tränen aus. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte. Hatte er etwas Falsches gesagt? „Ich danke dir“, schluchzte Hancock und wischte sich mit dem Ärmel ihrer Bluse über die tränennassen Augen. „Du bist der beste Bruder, den man sich wünschen kann.“ „Lass das nicht Mihawk hören.“ „Nein, ich...“ Hancock lächelte. „Ihr beide seid tolle Brüder. Aber du... du hast in deinem Leben so viele schlimme Dinge erlebt, Crocodile... Ich meine... Du wurdest von unseren Eltern verstoßen... Hast bei einem Unfall deine Hand verloren... Bist in diese Beziehung mit Enel geraten... Und nun ist sogar deine Ehe mit Doflamingo in die Brüche gegangen... Und trotzdem hast du genug Kraft, um mich zu unterstützen und mir gut zuzureden. Egal was passiert: Du gibst niemals auf. Du kämpfst dich immer wieder zurück ins Leben. Obwohl du es so schwer hattest, ist aus dir ein so erfolgreicher und anständiger Mensch geworden. Seit Luffy mich verlassen hat, gab es genug Nächte, in denen ich mich in den Schlaf geweint habe. Mich gefragt habe, wie ich das hinkriegen soll mit meinem Kind und meiner Selbstständigkeit. Aber mir ging es wieder besser, wenn ich an dich gedacht habe, Crocodile.“ „Du übertreibst, Hancock.“ Crocodile empfand die überschwänglichen Lobpreisungen seiner Schwester als unangenehm. Sie stellte ihn ja fast als eine Art Held dar. Dabei war er bloß ein ganz normaler Mann, der es mit Ehrgeiz und harter Arbeit geschafft hatte, sich ein gutes Leben aufzubauen. „Es ist wirklich schön zu wissen, dass man unterstützt wird. Auch in meinem Beruf... Weißt du, in Nozomis Spielgruppe haben mich einige Mütter völlig entsetzt angeschaut, als ich erzählt habe, dass ich wieder arbeiten gehen werde. Sie haben so getan als wäre es eine ganz schreckliche Sache sein Kind in die Krippe zu geben und zu arbeiten. Aber was habe ich denn für eine Wahl? Ich habe keinen Mann, der mich finanziert. Ich muss ganz allein für mich und mein Kind sorgen. Und um ehrlich zu sein, freue ich mich auch darauf. Seit einem Jahr sitze ich nur Zuhause und habe keinen anderen als Nozomi um mich herum... Mir fehlt mein Beruf einfach. Ich möchte wieder etwas zu tun haben und nicht nur einfach so mit meiner kleinen Tochter in den Tag hinein leben. Wenn ich das noch weitere zwei Jahre machen soll, dann werde ich verrückt.“ „Hör doch nicht auf das, was diese Frauen sagen!“ Crocodile war entsetzt angesichts dieser altmodischen Einstellung. Wie konnte man bloß so intolerant sein? Und um ehrlich zu sein, konnte er seine Schwester in dieser Hinsicht gut verstehen: Ihm würde er wohl nicht anders ergehen, wenn er seit einem Jahr jeden Tag mit dem Kind Zuhause verbrachte. Er fand es absolut nachvollziehbar, dass Hancock auch mal wieder erwachsene Menschen um sich herum haben wollte. Sie hatte ja nicht einmal einen Partner, mit dem sie sich abends unterhalten konnte. „Jeder muss für sich den richtigen Weg finden. Und wenn du es für richtig hältst, Nozomi betreuen zu lassen und wieder arbeiten zu gehen, dann lass dich davon nicht abbringen. Schon gar nicht wegen dem Geschwätz irgendwelcher Frauen, die du kaum kennst.“ „Ja.“ Hancock leckte sich über die Lippen. „Eigentlich hast du Recht, Crocodile. Ich sollte mich nicht so verunsichern lassen. Ich freue mich darauf, wieder mein Nagelstudio zu führen. Und Nozomi wird sich in der Krippe bestimmt auch wohlfühlen. Ich hoffe bloß, dass alles gut klappt. Ich habe sie bei drei Krippen hier in der Nähe angemeldet, aber noch keine feste Zusage bekommen.“ „Mach dir darum mal keine Sorgen“, meinte Crocodile sofort. „Das wird schon werden. Mach dich nicht verrückt, Hancock. Manchmal... manchmal lösen sich einige Probleme von selbst, wenn man ihnen etwas Zeit gibt.“ ~ Zwei Tage später war es soweit. Doflamingo stand vor Hancocks Haustüre. In den Händen hielt er ein kleines Geschenk - nicht für Crocodile, sondern für Nozomi. Es handelte sich um eine CD mit Kinderliedern. Crocodile war erleichtert, als er feststellte, dass das in grünes Papier eingewickelte Päckchen für seine Nichte gedacht war. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte, wenn Doflamingo für ihn etwas mitgebringen würde. War es unhöflich das Geschenk seines Ex-Mannes abzulehnen? Ex-Mann... Ein komischer Gedanke. War Doflamingo eigentlich sein Ex-Mann? Sie beide waren immer noch verheiratet. Aber kein Paar mehr. Oder betrachtete Doflamingo ihre Trennung lediglich als temporär, als eine Art Beziehungspause? Crocodile zog die Augenbrauen zusammen. Es wäre wohl besser gewesen, wenn er die Grenzen damals genau abgesteckt hätte. Hancock bat ihren Schwager freundlich herein. Doflamingo nahm sich die Freiheit sie zu umarmen und sich überschwänglich für die Einladung zu bedanken. Außerdem gab er Nozomi, die Hancock im Arm hielt, einen Kuss auf die Stirn. Als es darum ging, Crocodile zu begrüßen, zeigte er sich zurückhaltender. Für eine Weile standen sie beide einfach nur unbeholfen da und blickten einander verunsichert ins Gesicht. Wie begrüßte man seinen Ex-Partner, mit dem man immer noch verheiratet war, aber nicht wusste, ob sie nun endgültig getrennt waren oder vielleicht wieder zueinander finden würden? Mit einem Handschlag? Schließlich deutete Doflamingo eine lockere Umarmung an, auf die Crocodile sich einließ. Es tat unwahrscheinlich gut, die warmen Hände seines Ex-Partners an seinem Körper zu spüren, und fast störte es ihn, als Doflamingo wieder von ihm abließ. Hancock, die zu spüren schien, dass sie beide peinlich berührt waren, bat sie hinüber ins Wohnzimmer. Dort standen Tee, Kaffee und selbst gebackene Plätzchen bereit. (Crocodile hatte sie gebacken, doch er vermied es, diesen Umstand zu erwähnen.) Hancock ließ sich mit Nozomi auf dem Sessel nieder; damit überließ sie ihrem Bruder und ihrem Schwager das Sofa. Unweigerlich fragte Crocodile sich, ob es sich hierbei um Absicht handelte. Oder interpretierte er zu viel in Hancocks Verhalten hinein? Jedenfalls hatte sie ihre Trennung sehr schade gefunden. Nozomi brabbelte fröhlich. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie ihr erstes Wort von sich gab. Doflamingo schien seine kleine Nichte sehr vermisst zu haben. Mit einem seligen Gesichtsausdruck lauschte er jedem Geräusch und kitzelte ihre besockten Füße. Heute trug sie pink-violett gestreifte Socken. Crocodile konnte sich noch genau daran erinnern, wie er im Laden versucht hatte seinen Ehemann vom Kauf dieser grässlichen Socken abzubringen. Er wollte ihm stattdessen ein Paar neutrale, cremefarbene Söckchen aufschwatzen. Am Ende hatte Doflamingo einfach beide gekauft. „Möchtest du sie mal halten?“, fragte Hancock ihn. Doflamingo nickte begeistert und stellte sofort seine Kaffeetasse zur Seite. Dieses Mal war Nozomi besser drauf; sie schien sich auf dem Schoß ihres Onkels wohlzufühlen. Es war beinahe wie früher und Crocodile spürte einen schmerzhaften Stich in seiner Brust. Mit einem wehleidigen Gesichtsausdruck betrachtete er seinen Ex-Partner, der Nozomi liebkoste und sich fröhlich mit Hancock unterhielt. Es könnte so einfach sein, dachte er. Er müsste bloß zu Doflamingo sagen, dass er ihm verzieh. Dann wären sie beide wieder ganz offiziell ein Paar und alles würde wie früher werden. Würde es das? Crocodile seufzte leise. Könnte er jemals wieder in sein Auto einsteigen ohne an den GPS-Sender zu denken? Könnte er sich jemals wieder mit einem Freund treffen ohne sich zu fragen, auf welche Weise sein Ehemann ihn nun überwachte? „Sie wird demnächst in eine Krippe gehen“, hörte er Hancock erzählen. „Ich möchte gerne wieder arbeiten. Und ich denke, dass es Nozomi guttut, wenn sie jeden Tag mit anderen Kindern spielen kann. Sie kommt ja auch in ihrer Spielgruppe gut zurecht.“ „Hast du sie schon angemeldet? Ich habe gehört, dass es nicht so einfach ist einen Betreuungsplatz zu finden. Immer mehr Eltern geben ihre Kinder in eine Krippe.“ „Hier im Ort gibt es drei Krippen“, meinte Hancock mit verunsichert klingender Stimme. „Bisher habe ich noch keine Zusage bekommen, aber ich hoffe, dass eine sie nehmen wird. Ich möchte mich wirklich gerne wieder um mein Nagelstudio kümmern. Aber wenn ich für Nozomi keinen Betreuungsplatz finde, dann geht das natürlich nicht.“ „Wenn du möchtest, dann kann ich dir helfen“, bot Doflamingo süffisant grinsend an. „Sicher wird meine Nichte in der besten Krippe der Stadt einen Platz bekommen, wenn ich mich bereiterkläre die Einrichtung mit einer netten Geldspende zu unterstützen.“ Crocodile senkte den Blick. Dies war eine Eigenschaft an seinem Ehemann, die er immer gehasst hatte: Doflamingo war davon überzeugt, dass jeder käuflich war und sich mit Geld alles regeln ließ. Was ihn als Multimillionär natürlich in eine überaus vorteilhafte Lage brachte. Doch nicht nur Crocodile, auch seiner Schwester Hancock schien dieser Wesenszug unangenehm zu sein. „Warten wir erst einmal ab“, meinte sie ausweichend und nippte an ihrer Tasse Tee. „Vielleicht habe ich ja auch Glück und bekomme bald die Zusage für einen Platz.“ Sie redeten eine Weile über dieses und jenes. Hauptsächlich unterhielten sich Doflamingo und Hancock miteinander. Crocodile wusste nicht so recht, wie er mit Doflamingo umgehen sollte. Eigentlich war es wirklich sehr schade. Früher hatte er sich in seiner Nähe immer ganz leicht und ungezwungen gefühlt. Nun allerdings war es schwierig den richtigen Ton zu treffen. Irgendwann klingelte Hancocks Handy. Sie sprang sofort auf, erklärte hektisch: „Das muss meine Vertretung aus dem Nagel-Studio sein, da muss ich rangehen. Entschuldigt mich!“, und verschwand in die Küche, ehe sie abnahm. Crocodile und Doflamingo blieben allein im Wohnzimmer zurück. Eine unangenehmes Stille breitete sich aus. Erst als das Schweigen absolut unerträglich wurde, fragte Crocodile: „Wie geht es eigentlich Law und Kid? Ich habe schon eine Weile nichts mehr von ihnen gehört.“ „Gut“, antwortete Doflamingo und knetete mit seinen Händen nervös Nozomis Füße. „Sie möchten zusammenziehen und halten nach einer passenden Wohnung Ausschau.“ Er zögerte für einen Moment, ehe er hinzufügte: „Du kannst dich natürlich gerne bei ihnen melden und dich mit ihnen treffen. Ich weiß, dass du Law durch mich kennengelernt hast, aber ich meine... ich sehe das so... ihr könnt ruhig den Kontakt aufrecht erhalten. Du hast ja auch kein Problem damit, wenn ich mich mit Hancock treffe. Ich möchte nicht, dass unsere Freundeskreise auseinanderbrechen.“ Crocodile nickte. „Das klingt vernünftig“, meinte er. Nachdem sie dieses Thema abgehakt hatten, breitete sich erneut Schweigen aus. Es hing in der Luft und war so dick, dass man es mit Händen hätte greifen können. Dieses Mal war es Doflamingo, der irgendwann das Wort ergriff: „Ich habe regelmäßige Termine mit meinem Psychotherapeuten ausgemacht. Wir treffen uns zweimal in der Woche zu unseren Sitzungen. Du weißt schon, um meine Eifersucht in den Griff zu bekommen. Es ist derselbe Psychotherapeut, der mir damals geholfen hat über Corazons Tod hinwegzukommen. Er kennt sich also... mit den Ursachen für meine Verlustangst ziemlich gut aus.“ „Das ist doch gut“, sagte Crocodile, weil er nicht wusste, was er sonst erwidern sollte. Was bezweckte Doflamingo mit dieser Aussage? Wollte er ihm zeigen, dass er ehrlich vorhatte sich für ihn zu ändern? „Du trägst immer noch deinen Ehering.“ Dieser Satz schreckte Crocodile auf. Verunsichert blickte er in das Gesicht seines Ehemannes. „Das ist mir schon das letzte Mal aufgefallen“, fuhr Doflamingo fort. „Stört es dich?“, fragte Crocodile. Er war gar nicht auf die Idee gekommen seinen Ehering abzulegen. Genausowenig wie er an Scheidung gedacht hatte, war ihm in den Sinn gekommen, seinen über alle Maßen wertvollen Ring beim nächsten Juwelier zu verschachern. „Nein, nein, auf keinen Fall!“, warf Doflamingo sofort mit panischer Stimme ein. „Ich finde es gut, dass du ihn trägst. Ich trage meinen auch.“ Und er zeigte ihm seine rechte Hand, an der ein goldener Ring mit pinkem Stein funkelte. Ehe sie ihr Gespräch fortsetzen konnten, kehrte Hancock zurück. „Entschuldigt bitte, dass ich verschwunden bin“, meinte sie und ließ sich wieder auf dem Sessel nieder. „Aber es gab ein Missverständnis bei der Anlieferung von Materialien für... ach, das interessiert euch Männer wahrscheinlich sowieso nicht. Nageldesign wird ja wahrscheinlich nicht gerade euer Thema sein.“ ~ In der nächsten Zeit kam er immer wieder mit Doflamingo in Kontakt. Fast glaubte Crocodile, dass seine Geschwister es darauf anlegten, dass sie beide sich so oft wie möglich über den Weg liefen. Am Dienstag war er im Hausflur mit seinem Ex-Freund zusammengestoßen, als er Mihawk besuchen wollte. Und gestern hatte Doflamingo Nozomi abgeholt, um mit ihr eine Runde spazieren zu gehen, während Crocodile mit Hancock Tee trank. Es war schwierig den richtigen Umgang mit seinem Ehemann zu finden. Ein Teil von Crocodile wollte ihm gerne verzeihen. Wollte seine warmen Hände auf seinem Körper spüren, ihn küssen und einfach vergessen, was geschehen war. Doch ein anderer -stärkerer- Teil, konnte sich dazu nicht überwinden. Crocodile war in seinem Leben schon häufig verletzt worden; das hatte ihn vorsichtig und misstrauisch werden lassen. Er achtete darauf, sein Herz nicht an einen Menschen zu verschenken, der damit nicht sorgsam umging. Doflamingo wiederum machte sehr deutlich, dass er seinen Partner um jeden Preis zurückgewinnen wollte. Er drängte sich nicht auf, aber er gab ständig deutliche Hinweise. Wenn sie beide sich allein begegneten, berichtete er ihm außerdem oft von den Sitzungen mit seinem Therapeuten. Allem Anschein nach schien die Therapie recht erfolgreich zu verlaufen. Es war Freitagnachmittag. Crocodile kehrte gerade von der Arbeit nach Hause... nein, zum Haus seiner Schwester zurück. Hancock hatte sich die Mühe gemacht ein leckeres Essen zuzubereiten, aber Crocodile fühlte sich so elendig, dass er kaum etwas herunterbekam. Früher hatte er sich immer auf das Wochenende gefreut. Gemeinsam mit Doflamingo war er in ein Restaurant oder in einen Nachtclub gegangen. Es hatte eigentlich immer großen Spaß gemacht. Doch nun stand ihm ein einsames Wochenende in Hancocks Gästezimmer bevor. Crocodile unterdrückte ein Seufzen. Ihm fiel die Decke auf den Kopf. Er wollte ausgehen. Vielleicht etwas trinken. „Ich gehe heute in eine Bar“, meinte er beiläufig zwischen zwei Bissen. „Oder brauchst du mich, um auf Nozomi aufzupassen?“ „Nein, ich bin ja hier“, erwiderte Hancock. Sie wirkte überrascht. Crocodile konnte es ihr nicht verübeln, denn in den letzten Wochen hatte er nur selten freiwillig das Haus verlassen. „Mit wem bist du denn verabredet?“ „Mit Law und Kid“, log er. Es hätte ziemlich erbärmlich geklungen, wenn er seiner Schwester gegenüber zugeben müsste, dass er sich allein in eine Bar setzen und betrinken wollte. „Vielleicht gehen wir in Shakky's Bar.“ „Das hört sich gut an“, sagte Hancock und fütterte Nozomi mit einem Löffelchen Reis. „Ihr habt euch früher oft dort getroffen, oder nicht? Dein ganzer Freundeskreis, meine ich. Du, Doflamingo, Kid, Law, Bellamy und wie die alle heißen.“ Crocodile nickte. Bei der Erwähnung von Doflamingos Namen konnte er einen stechenden Schmerz spüren. Plötzlich fragte er sich, ob es ihm jemals gelingen würde über seinen Ehemann hinwegzukommen oder ob es für immer so schwierig und schmerzhaft bleiben würde. Er betrat gegen zwanzig Uhr Shakky's Bar. Noch war das Lokal relativ leer. Crocodile erkannte hier und da einen Stammkunden wieder, aber niemanden, mit dem er näher etwas zu tun hatte. Als er feststellte, dass weder Doflamingo noch irgendjemand anderes aus seinem Freundeskreis hier war, breitete sich Enttäuschung in seinem Körper aus. Fast hatte er gehofft, tatsächlich auf Law und Kid oder einen der anderen zu treffen. Crocodile gab es nur ungern zu, doch ihm fehlten seine Freunde wirklich sehr. Es tat ihm nicht gut, jede freie Minute nur mit Hancock und Nozomi zu verbringen. Vielleicht sollte ich einen von ihnen mal anrufen, überlegte er und ließ sich auf einen Hocker an der Bar nieder. Zu Beginn hatten sich Kid, Law, Bellamy, Cirkies und Dellinger oft bei ihm gemeldet; versucht ihn anzurufen oder ihm Textnachrichten geschrieben. Doch seit er sich ein neues Handy zugelegt hatte, hatten sie seine Nummer natürlich nicht mehr. Crocodile hatte einfach ein wenig Abstand gebraucht. Doch jetzt tat es ihm leid, dass er sie alle so vor den Kopf gestoßen hatte. Im Grunde bestanden seine einzigen Bekanntschaften noch aus seinen Geschwistern und Daz. So wie früher, bevor er Doflamingo kennengelernt hatte. Was hatte er damals bloß das ganze Wochenende lang gemacht? Bücher gelesen? Papierkram erledigt? Ein schuldig wirkendes Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er sich eingestehen musste, dass Doflamingo nicht ganz Unrecht gehabt hatte, wenn er ihn Langeweiler schimpfte. „Crocodile“, es war die sanfte und tiefe Stimme der Barkeeperin Shakky, die ihn aus seinen Gedanken riss. „Wie schön dich mal wiederzusehen.“ „Ich hatte in letzter Zeit viel zu tun“, entschuldigte er sich bei der Betreiberin seiner Stammkneipe. Der Blick, den sie ihm zuwarf, machte Crocodile klar, dass sie seine Lüge sofort durchschaut hatte. Leise seufzend fuhr er sich mit der rechten Hand durch sein zurückgekämmtes Haar. Wusste jeder hier von seiner Trennung von Doflamingo? Verdammt, sein Ehemann war zwar reich, aber doch kein Superstar, dessen Liebesleben in irgendwelchen Klatschzeitschriften auseinandergenommen wurde. „Man braucht einfach nur eins und eins zusammenzählen“, erklärte Shakky ihm. „Es ist nicht schwer zu erraten, was passiert sein muss, wenn zwei Gäste, die immer zusammen hierher gekommen sind, plötzlich nur noch getrennt voneinander da sind.“ Crocodile senkte den Blick. Also war Doflamingo oft hier mit Kid, Law, Bellamy, Cirkies, Dellinger, Vergo, Monet, Violet und all den anderen Leuten, die er mochte? Die Vorstellung, dass Doflamingo sich mit einer Runde Freunde amüsierte, während Crocodile seine Abende zumeist allein verbrachte, versetzte ihm einen Stich. Offensichtlich nahm ihre Trennung seinen Ehemann nicht so sehr mit, wie er geglaubt hatte. Vielleicht kam Doflamingo ja allmählich über ihn hinweg? Eigentlich war er ja kein Kind von Traurigkeit. „Außerdem hat Doflamingo mir erzählt, was passiert ist, und mir 5.000 Berry angeboten, damit ich ihn anrufe, falls ich dich hier sehe“, fügte Shakky schnippisch grinsend hinzu. „Doflamingo hat dich bestochen, um zu erfahren, ob ich hierher komme?“, wiederholte Crocodile mit ungläubiger Stimme. Damit hatte er nicht gerechnet. „Er hat es versucht“, schnaubte Shakky, während sie Schnaps in ein Glas schüttete und es dann mit dem Kommentar „Der geht auf's Haus“ zu ihrem Gast hinüber schob. „Aber ich bin nicht käuflich.“ „Wie hat Doflamingo reagiert?“, fragte Crocodile interessiert nach und trank das Schnapsglas in wenigen Schlücken leer. Der Alkohol brannte in seiner Kehle. Ein gutes Gefühl. „Sein Angebot auf 10.000 Berry erhöht. Da hab ich ihm gesagt, wenn er das noch einmal versucht, erteile ich ihm lebenslanges Hausverbot.“ Die Vorstellung, wie Doflamingo sich frustriert eingestehen musste, dass man mit Geld eben nicht immer weiterkam, brachte Crocodile zum Lachen. Das war wirklich eine nette Lektion für seinen reichen Ehemann. „Ich meine, wofür hält er mich?“ Shakky schüttelte den Kopf und befüllte Crocodiles Glas ungebeten neu. „Ich habe schließlich auch meinen Stolz.“ Das konnte Crocodile gut verstehen. Obwohl Shakky ihn nicht angerufen hatte, tauchte sein Ehemann später am Abend in der Bar auf. Im Schlepptau hatte er Bellamy, Cirkies, Dellinger, Kuma, Violet und Vergo. Crocodile, der immer noch an der Bar saß und sich in der Zwischenzeit schon so einige Drinks bestellt hatte, beobachtete die bunte Truppe aus dem Augenwinkel heraus. Doflamingo hatte ihn offensichtlich nicht bemerkt. Seine Gruppe steuerte einen Tisch am Rand an. Es war nicht der Tisch, an den sie sich üblicherweise setzten, obwohl ihr Stammtisch durchaus frei war. Unweigerlich fragte Crocodile sich, wo Law und Kid waren. Vielleicht mussten die beiden arbeiten. Oder sie wollten den Abend allein als Paar verbringen. Bei diesem Gedanken wendete Crocodile sich wieder seinem Getränk zu. Es tat weh allein an der Bar zu sitzen und außer Shakky keinen zum Reden zu haben, während sein Ehemann zwischen zahlreichen Freunden saß, die sich lustige Geschichten erzählten und lachten. Doflamingo wirkte nicht so fröhlich und ausgelassen wie sonst, doch immerhin war er umringt von Menschen, die ihn mochten und sich mit ihm amüsierten. Crocodile leerte sein x-tes Glas Schnaps, als sich jemand auf den Barhocker neben ihm niederließ. Er kam sich dumm vor, weil er enttäuscht war, als er sich umdrehte und feststellte, dass es sich nicht um seinen Ehemann handelte. Neben ihm saß ein großer, breitschultriger Mann mit einem kräftigen Kinn. Über seine schwarze, uniformartige Kleidung trug er einen langen, weißen Mantel. Komplementiert wurde sein Outfit durch schwarze Lederstiefel, Handschuhe und eine Schirmmütze. In Shakky's Bar verirrte sich oft die eine oder andere sonderbare Gestalt. Selbst Doflamingo mit seinem schrillen Federmantel fiel hier nicht sonderlich auf. Trotzdem war der erste Gedanke, der Crocodile beim Anblick dieses Mannes durch den Kopf schoss, Perversling. Vage erinnerte er sich daran ihn schon das eine oder andere Mal hier gesehen zu haben. Sogar ein Name fiel ihm ein: Shiryu. Crocodile versuchte den Mann zu ignorieren. Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, trank er sein Glas Schnaps leer. Zum Glück sah Crocodile nicht aus wie ein klischeebehafteter Homosexueller. Dann würde ihn Shiryu sicher in Ruhe lassen. Leider irrte er sich. „Du sitzt ja heute gar nicht bei deinem Mann“, meinte Shiryu plötzlich und verschlechterte Crocodiles Laune damit noch um ein Vielfaches. Gab es überhaupt noch jemanden in dieser Bar, der nicht über seine Trennung von Doflamingo Bescheid wusste? Eigentlich war er doch hierher gekommen, um sich abzulenken. „Heißt das, du bist heute Abend auf der Suche nach einem Anderen?“ Auch wenn es so wäre, würde ich garantiert nicht mit einem Typen, der offensichtlich auf Rollenspiele und Lederuniformen steht, ins Bett gehen, erwiderte Crocodile gedanklich. Er war so extrem niedergeschlagen, dass er nicht einmal Lust hatte, Shiryu eine fiese Absage zu erteilen. Ihm fielen so einige Sprüche ein (immerhin war es nicht das erste Mal in seinem Leben, dass er in einer Bar angeflirtet wurde), doch anstatt seinem perversen Tischnachbarn eins auszuwischen, erhob er sich stumm von seinem Hocker und ging hinüber zu den Toiletten. Er hatte vor sich zu erleichtern und danach den Weg zurück nach Hause einzuschlagen. Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass Shiryu ihm einfach folgte. Es fiel Crocodile erst auf, als er sich bereits in der Herrentoilette befand. Die große, mächtige Gestalt des uniformierten Mannes versperrte die Türe. Was hatte er vor? Wollte er Crocodile begaffen, während er das Pissoir benutzte? Bei dieser Vorstellung lief es ihm eiskalt den Rücken herunter. Das war ja widerwärtig. Crocodiles Blick wanderte zu den Toilettenkabinen hinüber. Eine leichte Röte legte sich auf seine Wangen, als er sich plötzlich daran erinnerte, dass er in einer der Kabinen mal Sex mit Doflamingo gehabt hatte. Vielleicht sollte er andere Menschen nicht vorschnell als pervers bezeichnen, gestand er sich beschämt ein, wenn er selbst jemand war, der Geschlechtsverkehr auf dreckigen Kneipentoiletten hatte. „Also?“, riss ihn Shiryus Stimme aus seinen Gedanken. „Also was?“, entgegnete Crocodile. Seine Stimme klang eher irritiert als angewidert. „Was tun wir jetzt?“, wollte Shiryu wissen und leckte sich über die Lippen. „Machst du Oralsex? Du könntest anfangen. Willst du hier bleiben? Sonst können wir auch in meine Wohnung gehen. Da habe ich auch Kondome.“ Crocodile verzog das Gesicht. Die Unverschämtheit seines Gegenübers war für ihn absolut unbegreiflich. Wie konnte man einfach einer völlig fremden Person auf die Toilette folgen und diese dann so unverblümt zum Sex auffordern? Crocodile hatte auch keine weiße Weste. In den Lebensjahren, in denen er in keiner festen Beziehung gewesen war, hatte er durchaus den einen oder anderen One-Night-Stand gehabt. Auch wenn sein Libido nicht so stark wie das anderer Männer war, konnte auch er nicht ganz auf Sex verzichten. Aber es war nie so abgelaufen wie hier. Lud man den Anderen nicht mal mehr zum Essen ein, bevor man Sex miteinander hatte? „Lass mich bloß in Ruhe“, sagte Crocodile mit abweisender Stimme. „Was soll das jetzt?!“, fuhr Shiryu ihn böse an und kam einen Schritt näher. „Wozu sind wir denn hierhin gekommen?“ Crocodile wäre am liebsten ein Stück zurückgewichen, doch hinter ihm befanden sich nur noch die Urinale. Der Ausgang wurde von Shiryus breiter Gestalt versperrt. Im Grunde saß Crocodile in der Falle. „Keine Ahnung, wozu du hierhin gekommen bist“, meinte er und hoffte darauf, seinem Gegenüber endgültig klarmachen zu können, dass er kein Interesse hatte. „Ich für meinen Teil wollte jedenfalls einfach nur pissen.“ „Hör auf mich zu verarschen“, knurrte Shiryu und kam noch etwas näher. Er packte Crocodile am Unterarm seiner rechten Hand und versuchte ihn zu sich zu zerren. Shiryu hatte so schnell nach ihm gegriffen, dass er überhaupt keine Gelegenheit hatte, um zu reagieren. Crocodile stemmte sich mit seinem gesamten Körpergewicht gegen den Zug an seinem Arm. Er versuchte sich zu wehren so gut es ging, doch im Grunde hatte er keine Chance. Seine einzige Hand befand sich in Shiryus schraubstockartigem Griff. „Zier dich nicht so“, gurrte sein Gegenüber. Inzwischen war er ihm so nah, dass er seinen üblen Mundgeruch riechen konnte. Crocodile verzog das Gesicht. In diesem Moment öffnete sich die Türe der Herrentoilette. Ein junger, blonder Mann in einem rosafarbenem T-Shirt stand im Türrahmen. Es war nicht Doflamingo. Es war Dellinger. Doflamingos jüngerer Cousin betrachtete die ihm gebotene Szene mit erschütterter Miene. Und ohne auch nur einen Ton von sich zu geben, rannte er nach draußen. Die Toilettentüre fiel krachend ins Schloss. Nein, dachte Crocodile verzweifelt. Beinahe schossen ihm Tränen in die Augen. Warum hatte Dellinger nicht versucht ihm zu helfen? Sie beide waren doch befreundet. Oder wollte Dellinger nun, da er sich von dessen Cousin getrennt hatte, nichts mehr mit ihm zu tun haben? Crocodile fühlte sich verraten und hilflos. Panik breitete sich in seinem Körper aus, als er spürte, dass Shiryu begann mit seiner freien Hand das Hemd aus Crocodiles Hose zu zupfen. Weil er selbst keine Hand hatte, mit der er sich wehren könnte, trat er mit aller Kraft gegen das Schienbein seines Gegenübers. Unglücklicherweise trug Shiryu hochgeschlossene Lederstiefel und schien sich durch den festen Tritt nicht allzu sehr gestört zu fühlen. Crocodiles Unterarm schmerzte. Der Griff, in dem Shiryu ihn festhielt, tat höllisch weh. Ihm kam der Gedanke, dass er so etwas hier sicher nicht zum ersten Mal tat. Warum waren solche Menschen nicht hinter Gittern? Als er eine Hand an seinem nackten Bauch spürte, schloss Crocodile verzweifelt die Augen. Als Shiryu versuchte ihn in eine der Toilettenkabinen zu zerren, hörte er, dass sich die Türe zur Herrentoilette abermals öffnete. Hatte Dellinger sich besonnen und war zurückgekehrt, um ihm zu helfen? Crocodile öffnete seine Augen wieder und sah, wie sein Ehemann mit voller Wucht und ohne auch nur einen Moment lang zu zögern gegen Shiryus Unterarm trat. Obwohl Doflamingo -wie üblich- bloß flache, offene Schuhe trug, war der Tritt so stark, dass Crocodile sich sofort aus dem Griff befreien konnte. Mit aufeinander gepressten Lippen betrachtete er sein malträtiertes Handgelenk: Es pochte schmerzhaft und war blau angelaufen. Sofort fragte Crocodile sich, ob er am Montag überhaupt dazu in der Lage sein würde, ohne Schmerzen eine Tastatur oder Maus zu bedienen. „Was s...“ Shiryu bekam keine Gelegenheit, um auszusprechen. Doflamingos Faust traf ihn mitten ins Gesicht. Doch er war ein großer, breitschultriger Mann; größer und kräftiger sogar als Doflamingo. Ihn zwang so schnell keiner in die Knie. Zum Glück war Doflamingo nicht allein. Bellamy und Vergo packten sich jeweils einen Arm und drehten ihn auf Shiryus Rücken. Als es ihm dennoch beinahe gelang sich aus diesem Griff zu befreien, wurden sie von Kuma, der ein echter Riese war, unterstützt. Nun konnte selbst Shiryu sich nicht mehr wehren. Crocodile beobachte, wie Doflamingo wutentbrannt auf Shiryu einschlug. Immer wieder trafen zwei harte Fäuste seinen Körper und sein Gesicht. Um ehrlich zu sein, konnte Crocodile sich nicht daran erinnern, seinen Ehemann jemals so außer sich erlebt zu haben. Am Ende mussten Monet und Violet auf ihn einreden und ihn darum bitten aufzuhören, damit er Shiryu nicht völlig zu Brei schlug. In der Zwischenzeit wendeten sich ihm Dellinger und Cirkies zu. „Geht es dir gut?“, fragte ihn Doflamingos Cousin. Cirkies griff ungebeten nach seinem Unterarm und betrachtete skeptisch das bunt angelaufene Fleisch. „Das sieht wirklich schlimm aus. Kannst du deine Hand bewegen?“ „Ja“, antwortete Crocodile, der allmählich wieder zu sich fand. Sein Handgelenk tat schrecklich weh, doch glücklicherweise konnte er alle Finger bewegen. (Nicht auszumalen, was wäre, wenn er weder links noch rechts eine funktionierende Hand hätte.) „Alles in Ordnung. Mir geht es gut.“ „Von diesem Typen habe ich schon mal gehört“, sagte Bellamy, nachdem er den krankenhausreif geschlagenen Shiryu losgelassen hatte. Sein malträtierter Körper sackte auf den Boden; offensichtlich war er ohnmächtig geworden. „In der Szene nennt man ihn Ame no Shiryu. Ein ekliger Typ. Hat in fast allen Clubs Hausverbot, weil er sich an Männern und Frauen vergreift.“ „Mir hat man auch schon vieles von ihm erzählt“, fügte Dellinger hinzu. „Richtige Horrorgeschichten. Angeblich wäre er auf Bewährung draußen, nachdem er wegen einigen Sexualdelikten verurteilt wurde. Keine Ahnung, ob das stimmt.“ „Die sollen ihn lieber wieder hinter Gitter stecken“, knurrte Doflamingo. Es war ein angsteinflößendes Geräusch, das Crocodile noch nie bei seinem Ehemann gehört hatte. „Dort ist er sicher vor mir. Ich kann nicht garantieren, dass ich ihn nicht ins Grab prügle, wenn ich ihn das nächste Mal sehe.“ Es breitete sich ein betretenes Schweigen aus, das irgendwann durch das erneute Öffnen der Türe durchbrochen wurde. Shakky betrat mit einem scharfen Gesichtsausdruck die Herrentoilette ihrer Bar. „Was ist passiert?“, wollte sie mit ernster, aber ruhiger Stimme wissen und blickte in die Runde. Shiryu, der bewusstlos und blutend am Boden lag, war natürlich nicht zu übersehen. „Der Typ hat versucht sich an Crocodile zu vergreifen“, erklärte Violet. „Stimmt das?“, fragte Shakky und wandte sich direkt an ihn. Crocodile zögerte. Er stand unter Schock und außerdem war ihm die ganze Sache furchtbar unangenehm. Er brachte kein Wort heraus. Schließlich griff Cirkies nach seinem Hemdsärmel, schob ihn nach oben und präsentierte Shakky seinen gequetschten Unterarm. Das schien der Barkeeperin Beweis genug zu sein. Während Shakky gemeinsam mit Kuma, Vergo und Bellamy den bewusstlosen Shiryu vor die Türe setzte, kam Doflamingo zu ihm herüber. „Geht es dir gut?“, fragte er. Man merkte ihm deutlich an, dass er immer noch aufgewühlt war, doch seine Stimme klang sanft. Crocodile nickte stumm. Er musste daran denken, wie sein Ehemann mit voller Wucht gegen Shiryus Bein getreten hatte, um ihn aus seiner schwierigen Lage zu befreien. „Danke, ich... dass du...“ „Du musst dich nicht bedanken“, meinte Doflamingo und winkte ab. „Du bist mein Mann. Ich würde nie zulassen, dass dir etwas zustößt.“ Crocodile senkte den Blick. Er fühlte sich immer noch ein wenig benommen. Gedankenverloren strich er sich eine verrutschte Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich bin wirklich froh, dass ihr aufgetaucht seid“, flüsterte er. „Als Dellinger verschwunden ist... Da dachte ich für einen Moment wirklich, dass ich Shiryu nicht entkommen kann. Zum Glück habt ihr... mir geholfen.“ Crocodile war kein Mensch, der gerne Hilfe annahm; doch er sah ein, dass diese Sache ohne das beherzte Eingreifen seiner Freunde schlimm hätte ausgehen können. „Dellinger hat uns sofort Bescheid gegeben“, erklärte Doflamingo das Verhalten seines Cousins. „Dieser Typ war wirklich ein Ungeheuer und Dellinger ist, nun ja, nicht gerade ein Muskelpaket. Allein hätte er wohl kaum etwas ausrichten können. Er ist gegangen, um Hilfe zu holen. Es ist nicht seine Absicht gewesen dich im Stich zu lassen.“ „Das ist mir im Nachhinein auch klar geworden“, erwiderte Crocodile. „Darf ich mir mal deinen Arm ansehen?“, fragte Doflamingo. Crocodile zögerte nur einen kurzen Augenblick lang, ehe er seinem Ehemann seinen rechten Arm hinhielt. Behutsam schob Doflamingo den Ärmel nach oben und betrachtete Crocodiles Unterarm; die Haut oberhalb des Handgelenks leuchtete rot und blau. So vorsichtig, als wollte er die Flügel eines Schmetterlings berühren, fuhr Doflamingo mit dem Zeigefinger über die gequetschte Haut. Auch wenn die Verletzung weh tat, fühlten sich die Berührungen seines Ehemannes angenehm an. „Ich weiß, dass du nicht gerne zum Arzt gehst“, hörte er Doflamingo sagen, „aber bitte versprich mir, dass du da jemanden draufschauen lässt. Das sieht wirklich übel aus.“ Crocodile nickte. „Hoffentlich kann ich damit am Montag zur Arbeit. Aber ich sollte mich nicht beschweren. Das hätte auch anders ausgehen können. Zum Glück ist Dellinger zufällig zur selben Zeit zur Toilette gegangen.“ „Eigentlich war es kein Zufall“, meinte sein Ehemann und ließ seinen Arm los. „Ich habe ihn hinter dir her geschickt.“ Crocodile horchte auf. „Was? Wieso?“,wollte er wissen. Doflamingo schien sich mit einem Mal sehr unwohl in seiner Haut zu fühlen. „Shiryu ist mir von Anfang an aufgefallen“, erklärte er schließlich. „Ich kannte ihn zwar nicht, aber er kam mir irgendwie verdächtig vor. Als er dir dann gefolgt ist, obwohl du kein einziges Wort mit ihm gewechselt hast, habe ich angefangen mir Sorgen zu machen. Also habe ich Dellinger gebeten nach dem Rechten zu sehen. Offensichtlich hat sich mein Instinkt nicht getäuscht.“ „Warum bist du nicht selbst gegangen?“, war der erste Gedanke, der Crocodile kam. Doflamingo verlagerte sein Gewicht von einem Bein auf's andere. „Ich wollte mich nicht aufdrängen“, sagte er nach einem kurzen Moment des Zögerns. „Stell dir mal vor, es wäre gar nichts gewesen und ich stünde in der Toilette auf einmal hinter dir. Weißt du, mein Therapeut hat mir geraten, dass ich mich dir nicht übertrieben annähern soll. Es schadet nur, wenn man sich dem Anderen aufdrängt.“ Crocodile nickte. Das klang einleuchtend. Offenbar nimmt Doflamingo diese Sitzungen mit seinem Psychotherapeuten sehr ernst. „Was heute passiert ist, wird mich bei der Bewältigung meiner Ängste allerdings ein Stück zurückwerfen“, meinte er und lachte halb ernst. Als Crocodile ihm einen fragenden Blick zuwarf, erklärte er: „Mein Therapeut sagt, dass meine Eifersucht und mein Kontrollwahn zu großen Teilen auf der Angst, dass etwas Schlimmes passieren könnte, basieren. Das muss ich in den Griff kriegen. Dabei helfen Vorfälle wie dieser hier natürlich nicht unbedingt.“ „Tut mir leid, dass mir ständig etwas passiert“, sagte Crocodile ebenfalls halb ernst. „Du bist wirklich ein Pechvogel, Wani“, gluckste Doflamingo. „Aber ich komme immer mit einem blauen Auge davon“, gab er schmunzelnd zurück. „Möchtest du dich zu uns an den Tisch setzen?“, fragte sein Ehemann. „Lieber nicht“, erwiderte Crocodile. Das Lächeln auf Doflamingos Lippen erstarb angesichts dieser Absage schlagartig. „Um ehrlich zu sein, möchte ich einfach nur nach Hause. Also zu Hancock. Mir ist wirklich nicht mehr nach Feiern zumute. Aber danke für das Angebot.“ „Ich rufe für dich ein Taxi“, meinte Doflamingo und ehe Crocodile etwas dagegen einwenden konnte, hatte er bereits sein Handy hervorgeholt. Gemeinsam gingen sie vor die Türe, um auf das Taxi zu warten. Es war kühl geworden und Crocodile schlang seinen Mantel eng um seinen Körper. Es handelte sich um den teuren Nerzmantel, den sein Partner ihm einst geschenkt hatte. „Wegen meiner Handynummer...“, begann Crocodile, doch da sah er schon das Taxi um die Ecke biegen. „Ich schicke dir morgen eine SMS mit meiner neuen Nummer, ja?“ „Ja“, antwortete Doflamingo. Zu einer längeren Erwiderung blieb keine Zeit, denn Crocodile stieg rasch in das Taxi ein. ~ Hancock hatte Mihawk, Daz und Doflamingo zu einem gemeinsamen Abendessen bei sich Zuhause eingeladen. Crocodile fand die Vorstellung mit seinem Bruder, seinem besten Freund und seinem Ehemann gemeinsam an einem Tisch zu sitzen und so zu tun als wäre nie etwas gewesen, sehr befremdlich. Er war sich auch nicht sicher, ob seine Schwester hierbei nicht irgendwelche Hintergedanken hatte - doch was sollte er tun? Hancock konnte in ihr Haus einladen, wen auch immer sie wollte. Es stand Crocodile nicht zu ihr Vorschriften zu machen; immerhin war er selbst auch nur ein Gast. Crocodile hatte sich noch nicht auf Wohnungssuche begeben. Keine Inserate in der Zeitung oder im Internet durchgeschaut. Er brachte es einfach nicht über sich diesen Schritt zu gehen. Eine eigene Wohnung zu beziehen, bedeutete, dass er sich vollkommen von seinem Ehemann lossagte. Dass eine Versöhnung in der Zukunft einhundertprozentig ausgeschlossen war. Dass sie von nun an absolut getrennte Wege gehen würden. Und Crocodile war sich nicht sicher, ob er das wollte. Überraschenderweise gestaltete sich der Abend weniger unangenehm und komisch als Crocodile es befürchtet hatte. Er begrüßte seinen Ehemann mit einer kurzen Umarmung, genauso wie seinen Freund Daz. Es gab zwischen ihnen kein peinliches Schweigen und auch keine verlegenen Blicke. Hancock hatte geschmortes Lammfleisch mit Kartoffeln und Sauce vorbereitet - das Essen war nicht schlecht, aber schmeckte nicht so gut wie aus Crocodiles Hand. (Die Sauce war nicht selbstgemacht.) Nachdem Hancock ihre Tochter zu Bett gebracht hatte, holte sie eine gute Flasche Wein aus dem Keller und schenkte jedem ein Glas ein. Crocodile, dem eigentlich nicht nach Alkohol zumute war, war zu höflich, um den Wein abzulehnen. Er wollte Hancock, die sich für diesen Abend viel Mühe gemacht hatte, nicht verletzen. Selbst Daz, der nachher mit dem Auto zurück nach Hause fahren wollte, genehmigte sich ein Glas. Der Wein schmeckte gut und löste die Zungen. Es dauerte nicht lange, bis sich alle ausgelassen über dieses oder jenes unterhielten. Mihawk berichtete davon, dass seine Fechtschülerin Tashigi zur Besinnung gekommen war und sich endlich wieder auf ihr Training konzentrierte. Daz hatte eine Gehaltserhöhung bekommen. Für Nozomi würde ab nächsten Monat die Eingewöhnung in die Krippe starten, damit Hancock ihre Arbeit als Nageldesignerin wieder aufnehmen konnte. Crocodile, über dessen Privatleben nicht viel zu berichten war, weil er faktisch kaum etwas Anderes tat als in seinem Bett zu liegen oder Nozomis Kinderwagen durch die Gegend zu schieben, erzählte ein paar lustige Anekdoten von seiner Arbeit. Hancock, Daz und Doflamingo konnten sich kaum halten vor Lachen als er beschrieb wie sein Chef Franky zu einem wichtigen Kundengespräch in Badeshorts und Hawaii-Hemd erschienen war. Gegen elf Uhr abends verabschiedete sich Daz und machte sich auf den Heimweg. Crocodile fand es sehr schade, dass er ihre lustige Runde bereits wieder verließ. Die Anwesenheit seines alten Studienfreundes hatte ihm unwahrscheinlich gutgetan. Mihawk rief sich eineinhalb Stunden und zwei Flaschen Wein später ein Taxi. Und als Nozomi um ein Uhr nachts plötzlich aufwachte und laut schrie, sodass Hancock nach oben ins Kinderzimmer huschen musste, um nach ihr zu sehen, waren nur noch Crocodile und Doflamingo übrig geblieben. Nun wurde es doch ein wenig komisch. Crocodiles Geist war vom Alkohol vernebelt. Er hatte deutlich mehr Wein getrunken als ursprünglich geplant. Aber er hatte sich in ihrer geselligen und lustigen Runde mit seinem lachenden Ehemann an seiner Seite nicht zurückhalten können. Ungeniert ließ Crocodile seinen Blick über die Gestalt seines Partners wandern. Doflamingo sah wieder besser aus. Seine Haut hatte ihren gräulichen Unterton verloren und auch die Augenringe waren deutlich zurückgegangen. Das fröhliche Grinsen auf seinen Lippen stand ihm außerordentlich gut. Völlig unerwartet musste Crocodile an die ersten Verabredungen, die er damals vor etwa zwei Jahren mit Doflamingo gehabt hatte, zurückdenken. Viel schneller als er es je für möglich gehalten hätte, war er dem Charme dieser süßen Lippen verfallen. Er erinnerte sich daran wie unfassbar wohl er sich in der Nähe des anderen Mannes gefühlt hatte. Ihr zweites Date hatte nur zwei Tage nach dem ersten stattgefunden. Und jedes Treffen hatte sich federleicht angefühlt. „Woran denkst du?“ Es war die sanfte Stimme seines Partners, die ihn aus seinen Gedanken riss. „An das Outfit, das du bei unserem ersten Date getragen hast“, gab Crocodile schmunzelnd zurück. „Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mir vorgenommen hatte, diesen pinken Federmantel in den Müll zu schmeißen, sobald wir ein Paar geworden wären.“ „Einmal hast du mit deiner Zigarre ausversehen ein Loch hineingebrannt“, meinte Doflamingo und lachte leise. Es war ein sanftes, schönes Geräusch, das Sehnsüchte in Crocodile weckte. „Es war wirklich ausversehen“, verteidigte er sich. Keiner von ihnen beiden wandte den Blick ab. Am Ende wusste Crocodile nicht mehr, von wem der Kuss ausgegangen war. In diesem Moment existierten bloß die warmen, weichen Lippen seines Partners. Als Doflamingos Zunge über seine Unterlippe strich, öffnete Crocodile ohne nachzudenken den Mund. Leise seufzend schloss er seine Augen und genoss, wie die fremde Zunge neugierig seinen Mundraum erkundete. Eigentlich war Crocodile nie ein Freund vom Knutschen gewesen. Ihn erregten Zungenküsse beim Sex, aber davon ab hatte er sie immer als irgendwie unangenehm empfunden. Doch jetzt gerade war alles anders. Crocodile war wie in Trance. Er wehrte sich nicht, als Doflamingos feingliedrige Finger das Hemd aus seiner Hose zupften und unter den teuren Stoff schlüpften. Tatsächlich genoss er es, als sein Partner sanft die Haut an seinem Bauch streichelte und liebkoste, ohne den intensiven Kuss zu unterbrechen. Es dauerte nicht lange, bis die Hände auch seine Hüften, seinen Rücken und seine Brust erreicht hatten. Gänsehaut breitete sich auf Crocodiles Unterarmen aus, als Doflamingos Finger zärtlich über seine Brustwarzen strichen. Die Berührung war federleicht, doch weckte in Crocodile eine Gier, die er nicht hätte in Worte fassen können. Er spürte, wie sein Glied steif zu werden begann. Ohne sich zu schämen griff er mit seiner rechten Hand in Doflamingos sowieso nur lose bis zum Bauchnabel geknöpftes Hemd. Seine Haut fühlte sich warm und unfassbar weich an. Sehnsüchtig ertastete Crocodile die definierten Bauchmuskeln, die er darunter spüren konnte. Er löste den Kuss auf und nahm stattdessen die linke Brustwarze seines Partners zwischen die Lippen und saugte herzhaft daran. Das überwältigte Stöhnen, das er von Doflamingo zu hören bekam, ließ sein erigiertes Glied zu seiner vollen Größe anschwellen. Geschickt öffnete Crocodile mit nur einer Hand den Gürtel seines Ehemannes, während sich Doflamingo wiederum an seinem Gürtel zu schaffen machte. Crocodile wartete nicht ab, bis Doflamingo aufgeholt hatte. Ungeduldig griff er nach dem steifen Glied seines Partners; es fühlte sich unwahrscheinlich warm an und pulsierte in seiner Hand. Ohne auch nur einen weiteren Gedanken zu verschwenden, beugte Crocodile sich hinunter und nahm die feucht glänzende Eichel vollständig in den Mund. Er musste nicht lange saugen - zwei kurze Stöße mit seinem Kopf reichten aus, um Doflamingo zum Höhepunkt zu bringen. Einen Moment lang wunderte sich Crocodile über die warme, dicke Flüssigkeit auf seiner Zunge, denn eigentlich war sein Ehemann kein Mensch, der übermäßig früh kam. Dann fiel ihm allerdings ein, dass Doflamingo ihm während ihrer Trennung womöglich treu geblieben war. Ein angenehmer und irgendwie rührender Gedanke. Für einen Mann wie ihn war es sicher nicht leicht enthaltsam zu leben. Crocodile, der allein mindestens die Hälfte des Weins getrunken hatte, wollte sich bei Doflamingo dafür revanchieren. Ohne sich zu beschweren schluckte er das Sperma seines Partners hinunter. „Tut mir leid“, hörte er diesen jedoch mit beschämt und angetrunken klingender Stimme sagen. „Ich... Das war nicht...“ „Mascht doch nicks...“, lallte Crocodile und winkte ab. Es machte wirklich nichts. Doflamingo besaß das Libido eines Achtzehnjährigen und auch dessen Energie: Kaum war sein Orgasmus abgeebbt, stellte sich sein Glied erneut auf. Vielleicht lag es daran, dass Crocodile betrunken war. Oder daran, dass er wochenlang keinen Sex gehabt hatte. Jedenfalls überkam ihn mit einem Mal das unfassbare Bedürfnis, Doflamingos Männlichkeit in sich zu spüren. „Hascht du Gleitgel tabei?“, wollte er ungeniert wissen. Eine Frage, die man ihn nüchtern niemals in diesem Tonfall würde stellen hören. „In meiner Jacke“, antwortete Doflamingo. „Die hängt im Flur. Wir könnten das Gleitgel holen und uns in dein Zimmer verziehen.“ Crocodile, der nur schwer den Blick von dem Organ seines Partners abwenden konnte, nickte. Das klang nach einem guten Plan. Doflamingo stützte ihn auf dem Weg hinüber in den Flur und auch während sie die Treppe hochstiegen. Crocodile war so betrunken, dass er zweimal beinahe stürzte. In seinem Zimmer (eigentlich war es Hancocks Gästezimmer) ließ Crocodile sich sofort auf das Bett fallen. Ungeduldig schleuderte er seine Hose fort, die bloß noch lose um seine Hüften gehangen hatte. Zeitgleich benetzte Doflamingo seine Finger und sein Glied mit der Gleitcreme, die er hastig aus seiner Manteltasche gefischt hatte. Als Doflamingo seine Sonnenbrille abnahm und sie auf den Nachttisch legte, lief Crocodile ein heißer Schauer über den Rücken. Sie stürzten sich förmlich aufeinander. Für einen Außenstehenden wäre nicht mehr erkennbar gewesen, welches Bein oder welcher Arm zu welchem Körper gehörte. Sehnsüchtig, ungeduldig, völlig von ihrer Lust übermannt berührten sie alles, was sie erreichen konnten, mit ihren Fingern und Zungen. Crocodile fühlte sich unwahrscheinlich wohl. Der Wein hatte in seinem Torso eine angenehme Wärme hinterlassen. Doflamingos Körper war schwer und roch gut. Und als er einen Finger in seinem Eingang spürte, tanzten Sterne vor seinen Augen. Am Ende machte er keine wesentlich bessere Figur als sein Ehemann. Doflamingo musste nur wenige Male ihn in stoßen, bis er zum Orgasmus kam. Crocodile genoß jede einzelne Sekunde. Er atmetete tief den Geruch seines Partners ein, spürte sein Gewicht auf ihm, sein Glied in ihm und lauschte begierigt seinen Liebesbekundungen. Wie sehr er ihn vermisste... dass er sein Ein und Alles war... dass alles wie früher werden würde... Wenige Augenblicke später kam Doflamingo ein zweites Mal zum Höhepunkt. Völlig erschöpft und berauscht glitt Crocodile in einen tiefen Schlaf über, noch ehe sein Ehemann sich aus ihm entfernt hatte. Es war ein traumloser Schlaf, doch zum ersten Mal fühlte Crocodile sich in Hancocks Gästebett wirklich wohl und geborgen. Wochenlang hatte er nicht mehr so ruhig geschlafen wie in dieser Nacht. So schön wie die Nacht gewesen war, so grässlich war der nächste Morgen. Crocodiles Schädel fühlte sich an als wäre jemand mit einer Dampfwalze drübergefahren und sein Mund war so trocken, dass er nicht schlucken konnte. Ihm war hundeelend zumute. Die rechte Seite des großen Bettes in Hancocks Gästezimmer war verwaist. Es erstaunte Crocodile, dass ihn diese Tatsache enttäuschte. Er hatte nicht vergessen, was gestern Abend geschehen war. Berauscht vom Wein war er mit Doflamingo im Bett gelandet. Crocodile wandte den Blick von der freien Bettseite ab. Das Kissen war aufgeschüttelt und das Laken sorgsam glatt gestrichen worden. Offenbar war Doflamingo nicht hastig aufgestanden, sondern hatte sich die Mühe gemacht, das Bett so ordentlich wie möglich zu hinterlassen. Als wäre er nie hier gewesen. Als hätte der gestrige Abend nicht stattgefunden. Plötzlich kam Crocodile ein beängstigender Gedanke: Betrachtete Doflamingo ihre gemeinsam verbrachte Nacht womöglich als einen Fehler? War er in Begriff gewesen über ihre Ehe hinwegzukommen und sah diesen Sex als einen Rückschlag an? Die Vorstellung, dass Doflamingo nicht länger verzweifelt auf seine Rückkehr wartete, sondern sich allmählich mit der Situation zu arrangieren begann, jagte Crocodile Angst ein. Er war von seinem Ehemann immer wie ein König verehrt worden. Von ihrer ersten Verabredung bis zum Ende ihrer Beziehung war er von Doflamingo stets auf Händen getragen worden. Jeden Wunsch hatte er ihm erfüllen wollen. Dass genau derselbe Mann nun ihr Bett verließ ohne irgendeine Spur zu hinterlassen, verletzte Crocodile. Mühsam erhob er sich und sammelte seine verstreut auf dem Boden liegende Kleidung auf. Unter normalen Umständen hätte Crocodile erst einmal geduscht und wäre dann in frische Sachen geschlüpft, doch er fühlte sich so elend, dass er dazu keine Kraft aufbrachte. Stattdessen gab er sich mit einer Katzenwäsche zufrieden. Im Badezimmerspiegel blickte ihm eine bleiche, unglücklich dreinschauende Gestalt entgegen. Seine Augen waren bläulich umschattet. Leise seufzte er auf. Crocodile trank eigentlich keinen Kaffee, doch heute war er ausnahmsweise der Meinung, dass ihm eine Tasse sicherlich guttun würde. Müde stolperte Crocodile unten in die Küche. Nachdem er den Kaffee ausgesetzt hatte, schenkte er Wasser in ein großes Glas ein. Er durchsuchte Hancocks Schubladen nach einer Aspirintablette, doch konnte keine finden. „Du musst keinen Kaffee kochen. Hancock ist nicht da.“ Crocodile erschreckte sich so sehr, dass er das Glas Wasser, das er in der Hand gehalten hatte, fallen ließ. Es landete laut krachend auf dem Fliesenboden und zersprang in hundert Scherben. Doflamingo saß auf einem Stuhl am Küchentisch. Crocodile hatte ihn überhaupt nicht bemerkt. „Tut mir leid“, sagte er und erhob sich, „ich wollte dich nicht erschrecken.“ Stumm begann er die Scherben vom Fußboden aufzulesen. „Wo ist denn Hancock?“, war die erste Frage, die Crocodile in den Sinn kam. „Sie hat einen Anruf aus dem Nagelstudio bekommen“, antwortete Doflamingo und warf die Scherben in den Mülleimer. „Es gibt irgendein Problem mit Materialen, die sie bestellt hatte und darum musste sie schnell hin, um die Sache zu klären.“ Crocodile nickte. Doflamingo war fast fertig mit dem Aufsammeln der Scherben, als Crocodile einfiel, dass er ihm vielleicht helfen sollte. Mühsam bückte er sich und hob, so gut es mit einer Hand eben ging, zwei Glasscherben auf. Doch Doflamingo winkte ab. „Ich mache das schon“, sagte er und nahm ihm das Glas ab. Der Kaffee war fertig, als alle Scherben entsorgt und der Boden gekehrt war, doch Crocodile war die Lust auf's Kaffeetrinken vergangen. „Warum bist du noch hier?“, fragte er seinen Ehemann mit leiser Stimme. Hatte Hancock ihn gebeten auf Nozomi aufzupassen, während sie im Nagelstudio war? Aber er war doch auch noch da. Seine Frage schien Doflamingo sauer aufzustoßen; er verzog unangenehm berührt das Gesicht. „Ich möchte mich bei dir entschuldigen“, sagte er schließlich. Er nahm seine Brille ab, klappte sie zusammen und legte sie auf den Küchentresen. Wie immer, wenn Doflamingo seine Sonnenbrille nicht trug, überkam Crocodile das Gefühl geröntgt zu werden. Die beiden grünen Iridien übten eine geradezu magische Anziehungskraft auf ihn aus. „Bei mir entschuldigen?“, wiederholte Crocodile und konnte nicht verhindern, dass ihm das Herz in die Hose rutschte. Doflamingo nickte mit schuldbewusster Miene. „Was ich getan habe, war falsch“, sagte er. „Die gestrige Nacht... das hätte so nie passieren dürfen. Es tut mir leid.“ Diese Entschuldigung versetzte Crocodile einen Stich ins Herz. Unweigerlich musste er an das aufgeschüttelte Kissen und das glattgezogene Bettlaken denken. Doflamingo betrachtete es also tatsächlich als Fehler, dass sie sich wieder angenähert hatten. „Es ist nicht allein deine Schuld gewesen“, erwiderte Crocodile. „Wir waren beide betrunken...“ „Ich hätte es auch getan, wenn ich nüchtern gewesen wäre“, unterbrach ihn sein Ehemann. „Ich habe ausgenutzt, dass du betrunken warst. Und das ist nicht richtig gewesen. Ich... Es ist nur...“ Plötzlich geriet seine Stimme, die vorher so sicher und fest geklungen hatte, ins Stocken. „Ich habe dich so schrecklich vermisst, Crocodile. Ich kann nicht in Worte fassen wie sehr du mir fehlst. Deine Stimme und dein Geruch... Als du allein neben mir gesessen hast, konnte ich dir einfach nicht widerstehen. Ich schäme mich dafür sehr. Natürlich möchte ich dich zurück, das möchte ich mehr als alles andere. Aber... aber doch nicht so. Ich habe mich hinreißen lassen, Crocodile, und es tut mir aufrichtig leid.“ Oh. Dieses Geständnis überraschte Crocodile. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Doflamingo war kein Mann, dem es leicht fiel über seinen Schatten zu springen und sich zu entschuldigen. Eigentlich gestand er bloß dann einen Fehler ein, wenn man ihn dazu zwang. „Es ist wirklich nicht allein deine Schuld gewesen“, versuchte Crocodile ihn ein wenig zu trösten. „Du hast Recht damit, dass ich betrunken war. Aber ich wollte es ebenso sehr wie du. Du stellst diese Nacht falsch dar, wenn du so tust, als wärst du über mich hergefallen. So war es nicht.“ Seine Worte schienen Doflamingo ein wenig zu besänftigen. Ein zaghaftes Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. „Hast du eben eine Kopfschmerztablette gesucht?“, fragte er ihn. „Ich habe welche in meiner Manteltasche, wenn du eine möchtest.“ Crocodile, der sich allmählich zu fragen begann, was sein Ehemann noch alles in seinem Mantel mit sich herumschleppte, nickte stumm. Doflamingo holte die Tablette und gab sie in ein Glas Wasser, das er ihm reichte. Für sich selbst goss er den Kaffee ein, von dem er ausgegangen war, dass Crocodile ihn für Hancock aufgesetzt hatte. Eine Weile lang sagte keiner von ihnen ein Wort. Crocodile nahm schlückchenweise das Wasser zu sich, während Doflamingo seine Tasse Kaffe trank. „Ist mit deinem Arm alles in Ordnung?“, fragte Doflamingo irgendwann. Crocodile, dessen Schädel schrecklich pochte, brauchte einen Moment, um zu verstehen, worauf die Frage seines Ehemannes anspielte. Er nickte und hielt Doflamingo seinen rechten Arm hin. Behutsam schob dieser den Ärmel nach oben und begutachtete die mit Hämatomen übersäte Haut; inzwischen hatten sie zum Glück bloß noch eine hellgelbe Färbung. Es würde nicht lange dauern, bis sie vollkommen verschwunden waren. „Kurz bevor du aufgewacht bist, hat Hancock mich angerufen. Diese Sache mit der falsch bestellten Ware scheint sich wohl etwas hinzuziehen. Sie hat mich gebeten nach Nozomi zu sehen. Hättest du vielleicht Lust ein bisschen mit uns spazieren zu gehen?“ „Warum nicht?“, antwortete Crocodile. Ein bisschen frische Luft würde ihm sicher guttun. ~ Heute Abend würde Crocodile sich mit Doflamingo treffen. Sein Ehemann hatte ihn um eine gemeinsame Verabredung gebeten; er wollte mit ihm im Flying Lamb zu Abend essen. Es war dasselbe Restaurant, das Doflamingo damals komplett nur für sie beide gebucht hatte, um ihren neunten Monatstag zu feiern und ihn zu fragen, ob er nicht bei ihm einziehen wollte. Crocodile kam dieser Abend sehr weit entfernt vor. In der Zwischenzeit war so unfassbar viel passiert. Crocodile war mit seinem Mercedes C 216 durch die Waschanlage gefahren und hatte sich ein neues, teures Hemd gekauft. Wahrscheinlich war es dämlich, aber er wollte bei diesem Date einen guten Eindruck machen. Doflamingo, der im Eingangsbereich des Lokals auf ihn gewartet hatte, begrüßte ihn mit einer Umarmung und einem kurzen, aber zärtlichen Kuss auf den Mund. Er half ihm aus seinem Mantel und nahm ihn an die Hand, um ihn zu ihrem Tisch zu führen. Dieses Mal hatte sein Ehemann das Flying Lamb nicht allein für sich angemietet. Wie damals, als sie mit einigen Freunden zu Besuch kamen, hatte er stattdessen den besten Tisch reserviert. Im kleinen, eleganten Separee fühlte Crocodile sich viel wohler. Noch gut konnte er sich daran erinnern, wie unangenehm es ihm vorgekommen war, in einem völlig ausgestorbenen Restaurant zu speisen. „Du siehst gut aus“, sagte Doflamingo, nachdem sie sich gesetzt hatte. Der blonde Kellner zündete die Kerzen an ihrem Tisch an. „Ist das Hemd neu?“ Crocodile nickte. „Ich bin mit Hancock einkaufen gewesen“, erzählte er. „Sie hat ein Kleid gesucht, das sie beim Elternabend in der Krippe tragen kann.“ „Wie macht Nozomi sich? Fühlt sie sich in der Krippe wohl?“ Er zuckte mit den Schultern. „Bisher sind sie immer nur eine oder zwei Stunden dort gewesen. Die Erzieherinnen sagen, dass man ein Kind in Nozomis Alter lieber langsam eingewöhnt. Erst ab nächster Woche wird sie zum ersten Mal ohne Hancock dort bleiben.“ „Bestimmt wird Nozomi sich gut machen. Sie ist es ja schön gewöhnt, mal ein paar Stunden ohne ihre Mutter zu verbringen. Wir sind ja auch oft mit ihr unterwegs gewesen“, warf sein Partner ein. Der Kellner kam zu ihrem Tisch, um nach ihren Wünschen zu fragen. Crocodile hatte sich für Schweinefilet entschieden; Doflamingo nahm Hummer. Außerdem bestellten sie eine Flasche des besten Weins des Hauses. „Und wie läuft es bei der Arbeit?“, fragte sein Ehemann, während er sich ein Stück Brot mit Knoblauchsauce in den Mund stopfte. „Bestimmt hast du beide Hände voll zu tun... Also... Ich meine, du bist sicher im Stress, oder? Der Erfolg der letzten Messe hat die Erwartungshaltung erhöht.“ Crocodile verzog das Gesicht. Er hasste es jemanden zu küssen, der kurz zuvor Knoblauch gegessen hatte. „Ich komme zurecht“, antwortete er und winkte ab. „Und ab nächsten Monat bekomme ich Unterstützung durch eine neue Sekretärin. Franky und ich machen so viel Arbeit, dass Kiwi und Moz alleine nicht mehr hinterherkommen.“ „Eine neue Sekretärin?“, hakte Doflamingo nach. „Hört sich gut an. Weißt du schon, wer es ist?“ Crocodile grinste. „Eigentlich ist es keine neue Sekretärin“, meinte er. „Sondern eine alte Sekretärin.“ Doflamingo zog eine Augenbraue hoch. Crocodile wusste genau, dass er es nicht ausstehen konnte, wenn man in Rätseln sprach. „Was meinst du damit?“, wollte er wissen und tunkte sein Brot erneut in Knoblauchsauce. „Robin hat die Bank verlassen“, erklärte er freudestrahlend. „Stattdessen wird sie meine neue Sekretärin bei Tom's Workers!“ „Wirklich?“, meinte sein Partner überrascht und erwiderte sein Lächeln. „Das ist ja klasse! Du und Robin seid ein gutes Team gewesen. Ich weiß noch, dass sie oft auf deinem Bürostuhl saß. Das war wirklich niedlich anzusehen.“ Crocodile nickte begeistert. „Eine bessere rechte Hand als Robin kann man sich nicht wünschen. Ohne sie wäre ich damals bei der Bank aufgeschmissen gewesen. Ich bin wirklich froh, dass wir beide wieder zusammenarbeiten werden.“ „Aber warum hat sie die Bank verlassen?“ Der Kellner servierte ihre Speisen und Getränke. Crocodile nahm einen Schluck Wein. „Da hat es wohl mehrere Gründe gegeben“, meinte er schulterzuckend. „Zum Einen war sie unzufrieden mit ihrem neuen Vorgesetzten. Du erinnerst dich an Buggy, oder? Tashigi hatte von ihm erzählt. Dieser Versager hat wohl immer wieder versucht ihr seine Fehler in die Schuhe zu schieben. Nun, und zum Anderen ist sie ja nun mit Franky zusammen. Der Wechsel hat also ganz gut gepasst.“ „Sie ist mit Franky zusammen und wollte trotzdem lieber als deine Sekretärin arbeiten?“ Doflamingo hatte einen verwunderten Gesichtsausdruck aufgesetzt. „Nun ja, Robin und ich sind ein eingespieltes Team“, erklärte Crocodile ihm. „Genauso wie Franky und seine beiden Sekretärinnen. Never change a running system.“ Er schwieg für einen kurzen Moment, ehe er hinzufügte: „Und wahrscheinlich hätte Franky es auch ein wenig seltsam gefunden, seine Freundin als seine persönliche Sekretärin einzustellen.“ „Ich hätte nichts dagegen, wenn du als mein Sekretär arbeiten würdest“, gab Doflamingo neckisch grinsend zurück. Crocodile verpasste ihm unter'm Tisch einen Tritt, doch sein Ehemann ließ sich davon nicht im Geringsten stören. „Aber nur wenn du ein sexy Sekretärinnen-Kostüm trägst“, fügte er hinzu und schmunzelte. „Wenn du so weitermachst, schütte ich dir gleich meinen Wein ins Gesicht“, drohte Crocodile, der von diesen anzüglichen Andeutungen nun wirklich genug hatte. Er verschränkte die Arme vor der Brust und warf seinem Partner einen bösen Blick zu. „Ist ja gut. Ich halte mich zurück“, meinte Doflamingo, der sich allmählich wieder einkriegte. Irgendwann wurde er wieder ein bisschen ernster und sagte: „Deinem alten Arbeitgeber scheint es jedenfalls ziemlich schlecht zu gehen. Zuerst verliert die Bank dich. Nun auch Robin. Buggy hat sich als kompletter Fehlgriff erwiesen. Inzwischen habe natürlich auch ich als Kunde dort meine Koffer gepackt. Akainu und Sengoku sind förmlich in Panik geraten. Das war lustig anzusehen. Ich hätte es dir gegönnt dabei gewesen zu sein, nur um ihre Gesichter zu sehen.“ „Miese Arschlöcher“, hauchte Crocodile und nahm einen weiteren Schluck Wein. Doflamingo nickte. „Das kannst du laut sagen“, meinte er mit eindringlicher Stimme. „Weißt du, was ich herausgefunden habe, als ich dort aufgeschlagen, um meine Verträge zu kündigen?“ Crocodile ließ von seinem Weinglas ab und warf seinem Ehemann einen erwartungsvollen Blick zu. Wovon sprach Doflamingo? Was hatte er herausgefunden? „Die Bank hat einen großen Haufen meiner Kohle verzockt“, erklärte er ihm mit zorniger Stimme. „Achtzehn Millionen Berry - einfach verspekuliert.“ „Achtzehn Millionen Berry?!“ Crocodile glaubte sich verhört zu haben. Das konnte doch nicht wahr sein! Doch Doflamingo nickte mit zusammengepressten Lippen. „Das ist schon vor fast zwei Jahren passiert. Aber mir hat man nichts davon erzählt, dass mein Geld verzockt wurde. Stattdessen haben sie versucht die Sache geheimzuhalten und den Fehler irgendwie wieder glattzubügeln.“ Crocodile konnte kaum fassen, was sein Ehemann ihm da berichtete. Es fühlte sich an, als würde ihm jemand den Boden unter den Füßen wegziehen. Bestürzt senkte er den Blick. Das Bild der edlen Stoffserviette, die auf seinem Schoß lag, verschwamm vor seinen Augen. „Crocodile?“ Doflamingos Stimme klang plötzlich sehr weit weg, obwohl er doch gegenüber von ihm am Tisch saß. „Geht es dir gut? Du bist plötzlich so blass geworden.“ Er hörte, wie ein Stuhl nach hinten geschoben wurde. Einen Moment später war sein Partner an seiner Seite. Erst als Doflamingo seine rechte Hand nahm und in die seinen legte, schreckte Crocodile wieder auf. „Es ist für mich nicht so schlimm wie es sich anhört“, erklärte er ihm mit sanfer Stimme. „Ich kann einen Verlust von achtzehn Millionen Berry verkraften. Mich kotzt eher an, wie ich von meiner Bank behandelt wurde. So kann man mit mir nicht umgehen. Wani? Wani!“ Crocodile schüttelte langsam den Kopf. Mit einem Mal hatte er die Antwort erhalten, auf die er schon so lange wartete. „Doffy“, flüsterte und warf ihm einen intensiven Blick zu. „Verstehst du es denn nicht?! Alles passt zusammen!“ „Was meinst du...?“ Doflamingo schien nicht zu begreifen, worauf er hinauswollte. „Vor knapp zwei Jahren hat die Bank dein Vermögen verspekuliert“, erklärte Crocodile ihm mit leiser, ernster Stimme. „Und zu genau dieser Zeit ist mir damals gekündigt worden. Verdammt, Doffy: Deswegen wollten die Bank mich loswerden. Sengoku hatte Angst, dass ich von dem Verlust der achtzehn Millionen Berry erfahre und dir davon erzähle! Er hat doch gewusst, dass wir beide eine Paar gewesen sind.“ Nun endlich schien auch sein Ehemann den Zusammenhang zu verstehen. Sein Gesichtsausdruck wechselte von besorgt über schockiert bis hasserfüllt. „Diese Hurensöhne!“, zischte er und quetschte Crocodiles Hand, die noch immer zwischen seinen lag. „Diese verdammten Wichser! Aber natürlich... Du hast Recht! Verdammt, es ergibt alles einen Sinn. Das passt zusammen!“ Crocodile nickte hektisch. Er konnte nicht eindeutig einordnen, ob es ihn erleichterte oder aufregte, dass er endlich den Grund für seine Kündigung kannte. Eigentlich hatte er mit der Bank nichts mehr zu tun. Bei Tom's Workers fühlte er sich sowieso viel wohler. Auf der anderen Seite konnte er nachvollziehen, dass sein Ehemann sich von Sengoku verraten fühlte. Plötzlich breitete sich auf Doflamingos Lippen ein Grinsen aus. So hatte Crocodile seinen Ehemann noch nie grinsen sehen. Es war ein wahnsinniges, grausames Grinsen. „Dafür werde ich sie büßen lassen“, sagte Doflamingo. Und er sagte es mit einem solchen Unterton in der Stimme, dass Crocodile nicht auch nur für einen einzigen Moment an seinen Worten zweifelte. „Ich werde mir den besten Anwalt besorgen, den in es in diesem Land zu kaufen gibt. Nein - eine ganze Armada von Top-Anwälten. Und ich werde diese Bank verklagen, bis ihnen gerade noch genug Kohle bleibt, um ihr beschissenes Gebäude abzureißen!“ „Du willst Sengoku vor Gericht ziehen?“ Crocodile warf seinem Partner einen ungläubigen Blick zu. Doflamingo nickte energisch. „Ich werde mir meine achtzehn Millionen Berry zurückholen, die sie verzockt haben. Und ich werde Schadensersatz für die Kündigung meines Ehemannes verlangen, da diese nur ausgesprochen wurde, um zu verhindern, dass ich vom Verlust meines Geldes erfahre. Diese Klage wird die Bank ihre Existenz kosten! Nicht nur die Gerichtskosten, sondern auch die Paparazzi werden sie zugrunde richten. Verdammter Sengoku! Das hat er verdient!“ „Erinnere mich daran, darauf zu achten, dass ich niemals deinen Zorn auf mich ziehe“, sagte Crocodile, halb amüsiert, halb ernst angesichts der hasserfüllten Reaktion seines Partners. ~ Seine Trennung von Doflamingo lag nun vier Monate zurück. Crocodile war noch immer nicht in die Villa, in der er gemeinsam mit seinem Ehemann gewohnt hatte, eingezogen. Er lebte auch nicht mehr bei seiner Schwester Hancock. Stattdessen hatten Doflamingo und er sich ein hübsches Haus im Vorort ausgesucht. Es lag verborgen hinter ein paar alten Bäumen, die einen großen Garten einrahmten. Doflamingo, der zeit seines Lebens zu den Reichen der Reichen gehört hatte, legte viel Wert auf die Wahrung seiner Privatsphäre. Darum hatten sie sich ein Haus ausgesucht, das sich ganz am Ende einer kleinen Nachbarschaft befand und von der Straße aus nicht einsehbar aus. Das Haus war um einiges größer als die Häuser, in denen Mihawk oder Hancock lebten, doch nicht so groß, dass Crocodile sich darin nicht hätte wohlfühlen können. Es gab keine unnötigen Räume mehr: Keine unzähligen Badezimmer, kein Zimmer nur zum Basteln und Geschenke einpacken, keine Einlieger-Wohnungen für Angestellte, keine Großraumküche mehr. Das Herzstück des Hauses stellte das große, lichtdurchflutete Wohnzimmer im Erdgeschoss dar. Mit seinen bodentiefen Fenstern und dem Kamin ähnelte es dem Wohnzimmer in ihrem Ferienhaus am Strand. Neben dem Wohnzimmer lag eine geräumige, moderne Küche, in der am zumeist Wochenende Crocodile und unter der Woche eine Haushälterin das Abendessen zubereitete. Oben befand sich ihr Schlafzimmer mit dem angrenzenden Badezimmer und den begehbaren Kleiderschränken. Mit dem Auto benötigte Crocodile fünfundzwanzig Minuten bis zur Arbeit, fünfzehn Minuten bis zu seiner Schwester oder seinem Bruder und auch wenn er Daz besuchen wollte, sparte er einen Großteil der Anfahrt. Das Haus war zur Häflte von Doflamingo und zur Hälfte von Crocodile bezahlt worden; sie standen beide im Grundbuch. Das war ihm wichtig gewesen. Sechs Monate nach ihrem gemeinsamen Einzug in das neue Haus begann der Gerichtsprozess, den die Bank verlor. Der Richter entschied, dass Sengoku und die anderen namenhaften Mitarbeiter der Bank fahrlässig mit Doflamingos Vermögen umgegangen waren und ihn betrogen hatten. Zusätzlich hatten sie durch die ungerechtfertigte Kündigung seines Ehemannes nicht nur einen erheblichen finanziellen Schaden verursacht, sondern auch das Vertrauen ihres Kunden massiv beschädigt. Die Bank wurde zur Zahlung einer Summe verurteilt, die so hoch war, dass sie sich unmöglich davon erholen könnte. Der mediale Aufruhr, den der Gerichtsprozess mit sich zog, tat sein Übriges. Crocodile wurde wegen seiner Kündigung Schadensersatz in Höhe von dreieinhalb Millionen Berry zugesprochen. Er konnte sein Glück kaum fassen, als der Richter das Urteil verlas. Doflamingo setzte die wöchentlichen Treffen mit seinem Psychotherapeuten fort. Er nahm die Behandlung seiner Probleme sehr ernst und arbeitete hart an sich. Seine Eifersucht und seine ständige Sorge um die Menschen, die ihm wichtig waren, ließen sich nicht vollständig kurieren. Das war auch nicht das Ziel; diese Eigenschaften waren Teile seine Persönlichkeit. Es ging darum zu lernen, sich in seinem Verhalten soweit zurückzuhalten, dass er sich Anderen nicht länger aufdrängte oder sie überwachte. Crocodile arbeitete gerne bei Tom's Workers. Als seine Sekretärin Robin das Büro betrat, war es gleich so als wäre sie niemals fort gewesen. Ab der ersten Sekunde waren sie beide wieder ein eingespielte Team. Franky war von der Arbeit, die sie leisteten, absolut begeistert - und von seiner (inzwischen) Verlobten sowieso. Hancock arbeitete wieder als Nageldesignerin. Ihr Studio lief so gut wie nie zuvor; sie dachte sogar darüber nach eine zweite Filialie zu eröffnen. Die 75.000 Berry, die ihr Schwager ihr geliehen hatte, konnte sie ihm innerhalb weniger Jahre problemlos zurückzahlen. Nozomi, für deren dritten Geburtstag Doflamingo bereits ein schönes Kinderfahrrad als Geschenk besorgt hatte, fühlte sich in der Krippe sehr wohl. In eine ihrer Erzieherinnen war sie sogar dermaßen vernarrt, dass Hancock zwischenzeitlich mit der Eifersucht zu kämpfen hatte. Im Großen und Ganzen war sie aber natürlich froh, dass sie eine gute Lösung für sich und ihre Tochter hatte finden können. Vor einer Weile hatte Luffy, Nozomis junger Vater, seine Weltreise unterbrochen und war in seine Heimatstadt zurückgekehrt. Zwei Jahre lang wohnte er bei seinem älteren Bruder und jobbte hier und dort, ehe er genug Geld angespart hatte, um wieder zu reisen. Zu seiner Tochter hatte er nie den Kontakt gesucht, obwohl sie nicht weit von ihm entfernt lebte. Hancock hatte sich damit arrangiert und zog ihre kleine Tochter zwar ohne Vater, aber dafür mit der liebevollen Hilfe von drei Onkels groß. Mihawks bester Schüler Zoro entwickelte sich zu einer echten Korifähe in der Fechtkunst. Er gewann zahlreiche Turniere und galt als Favorit bei den kommenden Olympischen Spielen. Tashigi brachte es nie so weit nach oben, doch auch sie entwickelte sich zu einer guten Fechterin und nahm immer mal wieder an kleineren Meisterschaften teil. Law war vor einem Jahr bei seinem festen Freund Kid eingezogen. Sie arbeiteten beide sehr viel, aber versuchten sich so oft wie möglich auch etwas Zeit nur für sich einzuräumen. Das war gar nicht so leicht, denn fast jedes Wochenende versuchte Doflamingo sie dazu zu überreden, gemeinsam mit ihm und ein paar anderen Freunden in Shakky's Bar abzuhängen. Über den plötzlichen Unfalltod seiner ersten Liebe Corazon kam Law nie vollständig hinweg. Wenn er abends allein im Bett lag, weil Kid mit einem Kunden einen späten Termin ausgemacht hatte, musste er manchmal an Corazon denken und konnte nicht verhindern, dass sein Herz schmerzte. Aber er hatte gelernt, mit seiner Trauer umzugehen. Dann strich er mit seinen Fingern behutsam über die Tätowierungen, die er sich an Gedenken an seinen verstorbenen Freund hatte stechen lassen, und erinnerte sich ganz bewusst an die schöne Zeit, die er mit Corazon hatte verbringen dürfen. Und wenn dann irgendwann Kid nach Hause kam und sich neben ihn ins Bett legte, ging es ihm wieder ein wenig besser. ~ Heute war Nozomis dritter Geburtstag. Mittags hatte ein kleiner Kindergeburtstag mit ein paar ihrer Freunde aus der Krippe stattgefunden. Und am frühen Abend kamen Mihawk, Crocodile und Doflamingo zu Besuch. Hancock hatte eine wundervolle Torte vorbereitet. Sie war über und über mit Blumen aus Zuckerguss verziert und oben in der Mitte saß ein kleiner Teddybär aus Marzipan, der genauso aussah wie Nozomis Lieblingsplüschtier. (Man brauchte nicht zu erwähnen, dass es sich bei dem Teddybären um ein Geschenk von Doflamingo gehandelt hatte.) Sie ließen sich im Wohnzimmer nieder. Hancock schenkte Kaffee ein. Crocodile holte ein Feuerzeug hervor, um die Kerzen auf der Geburtstagstorte anzuzünden. Doflamingo bestand darauf Happy Birthday zu singen, ehe Nozomi versuchen durfte, die drei Kerzen auszupusten. Als es ihr nicht so recht gelingen wollte, half Hancock unauffällig nach. Ein wohliges Gefühl breitete sich in Crocodiles Magengegend aus, während er beobachtete, wie seine kleine Nichte ihre Geburtstagsgeschenke auspackte. Von Mihawk bekam sie ein Puppenhaus aus Holz mit hübschen, kleinen Puppenfiguren. Crocodile musste schmunzeln als er sah, dass Nozomi die Freude förmlich ins Gesicht geschrieben stand. Die Zeiten, in denen Crocodile ohne Pause besorgt und angespannt gewesen war, lagen weit zurück. Es gab nichts mehr zu verbergen; nichts, was ihm Sorgen machte oder ängstlich in die Zukunft blicken ließ. Er brauchte nichts weiter zu tun als den heutigen Tag zu genießen. Unbeschwert lächelnd betrachtete er Nozomi, die neugierig das Fahrrad, das er gemeinsam mit seinem Ehemann für sie besorgt hatte, auspackte. Natürlich hatte Doflamingo unbedingt ein knallpinkes Mädchenrad haben wollen. Zum Glück konnte ihn Crocodile zu der ein wenig zurückhaltenderen Variante in Hellblau überreden. Als Nozomi ihr neues Fahrrad vor sich stehen sah, begann sie aufgeregt zu hüpfen und bettelte ihre Mutter sofort an, draußen in der Einfahrt damit fahren zu dürfen. Hancock, bei der es sich eigentlich um eine eher strenge Mutter handelte, ließ sich schließlich erweichen. Crocodile ließ sich neben Mihawk auf der Bank, die im Vorgarten stand, nieder. Es war schön anzusehen, wie Doflamingo seiner kleinen Nichte auf das Kinderfahrrad half und ihr erklärte, wie die Pedale funktionierten. Die Begeisterung, die sein Ehemann für Nozomi empfand, war nie abgeebbt. Er war in sie noch immer ganz genauso vernarrt wie am ersten Tag. Das Kinderfahrrad verfügte natürlich über Stützräder und so fiel es Nozomi nicht schwer ihre ersten Runden zu drehen. Doflamingo ließ sich neben Crocodile auf der Gartenbank nieder und griff nach seiner Hand. Erst als die Sonne unterging und Hancock darauf bestand, dass Nozomi ins Bett müsste, machten sie sich auf den Heimweg. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)