Yajuu 2 von Avyr (-beyond redemption-) ================================================================================ Kapitel 4: eine Chance ---------------------- „Nun mal langsam mit den jungen Pferden. Denkst du nicht, dass es da bessere Lösungen geben könnte?“ Langsam öffnete ich die Augen und blickte mich verdutzt um. Ohne Zweifel hing ich gerade in der Luft, unter mir der felsige Abgrund. Nur wieso fiel ich nicht? Ich drehte den Kopf zur Seite und erkannte den Grund. Kyria stand entspannt neben mir am Rande der Stahlstrebe und hielt mich mit nur einer Hand davon ab, abzustürzen. „W…Kyria?“, rief ich erschrocken aus. Ich war mir hundertprozentig sicher bis eben noch allein gewesen zu sein. Ohne mit der Wimper zu zucken, zog sie mich zurück auf die Brüstung und wenige Momente später standen wir auf der Brücke, als wäre nichts gewesen. Ich umklammerte das Geländer mit einer Hand und starrte auf den Boden. Wieso musste ausgerechnet sie jetzt hier sein? „Wie lang weißt du es schon?“, fragte mich Kyria plötzlich. Sie klang sehr mitfühlend und freundlich, so wie sie es immer tat. Sie wusste es also, wurde mir bewusst. Erst seit eben oder schon länger? Schließlich nuschelte ich als Antwort: „Etwa ein Jahr…“ „Verstehe. Ist ja eine ziemlich lange Zeit. Du hast zwischendurch bestimmt diese Tabletten genommen.“ „Ja…“, gab ich kleinlaut zu. „Da stellt sich mir die Frage, wieso du dann damit aufgehört hast.“ Es war nicht so, als würde sie mich dazu zwingen zu antworten, doch ich hatte irgendwie gerade das Bedürfnis mit jemandem zu reden. „Naja, ich kümmere mich um ein paar Kinder, allerdings sind einige von ihnen auch infiziert und ich kann es mir nicht leisten, die Tabletten für alle zu bezahlen. Daher habe ich lieber auf meine verzichtet…“ „Ich verstehe. Tatsächlich habe ich so etwas ja schon geahnt.“ Plötzlich hob sie mein Kinn an und zwang mich so, sie anzublicken. Ein trauriges Lächeln zeigte sich mir. „Weißt du, ich könnte dir helfen, wenn du es möchtest. Der Virus in deinem Körper hat schon zuviel befallen, um noch lange von dir zurückgehalten werden zu können, aber es gibt dennoch Wege damit zu leben. Verwirrt blickte ich sie an. „Auch ich hätte den Tod vorgezogen, doch mir wurde nicht erlaubt zu sterben.“ Da endlich konnte ich aussprechen, was ich schon die ganze Zeit vermutet hatte. „Du… bist auch eine von ihnen…“ Kyria´s Augen begannen hell zu glühen. Es war dieses selbe kühle grün, welches ich auch schon in der Bar bemerkt hatte. „Das ist richtig. Ich bin eine Exile. Anders als du das wahrscheinlich denkst, sind die Menschen nicht dazu verpflichtet sich wie Bestien zu verhalten, wenn sie einmal mutiert sind. Tatsächlich hat jeder von uns die Wahl wie menschlich man bleiben möchte. Du siehst, wie die meisten ihre Wahl treffen, doch dass muss nicht auf dich zutreffen.“ Ungläubig starrte ich sie weiter an. „Du hast schöne Augen. Ich kann dort nicht dieselbe Gier erkennen, wie in den meisten anderen.“, sagte sie plötzlich, „Ich kann dir versichern, dass du nicht zu einer dieser grotesken Gestalten werden würdest, die du bereits gesehen hast.“ Erst jetzt bemerkte ich, dass sie wieder angefangen hatten zu leuchten. Langsam sickerten die Informationen, die ich eben erhalten hatte zu mir durch. Kyria versuchte mir also zu erklären, dass ich menschlich bleiben konnte? „Aber wie?“, dachte ich laut. Noch immer blickte sie mich tief an. „Natürlich verlangt es besonders in der ersten Zeit sehr viel Selbstbeherrschung. Es ist nicht leicht, daher geben auch so viele mit der Zeit ihren Instinkten nach, aber es ist nicht unmöglich. Wenn du es möchtest, dann würde ich solange auf dich aufpassen, bis du gelernt hast damit zu leben.“ „Wieso würdest du das tun?“, fragte ich sie. Ich meine, wie kannten uns kaum und sie war eine Exile. Was kümmerte sie sich um einen Menschen wie mich… na ja einen noch- Menschen sozusagen. Da lächelte sie traurig, aber auch warm: „Zum einem wurde auch mir damals geholfen und ich finde, dass wenn es jemanden gibt, der schon dagegen ankämpft, dann hat er auch eine Chance dazu verdient. Zum anderen jedoch ist dies auch eine Art Versprechen, das ich einst einer sehr wichtigen Person gegeben habe. In mir schlich sich das Gefühl ein, dass hinter der freundlichen Fassade von ihr ein sehr düsterer Abgrund lag. Es war wahrscheinlich besser, wenn ich es dabei beließ. „Überleg es dir.“, lächelte sie mir freundlich zu. „Ich…“, wollte sie noch irgendwas anfügen, als sie plötzlich erstarrte. Ich riss erschrocken die Augen auf, als ich sah dass ein spitzer Stab aus ihrer Brust auf mich zu zeigte. An ihm tropfte ihr Blut zu Boden. Dann blickte ich ihr panisch ins Gesicht und sah, dass ihre Augen wieder glühten, dieses Mal jedoch erinnerten sie mich an Augen einer wahren Bestie. Kyria nahm einen Arm hinter sich und zog den Stab heraus. Dann wirbelte sie ihn kurz umher und stützte ihn am Boden ab. „Wow was für eine herzliche Begrüßung.“, sprach sie in die Finsternis, die vor uns lag und drehte sich herum. Mehrere Gestalten näherten sich uns. Hunter. Kyria stellte sich demonstrativ vor mich, als würde sie mich abschirmen wollen. „Wundere dich nicht, ich werde einen Teil meiner Aura frei lassen, damit sie nicht bemerken, dass du infiziert bist.“ So hatte ich sie noch nie erlebt. Obwohl sie mir gegenüber noch immer sehr freundlich war, wirkte sie sehr angespannt und kampfbereit. Ich wollte sie gerade fragen, ob es ihr auch gut ginge, denn schließlich steckte bis eben noch ein Metallstab in ihrer Brust, aber da schlug mir bereits eine Welle ihrer Aura entgegen. Für einen Moment raubte sie mir den Atem. Dann fiel mir ein, dass sie eben nur gesagt hatte, sie würde einen Teil frei lassen… Ich wollte gar nicht wissen, was das im Detail bedeuten würde. „Ich hatte dich gewarnt, dass ich dich töten würde, wenn wir uns wieder treffen, Kyria.“, ertönte plötzlich die kalte Stimme, der näher kommenden Hunter. Ich kniff die Augen zusammen und erkannte, dass an ihrer Spitze Sayo lief. Ihr Gesicht wirkte finster und eiskalt. „Ich bin dir ja auch nicht begegnet, sondern hatte schon vorher den Pfahl in meiner Brust.“, gab Kyria ihr zu Antwort. Nun klang sie gar nicht mehr freundlich und warmherzig. Tatsächlich klang sie Sayo sehr ähnlich. „Als hätte dich das tatsächlich umbringen können.“, gab Sayo bissig zurück und auch ein wenig enttäuscht, wie es schien. „Was nur hat dich so verändert?“, fragte Kyria traurig. Es war zwar mehr als würde sie laut denken, aber es führte dazu, dass Sayo noch finsterer blickte als ohnehin schon. Ich bekam Angst. „Du bist doch mit Schuld an dem allen, Kyria. Erst verrätst du die Hunter und wirst zu einer Bestie, dann bekräftigst du Rui umso mehr, dass es so in Ordnung ist, wie es ist und dann…“ „Du denkst also, es wäre meine Schuld, dass du allein bist? Es gab einmal eine Zeit, da hast du zu mir gestanden, als ich mich den Huntern stellte und sie mich töten wollten. Auch Rui hast du voll und ganz unterstützt. Ich habe die Hunter nicht zerstört, dass hat der Boss ganz alleine getan.“ „Schweig!“, schrie Sayo wütend. „Hey Mädchen, ich an deiner Stelle würde da abhauen. Du hast sicher keine Ahnung, wer da vor dir steht.“, richtete sie ihre Worte plötzlich an mich. Ich zuckte vor Schreck zusammen. „Vor die steht nämlich Kyria, die derzeitige Nummer 2 der schwarzen Liste. Viele ringen sich um ihren Tod.“ Ich erschrak. Ich kannte die schwarze Liste. Sie war für die größten Verbrecher in der Dämonen und Geisterwelt angelegt wurden. Dass sie einen solch hohen Rang innehatte, ließ mich erzittern. „Sayo, lass das mal meine Sorge sein. Deine taktvolle Art Leuten so etwas mitzuteilen ist ja wirklich rührend, aber ich bevorzuge es, solche Dinge selbst zu erzählen.“, gab Kyria nun trocken zurück. Ihr war meine Reaktion nicht entgangen, aber im Moment hatte Sayo Vorrang. Diese schien sich währenddessen auszumalen, wie sie Kyria auf dem besten Wege umbringen konnte und wie es möglichst schnell, aber trotzdem qualvoll ginge. Für den Moment vertraute ich da Kyria um einiges mehr, als ihr. Blitzschnell startete Sayo ihren Angriff. Den ausziehbaren Stab vom letzten Mal gezückt, hielt sie direkt auf Kyria zu. Diese bewegte sich nicht vom Fleck, sondern wehrte den Angriff mit der Stange von eben ab. Obwohl ich wusste, dass Sayo ungeheure Kraft hatte, gelang es Kyria mit nur einer Hand die Stange in der Luft ihr entgegen zu halten. „Tse, wie mir scheint bist du stärker geworden.“, knirschte Sayo mit den Zähnen. „Tja denkst du ich habe über 120 Jahre nur gehäkelt?“, gab Kyria ihr als Antwort. Das machte Sayo noch wütender und sie versuchte sogleich einen erneuten Angriff. Schnell zog sie den Stab zurück und ich sah, dass er sich teilte. Dann griff sie nach den beiden Ende und hielt damit gleichzeitig auf Kyria zu. Kyria hingegen blieb noch immer still stehen. Sie packte den Stab fester und warf ihm Sayo entgegen, welche diesem jedoch mühelos auswich und weiter auf Kyria zu hielt. Als wüsste sie wie sich Sayo bewegen würde, drehte Kyria sich nur um einige Zentimeter anders hin und so verfehlte Sayo sie. Nun hielten die Stäbe mit ihren Spitzen enden auf mich zu. Ausweichen konnte ich nicht mehr, dazu fehlte mir die Zeit, also zuckte ich nur zusammen. Doch die Stäbe trafen mich nicht. Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich, dass Kyria mit je einer Hand einen von Sayos Armen umklammert hielt und sie mich so nicht erreichen konnte. „Ich hätte nicht gedacht, dass du in Kauf nehmen würdest, dass ein Mensch stirbt.“, sagte Kyria plötzlich finster. Ich erspähte kurz ihr Gesicht und sah, dass sie die Zähne ein wenig gefletscht hatte. Der Angriff auf mich, schien sie wütend gemacht zu haben. Sayo verzog keine Miene. Stattdessen entzog sie sich schnell aus Kyria´s Griff und sprang einige Meter zurück. „Na und. Es ist eh nur ein Mensch.“ Sayos Augen begannen rot zu leuchten. In weiterer Entfernung erkannte ich noch immer die Gestalt mehrerer Personen, die sich aber nicht einen Millimeter gerührt hatten, seit sie angekommen waren. Plötzlich drückte mich Kyria leicht nach hinten weg. „Halte bitte diesen Abstand ein, sonst könnte es sein, dass ich dich aus Versehen verletze.“ „Ja.“, antwortete ich folgsam. Kurz blickte sie mir ins Gesicht und ein warmes, wenn auch besorgtes Lächeln setzte sich auf ihre Lippen. „Ich danke dir.“, sagte sie geheimnisvoll. Auf einmal war ein Dolch kurz vor ihrem Gesicht. Wer ihn so blitzschnell geworfen hatte, konnte ich unmöglich sagen. Doch Kyria fing ihn nur wenige Zentimeter vor ihrem Gesicht ohne sichtbare Anstrengung zu zeigen. Da lachte Sayo auf. „Wusste ich es doch. Du hast Roona´s Fähigkeiten bekommen nicht wahr?“ Roona? Dieser Name sagte mir nichts, aber meine Intuition verriet mir, dass diese Roona sehr wahrscheinlich diese Person gewesen war, die Kyria so viel bedeutet hatte. Kyria schien diese Aussage gar nicht gefallen zu haben, denn als ich nun wieder zu Sayo blickte, sah ich dass der Dolch von eben in ihrer Brust steckte. Die beiden waren so schnell, dass es für mich nur sehr schwer war ihren Bewegungen zu folgen. Sayo zog unterdessen schmerzverzerrten Gesichtes den Dolch heraus und warf ihn von der Brücke. „Na los! Greift schon an.“ Da setzten sich die Hunter hinter ihr in Bewegung und eine Welle von Aura strömte mir entgegen. Ich konnte nicht glauben, was ich da sah, denn zunächst begannen diese Zeichen auf ihren Stirnen zu leuchten und dann verzerrte sich ihre Gestalt. Ich zuckte zusammen. Was war das? Das waren keine Menschen. Diese Hunter waren… Yajuu? „Was hat das zu bedeuten?“, fragte Kyria wütend, „Was hast du mit ihnen gemacht?“ Sayo kicherte und stemmte die Hände in die Hüfte. „Das sind die modernen Hunter. Wir hatten mit einigen finanziellen Problemen zu kämpfen, da machte man uns ein Angebot.“ „Du hast deine eigenen Gefolgsleute verkauft?“ „Richtig. Was du hier siehst eine ganz neue Art der Yajuu. Durch spezielle Siegel und implantierte Chips lassen sie sich mühelos kontrollieren und laufen daher nicht Amok wie der Rest deiner Rasse. Sie haben noch immer ihren menschlichen Verstand nur sind sie schlichtweg viel mächtiger als die alten Hunter.“, erklärte Sayo belustigt. Kyria gefiel das gar nicht. In ihrem Gesicht erkannte ich einen Zorn, der sie viel gefährlicher wirken ließ, als bisher. Ich schaute mich derweil um. Wir waren von allen Seiten umzingelt. Selbst auf den Seilen, die die Brücke hielten, standen sie. Diese neue Art der Yajuu war merkwürdig. Alle sahen sich irgendwie ähnlich, wie eine Mischung aus Raubkatze und Fledermaus. Ich fand das bizarr. Mit gefletschten Zähnen visierten sie Kyria an. Diese blickte sich auch kurz um, dann strich sie sich kurz durch die Haare. „Hm ok, Planänderung. Lua? Rühr dich nicht vom Fleck, ich werde wohl nicht umhin kommen, mich doch ein wenig zu bewegen.“ „In Ordnung.“, sagte ich ihr. Da wusste ich noch nicht, was ich gleich zu Gesicht bekommen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)