Yajuu 2 von Avyr (-beyond redemption-) ================================================================================ Kapitel 6: Ihre Mission ----------------------- Kyria war entsetzt. Sie war vor nicht allzu langer Zeit aus der Stadt zurückgekehrt und hatte ihr Lager leer aufgefunden. Zunächst hatte sie nichts Schlimmes gedacht, schließlich waren sie allein und sie erkannte genau wohin Lua verschwunden war. Doch dann hatte sich alles verändert. Eine gigantische Aurawelle hatte die Umgebung getränkt, etwas dass Kyria so noch nie bei einem frisch Erwachten gespürt hatte. Es war etwas, was zwar einem Exile sehr ähnelte, aber doch nicht gleich war. Das hatte Kyria stutzig gemacht und sie hatte sich auf dem Weg gemacht. Auf halbem Wege jedoch hatte sie dann plötzlich die Auren einer Gruppe Menschen verspürt. Klar ausgerechnet heute mussten sie ja natürlich einen Spontanausflug hierher machen. Kyria wusste nicht, wie Lua reagieren würde, aber wenn sie an sich selbst zurückdachte und ihre erste Nacht als Exile… dann hatte sie allen Grund sich zu beeilen. Kyria hatte damals über zwanzig Menschen getötet, bevor Chrona und Anubis, zwei andere Exile, sie hatten stoppen können. Kyria eilte blitzschnell zu dem Ort an dem Lua´s Fußspuren sie führten. „Lua!“, rief sie aus, als sie den Rand einer Lichtung erreichte und dann traute sie ihren Augen kaum. Leicht außer Atem betrachtete Kyria die Szene, die sich ihr nun bot. Die Menschen lachten ausgelassen und liefen unbekümmert Schlittschuh. Ein junges Pärchen küsste sich gerade innig, ein anderes lief weiter vorn. Dann waren da drei kleine Kinder, vielleicht um die sechs bis acht Jahre alt. Eines war gerade kurz davor das Gleichgewicht zu verlieren, da fing jemand es auf. Obwohl bedrohliche Klauen überall abstanden, ging sie so sanft und liebevoll mit diesen zerbrechlichen Wesen um, als wäre sie ihre Mutter oder große Schwester. Ein anderes Kind hielt sich an ihrer Hand fest und machte zaghaft ein paar Schritte auf dem Eis. Lua gab dem Mädchen ein paar Tipps, um das Gleichgewicht besser halten zu können und half dem anderen Kind wieder auf die Beine. Das dritte Kind war schon sehr sicher unterwegs und lief munter um sie herum. Lua ließ kurz das Mädchen los, packte das andere Kind und warf es in die Luft. Dann fing sie es wieder auf und half ihm bei einer Drehung. Er lachte und das junge Mädchen klammerte sich an Lua´s Bein, um nicht umzufallen. Kyria konnte noch immer nicht glauben, was sie da sah. Sie hatte erwartet, dass hier ein Gemetzel stattgefunden hätte, aber stattdessen wirkte Lua ruhiger und ausgeglichener als jemals zuvor. „Du kannst ruhig rüber kommen, Kyria.“, erhob Lua plötzlich das Wort. Sie hatte also schon die ganze Zeit gewusst, dass sie da war. Unsicher ging Kyria auf sie zu und das erste, was sie sagen konnte, war: „Wer bist du?“ Lua´s Katzenaugen blickten sie freundlich an. „Lua, schon vergessen?“, dann trat ein freches Grinsen auf ihr Gesicht, dass Kyria leicht erröten ließ, da sie das zu sehr an Roona erinnerte. „Nein, was bist du? Noch nie hat sich eine Erwachte so verhalten wie du, ja nicht einmal dein Aura ist die einer Exile oder Yajuu.“ Lua blickte kurz zu den Kindern und sagte zu ihnen, dass sie kurz gehen sollten. Sie taten wie geheißen, auch wenn sie etwas traurig waren. „Sind sie nicht süß? Die Älteren hatten logischerweise erst Angst vor mir, aber sie scheinen wohl gemerkt zu haben, dass ich ihnen nichts tun will.“, lächelte Lua glücklich. Ich blickte Kyria direkt in die Augen. Sie wirkte völlig verwirrt und das konnte ich gut verstehen. Daher wollte ich es ihr so gut wie möglich erklären. „Das ich eine andere Aura habe, liegt daran dass ich keine Exile bin.“ „Und was bist du dann?“, fragte Kyria mich. Die Frage war nicht bösartig gemeint, sondern nur verwirrt. „Weißt du, was genau ich bin, ist mir selbst nicht genau bewusst. Ich bin etwas Neues, etwas Anderes. Unglücklicherweise kann ich mich nicht mehr an alles erinnern, aber ich weiß, dass mein Vater ein Exile war. Meine Mutter hingegen war ein Mensch.“ „Das heißt also, du warst sozusagen von Geburt an ein halber Exile.“, stellte Kyria fest. „Ja, das ist richtig. Der Virus in mir muss wohl deswegen mutiert sein.“, stimmte ich ihr zu. „Hm, das erklärt wohl auch, wieso du dich so perfekt unter Kontrolle hast. Schließlich hast du dein ganzes Leben schon geübt dich zu kontrollieren.“ „Scheint so.“ Mir fiel auf, dass ich tatsächlich schon lange Zeit immer mal diese Anwandlungen gehabt hatte, dass ich Mordlust verspürte oder ähnliches. Ich konnte nicht leugnen, dass diese Gefühle auch jetzt noch da waren, aber ich wusste, dass ich sie fest unter Kontrolle hatte. Natürlich hatte ich das vorher nicht wissen können. Kyria begann plötzlich zu lachen. Ich blickte sie fragend an. „Sieh an, dann brauchst du meine Hilfe ja eigentlich gar nicht.“ „Das wusste ich vorher nicht.“, gab ich zurück. Aus irgendeinem Grund hatte ich nun ein schlechtes Gewissen deswegen. Kyria legte plötzlich ein Hand auf meine Schulter: „Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben. Ist doch umso besser, wenn du nicht Amok läufst.“ Unsere Blicke trafen sich und sie lächelte mich aufmunternd an. „Weißt du, ich hatte recht, du bist kein Monster geworden. Man sagt die Gestalt, die man als Erwachter hat, egal ob Yajuu oder Exile oder was in dieselbe Richtung geht, spiegelt das Aussehen der Seele wieder. Du musst eine wunderschöne Seele haben, Lua.“ Ihre Worte erfreuten mich sehr. Vielleicht hatte sie zwar unrecht, aber im Moment wollte ich daran nicht glauben. Stattdessen fasste ich nun einen Entschluss. „Kyria, als du sagtest du wärest geschäftlich unterwegs, was genau hast du da gesucht? Ich würde dir gerne helfen dein Ziel zu erreichen.“, sagte ich zu ihr und das war mein voller ernst. Sie blickte mich mit großen Augen an: „Aber, ich dachte du willst so schnell wie möglich nach Hause zurück, wenn du dich wieder unter Kontrolle hast. Also könntest du es jetzt bereits tun.“ Ich seufzte: „Du hast recht, doch in meinem Inneren spüre ich einfach, dass es falsch wäre jetzt zu gehen. Natürlich sehne ich mich zurück und ja, ich mache mir auch große Sorgen, doch das hat jetzt einfach Vorrang.“ Kyria blickte noch immer verwundert drein, akzeptierte meine Entscheidung aber dankbar. „Ich suche jemanden.“, begann sie zu erzählen. „Wen?“, fragte ich. „Ihr Name ist Seraphis. Du musst wissen, dass sie die erste Exile ist, die je erschaffen wurde. Sie ist fast so was wie ein Geist, daher ist sie unheimlich schwer aufzuspüren.“ „Und wieso suchst du sie?“, fragte ich neugierig. „Nun, ich muss etwas ausholen, damit du es verstehst. Du hast doch sicher schon vom Tag der Schatten gehört, oder?“ „Ja.“, antwortete ich schlicht. „Gut. Seraphis hat uns allen damals sehr geholfen und speziell auch mir, musst du wissen. Sayo erwähnte ja bereits, dass Roona, meine damalige Partnerin, an jenem Tag verstarb. Danach war ich lange Zeit nicht mehr ich selbst. Seraphis war es damals, die mich wieder auf den rechten Weg gebracht hat. Ich hab den zweiten Platz der schwarzen Liste schließlich nicht umsonst bekommen.“ Ich nickte nur mit dem Kopf, denn ich fand es sehr spannend, was sie erzählte. „Vor etwa 70 Jahren hatte ich dann das erste Mal eine merkwürdige Vorahnung, die Seraphis betraf, doch damals ignorierte ich sie, da sie nur einmalig auftrat. Irgendwie scheinen ihr Geist und meiner auf irgendeiner Ebene miteinander verknüpft zu sein, sodass ich manchmal Dinge erahne, die sie betreffen. Dann war lange Zeit absolute Funkstille. Sie war wie vom Erdboden verschluckt, dass war aber nichts Neues und daher auch nicht weiter verwundernd für mich. Aber vor einigen Monaten begannen dann diese Stimmen.“ „Stimmen?“, fragte ich verwundert. „Ein Freund von mir, der Seraphis sehr ähnlich ist, hat mir mal erzählt, dass in ihrem Kopf unzählige Stimmen herumwüten. Normalerweise hörte ich nur ihr wahres Bewusstsein zu mir sprechen, wenn sie es getan hatte, doch ab da überfluteten mich diese unzähligen wirren Stimmen. Sie müssen wohl aus ihrem Unterbewusstsein kommen und ab da wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Seraphis selbst ist nicht mehr da, sie muss in Gefahr sein und nur ihr Unterbewusstsein scheint noch um Hilfe rufen zu können.“ Kyria schwieg kurz, dann sagte sie weiter: „Das ist der Grund für meine Reise. Ich versuche sie zu finden, nur leider hatte ich bis jetzt keinen Erfolg.“ „Können dir diese Stimmen denn nicht weiterhelfen?“, fragte ich sie. „Leider nicht, denn auch sie sind mittlerweile verstummt.“, antwortete sie betrübt. Aufmunternd legte ich ihr eine Hand auf die Schulter. „Keine Sorge, wir werden sie finden.“ „Danke.“, sagte sie leise und sah mich mit ihren giftgrünen Augen an. In Gedanken bat ich besonders Luca um Verzeihung, dass ich ihn weiterhin allein lassen würde, doch ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit, seit Kyria mir von Seraphis´ Verschwinden erzählt hatte. Seraphis und ich waren uns irgendwo wohl ziemlich ähnlich, denn wir waren beide jeweils die ersten einer neuen Spezies gewesen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)