Yajuu 2 von Avyr (-beyond redemption-) ================================================================================ Kapitel 8: Willkommen daheim ---------------------------- Ich seufzte unglücklich aus. Hier hatte sich ja wirklich gar nichts verändert. Nach nun fünf Jahre war ich in meine Heimatstadt zurückgekehrt und alles war wie früher… so trist wie immer. Warum wir überhaupt hier waren? Vor einigen Tagen hatte Kyria einen Albtraum gehabt. Als sie schließlich schweißgebadet aufgewacht war, hatte sie mir erzählt, dass sie Seraphis´ Aura im Traum gespürt hatte. An den Traum selbst konnte sie sich nicht mehr erinnern, aber ein Bild war ihr im Gedächtnis haften geblieben und das war der Ausblick, den man sah, wenn man von der Spitze der Brücke aus in die Stadt blickte. Obwohl ich extrem nervös war wieder hier zu sein, wusste ich, dass es nötig war. Seraphis musste also hier sein. Ich verband nicht gerade glückliche Erinnerungen mit diesem Ort. Auch die Aussicht, dass wir Sayo wieder sehen könnten, trug nicht gerade dazu bei, dass ich mich besser fühlte. Kyria ging es da nicht anders. Naja dann eben geteiltes Leid ist halbes Leid, dachte ich mir. Kyria und ich beschlossen uns aufzuteilen und uns erst am Abend wieder hier zu treffen, um uns über die Ergebnisse auszutauschen. Rückblickend betrachtet, war das echt ein Fehler gewesen, denn bevor ich es realisiert hatte, hatten mich meine Füße schon zu meinem alten zu Hause getragen. Auch hier sah alles noch so aus wie früher. Ich dachte an die Kleinen und an Luca. Sie mussten es sehr schwer gehabt haben, doch sie mussten noch immer hier wohnen, denn mein Nachname stand noch am Türschild. Ich überlegte, wie alt sie nun alle sein mussten, Tiara würde 10 Jahre alt sein, die Zwillinge mussten gerade 15 geworden sein und Luca musste mittlerweile schon 19 sein. Ich seufzte erneut, als mir klar wurde, dass er nun so alt war, wie ich zu der Zeit, als ich sie verlassen hatte. Wieder stiegen Schuldgefühle in mir hoch, noch schlimmer als zuvor. Zum Glück war es mitten am Tag, alle mussten noch in der Schule oder an der Arbeit sein. Da ich keinen Zeitdruck verspürte, setzte ich mich auf einen großen Findling, der gegenüber meiner Haustür lag und starrte einfach das Haus an. Vorbeikommenden Leuten musste das sicherlich merkwürdig vorkommen, aber es kam sowieso niemand hier entlang. So versank ich immer mehr in meiner Gedankenwelt. Ich versuchte mir auszumalen, wie wohl alle heute aussahen und wie ihre Leistungen in der Schule waren. Dann erinnerte ich mich zurück an die glücklichen Zeiten, die ich mit allen erlebt hatte und verfiel in eine melancholische Stimmung. Die Zeit verstrich ohne dass ich es wirklich bemerkte. Erst ein dumpfes Geräusch riss mich aus meinen Gedanken. Ich schaute auf und erstarrte zur Salzsäule. Auf der anderen Straßenseite lag eine Tasche auf dem Boden. Ein paar Lebensmittel kullerten heraus, aber der Besitzer des Beutels machte keinerlei Anstalten ihn aufzuheben. Stattdessen starrte mich das junge Mädchen mit den moosgrünen Augen fassungslos und ungläubig an. Sie hatte ihre schokoladenbraunen Haare zu zwei geflochtenen Zöpfen gebunden und trug eine Schuluniform. Es war keine Pflicht sie zu tragen, aber es gab eben eine in dieser Stadt. Ich hatte das seit jeher als merkwürdig empfunden. Tiara zwang mich aber, ihr wieder meine Aufmerksamkeit zu widmen, als sie leise meinen Namen flüsterte. Ein normaler Mensch hätte es mit Sicherheit nicht verstanden, aber ich war ja kein Mensch mehr. Am liebsten hätte ich mich einfach in Luft aufgelöst, aber das brachte selbst ich nicht fertig. Unsicher erhob ich mich und suchte nach den richtigen Worten, wenn es denn überhaupt welche gab. „Tiara… ich…“, begann ich zaghaft, doch da stürmte sie bereits auf mich zu und fiel mir um den Hals. Ich sank auf die Knie und fühlte mich plötzlich so schwach wie nie zuvor. „Es tut mir schrecklich leid.“, war alles was ich hervorbrachte. Wirklich, in diesem Moment drohte mein schlechtes Gewissen mich innerlich zu zerfleischen. Doch sie schüttelte nur mit dem Kopf und brachte mich damit zum Schweigen. „Das ist egal. Hauptsache ist, dass du wieder da bist.“, schluchzte sie unter einem Schwall Tränen. Da merkte ich, dass auch mir Tränen über die Wange liefen und so hockten wir da auf der Straße und schluchzten gemeinsam. Musste ein wirklich dämliches Bild abgegeben haben, dachte ich später. Aber in diesem Moment war dies alles egal und nichts zählte. Eine Weile später hatte es Tiara geschafft mich ins Haus zu zerren. Eigentlich sträubte sich alles in mir dagegen, aber ich konnte einfach nicht anders, als zu tun, was sie von mir verlangte. Das war ich ihr schuldig, raunte es in mir. Erstaunt stellte ich fest, dass auch drinnen sich eigentlich nichts verändert hatte. Die Möbel sahen zwar mitgenommener aus, als noch vor fünf Jahren, aber das war ja logisch. Tiara machte uns beiden einen Tee und wir setzten uns in der Stube auf die Couch. Wenigstens war genug Essen im Haus, stellte ich erleichtert fest und auch andere Dinge wie Kleidung und Kosmetika waren ausreichend da. Sogar mehr, als ich von meinem Lohn hatte kaufen können. „Lua du musst mir alles erzählen! Wie war denn deine Geschäftsreise? Du musst sicher viel erlebt haben.“, Tiara war neugierig wie immer. Eine Geschäftsreise also… damit hatte Luca mein Verschwinden wohl erklärt. Ich an seiner Stelle hätte die Wahrheit aber wahrscheinlich auch nicht fertig gebracht. Wobei ich mich schon wunderte, wie er diese Lüge 5 Jahre hatte bestehen lassen können. Und so richtig gelogen, war das ganze ja auch nicht, denn Kyria und ich waren ja tatsächlich gereist. Nur das ich dafür kein Geld verdient hatte. Ich versuchte also Tiara von meinen Reisen zu erzählen so gut es ging und dabei so wenig wie möglich lügen zu müssen. Ich erzählte ihr vom hohen Norden und vom warmen Süden, dem Meer, den Bergen, von all den Orten die besonders in der Erinnerung geblieben waren. Tiara lauschte fasziniert. Sie selbst war ja noch nie aus dieser Stadt herausgekommen, da ich nie eine Reise hätte bezahlen können. Schon bald hatte ich mein Ziel erreicht und Tiara fragte mehr zu den Orten an denen ich war, als darüber zu fragen, was ich dort eigentlich gemacht hatte. So musste ich nicht mehr lügen und das beruhigte mein ohnehin schon gereiztes Gewissen ein wenig. Gerade erklärte ich ihr etwas über die Hochweiden an denen wir entlang gewandert waren, als die Tür aufgeschleudert wurde und ein völlig gehetzter Yara in die Stube kam. Auch er trug die typische schwarze Schuluniform, aber er sah mitgenommen aus. Erstaunt stellte ich fest, dass er mittlerweile einem Punker ähnelte. Yara hatte wie sein Bruder blaugrüne Augen und dunkelbraune Haare, die fast schwarz waren. „Tiara, ist Luca schon da? Schnell er muss...!“, da stockte er, als sein Blick von Tiara zu dem Besuch wanderte und als er mich erkannte, die Augen erschrocken aufriss. Er fiel mir nicht um den Hals, dass hatte ich auch nicht erwartet, doch es überraschte mich, dass auch er mich nicht hasserfüllt oder abstoßend anblickte, sondern einfach nur glücklich. „Lua…“, war alles war er herausbrachte. „Ist es nicht toll, dass sie wieder da ist.“, rief Tiara aufgestachelt, sprang auf und tänzelte im Raum umher. Aber Yara´s Lächeln verflog schnell wieder, als in seine Erinnerung zurückkam, weswegen er eigentlich heimgehetzt war. Er packte Tiara leicht an den Schultern, um sie zu stoppen und fragte nachdrücklicher als eben: „Weißt du wann Luca wiederkommt? Hat er irgendetwas zu dir gesagt?“ Tiara schüttelte den Kopf: „Nein, ich weiß nicht wann er wiederkommt. Wieso? Was ist denn los? Sind Seth und du wieder in Schwierigkeiten?“ Nun klang auch sie besorgt. Da wurde auch ich hellhörig. Jetzt war mir auch klar, warum er so fertig aussah. Yara musste sich geprügelt haben und die Tatsache das Seth nicht dabei war, konnte nur heißen, dass nur Yara entkommen war, um Hilfe zu holen. Wie es schien, musste Luca den beiden öfter mal aus der Patsche helfen. Ich fragte mich, was er davon hielt. „Wo ist Seth denn gerade?“, fragte ich Yara. „Ähm…“, stotterte er. „Nun sag schon.“, drängte ich. „Wir waren auf dem Hinterhof von der alten Kneipe…“, rückte er langsam mit der Sprache raus. Ich wurde ungeduldig, aber das reicht mir bereits, denn ich wusste wo das war. „Gut.“, sagte ich und schon sprintete ich aus dem Raum. „Hey warte, du willst doch nicht allein dahin! Das ist eine ganze Gang von denen und die sind nicht normal!“, rief er mir besorgt hinterher. Ich fragte mich, was er damit meinte, dass sie nicht normal waren, verlangsamte mich aber nicht, um darüber nachzudenken. Auch Yara hechtete hinter mir her zurück zu der Kneipe, aber ich war schneller als er. Schon von weitem hörte ich ihr Gelächter und das Geräusch von Schlägen und Tritten. Seth schien ganz schön heftig malträtiert zu werden. Das machte mich zornig. Als ich den Hinterhof schließlich erreichte, bot sich mir ein schreckliches Bild. Seth lag zusammengeschlagen auf dem Boden und wurde nur noch mehr verprügelt. Er sah sehr benommen aus und war auch nur noch so halb bei Bewusstsein. „Tja, dank deinem Bruder, dass er dich einfach im Stich gelassen hat. Jetzt musst du eben die Strafe für beide ertragen.“, erklärte einer der Typen großschnäuzig, „Yara würde mich nie im Stich lassen.“, keuchte Seth angestrengt. Damit fing er sich nur noch einen Tritt ein. Er keuchte schmerzerfüllt auf. Ich fragte mich, was der Grund für diese Attacke war, aber erst einmal mussten diese Kerle gestoppt werden. „Wer soll denn kommen, um dir zu helfen? Schickt ihr wieder Luca vor? Sollte der kommen, dann kann er sich auf was gefasst machen. Dieses Mal sind wir vorbereitet.“, lachte ein anderer. „Luca wird nicht kommen. Ich habe gehört, dass er den ganzen Tag auf Arbeit ist heute.“, sagte wieder ein anderer. Sie hatten also genau abgepasst, wann die beiden ungeschützt waren. „Scheint so, als würde Luca heute tatsächlich mal nicht kommen.“, mischte ich mich schließlich ein. Wütendem Blickes näherte ich mich dieser Gang. „Wer bist du denn? Hey Seth, lasst ihr euch jetzt schon von Weibern retten?!“, spottete der vermeintliche Anführer der Gruppe bösartig und arrogant. Die Typen bauten sich nun wie eine Wand vor mir auf und starrten mich von oben bis unten an. Ihre Aura war merkwürdig, irgendwie waren sie wirklich nicht normal, da hatte Yara recht gehabt. Noch konnte ich jedoch nicht herausfinden, was genau sie so merkwürdig machte. „Pass auf Mädel, halte dich lieber hier raus oder es ergeht dir genauso wie ihm.“, damit deutete der Kerl auf den am Boden liegenden Seth. Dieser schien gerade ohnmächtig geworden zu sein. Als ich mich nicht rührte, packte mich der Typ plötzlich an der Kehle. Er drückte nicht fest zu, aber die Drohung war unübersehbar. „Glaube nicht, dass ich einem Weib nichts tun würde. Ein bloßer Mensch steht weit unter mir und das gilt auch für ein Menschenweib.“ Nun wurde mir schlagartig klar, warum die Auren die Typen so sonderbar gewesen waren. Der mutierte Arm an meiner Kehle unterstrich das ganze nur. „Ihr seid halbe Yajuu.“, stellte ich fest. „Genau. Wusstest du, dass, wenn man nur je eine halbe Tablette nimmt, dass man dann zum Yajuu werden kann wie man will und trotzdem noch absolut die Kontrolle über die Taten behalten kann?“, lachte er aufgekratzt und riss die Augen auf. Er lag falsch. Sicherlich hatte er zwar noch die Kontrolle über seine Taten, aber ich war mir ziemlich sicher, dass die Instinkte des Yajuu in ihm langsam seinen Verstand umnebelten. Diese senkten die Hemmschwelle der Menschen hier und ließ sie, ohne dass sie es bemerkten, immer mehr zum Yajuu werden. „Wie erbärmlich.“, dachte ich laut und daraufhin verstärkte sich sofort der Druck um meine Kehle. „Was hast du da gerade gesagt?!“, brüllte er mich zornig an. Nun reichte es mir. Ich hatte diese Trottel genug ertragen. „Lua!“, rief es hinter mir. Yara hatte mich gerade eingeholt und blickte nun entsetzt auf die Szene, die sich ihm bot. Da er recht weit entfernt war und ich mit dem Rücken zu ihm stand, konnte er zum Glück nicht sehen, was nun folgte. Langsam hob ich eine Hand und umgriff das Handgelenk des Typen, der noch immer meine Kehle umschlossen hielt. Erst drückte ich nur leicht zu. „Oh was nun? Soll mir das etwa Angst machen?“, spottete er. Dann blickte ich ihm in seine Augen. „Hör mir gut zu, wenn ich wollte, würdet ihr binnen weniger Sekunden in handlichen Portionen zerhackt, den Rasen schmücken, aber ich ziehe es vor, mich nicht auf solch niederes Niveau begeben zu müssen.“ Ich ließ einen Teil meiner Aura frei und spürte wie die Angst ihn durchflutete, als er in meine glühenden Augen blickte. „ Ich habe viel Geduld, doch ich an eurer Stelle würde diese nicht überstrapazieren.“, fügte ich nun hinzu. Schweiß trat auf seine Stirn, auch vor Schmerz, denn mittlerweile übte ich einen solch großen Druck auf seine Hand auf, dass diese bald brechen würde, wenn ich ihn noch etwas mehr verstärkte. Er versuchte sich von mir zu lösen, aber ich ließ ihn noch nicht. „Haben wir uns verstanden?“, fragte ich ihn nachdrücklich. „Ihr werdet die beiden ab sofort in Ruhe lassen.“ „M… Monster.“, wimmerte er schon fast, „L… Lass mich gehen, wir haben verstanden.“ Einen Moment verharrte ich noch so. „Ganz recht, ich bin ein Monster, also macht dass ihr wegkommt.“, drohte ich ein letztes Mal. Dann ließ ich ihn los und so schnell es ihre Beine ihnen erlaubten, machten sich die Typen aus dem Staub. Yara starrte mich großen Augen an. „Wie hast du das denn hinbekommen, Lua? Das war ja Wahnsinn, so hab ich die noch nie erlebt!“ Wir befanden uns gerade auf dem Heimweg, denn Yara meinte, dass Seth und er keinen Arzt brauchen würden. Tiara kannte sich wohl mit Krankenpflege aus. Ich schüttelte entnervt den Kopf. Seth war mittlerweile wieder zu sich gekommen und auch wenn er noch benebelt war, erkannte er mich wieder. „Danke, dass du mir geholfen hast.“ Seine Stimme war kaum mehr als ein lauteres Flüstern, aber zu mehr war er im Moment wohl nicht fähig. „Schön, dass du wieder da bist.“, sagte er noch, dann schwieg er den Rest des Weges. Von Yara erfuhr ich, was überhaupt der Grund für diese Attacken war. Er erzählte mir, dass diese Gang die Schule terrorisierte, aber da Yara und Seth sich weigerten sich unterzuordnen, bezogen sie regelmäßig Prügel. „Tja, da kann man nichts machen. Luca muss uns ständig helfen, aber würden wir auch nur die halben Tabletten nehmen, würde uns Luca wohl eigenhändig den Hals umdrehen.“, scherzte Yara. Das konnte ich verstehen, denn ich an Luca´s Stelle würde da wohl sicher ähnlich reagieren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)