Yajuu 2 von Avyr (-beyond redemption-) ================================================================================ Kapitel 14: Sein Geheimnis 2 ---------------------------- Als Luca landete, hatte er die Situation noch gar nicht komplett verarbeiten können. Was war soeben geschehen? Er war nicht aufgeschlitzt worden… stattdessen hatte sich Lua dazwischen geworfen. Moment… Und wo war sie nun? Kurz blickte er sich um. Er sah die Katzen, er sah Sayo, die nicht minder erstaunt schien, aber Lua konnte er nirgendwo erspähen. Ein dumpfes Platschen riss ihn aus seinen Gedanken heraus und er drehte sich schon fast mechanisch zum Geländer um. Das Wasser schlug noch Wellen und färbte sich rot, während der Schatten unter seiner Oberfläche immer mehr verschwand. Noch ehe er es selbst bemerkte, sprang sein Körper hinterher, auch wenn ihm durch diese Halbvampirin alles wehtat. Ihre Schläge waren echt nicht ohne, wahrscheinlich hatte er sich auch die eine oder andere Rippe gebrochen. Das eiskalte Wasser trug auch nicht gerade dazu bei, dass er sich besser fühlte. Zum Glück holte er Lua schnell ein, auch wenn sie durch ihre Rüstung rascher sank, als ihm lieb war. Sie rührte sich nicht mehr und ihre Augen waren halb geschlossen. Daraufhin beeilte er sich noch mehr. Endlich hatte er sie erreicht und zerrte sie nun zurück an die Wasseroberfläche. Wie üblich staunte er darüber, dass sie eigentlich sehr leicht war. Er hatte schon viele Yajuu und Exile gesehen, aber noch nie war ihm eine so zärtlich gebaute begegnet. Ihm war immer so, als wäre Lua in Wahrheit nur ein verkleideter Mensch, statt einer Bestie, wenn sie ihre wahre Gestalt preisgab. Dankbar sog er die Luft ein, als sie wieder oben ankamen. Lua war zwar noch immer nicht bei Bewusstsein, aber ihr Körper fing von ganz allein wieder an zu atmen, was ihn beruhigte. Allerdings war sie bereits extrem verkühlt und das nach nur so kurzer Zeit im Wasser. Musste durch den hohen Blutverlust nur begünstigt worden sein. Irgendwie musste er sie hier raus bekommen und dann auch noch die Blutung stillen. Das Problem war nicht das hinzubekommen, sondern eher sich um Sayo und die anderen Hunter zu kümmern, die oben immer noch lauerten. Im Moment hielt Luca sich im toten Winkel auf, aber diesen würde er bald verlassen müssen. Luca seufzte. Ihm blieb nur noch eine Alternative, ein Ausweg. „Vielleicht gehörst du ja zu den 2%“, hallte plötzlich die Stimme von Lucius in ihm wieder nach. Luca knirschte mit den Zähnen. „Ja klar.“ Vorsichtig stützte er Lua mit einem Arm ab und lehnte sich gegen den Brückenpfeiler. Es war umständlich, aber nach einiger Fummelei gelang es ihm schließlich den Ärmel seines rechten Armes nach oben zu ziehen. Dann kramte er in der Innentasche seines Hemdes herum und griff nach dem Gegenstand, der sich darin befand. Dann holte er den zweiten Gegenstand hervor. Mit den Zähnen riss er die Kappe von der Spritze herab und warf sie ins Wasser. Die brauchte er eh nicht mehr. Während er Lua behutsam abstützte, setzte er die Nadel an. Er merkte gar nicht, als sie in ihn eindrang und er sich das Serum hineinspritzte. Mittlerweile war er es wohl einfach nur schon gewohnt… leider. Da bewegte sich Lua plötzlich. Erst war sie noch benebelt, aber ihr erster Blick fiel natürlich sofort auf die Spritze in seinem Arm. Na toll. Nun riss sie geschockt die Augen auf. „Luca, was…?“, wollte sie fragen, doch da war er schon fertig und ließ die Spritze einfach ins Wasser fallen und versinken. Dann entspannte er sich und ließ auch den Arm ins Wasser sinken. Er gab ein müdes Lachen von sich. „Ich hab dir doch gesagt, es ist nicht so wie es aussieht.“, sagte er fast schon bitter. Er spürte bereits wie sein Körper innerlich Feuer zu fangen schien, was Lua noch kälter wirken ließ, als sie wirklich war. Sie blickte ihn nur aus großen, verzweifelten Augen an, verstand nichts mehr. Bevor er wusste was er tat, zog er sie näher an sich heran und legte seine Stirn auf ihre. Blitzartig wurde sie rot. „Luca…“, flüsterte sie geschwächt. Er konnte nicht anders. Das Zeug zwang ihn einfach die Wahrheit preiszugeben. Dann küsste er sie. Sie war verwirrt, wie auch schon beim letzten Mal, aber ihm blieb wahrscheinlich eh keine Zeit mehr. Als er sich von ihr löste, starrte sie ihn mit großen Augen an, die, trotz ihrer unnatürlichen Farbe, gerade menschlicher aussahen, als alles andere, was er seit Jahren gesehen hatte. „Was ist mit deinen Augen?“, flüsterte sie plötzlich. … Eigentlich war ich ja durchgefroren, aber nach der Aktion von eben glühte mein Kopf, als hätte ich Fieber. Luca war wirklich ein Buch mit sieben Siegeln für mich. Aber darum konnte ich mir im Moment keine Gedanken machen, denn nicht nur, dass er sich gerade irgendwas gespritzt hatte und dass seine Körpertemperatur wieder sprunghaft anstieg, nein, das eigentlich befremdliche war, dass seine tiefblauen Augen nun auf einmal immer heller wurden. So ein frostiges Eisblau hatte sie noch nie gesehen, es ließ ihn regelrecht dämonisch wirken. Auch seine Pupillen zogen sich katzenartig zusammen. Und dann geschah es. Luca zuckte plötzlich zusammen. Sein Kopf sackte nach vorn, sodass seine Haare im Wasser hingen. „Was ist mit dir?“, fragte ich ernsthaft besorgt, erhielt aber keine Antwort. Luca verkrampfte immer mehr. Die Hand, die den Brückenpfeiler festhielt, krallte sich regelrecht hinein und mit der anderen streifte er sich die Haare aus dem Gesicht. Gefühle. Wann hatte Luca jemals so intensiv eine Gefühlsregung gezeigt. Was ich jetzt sah, war jedoch nur eins, Schmerz. Er sah so aus, als würde ihn von innen etwas zerreißen. Er biss die Zähne zusammen, während seine Augen weit aufgerissen waren und nun intensiv zu glühen begannen. Er löste den Arm mit der er die Brücke umklammert hielt und zusammen mit der anderen krallte er sie nun in seine Brust. Da ich mich selbst an dem Pfeiler halten konnte, war es kein Problem, dass er mich losgelassen hatte. Plötzlich tauchte er ab und war einfach verschwunden. Was nur wollte er vor mir verbergen? Die Sekunden vergingen und alles war totenstill. Hätte ich meinen durchgefrorenen Körper auch nur ein Stück bewegen können, wäre ich wohl auch wieder untergetaucht, um nach ihm zu sehen. Gerade begann ich mir auch wieder Sorgen darum zu machen, was ich wegen Sayo anstellen sollte, als vor mir eine Wasserfontäne emporkam. Während die Wassertropfen umherspritzten, wurden meine Augen immer größer. Dort wo vorhin sein Arm den Pfeiler berührt hatte, um mich damit zu stützen, griff nun wieder etwas danach... und riss tiefe Rillen in den Stahl. Eisblaue Augen spiegelten sich im Wasser wieder und ein markerschütternder Schrei durchbrach die Nacht. Ich erblickte eine tiefschwarze Mähne, wie die von einem Löwen. Der Rest des Fells hatte das typische orange eines Tigers, hatte aber ein viel filigraneres Streifenmuster als üblich, welches mich mehr an Tribals erinnerte. Seine Vorderbeine waren unheimlich muskulös und endeten ihn großen Pranken mit noch schärferen Krallen. Der Kopf wiederum ähnelte in seiner Gestalt mehr einem Schakal und war schmal geschnitten, doch die scharfen Zähne ließen dieses zart geschnittene Gesicht nicht minder gefährlich wirken. Direkt hinter der Nase erhob sich eine kleine Zacke und auf der Stirne erhoben sich zwei längere, leicht nach hinten Geschwungene, die nun gefährlich funkelten. Das einzige was mich jetzt noch an Luca erinnern konnte, waren die Piercings in seinen Ohren und die lange Narbe, die sich noch immer quer über das Gesicht zog. Luca fletschte bedrohlich die Zähne und starrte nach oben auf die Brücke. Blitzschnell schob er seinen Kopf unter meinen Oberkörper und verfrachtete mich so auf seinen Rücken. Wohlgemerkt war sein Kopf allein schon größer als mein Brustkorb. Ich hatte kaum Zeit die Situation zu verarbeiten, da landeten wir schon auf der Brücke. Luca´s Fell war angenehm warm, wie ich feststellte. Sayo und die Katzen erwarteten uns bereits und mit unserem Erscheinen rissen sie die vor Schreck die Augen auf. „Eine Chimäre…“, fluchte Sayo leise und brachte sich in Angriffsstellung. Chimäre? Luca setzte mich nun ab und knurrte unsere Gegner an. Die Katzen waren bis zur Schwanzspitze etwa 5 Meter lang, manche waren ein wenig größer oder kleiner. Ihre Schulterhöhe betrug in etwa 1, 50 m bis zu 1, 80 m. Dann betrachtete ich Luca. Er war mindestens noch mal zwei Meter länger und um die 50 cm größer als die Katzen. Nun wusste ich auch, wieso sie ihn Chimäre nannten. Neben dem was ich im Wasser schon gesehen hatte, stellte ich fest, dass sein Körperbau dem eines Tigers sehr ähnelte. Er war muskulös, aber trotzdem stromlinienförmig gebaut. An den Fersen und Ellenbogen zeigten sich jeweils kleine Zacken, die spitz empor stachen. Am Ende seiner Wirbelsäule erhoben sich mehrere Zacken, die ein Bogen machten und mit hauchdünner Haut verbunden waren, welche aber bereits beschädigt war. Die größte der fünf Zacken bildete außerdem den Anfang seines Schwanzes, welches definitiv von einer Schlange stammen musste. Er endete in einem Skorpionsstachel. Beides war ebenfalls tiefschwarz. Tränen liefen mir das Gesicht herab. Jetzt also kannte ich Luca´s Geheimnis und wusste woher die Stiche kamen. Plötzlich streifte mich sein Skorpionsstachel. Sofort bemerkte ich, wie auf einmal die Blutung von meinen Wunden stoppte. „Luca…“, flüsterte ich deprimiert. Doch er schaute mich nicht an. Stattdessen durchschnitt sein tiefes Grollen die Nacht. Die Katzen fauchten ihm zur Antwort zurück. Dann war er verschwunden. Ich blinzelte kurz und als ich die Augen wieder öffnete, stand er auf der anderen Seite der Brücke und zerriss eine der Katzen mit seinem Maul. Ich sah in ihr schmerzverzerrtes Gesicht, während überall das Blut umherspritzte. Die anderen Katzen wollten der Kameradin helfen, aber er wehrte sie alle mit dem Schwanz ab, der wie eine Peitsche fungierte. Eine Katze traf er mit dem Stacheln, woraufhin sie verzerrt zusammenbrach. Er konnte das Gift also verändern. Nun hielt er sich nicht mehr mit seinem Opfer auf und stürmte direkt auf Sayo zu, die ihm mit finsterem Blick entgegenhielt. „Wie ich euch Viecher hasse!“, fauchte sie und Luca knurrte zurück. Wütend durch seinen Angriff geworden, umzingelten die verbliebenen Katzen ihn, doch er wehrte alle ab, ohne auch nur hinsehen zu müssen. Ich rätselte erst, wie er in einem Winkel von 360° alles wahrnehmen konnte, aber dann erkannte ich den Grund. Sowohl auf Höhe seiner Rippen, als auch unter den Zacken am Anfang seines Schwanzes zogen sich je drei Striemen entlang. Sie waren unscheinbar, aber ich vermutete, dass sie ähnlich wie bei Fledermäusen als Sonar arbeiten mussten. So hatte er fast ein uneingeschränktes Wahrnehmungsfeld. Sayo stieß Luca den Stab entgegen, dieser stellte sich derweil auf die Hinterpfoten und stemmte dann seine Vorderpfoten gegen selbigen. Dann versuchte er sie mit seinem Maul zu erreichen, aber sie drückte zu stark dagegen. Seine Zunge war gespalten, wie die einer Schlange, als er wenige Zentimeter vor Sayo zum Halten kam. Blitzschnell attackierten ihn mehrere Katzen von hinten, doch er wich in rasender Geschwindigkeit aus. Plötzlich schien er durch die Luft zu gleiten. „Mist!“, fluchte Sayo weiter, „Auch noch einer mit Luftaffinität.“ Leichtfüßig landete die riesige Bestie wieder vor ihr, während neben ihr mehrere Katzen bewusstlos zu Boden gingen. Seine Klauen leuchteten rot durch das Blut der Katzen und auch an seiner Schnauze sah ich die verräterischen Spuren. Erstaunlich, dass Luca in dieser Gestalt mehr Emotionen zeigen konnte, als ich sonst je von ihm zu sehen bekam. Bald schon war Sayo als einzige noch am Leben. Die letzte Katze glitt gerade tot zu Boden. Sie war von oben auf ihn zugesprungen und da hatte er sie einfach mit den Hörnern auf seinem Kopf aufgespießt. Sayo wich einen Schritt zurück und knirschte mit den Zähnen. „Glaub nicht, dass ich vor dir kneife!“ Der nächste Angriff folgte. Wie lange ging das nun schon so? Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, aber keiner der beiden schien einen großartigen Vorteil zu haben. Ich bewunderte wie leichtfüßig Luca sich bewegte, wobei er gar nicht danach aussah. Aber Sayo hatte einfach den Vorteil der Erfahrung, die sie mithalten ließ. Manchmal hatte er sie fast, aber dann entkam sie doch noch im letzten Moment und drehte den Spieß beinahe um. Die Brücke war ziemlich demoliert. Überall waren Blut, Katzen, Wurfmesser, Krater, alles Mögliche. Irgendwann stoppte Luca plötzlich. Obwohl Sayo ihn gar nicht getroffen hatte, riss er plötzlich schmerzverzehrten Gesichtes den Kopf nach oben. Sayo stemmte die Hände in die Hüften und lachte. „Na endlich, wurde aber auch Zeit. Hab mich schon gefragt, wann es seine Wirkung verliert. Das ist eben der Nachteil wenn man sich solch ein Zeug spritzen muss.“ Ich war verwirrt. Die Spritze verlor ihre Wirkung? Dann würde er wohl wieder ein Mensch werden… Da gefror mir das Blut in den Adern und ich erkannte endlich den Zusammenhang mit seinen plötzlichen Krankheitsfällen. Das waren wohl die Nebenwirkungen… und sie wurden jedes Mal heftiger. Panik durchflutete mich. Jetzt würde Sayo doch leichtes Spiel haben. Luca war wieder verkrampft und sackte kurz zusammen. Doch plötzlich riss er wieder den Kopf nach oben und setzte sich in Bewegung. Blitzschnell tauchte er vor mir auf und packte mich, sodass ich wieder auf seinem Rücken hing. „Nein! Nicht schon wieder.“, schrie Sayo, doch da hatte er schon alle Tragseile der Brücke gekappt und sie begann einzufallen. Luca schien unterdessen zu schweben. Das musste die Luftaffinität sein, von der Sayo gesprochen hatte. In Wahrheit jedoch, hatte er sich nur von den Bruchstücken der zerfallenden Brücke abgestoßen und glitt nun, unterstützt durch einen günstigen Wind, nahezu durch die Luft. Während Sayo sich von der einstürzenden Brücke retten musste, nahm er mich mit… in Sicherheit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)