Yajuu 2 von Avyr (-beyond redemption-) ================================================================================ Kapitel 37: Ashara ------------------ Seltsam zufrieden lag ich in meine Decke eingekuschelt und beobachtete den Sternenhimmel. Vale und Pik schliefen bereits, aber mich ließen weiterhin diese Erinnerungen von vorhin nicht los. Letztlich stand ich also leise auf und ging einige Schritte vom Lager weg. Ich wollte mir einfach die Beine vertreten und versuchte das Gesehene zu verarbeiten, denn aus irgendeinem Grund ließ es mich nicht mehr los. Letztlich ließ ich mich auf einem großen Stein nieder und beobachtete den Horizont. Einige Minuten verharrte ich so, bis ich es leise hinter mir rascheln hörte. Ich drehte mich um und erkannte Pik, der noch immer sehr mitgenommen und fertig aussah. „Kannst du nicht schlafen?“, fragte ich leise. Er nickte nur betrübt. Ich rutschte ein Stück zur Seite und machte ihm Platz. Einen Moment schien er zu überlegen ob er wirklich neben mich sollte, tat es dann aber doch. Offenbar war er so viel Nähe nicht gewöhnt. „Wie geht es dir?“, fragte ich nach einer Weile. Piks Blick wirkte irgendwie müde und überanstrengt und ich fühlte mich verpflichtet, ihm irgendwie zu helfen. „Ist alles ein bisschen viel auf einmal glaube ich.“, gab er kleinlaut zu, „Irgendwie scheinen meine Sinne so überspannt zu sein. Ich meine, es ist tiefste Nacht und trotzdem sehe ich so, als wäre helllichter Tag und ich höre Dinge, die ich sonst nie hören konnte…“ „Daran wirst du dich schnell gewöhnen.“, versuchte ich ihn aufzubauen. „Hm…“, brummte er nachdenklich, „Hat ja auch eigentlich was für sich. Wenn ich früher mit Hilfe der Spritzen zur Chimäre wurde, habe ich meine Umgebung eigentlich nie wahrgenommen, aber jetzt ist das alles anders. Aber irgendwie sind da auch Dinge in mir, die ich vorher noch nie gespürt habe.“ Scheinbar wusste er nicht, wie er es genau ausdrücken sollte, aber ich wusste, worauf er hinaus wollte. „Dir macht Angst, dass du nicht mehr nur wie früher denkst, oder?“, sprach ich es aus, „Vermutlich hast du in Wahrheit sogar ziemlichen Hunger und du weißt nicht wohin damit. Du hast zwar schon oft getötet, aber es macht schon einen Unterschied aus welchem Grund man das getan hat.“ Pik schwieg nur, doch ich sah ihm an, dass ich Recht hatte. „Weißt du, von Vale weiß ich, dass es ihm in seiner Anfangszeit als Exile auch so ging. Das ist glaube ich normal. Vielleicht solltest du ja mal mit ihm darüber reden, da ich nicht viel dazu sagen kann. Ich wurde schon nicht menschlich geboren und kenne das nicht wirklich anders. Trotzdem verstehe ich die Menschen plötzlich viel besser, als früher. Schätzungsweise habe ich wohl lange unter ihnen gelebt.“ „Ja hast du.“, bestätigte Pik, „Ich weiß natürlich nur einen Bruchteil davon, aber das kann ich zumindest bestätigen.“ Ich verstummte kurz und versuchte mir das Leben unter den Menschen vorzustellen. Doch es gelang mir nicht wirklich. „Jedenfalls… Um auf das Thema zurück zu kommen: Irgendwann wird das Leben als Chimäre auch zur Normalität werden. Alles ist am Anfang schwer und ungewohnt. Wenn du jedoch die ersten Tage nicht jagen gehen willst, kannst du auch was von meinem Blut haben. Wird nicht ewig helfen, aber es sollte den Hunger, den du gerade verspürst, doch lindern.“ Nun starrte mich Pik mit großen Augen an. „Aber das kann ich doch nicht machen.“, meinte er entsetzt, wenngleich sein hungriger Blick anderes sagte. Sein Körper war ehrlicher, als sein Verstand. Ich lächelte ihn freundlich an und erwiderte: „Du hast die Wahl. Ich, ein Exile oder ein Mensch, auch wenn es mir Leid tut, das es keine Alternative gibt. Nur bitte hungere nicht…“ Da war die Reue wieder da. Ich hatte ihn zu etwas gemacht, was kein Mensch mehr war und ich hatte ihn nicht um Erlaubnis bitten können. Ob er mich dafür nun zumindest ein wenig verabscheute? Da seufzte er neben mir, strich sie die Haare aus dem Gesicht und lehnte sich zurück. „Hör auf dieses gequälte Gesicht zu machen.“, meinte er plötzlich ernst, „Du hast mir das Leben gerettet, also nein, ich bin nicht sauer, dass ich deswegen jetzt eben eine Chimäre bin. Und ich verabscheue dich auch nicht oder was du sonst noch so denken könntest. Klar ist es ungewohnt, aber ich hab schon Schlimmeres durchgestanden, als das. Vielleicht liegt es daran, wie ich aufgewachsen bin, aber ich schätze, die Menschen haben mir ohnehin noch nie viel bedeutet. Oder vielleicht spricht auch einfach die Chimäre aus mir, wer weiß.“ Jetzt lachte er kurz auf und ich war überrascht, wie ehrlich es klang. „Außerdem weiß ich von Vale, dass du für mich schon genug Blut gelassen hast, von daher: Wenn er nachher wieder wach ist, frage ich ihn danach, mir dabei unter die Arme zu greifen.“ Seine Worte überraschten mich schon. Er nahm es doch erstaunlich gelassen, wenngleich es ihn natürlich schon beschäftigte. Aber ich glaubte, dass er sich wirklich schnell daran gewöhnen würde und das ließ das schlechte Gewissen in mir etwas verstummen. So saßen wir einige Minuten wieder schweigend beieinander, bis ich vor Neugier eine Frage nicht mehr zurückhalten konnte. „Hey Pik…“, begann ich zögerlich, „Kann ich dich vielleicht etwas fragen? Aber du musst nicht antworten, wenn du nicht willst.“ „Worum geht es denn?“, fragte er mich mit aufmerksamem Blick. „Naja weißt du, als ich dich vorhin zurückholte, da… wie soll ich sagen… da sah ich einiges aus deiner Vergangenheit und ich…“ Da hörte ich Pik seufzen und er sah mich mit einem undeutbaren Blick an. „Du willst wissen, wie genau das zusammenhängt, nicht wahr?“ „Ja… ich habe immer nur Ausschnitte gesehen und irgendwie waren die… befremdlich.“, gab ich beschämt zu. Es behagte mir nicht, das gesehen zu haben. Ich fühlte mich fast wie ein Spion. „Schon in Ordnung…“, meinte Pik langsam zurück, „Tatsächlich habe ich noch nie darüber gesprochen. Ich weiß, dass meine Vergangenheit etwas speziell ist. Besonders für einen Menschen.“ „Du musst nicht…“, wollte ich schon abwehren, aber er winkte nur lächelnd ab. „Du hast es doch ohnehin schon gesehen und wie ich dich kenne, wird es dir auch keine Ruhe lassen, also erzähle ich dir, was du wissen möchetst. Frag einfach.“ Es war echt schlimm, wenn dich dein Gegenüber wahnsinnig gut kannte und du kaum eine Ahnung hast, wer da vor dir ist. Trotzdem fühlte ich eine Art Verbindung zu ihm und ich vertraute Pik, als kenne ich ihn schon längere Zeit. „Na gut…“, seufzte ich etwas unschlüssig, „Du scheinst ja nicht gerade den besten Start im Leben gehabt zu haben. Wieso warst du so lange allein und das als Kind?“ Nun war es Pik den Horizont betrachtete, als versuche er sich zu erinnern, was eigentlich kein Problem für jemanden darstellte, der sich an alles erinnern konnte. Und doch schien er diese Erinnerungen nicht sonderlich zu mögen. „Hast Recht. Was ich heute weiß ist, dass meine Mutter wohl noch vor meiner Geburt durch einen Yajuu starb. Die Hunter haben sie wohl noch halbtot da raus geholt, aber schon auf dem Weg ins Krankenhaus ist sie gestorben und das einzige was die Ärzte noch machen konnten, war mich zu retten. Aber da ich sonst keine Verwandten hatte, kam ich ziemlich schnell in ein Waisenhaus. War ein schrecklicher Ort. Zu viele Kinder, zu wenig Mittel sie zu versorgen und die Erzieher waren schnell überfordert. Die älteren Kinder haben deswegen den Jüngeren sehr schnell das Klauen und Betrügen beigebracht, um über die Runden zu kommen. Ich war da auch keine Ausnahme.“ Nun stoppte Pik einen Moment und lächelte dann traurig. „Ich war glaube ich 7 als man doch noch einen Verwandten von mir fand. Die große Schwester meiner Mutter war lange im Ausland gewesen und wusste nicht mal, was passiert war. Die Frau hatte aber auch nicht gerade viel Glück im Leben. Sie selbst konnte keine Kinder kriegen, weshalb sie ursprünglich mit ihrem Mann auf Reisen gegangen war. Aber dieser war wohl bei einer Exkursion verunglückt. Da war sie in ihre Heimat zurückgekehrt und wollte wohl bei meiner Mutter Trost suchen. Stattdessen fand sie nur mich. Ein verwahrlostes, kriminelles Kind mit null Respekt vor Niemanden.“ Pik lachte auf und schüttelte amüsiert den Kopf, sodass sein Zopf von der Schulter rutschte und nun in der Luft baumelte. „Ihr Name war Mariel und trotz allem nahm sie mich ohne zu zögern auf. Kannst dir sicher denken, dass ich anfangs nicht gerade nett zu ihr war. Ich wollte eigentlich nichts von ihr wissen. Zumal sie mir all die Dinge verbat, die ich bisher gedurft hatte. Stattdessen brachte sie mir Lesen, Schreiben und Rechnen bei und tat ihr Bestes mich irgendwie zu erziehen. Rückblickend bewundere ich sie ja dafür. Auch wenn es sicherlich nicht ganz so funktioniert hat, wie sie es sich gewünscht hatte. Immerhin bin ich später ja doch noch ein Auftragsmörder geworden.“ „Stimmt.“, meinte ich nachdenklich, „Wie konnte das denn passieren? Bisher klang es eigentlich, als hätte sie gut auf dich Acht gegeben.“ „Hat sie auch. Sie hat mir sogar einen Namen gegeben, nachdem ich meine Kindheit zuvor nur mit einer Nummer für die Akten gelebt hatte.“ „Du heißt also gar nicht Pik?“, fragte ich naiver Weise, woraufhin Pik laut loslachte. „Tatsächlich nein.“, grinste er amüsiert, „So heiße ich erst, seit ich Informant geworden bin. Allerdings stimmt es, dass ich den Namen, den mir meine Tante gab, nicht mehr verwende.“ „Warum?“ „Ich will sie nicht beleidigen. Weißt du, sie nannte mich Ashara. Dort wo ich herkomme, ist das der Name eines Schutzgeistes und sie meinte damals zu mir, dass sie ihn mir gab, in der Hoffnung, dass ich immer auf dem rechten Pfad bleiben würde. „ „Ok… verstehe was du meinst.“ Jetzt fühlte ich mich echt dumm, aber Pik schien sich daran nicht zu stören. „Ja… Aber hey. Kannst dich glücklich schätzen. Du bist die erste die jetzt weiß, wie ich eigentlich heiße. Wobei ich bei Pik bleibe.“ „Keine Sorge. Ich werde es niemanden verraten.“, versprach ich daraufhin und Pik nickte mir dankbar zu. „Ich trau mich ja fast nicht zu fragen… Aber wie wurdest du denn, was du heute bist?“ „Weil Mariel starb.“ Ich konnte deutlich einen Anflug von Trauer, aber auch Abscheu in Piks Blick sehen, als er erklärte. „Ich mache ihr nicht einmal einen Vorwurf. Du weißt ja, dass sie schon viel durchgemacht hatte, als ich zu ihr kam. Immerhin war ich ja genauso ihr letzter Verwandter, wie sie für mich. Ich lebte fast zwei Jahre bei ihr. Sie hatte von ihren Eltern ein Haus am Waldrand geerbt. Eigentlich ein netter und ruhiger Ort, aber auch abgeschieden. Das war letztlich auch das Problem. Mariel hatte drei Hunde mit denen ich verdammt viel Zeit verbrachte. Waren mir irgendwie lieber, als Menschen. Oft war ich mit ihnen stundenlang im Wald oder auf den Feldern spazieren. Mariel störte das nicht so sehr, weil sie mir mittlerweile vertraute. Doch eines Tages kam ich heim… und die Eingangstür stand sperrangelweit offen. Mir war gleich klar, dass was nicht stimmte, denn auch die Hunde benahmen sich plötzlich ganz anders.“ Auch wenn Pik es nicht merkte, ich spürte, wie seine Aura zorniger wurde und in seine Augen trat ein goldener Schimmer. „Ein paar Banditen hatten mitbekommen, dass Mariel allein lebte. Keine Zeugen, leichtes Spiel. Sie wollten sie wohl ausrauben, aber vorher „vergnügten“ sie sich noch mit meiner Tante. Ich höre heute noch ihre Schreie, als ich ins Haus kam. Ich hab sie dann gesehen. Die beiden Typen, die über ihr hingen und Mariel, die auf Bett lag, den Blick voller Verzweiflung.“ Da ging ein kleiner Blitz neben Pik nieder, sodass ich ihm beruhigend eine Hand auf den Arm legte. Auch er bemerkte nun, was er gerade ausversehen getan hatte und beruhigte sich wieder etwas. „Verzeih… hab das noch nicht so unter Kontrolle, fürchte ich.“ „Schon gut.“, sagte ich ruhig, „Du musst nicht weiterreden, wenn du nicht willst…“ „Nein. Ich hab dir Antworten versprochen, also gebe ich sie dir auch. Als ich meine Tante so sah, da schaltete bei mir ein Schalter um. Anders kann ich es nicht beschreiben. Ich weiß noch, dass ich ohne zu zögern, die Hunde auf die Banditen gehetzt habe. Die beiden haben wie am Spieß geschrien, als sie zerfetzt wurden, aber ich stoppte die Hunde nicht. Weißt du, das komische ist, dass ich dabei nichts spürte. Ich war zwar unendlich wütend auf die Männer, dass sie sich an der einzigen Person vergangen hatten, die mir etwas bedeutet und der es nicht egal war, dass ich existierte, aber der Tod der beiden ließ mich absolut kalt... Später in der Nacht haben Mariel und ich jedenfalls die Leichen oder das was davon übrig war, im Wald entsorgt. Was hätten wir auch die Polizei verständigen sollen für ein paar Banditen? Die vermisste ohnehin niemand. Ich dachte ja, dass danach alles wieder den normalen Gang gehen würde, aber ich irrte mich. Meine Tante erholte sich von dieser Attacke nicht mehr. Körperlich schon… aber ihr Geist war gebrochen. Einen Monat nach dem Überfall brachte sie sich um.“ Ich stockte. Wie alt war Pik da gewesen? Vielleicht 9 Jahre, aber nicht älter. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie das für ihn gewesen sein musste. „Sie hinterließ mir einen Abschiedsbrief in dem sie sich für alles entschuldigte. Ihr letzten Worte waren die Bitte, dass ich sie bitte nicht hassen möge und ich verzeihe. Aber wie gesagt. Ich habe es ihr nie übel genommen. Tatsächlich war ich glaube ich einfach nur traurig. Und das war ich vorher noch nie gewesen. Ein komisches Gefühl.“ Nun schwiegen wir beide eine Weile. Mir fehlten die Worte und Pik brauchte offenbar auch einen Moment, bis er fortfahren konnte. Ich konnte es ihm nicht verdenken. Doch schließlich raffte er sich wieder auf und schob die trüben Gedanken scheinbar davon. „Der Rest ist eigentlich schnell erzählt. Die ersten Wochen blieb ich im Haus meiner Tante. Immerhin waren ja noch die Hunde bei mir. Ohne sie wäre ich wohl heute nicht mehr hier. Erst als alles Vorräte im Haus aufgebraucht waren und ich auch kein Geld mehr fand, verließ ich mit den Hunden das Haus und ging an den Rand der Stadt. Da ich ja schon längst gelernt hatte, wie man ohne Mittel überlebte, war es nicht sonderlich schwer, dort wieder hinein zu finden. Und mit meinen treuen Begleitern wurde es sogar noch einfacher. Die Jahre zogen dann irgendwie an mir vorbei, aber irgendwann kam der Moment an dem ich nicht mehr auf der Straße leben wollte. Zwei der Hunde waren zu diesem Zeitpunkt auch schon sehr alt und ich wollte, dass sie für ihre letzten Monate nachts nicht mehr draußen schlafen mussten. Eine Geldquelle musste also her.“ „Wie alt warst du denn da, wenn ich fragen darf?“, unterbrach ich ihn neugierig. „Lass mich überlegen… als ich die Entscheidung traf, effektiv eine Art Job zu suchen, war ich 15. Aber schon mit 11 hab ich dann und wann mal irgendwie Geld verdient, wenn sie die Gelegenheit bot. Es war einfach. Wer mir im Weg stand, dem hetzte ich die Hunde auf den Hals. Auch Jahre später fühlte ich dabei keine Reue. Als ich dann 15 wurde, hatte ich deswegen schon einen gewissen Ruf weg. Man nannte mich Sense. Einerseits lag es auf der Hand warum. Sensen waren einst die ersten „Waffen“ gewesen, an die ich dank des Gartens meiner Tante herangekommen war. Und ich blieb dabei auch als ich später die Möglichkeit hatte, an alle Arten von Waffen zu kommen. Immerhin kommt kaum einer mit Sensen als gegnerische Waffe klar. Ein deutlicher Vorteil für mich. Hat mich aber auch einige Zeit gekostet, bis ich sie überhaupt zum Kämpfen nutzen konnte.“ „Mit anderen Worten, du bist schon mit 15 Auftragsmörder geworden?“, fragte ich stutzig. „Ist das nicht verdammt jung?“ „Schon möglich aber es hat super funktioniert. Meine Bekanntheit stieg stetig und schon sehr bald hatte ich keine Geldsorgen mehr. Mit 19 zählte ich schließlich zur Elite, die man so anheuern konnte. Leider lebten zu diesem Zeitpunkt meine Hunde nicht mehr. Sie waren mir mit der Zeit an Altersschwäche gestorben, also trieb ich nun allein mein Unwesen. Das Problem an Bekanntheit war natürlich auf der Hand.“ „Lass mich raten. Man hat Leute darauf angesetzt, dich zu töten?“ Das war das erste, was mir in den Sinn kam und ich hatte wohl genau ins Schwarze getroffen. „Bingo.“, stimmte Pik mir zu, „Anfangs war es kein Problem. Als ich noch unterschätzt wurde, kamen nur Schwächlinge. Keine Herausforderung. Doch irgendwann heuerte jemand eine Organisation an. Die schwarze Rose… Eine Organisation lauter Auftragsmörder unter der Führung von Lucius van Serenberg. Ich sag dir, das ist der intriganteste und bösartigste Mensch, der mir je begegnet ist und das mag aus meinem Mund schon was heißen.“ „Glaub ich dir.“ Wenn ein Mörder jemand anderen als bösartig bezeichnete, dann konnte das wirklich nichts Gutes heißen. „Auch Lucius machte anfangs den Fehler, mich zu unterschätzen. Hat drei Leute an mich verloren, bis er einen Informanten auf mich ansetzte. Kreuz.“ Und wieder merkte ich ein zorniges Ausschlagen in seiner Aura, noch schlimmer als beim ersten Mal. Nur das Pik sich selbst wieder beruhigen konnte. „Kreuz hätte mich fast gehabt. Erst waren wir ja etwa gleich auf, aber dann wurde er zur Chimäre. Ich hatte ja bis dato keinen Plan, dass solche Wesen überhaupt existierten. Kannst dir sicher vorstellen, dass er mich dann rund gemacht hat. Ich dachte echt, dass ich sterben würde.“ Jetzt war ich gespannt, wie er sich darauf hatte befreien können. „Kreuz hatte nur einen Fehler gemacht. Er hatte mich die Spritzen in der Innentasche seines Mantels sehen lassen, den er vor seiner Verwandlung bei Seite geschmissen hatte. Also hab ich ihm so ein Teil geklaut und Himmel… diese Schmerzen vergesse ich ein Lebtag sicher nicht.“ „Moment.“, platzte es aus mir heraus, „Du bist auch zur Chimäre geworden, obwohl du keine Ahnung davon hattest, was genau aus dir wird?“ „So sieht´s aus. Wollte einfach nicht draufgehen.“, erklärte Pik achselzuckend, „Es endete in einem unentschieden. Kreuz musste irgendwann aufgeben und fliehen, weil das Serum bei ihm nachließ und wäre er geblieben, hätte nämlich ich ihn zur Strecke gebracht. Danach folgte eine echte Horrornacht für mich. Als das Serum abklang, wünschte ich mir schon fast, dass ich mich einfach hätte umbringen lassen sollen. Am nächsten Morgen hatte ich den Kater meines Lebens. Kreuz ging es zum Glück auch nicht besser, aber er suchte mich erneut auf. Dieses Mal friedlich. Er hatte ein Angebot von Lucius dabei. Dieser war offenbar so beeindruckt, dass Kreuz mich nicht hatte töten können, dass er nun wollte, dass ich den Platz von Pik einnahm, welcher wohl kurz zuvor verstorben war. Eigentlich hatte ich darauf keine Lust, aber ich wusste, dass ich keine Ruhe vor Auftragsmördern gegen mich finden würde, wenn ich nicht zustimmte. Also nahm ich das Angebot an und wurde der neue Informant, legte den Namen Sense ab und wurde Pik. Tja… so war das. Lief ja auch alles gut, bis ich Yari kennenlernte. Aber den Rest kennst du ja schon.“ Damit endete Pik und ich sah einen Schmerz in seinem Blick, der mich ebenfalls traurig stimmte. Ich wusste, dass er sich die Schuld an ihrem Tod gab, auch wenn ich fand, dass er es nicht hätte verhindern können. Von dem, was ich über van Serenberg wusste, war mir klar, dass er so oder so einen Weg gefunden hätte, Yari aus dem Weg zu räumen. Trotzdem hasste sich Pik für seine Naivität. Er hatte Kreuz vertraut, weil er dachte, er wäre sein Freund gewesen. Einst mochten sich die beiden auch mal sehr ähnlich gewesen sein. Beide ruchlose Mörder ohne Reue oder Mitleid. Aber während Kreuz wohl dort stehen geblieben war, hatte Pik es doch irgendwie geschafft, sich zum Besseren zu verändern. Auch wenn ich keine Zweifel daran hegte, dass er noch immer ein gefährlicher Mörder war, so hatte er doch etwas Wichtiges dazu gewonnen. Er tötete nicht mehr wahllos und ohne jegliche Reue. Und ich war verdammt froh, dass wohl Mariel als auch Yari geschafft hatten, dass er nicht wie Kreuz geworden war, welcher aus reinem Sadismus getötet hatte. „Weißt du was?“, fragte ich in die Stille hinein und lehnte mich gegen ihn, „Auch wenn dein Leben sicherlich voller Tiefen war, so bin ich doch froh, dass du heute hier bist.“ Pik schwieg einen Moment verblüfft. Scheinbar wusste er nichts darauf zu sagen. Doch schließlich sagte er dann doch leise: „Ich bin auch froh. Danke, dass du mir diese Chance gegeben hast.“ „Gern und jeder Zeit wieder.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)