Earning Angel Wings von fiZi ================================================================================ Kapitel 4: ~: New projects :~ ----------------------------- » Im Himmel ist ein Engel nichts Besonderes. « (George Bernard Shaw) ~* Hölle, siebte und tiefste Sphäre, schwarze Brutkammer *~ Als Luzifer den halbdunklen, außerordentlich warmen Raum betrat, fiel sein Blick als erstes auf die pechschwarzen großen Eierschalenstücke, die auf dem ganzen Boden verstreut lagen. Sie waren von pulsierenden dunkelroten Adern durchzogen, deren Leuchten allmählich verlosch. Nun, da ihr Inhalt geschlüpft war, hatten sie ihre Notwendigkeit getan, die einzig und allein darin bestanden hatte, die Embryonen zu versorgen. Seine Augen wanderten weiter zu den beiden beinahe einen Meter hohen Schalenhälften, die unbeschädigt noch auf den Podesten am Ende des Raumes standen. Überall waren die Reste des blutigen Eidotters der den beiden Lebewesen als Nahrung gedient hatte verteilt. Eine schmale, beinahe weiße kleine Hand löste sich mühsam aus dem alles verklebenden Schleim und umklammerte den gezackten Rand des rechten Schalenbehälters. Langsam und unter größter Anstrengung zog sich der übrige Körper aus der glibberigen Masse, die ihn über und über bedeckte, in die Höhe und durchbrach die zähe Schutzhülle. Knallrote pupillenlose Augen leuchteten dem Herrscher der Unterwelt aus einem schmalen, blassen Gesicht entgegen. Sie schienen bei der kindlichen Erscheinung des Dämons geradezu riesig. Aus den farblosen, beinahe weißen Haaren des Jungen triefte noch mehr Brutschleim, als er kraftlos versuchte, sich gänzlich aufzusetzen. Es gelang ihm erst beim zweiten Versuch. „Scheiße bin ich schwach!“ die Stimme des vielleicht zehnjährigen Kindes hörte sich rau an, kein Wunder wenn man bedachte, dass es seiner Kehle zum ersten Mal Worte entlockte. Luzifer lächelte schmal. „Keine Angst, das vergeht gleich, Cruel. Wie fühlst du dich sonst?“ Der junge Dämon zog eine kaum sichtbare schmale Augenbraue in die Höhe. „Hungrig!“ entgegnete er und entblößte bei dem nun folgenden Grinsen eine Reihe spitzer Zähne. Der gefallene Engel schmunzelte. „Keine Sorge, du wirst gleich etwas zu Essen bekommen. Mache dich nun für die Transformation aller wichtigen Daten bereit, wir haben zu wenig Zeit als dass ich dir alles lang und breit erklären könnte.“ Eine schwarze schlangenähnliche Tentakel löste sich von der Decke, umschlang den Rumpf des Jungen und hob ihn mit einem Ruck ein Stück weit in die Höhe. Er schrie auf als ihm in einem ziemlich schmerzhaften Vorgang mittels Magie innerhalb von Sekunden sämtliche, für seinen Auftrag notwendigen, Informationen übermittelt wurden. Sobald die Energieblitze erloschen waren gab die Liane den kleinen Körper wieder frei, der mit einem Stöhnen und einem gemurmelten „Wow - war das geil!“ zurück in seine Eierschale fiel. Mühsam zog sich Cruel wieder in die Höhe. Er hatte eine kleine Platzwunde an seinem Kopf erlitten und dunkles Blut strömte aus der Wunde über sein Gesicht. Eine kleine rosa Zunge schoss hervor und leckte einige der Tropfen von seinen Lippen. „Das schmeckt gut!“ murmelte der Junge mit eindeutiger Gier in der Stimme. Seine Augen begannen sich pechschwarz zu verfärben und sein kleiner Körper zitterte leicht. Bevor er noch mehr von der roten Flüssigkeit abbekommen konnte hatte ein Strahl dunkler Magie die Wunde wieder verschlossen. Das Kind schenkte Luzifer einen enttäuschten Blick. „Du hast eine Aufgabe zu erfüllen … und du kannst es dir nicht leisten, von dir selbst – und vor allem hier – in Blutrausch zu geraten. Du wurdest schließlich nicht umsonst mit so einer großen Menge an Selbstdisziplin ausgestattet.“ Der Fürst der Hölle machte eine lässige Handbewegung und Cruel war auf einmal ganz von dem Schleim befreit, so dass seine weißblonden Haare endlich wild und wuschelig von seinem Kopf abstehen konnten. Außerdem war er nicht länger nackt sondern in eine kurze zartblaue Cargoohose und ein hellgraues T-Shirt gekleidet und trug schwarze Turnschuhe an den Füßen. Seine Irisfarbe hatte sich zu einem tiefen Mahagoniton verändert. Der Junge verzog angewidert das Gesicht. „Und so was muss ich tragen?“ „Nur so lange bis du deinen Auftrag ausgeführt hast – danach kannst du anziehen was du willst, normale Form annehmen und dich außerdem ein bisschen mit deiner Beute vergnügen.“ Die Mine des Zehnjährigen hellte sich auf. „Na wenn das so ist, werd ich mich beeilen.“ Er lächelte grausam, was seine kindlichen Züge hart und finster machte und ihnen einen sehr unheimlichen Ausdruck verlieh. „Bis gleich!“ ihn umhüllte ein Strudel blutroter Magie, dann war er verschwunden. Luzifer blieb nachdenklich zurück. Schließlich wandte er sich der zweiten Eierschalenhälfte auf dem linken Podest zu. „Du kannst auch mal langsam rauskommen, Sin. Es gibt viel zu tun!“ ~* Erde, Lokis Appartement im offiziell nicht vorhandenen 13. Stock des Kazewolkenkratzers *~ „Eigentlich hatte ich gehofft, diese Wohnung eine ganze Zeit lang nicht mehr wieder sehen zu müssen.“ Knurrte der Sohn des Höllenfürsten gereizt, als er mit Eve auf den Armen die schwarz gestrichene Haustüre seines geräumigen Luxusstockwerkes aufstieß. Mit großen wütenden Schritten steuerte er direkt auf das Wohnzimmer zu und legte seine leichte Last auf der gewaltigen Ledercouch ab. „Wantonness, Anger, Greed – einen Bannkreis, der stark genug für Magie siebter Stufe ist. Wir wollen doch mal sehen, wie viel ich aus der Kleinen rausbekomme.“ Seine Worte veranlassten die Dämonen, sich hastig in einem Dreieck um ihn und das Sofa aufzustellen, die Hände seitlich von sich gestreckt. Nach wenigen gemurmelten Worten erhob sich eine Mauer aus schwarz-roter Energie in deren Zentrum Loki mit dem Engel eingeschlossen wurde. Der Prinz der Dunkelheit nickte kurz, ehe er seine menschliche Form aufgab und als Dämon neben der noch immer blassen Zwölfjährigen stand. Er beugte sich zu ihr hinunter, seine goldenen Augen funkelten gefährlich als sie sich auf die entblößte Kehle des Mädchens richteten. Ohne noch lange zu fackeln senkte er den Kopf noch weiter, biss vorsichtig in ihren Hals und durchbrach die weiche feine Haut mit seinen spitzen Eckzähnen. Er saugte zart die heraustretenden hellen Tropfen auf und bezwang mühelos die Gier, die augenblicklich über ihn hereinbrach. Wie alle hohen Dämonen neigte Loki ebenfalls dazu, in Blutrausch zu geraten, auch wenn er seine Beherrschung in dieser Hinsicht mittlerweile zur Perfektion gebracht hatte. Schließlich konnte man sich derartige Ausrutscher nicht immer leisten. Er könnte sich seinen Gelüsten vielleicht später hingeben, wenn er die nötigen Informationen von dem Engel hatte. Eve zuckte während dem Vorgang mehrmals zusammen, erwachte jedoch nicht aus ihrem ohnmachtsähnlichen Zustand als Loki weiter von der metallisch-süßen Flüssigkeit trank die aus der kleinen Bisswunde kam. Blut war in der schwarzen Magie immer der schnellste Weg um an das Gewünschte zu gelangen. In dem Lebenssaft waren sämtliche Informationen unverschlüsselt gespeichert und der Gebissene hatte keine Möglichkeit, diesen Bereich mit Zaubern abzuschirmen oder zu verändern. Allerdings war es nicht leicht, derartige Formeln bei Lichtwesen anzuwenden, und verlangte von dem Dämon, dass er sich auf einem Level über dem Engel befand, den er biss. Darum handelte es sich eigentlich immer um höchstes magisches Können und wurde deshalb nur von einer Handvoll Dämonen beherrscht. Für den direkten Nachkommen Luzifers war ein derartiger Zauber jedoch kein Problem. Augenblicklich verband sich Lokis Geist mit dem Unterbewusstsein von Eve und drang brutal und rücksichtslos unaufhaltsam in ihre innersten Sphären vor. Sie hatte erstaunlich wenige Barrieren, die er überwinden musste. Offensichtlich war sie magisch nicht allzu geübt. Bilder und Informationen fluteten geradezu auf ihn ein. Innerhalb kürzester Zeit bewegten sie sich von dem Zeitpunkt ihres Aufeinandertreffens zurück, die Tage in Eves Leben liefen in umgekehrter Reihenfolge in wenigen Sekunden vor dem inneren Auge des Dämons ab. Sie wurde zusehends jünger und er gelangte sehr viel schneller an die Stelle, die Eves Erschaffung darstellte - und in ihrer Erinnerung nichts weiter als weißen Nebel verkörperte - als er erwartet hatte. Denn schließlich handelte es sich hier um einen Engel und keinen Menschen, und diese alterten – ebenso wie Dämonen – auf einer anderen zeitlichen Ebene als sterbliche Lebewesen. Zumindest war das normalerweise der Fall. Bei Eve jedoch waren überraschend wenig Jahre vergangen. Nämlich exakt 23. Der Sohn des Höllenfürsten war für einen Moment so verblüfft, dass er beinahe die Kontrolle über den Zauber verloren hätte und so ungewollt die Verbindung zu der Himmlischen gelöst hätte. Das konnte – nein, das durfte doch alles nicht wahr sein! Sicherheitshalber überprüfte Loki sein Ergebnis noch ein weiteres Mal. Das Resultat war dasselbe. Offensichtlich hatte er sich nicht geirrt. „Verdammte Scheiße!“ zischte er und unterbrach den Kontakt zu der Himmlischen abrupt. Seine Augen hatten die Farbe von glühenden Kohlen und funkelten gefährlich als er den Kopf hob und sich unwirsch einige Bluttropfen von den Lippen wischte. Mit einer fließenden Bewegung hatte er sich erhoben und befehlend auf eine der drei dunkelroten Wände des Bannkreises gedeutet. Die Magie flimmerte und verfärbte sich dann tiefschwarz. Augenblicklich erschien Luzifers Gesicht in dem Spiegel der Finsternis. Neben ihm erkannte Loki für einen Moment eine hübsche hellhaarige junge Frau doch sie verschwand sofort, als ihr sein Vater einen Wink gab. Dann wandte er sich endgültig dem anderen zu. „Sieht ja nicht gerade nach guten Neuigkeiten aus.“ Stellte der gefallene Engel trocken fest als er die wutbebende Gestalt des Jüngeren vor sich sah, welcher ihn aus unheildrohend leuchteten Augen die an geschmolzenes Gold erinnerten und unter einigen pechschwarzen Strähnen halb verborgen waren anblitzte. Die Luft um seinen Sohn kochte vor mühsam unterdrückter Magie und es schien gerade so, als würde er jeden Moment explodieren. Dieses Verhalten war völlig untypisch für Loki, der sich für einen Dämon normalerweise außergewöhnlich gut unter Kontrolle hatte und selten zuließ, dass seine Gefühle so offensichtlich zu erkennen waren. Was bei dem Level seiner magischen Fähigkeiten auch dringend notwendig war. Das mussten ja gravierende Neuigkeiten sein. „Sie ist ein Prototyp. Einer, der offensichtlich extra für mich entwickelt wurde. Kommt uns irgendwie bekannt vor, oder?“ knurrte der Jüngere. Luzifers Reaktion war sehr interessant zu beobachten. Zuerst verlor sein ohnehin schon blasses Gesicht auch noch das letzte bisschen Farbe, danach nahm es einen ungesunden Rotton an, ebenso wie seine Augen, die geradezu loderten. „Er hat es tatsächlich gewagt! Hat Ihm seine erste Schlappe noch nicht gereicht?“ zischte der Herrscher der Unterwelt außer sich vor Zorn. „Das heißt, sie ist speziell auf dich zugeschnitten?“ „Nicht nur das.“ Erwiderte Loki grimmig. „Sie ist sogar in Menschenjahren gealtert, damit alles passt – Er muss sie kurz nach meiner Verbannung vollendet haben.“ „Natürlich, sie brauchte das entsprechende Alter … das erklärt auch deine Verseuchung.“ Überlegte Luzifer lautstark. „Die Frage ist nur, ob du Ihm jetzt durch das Aufheben deines Banns einen Strich durch die Rechnung gemacht hast …“ „…oder nicht.“ Ergänzte der Jüngere kühl. „Allerdings haben wir den Vorteil, dass wir Ihn über sie im Ungewissen lassen, denn sie ist in ihrer Kindform nicht mehr zu orten. Ihre Magie scheint ohnehin überhaupt nicht entwickelt zu sein. Wenn er sich überhaupt die Mühe gemacht hat, sie damit auszustatten.“ Luzifer runzelte nachdenklich die Stirn. Mittlerweile hatte er sich wieder ein wenig beruhigt. „Denkst du, du wirst irgendwelche Probleme mit ihr haben? Wenn du jetzt länger Kontakt mit ihr hast meine ich. Du weißt, dass das Risiko in der Beziehung nicht zu unterschätzen ist.“ Loki lächelte verächtlich. „Ich denke ich werde keine Schwierigkeiten haben. Sie scheint magisch völlig unbegabt zu sein und abgesehen davon ist sie im Moment ein Kind – und auch noch ein Engel. Ich glaube nicht, dass sie ihren Auftrag in irgendeiner Weise verwirklichen kann oder mir gefährlich werden könnte …“ Sein Vater musterte ihn prüfend ehe er langsam fortfuhr. „Ich würde nämlich vorschlagen, dass ihr sie eine Weile zur Beobachtung hier behaltet. Zum einen, um noch mehr über sie raus zu finden – du weißt, dass du für einen ungehinderten Zugang in ihr Unterbewusstsein ihren Code knacken musst. Das kannst du nur tun wenn sie wach ist. Damit wir wissen, wie genau du verseucht wurdest und vielleicht bekommen wir auch noch einige nützliche Insider-Informationen aus ihr heraus wenn du erstmal freien Zutritt hast. Zum anderen hätten wir im Notfall wenn der Krieg wieder ausbricht auch noch einen Trumpf im Ärmel … oder glaubst du, Er will, dass ihr irgendetwas zustößt?“ Ein böses Lächeln stahl sich auf Lokis Lippen. „Nachdem Er sich so viel Mühe mit ihr gegeben hat wohl eher nicht. Interessanter Gedanke. Ich werde dafür sorgen, dass sie keine Gelegenheit hat zu fliehen und ein unauffälliges, normales Leben führt. Ohne Magie kann sie eh nicht in den Himmel zurückkehren, geschweige denn Kontakt aufnehmen. Und sie scheint jetzt als Kind gar nichts mehr davon zu besitzen, falls das je anders war. Junge Menschen bis zu einem gewissen Alter sind hier auf der Erde sowieso völlig von den Erwachsenen abhängig. Außerdem – werde ich dafür sorgen, dass wir unseren Freischein zu den geheimen Daten des Himmels bekommen – schließlich ist sie ein Prototyp. Und damit wir kein Risiko eingehen werde ich eine kleine Blutsbindung vornehmen, dann weiß ich immer wo sie ist.“ Luzifer senkte zustimmend den Kopf. „Sei aber vorsichtig. Ich möchte nicht, dass du in der Sache auch nur das kleinste Risiko eingehst!“ befahl er. „Bei uns läuft soweit auch alles planmäßig. Wir haben noch einige Asse in diesem Spiel mit denen Er nicht gerechnet hat.“ Loki nickte. „Ich melde mich wenn es irgendwelche Neuigkeiten gibt.“ Verabschiedete er sich kurz und hob die Hand. Sein Vater nickte. „Ich auch.“ Damit ließ der Sohn des Höllenfürsten den Zauber erlöschen. An seine Stelle trat wieder die dunkelrote magische Wand des Bannkreises. „Ihr habt alles mitbekommen?“ erkundigte er sich bei den Todsünden die noch immer im Dreieck um ihn herumstanden. Einhelliges Nicken war die Antwort. „Gut. Ich brauch die Abschirmung noch mal für nen Moment.“ Mit einem grimmigen Lächeln zog der Schwarzhaarige sein Schwert aus dem Gürtel. Mit einigen in Dämonensprache gezischten magischen Wörtern brachte er die matte Klinge dazu, in einem düsteren roten Feuer zu erglühen. Vorsichtig fuhr er mit der rasiermesserscharfen Schneide über seinen Zeigefinger. Dunkle Flüssigkeit quoll aus dem kleinen Schnitt und er beugte sich, noch immer vor sich hinmurmelnd, ein weiteres Mal zu dem Engel hinab. Unter seinen Worten verfärbten sich die Blutstropfen an seiner Hand pechschwarz. Rasch leckte er noch einmal über die kleine Wunde am Hals der Zwölfjährigen, die schon wieder begonnen hatte sich zu schließen und presste schließlich mit einem gemurmelten „Sanguinis coniugii“ seinen blutigen Zeigefinger auf die offene Stelle ihrer Haut. Absolute Dunkelheit bohrte sich unerbittlich in gleißendes Licht und explodierte schließlich im Inneren des kleinen Körpers. Eve schrie gequält auf. ~* X *~ Gerade eben war sie noch alleine über eine der unzähligen weiten Wiesen des himmlischen Gartens der dritten Sphäre gewandert, hatte die Stille und das warme Licht um sich herum genossen und das weiche Gras unter sich gespürt. Als plötzlich ein Insekt auf sie zugeflogen kam. Eve riss erstaunt die Augen auf. Sie kannte dieses Tier mit dem gelb-braun gestreiften Körper, doch auch nur, weil sie so oft in dem Teil gewesen war, der sie durch entsprechende Simulationen auf die Erde vorbereiten sollte. Hier oben im Himmel gab es keine irdischen Lebewesen – und das hier war eindeutig eine Biene! Der junge Engel runzelte die Stirn als das Insekt mit ungewöhnlich hoher Geschwindigkeit zielstrebig auf sie zuflog. Die Bienen in der Simulation hatten sich alle ganz anders verhalten. Das Tier hatte sie erreicht, und nun konnte Eve auch erkennen, dass irgendetwas mit seiner Musterung nicht stimmte. Es waren keine Streifen, die den schmalen länglichen und ungewöhnlich großen Körper überzogen, sondern geheimnisvolle Schriftzeichen. Unter ihrem Blick färbte sich das gelb zu einem tiefen dunklen Rotton um und das braun zu schwarz, doch die Wespe, die wohl eigentlich gar keine war, hatte sich zu nah an sie heranmanövriert ehe sie ihr wahres Äußeres zeigte und bis diese Information von der Himmlischen richtig verarbeitet und gedeutet werden konnte war es zu spät. Der Engel zuckte schmerzerfüllt zusammen als sich der Stachel des summenden Wesens in ihren Hals bohrte und das Tier sofort danach die Flucht ergriff. Erstaunt sah Eve ihm hinterher, wie es in Sekundenschnelle immer kleiner wurde und schließlich vollständig mit dem hellen blau des Himmels verschmolz. Gedankenverloren presste sie ihre Hand gegen die Stichstelle während ihre Sicht verschwamm und Erinnerungen aus ihrem Leben Platz machten. Von dem Zeitpunkt an als sie diesem außergewöhnlichen Dämonen begegnet war bewegte sie sich rückwärts durch ihre Jugendjahre und Kindheit. Die Szenen vor ihrem inneren Auge liefen so schnell ab, dass es ihr gar nicht möglich war über irgendetwas nachzudenken und sie die wichtigen Erkenntnisse die mit der Begegnung von Loki zusammenhingen sofort wieder vergaß. Die junge Frau blinzelte ein paar Mal und die Umgebung des sonnenüberfluteten himmlischen Gartens tauchte wieder um sie herum auf. Sie fuhr ein letztes Mal über den noch leicht schmerzenden Bienenstich, ehe ihr auch diese Tatsache wieder entglitt und sie lächelnd ihren Weg fortsetzte. Ein kristallklarer Bach schlängelte sich durch das saftige Grün und plätscherte leise vor sich hin. Beschwingt steuerte Eve auf das kühle Nass zu. Hier wuchsen besonders viele der wunderbaren, duftenden Blumen von denen jede anders und eine exotischer als die andere aussah. Langsam ließ sich der Engel in das weiche Gras sinken und sah verträumt in die Ferne. Die Gärten erstreckten sich unendlich weit, doch man konnte sie jederzeit verlassen wenn man es wünschte. Es gab auch ganz unterschiedliche Bereiche, in manchen traf man auf niemand anderen und konnte die Ruhe und Stille genießen, andere waren richtige Treffpunkte mit Wegen oder angelegten Labyrinthen durch die man schlendern und sich unterhalten konnte. Eine Bewegung lenkte den Blick der Himmlischen auf eine Stelle rechts neben ihr. Dicht bei ihren angewinkelten Beinen wuchs unter ihren erstaunten Augen eine wunderhübsche große Blume in die Höhe, deren Blütenblätter in den verschiedensten Purpurfarben leuchteten. Als sie aufsprangen, wurde der hübsche Engel sofort von einer Wolke süßesten Duftes eingehüllt und sie konnte das Innere des taubenetzten Kelches erkennen. Wie kleine Flammen züngelten orange-gelbe Staubblätter in die Höhe. Der wunderbare, leicht betäubende Geruch den die Pflanze verströmte verflüchtigte sich langsam und ließ in Eves Innerem ein Gefühl der Leere zurück. Sie musste diesen unglaublichen und irgendwie berauschenden Duft noch einmal riechen! Wie im Trance beugte sich die junge Frau nach vorne, entdeckte die samtige Struktur der Blütenblätter und wie die verschiedenen Farbschattierungen durch sie pulsierten. Als ihr Gesicht nur noch wenige Zentimeter von dem großen Kelch der Blume entfernt war, wurde die Farbe der Blüte plötzlich immer dunkler und die ganze Pflanze begann, sich zu verändern. Vor der erstarrten Himmlischen verwandelte sie sich langsam in eine schwarze Schlange mit glänzender Haut, deren goldene Augen sie durchdringend ansahen. Verwirrung überflutete Eves Geist. Irgendwoher kannte sie diese außergewöhnliche Farbe, die von geschlitzten Pupillen durchbrochen wurde, doch ihr fiel nicht ein, weshalb. Außerdem konnte sie sich nicht erklären, wo das hübsche Tier plötzlich hergekommen war, sie hatte noch nie etwas Ähnliches in der himmlischen Gefilden zu Gesicht bekommen wenn man von der seltsamen Biene vor kurzem mal absah und dieses absolute tiefe Schwarz, das sie zum ersten Mal in ihrem Leben sah und das es hier oben nirgendwo sonst gab, faszinierte sie. Während sie die kleine Schlange unbeweglich anstarrte, schoss das geschmeidige Reptil mit einemmal nach vorne und ehe sie reagieren konnte hatte es seine spitzen Zähne in ihren Hals gebohrt. Genau in die Stelle, wo die Biene sie gestochen hatte! Die junge Frau sog schmerzerfüllt die Luft ein, als sie spürte wie durch den Biss Gift in ihren Körper eindrang. Gleichzeitig war sie maßlos erstaunt – im Himmel hatte es nie gefährliche Tiere gegeben – wie kam es dann, dass … Die Schmerzen wurden unerträglich, sie spürte, dass sich diese fremde Flüssigkeit, die da rücksichtslos in ihren Körper eindrang, überhaupt nicht mit ihrem Blut vertrug. Dunkelheit in gleißendem Licht – das war ihr letzter Gedanke als sie schließlich mit einem Schrei die Augen aufschlug – und direkt in goldene, von Schlitzen durchbrochene Pupillen blickte. ~* X *~ *:------------------------~*~--------------------------:* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)