Fight Exoiin von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 30: Der frühe Vogel fängt den Wurm – aber der späte Wurm entwischt dem Vogel ------------------------------------------------------------------------------------ Kapitel 30 Der frühe Vogel fängt den Wurm – aber der späte Wurm entwischt dem Vogel Kanas Sicht Ich hasste es früh auf zu stehen. Ich weiß nicht, ob ich es schon einmal erwähnt habe, aber ich hasste es. Und wie ich es hasste! Man sollte also meinen, dass man morgens ein wenig rücksichtsvoll mit mir umgehen könnte. Wenn ich mich nun schon wegen diesem blöden Fest so früh aus dem Bett quälte, stand mir das ja wohl zu! Fand ich zumindest. Bedauerlicherweise schienen Haru und Somaru das ganz anders zu sehen. Warum hatte ich mich denn nur ausgerechnet an einen Tisch mit den Zweien setzen müssen? … Ach stimmt ja, hatte ich mich doch gar nicht. Die Beiden hatten sich ungefragt zu mir gesetzt, nicht umgekehrt! Sogar zum Protestieren war ich zu müde gewesen. Mit einem Stöhnen, mindestens so tief wie Loch Ness, vergrub ich mein Gesicht hinter beiden Händen. Ein Cornflake flog an mir vorbei. Darauf folgte ein weiterer, bloß blieb dieser in meinem Haar hängen, was ich allerdings geflissentlich ignorierte. Den Zeitpunkt an dem ihr Streit darin ausartete, dass sie sich gegenseitig mit ihrem Frühstück bewarfen, hatte ich irgendwie verpasst. Ein, wenn überhaupt möglich, noch tieferes Seufzen entfuhr mir. „Ein Kindergarten ist nichts dagegen…“, brummte Ayame neben mir, die sich gerade ein Cornflake aus dem Haar fledderte. Ich quittierte das Ganze bloß mit einem weiteren Seufzen, dass, wenn mich nicht alles täuschte, noch tiefer war, als seine Vorgänger. Wenn ich so weiter machte, konnte ich bald die Tonleiter rauf und runter seufzen. „Idiot!“ „Zicke!“ „Trottel!“ „Wichtigtuerin!“ „Köter!“ Ging es nicht noch kindischer? Ich seufzte erneut, diesmal nicht so tief, dafür aber mit einem schnaubenden Unterton. Worüber stritten sie überhaupt? Allmählich glaubte ich, dass wussten sie selbst nicht mehr so recht. Ebenso wie sie immer eintöniger wurden, aber keiner von ihnen machte den Anschein, als ob er bemerkt hatte, dass sie sich nur noch wiederholten. Somaru jedenfalls hatte ihrem Gegenüber in nur einem Wortgefecht bereits 8-mal als einen Trottel bezeichnet. Generell wechselte sich ihr Wortlaut nur noch zwischen Trottel, Köter, Idiot, Dummkopf und Kotzbroken ab, was allerdings keinen störte. Von mir mal abgesehen. Haru für seinen Teil war nicht kreativer. Seine Auswahl bestand aus: Wichtigtuerin, Zicke, dumme Kuh, Dumpfbacke und Penntüte, wobei ich dem Letzten nicht wirklich zustimmen konnte. Im Gegenteil, auf mich machte sie schon jetzt einen ziemlich lebhaften Eindruck. Leider… Ich wollte gerade zu einem weiteren Seufzer ansetzen, einen besonders leidvollen, als es plötzlich unter dem Tisch zu quäken begann. Verwirrt sahen wir auf, sogar die zwei Streithähne hielten inne. Perplex starrte Somaru in die Runde: „Was ist das?“ Unschlüssig zuckte ich die Schultern: „Klingt nach einem ziemlich verirrten Frosch…“ Nur mit Mühe konnte ich mir ein weiteres Seufzen unterdrücken- ich seufzte wirklich zu viel. Gott, ich klang ja schon genau wie meine Großmutter… Und das ist nicht gerade schmeichelhaft. „Ähm… nein.“, widersprach Haru in einem entschuldigenden Ton und zückte sein Handy, welches noch immer fröhlich vor sich hin quakte. Ungläubig schüttelte Ayame den Kopf: „Du hast Froschgeräusche als Klingelton?“ Aber da hatte Haru auch schon den Anruf angenommen, war von unserem Tisch aufgestanden und in eine Ecke verschwunden. Neugierig gafften wir ihm nach, alle die Ohren spitzend, in der Hoffnung etwas vom Telefonat aufzuschnappen – was natürlich nicht funktionierte, Hundeohren hin oder her. Das Einzige, was wir bis hier hin bemerken konnten, war Harus wechselnde Gesichtsfarbe. Von blass bis hin zu bettlakenweiß. Somaru begann unruhig auf ihrem Platz zu zappeln. Man konnte ihr ansehen, wie schwer es ihr fiel, nicht einfach aufzuspringen und näher, weiter zu seiner Telefonecke zu rutschen. Aber das war auch nicht nötig, geschätzte fünf Minuten später war Haru auch schon wieder beim Tisch, das Handy wieder in der Hosentasche verstaut. „Und?“, gespannt starrten wir ihn an, wobei ich versuchte nicht ganz so U-Bootmäßig zu gucken, wie Somaru und Ayame es gerade taten. Haru biss sich auf die Unterlippe, seine Haltung wirkte angespannt. „Wir müssen los!“, antwortete er knapp, einen kurzen Blick auf mich, dann auf Somaru. Die sprang so hastig auf, dass beinahe der Tisch umgekippt wäre, hätte Haru nicht gerade noch die Kante packen können. „Wohin?“, fragte sie, wobei sie eilig über die Bank kletterte. Auch ich machte mich daran aufzustehen: „Ich geh‘s der Lehrerin sagen. Somaru, räumst du bitte unser Zelt ein?“ Bittend sah ich zu ihr auf, sie nickte mir kurz zu, sah dann aber wieder zu Haru. Dieser kippte derweil ein Glas Wasser den Rachen hinunter. Vermutlich das Einzige, was er und Somaru bisher an diesem Morgen zu sich genommen hatten, obwohl ihre Teller bereits fast leer waren. Hastig wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund und warf mir einen flüchtigen Blick zu: „Ins Nest… Zumindest wir Beide.“ Seine Augen wanderten in Somarus Richtung: „Du gehst nach Hause.“ Er sagte es ruhig, aber dennoch bestimmt und mit Nachdruck, doch das beeindruckte sie herzlich wenig. Empört stemmte sie beide Hände in die Hüften: „Bitte? Ich komme mit und-“ Er machte den Mund auf, doch sie fuhr mit schneidendem Unterton fort: „Nein, keine Widerrede! Da diskutiere ich sicher nicht mir dir drüber!“ Ein paar Sekunden duellierten sie sich mit Blicken, bis schließlich Haru seufzend aufgab: „Ach, was soll’s… Du hörst ja ohnehin nicht auf mich…“ Zufrieden mit dem Ergebnis hellte sich Somarus Laune auch sofort wieder auf und sie verschwand im nächsten Gang um unsere Sachen zusammen suchen. Haru und ich machten und auch auf den Weg, wobei wir die fragenden Blicke der Anderen gekonnt ausblendeten. Somarus Sicht „Wohin gehst du? Zur Plattform geht es da entlang!“, rief ich, Haru verwirrte Blicke zuwerfend. Auch Kana runzelte hinter mir unschlüssig die Stirn. Haru, der etwa 10 Meter vorausgegangen war, blieb stehen und drehte sich zu uns um: „Wir gehen heute eine andere Route.“ Ich hätte ihm gerne noch weitere Fragen gestellt, doch da setzte er sich auch schon wieder in Bewegung, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. Was hatte er denn nur? Seit diesem Anruf strahlte Haru eine finstere Stimmung aus und hatte die Lippen zu einem schmalen Streichen verkniffen. Zudem war es mir ein Rätsel, warum wir heute nicht wie sonst auch von dieser Plattform auf eines der Dächer der Monster sprangen. Den Kopf noch immer überfüllt mit einem Haufen unbeantworteter Fragen setzte ich mich wieder in Bewegung. Ich würde schon noch herausfinden, was hier los war! Lange musste ich mir nicht den Kopf zerbrechen- kaum kam das Dorf in Sicht, sah man es auch schon: die Zelte, die in einer Kreisfigur rund ums Dorf herum aufgebaut waren. Hinter mir sog Kana scharf die Luft ein und blickte fassungslos zu der offensichtlichen Belagerung. Auch ich starrte ungläubig mit weit auf gesperrtem Mund zu dem Spektakel herüber. Man könnte meinen, dass eine Sammlung Zelte nicht so beeindruckend sein sollte, aber ich konnte einfach nicht den Blick abwenden. Das Bild, das sich uns bot hätte auch aus unserem Geschichtsbuch stammen können, denn die Formierung war der der alten Römer nicht unähnlich. „Seid ihr jetzt fertig mit der Glotzerei?“, riss uns Haru aus unserem Stauen. Sofort wandte ich mich, wenn auch etwas widerwillig, ab. „Haben wir irgendwas verpasst?“, erkundigte ich mich, nun etwas nervös und kletterte in die Luke, die unter einem Baumstamm verborgen lag und Haru gerade schwungvoll geöffnet hatte. In seinen Augen lag etwas gehetztes, als er sich hastig umsah: „Ich erklär’s euch später und jetzt rein da!“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren rutschten Kana, Haru und ich den Tunnel hinter der Luke hinunter. Anabelles Sicht Ich befeuchtete meine Lippen mit der Zunge. Starr wanderte mein Blick zu dem digitalen Zifferblatt meiner Armbanduhr. Noch genau 7,8 Minuten, bis die Sonne untergehen würde. Wobei man vermutlich noch etwas mit den Zahlen herumjonglieren sollte, schließlich hielt sich die Sonne zu meinem Bedauern nicht besonders an ihr Timing. Kontrollweise nahm ich mein Zelt genauer in Augenschein. Der Teppich lag schief, wie ich missbilligend feststellen musste. Dieser unfähige Trottel Takaru hatte doch absolut keinen Sinn für Symmetrie. Angesichts der Tatsache, dass die Belagerung voraussichtlich einige Zeit andauern sollte, würde ich ihn seinen Fehler noch auskurieren lassen. Es war schließlich nicht wirklich allen Ernstes von mir zu verlangen, dass ich in einem Zelt schlafen sollte, welches einen derartigen Knick in meiner Optik darstellte. Ich legte Wert auf Perfektion. Apropos Ungenauigkeit, ich sollte mir ein neues Band für meine Uhr anfertigen lassen- eine Naht hatte sich gelockert. Ich schnalzte ärgerlich mit der Zunge, fiel mir doch gerade ein, dass ich mein Handy im Institut hatte liegen lassen. Natürlich konnte ich alle Nummern meines Speichers auswendig, doch würde ich sicher nicht das Telefon eines Anderen benutzen. Fehlte noch, dass ich meine Telefonate über fremde Geräte führen würde. Der Anruf bei meinem Uhrmacher sollte also noch etwas weiter in der Zukunft bleiben, denn Takaru würde ich sie sicher nicht anvertrauen! Seine Ungeschicklichkeit könnte verheerende Folgen für den makellosen Lack haben. Ich erinnerte mich nur zu gut daran, als er meine Pistole hatte laden sollen. Wie er es auch angestellt hatte, anschließend war ein ganze 2 Millimeter langer Kratzer am Griff zu erkennen gewesen! Wen wunderte es da, dass ich ihm nichts mehr anvertraute? Aber das ist vermutlich Eigendummheit, ich hätte bei meiner Dienerauswahl genauer überlegen sollen, hatte er doch schon beim Schwur des Paktes mit einer schiefen Krawatte mich einen Moment zögern lassen. Ich hätte mich wohl weiter getadelt, hätte ich nicht gewusst, dass ich mich nicht beklagen sollte, wenn man nur daran dachte, dass Kuinas Dienerin einmal gesamte 6 Minuten zu spät erschienen war! „Herrin, es ist so weit! Kommen sie, der frühe Vogel fängt den Wurm!“ Takaru streckte den Kopf zum Zelt herein. Ich richtete mich kerzengerade auf: „Ich bin sofort in Kampfbereitschaft.“ Großzügig wie ich bin, sah ich darüber hinweg, dass er wieder mal die Ankündigung vergessen hatte. Daheim vergaß er auch ständig das Klopfen. Wie gesagt, ein unzuverlässiger Diener. Aber vielleicht traf auch mich die Schuld und ich begegnete ihm nicht mit genügend Strenge, immerhin hatte ich mich nicht einmal zu diesem absurden Spruch geäußert. Selbst wenn man die Absurdität eines Wurmvergleichs außer Acht lässt, empört mich der Satz, denn mir entgeht kein “Wurm“. Auch ohne mein zeitliches Geschick. Mir entkommt keiner. Niemals. Egal zu welcher Zeit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)