Jemand von Ur ("1 neue Mitteilung erhalten") ================================================================================ Kapitel 5: Eskalation --------------------- »Verflucht nochmal, du bist so heiß«, wispert Lelo in mein Ohr und vergräbt seine schlanken Finger tief in meinen Haaren, zieht, bis meine Kopfhaut kribbelt und ich unter ihm meinen Rücken biege, um mich näher an ihn zu pressen. Seine dunklen Locken und seine braune Haut sehen im Kontrast zu meiner weißen Haut ziemlich gut aus. Lelo zieht fester und ich kann nicht umhin, erregt aufzustöhnen. Er hat gut reden. Wenn einer von uns beiden heiß ist, dann er. Die Finger der anderen Hand legen sich fest um meinen Hals und drücken zu. Meine Augenlider flattern und ich komme den Fingern noch entgegen, um Lelo zu signalisieren, dass er fester drücken kann. Oh Gott. Ich bin nach wahnsinnig kurzer Zeit schon so geil, dass ich wahrscheinlich gleich in mein Spitzenhöschen komme. Wenn Lelos dunkle Augen mich nur noch einmal so begierig anschauen wie gerade schon mal… »Kim! Raus aus dem Bett, es ist viertel nach sieben!« Die Stimme meines Vaters donnert durch meinen Traum wie ein Kanonenschuss und ich komme eigentlich ganz gut mit meinen Eltern aus, aber gerade würde ich meinen Vater gern aus dem Fenster werfen. In meiner Hose zeichnet sich ein unangenehm hartes Problem ab und ich seufze der dunklen Zimmerdecke entgegen. Toll. Es ist zu spät, um noch zu duschen und mich dieses Rohrs zu entledigen, also kann ich nur hoffen, dass es beim Zähneputzen beschließt, dass der Traum nicht heiß genug war, um den ganzen Tag mit Anwesenheit zu glänzen. Shit, Shit, Shit. Verflucht sei mein Gehirn. Manu merkt sofort, dass ich nervös und hibbelig bin, aber sie ist gnädig und fragt nicht nach, sondern wartet stattdessen, bis ich in der zweiten großen Pause endlich platze und ihr alles von den Sex-SMS und dem Traum berichte. »Wow. Experimentierfreudig ist er also auch noch? Wer hätte gedacht, dass wir so einen Rohdiamanten hier in unserer Scheißschule haben?«, meint sie anerkennend und lässt den Blick durch die Pausenhalle schweifen. Ich bin sehr bemüht nicht Lelo anzustarren und mir nicht seine raue Stimme ins Gedächtnis zu rufen, die mir heiser ins Ohr flüstert, was er alles mit mir anstellen will… Fuck. »Kim, denk an Brot«, sagt Manu gelassen und dann tut sie mir einen riesigen Gefallen und steckt mir einen Finger ins Ohr – so ziemlich die unerotischste Geste, die ich mir vorstellen kann. Ich schüttele den Kopf und kriege eine Gänsehaut an den Unterarmen. Und zwar nicht eine der guten. »Danke. Brot ist gut«, nuschele ich und schließe seufzend die Augen. Wenn Lelo nicht Jemand ist, dann werden wir beide unglücklich, soviel steht fest. Ich bin so besessen von der Vorstellung, dass Lelo der geheimnisvolle Verehrer sein könnte, dass eine Alternative überhaupt nicht mehr in Frage kommt. Körnerbrot. Heidebrot. Karottenbrot. Kürbisbrot. Fitnessbrot. Kartoffelbrot. Leinsamenbrot. Weißbrot. Schwarzbrot. Gerstenbrot. »Ich hab übrigens mal ein bisschen recherchiert«, erklärt Manu und kramt aus ihrer Hosentasche einen Zettel hervor. Ich beäuge ihn misstrauisch und verscheuche fürs erste meine beruhigenden Gedanken an Brot. »Was hast du recherchiert? Wie man Besessenheit kuriert? Hast du eine Wunderlampe gefunden, von der ich mir was wünschen kann? Bitte zeig mir jetzt nicht die Adresse von einem Bordell. Ich weiß, wo in unserer Stadt der Puff ist, ok? Und so schlimm ist es ehrlich noch nicht!« Manu zieht eine ihrer Augenbrauen hoch und sieht mich streng an. Ich verstumme und fahre mir mit zwei Fingern über den Mund, um zu signalisieren, dass ich brav die Klappe halten werde. »Ich hab mal eine Liste von allen Kerlen aus unserem Jahrgang erstellt, die bei Herrn Böckmann Sport haben. Dann habe ich direkt die drei gestrichen, die den Sportunterricht abscheulich finden. Und dann habe ich ganz tief in meinem Hinterstübchen gekramt und darüber nachgedacht, wer von denen immer besonders laut stöhnt, wenn wir Turnen haben, denn das finden du und dein Jemand ja super.« »Du weißt nicht zufällig, wer von den übrig gebliebenen Typen eine kleine Schwester namens Sophia und einen Hund namens Hund hat, oder?«, frage ich und lasse mir die Liste in die Hand drücken. Zehn Namen. Ist ja gar nicht mehr so viel eigentlich. Manu schnaubt. »Ich war echt beeindruckt von mir, dass mir überhaupt alle Namen eingefallen sind«, erklärt sie und ich kaue nervös auf meiner Unterlippe herum, während ich die Liste mustere. Jan steht noch mit darauf. »Ich kann eigentlich alle Leute streichen, die von dieser Liste hier mit bei uns in Mathe sitzen«, sage ich und strenge mein Gehirn so gut es geht an. Leider Gottes kann ich nur zwei weitere Namen streichen, sodass immer noch acht übrig sind. Jan steht bedauerlicherweise weiterhin mit auf der Liste und ich strecke seinem Namen die Zunge heraus. »Lass uns doch Freitag feiern gehen und dann kannst du dir jemanden aufreißen und dich ein bisschen abreagieren«, schlägt Manu vor und beobachtet, wie ich die Liste zusammenfalte und sie in meine Hosentasche stecke. Lelo lacht gerade über irgendetwas, das ein Mitglied seines Anhangs gesagt hat. Er sieht so gut aus. Wenn er wirklich Jemand ist, dann muss ich mich zwei Monate auf einer einsamen Insel mit ihm verschanzen und ihn den ganzen Tag nur ansehen, küssen und schmutzige Dinge mit ihm tun. Womit ich wieder beim Brot wäre. Vollkornbrot. Bauernbrot. Sonnenblumenkernbrot. Roggenbrot. »Vielleicht sollte ich das tun«, sage ich seufzend und beschließe, die Liste weiterhin mit dem ‚Wer ist bei mir im Unterricht‘-Auschlussverfahren zu verkleinern. Als nächstes haben wir Physik. Leider sind die einzigen Fächer, in denen ich gemeinsam mit Lelo sitze, Englisch und Sport. Es ist ein Trauerspiel und gleichzeitig ein Rätsel, wie ich es auf diese Art überhaupt geschafft habe, mich dermaßen in diesen Kerl zu vergucken, als würde ich schon seit zehn Jahren tiefschürfende Gespräche mit ihm führen. Fuck. Manu glänzt in Physik. Es ist ihr liebstes Fach und es würde mich nicht wundern, wenn sie später irgendwas Angefahrenes wie Astrophysik studieren würde. Ich bin sehr stolz und voller Liebe, was meine beste Freundin angeht. »Wie beunruhigend ist es, dass ich seit unserer letzten Unterhaltung einiges über BDSM (und den Begriff hab ich auch neu gelernt!) gelesen habe?« Ich starre auf mein Handy und möchte anfangen zu weinen. Es ist zu spät für mich. Ich bin Hals über Kopf in diese fiktive Verschmelzung von Lelo und Jemand verschossen und es gibt kein Zurück mehr für mich. Ich muss dieses Drama beenden, bevor ich noch vollends durchdrehe und den Rest meiner Schuljahre mit Sabbern und Wimmern verbringe, weil ich so unglücklich bin. »Kein bisschen. Ich bin sehr beeindruckt und kann Physik vielleicht bald zur Liste der Fächer hinzufügen, in denen ich notgeil geworden bin. Hast du Dinge gelesen, die du spannend fandest?« Ich starre auf mein Handy und kritzele nebenbei geistesabwesend kleine Totenköpfe auf meinen Collegeblock, etwas, das von Manu amüsiert beäugt wird. »Es waren ziemlich viele spannende Sachen dabei. Sorry, wenn ich mich total zum Deppen mache, aber wie stehst du zu spanking?« Ich halte die Luft an, um nicht ein lautes Quietschen von mir zu geben und atme mehrere Male tief durch. Ganz ruhig, Kim. Tief durchatmen. »Ich hab’s noch nie ausprobiert, aber es steht definitiv weit oben auf meiner To-do-Liste.« »Du hast eine to-do-Liste?« »Jap. Du etwa nicht?« »Erst seit unserem Gespräch letztens O:-)« Ich lege meine Stirn auf die aufgeschlagene Seite meines Collegeblocks, was dazu führt, dass ich zwei schwache Abdrücke von schwarzen Totenköpfen auf der Stirn habe, die Manu mir wenige Minuten später in der kleinen Pause mit Spucke wegwischen muss. »Was ist denn jetzt wieder los?«, will sie wissen und sieht mich gespannt an. Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, schließe ihn wieder, öffne ihn und zu meinem Entsetzen und obwohl wir auf dem Gang stehen, um Luft zu holen – der Naturwissenschaftstrakt ist immer besonders stickig – und gefühlte hundert Leute vorbei gehen, fange ich an zu heulen. Scheiße. Manu sieht erschrocken aus und nimmt mich sofort in den Arm, wodurch die Welt um mich herum in ihrem schwarzen, riesigen Pullover verschwindet und ihre Hände mir behutsam den Rücken tätscheln. Ohne es zu sehen, kann ich förmlich spüren, wie sie jeden, der vorbei geht, finster anstarrt, so als hätten die umstehenden Menschen meine Tränen verursacht. Aber ich bin selber schuld, weil ich ein offensichtlich total verzweifelter, liebestoller Trottel bin, der vergessen hat, was das Wort Realität bedeutet und jetzt nach einer Woche Unterhaltung mit einem unbekannten Menschen in riesigen Liebeskummer verfällt, weil der unbekannte Mensch mit großer Wahrscheinlichkeit nicht Lelo heißt. Awesome. Mein Handy vibriert und ich möchte einerseits sofort danach greifen und es andererseits aus dem Fenster werfen, weil damit alles Unglück angefangen hat. Hätte ich nicht einfach weiter Wettrennen mit Lelo laufen können, ohne mir Gedanken darüber zu machen, ob er mich auch mag, weil das einfach immer super unrealistisch gewesen ist? Wieso hab ich mich überhaupt in diesen Kerl verguckt? Mist, Mist, Mist. Gedanken an Brot helfen mir jetzt auch nicht weiter und als es zum Ende der kleinen Pause klingelt, beschließe ich den Rest der Stunden zu schmeißen und heim zu gehen. Vermutlich zerreißt sich mittlerweile der halbe Jahrgang das Maul über mich. Manu drückt mir einen Kuss auf die Stirn und verspricht mir, später mit Hausaufgaben und Schneidezähnen meiner Lästerer bei mir vorbeizuschauen. Ich schultere meinen Rucksack und schlurfe tieftraurig und endlos sauer auf mich selbst die mittlerweile stillen Gänge entlang. Ich höre Schritte hinter mir und hoffe, dass es einfach nur ein mir unbekannter Nachzügler ist, aber die Schritte gehen direkt neben mir weiter und ich hebe den Kopf, um trotzig und verheult zu meinem schadenfrohen Schatten aufzuschauen, als ich einen mir sehr bekannten Lockenkopf, fast schwarze Augen und eine besorgte Miene entdecke. Scheiße. Mein Leben ist ein sehr schlechter Witz. Noch schlechter als die Witze, die anfangen mit »Kommt eine Blondine in einen Friseursalon…«. »Ist irgendwas Schlimmes passiert?«, fragt Lelo. Ich starre ihn an. Meine Augen sind sicher rot und geschwollen und meine Wangen auch und ich kann mir einige Momente vorstellen, in denen ich ihn lieber treffen würde. Aber wieso ist er überhaupt besorgt? Wieso geht er hier neben mir? Wir reden sonst auch nie wirklich miteinander und er kennt mich überhaupt nicht und ich fasse es nicht, was aus meinem Leben geworden ist. »Nicht wirklich. Ich bin nur ein peinlicher Volltrottel«, sage ich also schulterzuckend und vergrabe meine Hände in den Hosentaschen. Heute habe ich nicht meine enge, schwarze Jeans an, in der Lelo meinen Hintern bewundern könnte, wenn er Interesse daran hätte. Ich fühle mich wie ein Häufchen Elend und fasse es nicht, dass ich mitten in der beknackten Schule dermaßen die Beherrschung verloren habe. Hormone, Alter. Hormone sind der Feind. »Willst du darüber reden?«, fragt Lelo leise und ich weiß echt nicht, wieso er so nett ist. Ich sehe ihn von der Seite an. Vielleicht macht er sich über mich lustig? Sieht nicht danach aus. »Seit wann interessierst du dich dafür, wie’s mir geht?« Super, Kim. So wirst du ihn für dich gewinnen. Mit Charme und einem strahlendem Lächeln. Lelo sieht ein wenig aus wie ein getretener Hund und ich möchte mir am liebsten die Zunge abbeißen. Scheiße. »Sorry. Die meisten aus unserem Jahrgang und ich verstehen uns nicht so gut. Ich bin immer misstrauisch, wenn irgendwer doch mal kein Arsch ist«, murmele ich peinlich berührt und stelle mit großer Verwirrung fest, dass Lelo mit mir das Schulgebäude verlässt. »Kein Grund, misstrauisch zu sein. Ich wollte nur sehen, ob alles ok ist«, sagt Lelo und die Ehrlichkeit in seiner Stimme bringt mich beinahe um. Die Situation ist derartig surreal, dass ich mich gern in den Oberschenkel kneifen würde, um zu sehen, ob ich träume. »Ok. Das ist… echt nett. Und unerwartet.« »Weil alle anderen Arschlöcher sind?« »Weil du du bist und ich ich bin.« »Was heißt das?« »Es heißt, dass du… du weißt schon. Dir scheint die Sonne aus dem Arsch und alle lieben dich. Und ich bin der Satanist, der Kinder opfert.« Lelo gluckst leise. »Mir hat noch keiner gesagt, dass mir die Sonne aus dem Arsch scheint«, erklärt er mir und ich ziehe die Schultern hoch. Wie weit will er denn noch mit mir gehen? Aus lauter Aufregung und Verwirrung ziehe ich mein Handy hervor und lese die SMS, die Jemand mir während meines Ausbruchs geschickt hat. »Oh nein, wieso weinst du? Bin ich schuld? Hab ich was Falsches gesagt? Tut mir echt Leid!« Mit einem verzweifelten Schnaufen stopfe ich mein Handy zurück und sofort brennt es schon wieder in meinen Augenwinkeln. Lelo kaut auf seiner Unterlippe herum und mustert mich von der Seite. Hatte ich erwähnt, dass er gut einen Kopf größer ist als ich? Und wie gut sich das bei einer Umarmung anfühlen muss? »Schwänzt du grad wegen mir die Schule?«, frage ich und blinzele dem Himmel entgegen, um die Tränen loszuwerden. Es hilft nur so mäßig gut, weil sie jetzt einfach loslaufen. Super. »Äh, vielleicht. Brauchst du ein Taschentuch?« Ich wische mir energisch über die Augen und nehme das Tempo, das Lelo mir reicht. Lelo schwänzt wegen mir die Schule. Mein Herz hämmert. Wie viel Gefühlschaos soll ich denn heute noch ertragen? »Genau aus diesem Grund denken die Leute, dass dir die Sonne aus dem Arsch scheint«, erkläre ich ihm und Lelo gluckst erneut bei dem Ausdruck. Fuck, er sieht so gut aus. Seine Stimme lässt sich am besten mit von einem Löffel tropfenden Honig beschreiben. Ich bin so durch mit meinem Leben, und das mit zarten siebzehn Jahren. »Und ich bin nicht mal insgeheim ein arroganter Saftsack«, erklärt Lelo grinsend und ich stöhne empört auf. »Ein Alptraum«, sage ich und schüttele den Kopf. »Dir muss doch klar sein, dass sowas unerlaubt ist.« Lelo zieht die Schultern hoch, als würde er sich gern dafür entschuldigen, dass er kein Armleuchter ist. Ich seufze innerlich. Jetzt weiß ich wieder, wieso ich ihn so mag. Und mir ist klar, dass Manu dauernd nölt und die Augen verdreht, aber sie kann mir nicht erzählen, dass sie an Lelo irgendwas nicht ok findet, abgesehen davon, dass er dauernd von diesen Trotteln aus unserem Jahrgang umringt ist. »Du denkst nicht, dass mir die Sonne aus dem Arsch scheint«, meint Lelo dann und wir biegen in die Straße ein, in der ich wohne. Wow. Plötzlich weiß Lelo, wo ich lebe. Komischer Gedanke. Fast noch komischer als die Tatsache, dass er den Unterricht sausen lässt, um mit mir nach Hause zu gehen. Weil es mir schlecht geht. Wenn er nicht zu allen Leuten so nett wäre, würde ich mir beinahe was darauf einbilden. »Ich denke über keinen Menschen, dass ihm Sonne aus dem Arsch scheint«, gebe ich zurück und halte vor dem gelben Backsteinhaus, in dem sich im zweiten Stock die Wohnung meiner Familie befindet. Vielleicht werde ich mich erst eine Stunde in der Badewanne einweichen und dann in meinem Kleiderschrank nach den Klamotten forsten, die ich nicht zu Schule trage. Aber das Zeug zu tragen muntert mich häufig auf. Vielleicht das bunt geblümte Kleid? Oder eher den grauen Falten-Minirock? Hm. Lelo mustert mich. Wie er so vor mir steht, komme ich mir vor wie eine Ameise im Angesicht des Sonnengottes. Gut, dass niemand meinen Gedanken lauschen kann. Es wäre mir wirklich sehr peinlich, wenn die Welt erführe, wie ich über Lelo denke. »Kann ich dich irgendwie aufmuntern?«, erkundigt Lelo sich mit schief gelegtem Kopf. Küss mich ins nächste Leben, denke ich schmachtend und räuspere mich. »Glaub nicht. Keine Ahnung. Es sei denn, du bist abgesehen von deiner Nettigkeit auch noch super weise und kannst mir wasserfesten Rat in Bezug auf unerreichbare Verknalltheiten geben«, sage ich und komme mir ausgesprochen kühn vor. Lelo fährt sich durch die Haare und ich beobachte, wie die Muskeln seines Oberarms sich leicht dabei anspannen. Fick Adonis, man sollte lieber tausend Mamorstatuen von Lelo bauen. »Ich könnte es mal versuchen. Vielleicht ist irgendwo in mir ein Funken Weisheit versteckt«, sagt Lelo schmunzelnd. Ich frage mich, ob ich wirklich so dumm sein soll, Lelo meine dramatische Liebesgeschichte zu berichten, ohne ihm zu sagen, dass ich von ihm spreche. Ich könnte ihm auch einfach gestehen, dass ich ihn gern ablecken würde, aber dann müsste ich die Schule wechseln und das will ich eigentlich nicht. Es kann nur abwärts gehen. An dieser Schule kennen und fürchten mich wenigstens schon alle. »Ok, also. Es gibt diesen Menschen, den ich seit… äh… peinlich langer Zeit aus der Ferne angeiere und ziemlich toll finde, aber ich glaube, wenn der Mensch das wüsste, dann würde er schreiend vor mir wegrennen. Und dann ist da dieser andere Mensch, der… ähm… vielleicht an mir interessiert ist, aber ich weiß nicht, wer es ist, weil er mir nur anonyme Nachrichten schreibt. Und jetzt bin ich besessen von dem Gedanken, dass die beiden ein und dieselbe Person sind und wenn sie es nicht wären, dann wäre ich totunglücklich, und der Mensch am anderen Ende der anonymen Nachrichten womöglich auch, weil ich ihm dann auch gar keine faire Chance geben könnte«, erkläre ich relativ umständlich. Da ich es sehr neutral formuliert habe, dürfte ich mich eigentlich nicht gerade geoutet haben. Aber gut, es wäre mir eigentlich auch egal, wenn es so wäre. Ist schließlich nur Lelo. Was würde er schon tun, wenn ihm das komisch vorkommt? Mich mit Wattebällchen bewerfen vielleicht. »Ah. Das klingt kompliziert«, sagt Lelo und räuspert sich. Ich grinse schief und fahre mir durch die langen, heute offenen schwarzen Haare. Unweigerlich denke ich daran, dass Jemand findet, dass meine Haare weich aussehen. Nicht wieder heulen, Kim. Reiß dich zusammen. »Ich fürchte, ich hab keine Weisheit anzubieten, außer dich mit dem… äh… anonymen Menschen eventuell auszusprechen.« Ich schniefe und fange doch wieder an zu heulen. Toll. Lelo sieht endlos überfordert aus mit sich und seinen breiten Schultern und seinen dunkelbrauen Rehaugen. »Ok, darf ich dich vielleicht umarmen? Wäre das total komisch?«, sagt er und klingt ein wenig panisch dabei. Ich muss unter meinen Tränen lachen und möchte ihm sagen, dass er doch bitte bitte ein Arschloch zu mir sein soll, damit ich anfangen kann, ihn nicht mehr zu mögen, was mein Problem auch signifikant verkleinern würde. »Ok. Ich bin auch nicht ansteckend«, piepse ich mit viel zu hoher Stimme und im nächsten Augenblick werde ich in eine sehr feste Umarmung gezogen. Lelos Körper ist sehr warm und sehr fest und ich wimmere innerlich in Gedanken an all die Muskeln und die nackte Haut. »Also, es beruhigt dich wahrscheinlich nicht, wenn ich das sage. Aber ich glaube nicht, dass du ein Kinder opfernder Satanist bist«, murmelt Lelo und ich schlucke laut, bevor ich mich traue, die Umarmung zu erwidern. Das hier das Merkwürdigste, was mir je passiert ist. Noch merkwürdiger als der Kerl auf dieser einen Social-network-Seite, der wollte, dass ich ihm meine getragene Unterwäsche schicke. »Bist du dir sicher?«, krächze ich und muss mich wirklich sehr zusammenreißen, um mich nicht total an Lelo festzukrallen und im nächsten Moment anzufangen, mich an ihn zu schmiegen und um Küsse zu betteln. Fuckfuckfuck. Für eine Umarmung zwischen zwei eigentlich eher fremden Menschen stehen wir ziemlich lange hier. »Ziemlich sicher, ja.« »Das heißt, wenn ich dich jetzt überwältigen und auf einen Altar binden will, wärst du ein leichtes Opfer?« Ich löse mich widerwillig von Lelo. »Schon, ja.« Er sieht mich recht merkwürdig an. Ich starre zurück. Ein sehr großer Teil von mir möchte ihm mitteilen, dass er der Mensch ist, den ich seit Ewigkeiten aus der Ferne anstarre. Stattdessen schweige ich und krame meinen Schlüssel hervor. »Danke fürs Bringen«, sage ich peinlich berührt und fahre mir erneut durch die Haare. »Gern geschehen«, antwortet Lelo lächelnd. Meine Fresse, ich hasse ihn so sehr. »Ich drücke dir die Daumen, dass die beiden Menschen derselbe Mensch sind«, fügt er dann noch hinzu und ich nicke matt, ehe ich mich der Haustür zuwende und sie aufschließe. Kurz bevor sich die Tür hinter mir schließt, sehe ich, dass Lelo immer noch dort steht, wo ich ihn zurück gelassen habe. Hosted by Animexx e.V. 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