A Song of Ice and Fire: A Smile of Shadows von BluejayPrime ================================================================================ Kapitel 8: Margaery ------------------- Ridicule dishonors a man more than dishonor does. (Francois de La Rochefoucauld) ~*~ MARGAERY Als sie noch ein Kind gewesen war, hatte Margaery ihren Brüdern immer gerne beim Training zugeschaut. Als das zweitjüngste Kind von vier Geschwistern – als die kleine Prinzessin ihres Vaters – hatte es ihr etwas beruhigendes gegeben, zu wissen, dass ihre Brüder allesamt Ritter sein würden, die sie vor Drachen und was sich sonst so in den Liedern ihrer Septa herumgetrieben hatte beschützen können würden. Als sie fünf oder sechs Jahre alt gewesen war, hatte sie ihre Brüder beneidet, selbst Loras, der noch zu klein gewesen war, um etwas anderes zu führen als sein Spielzeugschwert und etwas anderes zu reiten als ein Pony, und sich gefragt, warum sie nicht ebenfalls ihr Haus würde unter einem Banner voller Rosen verteidigen dürfen. Sie hatte danach gefragt, lauthals, beim Abendessen, und für einen Moment hatte es fast peinlich berührter Stille gegeben, bevor alle so weitergemacht hatten als wäre nichts geschehen. Nach dem Abendessen hatte Olenna sie beiseite genommen und ihr erklärt, dass man als Lady zwar kein Schwert führen würde, aber ganz andere Waffen hatte... Ihre Handflächen fühlten sich schwitzig an und sie wischte sie an ihrem Rock ab, den Blick fest auf den Rücken von Loras gerichtet. Im ersten Augenblick hatte sie fast geglaubt, dass Joffrey es ernst meinte. Loras, mehr noch als Garlan und Willas, war der Stolz von Rosengarten und viele junge Lords wollten so sein wie er (die Ladies interessierten sich üblicherweise mehr für die Tatsache, dass seine Hand nach wie vor bloß war, ob man ihn nun an Cersei versprochen hatte oder nicht), und im Nachhinein verfluchte sie sich dafür, auch nur eine Sekunde lang geglaubt zu haben, die Bewunderung in Joffreys Stimme sei echt gewesen, als er die Fähigkeiten ihres Bruders in der Schlacht vom Schwarzwasser gelobt hatte und ihn eingeladen hatte, in Zukunft mit ihm zu trainieren. Dann hatte er sich zu Margaery umgedreht und sie angelächelt, freundlich und gleichzeitig scharf wie ein Rasiermesser, um sie zu fragen, ob sie ihnen nicht zuschauen wollen würde, und ihr war klar geworden, dass es nicht um Loras ging oder um Joffreys Fähigkeiten mit einem Schwert. Er testete ihren Gehorsam – Margaerys und Loras‘ – und nichts weiter, und weil es bisher noch nicht den Kopf ihres Vaters auf einem Spieß dafür gab, hatte er einen anderen Weg gefunden. Bei dem verdammten Frühstück hatte Olenna gewohnt schnell reagiert und Loras aus der Gefahrenzone schaffen können, bevor er eine Dummheit machte, doch Joffrey zitierte ihn seitdem fast täglich in einen vielen Innenhöfe des Roten Bergfrieds, um ihm vor den Augen der anwesenden Lords und Ladies nach ein paar halbherzigen Bewegungen die Übungswaffe aus der Hand zu schlagen oder ihn zu Boden zu stoßen, während die Zuschauer applaudierten und dem König Komplimente machten. Natürlich musste den meisten hier - eigentlich jedem, der Loras jemals in einem Turnier gesehen hatte - klar sein, dass Joffreys Triumphe eine Farce waren; selbstverständlich traute sich aber so oder so niemand, etwas dazu zu sagen. Unweigerlich nervös zog Margaery die Unterlippe leicht zwischen die Zähne und fragte sich, wie lange Loras‘ Selbstbeherrschung noch anhalten würde. Aus dem Augenwinkel warf sie einen Blick auf Sansa Stark, die ähnlich unerfreut von der Situation wirkte, flüchtig registrierte sie neben ihr Tyrion und einen blonden jungen Mann, den sie nicht kannte, bevor ihr Blick weiter zu Cersei huschte; ein kaum merkliches Lächeln umspielte die Lippen der Königinregentin und Margaery wandte rasch den Blick ab, bevor sie das Bedürfnis überkam, ihr die Schale mit den Weintrauben, die neben ihr stand, über den Kopf zu stülpen.  „Das ist unehrenhaft“, sagte Brienne neben ihr so leise, dass hoffentlich nur Margaery es hören konnte, als Joffrey Loras den Knauf seines Übungsschwertes vor die Brust stieß und ihr Bruder folgsam ein, zwei Schritte zurückstolperte. Innerlich verfluchte sie Joffrey und alle Lannisters, die sie kannte, während sie sich stattdessen eine der Früchte in den Mund schob und hoffte, dass man potentielle Grimassen jetzt auf Kaubewegungen zurückführen konnte. Es war nicht nur das Training ihrer Brüder, auch bei den Turnieren war sie immer gern gewesen; Renly und vor allem Robert hatten ja mit Begeisterung welche ausgerichtet. Natürlich hatte das Hauptaugenmerk – spätestens nach Willas‘ Unfall – dabei vor allem auf Loras gelegen, doch während der seine Rosen an vorher mit ihr oder Olenna abgesprochene Ladies auf der Tribüne verteilt hatte, war es ihr zugefallen, dem einen oder anderen Ritter ihre Gunst zu erweisen, und damit ähnlich effektiv zu sein, wenn es darum ging, den Ruf ihrer Familie zu stärken. Vor allem die jüngeren Ritter waren durch ihren Enthusiasmus angespornt worden (auch wenn der letzten Endes vor allem ihrem Bruder gegolten hatte), und insofern kam es ihr zugute, dass sie wusste, an welchen Stellen sie möglichst lebhaft zu jubeln hatte, auch, wenn sie sich in diesem Kontext lieber die Zunge herausgerissen hätte. Loras rappelte sich auf und hob seine Waffe auf, während Joffrey ihn wachsam musterte; Margaery dankte allen verfügbaren Göttern dafür, dass Loras sein Gesicht einigermaßen im Griff zu haben schien und man die Konzentration darauf als Zeichen für seine Fokussierung auf das Training werten konnte und nicht auf den Versuch, den Impuls zu unterdrücken, Joffrey mit der Übungswaffe zu verprügeln. „Ich fürchte, Ihr entsprecht nicht ganz Eurem Ruf, Ser Loras“, merkte Joffrey an und Margaery biss die Zähne zusammen, doch in Loras‘ Gesicht zeigte sich keine Regung; sie sah bloß, wie Joffreys Arm unter seinem nächsten Hieb erbebte. „Ich dachte, Ihr wart ein Mitglied von Lord Renlys Königsgarde?“ Margaery grub die Fingernägel so fest in ihre Handballen, dass sie dort kleine halbmondförmige Druckstellen hinterließen, während sie sich wünschte, dass Joffrey bitte auf der Stelle die Stimme verlor. Du widerlicher kleiner Mistkerl, ich weiß, was du vorhast! „Ich nehme an, das erklärt, warum seine Ermordung so einfach war“, fügte Joffrey hinzu, Margaerys Herz setzte einen Schlag aus, als sie den Ausdruck auf dem Gesicht ihres Bruders sah, und Loras‘ Waffe traf Joffrey mit der flachen Seite mitten ins Gesicht. Der junge König stürzte und landete auf dem Rücken im Kies, Cersei gab einen spitzen Laut von sich und stürzte an die Seite ihres Sohnes, einen Ritter der Königsgarde auf den Fersen, während Margaery fast ebenso hastig folgte. Im ersten Augenblick hätte sie die Hand fast nach Loras ausgestreckt, der seine Waffe fallen gelassen hatte und dastand wie versteinert, bevor sie sich an ihre Rolle erinnerte und sich stattdessen Joffrey zuwandte, wohlweislich ohne ihn zu berühren und damit seine Aufmerksamkeit (und seinen potentiellen Zorn) auf sich zu ziehen. Joffrey hatte den Ärmel gegen seine blutende Nase gepresst und der helle Stoff seiner Trainingskleidung färbte sich überraschend schnell dunkelrot. „Ihr!“, zischte Cersei, das Gesicht wutverzerrt, als sie aufstand, um sich Loras zuzuwenden, „Wie könnt Ihr es wagen, das Leben Eures Königs so leichtfertig zu riskieren?“ „Mutter…“ Joffreys Stimme war gedämpft und leicht nasal, offenbar hatte Loras ihm die Nase gebrochen. Mit einiger Mühe und unterstützt von einem der Ritter zog er sich auf die Füße und lächelte, was sein blutverschmiertes Gesicht allerdings kein bisschen freundlicher wirken ließ. „Es war ein Unfall, Mutter. Das kommt vor.“ Margaery warf Loras einen flüchtigen scharfen Blick zu, den er für Sekundenbruchteile erwiderte. Vermutlich wäre es ihnen beiden lieber gewesen, wenn Joffrey sich schreiend auf ihn gestürzt und nach seinem Kopf verlangt hätte; so… „Das reicht für heute, Ser Loras“, wandte Joffrey sich an Margaerys Bruder und schüttelte ihm die Hand; Loras reagierte wie mechanisch, als Joffreys blutige Finger Spuren an seinem Ärmel hinterließen, bevor der König sich abwandte und – nach wie vor gestützt von einem Mann der Königsgarde – zu Maester Pycelle hinüberwankte. Margaery zögerte keine Sekunde; sie griff nach Loras‘ Hand, die sich klamm und kalt in ihrer anfühlte, und zog ihn vorbei an den aufgeregt tuschelnden Höflingen auf den Gang, wo sie glücklicherweise allein waren. Erst, als sie sich sicher war, dass sie außer Hörweite waren, blieb sie stehen, gerade noch rechtzeitig, denn Loras rammte die Faust gegen die nächste Säule, so heftig, dass der Putz bedrohlich knirschte und seine Fingerknöchel zu bluten begannen. „Ich weiß“, sagte Margaery leise und griff sachte auch nach dieser Hand, „Ich weiß, hörst du?“ „Dieser elende kleine-“ Rasch ließ sie los und legte ihm einen Finger auf die Lippen. „Es kostet dich den Kopf, wenn das einer hört“, sagte sie, „Ist ja gut, ich bin hier…“ Sie schlang die Arme um seinen Oberkörper und zog ihn an sich, konnte spüren, wie seine Schultern bebten. „Es war nicht deine Schuld“, sagte sie leise, „Das weißt du, oder? Es war nicht deine Schuld, er wollte dich bloß mit irgendwas treffen…“ Und es hatte wunderbar funktioniert, und sie hatte nicht den blassesten Schimmer, was jetzt folgen würde, denn dass Joffrey die Sache wirklich so schnell abgehakt hatte, glaubte wohl keiner von ihnen tatsächlich. Loras sah sie an und obwohl er ein ganzes Stück größer war als sie, wurde ihr wieder einmal beinahe schmerzhaft bewusst, dass er trotz allem ihr kleiner Bruder war. „Maggie, warum musst du ihn unbedingt heiraten?“ sagte er und sie konnte die unterdrückten Emotionen in seiner Stimme hören; ein müdes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Stannis wäre wohl noch schlimmer, oder?“, fragte sie leise und griff erneut nach seiner Hand; Loras presste die Lippen zusammen und sagte nichts. Sie verschränkte seine Finger mit ihren und einem Impuls folgend drückte sie ihm einen Kuss auf die blutigen Knöchel. „Lass das jemanden ansehen, ja?“, sagte sie und zwang sich, einen Moment lang tief durchzuatmen, „Und dann müssen wir überlegen, was wir als nächstes tun…“ „Ich weiß, was wir tun könnten“, antwortete Loras düster, setzte den Satz aber glücklicherweise nicht fort. Margaery grinste müde; es schien seltsam anstrengend für ihr Gesicht zu sein. „Du wirst alles tun, was sie von dir wollen, hast du gehört?“, sagte sie leise und als Loras nicht direkt antwortete wiederholte sie ein wenig schärfer: „Hast du gehört? Ich meine das ernst, Loras, du glaubst doch hoffentlich nicht, dass Joffrey oder die Königin das auf sich sitzen lassen?“ Loras nickte knapp und ruckartig. „Was noch?“ Margaery zögerte einen Augenblick, bevor sie seine Hand sachte drückte. „Ich brauche dich, verstehst du?“, sagte sie sanft, „Wenn du dir das mit der Königsgarde nochmal überlegst…“ „Ich will nicht in die Königsgarde“, antwortete Loras blitzartig, „Ich werde mich nicht jeden Tag neben den kleinen Mistkerl stellen und-“ „Stattdessen heiratest du lieber seine Mutter?“, rutschte es Margaery heraus und Loras zuckte kaum merklich zusammen, als habe sie ihn geohrfeigt. „Fang du nicht auch noch so an“, murmelte er und Margaery seufzte tief. „Wenn du in der Königsgarde wärst, könntest du nicht nur auf Joffrey aufpassen, sondern auch auf mich“, sagte sie sanft, „Überleg es dir, bitte. Mir zuliebe.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)