A Song of Ice and Fire: A Smile of Shadows von BluejayPrime ================================================================================ Kapitel 1: Arya --------------- Honor and courage are matters of the bone, and what a man will kill for, he will sometimes die for, too. (Diana Gabaldon – “The Fiery Cross”) ~*~ ARYA Aryas Finger zitterten. Mit aller Kraft zerrte sie an dem Schloss, das den Käfig verschlossen hielt, konnte hören, wie der Wolf dahinter fauchte und knurrte und winselte und sich gegen das Holz warf. Seistillseistillseistill!, flehte sie in Gedanken, man würde sie hören und sie beide umbringen, sie hatte ja nicht einmal eine Waffe und vermutlich hatte sie sich selten ihre Nadel so sehr zurückgewünscht wie jetzt. „Was glaubst du, was du da machst?“, grollte eine Stimme über ihrer Schulter; sie fuhr zusammen und unterdrückte mit Mühe einen Aufschrei, als sie Cleganes Gesicht im Licht der Fackeln erkannte. Grauwinds Knurren wurde tiefer; mit Mühe schob sie die Fingerspitzen zwischen zwei Holzbretter und endlich war er still, schnupperte ein wenig neugierig an ihrer Hand. „Wenn keiner mehr da ist, an den du mich verkaufen kannst, gibt es auch kein Geld“, antwortete sie patzig, „Macht den Käfig auf.“ Wenn es nicht schon zu spät war. Clegane verengte die Augen kaum merklich und starrte sie an, offenbar daran zweifelnd, wieviel Geld den Aufwand wett machte. „Geh beiseite“, sagte er schließlich. Arya presste die Lippen zusammen und huschte einen Schritt weiter; Cleganes Schwert sauste durch die Luft und spaltete das alte Schloss sauber in zwei Teile. Grauwind schoss aus dem Verschlag wie ein Dämon aus der Unterwelt, das Fell gesträubt, geifernd und Laute von sich gebend, die Arya noch nie bei einem Tier gehört hatte. Gerade noch schaffte sie es, den riesenhaften Wolf am Nackenfell zu packen, bevor er davonstürmen konnte; Grauwind gab ein überraschtes Japsen von sich und riss sie beinahe von den Füßen. „Du musst warten!“, presste sie hervor, „Die bringen uns nur alle um!“ Es war wohl ihr Glücksfall, dass Grauwind erst drei Jahre alt und noch nicht ganz ausgewachsen war; er scharrte und stemmte die Füße in den Boden bei dem Versuch, ihr zu entwischen, ihre Arme schmerzten. Kurz huschte ihr Blick über die Schulter zurück – noch waren keine Soldaten zu sehen, doch die Fackeln an den Wänden tanzten wild, und in der Ferne gellten Schreie und vereinzelte Kommandos. „Wir müssen Robb finden!“, stöhnte sie. Beim Namen seines Herrn hielt Grauwind schlagartig still, die Ohren wachsam gespitzt. Arya atmete tief durch und warf Clegane, der offenbar beschlossen hatte, dass ein paar Fuß Sicherheitsabstand zu einem wilden Schattenwolf nicht die schlechteste Idee war, einen Blick zu. Sie nahm Grauwinds Kopf in ihre Hände – wenn er stand, war er inzwischen fast so groß wie sie, das war ein bisschen unheimlich – und sah ihn fest an. „Du musst Nymeria finden“, sagte sie. Grauwind jaulte leise, doch in seinen Augen glomm etwas, das Arya nicht ganz einordnen konnte. „Du musst gehen und dich verstecken“, sagte sie fest, „und uns später finden, damit dir nichts passiert.“ Grauwind starrte sie an ohne zu blinzeln, Arya konnte sehen, wie seine Flanken sich unter schweren Atemzügen hoben und senkten. „Du… musst… gehen“, wiederholte Arya mit Nachdruck. Noch immer ruhten die Augen des Wolfes fest auf ihr, sie versuchte so heftig, seinen Blick starr zu erwidern, dass ihre Augen zu tränen begannen. Wolfsträume, wisperte die Erinnerung in ihrem Hinterkopf, Geh und finde deine Schwester… Grauwind winselte leise und sie ließ ihn los; er verschwand leise und lautlos wie ein Schatten zwischen den zuckenden Fackeln und nachtschwarzen Bäumen. Sie fing Cleganes argwöhnischen Blick auf und wischte sich die schweißfeuchten Hände an der Hose ab, bevor sie losstürmte. Die Türen zur Festhalle waren verschlossen und bewacht. Feiglinge, Feiglinge, Feiglinge!, dachte Arya, mehr Namen für ihre Liste, aber dafür musste sie erst rausfinden, wie sie hießen; Clegane packte sie im Genick wie einen aufmüpfigen Welpen und schleifte sie zurück hinter die nächste Ecke, bevor sie von den Wachsoldaten gesehen werden konnte. „Hattest du da auch einen Plan?“, knurrte er. Aryas Lippen bewegten sich stumm; sie spürte kaum, dass sie am ganzen Körper zitterte. Die Luft schmeckte nach Blut und Rauch und Tod. Vielleicht wäre es besser gewesen, Grauwind nicht wegzuschicken, er hätte die Wachsoldaten für sie töten können, aber die Männer waren mit Schwertern und Armbrüsten bewaffnet und Grauwind war nur einer… Die Gedanken drehten sich in ihrem Kopf und es schien unmöglich, einen davon klar zu erwischen. Für ein paar Sekunden schien die Welt seltsam eingefroren; dann packte Clegane sie an der Schulter und dirigierte sie nach draußen auf den Gang, direkt vor die Wachen. Der Ältere der beiden – in seinem pockennarbigen Gesicht standen die Stoppeln eines rötlichen Dreitagebarts – verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, die Hand auf seinem Schwertgriff, während er Clegane musterte. „Ihr seid der Hund“, sagte er, „Bisschen spät dran, das Fest hat schon angefangen.“ Arya biss sich auf die Zunge, um zu verhindern, dass ihre Zähne klapperten. Ihr war schlecht. Feiglinge, Feiglinge, Feiglinge. „Das Fest ist vorbei“, antwortete Clegane so gelassen, als hätte er sein Lebtag auf diesen Augenblick hingearbeitet, „Der König will Robb Stark und seine Mutter in Königsmund hinrichten lassen.“ Sein Panzergriff um Aryas Arm lockerte sich keinen Millimeter. „Das hier ist Arya Stark, sie soll beide identifizieren. Nur für den Fall, dass Walder Frey sich einen Namen ohne Gegenleistung machen will.“ Der Rotschopf schnaubte leise. „Dann fegt mal zusammen, was ihr finden könnt“, antwortete er und trat beiseite. Seit sie ihren Vater auf den Stufen der Septe von Baelor hatte sterben sehen, hatte Arya fast jede Nacht Alpträume gehabt; dann in den Flusslanden und in Harrenhal war es schlimmer geworden, doch nichts hatte sie auf das Bild vorbereiten können, das sich ihr bot, als Clegane die Tür zur Festhalle aufstieß. Ihre Mutter stand umringt von toten Nordmännern und Freys, das Kleid blutbespritzt und mit blitzenden Augen, ein Bratenmesser an den Hals eines Mädchens um die siebzehn Jahre gedrückt. Robb lehnte ein paar Meter entfernt an einem der Tische, kalkweiß im Gesicht und offensichtlich kaum in der Lage, sich auf den Beinen zu halten; Arya sah dunkle Flecken auf seiner Kleidung und die fedrigen Schafte von Armbrustbolzen. Sie schienen die einzigen Nordmänner zu sein, die noch am Leben waren; dunkel erkannte sie das Gesicht von Dacey Mormont mit blutigen Lippen und aufgeschlitztem Leib, einen Mann mit dem Wappen der Umbers auf der Kleidung, Manderlys, Lockes, Flints… Clegane schleifte sie am Leichnam einer jungen Frau mit dunklem Haar vorbei, die mandelförmigen Augen weit aufgerissen, ihr Rock blutgetränkt. Arya wandte rasch den Blick ab. Walder Frey saß mittig an einem erhöhten Tisch am Ende des Raumes, in den kleinen Augen einen Ausdruck, als habe man ihn bei einem besonders köstlichen Mittagessen gestört, als sein Blick auf Arya und den Hund fiel. Immerhin schien er ihn zu erkennen, denn er hob die Hand, und die drei, vier Bogenschützen, die sofort ihre Waffen auf sie gerichtet hatten, ließen diese ein wenig mehr sinken. „Ihr seid spät dran, Clegane“, sagte er mit knarrender Stimme wie altes Holz, „Ihr könnt ihre Köpfe nach Königsmund bringen, wenn Euch das glücklich macht…“ Catelyn starrte an Clegane vorbei ihre Tochter an, ähnlich wie Robb, den Blick verschleiert vor Schmerz und Erschöpfung; unweigerlich wand sie sich in Cleganes Griff, doch er ließ sie nicht los. „Ich bringe sie in einem Stück nach Königsmund“, antwortete Clegane, „Mit einer Eskorte aus Euren Männern, Frey, zum Beweis Eurer Treue gegenüber der Krone. Befehl des Königs.“ Er zerrte Arya etwas näher zu sich und sie spürte, wie sich etwas kaltes gegen ihre Kehle drückte. „Das Messer, Lady Stark. Wenn Ihr so freundlich wärt.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)