A Song of Ice and Fire: A Smile of Shadows von BluejayPrime ================================================================================ Kapitel 2: Loras ---------------- ‘tis better to have love and lost, than never to have loved at all. (Alfred, Lord Tennyson – “In Memoriam A.H.H.”) ~*~ LORAS Es dauerte eine Weile, bis der Junge begriff, dass es der Sturm war, der ihn geweckt hatte. Man gewöhnte sich daran, das hatte er schnell festgestellt,, die Festung hieß ja nicht umsonst Sturmkap, und eigentlich war es ganz spannend, die Wellen zu beobachten, die grau und grün gegen die Felsen schlugen, und den violett verfärbten Himmel, die zuckenden Blitze, obwohl er die ersten Wochen furchtbares Heimweh gehabt hatte… Einen Augenblick lang blieb er liegen und lauschte dem Jaulen des Windes und dem Donnergrollen irgendwo weit über ihm. Er schloss die Augen und fragte sich, wie es jetzt wohl draußen aussehen mochte – die Bäume, die im Wind ächzten und krachten, die aufgepeitschte See – ob man bei diesem Wetter wohl segeln konnte… und dann fiel ihm wieder das Unglück mit Renlys Eltern ein, und er fühlte sich unweigerlich schuldig. Er zögerte einen weiteren Moment lang, bevor er aus dem Bett schlüpfte. Der Boden war kalt unter seinen Füßen, doch das störte ihn nicht; lautlos huschte er aus dem Zimmer – nicht ganz lautlos, die schweren Eisenscharniere knirschten leise, doch das hatte wohl kaum jemand gehört – und über den Gang. Renly war wach, aber das wunderte ihn auch gar nicht. Renly mochte keine Stürme. Einen Augenblick lang blieb er ein bisschen nervös an der Tür stehen, als er Renly auf der Fensterbank sitzen sah, bevor er sie leise ins Schloss fallen ließ. Renly warf ihm einen raschen Blick zu und erwartete offenbar im ersten Moment eine Strafpredigt, weil er nicht im Bett war, doch seine Schultern entspannten sich ein wenig, als er Loras sah. Im Halbdunklen, das nur gelegentlich von den zuckenden Blitzen erhellt wurde, sah man noch ein bisschen deutlicher, dass er eigentlich gar nicht so viel größer als Loras war, obwohl er schon zwölf war. Loras kroch zu ihm auf die breite Steinfensterbank. „Könnt Ihr nicht schlafen, milord?“, fragte er so höflich und unbefangen wie möglich nach einem Moment des Schweigens. Renly blinzelte ihn an. „Nein“, murmelte er, den Blick immer noch aus dem Fenster gewandt. Einer der Bäume unten im Hof bog sich so sehr, dass der Sturm ihn beinahe entwurzelte; dicke Regentropfen klatschten gegen das Glas. Unsicher, was er sagen sollte, hielt Loras den Mund. Auch die Fensterbank war kalt, aber Renly saß dicht neben ihm und war angenehm warm, das machte es einfacher, sich nicht direkt in sein eigenes warmes Bett zurückzuwünschen – er war schließlich Renlys Knappe und es war seine Aufgabe, sich um ihn zu kümmern, nicht wahr? „Robert hat gesagt, wenn ich volljährig werde, bin ich der Lord von Sturmkap.“ Die Aussicht schien Renly nicht gerade zu freuen; Loras zögerte einen Augenblick, bevor er sich auf der Suche nach Wärme ein bisschen mehr gegen ihn lehnte. „Ihr werdet bestimmt ein guter Lord sein“, merkte er dann an. Renly verzog das Gesicht. „Ich werde gar kein Lord sein“, antwortete er, „dann müsste ich nämlich kämpfen, in Turnieren und so, und heiraten.“ Das letzte sprach er aus, als sei es dem Schwert eines Henkers gleichzusetzen – Loras konnte das durchaus verstehen, die meisten Mädchen, die er kannte, waren nicht besonders helle und kicherten die ganze Zeit und klimperten mit den Augenlidern. Margaery machte das nur, wenn sie wusste, dass sie Süßigkeiten dafür bekam, das fand er schon ein bisschen cleverer. „Und irgendwann müsste ich dann auch hinter die Meerenge fahren…“, fuhr Renly düster fort. Loras zog die Augenbrauen zusammen. „Euch würde schon nichts passieren, ich würde mitkommen und auf Euch aufpassen…“ Ihm war schlecht. Loras schloss die Augen und biss die Zähne zusammen, um einen Moment lang ruhig durch die Nase ein und auszuatmen. Das Blut rauschte in seinen Ohren und er konnte sein Herz klopfen spüren. Selbstverständlich gehörten die beigefarbenen Wände ringsum nicht nach Sturmkap, sondern zur Roten Festung, und der Himmel draußen zeigte lediglich ein paar helle Wolken und nicht das Dunkelgrau und Violett der Herbststürme. Selbstverständlich war er allein. Noch immer schmeckte er bittere Galle auf der Zunge. Als er die Augen wieder öffnete, fiel sein Blick auf eines der Dienstmädchen – blau gewandet, offenbar von seiner Großmutter oder Margaery geschickt – das sich hereingeschlichen hatte. „…was?“, murrte er und schloss die Augen wieder in dem kindischen Versuch, die Realität noch etwas länger auszublenden. „Lady Margaery bittet um Eure Anwesenheit“, verkündete das Mädchen und blinzelte scheu aus großen braunen Augen, bevor sie verschwand. Loras stöhnte leise und rieb sich die Stirn. Eigentlich freute er sich über jede Gelegenheit, dem Einfluss seiner Großmutter zu entwischen („Nein, wirklich, du bist so ein stattlicher junger Ritter geworden – wenn deine Mutter dich so sehen könnte – ganz anders als dein Vater“, gefolgt von einem Zwicken in die Wange und dem Gefühl, spontan wieder fünf Jahre alt zu sein), doch selbstverständlich war seine Schwester in letzter Zeit äußerst selten allein anzutreffen, und wenn sie schon um seine Anwesenheit bat, dann wohl, weil sie jemanden brauchte, der sich im Zweifelsfall zwischen sie und Joffrey warf. Selten hatte der Tag besser angefangen. Andererseits fingen seit geraumer Zeit alle Tage gleich schlecht an und gingen ähnlich weiter. Zwei Stunden später saß er zwischen seiner Großmutter und seiner Schwester am Tisch im warmen Sonnenlicht von Königsmund zwischen Blumen und Sträuchern, starrte auf die dunkelrote Flüssigkeit in seinem Becher und fragte sich, wieviel er wohl noch davon trinken musste, um die Stimme seines Schwagers nicht mehr zu hören (er fuchtelte am anderen Ende des Tisches mit seinem neuen Schwert und faselte irgendetwas von Ned Stark), oder wie lange man seine Gnaden wohl würgen musste, um sein Gesicht auf dieselbe Farbe zu bringen. Margaery spielte ihre Rolle gut; sie schenkte ihrem Gatten in spe hier und da ein bezauberndes Lächeln oder einen treuherzigen Augenaufschlag, gab hier und da ein bewunderndes „Ooh“ von sich und trat Loras nebenbei unter dem Tisch auf den Fuß. Sein Kopf schoss hoch. „Was?“ Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass Joffrey ihn aus kalten, grünen Augen heraus musterte. Loras zwang sich, seinen Blick einigermaßen neutral zu erwidern. „Euer Gnaden…?“ „Ich erwähnte gerade“, sagte Joffrey mit nur mühsam gezügelter Ungeduld in der Stimme, „wie Ihr in der Schlacht am Schwarzwasser die Rüstung von Renly dem Verräter getragen habt, Ser Loras.“ Das schwere, fruchtige Bouquet des Weins schien Loras in die Luftröhre zu kriechen. „So?“, murmelte er und nahm hastig einen weiteren Schluck in der Hoffnung, nicht weiter angesprochen zu werden. Selbstverständlich war Hoffnung in Joffreys Nähe üblicherweise fehl am Platz. „Ich habe ein neues Schwert, Ser Loras“, fuhr Joffrey fort, offensichtlich ungnädig gestimmt darüber, dass Loras dem nicht genug Aufmerksamkeit schenkte, und stemmte die Klingenspitze gegen den Tisch. Loras erwiderte seinen Blick und umklammerte seinen Becher ein wenig mehr. „Ein wunderbares Stück, Euer Gnaden“, antwortete er so höflich wie möglich. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Sansa Stark reichlich blass um die Nase an einem Stück Zitronenkuchen mümmelte. Sein Vater regte sich zwei Plätze weiter und tat sich noch ein wenig mehr Fleisch auf, offenbar fest entschlossen, so zu tun, als säße er allein am Tisch. „Die Klinge ist aus valyrischem Stahl“, wiederholte Joffrey und schwenkte sie als Aufforderung, sie ganz genau ins Auge zu fassen, was Loras pflichtschuldigst tat und ein weiteres „Eindrucksvoll, Euer Gnaden“ murmelte, „und sie hat Eddard Stark gehört, bevor sie eingeschmolzen wurde. Ich verwende den Stahl meiner besiegten Feinde gegen sie.“ „Beeindruckend, Euer Gnaden“, antwortete Loras und ließ unauffällig seinen Becher nachfüllen. Joffrey verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und taxierte ihn auf eine Art und Weise, die Loras ganz und gar nicht gefiel. „Habt Ihr eigentlich Renlys Rüstung noch, Ser Loras? Er stand Euch doch… recht nah?“ In Margaerys Gesicht regte sich immer noch kein Muskel außer denen, die sie zum Lächeln brauchte, doch vielleicht wurde es für Sekundenbruchteile kaum merklich steifer. Loras öffnete den Mund und schloss ihn wieder, während er spürte, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten. „…Euer Gnaden…?“ Joffrey lächelte. „Wäre es nicht unglaublich passend, den Stahl meiner Feinde nicht nur zu führen, sondern auch zu tragen?“ Schlagartig wurde ihm übel und er konnte spüren, wie sich irgendetwas in seinem Magen eisig zusammenzog; mit Mühe rang er nach irgendeiner vernünftigen Antwort, die ihn nicht den Kopf kostete, während Olenna neben ihm heftig zu husten begann, als stecke ihr der Zitronenkuchen quer im Hals. Joffrey warf ihr einen irritierten Blick zu, Mace Tyrell erstarrte mitten im Essen und wandte sich besorgt seiner Mutter zu, die jedoch bereits an einem Ärmel von Loras‘ Seidenhemd zupfte. „Mir ist gar nicht gut, Euer Gnaden, verzeiht“, keuchte sie, „Loras, mein Junge, wenn du so freundlich wärest…“ Und bevor er oder Joffrey widersprechen konnten, hatte sie ihn schon auf die Beine gezogen und sich bei ihm untergehakt, um ihn zurück ins kühle Innere der Roten Festung zu schleifen, während ihnen Joffreys Stimme mit etwas nachwehte, was unerfreulich nach „Wir unterhalten uns später weiter!“ klang. Loras zitterten immer noch die Knie, als sich Olennas Husten selbstverständlich schlagartig legte, sobald die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war. Ein paar Minuten lang gingen sie schweigend nebeneinander her in Richtung ihrer Quartiere. „Wie geht es dir, Junge?“, fragte Olenna schließlich nonchalant, als säßen sie bei Wein und Obst daheim in Rosengarten; Loras presste flüchtig die Lippen zusammen. „Gut, milady“, antwortete er so neutral wie möglich. Olenna schürzte die Lippen. „Ich fürchte, deine Schwester ist eine bessere Lügnerin als du“, seufzte sie, „Tu nur dir und ihr und uns allen einen Gefallen und üb ein bisschen, was das betrifft.“ Loras‘ Augenbraue zuckte kaum merklich. „Wie Ihr meint“, murmelte er, und sie setzten den Rest des Weges schweigend fort. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)