Heart's Instinct von KiraNear ================================================================================ Kapitel 7: Spaziergang ---------------------- Hancock derweil bekam von der ganzen Sache nichts mit. Mit ruhigen Schritten durchquerte sie den Schlossgarten und verließ durch das offene Tor das Gelände. Während die Torwächter ihr nur schweigend nachsahen, verneigten sich die Hofdamen und wünschten ihr einen angenehmen Spaziergang. Kaum war sie aber außer Hörweite, steckten die beiden die Köpfe zusammen und tuschelten aufgeregt miteinander. „Hast du eigentlich schon diesen Sir Crocodile gesehen?“, begann die eine das Gespräch. Die andere nickte. „Ja, erst kürzlich, als er bei uns zu Besuch war. Ein seltsamer Mann, wenn du mich fragst. Ich weiß nicht, was Gloriosa sich nur dabei gedacht hat. Unsere Prinzessin ist eine sehr schöne und stolze Frau, sie hat jemand viel besseren als ihn verdient. Jemand mit einer freundlicheren Ausstrahlung … und einem hübscheren Gesicht“, sagte sie vorsichtig. „Das kannst du laut sagen!“, stimmte die andere ihr zu. „Ich sah ein Foto, als Gloriosa ihn unter mehreren Kandidaten herausgesucht hatte. Zwar habe ich nicht … geschnüffelt, aber ich war zufällig genau dann bei ihr beim Staubwischen. Sie hatte ihn mir und auch ein paar andere gezeigt. Nie hätte ich gedacht, dass sie diesen Crocodile nehmen würde. Ganz ehrlich, Conis, ich hatte gehofft, sie würde diesen Rothaarigen einladen. Er hat zwar auch Narben im Gesicht, aber sie waren … ansehnlicher. Und auch sonst sah er sehr erfrischend aus.“ Conis begann zu kichern. „Lass mich raten: Wenn Hancock ihm eine Absage verpasst hätte, hättest du ihn dir geschnappt. Oder liege ich da falsch, Bellemere?“ Bellemere fing zu kichern an. „Ich bin wohl ein offenes Buch für dich, oder? Bei so einem gutaussehenden Mann könnte ich auch gar nicht anders, als schwach zu werden. Vielleicht habe ich ja Glück und ich finde seine Mappe wieder, dann könnte ich ihn mir auch so schnappen …“   Rasch trat sie ihre fast abgebrannte Zigarette aus und warf sie in den nächstbesten Aschenbecher. Nur um sich gleich wieder eine neue anzuzünden. „Aber diesen Crocodile … Gloriosa muss betrunken gewesen sein, als sie ihn ausgesucht hat. Oder denkst du … sie handelt in den gleichen Absichten wie ich und möchte ihn in Wirklichkeit für sich alleine?“ Leicht angewidert verzogen sie das Gesicht, dann brachen sie in lautes Gelächter aus. Es dauerte ein paar Minuten, bis sie sich wieder fassen konnten, so seltsam und abwegig fanden sie den Gedanken. „Aua, mein Bauch!“, grinste Bellemere und wischte sich eine Träne aus dem Auge. „Aber jetzt mal ernsthaft, würdest du unter DEM arbeiten wollen? Wer weiß, was der für Sonderwünsche hat, das weiß man bei solchen Typen ja nie vorher. Am Ende zahlt er nur gesetzliche Mindestlöhne und verlangt abartige Dinge von dir … grausig!“ Genervt schüttelte einer der Wachmänner den Kopf. „Typisch Frauen, brauchen immer was zum Gackern, Lästern und Kichern.“ Die andere Wache nickte unmerklich, dachte er sich haargenau das Gleiche in diesem Moment. „Hey, das haben wir gehört!“, kam es von Bellemere amüsiert, die Wachen zuckten zusammen. Zwar wusste sie, dass die Wachen es meist nicht so meinten, wie es klang; hatten sie doch bei so mancher Gelegenheit ihre Faust zu spüren bekommen. Die meiste Zeit beschränkten sich ihre gemeinsamen Interaktionen auf ihre Arbeit und gelegentlich gemeinsame Abende in verschiedenen Stadtbars. Bei welchen sich Bellemere immer wieder als sehr trinkfest bewies und die Soldaten regelmäßig unter den Tisch trank.   „Obwohl, irgendwie haben die beiden schon recht, was diesen Crocodile angeht.“ Er hatte gewartet, bis die Hausmädchen in Richtung Schloss verschwunden waren, um mit seinem Kollegen vertraulich darüber tuscheln zu können. „So ganz sauber scheint mir der Kerl ja nicht zu sein. Es wäre wirklich eine Schande, wenn unsere Prinzessin sich an ihn verschwenden würde. Sie ist zwar absolut nicht der Typ Frau, auf den ich stehe, aber schade wäre es allemal. Oder was meinst du, Shuzaru?“ Shuzaru schob seinen Helm zurecht, er hatte zu dem Thema keine besonders große Meinung und das ließ er seinen Kollegen auch spüren. Die ganze Angelegenheit wecke kein sonderlich großes Interesse in ihm; solange er dabei nicht aus welchen Gründen auch immer entlassen werden würde; und seinem Job so wie bisher weitergehen könnte, mischte er sich nicht weiter ein. Nicht wie so manch anderer Angestellter hatte er keine Angst, dass ihn Crocodile durch einen anderen Wachtposten ersetzen würde. „Im Grunde ist das doch oft unter den ganzen Adeligen und Monarchen der Fall, dass sie früher oder später verheiratet werden. Das war schon immer so und wird sich auch nie ändern. Nicht, dass ich etwas gegen die Ehe an sich hätte …“ Dabei deutete er auf seinen linken Ringfinger. „Aber meiner Meinung nach wird zu viel Aufsehen um eine solche royale Hochzeit gemacht. Die unterscheiden sich nicht von normalen Hochzeiten, so viel anders sind die gar nicht.“ „Das meine ich doch gar nicht, Shuzaru. Von mir aus soll die Prinzessin heiraten oder sich nur verloben, das stört mich nicht im Geringsten. Ich bin nur der Meinung, dass sie zumindest die Chance haben sollte, dass sie sich ihren zukünftigen Ehepartner selbst aussuchen können sollte. Sie machte jetzt nicht den Eindruck, als hätte sie in Crocodile ihren Traummann gefunden.“ „Als ob dieser überhaupt existieren würde“, meinte Shuzaru leicht bissig. „Wie doch jeder weiß, kann sie Männer bis auf ganz wenige Ausnahmen gar nicht leiden. Uns wenige männliche Angestellte toleriert sie doch nur, weil wir die Stelle entweder in zweiter, dritter oder vierter Generation besetzen. Oder weil wir auf Empfehlung auf Nico Robin eingestellt wurden. Da wird ausgerechnet sie sich freiwillig einen Kerl anlachen … das glaubst du doch selbst nicht! Man merkt der ganzen Geschichte schon an, dass die Alt-Monarchin Gloriosa alle Fäden im Hintergrund zeiht und die treibende Kraft dahinter ist. Ein wenig tut mir die Prinzessin schon leid, aber wir kennen nicht den Hintergrund, die komplette Geschichte dazu nicht. Daher fände ich es für mich falsch, mich da in irgendeiner Weise tiefer zu äußern oder mich einzumischen. Zumal ich es als einfacher Angestellter auch keinerlei Berechtigung besitze, mich darin einzumischen, selbst wenn ich es wollte. Deswegen beschäftige ich mich nicht länger mit dem Thema als nötig. Am Ende hätte meine Meinung keinen Einfluss darauf … Machen wir lieber unsere Arbeit und reden über etwas anderes, Iburaku, wenn es dir nichts ausmacht.“ Iburaku ließ es sich nicht anmerken, ob er nun enttäuscht oder einverstanden über diese Bitte war; und lenkte das Gespräch in eine Richtung, die ihre Gespräche in den letzten Jahren sehr oft einschlug: Das nächtliche Saufgelage mit Bellemere am folgenden Abend.   Hancock dagegen schmiedete keine Pläne für den Abend. Ohne ein bestimmtes Ziel ging sie die einzelnen Straßen und Gassen entlang, in einer sehr langsamen Geschwindigkeit. Sie hatte es nicht eilig, so schnell musste sie nicht zum Schloss zurückkehren. Und noch weniger wollte sie Gloriosa ein weiteres Mal in die Arme laufen. Zwar hatte sie sich von Zorros oder Robins Anwesenheit nicht gestört gefühlt, dennoch war sie froh, nur ihre eigene Person und Gedanken als Gesellschaft zu haben. Mit pochendem Herzen dachte sie über das Gespräch, über das Essen, über alles, was in den letzten Tagen passiert war, nach. Sie wollte es sich nicht eingestehen, das alles nahm sie mehr in Anspruch als man von ihr vermuten würde. Angespannt begann sie den Ärmel ihres Kleides anzuknabbern. Robin sah vorhin nicht so aus, als hätte sie mir nicht abgekauft, wie sicher ich mir über unseren Plan bin. So, als hätte ich irgendein Detail daran übersehen. Ein Teilchen unseres Puzzles an irgendeiner Stelle vergessen und ohne welches ich das Bild nicht vollenden kann. Ohne welches das Motiv nicht gänzlich erkennbar wird. Wenn ich doch mehr als dieses Gefühl, einen konkreten Hinweis hätte … auch muss ich mir eine Lösung für das Heiratsproblem finden. Denn das wäre mit Crocodiles Verschwinden noch lange nicht vom Tisch. Es wird sich doch noch etwas finden lassen; eine Gesetzeslücke oder eine Möglichkeit, dieses verstaubte alte Relikt für uns zu nutzen. Oder wir finden eine Lösung … ich sollte unbedingt Robin darüber in Kenntnis setzen, sie findet sicherlich etwas in der Richtung.   Als sie um die nächste Ecke bog, machte ihr Herz vor Schreck einen kleinen Aussetzer. Vor ihr stand ein Mann, groß, mit einer dunklen Felljacke bekleidet, einem vernarbtem Gesicht und etwas goldenem, sichelförmigen Etwas an seiner Hand. Crocodile? Was zum Henker macht der denn hier? Lauert er mir etwa schon auf? Die Pupillen vor Schreck geweitet, blieb Hancock auf der Stelle stehen und machte keinen Mucks. Da er nicht in ihre Richtung guckte und sie somit nicht gesehen hatte, empfand sie als Glück im Unglück. Was auch immer er hier verloren hat, er ist ganz sicher wegen mir hier. Doch so lange er mich nicht bemerkt, kann ich mich noch unbemerkt davonschleichen, bevor ich mich mit ihm unnötig unterhalten muss. Just in dem Moment, in dem sie ihren kleinen Plan in die Tat umsetzen wollte, drehte sich der Mann in ihre Richtung. Erst jetzt sah sie, dass auf dem zweiten Blick betrachtet die Person vor ihr keinerlei Ähnlichkeiten mit dem Krokodil hatte. Die Felljacke um seine Schultern entpuppte sich als ein Kostüm, welches der Mann trug. Der goldene Gegenstand in seiner Hand war eine Wunderlampe, wie sie Hancock noch aus ihren Kindheitsgeschichten kannte. Diese hier war nur eine Attrappe, was man ihr bei genauerem Hinsehen auch ansah. Die Narben in seinem Gesicht waren nur aufgeklebt, wirkten beim ersten Blick jedoch wie echte. Erst jetzt ging Hancock ein Licht auf. Sie war genau vor einem kleinen Theater stehen geblieben und der Herr vor ihr wartete darauf, vor der Jury eine kleine Kostprobe seines Könnens zeigen darzubieten. Hancock sah sich um, außer ihr und dem möglichen Hauptdarstellers eines neueren Stücks dieses Theaters befand sich niemand in der kleinen Gasse. Der Mann ignorierte sie immer noch, ob es an ihrem Tuch auf dem Kopf oder an dem Vorsprechen lag, konnte sie nicht sagen. Es war ihr nur recht, dass der Bürger sie, ob nun absichtlich oder nicht, nicht wahrnahm. So hatte auch niemand ihre Reaktion mitbekommen, und sollte doch irgendwo versteckt ein Paparazzi lauern, wusste er genau, was seiner Zeitung blühen würde, sollte er irgendwas darüber berichten. Der letzte Journalist, der über sie einen Artikel schrieb, wie sie im Inkognito-Modus über die Händlermeile flanierte, hatte damit sich selbst und seine Redaktion in große Schwierigkeiten gebracht. Aufgebracht war die Prinzessin in das Zeitungsgebäude gestürmt, hatte sich den Namen des Reporters geben lassen und ihm mehr als deutlich gezeigt, was sie vom Artikel hielt. Lediglich für das dazugehörige Foto hatte sie ein paar Worte übrig. Seitdem blieben sämtliche Medien auf Abstand und ließen sie ebenfalls alleine, wenn sie ihre Ruhe haben wollte. Sie warf einen letzten Blick auf den Mann, dann ging sie die Gasse weiter entlang und bog an der nächstbesten Ecke in eine andere ab.   „Kannst du mir bitte den Sack aufhalten? Ich will noch ein paar Äste reindrücken, bevor ich einen neuen anfange.“ „Klar doch, wenn du noch ein paar Sekunden warten kannst, ich schneid hier nur noch schnell was ab.“ Bellemere und Conis, die sich nun um einen Teil der Gartenarbeit kümmerten, bekamen von der Auseinandersetzung der zwei Streithähne ebenfalls nichts mit. Zu sehr waren sie damit beschäftigt, die Bäume und Sträucher in diesem Bereich des Gartens auf eine schönere Form zu stutzen und zu schneiden. Abgesehen davon war das Fenster, das sich auf der anderen Seite der Ecke befand, geschlossen und wie alle anderen sehr gut isoliert. Man konnte von der Innenseite der Fenster fast kein Geräusch von außen wahrnehmen oder umgekehrt. Sie hätten somit auch nichts gehört, würden sie nicht um die Ecke, sondern direkt davorstehen und zusehen. „Sieh nur mal, was ich mit dieser Schlange gemacht habe!“, meinte Bellemere und deutete lachend auf die Hecke vor ihr. Welcher sie die gleichen, knödelartigen Antennen verpasst hatte, wie sie Conis im Arm trugt. Conis sah sich das Meisterwerk verwundert an, dann ließ sie sich von Bellemeres Lachen anstecken. „Das sieht echt lustig aus, Bellemere! Bei mir zuhause machen das alle mit ihren Hecken … aber hier habe ich das noch nie gesehen. Ob die Prinzessin das auch so lustig finden wird wie wir?“ Conis hatte da ihre Zweifel, doch ihre Freundin und Kollegin beruhigte sie ein wenig. „Ach, so wie ich sie kenne und einschätze, wird es ihr nicht sofort auffallen. Wenn überhaupt, dann erst in ein paar Monaten. Oft nimmt sie ja nicht mehr wahr als sich und die kleine Welt um sie herum. Gloriosa oder Robin, die werden es eher sehen. Robin macht sicherlich nichts, bei Gloriosa bin ich mir nicht so sicher. Aber, solange sie nichts zu uns sagt …“ Sie zuckte mit den Schultern und verschnürte den Sack mit den Gartenabfällen so fest es ihr möglich war. Dann sah sie zu Conis hoch. „Sag mal, meintest du das vorhin ernst? Ihr schneidet alle eure Hecken so?“ Dabei stellte sie sich einen gut gepflegten Vorgarten vor, mit kleinen Büschen und den Knödeln oben drauf. Belustigt begann sie wieder zu kichern, doch Conis nickte nur. „Ja, diese … Knödel haben bei uns eine lange Tradition. Auch wenn ich mir nicht mehr sicher bin, warum wir die haben. Die Überlieferungen und Schriften dazu wurden irgendwann aus den Museen entwendet und seitdem hat sie keiner mehr gesehen.“ Bellemere räusperte sich, dann entschuldigte sie sich beschämt bei der jungen Frau. „Tut mir leid, ich wollte deine Kultur keineswegs schlecht machen; oder überhaupt etwas in der Richtung tun!“ „Nichts zu entschuldigen“, meinte Conis ehrlich und zerschnitt ein paar längere Zweige. „Auf die meisten Leute, die davon erfahren, haben die Kugelzöpfe eine humorvolle Wirkung. Doch wir sehen es gelassen, solange dabei niemand ernsthaft beleidigt oder ausgelacht wird. Ist also alles halb so wild.“ „Dann ist ja gut“, meinte Bellemere und trug die Leiter zu einem kleinen Baum. „Sollen wir den Baum hier noch schneiden, bevor wir im Haus weitermachen?“ Die große Heckenschere in der Hand, zielte sie mit der Spitze auf das Blätterdach. Eine Antwort blieb ihr Conis jedoch für immer schuldig, als sie von einem lauten Klirren beim Versuch dabei unterbrochen wurde. Vorsichtig lugten die beiden um die Ecke. Die Prinzessin war noch aus dem Haus, sie könnte es also schon mal nicht gewesen sein. War ein Fenster aus der Haltung gefallen? Oder plante irgendein Dieb gerade einen Einbruch?   Die Vase, die etwas fehlplatziert auf der Wiese lag, war die Antwort auf ihre Fragen. Und warf gleichzeitig neue auf. „Ich kenne dieses … Ding, das steht im Büro der Prinzessin. Ich muss immer das teure Spezialtuch nehmen, wenn ich in ihrem Büro mit Staubwischen an der Reihe bin“, sagte Conis in einem Flüsterton. Natürlich ließ auch die Reaktion im Haus nicht lange auf sich warten. Sie hörten, wie Zorro und Sanji sich gegenseitig anschrien und die Schuld zuwiesen. Mit stillen Kopf- und Handbewegungen einigten sich die Frauen schnell, leise wie zwei Ninja im Nachtschatten krochen sie bis unter das Fenster. Die Neugierde war zu groß und hier konnten sie ungestört etwas verstehen, ohne dabei gleich erwischt zu werden. Sich auf weiteres Gekeife zwischen den Männern einstellend, richteten sie ihre Ohren in Richtung Fenster. Doch mit dem Krachen, das mitten aus dem Nichts folgte, hatte keiner von ihnen gerechnet. Mit der Lautstärke einer Kanonenkugel riss jemand die Türe zum Büro auf. Den Bediensteten blieb, obwohl sie nur zufällig in die Szene geraten waren, einen Augenblick lang das Herz stehen. Sie konnten es nicht sehen, aber sie wussten ganz genau, wer dort hineingekommen war. „Sanji! Zorro! Was fällt euch kindischen Dummköpfen eigentlich ein?“ Mehrere Minuten lang ließ Gloriosa ihrer deutlich hörbaren Wut freien Lauf. Auch hörten sie, wie die beiden jungen Männer Robin in Schutz nahmen. Längst konnten sich die beiden ein Bild von der Sache machen, besonders Bellemere lächelte verwegen. „Und jetzt … jetzt brauche ich dringend einen Espresso!“, hörten sie Gloriosa sagen, bevor diese ebenfalls laut den Raum verließ. Doch die beiden Frauen verharrten in ihrer Position, warteten, bis zuerst Sanji; dann Robin und Zorro aus dem Zimmer rausgingen. Nun waren sie wieder alleine.   „Wow, das war ja was! Hätte nicht gedacht, dass die Alte mal so laut werden kann.“ Ruhig zündete sie sich eine weitere Zigarette des Tages an. Conis stimmte ihr zu: „Ich hab zwar gehört, dass sie mal wütend werden kann, aber dass sie gleich eine solche Lautstärke erreichen kann, ist dann doch ein bisschen viel.“ Sie wirkte ein wenig eingeschüchtert, doch Bellemere war die Ruhe weg. Mit einem Satz zog sie sich auf den Fenstersims, nahm den Aschenbecher, der sich dort immer befand und ließ sich wieder fallen. „Ich wusste gar nicht, dass der Koch die Marke gewechselt hat“, kommentierte sie lediglich, als sie einen Blick in den Becher warf. Conis hob dabei die Vase vom Boden auf, um zu sehen, ob alles in Ordnung damit war. Die Vase selbst war aus hartem Holz geschnitzt und mit einer dicken Schicht aus Lack bedeckt. Auf ihr war ein eigenartiges Motiv aus Ornamenten, Blumen und altertümlichen Menschenabbildungen. Bis auf eine Person im Schloss mochte keiner diese Vase. „Sie sieht noch ganz in Ordnung aus, würde ich sagen.“ „Ach, du kannst ruhig sagen, was du gerade in deinem hübschen Köpfchen denkst. Das olle Ding ist pottenhässlich. Und wie ich es kenne, hat es nicht mal einen kleinen Kratzer abbekommen. Die geht nicht so schnell kaputt – leider. Dich und mich, sogar unsere Urenkel würde diese Scheußlichkeit überleben. Sogar Hancock kann sie überhaupt nicht leiden!“ Das ließ die junge Blondine aufhorchen. „Aber wenn die Prinzessin die Vase nicht mag, warum hat sie sie dann nicht entsorgt oder zumindest in einen anderen Raum gestellt, wo sie sie nicht mehr sehen muss?“ Langsam pustete sie den Rauch aus, ein wohltuendes Gefühl breitete sich in ihrem Inneren aus. Gleichzeitig erinnerte sie sich an so manchen Vorfall rund um die Vase. „Du warst ja zu der Zeit noch nicht bei uns eingestellt, als sie all das und mehr versucht hat. Glaub mir, jeder hätte sie mit Freude in einen Vulkan geworfen, wäre da nicht unsere Alt-Königin gewesen. Regelmäßig lagen sich die beiden deswegen in den Haaren. Die Prinzessin wollte die Vase wegwerfen, aber Gloriosa meinte dazu nur: Kind! Wie kannst du nur daran denken?! Das ist ein sehr wichtiges Familienerbstück, seit Generationen im Familienbesitz, irgendein Vorfahr vor viel zu vielen Jahren hat das Ding selbst gemacht, bla bla bla … Du hättest sie mal hören sollen, sie hat jedes einzelne Mal einen Riesenvortrag darüber gehalten. Wäre es eine schöne Vase, könne ich das wenigstens noch nachvollziehen. Aber nur weil der Typ kein Talent hatte, müssen wir Generationen später darunter leiden.“ Sie nahm sich die paar Minuten, die sie für ihre Zigarette brauchte; dann drückte sie den fast vollständig abgebrannten Stummel im Aschenbecher aus. „Los, komm, bringen wir das Ding lieber rein, bevor Gloriosa uns auch noch anschreien möchte. Dann müssen wir noch jemanden für die kaputte Scheibe holen“, sagte Bellemere und nahm ihr die Vase ab. „Denk daran, anschließend die Scherben hier einzusammeln. Nimm am besten die dicken Handschuhe des Schwertkämpfers, damit du dich dabei nicht schneidest. Er wird sicher nichts dagegen haben, wenn du sie dir kurz borgst.“ „Werde ich machen!“ Conis nickte und folgte ihrer Kollegin, mit den Heckenscheren in den Armen, zurück ins Gebäude.   Hancock ahnte von dem ganzen Vorfall noch nichts. Sie schlenderte durch die nahegelegene Stadt, sah sich sogar in einigen Läden um, ohne dabei etwas zu kaufen (trotz, dass ihr die Angestellten mittels spontan aufgestellten Rabattschildern einen ordentlichen Prinzessinnen-Nachlass geben wollten). Vielmehr wollte sie sich ablenken und auf andere Gedanken kommen. Doch als sie merkte, das ihr das nicht gelang, ließ sie den Abend immer und immer wieder Revue passieren. So sehr sie es sich einreden wollte, kann sie den Abend nicht als sicheren Erfolg verbuchen. Stattdessen brachte sie das noch tiefer in den Teufelskreis des Grübelns. Offensichtlich kann oder will er es nicht verstehen. Ein letztes Mal versuche ich es noch so, dann werde ich wohl härtere Geschütze auffahren müssen ...   Sie war so vertieft in ihre Gedankenwelt, dass sie nicht wirklich mitbekam, wohin sie ging. An einer Kreuzung sah sie sich geistesabwesend um, entschied sich dann die kleine Steinbrücke zu überqueren. Sie dachte, sie wäre hier in der Gegend wieder mutterseelenallein. Dass sie sich irrte, merke sie erst, als jemand Kopf voraus in sie hineinlief und sie zu Boden riss. Einige Herzschläge lang versuchte sie, das Geschehene im Bewusstsein zu erarbeiten und zu verstehen, was gerade passiert ist. Irgendein Kopf hatte ihr gerade einen leichten Schlag in die Magengrube verpasst. Nun lag sie auf dem Boden, mit irgendwas oder irgendwem auf ihr drauf. Was war das? Ein Unfall? Ein geplanter Angriff? Ein Attentat? Mit einer Mischung aus Wut, Angst und Neugierde öffnete sie die Augen und blickte auf sich herab. Auf ihr lag ein junger Mann (ganz offensichtlich kleiner als sie), der sich gerade verwirrt den Kopf rieb. … ein Mann … Hancocks Miene verhärtete sich, und sie wollte gerade in einem harschen Ton nachfragen, was ihm einfiele, einfach so in andere Leute hineinzulaufen, als er ihr verbal zuvorkam. „Entschuldigung, ich habe es nur eilig gehabt“, sagte er mit einer fröhlich-lockeren Stimme und grinste sie an. Er machte den Eindruck, als hätte er damit alles gesagt, was in seinen Augen dazu gesagt werden musste. Hancock rollte genervt mit den Augen. „Das … habe ich gemerkt … könnten Sie nun bitte von mir runtergehen?“, sagte sie genervt und strafte ihn mit bitteren Blicken. Der Fremde kam der Aufforderung nach und reichte ihr die Hand. Hancock ging nicht auf sein Angebot ein und klopfte sich den Staub von der Kleidung. „Sorry nochmal, ich hoffe, ich habe dir nicht wehgetan …“, dabei verbeugte er sich schuldbewusst. Als er sich wieder aufrichtete, riss er erschrocken die Augen auf. „Oh nein, was habe ich getan?“ „Wie bitte?“, erschrak Hancock und sah ebenfalls dorthin, wo er sie wenige Minuten vorher getroffen hatte. Doch es war nichts zu erkennen. „Oh nein, ich habe dich anscheinend so heftig getroffen, dass du da jetzt nackt bist!“, stammelte er aufgeregt. Das kann doch nicht sein Ernst sein?! Und da duzt der Kerl mich auch noch … was erlaubt er sich? Die Hände in die Hüfte gestemmt, sah sie ihn musternd an. Doch er sah nicht aus, als würde er sie veräppeln wollen. Der Junge meinte das, was er gerade gesagt hatte, vollkommen ernst. „Nein, das gehört so, ich bin schon den ganzen Tag Bauchfrei unterwegs. Wenn Sie mich nun entschuldigen …“   Sie drehte sich um und wollte ihren unbestimmten Weg fortsetzen, als sich in Ruffys Kopf sämtliche Zahnräder in Bewegung setzten. Nach wenigen Sekunden machte es Klick bei ihm und er wusste nun wieder, warum ihm das Gesicht der Frau so seltsam vertraut vorkam. „Hey, du da!“, rief er ihr hinterher. Hey, du da? Weiß der denn nicht, mit wem du sprichst? Überrumpelt von dieser gestiegenen Respektlosigkeit blieb sie stehen, wandte ihm jedoch weiterhin den Rücken zu. „Was für ein Zufall! Ich dachte mir doch schon, dass ich dich irgendwoher kenne, und mir ist jetzt auch wieder eingefallen, woher!“ Seufzend und vollkommen genervt drehte sie sich zu dem Fremden um. Sie wusste schon ganz genau, wie es nun weiter ablaufen würde: Er würde ganz erstaunt von sich geben, dass sie die Prinzessin sei, ihr seine Seele und ewige Treue anbieten und ihr auf über 9000 Arten bekunden, wie wunderbar sie war. Hancock ödete es an, hatte dieses Verhalten mehr als satt. Sie ließ es immer wieder über sich ergehen (wenn sie die Bürger unterbrechen wollte, verlängerten sie das Ganze nur) und ließ sie dann meist wortlos stehen. Warum sie überhaupt noch stehen blieb und nicht einfach weiterging, war ihr selbst unklar. Hoffte sie darauf, dass es ein einziges Mal anders sein würde? Sie wusste es nicht.   Der junge Mann lachte immer noch, er freute sich offenbar sie wieder zu sehen. „So, dir ist also eingefallen, wer ich bin. Los, erzählt, ich bin mal gespannt.“ Der Ton ihrer Stimme sprach aber eine ganz andere Sprache als es ihre Worte taten. In Gedanken ging sie alle Arten von Dialogen die sie bisher darüber geführt hatte und fragte sich, was sie davon zu hören bekommen würde. Sie drehte sich zu ihm und wartete seine Antwort ab. Erfreut verschränkte er die Arme an seinem Hinterkopf. „Klar weiß ich wieder, wer du bist. Du bist die schöne Frau, die neulich bei Nami zu Besuch war. Erinnerst du dich noch? Ich habe euch die Pizza geliefert … fandest du sie lecker?“ Hancock, überrascht davon, welchen Weg ihr Gespräch gerade genommen hatte, hatte das Gefühl, als hätte man sie auf eine Bühne gestellt und ihr die Redeunterlagen weggenommen. Kein Wow, du bist die Prinzessin, ich bin einfach nur eine schöne Frau? Dass sie angenehm überrascht war, musste sie sich eingestehen. Doch das ließ sie sich nicht anmerken. Letztlich war es nur ein einfacher Bürger und dazu noch ein junger Mann. Hancock würde ihn bald wieder vergessen haben, allzu großes Interesse zu zeigen erschien ihr daher mehr als überflüssig. „Ja, sie war durchaus gelungen, du kannst dieses Lob gerne an den Koch weitergeben.“ Dabei warf sie ihren Zopf auf eine solche Art und Weise auf den Rücken, dass es nicht nur wenige als eine sehr arrogante Aktion bezeichnen würden. Nicht so Ruffy, er dachte sich solche Dinge nicht. Hancock, die erst jetzt merkte, dass ihr Kopftuch heruntergerutscht war, knautschte es grob in ihrer Hand zusammen. „Hey, wenn du willst, kannst du gerne mal bei uns im Restaurant vorbeisehen. Ich bin mir sicher, als eine Freundin von Vivi und Nami können wir bestimmt den einen oder anderen Rabatt für dich machen!“ Hancock atmete genervt auf. Sie hatte weitaus wichtigere Dinge zu tun, als auf eine weitere Einladung eines wildfremden Mannes einzugehen. Noch dazu hatte sie kein Verlangen danach, sich mit ihm anzufreunden oder ihn überhaupt in ihrem Bekanntenkreis zu wissen. Mit der freien Hand rieb sie sich die Stirn, dann ging sie in ihre übliche Pose. Den Finger auf den jungen Mann zeigend, fragte sie ohne echtes Interesse dahinter: „Junge, wie lautet dein Name?“ Andere hätten jetzt eingeschüchtert reagiert, doch Ruffy beeindruckte ihr Auftritt überhaupt nicht. „Mein Name ist Monkey D. Ruffy, aber du kannst einfach Ruffy zu mir sagen. Und wie lautet dein Name?“   Wort- und fassungslos sah sie ihn an. Ist er wirklich so naiv, dass er so mit mir spricht? Oder hat er einfach nur keine Ahnung? Zwar schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dennoch waren es Fragen, auf die sie keine wirkliche Antwort hören wollte. Was schlicht daran lag, dass es sie nicht interessierte. „Nun gut … Ruffy. Ich will es kurz machen: Nein, ich habe kein Interesse. Auch habe ich nicht die Zeit, mich mit dir noch länger zu unterhalten. Einen schönen Tag noch!“ Ein weiteres Mal drehte sie sich um und ging ruhigen Schrittes davon. „Das macht nichts, wenn du jetzt keine Zeit hast, kannst du gerne wann anders kommen! Sag einfach, dass du über mich kommst. Komm einfach, wenn es bei dir geht!“, rief er ihr nach, doch dieses Mal blieb sie nicht stehen. Er sah ihr nach, bis sie aus seiner Sicht war und legte den Kopf ein wenig schief. Bis ihm einfiel, warum er so beeilen musste. Mist, das hab ich vollkommen vergessen! Herr Buggy wird mir den Kopf abreißen!“  Seinen wertvollen Strohhut an den Kopf gepresst, nahm er die Beine in die Hand und rannte so schnell er konnte die Straße hinunter.   Hancock dachte derweil über ihr Krokodil-Problem nach; die Begegnung gerade eben hatte sie längst in die gedankliche Müllhalde geschoben. Jetzt war sie allerdings zu aufgebracht, um tiefer in ihren Kopf zu versinken, so achtete sie jetzt mehr auf den Weg als vorher. Das Kopftuch wieder auf seinem Platz, ging sie zielstrebig in eiligen Schritten zurück zum Palast. Wo sie bereits von Gloriosa erwartet wurde. „Und, hattest du einen schönen Spaziergang, meine Liebe?“, säuselte sie. Hancock hatte dafür nur ein kurzes Schnauben übrig. „Das sehe ich – und du hast dir ganz schön viel Zeit gelassen. Ich weiß, ich weiß, ich hab kein Recht, mich in deine Freizeitgestaltung einzumischen. Aber du wirst dich freuen, dein zukünftiger Ehemann hat sich in deiner Abwesenheit gemeldet. Es kommt noch besser, er hat uns für morgen zu seinem Anwesen eingeladen. Selbstverständlich werden wir der Einladung nachgehen. Ich habe auch bereits in deinem Namen zugesagt, gleich morgen nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg!“ Hancock sah aus, als hätte sie den Mund voller sauer, eingelegter Pflaumen. Sie sah zu Conis, die hinter Gloriosa stand und ihr schuldvoller Blick sprach Bände. Es war ein „Es tut mir leid, aber ich konnte es nicht verhindern“ – Blick. Gleichzeitig fiel ihr noch etwas anderes ein. Das … nein, ich muss es als Chance sehen. Vielleicht gelingt mir ja dort das, was ich im Restaurant begonnen habe … dennoch, altes Weib, wie konntest du nur?!“ Finster blickte sie auf die Ältere herab, die jedoch nur milde lächelte. „Keine Angst, mein Kind, du hast morgen genug Zeit, um dich schick zu machen. Auch beim Essen werde ich dich nicht drängen.“ Wieder lachte sie; der Prinzessin verging allerdings das Lachen. Sie musste sich mittlerweile sehr anstrengen, um nicht die Fassung zu verlieren. Da Sir Crocodile die direkte Leitung an ihre persönliche Teleschnecke bevorzugte, konnte Hancock sich bereits denken, an welchem Ort ihre Vorfahrin das Telefonat entgegengenommen hatte. „Was … hattest du … bitteschön in meinem Büro verloren?“, brachte sie mühevoll zwischen ihren Zähnen hervor. „Gut, dass du das ansprichst, mein Kind! Das ist etwas, das ich mit dir noch besprechen wollte. Doch vorher sollten wir noch die anderen Beteiligten; Zorro, Sanji und Robin, holen“. Was immer du mir sagen willst, alte Hexe, es wird mit Sicherheit angenehmer sein als das hier, dachte sie und folgte ihr zu ihrem Büro. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)