On the Rise von Votani ================================================================================ IV. Stimmen im Kopf. Vampire. Gebrochene Seelen an Bord. -------------------------------------------------------- 10 Die Neonlichter in der Krankenstation summten. Es war so leise, doch River konnte es hören. Umso mehr sie sich konzentrierte, umso lauter schien es zu werden, durchgehend und einlullend. Es war eine stete Melodie, die sich in ihrem Kopf festsetzte und klare Gedanken verwischte. Sie hinterließ eine Leere, die nur von vertrauten Stimmen begleitet wurde. „Die Blutwerte sind gut“, sagte Simon. „Der Ultraschall auch. Es könnte dem Baby kaum besser gehen. Über die Müdigkeit würde ich mir keine Sorgen machen. Aber ich habe noch ein paar Vitamintabletten, die es ausgleichen sollten.“ River presste sich fester gegen die Wand in ihrem Rücken, die hart und unnachgiebig war. Im Inneren der Krankenstation öffnete Simon derweil eine Schublade und wühlte in ihr herum, obwohl sie alle wussten, dass Simon die ordentlichste Person auf dem Schiff war. Jedenfalls war er um einiges ordentlicher als Jayne, der seine Sachen überall herumliegen ließ und nur die Wand über seinem Bett, die seine Waffen hielt, aufräumte. Und Simon war auch ordentlicher als Shepherd es gewesen war, der stets eine durcheinander geratene Bibel mit sich herumgetragen hatte und River verboten hatte, ihre Korrekturen zu beenden. „Hier“, erklang Simons Stimme erneut. Die Liege gab ein winziges Quietschen ab, als sich Zoe erhob. „Danke, Doktor.“ Kurzzeitig folgte ein Schweigen, in dem das Summen der Lichter lauter denn je wirkte. Vielleicht war es in Wirklichkeit so laut, dass es Simon und Zoes Stimmen verschluckt hatte. Vielleicht redete River gerade selbst, doch auch ihre Worte gingen in dem beständigen Summen unter, welches ihren Kopf mit Watte füllte. Mit offenem Mund richtete River den starren Blick an die Decke des Ganges. „Alles in Ordnung?“, fragte Zoe irgendwo hinter ihr und ihre Frage hing für einige Sekunden unbeantwortet in der Luft. „Ja... Ja... es ist nur... River“, beantwortete Simon schlussendlich. Doch seine Schwester wusste es besser, als auf ihre namentliche Erwähnung zu antworten. Der zögerliche Ton sagte ihr, dass Simon über sie redete, aber nicht mit ihr. Wenn er sie direkt ansprach, waren seine Silben sanfter. Fast so, als würde sie sonst in Tausenden von Glassplittern zerbrechen. Wie sich das wohl anfühlen mochte? Würde sie sich schneiden oder viel eher jemand anderen schneiden? „Sie wirkt unruhiger in den letzten Tagen“, sagte Zoe und Simon stieß ein Seufzen aus. Es war schwer, als hätte ihm jemand die Luft aus der Lunge gedrückt. „Nicht nur das“, erwiderte er. „Sie schläft auch schlechter. Seit wir von Harlan losgeflogen sind, wacht sie oft mitten in der Nacht schweißgebadet auf oder sie redet im Schlaf. Sie isst auch weniger und wirkt allgemein unkonzentrierter. Ich dachte wirklich, dass sich das dauerhaft gebessert hat, nachdem sie die letzten Monate so stabil gewesen ist. Ich hoffe nur, dass wir bald auf der Raumstation ankommen, damit River mal etwas anderes sieht. Vielleicht hilft ihr das.“ „So wie ich das sehe, wird sie nie vollkommen normal sein – wenn ich das so sagen darf. Sie scheint gute und schlechte Tage zu haben.“ Zoe klang nicht allzu besorgt, sondern gefasst und unabhängig und stark. Zoe war eine Kriegerin und das kleine Mädchen in ihren Leib würde ebenfalls eine werden. Dieser Gedanke kam unerwartet in Rivers Kopf geschossen, zeitgleich wusste sie jedoch, dass er richtig war. „Damit hast du wohl recht. Ich wünschte nur, ich könnte ihr helfen“, sagte Simon und sein Ton war weich wie frisch gebackenes Brot, das unter einem blauen Himmel gegessen wurde. River hatte den Geschmack auf der Zunge, während die Decke aus rustikalem Metall sich unendlich weit und blau vor ihr auftat. Sie schloss die Augen, als die Sonne sie zu blenden begann und ihre kühle Haut wärmte. Das Summen der Lichter verwandelte sich in das Zirpen von Grillen und alles in River schrie danach, sich zu bewegen und zu tanzen und tanzen und tanzen. Sie löste sich von der Wand und rannte barfuß den Gang herunter. Sie streckte die Arme aus und nahm zwei Stufen auf einmal, als sie den Laderaum der Serenity erreichte. Sie konnte den Wind auf der Haut spüren, als sie unter dem Lüftungsschacht stehen blieb und sich die Frische in das Gesicht blasen ließ. Das Summen der Lichter sang hier ein anderes Lied. Das Lied zog sie zu den runden Bullaugen hinüber, hinter denen sich die Sterne auftaten. Das All war endlos und weit und die Sterne saßen wie Glühwürmchen in der Ferne und pulsierten mit ihrem Licht. River presste die Hand gegen die kalte Scheibe, als könnte sie hindurchfassen und eines der Glühwürmchen einfangen. Etwas weckte sie urplötzlich aus ihrer Trance und ließ sie herumfahren. Hektisch wanderten Rivers Augen durch den Laderaum, über all die verschiedenen Kisten, über den Rover und das andere Equipment. Doch erst als sie konzentrierter lauschte, vermochte sie den Unterschied wahrzunehmen. Auch hier vermischten sich Stimmen mit dem stetigen Summen, das die Luft erfüllte. Anders als Simons und Zoes waren sie fremd und unverständlich und... verzweifelt. Rivers Hände fanden den Weg an ihre Ohren und pressten sich auf sie, krallten sich in ihr braunes Haar hinein, als wollten sie es ausreißen. Tränen sammelten sich in ihren Augen, denn die Stimmen wollten nicht aufhören, sondern flehten und bettelten und riefen nach jemandem, nach irgendjemandem. Nach ihr. Ein spitzer Schrei entfuhr ihrer Kehle, als sie zu den länglichen Kisten herüberstolperte. Sie taumelte auf sie zu und ließ sich vor ihnen auf die Knie fallen. Den Schmerz, als ihre Finger an dem Holz kratzten und sich Splitter in ihr Fleisch gruben, nahm sie nicht wahr. Es war nicht das Summen, was alles andere wie ein schwarzes Loch verschluckte, sondern die Stimmen, die sich in ihre Ohren, in ihr Gehirn, stahlen. „Warum schlaft ihr? Warum liegt ihr herum?“, schrie sie und hämmerte auf eine der Kisten ein, bevor sie sanft über ihr Holz strich. Im Hintergrund ertönten rasche Schritte, gefolgt von Stimmen, die so lebhaft waren. „Was ist los?“, rief Mal hinter ihr aus. „Was ist passiert?“ „Deine Schwester hat schon wieder einen ihrer Anfälle, Doktor“, presste Jayne harsch hervor und Sekunden später schlangen sich zwei Arme um ihre Schultern. „Ist schon in Ordnung. Beruhige dich“, wisperte Simon in ihr Ohr. Sanft, aber bestimmt wollte man River von den Kisten wegziehen, doch sie kämpfte gegen den Halt ihres Bruders an. „Ihr seid tot, aber ihr seid es nicht.“ Tränen kullerten über Rivers Wangen und tropften von ihrem Kinn, als sie sich mit Leibeskräften an den Kisten festklammerte. „Steht auf! Ihr müsst tanzen! Der Himmel ist viel zu blau, um zu schlafen! Steht doch auf!“ Das Stimmengewirr um sie herum schwoll an, doch es waren nicht die aus den Kisten, die durcheinander redeten und zu dem Durcheinander in Rivers Kopf beitrugen. „Mit wem redet sie?“, fragte Tom atemlos. „Sie redet mit niemandem“, antwortete Inara. Mal schnaubte. „Ich bin mir da nicht so sicher.“ „Was soll das heißen?“ Jayne wieder. „Was redet sie da, Mal? Anderes als wirres Zeug? Blauer Himmel? Tanzen?“ „Vielleicht hast du recht, Sir“, entgegnete Zoe und die Atmosphäre wurde schwerer und schwerer, wie kurz vor einem Regenfall, dessen Geruch man vor dem Fallen des ersten Tropfens wahrnehmen konnte. River presste die Stirn gegen das Holz der Kiste und kniff die Augen zusammen, als jemand (sie selbst!) murmelte und flehte und weinte und kreischte. „Hol das Beruhigungsmittel aus der Krankenstation, Kaylee“, rief Simon, der noch immer an ihr festhielt, als würde sie ihm sonst entrissen werden. Verstand er denn nicht? Warum verstand er bloß nicht? „Okay.“ Schnelle Schritte entfernten sich, stiegen Metallstufen hinauf und verloren sich in dem Trubel. „Wo ist Johnny? Ich will wissen, was sich in den Kisten befindet.“ Für einen Moment übertönte Mal sie alle und riss das Ruder herum, brachte sie alle zum Schweigen. Alle, nur nicht die Fremden, die so nah waren. Nah und gleichzeitig so unantastbar. „Warum schlaft ihr?“, wisperte River und zärtlich fuhren ihre Fingerkuppen über den Rand der Kiste. „Hat jemand gerufen?“ Johnnys Stimme war die tiefste von allen und rau wie Sandpapier. „Was ist los? Ich hab jemanden schreien hören.“ Der Schritt seines dritten Beins erklang dumpf und leblos in Rivers Ohren. „Was los ist? Sie ist wegen der Ladung von dir und deinem Cousin ausgeflippt. Total durchgedreht und—“ „Jayne...“, mahnte Mal, bevor er seine Forderung wiederholte. „Ich will wissen, was sich in den Kisten befindet. Das letzte Mal, als River sich so reizend benommen hat, standen wir auf einem Planeten voller Leichen.“ „Was zum—“ „Es ist wahr“, fuhr Zoe Johnny über den Mund. Ein kurzes Schweigen herrschte, was keines war, denn die Stimmen redeten im Flüsterton auch weiterhin auf River ein - so viele Worte durcheinander, unverständlich und beharrend. Sie alle verlangten gleichermaßen nach Rivers Aufmerksamkeit. Sie kauerte mit tränenverschmiertem Gesicht und zittrigen Händen bei den Kisten, denn egal, was sie sagte, sie wollten nicht auf River hören. Sie wachten nicht auf. Sie tanzten nicht. „Ich... Denkt ihr, Boyd weiht mich in seine Geheimnisse ein? Ha!“, rief Johnny aus. „Ich hab keinen Schimmer, was sich in diesen verflixten Kisten befindet oder was Boyd unbedingt verschiffen wollte. Wenn ich ganz ehrlich sein soll, ist es mir auch egal.“ „Wenn das so ist, dann können wir sie auch öffnen und einfach reinsehen. Oder nicht, Mal?“, schlug Jayne vor. „Ich kann nicht glauben, dass ich das jemals sage, aber... Jayne hat recht.“ Auf Mals Worte folgten weitere Schritte, die sich River und Simon annährten. Ein Klirren ertönte nicht weit entfernt, bevor das Brecheisen bei einer der Kisten ansetzte. Der Kloß in Rivers Hals löste sich im selben Bruchteil der Sekunde. Sie konnte atmen, frei und unbefangen. Ihre blutigen und splitterigen Finger lösten sich vom Holz. Simon nahm sie in die Hand und hielt sie behutsam fest, als ihr Bruder sie zur Seite führte und sie sich nicht gegen ihn wehrte. Ihre Augen blieben jedoch auf die Kisten gerichtet, auf die eine, die Mal öffnete. Niemand redete mehr, weder Serenitys Crew noch die fremden Stimmen in den Boxen. Der Nebel in Rivers Kopf lichtete sich und hinterließ eine Klarheit, die ebenso verwirrend zu akzeptieren war. Simon wischte ihr die Tränen von den Wangen, doch River schob seine Hände mit einem genuschelten „Nicht, Simon“ beiseite. Mit Jaynes Hilfe klappte Mal die Holzkiste auf. Die inzwischen mit der Beruhigungsspritze zurückkehrende Kaylee zog scharf die Luft ein, als sie inmitten des Laderaums zum Stehen kam. Erst nach und nach zog sich der Kreis um die Kisten enger, bis sie alle auf den eingefrorenen Mann heruntersahen, der dort in einer Truhe lag. Das Glas war beschlagen, doch man konnte sein bleiches Gesicht erkennen, ebenso wie das weißblonde Haar. „Was zum Teufel... Schon wieder tiefgefrorene Menschen. In den anderen garantiert auch.“ Jayne war der erste, der die Sprache wiederfand. „Sind das auch irgendwelche Geschwister von dir, an denen die Allianz herumexperimentiert hat?“ „N-Nein“, versicherte ihm Simon. „Ich kenne ihn nicht.“ Mal nahm abermals das Brecheisen in die Hand, um auch die restlichen Kisten aufzubrechen. Auch sie enthielten drei weitere Personen: zwei junge Frauen und einen weiteren Mann mit dunklem Haar. „Johnny—“, begann Mal, doch er beendete seinen Satz nicht. River entzog sich Simons Armen mit einer Geschwindigkeit, durch die selbst ihr wuselig im Kopf wurde, als sie auf die Truhen zustolperte. Ihr Finger fand den richtigen Knopf auf jedem einzelnen Kontrollpad durch Instinkt. Es war eines dieser Dinge, die sie einfach wusste. Ein Zischen nach dem anderen erfüllte den Bauch der Serenity, als die Truhen sich öffneten und ihnen eiskalte Luft entwich. „Ich bin der einzige, der ein schlechtes Gefühl hierbei hat?“ „Nein, Sir“, erwiderte Zoe und River sah alle anderen zustimmend den Kopf schütteln.   11 Ein Lachen wollte sich den Weg aus Johnnys Kehle bahnen, doch er presste die Lippen fest aufeinander, um es zu unterdrücken. Die anderen würden es falsch auffassen. Sie waren auch schon so bereit gewesen, ihm die Schuld in die Schuhe zu schieben – und wer konnte sagen, was sie mit Leuten taten, von denen sie der Meinung waren, sie hätten sie hintergangen. Doch auch für das verstärkte Misstrauen durfte sich Johnny bei seinem geliebten Cousin bedanken. Vermutlich hätte er diese Wendung kommen sehen müssen, denn immerhin wusste er, dass man Boyd nicht vertrauen konnte. Dass er mit seinen Worten und seinem Charme wunderbar andere um den Finger wickeln konnte, aber letztendlich nur in seine eigene Tasche arbeitete. Andere wurden benutzt und wie ein dreckiges Tuch weggeworfen, da sie nicht mehr würdig waren, sich in Boyds Anwesenheit zu befinden. In der Anwesenheit seines Cousins, der vor einem Jahr noch Gott gefunden und ihnen die Bibel gepredigt hatte, nun jedoch tiefgekühlte Menschen per Luftpost verschickte. Ein freudloses Lächeln huschte gegen Johnnys Willen über sein Gesicht, als das Zischen der entweichenden Luft aus den Truhen leiser wurde und gänzlich verebbte. Stille herrschte unter ihnen. Überraschender Weise war der Doktor der erste, der sich aus seiner Starre löste. Mit langsamen Schritten näherte er sich den Kisten an und öffnete die Glasscheibe der ersten. Seine Finger legten sich an den Hals des Mannes mit den weißblonden Haaren. „Er ist tot“, fasste Simon zusammen. „Er hat keinen P—“ Im selben Augenblick, in dem diese Worte seinen Mund verließen, fuhr der Mann hoch und packte Simons Handgelenk. Die Mechanikerin stieß einen Schrei aus, während Mal, Zoe, Jayne und Tom nach ihren Waffen griffen. Vier Sicherungen wurden gleichzeitig gelöst, als der Kerl sich auf Simon warf. Krachend gingen sie zu Boden und wälzten sich über ihn, bevor der Fremde sich an den Kopf fasste und ächzend zur Seite fiel. „Argh, verdammt!“, entwich es ihm zischend und er presste die Stirn gegen den Stahlboden. „Was ist das? Was habt ihr mit mir angestellt?“ Rücklings krabbelte Simon von ihm weg, bis Inara und Kaylee ihm auf die Beine halfen. „W-W-Was...“ „Was zum Teufel geht hier vor?“, beendete Mal für Simon, den Revolver auch auf den Fremden gerichtet, der sich weiterhin den Kopf hielt. „Hat jemand auf ihn geschossen und ich hab’s nicht mitbekommen?“ Er blickte sich in der Runde um, doch die Gesichter der anderen spiegelten dieselbe Verwirrung wider. Auch Johnny hatte keinen Schuss gehört, denn es war keiner gefallen. Nach einigen Minuten schien der Schmerz im Schädel ihres Gegenübers abgeklungen, zumindest setzte er sich mit schweren Gliedern auf. Sein schwarzer Mantel war halb von einer Schulter gerutscht und das knochige Gesicht sah finster drein, als er seine Umgebung musterte. „Wo bin ich? Das hier sieht aus wie eine Sardinenschachtel – und es riecht auch so“, sagte er abfällig, als hätte er nicht soeben versucht, einen von ihnen anzugreifen. „Du hattest keinen Puls...“, presste Simon atemlos hervor und hielt sich an Inara und Kaylee fest, die ihn noch immer stützten. So bleich wie der junge Arzt geworden war, lag es jedoch nicht fern, dass er gleich erneut Bekanntschaft mit dem Boden machen würde. „Du... du bist klinisch tot.“ Der blonde Mann sah ihn unbekümmert an und klopfte sich den Dreck von den Kleidern. „Ach, bin ich das?“ Mit einem Ächzen kam er auf die Beine und beäugte die Pistolen- und Gewehrläufe, die auf seine Person zielten. „Es wäre nett, wenn ihr eure Spielzeuge in eine andere Richtung deuten würdet.“ „Du bist auf meinem Schiff und jemand, der meine Crew angreift, ist der letzte, der Forderungen stellen kann“, merkte Mal mit zusammengezogenen Brauen an. „Wer bist du?“ „Spike.“ Jayne schob sich einen Schritt nach vorn, Vera im Anschlag. „Spike wer?“ „Spike Spike“, erwiderte Spike, nachdem er Jayne von Kopf bis Fuß mit einem desinteressierten Blick bedacht hatte. „Aber was hast du in der Kiste gemacht?“, fragte Kaylee und Spike verdrehte die Augen. „Woher soll ich das wissen? Das letzte, an was ich mich erinnere, ist dass ich mich um meine eigenen Angelegenheiten gekümmert hab. Mehr oder weniger zumindest. Eigentlich waren es eher die Angelegenheiten der Slayer“, erklärte Spike, wobei er im selben Augenblick die anderen Truhen entdeckte, die ebenfalls Personen enthielten. „Ach nein, euch hat es also auch getroffen...“ „Was ist ein Slayer?“, wollte Zoe wissen, während Johnny die entscheidende Frage stellte, auf die keiner dieser Tölpel zu kommen schien. „Wer hat euch erwischt?“, fragte er. „Hab ich hinten Augen im Kopf?“, gab Spike zurück und drehte ihnen besagten Hinterkopf kurzzeitig zu. Blicke wurden ausgetauscht und er stieß einen langen Seufzer aus, der von Ungeduld sprach. Johnny kannte dieses Gefühl gut. Ein Hämmern war hinter ihnen zu hören und allesamt fuhren herum. Eine der Frauen war aufgewacht, die Augen vor Schreck geweitet, als sie gegen das Glas hämmerte. Mal gab Zoe mit einem Wink zu bedeuten, dass sie auf Spike achten sollte, als er sich der Kiste annährte und mit erhobenem Revolver langsam die zweite Truhe öffnete. Anders als Spike ging sie nicht auf den Captain der Serenity los, sondern setzte sich nur langsam auf. Ihr blondes Haar wallte ihr über die Schultern und sie erhob die Hände in unschuldiger Manier. „Ich... Bitte nicht schießen?“, entwich es ihr kleinlaut. „Wo sind wir? Was ist passiert?“ Flüchtig sah sie sich um,  doch ihr Gesicht spiegelte dieselbe Orientierungslosigkeit wider, wie auch Spikes zuvor, nur hatte dieser sich schneller gefangen. Was hatte Boyd da am Laufen? Wer waren diese Leute? Das kam Johnny doch alles etwas merkwürdig vor und sein Bauchgefühl sagte ihm, dass er die Antworten auf diese Fragen nicht mögen würde. „Wer seid ihr?“, fragte sie weiter, als sie die fremden Gesichter musterte. „Die sind alle hier sehr sparsam mit ihren Informationen, Liebes“, bemerkte Spike. „Die wissen nicht mal, was ein Slayer ist.“ „Spike“, stieß sie überrascht aus. Mal wedelte mit dem Revolver in seiner Hand, um die Aufmerksamkeit der jungen Dame auf seine Person zu lenken. „Ich bin Mal und ich würde jetzt sehr gern wissen, wer du bist und wo ihr verdammt noch mal herkommt.“ „I-Ich bin Buffy Summers“, stellte sich die junge Frau vor, blieb jedoch in der Truhe sitzen. Fast so, als hätte sie Angst, Mal würde sie erschießen, wenn sie eine falsche Bewegung machte. Das bezweifelte Johnny jedoch. Mal war weich wie Butter in der Sonne. Das hatte er bewiesen, als er sich für einen nichtsnutzigen Kerl wie Tom Paris auf einen Deal mit Boyd eingelassen hatte. „Ich... wir wurden angegriffen“, erzählte Buffy und runzelte die Stirn, als sie versuchte sich zu erinnern. „Von irgendwas Elektronischem. Wahrscheinlich von der Initiative.“ Sie redete so leise, dass es den Eindruck machte, als würde sie mit sich selbst sprechen, anstatt mit Mal. Ihr Finger tippte gegen ihr Kinn. „Es muss die Initiative gewesen sein. Niemand anderes benutzt diese Art von Waffen. Giles weiß bestimmt mehr.“ Abrupt sah sie auf und starrte Mal an. „Ich muss mit Giles sprechen! Wo ist er?“ Doch Mal zuckte mit den Schultern, bevor er einen Schlenker mit dem Revolver zu den letzten beiden Kisten machte. „Vielleicht in einer der anderen Truhen? Wenn nicht, dann ist er definitiv nicht an Bord.“ Buffy drehte den Kopf, bevor sie sich umständlich erhob und aus ihrem bisherigen Gefängnis kletterte. Ihre Schritte waren unsicher und Tom packte ihren Oberarm, als sie gefährlich wankte. „Vorsicht...“, murmelte er, doch sie hörte ihm nicht zu, sondern taumelte nur auf die anderen Truhen zu. Die Scheiben waren durch die Temperaturunterschiede beschlagen und Buffy wischte mit der flachen Hand über das Glas. Sie zog scharf die Luft ein, als sie in das schlafende Gesicht der zweiten Frau schaute. „Faith...“ Anders als Buffys waren ihr Gesichtszüge runder und ihr Haar ein dunkler Braunton. Rasch wandte Buffy sich wieder der Crew zu. „Ihr dürft sie nicht rauslassen, wenn sie aufwacht. Sie ist unberechenbar. Nicht einmal ich weiß, wie sie anfangs reagieren wird.“ „Sie ist wütend“, flüsterte River, die unbeteiligt daneben stand. Ihre Hände hingen locker an ihren Seiten herunter und sie legte den Kopf schief, als sie Faith mit starrem Blick betrachtete. Von ihrer vorigen Hysterie war nichts mehr zu entdecken. „Sie... hasst.“ „Das klingt ja berauschend“, murmelte Mal und sah sich im Lagerraum um. „Jayne, hol ein – nein, zwei oder am besten gleich drei – Seile, damit wir unsere blinden Passagiere erst einmal dingfest machen können.“ Jayne musterte grimmig die Kisten und zählte sie mit den Fingern nach. „Sind es nicht vier?“ „Jayne, mach einfach, was ich sage.“ Als Jayne grummelnd dem Befehl nachkam, trat Zoe zu Mal herüber, ihre Schrotflinte auch weiterhin auf den Kerl mit den weißblonden Haaren gerichtet. „Du willst das Mädchen nicht fesseln?“, fragte sie so leise, dass Johnny es kaum verstand. „Für mich macht sie bisher den einzig vernünftigen Eindruck“, erwiderte Mal und sah zu Spike herüber, der ihnen ein falsches Grinsen schenkte. Johnny musste Mal in diesem Fall gedanklich zustimmen. Wenigstens war er an einen Captain geraten, der so etwas wie Grips besaß. Es blieb zu hoffen, dass er genügend hatte, um zu begreifen, dass Johnny selbst ebenfalls ein Opfer und kein Täter in dieser Sache war. Jayne kehrte mit dem Seil zurück und die Lockerheit verschwand aus Spikes Gesicht. Seine Haltung veränderte sich, erinnerte Johnny an die eines Raubtieres. Bevor er jedoch zum Angriff übergehen konnte, schlug er erneut eine Hand gegen die Stirn. Schmerz zeigte sich auf seinem blassen Gesicht und Jayne nutzte den Moment der Schwäche aus, um seine Hände zu fesseln. „Wunderbar“, bemerkte Spike atemlos, als er sich wieder unter Kontrolle hatte. „Warum habt ihr mich nicht gleich in der Kiste da gelassen. Da hab ich wenigstens nicht mitbekommen, dass ich gefangen gewesen bin. Und was habt ihr nun – hey, hört mir überhaupt jemand zu!?“ „Beeilt euch“, wies Buffy an und nahm Jayne eines der Seile ab, um Faith selbst fesseln zu können. Johnny beobachtete sie dabei. So hatte man die Gefangenen gern. Sie verrieten ihre Freunde und Bekannte und halfen einem noch dabei, sie unschädlich zu machen. Fest wurde das Seil um die kräftigen Handgelenke der anderen Frau geschnürt, die noch immer bewusstlos in ihrem eisigen Gefängnis lag. Anstatt sie herauszuholen, schloss Buffy die Glasscheibe wieder, bevor sie sich erhob. „Puh!“, stieß sie aus und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Das wäre erledigt.“ „Ganz so vorbei ist es noch nicht“, bemerkte Mal, der noch immer die Pistole auf sie gerichtet hatte. „Erst einmal erklärst du uns, was passiert ist und warum euch jemand tiefgefroren verschickt.“ Buffy öffnete den Mund, doch Jaynes Schrei unterbrach sie. Der Mann in der letzten Kiste, die er soeben geöffnet hatte, war erwacht. Seine Arme hatten sich um Jaynes Schultern geschlungen, ehe er ihm die Hände hatte abbinden können. Seine Stirn war seltsam verformt und die überlangen Fangzähne schlug er fauchend ins Jaynes Hals. Dieser versuchte ihn wegzudrücken, als ein weiterer Schrei seiner Kehle entfuhr. Bevor einer der Umstehenden reagieren konnte, überbrückte Buffy den Abstand zu den zwei Männern. Sie packte beide an den Schultern und riss sie auseinander. Jayne fiel nach hinten, die Hand auf den blutigen Hals gepresst, während der Fremde mit einem Kinnhaken von Buffy zurück nach hinten in die Truhe fiel. „Sargform hat es ja schon mal“, presste sie hervor, als sie den Glasdeckel zuschlug und sich auf ihn setzte, um das Entkommen des Monsters zu verhindern. Ihr Blick wanderte zu Johnny und den anderen. „Hallo? Wie wäre es mal mit etwas Spitzem?“ „Etwas Spitzem?“, erkundigte sich Mal und hob die Brauen. „Ja? Einem Pflock? Um den bösen Vampir zu töten?“ Zögerlich zog Kaylee den Schraubenschlüssel aus einer tiefen Tasche ihres Anzugs und reichte ihn Buffy mit bebenden Fingern. „S-Sowas zum Beispiel?“ Buffy wandte ihn in der Hand hin und her, ehe sie mit den Schultern zucken. „Das sollte es auch tun.“ Sie stieg von der Truhe herunter, öffnete sie und schlug dem Mann den Schraubenschlüssel unzeremoniell ins Herz. Kaylee schlug die Hände vor die Augen, um es nicht mit anzusehen, während alle anderen dem Geschehnis beiwohnten. Die Haut des Mannes verdunkelte sich zunehmend und begann zu bröckeln, bis er letztendlich mit einem Ächzen zu Staub zerfiel.   12 „Was ist gerade passiert?“, entfuhr es Mal und er fuchtelte mit dem Revolver zwischen Buffy und dem Haufen Asche hin und her, der in die Truhe zurückgefallen war. „E-Er hat einfach Puff gemacht und ist verschwunden“, wisperte Kaylee, die inzwischen die Hände wieder von den Augen genommen hatte. Ein Beben unterlag ihnen noch immer, welches ihren gesamten Körper in Besitz nahm. Hinter ihnen ließ Spike ein Schnauben vernehmen. „Er hat Puff gemacht, weil Buffy ihm dieses Ding ins Herz gerammt hat. Was erwartet ihr da, huh?“ Die Genannte sah von einem zum anderen. „Ich weiß, es ist schwer zu begreifen, aber das war ein Vampir.“ Als das Unverständnis nicht aus den Gesichtern der Anwesenden verschwand, fuhr Buffy mit langsamer Stimme fort. „Vampire... schlecht.“ Sie erhob sich aus ihrer gebückten Haltung und Kaylee schrak instinktiv einige Schritte zurück. Derweil kam vom Boden ein Stöhnen und Simon ging neben Jayne auf die Knie, um sich die Wunde an seinem Hals anzuschauen. Über seine Schulter hinweg konnte Kaylee die zwei Einstichstellen erkennen, aus denen das Blut sickerte. „Ich muss die Wunden behandeln“, erklärte Simon, wandte sich jedoch zunächst Buffy zu. „Er... wird sich aber nicht in einen du-weißt-schon verwandeln, oder?“ Buffys Gesichtsausdruck wurde sanft. „Nein, keine Sorge. Dafür ist mehr als ein einfacher Biss nötig.“ „Tom, hilf Jayne in die Krankenstation“, befahl Mal und der blonde Pilot zog Jayne unelegant auf die Beine. Gemeinsam mit Simon torkelten sie die Stufen hoch und verschwanden im Gang, bevor sich Mal Spike zuwandte. „Bist du auch so einer? Ein Vampir?“ Spike hob eine Augenbraue. „Was, wenn ich es bin?“ „Dann“, begann Mal, zögerte jedoch für den Bruchteil einer Sekunde, „kann du wahrscheinlich Bekanntschaft mit der Luke da vorn machen, die dich direkt ins All saugen wird.“ „Macht euch keine Sorgen um Spike“, bemerkte Buffy nonchalant und zuckte mit den Schultern. „Bellende Hund beißen nicht. Zumindest Spike tut es nicht mehr.“ „Hey! Was soll das heißen?“, entfuhr es Spike. „Es soll heißen, dass ich mich nicht mehr an besonders viel erinnern kann, aber daran, dass die Agenten irgendwas von einem Chip erzählt haben, den sie dir eingepflanzt haben“, erklärte Buffy und ein siegreiches Lächeln huschte über ihre Züge. „Der soll dich davon abhalten, jemandem Schaden zufügen zu wollen. Wenn du mich fragst, ist das das einzig Gute, was die Initiative jemals getan hat.“ „Du!“ Spike schnellte vor und wollte sich auf sie werfen, sackte auf halbem Weg zu Buffy jedoch mit einem Keuchen auf die Knie. Abermals waren seine gefesselten Hände gegen seine Stirn gepresst. „Seht ihr“, sagte Buffy zu Mal, Zoe, Kaylee, Johnny, Inara und River, welche dem kleinen Spektakel beiwohnten. „Praktisch“, erwiderte Mal und nickte nachdenklich. „Ein Vampir-Maulkorb“, fasste Zoe zusammen. Erst jetzt erlaubte sie es sich, ihre Schrotflinte zu senken. „Wenn er ein Vampir ist“, begann Kaylee schließlich und deutete mit dem Finger auf den ächzenden Spike in ihrer Mitte, „ist er dann ein Jiang Shi?“ Die Legenden um die Jiang Shi waren nicht allzu weit verbreitet und bis vor ein paar Jahren hätte Kaylee mit diesem chinesischen Mythos ebenfalls nichts anfangen können. Allerdings erzählten sie in Tavernen gern Schauermärchen am Abend, besonders wenn es draußen stürmte und der Wind heulend durch jede Ritze fuhr. Es hatte Kaylee schon oft schlaflose Nächte bereitet, wie damals, als River diese Männer erschossen hatte, ohne hinzusehen. Es waren die kleinen Dinge, die Kaylee erschreckten. „Wenn ja, ich hab gehört, wie man sie abwehren kann. Man muss einen besonderen Zauberspruch auf ein dünnes Blatt Papier schreiben. Mit dem Blut eines Hühnchens.“ Noch während Kaylee das sagte, stellten sich die feinen Härchen in ihrem Nacken auf, wenn sie an das arme Tierchen dachte, welches sie schlachten müssten. „Und dann klebt man ihn dem Jiang Shi auf die Stirn.“ Auf dem irritierten Blick ihres Captains hin, hing Kaylee ein „Was?“ heran. „Das ist widerlich.“ Buffy legte Kaylee eine Hand auf den Arm, als sie ihr den Schraubenschlüssel zurückreichte. Ihre Geste war sanft und beruhigend. „Keine Sorge. Spike ist kein Jiang Shi. Ein Pflock oder etwas anderes Scharfkantiges genügt aus, um sie zu erledigen. Wie der Kerl in der Kiste eben. Danach braucht man sie nur noch auffegen.“ „Gott sei Dank...“, stieß Kaylee aus. „Wie dem auch sei“, bemerkte Inara und starrte abwertend auf den am Boden knienden Vampir herunter, der finster dreinschaute. „Chip oder kein Chip, können wir ihn wirklich auf dem Schiff herumlaufen lassen?“ „Ja“, bemerkte Spike langgezogen. „Nein“, korrigierte Mal. Im selben Atemzug zog er Spike auf die Beine und wies Zoe an, ein weiteres Seil zu holen. Gemeinsam mit Buffy im Schlepptau bahnte die Truppe sich den Weg in den Gemeinschaftsraum, in dem Mal Spike auf den nächstbesten (und am weitesten vom Tisch entfernten) Stuhl beförderte. Zoe reichte ihm das Seil und grimmig ließ sich Spike an den Stuhl fesseln. „Autsch?“, entrann es ihm, als Mal fertig war. „Das Seil ist zu eng. Das drückt einem ja jegliche Blutzufuhr ab.“ Buffy hob eine feine Augenbraue. „Welche Blutzufuhr, Spike? Du bist tot.“ „Danke, das hätte ich beinahe vergessen.“ Diesmal war es Kaylee, die Buffys Aufmerksamkeit auf sich zog, indem sie sich zwischen die Frau und den Vampir stellte. „Du hast sicher Hunger. Wenn du willst, wärme ich dir die Reste vom Abendessen auf. Es ist nichts besonderes, aber...“ „Nein, das wäre wunderbar“, lenkte Buffy lächelnd ein. Spike sich selbst überlassend setzten sie sich alle an den langen Tisch, während sie sich untereinander vorstellten und Kaylee den Eintopf von vorhin auf dem Herd erwärmte, ehe sie Buffy das Essen servierte. Sie aß hastig und schnell, als wäre sie dem Verhungern nah und verlangsamte erst ihr Tempo, als sie die Blicke von Mal und den anderen bemerkte. Sie räusperte sich und errötete. „Entschuldigung. Es ist nur...“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Ahnung, wie lange wir dort drin gelegen haben.“ „Es wäre nett, wenn du uns jetzt vielleicht einweihen könntest, wer genau ihr eigentlich seid und warum euch jemand verschickt hat“, bemerkte Mal und auch Kaylee war neugierig, die neben Buffy Platz genommen hatte. Daran, dass ein Bösewicht sie gegen ihren Willen entführt hatte, bestand für Kaylee kein Zweifel mehr. Sie klebte förmlich an den Lippen der anderen Frau, die kaum älter als sie sein konnte. „Nun ja“, begann diese. „Es ist eine lange Geschichte. Wir stammen von Sunnydale. Es ist nur ein kleiner Planet und sagt euch wahrscheinlich nichts. Vor ein paar Wochen haben wir eine ungewöhnliche Aktivität bemerkt und die Initiative ist bei uns herumgeschlichen. Giles – mein Watcher – hat über ein paar alte Kontakte herausbekommen, dass es eine Geheimabteilung der Allianz ist. Sie hat keine Richtlinien, an die sie sich halten muss und sie experimentieren an übernatürlichen Wesen herum. Im Gegensatz zu den meisten wissen sie also auch über Vampire bescheid. Jedenfalls haben sie uns überwältigt und dann bin ich hier aufgewacht. Ich glaube nicht, dass sie uns ebenfalls für Vampire gehalten haben. So dumm sind sie nicht, weshalb ich davon ausgehe, dass sie uns studieren wollten wie irgendwelche Testobjekte.“ Ein Schütteln ging durch Buffys Körper. „So wie bei River...“, flüsterte Kaylee und sah zu dem jungen Mädchen herüber. Dieses hatte es sich auf der Tischplatte bequem gemacht und ließ die Beine unbekümmert baumeln. Ihr langes Haar hing ihr ins Gesicht und verdeckte es. Furcht überkam Kaylee mit einem Mal. Es war unvorstellbar, dass es Menschen gab, denen das Wohlsein anderer so egal war, dass sie skrupellose Experimente an ihnen durchführten. Da konnte sie von Glück sagen, dass sie nur normaler Durchschnitt und auf keiner Weise besonders war. „Wir müssen ihnen helfen, Captain!“, entfuhr es Kaylee mit einem Mal und Mal blinzelte überrascht. „Es würde schon helfen, wenn ihr uns auf dem nächsten Planeten absetzen könntet“, sagte Buffy und legte das Besteck beiseite. Ihre Stimme senkte sich, wurde unsicherer. „Wir haben aber kein Geld, um es wieder gutzumachen.“ Mal und Zoe tauschten Blicke aus, in denen eine stumme Unterhaltung stattfand. Kaylee hatte diese Form der Kommunikation noch nie entziffern können, weshalb sie stattdessen noch etwas Brot für Buffy holte, welche das letzte Stück in die Soße tunkte. „Was ist Sunnydale für ein Planet?“, fragte sie derweil interessiert. „Ein langweiliges Kaff, in dem man mit keinem Pferd durch die Straßen preschen kann, ohne von einem selbsternannten Retter der Welt wie Buffy niedergemäht zu werden“, gab Spike von seinem Stuhl aus von sich und rümpfte die Nase. „Ich schreite nur ein, wenn ein Vampir auf einem Pferd durch die Straßen prescht und irgendein Motiv dafür hat“, konterte Buffy, bevor sie sich Kaylee zuwandte. „Sunnydale ist wirklich klein. Die einzige Stadt befindet sich auf der südlichen Halbkugel, was es ziemlich warm macht. Die Tage sind auch um einiges länger, als auf vielen anderen Planeten. Es ist außerdem der einzige Platz in der Galaxie, der direkt auf dem Hellmouth liegt.“ Kaylee ließ sich wieder neben ihr am Tisch nieder und reichte ihr die Scheibe Brot. „Was ist ein Hellmouth? Es klingt jedenfalls nicht sehr friedlich.“ „Der Hellmouth ist eigentlich nur eine Stelle, an der die Barriere zwischen den Dimensionen schwach ist“, erzählte Buffy in einem Ton, der davon sprach, dass das für sie nichts Ungewöhnliches war. „Deswegen lockt es Vampire und so an, weil es praktisch ein Portal in die Höllen-Dimensionen ist und die Magie von dort—“ „Warte! Was?“ Johnny, der abseits der anderen saß, lehnte sich vor. Sein Blick lag auf Malcolm Reynolds. „Das Mädchen hat offensichtlich ein bisschen zu viel Fantasie, Mal. Diese Märchen wirst du ihr doch wohl kaum abkaufen, oder?“ „Nun ja...“ Mal ließ sich Zeit mit dem Antworten, obwohl sich Kaylee fragte, was es da zu überlegen gab. Immerhin hatten sie alle gesehen, wie der Kerl Jayne gebissen hatte und mit dem Schraubenschlüssel durchs Herz (ein Gedanke, bei dem es ihr immer noch eiskalt den Rücken herunterlief) zu Asche zerfallen war. War das nicht Beweis genug? Kaylee reichte das jedenfalls aus. „Ich weiß, es klingt alles verrückt“, lenkte Buffy ein, als sie den leeren Teller beiseite schob, „aber das macht es nicht weniger wahr. Ich meine, ich habe keinen Grund, euch anzulügen. Ihr habt mich gerettet. Uns, ihr habt uns gerettet.“ „Also ich neige dazu, den Worten dieses Mädchens zu vertrauen“, erwiderte Zoe und nippte an dem Teebecher, den sie sich soeben eingeschenkt hatte. „Und ich vertraue Zoe, dass sie Lügen besser durchschauen kann, als ich“, fügte Mal hinzu. „Allerdings kann ich mir auch vorstellen, dass du wirklich nichts von der Ladung gewusst hast.“ Ihr Captain zuckte mit den Schultern. „Seit meiner letzten Begegnung mit Boyd mögen ein paar Jahre vergangen sein, aber das bedeutet nicht, dass ich ihn nicht kenne. Dass ich nicht weiß, wie er seine Geschäfte macht. Dabei brauch ich nicht einmal wissen, warum ihr so freundlich zueinander seid.“ Diese Antwort ließ Johnny die Zähne knirschend aufeinander beißen. Auch seine Finger festigten sich um seinen Gehstock. Sagen tat er nichts, doch Kaylee konnte auch so sehen, dass Mal einen wunden Punkt getroffen hatte. Obwohl ihr Johnny bisher suspekt gewesen war, wallte unwillkürlich ein Deut Mitleid für diesen Mann in ihr auf. Sie vertrieb diesen Gedanken mit einem Kopfschütteln, als sie sich erhob. „Es ist spät“, verkündete sie. „Da wir Buffy vertrauen, können wir den Rest ruhig auf Morgen vertagen oder nicht? Blondi und das andere Mädchen gehen ja nirgendwohin.“ „Wen nennst du hier Blondi, du—“, zischte Spike, doch seine Worte gingen in der restlichen Unterhaltung unter. „Es ist doch ganz schön spät geworden“, gab Mal zu und nickte. Inara, die bisher allem schweigend gelauscht hatte, schenkte Buffy ein Lächeln. „Kaylee hat recht, du solltest dich ausruhen, Buffy. Du siehst erschöpft aus. Wir haben genug Kajüten frei.“ „Komm, ich zeig dir den Weg“, sagte Kaylee zu Buffy und nahm ihre Hand. Mal, Zoe, Inara und Johnny blieben zusammen mit dem dreckigen Geschirr und einem Schweigen zurück, als die Mechanikerin ihren neuen Gast durch den Gang führte. „Ihr seid alle so nett“, entfuhr es Buffy, als sie die Leiter in eine der Gastkajüten heruntergeklettert waren. Sie saß auf dem weichen Bett und ließ die kräftigen Hände über das Laken wandern, als ihre Augen durch den dekorierten Raum wanderten. Kaylee hatte immer wieder Souvenirs von verschiedenen Planeten in den Kajüten verstreut, um sie wohnlicher und heimischer für ihre zukünftigen Passagiere zu machen. Kaylee lachte leise auf, doch ihr Lachen war bei Buffys Ungläubigkeit von einer Welle von Traurigkeit begleitet. Sie hatte Ähnlichkeit mit dem Gefühl, das sie vor ein paar Minuten noch für Johnny empfunden hatte und war von Instinkt geleitet. Es war lange her, dass sie so viele gebrochene Seelen an Bord gehabt hatten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)