Die Freiheit zu weinen von Xylune (Naruto x Sasuke) ================================================================================ Kapitel 8: Tanz ohne Musik -------------------------- Ereignislose Tage. Verschwendete Stunden. Sakura starrte nachdenklich auf den Abreißkalender, der sie förmlich anschrie, ein weiteres Blatt zu entfernen. Ihr war eindeutig langweilig. Naruto beantwortete seit Tagen keine ihrer versendeten SMS, Ino befand sich im Siebten Himmel mit ihrer neusten, austauschbaren Errungenschaft und Hinata - nun, Sakura konnte sich etwas Spannenderes vorstellen, als physikalische Gesetze zu diskutieren, die junge Frau studierte nämlich Physik. Nicht gerade Sakuras Fachgebiet, sie hatte eher eine pragmatische Entscheidung getroffen und sich für BWL eingeschrieben. Auch kein Fachgebiet, das Sakura tatsächlich gereizt hätte, jedoch musste sie an die Zukunft denken und keine Jahre damit vergeuden, etwas zu studieren, das zwar interessant war, sich aber letztendlich als nutzlos erweisen würde, wenn es um den späteren Einstieg in den Beruf ging. Derzeit hatte sie dennoch nichts zu tun. Absolut gar nichts. Dabei wurde es langsam warm und die feierfreudigen Jugendlichen und Heranwachsenden krochen aus ihrem imaginären Winterschlaf. Zumindest abgesehen von ihrem eigenen Bekanntenkreis. In der Regel konnte man sich zumindest auf Naruto verlassen, aber der war ja nicht erreichbar. Ob es ihm gut ging? Sakura wusste nicht allzu viel über die Familie ihres Freundes, seltsam eigentlich, aber sie hatte auch kaum danach gefragt, da ihr schnell -aufgefallen war, wie unangenehm ihm dieses Thema war. Obwohl sie sich natürlich ihre Gedanken gemacht hatte, was sie zumindest als selbstverständlich erachtete. Sakura seufzte hörbar. Männer träumen doppelt so häufig von Männern als von Frauen. Als er erwachte, versuchte er die Fetzen seines letzten Traumes zu sortieren. Vergeblich. Die meisten Träume vergaß er in dem Moment, in dem er die Augen öffnete. War das nicht der Fall, löste sich der Inhalt spätestens nach wenigen Stunden in Luft auf. Wenn er es nicht notierte. In der Pubertät hatte er sich die Mühe gemacht, einige seiner greifbaren Träume aufzuschreiben. Zumeist waren es recht absurde Geschichten gewesen - wie beispielsweise ein Weihnachtsmarkt in der eigenen Wohnstraße, durch die man im Zeitlupentempo rannte, damit die Pizza nicht kalt wurde, während man ohne Sinn und Verstand einen laufenden Weihnachtsbaum verfolgte. Solche und ähnliche Träume hatte er gehabt. Natürlich auch mit ein wenig ernsteren Hintergründen, wie die Begegnung mit seinem kürzlich verstorbenen Großvater. Außerdem gab es natürlich auch die erotische Variante der Träume, die er nicht einmal versuchen wollte zu deuten. Zu merkwürdig erschienen ihm die Inhalte und Leute, die er dort antraf im Nachhinein. Ein manches Mal erstach oder erschoss man ihn auch in der Traumwelt. Kein sehr angenehmes Gefühl und in der Regel wachte er davon auch sehr schnell wieder auf. Kurzum war Sasuke Uchiha kein Mensch, der sich sorgte, weil er soeben von einer nicht ganz jugendfreien Begegnung mit dem Vater seines ehemaligen Klassenkameraden geträumt hatte. Wirklich nicht. Nicht, dass er daran dachte, es irgendwem zu erzählen. Es gab Dinge im Leben, die man besser für sich behielt - und derartige Träume gehörten eindeutig dazu. Sein Blick streifte die Digitalanzeige seines Weckers. Spät, zu spät. Er würde nicht mehr rechtzeitig bei seinem Onkel auf der Matte stehen. Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, sich zurückfallen zu lassen und einfach liegenzubleiben. Irgendeine imaginäre Stimme in ihm sprach sich jedoch gegen diese Idee aus und er erhob sich schließlich schwerfällig und schlich ins benachbarte Bad, um seine Katzenwäsche über sich zu bringen. Sasuke lauschte angestrengt, nichts war zu hören. Totenstille im gesamten Haus. Niemand war noch hier - bis auf ihn. An sich mochte er diesen Zustand, wenn er sich auch einen Geburtstag erinnerte, der bestimmt sieben oder acht Jahre zurücklag. Damals war er gerade von der Schule gekommen und hatte sofort gemerkt, dass er allein daheim war. Sasuke hatte sich im Flur auf den Boden gesetzt, die Jacke kaum ausgezogen und geheult wie ein Schoßhund. So einsam hatte er sich an diesem Geburtstag in dem Augenblick gefühlt. Heute fiel es ihm schwer, die Empfindungen von damals in Erinnerung zu rufen. Oder die Gründe, die ihn zu dieser Handlung bewegt hatten. Sein träges Gesicht starrte ihn aus müden Augen im Badezimmerspiegel an. "Nichts", dachte er, "nichts kann ich darin lesen". Anschließend griff er sich irgendwelche schwarzgrauen Kleidungsstücke, zog sie an und verließ das Haus. Gleich kam der Bus, den wollte er nicht auch noch verpassen. Obito fixierte das Ziffernblatt der großen Uhr, die er vor Jahren über der Tür seines Buchladens angebracht hatte. Schlicht weiß mit schwarzen Zeigern. Beinahe schon spießig. Sein Neffe kam eindeutig zu spät und er lächelte. Ein Lächeln, das auch nicht abriss, als Sasuke kurze Zeit später durch die Tür in den Laden stolperte und einen mehr als gehetzten Eindruck machte. Schweigend sahen sie einander an. Der schwer atmende Sasuke und Obito, der ihn ruhig und augenscheinlich belustigt anblickte. "Normal sagt man 'Es tut mir Leid, dass ich zu spät bin, aber mein Bus hat die Großmutter von nebenan überfahren, weshalb ich mich verspätet habe' oder so etwas in der Art", sagte Obito schmunzelnd. "Und das glaubst du?", erkundigte sich Sasuke. Er war inzwischen wieder zur Ruhe gekommen. "Nein", erwiderte Obito schlicht, "aber unser Zusammenleben baut auf sinnlosen Floskeln auf, die gut klingen ohne etwas mit den Tatsachen zu tun zu haben." "Ist das nun ein Kompliment oder ein Vorwurf?", fragte Sasuke und stellte seine Tasche im angrenzenden Raum ab. "Wer weiß", antwortete sein Onkel ohne näher darauf einzugehen, "die Neuzugänge liegen bereit, du darfst prüfen ob alles angekommen ist." "Ja", sagte Sasuke schlicht und beendete ihr Gespräch. Einige Stunden später trat Sasuke aus dem Laden auf die Straße hinaus und stellte fest, dass es regnete. Nicht allzu stark, aber spürbar. Von daher machte er sich auch die Mühe, die Kapuze seines Hoodies über den Kopf zu ziehen, bevor er die Hände in den Taschen seines Sweatshirts verschwinden ließ und sich mit langsamen Schritten quer durch die Fußgängerzone in Richtung des Busbahnhofes bewegte. And if we can't find where we belong We'll have to make it on our own Face all the pain and take it on* Die Musik dröhnte in den Kopfhörern, er hielt den Blick auf den Boden gerichtet. Schritt um Schritt. Sasuke sah die Füße der Menschen, die an ihm vorbeirauschten, bedächtige Schritte, schnelle Schritte, hektische Schritte, die von dem Klappern der Absätze auf dem nassen Stein begleitet wurden und schlurfende Schritte. Bis hin zu schwarzgemusterten Chucks, die direkt vor ihm stehenblieben. Er hob seinen Kopf an. Das Gesicht kam ihm bekannt vor. "Sasuke", sagte sein Gegenüber mit einer Stimme, der man weder Freude noch Enttäuschung entnehmen konnte, "was machst du hier?" "Ich gehe nach Hause", erwiderte er tonlos und betrachtete die blonden und inzwischen vollkommen durchnässten Haare skeptisch. Naruto sah ich um und hielt inne, als sein Blick das Schild einer Bäckerei streifte, die über zahlreiche Backwaren wie auch angepriesenen "Coffee2Go" verfügte. Bestimmt konnte man sich dort auch hinsetzen. "Möchtest du einen Kaffee mit mir trinken?", erkundigte sich Naruto daher, beobachtend, wie Sasuke ebenfalls das Schild musterte, kurz nachdachte und schließlich mit einem langsamen Nicken zustimmte. Er hatte schon Lust darauf, nun etwas Warmes zu essen oder zu trinken - und der Regen lud auch nicht gerade zu längeren Spaziergängen ein. So ließen sich beide an einem kleinen Tisch mit sesselartigen Stühlen nieder und Naruto bestellte am Tresen zwei Cappuccini und zwei Stück Käsekuchen, das einzige, was zu dieser schon recht späten Stunde noch verkauft wurde. "Was anderes gab es nicht", sagte er daher, als er den Teller vor Sasuke abstellte und nur ein ergebenes Nicken erntete. Es störte ihn nicht weiter, er mochte Käsekuchen, ab und zu jedenfalls. Die beiden jungen Männern stocherten schweigend in ihrem Stück Kuchen und warteten darauf, dass der Cappuccino ein wenig abkühlte. Eine Verkäuferin, die sie aus der Ferne beobachtete, wunderte sich ein wenig über das merkwürdige Paar. Normalerweise sprachen die anwesenden Gäste deutlich mehr miteinander und auch optisch hatten sie nicht viel gemein. Der eine im dunklen Kapuzenshirt mit dunkelbraunen oder auch schwarzen Haaren, der andere hingegen blond und recht farbenfroh - wie auch eindeutig modischer - gekleidet als sein Gegenüber. Jedoch musste die Verkäuferin einräumen, dass beide auf ihre eigene Art und Weise nett anzusehen waren. Vielleicht konnte man sogar sagen, dass sie gut aussahen und sie es eventuell gewagt hätte einen von ihnen anzusprechen, wäre sie zehn Jahre jünger gewesen. So beließ sie es dabei, ihnen eine Weile zuzusehen, bevor sie sich daran machte, einige Bleche zu säubern. "Manchmal ist es doch schön zu schweigen", sagte Naruto plötzlich und bewirkte damit, dass Sasuke innehielt. "Du redest doch", erwiderte er und griff nach der Kaffeetasse. Anstatt auf diesen Vorwurf einzugehen, wechselte Naruto das Thema. "Ich habe mich mit Sakura gestritten." "Warum erzählst du mir das?", fragte Sasuke ihn und blickte ihn für wenige Sekunden prüfend an, bevor er seinen Blick abwandte und stattdessen eine perlmuttfarbene Wanduhr schräg gegenüber fixierte. "Keine Ahnung", seufzte er mit nachdenklicher Miene, "vielleicht, weil es dich nicht interessiert." "Erzählst du immer Dinge, die den anderen nicht interessieren?" Naruto glaubte ein wenig Spott aus dieser Frage entnehmen zu können. "Da bin ich überfragt, die meisten sagen mir nicht, ob etwas sie interessiert oder nicht", erwiderte er ohne näher auf die leichte Provokation Sasukes einzugehen. Er war nicht in der Stimmung, ein aufgeheiztes Gespräch mit irgendwem zu führen. Die Müdigkeit überwog. Sasuke registrierte die Kraftlosigkeit, die Naruto in diesem Augenblick ausstrahlte und stützte sein Kinn nachdenklich auf seinen Händen ab. Wenn er an ihre letzte Begegnung zurückdachte, fiel es ihm schwer, einen Vergleich zu der Person zu ziehen, die hier nun vor ihm saß. Tiefe Augenringe zeichneten Narutos Gesicht und seine ganze Körperhaltung vermittelte Resignation und Erschöpfung. Nicht, dass Sasuke besonders talentiert darin gewesen wäre, das Verhalten anderer zu interpretieren, zudem er Naruto kaum kannte, aber er konnte recht eindeutig sehen, dass irgendetwas nicht mit rechten Dingen zuging. "Du wirkst müde", sagte er letztendlich ohne wirklich den Grund zu kennen. Normalerweise zog er es vor, solche Äußerungen zu unterlassen. "Ist das so?" Naruto erwartete keine Antwort auf seine rhetorische Gegenfrage. Nachdenklich lehnte sich Sasuke zurück und schloss für einen Moment die Augen. Dieses Gespräch hatte weder Sinn noch Ende. Er wusste nicht, was er sagen sollte oder wohin es ihn führen würde, wenn er das Wort ergriff. An sich hatte er auch keine große Lust sich mit Naruto, den er kaum kannte, und seinen etwaigen Problemen auseinanderzusetzen. Es fiel ihm seit jeher schwer, diese Art von Gesprächen zu führen oder andere gar zu trösten. Sasuke hatte kein Problem damit anderen zuzuhören oder sie zu beobachten, im Gegenteil, er hatte viele Jahre damit zugebracht anderen zuzusehen ohne selbst dazuzugehören. Jedoch war er keine Sorte Mensch, die andere umarmte und dann mit ihnen salzige Tränen vergoss. Vielmehr war die Trauer und Depression anderer ihm unangenehm und er neigte dazu, sich dem weitestgehend zu entziehen. Vielleicht war das hier der richtige Augenblick, um stumm aufzustehen und wegzugehen. Vermutlich kreuzen sich unsere Wege sowieso nicht mehr. Doch Sasuke rührte sich nicht. "Geh ran! Mann, verflucht noch mal!", fluchte Sakura lautstark und schüttelte ihr Smartphone. Doch weder laute Worte, noch die Erschütterungen führten dazu, dass ihr potenzieller Gesprächsteilnehmer abnahm. Entnervt ließ sich die junge Frau aufs Sofa fallen. Das hier war eindeutig nicht ihr Tag. Ihr Kopf schmerzte und ihre Gedanken kreisten um Naruto, der scheinbar sein Handy abgeschaltet hatte, vermutlich um ihr aus dem Weg zu gehen. Sie war wütend - auf sich, auf ihren besten Freund und darauf, dass ihre Zusammenkunft in so einem Streit geendet hatte. Sakura stritt sich nicht gern. Schon gar nicht mit Menschen, die ihr besonders wichtig waren. "Aber was hätte ich denn tun sollen?", flüsterte sie leise in den leeren Raum hinein. Das Bild verschwamm vor ihren Augen. Sie weinte. Währenddessen nahm Sasuke seinen Mut zusammen und stellte eine weitere, für ihn sehr untypische Frage. "Was ist denn passiert?", wagte er sich zu erkundigen und nahm einen weiteren Schluck seines inzwischen beinahe schon kalt gewordenen Cappuccinos zu sich. Narutos Blick wanderte zur Seite und er wirkte ein wenig verlegen. "Das ist eine lange Geschichte." Eine nichtssagende Standardaussage, die den Gesprächspartner in der Regel dazu verführen sollte, entweder auf eine Antwort zu drängen oder das Thema schlichtweg fallenzulassen. Naruto machte es ihm wirklich nicht leicht. "Ich habe Zeit", erwiderte er ohne groß darüber nachzudenken. Mit unbestimmter Miene musterte Naruto ihn nun, bis er sich wortlos erhob, seine Jacke überstreifte und der Verkäuferin zuwinkte, bevor er sich noch einmal Sasuke zuwandte. "Komm mit." Eine Aufforderung, die keine Widerrede zuließ. Ähnlich deutete Sasuke auch die ausladende Geste, die Naruto eine dreiviertel Stunde später in Richtung seiner Couch machte und ihm somit suggerierte, sich doch zu setzen. Wie lang war die Feier her? Einige Wochen? Monate schon? Sasuke hatte die Details weitestgehend vergessen, sie hatten keine tiefere Bedeutung für ihn gehabt. Ohne die ganzen Menschen wirkte der Raum weit und leer trotz der Möbelierung. Helle Objekte in einem farblosen Raum. Trist. Anders konnte er die Atmosphäre kaum beschreiben. "Möchtest du etwas trinken?", fragte Naruto überflüssigerweise und wie erwartet schüttelte Sasuke mit dem Kopf. Er schmeckte den kalten Cappuccino noch immer auf seiner Zunge. Bitter. Naruto setzte sich neben ihm auf die Couch, die Arme auf der Lehne ausstreckend, während Sasukes Hände auf den eigenen Knien ruhten und er darüber nachdachte, ob er Fleck auf dem Teppich eher von Multivitaminsaft als von vergossener Cola herrührte. Unbedeutende Details. Er brauchte sie in solchen Momenten der Stille, in denen er nichts zu sagen hatte und nicht darüber nachdenken wollte, was für eine Reaktion angemessen wäre. Letztendlich war es wieder Naruto, der das Wort ergriff - oder es zumindest versuchte, denn das erbarmungslose Klingeln des Telefons unterbrach ihn, bevor er etwas hatte sagen können. Sasuke registrierte, dass Naruto keinen Versuch unternahm, das Telefon abzunehmen, stattdessen blieb er ungerührt sitzen. "Warum nimmst du nicht ab?", wagte er leise zu fragen, sodass man ihn kaum verstehen konnte. "Ich weiß, wer es ist", antwortete Naruto schlicht, ohne näher auf das Thema einzugehen. Scheinbar wollte er nicht erreicht werden, zumindest nicht von der Person, die gerade geschlagene vier Minuten wartete, bevor sie aufgab und das Klingeln verstummte. Naruto besaß keinen Anrufbeantworter. Ein hörbares Seufzen verließ seine Lippen. "Was mache ich hier eigentlich?", fragte Naruto in den Raum hinein. Sasuke wiederum wusste nicht so genau, ob sich diese Frage indirekt an ihn richtete oder ob er keinerlei Antwort erwartete. Der Einfachheit halber entschloss er sich daher zu schweigen. Stumme Minuten vergingen. Ereignislos. Friedlich. Erst als Sasuke in den Augenwinkeln eine Bewegung von Naruto aus wahrnahm, drehte er auch er den Kopf und fing den Blick des anderen auf. Er wollte sich von ihm abwenden, doch irgendetwas hielt ihn davon ab. Müde, blaue Augen. Ein undefinierbarer Blick, den er nicht zu deuten wusste. Dennoch fühlte er sich unwohl, ihm war, als könne Naruto in ihm lesen wie in einem offenen Buch. Für einen Augenblick. Er zuckte zusammen und wandte den Blick ab. Ein heiseres Lachen ertönte. "Du schaust anderen nicht gern in die Augen, oder?" "Ja", erwiderte Sasuke schlicht. "Und warum ist das so?", erkundigte sich Naruto. Ob er dabei ehrliches Interesse an der Antwort bekundete oder nur die Stille überbrücken wollte, war nicht festzustellen. "Es war schon immer so." An sich keine allzu aufschlussreiche Antwort, das war Sasuke durchaus bewusst. Auf der anderen Seite hatte er bisher nie ernsthaft darüber nachgedacht, warum es ihm eigentlich so schwerfiel, andere direkt anzusehen. Er hatte den Blick anderer nie gesucht und sich auch nie darum bemüht, daran etwas zu verändern. "Aber-", begann Naruto und wurde zugleich von Sasuke unterbrochen. "Du hast mich nicht herzitiert, um darüber zu sprechen, denke ich." "Wahre Worte", gab er zu, "aber eigentlich kenne ich den Grund auch nicht. An sich kenne ich dich kaum und wenn ich dir jetzt alles mögliche erzählen würde, wird sich doch nichts verändern und ich sitze vermutlich übermorgen noch hier, weil ich den Anfang nicht kenne." "Den Anfang?", fragte Sasuke tonlos. "Nun ja, alles hat einen Anfang, eine erste Ursache." Er erntete nur ein seichtes Kopfschütteln. Danach hatte man ihn nicht gefragt. "Jedenfalls", fuhr Naruto nach einer Weile fort, "weiß ich im Grunde nicht, was ich eigentlich sagen soll." "Ich auch nicht", stellte Sasuke nüchtern fest und sie beide wurden sich bewusst in welch absurder Situation sie sich eigentlich befanden. Zwei entfernte Bekannte, die hier gemeinsam auf einer Couch saßen und nicht wussten, was sie sagen sollten angesichts der tausend Dinge, die man hätte erzählen können. Das Gefühl, das Naruto bei dieser Erkenntnis bewegte, hatte nichts mit den Gedanken gemein, die während seines Gesprächs mit Hinata aufgekommen waren. Die Situation machte auf ihn einen derart abstrusen Eindruck, dass er sich nur schwer zurückhalten konnte, laut loszulachen. Lachen. Naruto konnte es nicht aufhalten und aus einem unterdrückten Kichern entwickelte sich ein lautstarkes Gelächter, das nicht nur seine Sicht unscharf werden ließ. Zunächst hatte Sasuke ihn befremdlich angestarrt bis zu einem gewissen Punkt. Dann hatte der Anblick Narutos, der sich vor Lachen fast schon krümmte dazu bewegt, dass er unbewusst die rechte Hand vor den Mund schlug, um seinerseits ein aufkommendes Lächeln zurückzuhalten. Dennoch entwich ein leises Lachen seiner Kehle, bevor Sasuke erschrocken zusammenzuckte und seinen Blick der Tür zuwandte, deren Rahmen beim energischen Öffnen krachend gegen die dahinterliegende Wand schlug. Auch Naruto war inzwischen verstummt und versuchte sich recht ergebnislos die entstandenen Tränen aus den Augenwinkeln zu wischen, während er sichtlich überrascht die Person ansah, die die Szene soeben gewaltsam betreten hatte. "Sakura, was machst du hier?", fragte er daher vollkommen perplex. "Naruto, du Mistkerl, jetzt hör mir endlich zu", rief sie wütend und auch ein wenig lauter als eigentlich beabsichtigt, "wenn du deinen Vater nicht treffen möchtest, ist das vollkommen in Ordnung!" ---- *My Chemical Romance - The only hope for me is you Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)