Das wahre Leben ist spannender als jeder Krimi von nicoleherbster ================================================================================ Kapitel 1: Ein Leben, dass ich keinem Wünsche --------------------------------------------- Als ich Frau Blume das Abendessen ins Zimmer brachte, saß sie schon voller Erwartung in ihrem Bett und sagte, dass sie sich den ganzen Tag aufs Abendessen gefreut habe, weil es Appenzellerkäse gab. Ich schaute sie an und fragte ob das ihr Lieblingskäse sei. Sie antwortete mit einem freudigem ja und fügte noch hinzu, es lasse sie wieder Kind sein. Ich bat sie mir mehr von sich zu erzählen und setzte mich neben sie aufs Bett. Kindheit Ich heiße Frida Blume und wurde am 21.02.1915 in Appenzell in der Schweiz geboren. Ich war ein Einzelkind wurde aber trotzdem nie so verwöhnt wie heutzutage diese Kinder. Mit 6 Jahren lernte ich meinen Vater kennen. Er hat im 1. Weltkrieg gedient und kehrte 1921 aus der französischen Gefangenschaft zurück. 1Jahr später zogen wir, aus finanziellen Gründen, nach Zürich um. Schulzeit Dort ging ich auch zur Schule aber an diese Zeit kann ich mich kaum noch erinnern nur noch an Bruchstücke. Ich weiß noch, dass unsere Lehrer viel wehrt auf Sauberkeit und Ordnung legten. In den Klassen waren entweder nur Jungen oder nur Mädchen aller Klassen. Vorn saßen die Erstklässler, in der 2. Reihe die Zweitklässler und so weiter. Berufszeit in der Schweiz Nach der Schule lernte ich in einem Lebensmittelgeschäft und arbeitete mich dort bis zur Filialleiterin hoch. Bis 1941 der Krieg da war und ich nach Deutschland ausreiste. Ich freute mich auf Deutschland. Weitere Berufszeit Dort fand ich auch bald eine Arbeit als Schreibkraft in der Firma Bayer in Stuttgart. Eines morgens wurde ich zu meinem Chef gerufen der mir mitteilte, dass versetzt werde nach Ungarn. Freud und Leid In Lemberg lernte ich meinen späteren Mann kennen und lieben. Am 9. Februar 1944 heirateten wir. Es war nichts großes nur ein paar Freunde waren gekommen, denn es herrschte Krieg im Land. Trotzdem war es der schönste Tag in meinem bisherigen Leben. Leider mussten wir zwei Tage danach unsere Sachen packen und vor dem Krieg flüchten. Unsere Sachen hatten wir auf einem Handwagen geladen und damit sind wir so lange gelaufen bis wir an einem Bauernhof kamen und uns der Bauer ein Lager für die Nacht gab. Am nächsten Morgen liefen wir weiter bis uns ein Auto der deutschen Wehrmacht einholte und uns mitnahm. Der Fahrer meinte mich könnte er bis zur Grenze von Tschechien mitnehmen aber mein Mann müsse mit ihm gehen. Der Abschied viel uns schwer aber zu groß war die Angst verraten zu werden. Der Fahrer hatte mich an der Grenze raus gelassen und ich lief zu Fuß mit meinem Handwagen weiter bis ich zu einem Bauernhof kam. Die Russen kommen Ich traf dort auf eine allein erziehende Mutter mit drei Kindern. Sie meinte ich könnte bei ihr bleiben und auf die Kinder aufpassen während sie arbeiten ginge. Sie warnte mich auch davor das Haus zu verlassen, denn in der Nähe hätten die Deutschen ein KZ gebaut. Sechs Wochen lang ging das gut aber dann erhielt die Familie einen Brief sich zu melden. Daraufhin packte die Familie ihre Sachen und floh. Ich blieb im Haus. Nach weiteren Wochen hörte ich morgens von weitem ein Auto auf den Bauernhof zu fahren. Ich bekam Angst und packte ein paar Lebensmittel zusammen und stieg auf den Dachboden. Von unten hörte ich wie die Tür eingetreten wurde und Soldaten ins Haus kamen und in die Küche gingen um nach was zu Essen zu suchen. Der Sprache nach mussten es russische Soldaten sein die sich in der Küche mit Wodka und Brot den Bauch vollschlugen. Sie blieben einige Tage und verschwanden dann, als nichts mehr zu Essen da war. Zum Glück hatten sie das Haus nicht durchsuchen lassen so blieb ich die ganze Zeit unbemerkt. Ich blieb noch ein paar Tage im Haus bis ich beschloss nach Bautzen zu gehen. Bautzen Ich zog also weiter, nur mit meinem Handwagen, weiter bis ich wieder an die Grenze zu Deutschland stand. Dort musste ich eine ganze Woche lang ausharren, weil sie mir erst nachweisen mussten, dass mein schweizer Führerschein echt war. Als ich endlich über die Grenze gehen durfte war ich echt froh. Ich ging direkt nach Bautzen zu einer guten Freundin, die sehr glücklich darüber war mich wieder zu sehen. Sie meinte sie könnte gut meine Hilfe gebrauchen, denn sie würde die Wäsche von Soldaten waschen und käme vor Andrang nicht mehr hinterher. Ich blieb also bei ihr und half ihr beim Waschen und wir verdienten nicht schlecht damit. Wiedersehen Zwei Jahre machten wir das jetzt schon als meine Freundin eines morgens Ende Juli aufgeregt zu mir kam und sagte da draußen sei ein Mann der mich sehen möchte. Voller Neugier ging ich nach draußen. Schon von weitem sah ich, dass es mein Mann war, der aus der Gefangenschaft zurückkehrte. Ich rannte auf ihn zu und schloss ihn in die Arme. Wir waren so glücklich wieder zusammen zu sein. Kinder für den Frieden Mein Mann und ich beschlossen nach einiger Zeit nach Gatersleben umzuziehen um dort einen Neuanfang zu wagen. Dort schenkte ich meinem Mann fünf wundervolle Kinder vier Jungen und ein Mädchen. Leider waren die Winter immer noch sehr hart und wir hatten noch keine Zentralheizung sondern nur einen Holzofen. Deshalb wurden zwei meiner Kinder schwer krank und verstarben schließlich. Ich verlor mein einziges Mädchen und meinen jüngsten Sohn in einem Winter. DDR Auch Gatersleben gehörte zur DDR. Als meine Familie und ich 1979 einen Ausreiseantrag stellten wurde mein Mann und ich von der Stasi abgeholt und erstmal für Stunden in getrennte Zellen gesteckt. Anschließend wurden wir stundenlang verhört und das über Tage es war die Hölle ich hatte das Gefühl es wäre wieder Krieg. Nach Tagen so kam mir es vor wurde ich wieder in den Verhörsaal gebracht und es wurde mir mitgeteilt, wenn ich mich nicht sofort scheiden lasse wären sie gezwungen uns beide zu erschießen. Ich unterschrieb mit Tränen in den Augen, weil ich an meine Kinder zu Hause dachte. Mein Mann wurde ins Gefängnis gebracht und ich ging schweren Herzens nach Hause. Am nächsten Tag wurde ich zu allem Überfluss noch von meinem Chef in den Vorruhestand entlassen mit der Begründung er wolle nichts mit Verrätern zu tun haben. Meine Kinder und ich weinten in dieser Zeit viel. Endlich 1981 erlaubte man mir und meinen Kindern die Ausreiße in die BRD. Sielmingen In der BRD wohnten wir in Sielmingen bis nach und nach mich meine Kinder verließen um ihre eigene Familie zu gründen. Als 1989 die Mauer viel kam mein Liebster frei und zurück zu mir. Es war wie damals als wir uns 1946 nachlanger Trennung in die Arme schlossen. Wir waren halt für einander geschaffen so beschlossen wir wieder zu heiraten und diesmal so schworen wir kann uns nur noch der Tod scheiden. So war es dann auch als er am 26.06.1996 verstarb. Aber wir hatten noch eine schöne Zeit und sind viel gereist. Bohnlanden Nach dem Tod meines Mannes beschloss ich zu meinem jüngsten Sohn (der er eigentlich nicht war, denn mein jüngster Sohn war tot) nach Bohnlanden zu ziehen. Mein Sohn und seine Frau besaßen einen kleinen Tabakladen im Ort. Sie versorgten mich mit Lesestoff und anderen Dingen aus ihrem kleinen Laden. Ich selbst hatte eine kleine Wohnung im Erdgeschoß und war darüber sehr glücklich auch weil ich zumindest eines meiner Kinder in der Nähe hatte. Dann 2001 passierte es ich stürzte und brach mir ein Bein. Im Krankenhaus sagten mir dann die Ärzte das ich unter starker Osteoporose leide und meine Knochen schnell brechen aufgrund der Krankheit. Nach fast sechs Wochen Krankenhaus durfte ich endlich Heim. Da ich aber nicht mehr so gut laufen konnte und ich große Schwierigkeiten hatte lange zu stehen um mir etwas zu Essen zu machen beschlossen wir das mich die mobile Krankenpflege 2-3mal am Tag besuchen soll. Auch bekam ich jetzt das Essen auf Rädern um mir das Stehen in der Küche und das Kochen, dass ich nie sonderlich gemocht hatte, abzunehmen. Pflege zu Hause Es waren sehr nette Menschen die mich jeden Tag aufs neue besuchten. Sie machten ihre Arbeit und unterhielten sich mit mir. Es war eine willkommene Abwechslung in meinem Alltag und ich freute mich sehr wenn es wieder an der Tür klingelte. Schonwieder Krankenhaus oder nie mehr zurück Das ging lange gut bis eines morgens, ich war auf dem Weg in die Küche um mir etwas zu trinken zu holen, mir so schwindelig wurde das ich auf den kalten Boden viel. Ich weiß nicht wie aber irgendjemand hatte mich gefunden und ins Krankenhaus gebracht. Der Arzt schüttelte den Kopf und überbrachte mir die schlechte Nachricht, dass ich mir so die Hüfte gebrochen habe, dass selbst ein künstliches Gelenk nichts mehr brachte und ich von nun an im Rollstuhl sitzen würde und auch nicht mehr nach Hause zurück dürfe. Daraufhin weinte ich tagelang. Ich war wie eine Maschine ich tat etwas ohne Gefühl ohne jede Emotion. Mein Sohn teilte mir mit er habe ein Pflegeplatz bekommen können in dem Heim zu dem auch die mobile Krankenpflege gehört. Das war ein kleiner Trost für mich. Pflegeheim Als ich soweit genesen war, dass ich das Krankenhaus verlassen konnte war ich sehr froh und zugleich neugierig auf das was kam. Am 01.11.02 zog ich dann in mein Zimmer im ersten Stock ein es war sehr groß und meine Zimmergenossin und ich verstehen uns gut. Ich lebte mich recht schnell und gut ein. Die Schwestern sind nett zu mir und ich nehme viel an den Beschäftigungstherapien teil. Lesen! Auch das tu ich heute noch gern und natürlich Fehrnseh schauen. Aber ich merkte bald wie meine Kräfte Nachließen und ich es immer weniger im Rollstuhl aushielt. Bald konnte ich nicht mehr aufstehen und wurde bettlägerig. Am Anfang war es echt schwer sich damit abzufinden aber mein Sohn gab mir die Kraft mich nicht aufzugeben, denn ich hätte immer noch meinen Kopf zum denken und lesen. So lebe ich mein Leben in diesem Bett mit der Glocke als einziger Kontakt zu anderen Personen die mir helfen können. Ich schaute Frau Blum immer noch an obwohl sie aufgehört hat zu sprechen und war von ihrer Geschichte ganz fasziniert. Bis mich der Ruf einer Kollegin in die Realität zurückholte und ich wieder an die Arbeit musste mit diesem anderen Leben im Hinterkopf. Danke Frau Blum PS: Im Juli 2009 verstarb Frau Blume im Krankenhaus. Ruhe in Frieden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)