Night's End von Luca-Seraphin (Der Wiedergänger) ================================================================================ Kapitel 28: Aycos Alptraum -------------------------- Die Nacht verlief für Ayco und Luca sehnsüchtig und lustvoll. Erst in den frühen Morgenstunden schliefen sie Arm in Arm und vollkommen erschöpft voneinander ein. In die schönen Träume, die Luca von Ayco hatte, wob sich allerdings der Beigeschmack von Gefahr. Langsam, unwillig, dämmerte der Magier aus seinem Schlaf in die Wirklichkeit. Die letzten Bildfetzen wollte er am liebsten gar nicht abschütteln und viel lieber wieder tief hinein versinken. Allerdings weckte ihn ein plötzlicher Rippenstoß Aycos sehr unsanft. Gähnend hob der Magier die Lider und konnte gerade noch den Kopf zur Seite drehen, bevor seine Stirn mit der des Elfs kollidiert wäre. Dennoch rammte Ayco Lucas Kiefer. Der junge Mann stöhnte leise, als habe er Schmerzen. Sein silbrig weißes Pony klebte an seinem schweißnassen Gesicht. So sehr er schwitzte, so kalt war auch sein Körper. Er zitterte leicht und keuchte wieder. Tränen quollen unter seinen geschlossenen Lidern hervor und rannen über seine blassen Wangen. „Nicht...!“, presste er hervor. „Lass ihn! Nein! Gib ihn mir wieder...!“ Plötzlich gellte ein fast unmenschlicher Schrei, der seine ganze Angst und seinen Schmerz zusammenfasst, aus seiner Brust. Seine Lider flatterten kurz, bevor er die Augen aufriss und einen Herzschlag später die Besinnung verlor. „Ayco!“ Luca rollte sich sofort über ihn und legte ihm seine Finger auf die Brust. Das Herz des Elfs raste noch immer. Im ersten Moment hatte Luca die unglaubliche Angst gespürt, Ayco zu verlieren. Aber der Elf lebte und es ging ihm zumindest so weit gut, dass sein Herzschlag sich auch zusehends beruhigte. Dennoch musste er etwas so furchtbares geträumt haben, dass er davon erwachte und zugleich ohnmächtig wurde. „Tam, Goldy“, rief Luca. „Kommt her!“ Die Drachlinge, die in den Deckenbalken gelegen und geschlafen hatten, sahen beide zu ihm hinab. Er erhob sich und fingerte seine Hosen vom Boden auf. „Bleibt bei ihm!“, befahl er, während er sich rasch anzog. „Ich hole Wasser.“ Bevor Luca allerdings nach draußen stürzte, wob er mehrere Zauber und ließ sie als schwarze Schmetterlinge aufsteigen, die sich in Aycos Haar und auf seine Decke setzten. Ungeschützt würde er seinen Geliebten nie zurück lassen. Als Luca die Goldschmiede wieder betrat, saß Ayco auf seinem Bett, die beiden Drachen fest in seinen Armen und weinte haltlos. Der Magier stellte den Eimer auf dem Boden ab, suchte einen sauberen Tonbecher heraus und füllte ihn mit dem klaren Wasser. „Ayco, Liebster“, flüsterte er und kniete vor dem Elf auf dem Boden nieder. „Hier, trink“, bat er. Der junge Mann hob den Kopf und sah Luca aus roten, verquollenen Augen an. Im ersten Moment fand Luca tiefe Erleichterung darin, dann aber wechselte sein Blick zu Wut. Er schlug Luca den Becher aus der Hand. Das Tongefäß fiel zu Boden, zerbrach zwar nicht, aber bekam einen Riss und das Wasser ergoss sich auf den Dielen. „Wie konntest du weggehen?!“, schrie er Luca an. Seine Lippen zitterten vor Angst und Zorn. Ayco ließ Luca nicht die Zeit für eine Antwort. „Ich dachte du wärest tot!“ Geduldig legte Luca seine Hand auf Aycos und sah ihm in die Augen. „Du hast dein Bewusstsein verloren“, sagte er leise. „Ich musste Wasser holen …“ Ayco stieß einen leisen Schrei aus und umfing Luca. Die Drachlinge konnten sich gerade noch in Sicherheit bringen, bevor sie von dem jungen Elf erdrückt wurden. „Lass mich nie mehr allein!“, schluchzte Ayco. „Bitte!“ Er klammerte sich mit unglaublicher Gewalt an Luca und grub seine Nägel tief in die Haut des Magiers, als wolle er sich vollkommen in ihm verkriechen. „Was ist denn nur gewesen?“ fragte Luca leise. „Dein Tot. Ich habe davon geträumt, wie du vor meinen Augen stirbst. Zugleich habe ich gesehen, dass Gregorius etwas machte, etwas zerstörte. Steinsplitter stoben in alle Richtungen. Im selben Moment bist du zu meinen Füßen tot zusammengebrochen!“ Sanft strich der Magier Ayco über den Rücken. „Du meinst, er hat das steinerne Herz zerstört?“, fragt er. „Ja, ich denke schon“, murmelte Ayco undeutlich. Der Magier schüttelte sanft den Kopf. „Das wird nicht passieren. Lorn hat seinen sterblichen Leib vernichtet. Vermutlich braucht er lange, um sich zu regenerieren. Und das Herz ist in deinem Besitz. Du hast es doch noch, oder?“ Ayco schluchzte heiser, atemlos, nickte dann aber. „Ja, das Herz habe ich immer noch, Luca.“ Der Magier schmiegte seine Wange an die Aycos und küsste sanft sein Ohr. „Dann kann nichts passieren, Liebster.“ Ayco hob den Blick. Immer noch rannen Tränen über sein Gesicht. „Aber der Traum war so furchtbar und real“, wisperte er. Still streichelte Luca Ayco, neigte sich dann zu ihm und küsste seine Tränen fort. Auch wenn der Magier es nicht gerne zugab, so alarmierte ihn der Traum doch. ‚Tam, kann es sein, dass Gregorius wieder einen Körper hat?’, fragte er stumm. ‚Es ist sogar sehr sicher, dass er sich regeneriert hat’, entgegnete der Drachling. Luca spürte, wie sich eine eisige Klammer um sein Herz schloss. Dann war Ayco in großer Gefahr! Offensichtlich hatte Tam dieses Gefühl, den undeutlichen Gedankengang von Luca aufgenommen. ‚Nicht er, sondern du’, verbesserte Tambren. ‚Gregorius sieht aus irgendeinem Grund in dir die Gefahr. Er ist darauf aus dich erneut zu vernichten. Das Herz, Luca, es ist Dein Schwachpunkt, und ich denke, er weiß, dass Ayco es hat. Vielleicht ist es sogar besser bei dir aufgehoben, mein Freund. Oder du solltest es Justin geben. Er ist machtvoll genug, um es zu schützen. Aber in jedem Fall ist Gregorius so weit, dass er auf irgendeinem Weg in Aycos Träume zu dringen vermag. Vielleicht, weil er den Anhänger von dem kleinen Feuerkopf hat, das Sonnenamulett von Lyeth, seiner Mutter.’ Luca atmete tief durch. ‚Wenn das stimmt’, erwiderte er nachdenklich, ‚könnte es nicht auch sein, dass er mitbekommt, was Ayco sieht, hört, fühlt, sagt? Ist denn dann nicht die Gefahr, dass wir in jedem Fall von ihm bespitzelt werden?’ ‚Nach dem, was wir bisher von ihm mitbekommen haben, ist er durchaus in der Lage dazu’, bestätigte Tambren. ‚Aber sicher sein können wir nicht. Es ist nicht gut unseren Gegner zu unterschätzen, aber ihn zu überschätzen kann auch fatal sein.’ ‚Mag sein, Luca, aber das lässt sich herausfinden. Wenn wir ihm einen Hinweis geben, wo das Herz sein kann, wird er vielleicht dorthin aufbrechen und es nicht finden. Aber können wir einen anderen so in Gefahr bringen?’ Innerlich sträubte sich der Magier allein gegen die Idee. Allerdings fiel ihm auch nichts sinnvolles ein. ‚Dann bleibt uns nichts, als abzuwarten.’ „Luca, was ist?“, fragte Ayco besorgt. Einen Moment zögerte Luca ob es klug war ihn in Kenntnis zu setzen, wenn Gregorius wirklich Aycolén als Verbindung nutzte, dann bat er Tam doch, seinem Geliebten grob zu übermitteln, was sie vermuteten. Würde die Vermutung stimmen, könnten sie die Verbindung vielleicht sogar in die entgegengesetzte Richtung nutzen. Ayco beruhigte sich nur sehr schwer wieder. Der Traum und die Worte Tambrens verunsicherten ihn mehr denn je und er wollte Luca nun mit aller Macht beschützen. Das Gefühl übermittelte Tambren vollkommen ungefiltert. Scheinbar war die Angst Aycos, Luca ein weiteres Mal zu verlieren so massiv, dass sie ihm unsäglichen Löwenmut verlieh. Obgleich der Tag schlecht angefangen hatte, und Aycolén unkonzentrierter denn je war, versuchte Luca ihn davon zu überzeugen, dass es nun erst recht gut war, mit den Studien der Magie fortzufahren. Bis zum Mittag allerdings hatte der Elf nicht mehr in sich aufgenommen als die semantischen Gesten für die meisten Grundlagenzauber. Die Bewegungen glichen sich, innerhalb des gleichen Zauberpfades sehr. Dennoch gelang es Ayco nicht, sich wirklich zu sammeln. Luca tadelte ihn mehrfach, allerdings nie wirklich bösartig. Erst als er Ayco begreiflich machte, dass es einer der Wege war, sich vor Gregorius zu schützen, zwang sich der Elf, konzentrierter zu arbeiten. Gegen Nachmittag suchten sie gemeinsam das Badehaus im Künstlerviertel auf und reinigten sich für den Trauerzug zu Lucretias Ehren. Allerdings war Ayco die ganze Zeit sehr einsilbig. Seine Gedanken drehten sich die ganze Zeit scheinbar um den Traum. Er konnte nicht von sich schieben, was ihn so sehr bedrängte. Aber gleichsam zu seinem Schweigen nahm auch der Wunsch nach Lucas Nähe immer mehr zu. Er klammerte sich in vielen Situationen eng an den Arm des Magiers, suchte seine Wärme, seinen Körper und seine Lippen. Der Zustand der Angst veränderte Ayco sehr. Selbst auf dem Totenacker drängte es ihn in die Arme Lucas. Dieser eigentlich friedvolle Ort des ewigen Schlafes machte ihn zusätzlich nervös. Auch der Kreis der Gefährten und der stumme Schutz von Justin und Lorn gaben ihm keine Sicherheit. Luca hingegen fand sich in der Situation des Gejagten, aber zugleich konnte er keine Angst fühlen. Auch wenn er es nicht gerne zugab, so machte ihn Lorns Anwesenheit ruhiger und sicherer denn je. Seine Sorge galt Raven und Lucretias Familie. Sie alle hatten die vergangenen Tage nur mit viel Leid und Schmerz verbracht. Der Schlafmangel zeigte sich in ihren grauen, eingefallenen Gesichtern und die Trauer in den geröteten Augen. Raven hatte deutlich an Gewicht verloren. Er trug im Moment die Last des zurückgebliebenen Gemahls auf seinen Schultern. Dieses Gewicht, dass ihn niederdrückte, beugte seine Schultern und sein Haupt. In dem schwarzen, sonst so schimmernden Haupthaaren hatten sich feine Silbersträhnen eingeschlichen. Er ging mit Lucretias Vater an der Spitze des Zuges. Die beiden Männer trugen den eigentlich prachtvoll geschmückten Sarg an erster Stelle, gefolgt von den vier Brüdern der jungen Frau. Mutter und Großmutter schritten dahinter, die Augen voll Tränen. Nachbarn, Freunde, Verwandte, sogar Prinz Mesalla, wohnten der Grablegung bei. Jaquands Frau, Thorns Tochter, war aus Night’s End gekommen, zusammen mit ihren Kindern, und viele andere, die Raven kannten ebenso. Sogar zwei andre Gemahlinnen des Halbzwerges aus der Hafenstadt Maiden Haven, begleiteten Lucretia auf ihrem letzten Weg. Justin und Lorn vollzogen das Ritual du die Segnung. Konzentrierter denn je sprach der Elfenvampir seine Zauber über das Grab und die dunklen Totengesänge begleiteten die Seele Lucretias mit dem Wunsch, sie möge ein neues Leben finden, schöner und friedvoller als ihre altes. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)