Tausend Nadeln von Selma (vor dem großen Kataklysmus) ================================================================================ Kapitel 2: Wasser ----------------- Etwas Wasser und Käse bestimmten mein karges Mahl. Es war genug um mich zu sättigen und sollte da unten wirklich noch jemand überlebt haben und meine Hilfe brauchen, würde ich all meine Kräfte einsetzen müssen, die mir zur Verfügung standen. Noch einmal ging ich den Inhalt meines Rucksackes durch, den ich dafür vor mir ausgebreitet hatte. Aus meinen bescheidenen Stoffresten konnte ich noch einige Verbände zurechtschneiden, aber es waren weniger, als es mir lieb war. Große Verletzungen sollten diese Opfer wahrlich nicht haben. Vorsichtig packte ich die Sachen wieder in meinen Rucksack zurück und vergewisserte mich, dass ein kleines Messer ganz oben auf liegen würde. Normalerweise nutzte ich es, um kleineren Tieren das Fell über die Ohren zu ziehen, aber manchmal reagierten Personen die schwer verletzt waren oder an der Schwelle zum Tode standen und sich so ihrer Taten nicht gänzlich bewusst waren, aggressiv, auch auf mögliche Helfer. Das Messer war so gesehen meine eigene kleine Lebensversicherung. Vorsichtig näherte ich mich wieder dem Aufzug. Die Zeit des Wartens war vorüber und der staubige Nebel etwas in die Schlucht herabgesunken. Nun folgte die Zeit des Handelns. Zwar konnte man immer noch nicht den Boden erkennen, aber mittlerweile konnte ich aus der Tiefe auch andere Geräusche ausmachen, etwa das Scheppern von Metall. Ob dies gut oder schlecht war, würde sich zeigen. Ich hoffte natürlich, dass ich in keinen Kampf hineingezogen würde. Das Herz schlug mir bis zum Halse, als ich mich der freien Gondel näherte. Ich versuchte mir einzureden, dass dies nur Personen waren, die es da unten zum Aufzug geschafft hatten und gleich hochgefahren kämen, um sich in Sicherheit zu bringen. Keine Feinde also. Dennoch stockte mein Gang, und die Gondel setzte sich ohne mich nach unten in Bewegung. Zeit um mich wieder zu sammeln und zu beobachten, was gleich kommen würde. Doch da lenkte etwas anderes meine Aufmerksamkeit ab. Es war der Schrein eines Vogels. Einer von diesen, die man sonst nur in der Nähe der Meere hört. Irritiert blickte ich zu dem Vogel hinauf. Was machte diese Möwe hier? Ihre Art wagte sich doch sonst nicht so weit ins Land. War sie vielleicht durch das Beben so verwirrt? Sicher, ich weiß um die Gefahr von Tsunamis und auch was sie an der Küste anrichten können. Wahrscheinlich konnte sich das Dampfdruckpier auf einige unangenehme Wellen einstellen, aber das erklärte immer noch nicht den Vogel an diesem Ort. Nun gut, vielleicht maß ich der Sache jetzt auch zu viel Bedeutung zu. Immerhin hatte das Beben auch mich verunsichert und Tausend Nadeln lag zwar unterhalb der Meeresoberfläche aber eine massive Beglandschaft verhinderte sicher und auch schon seit langer Zeit das Eindringen von Wasser. Ich war mir sicher, dass dieses Gebirge nicht wanken würde. Wie falsch ich doch lag. Die starken Taue des Aufzuges ächzten, als sich die andere Gondel sehr langsam aus dem Staubnebel herauf bewegte. Das Material war bis an seine Belastungsgrenze gedehnt und ich machte mir schon ein wenig Sorgen, ob der Aufzug dieses Gewicht überhaupt stemmen konnte, zumal es ein wenig ruckte und er alles andere als flüssig seine sehr langsame Fahrt fortsetzte. Ich überlegte, ob es vielleicht ratsamer wäre, hier oben die Verletzten in Empfang zu nehmen und hier zu versorgen und so den Aufzug schneller zu entladen, sollten einige der Verletzten nicht mehr in der Lage sein sich selbst noch länger fortzubewegen? Wieder kam Wind auf und erneut trug er den Geschmack von Salz mit sich, aber diesmal schmeckte es anders auf der Zunge. Irgendwie... feuchter. Ein weiterer Seevogel schrie über mir und plötzlich vernahm ich das leise Grollen, was aber beständig lauter wurde. Mein Atem stockte. Das war kein weiteres Beben, nein das war eine ganz andere Art von Naturgewalt. Eine, die ich gehofft hatte nicht hier zu sehen. Obwohl das Wasser noch Kilometerweit entfernt war, bildete ich mir ein es schon sehen zu können. Jedenfalls schaffte es die weiße Gischt den herabsinkenden Staub wieder aufzuwirbeln und in die Höhe in Richtung Sonne zu katapultieren, so das man ungefähr erahnen konnte, wo sich die Welle gerade befand, die sich ihren Weg unaufhaltsam durch Tausend Nadeln bahnte. Immer noch haftete mein entsetzter Blick an der Gischtwolke, die sich langsam immer näher schob. In meinem Geist sickerte die schmerzhafte Erkenntnis durch, dass Tausend Nadeln, so wie ich es kannte, und alles was sich noch darin befand unwiederbringlich verloren war. Aber auch von unten wurden Stimmen laut. Ich war wohl nicht die einzige, die die richtigen Schlüsse aus dem beständig lauter werdenden Donnern gezogen hatte. Noch konnte man die Stimmen aus der, im Nebel verborgenen, Gondel hören. Es waren viele Stimmen und sie klangen besorgt. Die Gondel kam langsam in Sicht und ich versuchte abzuschätzen, wer sich alles darauf befand. Nun wurde mir auch klar, warum der Aufzug so arbeiten musste. Übervoll traf es noch nicht wirklich. Überall, wo man konnte klammerte sich wer fest. Dabei war es total egal ob es sich um Angehörige der Allianz oder der Horde handelte. Ein Zwerg verlor just in diesem Moment den Halt, vielleicht weil ihm die Kraft ausgegangen war. Mit einem Schrei und mit den Hände rudernd stürzte er zurück in den Nebel. Nun wurde ihm die eigene Ausrüstung zum Verhängnis. Der Aufzug ächzte und die helle Gischtwolke war erschreckend näher gekommen. Sicherlich wäre es jetzt nicht weiter verwunderlich gewesen, wäre in der Gondel das große Geschubse losgegangen um weiter an Gewicht zu verlieren und den Aufstieg zu beschleunigen, aber die Leute, die sich dort befanden begannen sich zuallererst ihrer Ausrüstung zu entledigen. Ein sehr untypisches Verhalten. Ich schrieb es dem Umstand zu, dass sie wussten, was passieren würde und wohl einige von ihnen noch genügend Ehre im Leib besaßen um keine Dummheiten anzustellen. Tatsächlich wurde die Gondel auch ein wenig schneller als einiges an Waffen und auch Rüstung zurück in die Schlucht fiel, aber es war bei weitem nicht genug. Durch die viele Bewegung hatte die Gondel auch noch angefangen sich aufzuschaukeln, so das ein Blutelf, eine Taure und eine Ork den Halt verloren und ebenfalls wieder in dem Nebel unter der Gondel verschwanden. Vielleicht waren sie auch gestoßen worden, ich wusste es nicht, denn sie standen doch alle drei sehr am Rand. Gnadenvollerweise konnte ich nicht erkennen, wie sie unten aufkamen und das Getöse des immer näher kommenden Wassers übertönte die Schreie der Passagiere. Der Gewichtsverlust hatte aber auch ein Gutes. Die Gondel hob sich nun immer schneller und es sah auch fast so aus, als könnten sie es schaffen, als irgend etwas in den oberen Teilen des Aufzuges riss. Was es war, weiß ich nicht, jedenfalls kam der gesamte Aufzug mit einem Ruck zum stehen, aber es war laut genug gewesen, das es jeder hören konnte, trotz des Kraches. Es waren nur noch wenige Meter bis zur rettenden Brücke. Ich konnte das Dach schon fast erkennen. Nun begann sich doch Panik unter den Anwesenden breit zu machen, als sie merkten, dass sie auf normalem Wege nie rechtzeitig diese letzten Meter überbrücken konnten. Im nächsten Moment war sich jeder selbst der nächste und versuchte das Dach der Gondel zu erklimmen von wo aus es nicht mehr weit bis zur Brücke und damit auch der Sicherheit war. Ich lies meine Sachen zurück und rannte ebenso zum Ende der Brücke um mich dort flach nieder zu legen. Vielleicht konnte ich ja jemandem noch hinauf helfen. Ich versuchte mich fest genug zu halten, damit ich gleich nicht in die Tiefe gezogen werden konnte und versuchte einzuschätzen, wer mich als erstes erreichen würde. Eine junge Nachtelfe hatte sich schon am weitesten vorgekämpft. Sie nutzte einen kleinen Dolch um auf dem Dach mehr Halt zu finden. Doch sehr weit kam sie nicht, denn ein älterer Mann hatte ihr Bein gepackt und versuchte sich nun seinerseits an ihr hochzuziehen um sie zu übersteigen. Doch die Nachtelfe trat ihn mitten in das Gesicht. Soviel also zum Zusammenhalt bei der Allianz. Mit einem Aufschrei verlor der Mann den Halt und rutschte hinab, mit den Händen nach etwas zum greifen suchend. Er riss einen Troll mit sich. Die Nachtelfin zog sich höher, in ihren Augen konnte ich Entschlossenheit lesen, aber auch ein wenig Verzweiflung. Ein kurzer Blick zur Seite verriet mir, das ihr nicht mehr wirklich viel Zeit blieb. Die Welle trieb einen feuchten Luftstrom vor sich her, der uns just in diesem Moment erreichte. Noch einmal mobilisierte die Nachtelfe ihre Kräfte und warf sich höher auf das Dach, ihre Hand nach der meinen ausgestreckt. Und für einen Moment hatte ich das Gefühl, dass wir uns berührt hätten, doch dann war das Wasser auch schon da, schlug selbst über meinen Kopf hinweg und ließ Panik in mir aufkeimen. Aus einem Reflex heraus zog ich mich wieder auf die Brücke zurück und hustete, spuckte salziges Wasser, während wenige Zentimeter von mir entfernt die fließende Zerstörung wütete. Neben mir brach eine weitere Felsnadel in sich zusammen. Heftiges Strudel hatten sich auf der tobenden Oberfläche gebildet und in solch einem steckte auch noch die Gondel, wo sich die Überlebenden panisch festhielten. Wie durch ein Wunder hielt das starke Tau immer noch die Gondel fest, so das diese nicht versinken konnte. Doch das Seil ächzte mit jeder Sekunde mehr. Für einen Moment hoffte ich, dass die Welle schnell abebbte, doch schon hörte ich das schnappende und schnalzende Geräusch, wenn die ersten Stränge und Fasern rissen. Einer der Trolle rief mir noch etwas zu, aber ich verstand es nicht, da der starke Träger des großen Aufzuges nun ebenfalls seine Festigkeit verlor und sich unter lautem Ächzen langsam zu neigen begann, bevor auch der letzte Strang riss und die Gondel erst in die Mitte des Strudels gerissen wurde und dann versank. Kurz kam auch noch die andere Gondel in Sicht, diese war jetzt wieder aufgetaucht, nachdem das Seil gerissen war und krachte gegen eine nahegelegene Felsnadel. Niemand da unten hatte diese Katastrophe überlebt. Wie betäubt richtete ich mich auf und wankte vom Rand zurück auf den festen Boden des Brachlandes. Dort brach ich zusammen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)