Wie Sommer in Deinen Augen von Jaelaki ([Sai & Sakura]) ================================================================================ Kapitel 5: Wie Sternenlicht in Deinen Augen ------------------------------------------- Wenn er im Krankenhaus arbeitete sah er sie immer wieder. Diese Augen voller Trauer und Zweifel und Schmerz. Immer wenn Sasuke dort auftauchte oder wenn nur sein Name erwähnt wurde. Sakura glaubte vielleicht, dass es niemand sah oder besser – dass er es zwar sah, aber nicht verstand. Und damit lag sie sogar richtig. Er sah es, aber er begriff es nicht. Es schien, dass sie etwas suchte, ohne zu wissen, was und etwas verloren hatte, ohne es je besessen zu haben. Und dann waren da ihre Augen voller Empathie, Gefühl und Idealismus. Pure Kraft, die ihm bestätigte, dass nichts Sakura in die Knie zwingen konnte, weil sie – ja, warum? – vielleicht weil sie eben doch weiter suchte. Naruto und sie stritten ab und zu – er bekam es mit, weil sie dann stets laut wurden und sich Beschimpfungen an den Kopf warfen. Aber er machte sich nicht viel daraus, denn meistens endeten die Auseinandersetzungen mit einer Kopfnuss für Naruto und wehleidigem Murmeln – und wenige Stunden später lachten die beiden wieder gemeinsam. Laute Gespräche waren meistens nicht die komplexen, das hatte er schnell gelernt. Komplex wurde es erst, wenn Sakura schwieg. Und das tat sie zunehmend oft – besonders wenn es dunkel wurde. Seit einem halben Jahr schaute sie regelmäßig bei ihm zu Hause vorbei – seit dieser Nacht damals. Erst hatte sie ihn wochenlang, wo es ging, ignoriert, dann war sie eines nachts wieder zu ihm gekommen. Sie hatten geredet – einfach so. Und er hatte nicht einmal verstanden, warum. Dann war sie regelmäßig alle paar Tage abends bei ihm gewesen, irgendwann hatte sie sich auf sein Sofa gesetzt und ihm mit einer Handgeste bedeutet, es ihr gleich zu tun. „Glaubst du, dass es irgendwann besser wird?“, hatte sie gefragt und ihn nicht angesehen. Ihr Blick hatte auf etwas gelegen, das er nicht hatte sehen können. Irgendwo draußen, vor seinem Fenster. Vielleicht hatte sie sich auch nur an etwas erinnert. Er neben ihr, weit genug, um sie nicht zu berühren, nah genug, um ihre Präsenz auf seiner Haut prickeln zu spüren. Nein. Er glaubte nicht daran, dass es besser werden würde. Vielleicht würde es nicht schlimmer werden. Aber meistens war das Leben monoton und ohne große Änderungen. „Was meinst du?“, hatte er trotzdem nachgehakt und war sich sicher gewesen, nicht für so ein Gespräch qualifiziert zu sein. „Unser Team. Oder –“ Ein ironisches Lächeln zupfte an ihren Lippen. „Eigentlich sind wir ja nicht einmal das. Genau deswegen. Darum geht es. Alles – es bricht auseinander.“ „Ein Team geht immer früher oder später auseinander“, hatte er nüchtern erwidert. Schon oft hatte er in Teams gearbeitet. Teams waren temporäre Zusammenschlüsse, Zweckgemeinschaften. Eine Zusammenarbeit, die nach erfolgreichem Abschluss der Mission wieder aufgelöst wurde. Das war der Gang der Dinge. Doch ihr Kopfschütteln war stur gewesen und ihr Schweigen erst. „Warum bist du zu mir gekommen?“, hatte er leise gefragt und gewusst, dass man in diesem Schweigen nur falsche Fragen stellen konnte – doch er tat es trotzdem. Wie immer. „Warum nicht?“ Er konnte sich nicht gut in Menschen hineinversetzen – aber das hieß keineswegs, dass er dumm war. Mit einem vielsagenden Blick hatte er ihr genau das eröffnet. Sie hatte verlegen auf ihre Hände gestarrt, die sie ineinander verdrehte. „Naruto würde mich trösten – aber das kann ich momentan nicht ertragen. Ino würde Rachepläne schmieden – aber dafür habe ich keine Kraft. Und alle anderen geht es nichts an. Ich bin nicht mehr das kleine, schwache Mädchen von vor acht Jahren, Sai.“ Er verstand es nicht, begriff nicht, was letzteres mit ersterem zu tun hatte, aber er akzeptierte es. „Warum ich?“ „Weil – ich weiß nicht.“ Und damit hatte sie sich gegen ihn gelehnt. Instinktiv versteifte er sich. Körperkontakt hieß, dass ihm der Feind so nahe gekommen war, um ihm lebensbedrohlichen Schaden anzutun. Dass seine Verteidigung Lücken aufgewiesen hatte, die er nun mit dem Leben bezahlen konnte. „Sai, alles okay? Entschuldige, ich wollte nicht –“ Er blickte sie schweigsam an. „Niemand darf mir nahe kommen, Sakura. Nähe bedeutet, dass der Gegner einen verletzt.“ „Aber –“ Erschrecken zeichnete sich durch das Grün ihrer Iris. „Ich – siehst du mich als Gegner? Ich würde doch nicht –“ Sai schüttelte seinen Kopf, seine Lippen – so glaubte er – zu einem beruhigenden Lächeln verzogen. „Rational gesehen weiß ich, dass du kein Feind bist. Es sind die Instinkte. Unser natürliches Misstrauen wurde gezielt trainiert, um jeglichen potenziellen Gegner keine Gelegenheit zu bieten, uns zu verletzen.“ „Dann bin ich ein potenzieller Feind?“, hakte sie nach und Verwunderung verschwamm mit Verärgerung. „Natürlich. Jeder Mitmensch ist ein potenzieller Feind“, erläuterte Sai ohne zu zögern. „Aber – wir sind doch Freunde“, widersprach Sakura. „Auch Sasuke ist euer Freund gewesen und trotzdem musstet ihr etliche Kämpfe als Gegner bestreiten“, führte Sai an. „Das ist etwas anderes gewesen. Sasuke ist – Sasuke war – es war etwas Anderes“, beharrte sie. „Nähe bedeutet Verletzungen“, erklärte Sai, „das ist einfach in meinem Körper drin. Es tut mir leid. Aber ich werde mir Mühe geben.“ „Womit? Mir nicht gleich eine mit dem Kunai überzubraten, wenn ich dich berühre?“, fragte sie scherzhaft. „Ja, das auch“, erwiderte er ernst und ihr Grinsen erstarb auf ihren Lippen. „Aber ich hab eigentlich gemeint, dass ich mir Mühe gebe, dich in meiner Nähe zu dulden, wenn es dir hilft.“ „Was? Wobei?“ „Du hast es anscheinend genossen, oder? Oder habe ich es falsch –“ „Nein, du hast recht. Ich habe es genossen. Ich wusste nicht, dass es für dich –“ „Ich wurde nicht dabei verletzt“, erwiderte Sai und lächelte sie an. Es erreichte nicht seine Augen, aber das war nicht wichtig. Er wollte nur, dass Sakura verstand und er sah in ihrem Blick, das sie es tat. Und so waren so verblieben – ohne dass es einer irgendwie festgelegt hätte. Jetzt war es Routine. Und er fragte nicht, warum oder welche Intention sie hatte, wenn sie wie üblich plötzlich vor seinem Fenster stand auf dem Balkon und gegen die Scheibe klopfte. So wie jetzt gerade. Und er spürte auch nicht seiner eigenen Intention nach, wenn er ihr öffnete. So wie jetzt gerade. Es war bereits dunkel – natürlich. Sakura riss sich immer erst vom Krankenhaus los, wenn es bereits dunkel war. Diese Nacht war ein wunderbar klarer Himmel über ihnen. Sterne glitzerten in der kühlen Februarnacht. Sai zog das Fenster wie nebenbei auf – und wortwörtlich mit links, während er mit seiner Rechten den Pinsel führte. Auf der Leinwand zog sich ein weiterer schwarzer Strich über die Mitte, der sich mit dem Ende eines anderen überkreuzte. Die Flosse des Delfins auf dessen Rücken bildete den Abschluss der Abbildung. Kritisch betrachtete er die Proportionen und spürte wie sich Sakura hinter ihm auf die Fußspitzen stellte, um ihm über die Schulter zu blinzeln. „Warum sind deine ganzen Bilder eigentlich schwarz-weiß? Die Farben sind so – langweilig“, stellte Sakura fest und er glaubte etwas Neckendes in ihren Augen wahrzunehmen. „Schwarz und Weiß sind keine Farben“, erwiderte er bloß ohne sich ihr zuzuwenden und brachte sie dazu, leise zu schnauben. Sie lehnte sich langsam zurück und verschränkte ihre Arme im Nacken. „Mit Farben habe ich schon lange nicht mehr gemalt“, fügte er dann hinzu, weil er gelernt hatte, dass Korrekturen nicht zu einem gelungenen Smalltalk beitrugen – zumindest nahm es ihm Naruto oft übel. Irgendetwas stimmte nicht. Vielleicht hatte er die Flosse zu weit oben angesetzt. „Warum?“, hörte er sie neugierig fragen und seine Gedanken fragten sich einen Moment dasselbe, ehe er sich gewahr wurde, dass sie nicht die Flosse gemeint hatte. „Im Kampf braucht es keine Farben, da kommt es auf die Schnelligkeit an.“ Sie schwieg und ließ sich umständlich aufs Sofa fallen. „Und wenn du es tust“, meinte sie, „welche Farben verwendest du dann?“ „Bunte – also kein Schwarz oder Weiß“, erwiderte er trocken und sie wollte bereits genervt nörgeln, als er in ihren Augen erkannte, dass sie verstand, dass es ein Scherz hatte sein sollen – und er sah sogar ein leises Grinsen. „Also – was ist deine Lieblingsfarbe, Sai?“, ließ sie nicht locker und sah sich um. Sein Wohnzimmer war voller Leinwände und Papierrollen, alle bereits voller Malereien und Skizzen. Durchweg schwarz-weiß. Er wusste nicht, was sie zu entdecken versuchte – es waren nur Übungen. Ebenso wenig verstand er, was sie sich von ihrer Frage erhoffte. „Ich weiß es nicht“, antwortete er aufrichtig, drehte sich ihr einen Moment lang zu und lächelte sie höflich an. „Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Was ist deine Lieblingsfarbe, Sakura?“ Smalltalk basierte auf Frage-Antwort-Rückfrage. „Nicht schwarz-weiß“, entgegnete sie und ein Grinsen breitete sich auf ihrem Mund aus. So eines, das sie wie ein freches Mädchen wirken ließ, übermütig, jung und frei. Unbesorgt. Er mochte es, denn es breitete sich bis in ihre Augen aus und ließ sie funkeln. Er stockte einen Moment, fuhr herum und sah aus dem Fenster in den Himmel, dann schritt er unverwandt auf sie zu und musterte ihre Augen aus der Nähe. So nah, dass er ihre Wimpern sah, einzelne, dicke Härchen. Sein Gesicht direkt vor ihrem. Helle Härchen, die ihre Augen umrahmten. „Sai?“, fragte sie unsicher. Ihr warmer Atem strich über seine Wange. „Erstaunlich“, zog er nüchtern sein Fazit und machte einen Schritt zurück. „Wenn du so lachst, dann glitzern deine Augen ganz seltsam.“ Ihre Nase kräuselte sich. „Was meinst du?“, forderte sie zu wissen und betrachtete ihn mit gerunzelter Stirn. „In deinen Augen – wie –“ Er suchte offensichtlich nach einer passenden Beschreibung und konnte sich nicht erwehren, aber es war die passendste. „Wie Sterne in deinen Augen, wenn du so lachst.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)