Sturm der Blätter von racingStar ================================================================================ Kapitel 1: Schwarze Reiter (Überarbeitet) ----------------------------------------- Was tut man, wenn man nichts mehr hat wofür es zu leben lohnte? Nichts mehr hatte wofür man kämpfen konnte? Weiter existieren, einfach nur einen Schritt vor den anderen setzen, völlig gleichgültig womit das Leben einen noch in die Knie zwingen will. Weswegen sollte man weiter gegen sein eigenes Schicksal kämpfen wollen? Neuanfang? Ich frage mich heute noch, in der Stunde der völligen Ruhe, wenn man mit seinen Gedanken ganz alleine war, hat es sich wirklich gelohnt? Aufzustehen, dem eigenen Schicksal den Mittelfinger zu zeigen, sich umzudrehen und einen anderen Weg einzuschlagen? Was ist nun schwerer? Zu existieren, oder allein vor der Ungewissheit der Zukunft zu stehen, wo nur wieder Hindernisse standen die einen in die Knie zu zwingen versuchten? Nun, manchmal schlägt aber auch das Glück zu und nimmt einem eine Entscheidung ab, so wie in meinem Fall. Ich hatte alles verloren, mein zu Hause, meine Familie, meine Freunde und alles was ich je besessen hatte. Alles war mir vom Krieg genommen worden. Ich wusste schon nicht mehr wie lange Krieg herrschte, denn ich kannte nur Krieg. Die ersten Jahre hatte man verzweifelt versucht das normale Leben aufrecht zu halten, obwohl täglich hunderte von Menschen nur in unserer Stadt starben. Es hatte noch Schulen gegeben, doch als ich dann in zehnte Klasse kam, wurde es schlimmer. Häuser in denen man am Tag zuvor noch gelacht hatte, waren nur noch ein Trümmerhaufen, genauso wie das kleine Häuschen in dem ich zusammen mit meinen Eltern gewohnt hatte. Früher hatte auch noch mein älterer Bruder bei uns gelebt, doch ihn hatten wir schon seit drei Jahren nicht mehr gesehen. Noch gab es einen Anhaltspunkt über seinen Aufenthaltsort. Keiner wusste mehr mit Sicherheit wer mit dem Krieg angefangen hatte. Am Anfang war es nur um Öl, Gas und Metall gegangen, doch schon lange ging es nur noch um Macht. Um den Versuch das andere Land völlig auszulöschen. Dabei hatten sie alle aber etwas Endscheidenes vergessen; sie konnten nicht ewig kämpfen. Waffen, Munition, Nahrung, die einfachsten Dinge gingen ihnen mit der Zeit aus, da es keinen mehr gab, der sie herstellen konnte. Schon früh hatte mein Vater mir beigebracht, wie ich essen finden konnte und wo ich suchen musste um etwas Wichtiges zu finden. Jagen konnte in meiner Zeit jeder, denn wenn nicht musste er mit etwas handeln können und es gab nur noch wenig womit man handeln konnte. Auf der Suche nach etwas Essbaren und warmer Kleidung, durchkämmte ich das Lager eines alten Einkaufscenters. Es war nicht viel übrig geblieben, doch an unübersichtlichen Orten ließ sich das ein oder andere finden. Doch ich fand nicht was ich suchte, sondern ein altes Buch. Es war noch eingeschweißt. Hier und dort war die Folie angerissen, doch sie hüllte das Buch noch ein. Müde von dem langen Tag, ließ ich meinen Rucksack zu Boden fallen. Ich legte den Köcher, sowie meinen wertvollsten Besitz - meinen Bogen - an die Wand neben mir und setzte mich. Ich entzündete eine gefundene Kerze und musterte dann neugierig das Buch. Vorsichtig riss ich die Folie auf, und fing an in dem Buch zu blättern. Auf einer Seite mit der Zeichnung eines reich verzierten Tores blieb ich hängen und fing an zu lesen. „Dort steht! Sprich Freund und tritt ein“, las ich laut vor. Neugierig lass ich weiter und schmunzelte ein wenig, als die Gefährten in dem Buch es einfach nicht schafften diese Tür aufzubekommen. „Mellon“, lass ich wieder laut vor und plötzlich hörte ich lautes Donnern. Instinktiv zuckte ich zusammen und sah mich nach einem Schutz um, doch da wurde mir schon schwarz vor Augen und ich sank kraftlos zu Boden. Stöhnend, wegen meines schmerzenden Kopfes wachte ich langsam auf und zwang mich, mich sofort aufzusetzen. Ohne nachzudenken sah ich mich ohne zu zögern um und suchte eine mögliche Gefahr. Doch was ich sah, versetzte mir einen Adrenalinschub, den mir nichts anderes verschaffen hätte können. Ich war in einem Wald. Seit Jahren hatte ich keinen mehr gesehen, da die Menschen sie aufgrund von Bau und Brennmaterial alle abgeholzt hatten. Und dieser Wald war so dicht, dass ich kaum den freien Himmel über dem Dach der Bäume erblicken konnte. Langsam stand ich auf und ging auf einen besonders alten Baum zu, so als würde er jeden Moment zu Asche zerfallen. Ehrfürchtig berührte ich ihn mit der Hand und fuhr über die raue Rinde des Baumes. Fasziniert sah ich an ihm hoch, zu dem dichten Blätterdach, schloss die Augen und genoss den Gesang des Windes, wie er die Blätter liebkoste. Nur schwer konnte ich mich davon losreißen und sah mich um. Ich fand nicht weit von der Stelle, an der ich aufgewacht war, meinen Rucksack, meinen Köcher und meinen Bogen. Ich schulterte meinen Rucksack, hängte den Köcher über meine Schulter, nahm den Bogen und ging etwas unschlüssig wegen des Weges voran. So vieles war neu. Die Beschaffenheit des Bodens, die Geräusche, die Gerüche, sogar der Wind schien ein anderer zu sein. Plötzlich hörte ich ein Rascheln, blieb augenblicklich stehen und hatte blitzschnell einen Pfeil auf die Sehne des Bogens gelegt. Doch was ich dann sah erstaunte mich völlig. Es war ein junges Reh, das mich scheu mit seinen klaren braunen Augen musterte. Es war keine zehn Meter von mir entfernt aus einem Gebüsch gekommen und sah mich nun neugierig an, so als versuche es herauszufinden, ob ich ihm etwas tun wollte. Ganz langsam senkte ich den Bogen und steckte den Pfeil zurück in den Köcher. Auf einmal sah es panisch in eine andere Richtung, wandte sich ab und lief schnell davon. Verwirrt sah ich ihm nach, doch plötzlich wurde mir klar weswegen es flüchtete. Vier Gestalten preschten durch den Wald und machten dabei einen solchen Lärm, dass man sie meilenweit hören konnte. Neugierig versteckte ich mich hinter einen Baum und musterten die vier genau. Sie hatten die Größe von etwa dreizehn, vierzehn jährigen Kindern. Zwei von ihnen hatten Rücksäcke bei sich, doch was mich am meisten erstaunte, waren ihre Füße. Sie liefen barfuß und alle hatten feine Haare auf den Füßen. Und dann tat ich etwas mit dem ich mich selbst ein wenig erschreckte. Ohne nachzudenken trat ich ihnen in den Weg, als sie auf Höhe meines Baumes waren. „Darf ich fragen weswegen ihr euch hier wie die Axt im Wald benehmt und die armen Tiere verschreckt!?“, fragte ich sie mitgespielt grimmiger Miene. Alle vier sahen mich erschrocken an, wobei der dickste von ihnen, sich vor den einen schwarzhaarigen Kerl stellte, um ihn anscheinend vor meinem Blick zu schützen. „Bitte lasst uns vorbei, wie sind auf der Flucht“, sagte der jüngste von ihnen gehetzt. Alarmiert lauschte ich und konnte in der Ferne Hufgentrampel hören. Denn Pferde kannte selbst ich noch lebend und nicht nur aus Büchern. Sie waren wertvoll, da sie die einzige Art waren, halbwegs schnell von A nach B zu kommen. „Von Reitern?“, fragte ich ihn, worauf er nickt. „In welche Richtung müsst ihr?“, fragte ich sie nun alarmierend. „Osten“, sagte einer. „Dann schnell folgt mir, sie sind euch dicht auf den Fersen!“, sagte ich gehetzt und zeigte in die Richtung in der Osten lag. Sie sahen mich erst zögernd an, doch liefen sie dann so schnell sie konnten los. Instinktiv lenkte ich sie sicher durch den Wald und dabei blieb ich immer wieder an erhöhten Orten stehen um zu lauschen. Bald erreichten wir eine Straße und grade noch rechtzeitig konnte ich einen von ihnen zurückziehen, der auf die Straße laufen wollte. „Runter!“, zischte ich ihnen leise zu und ließ mich selber flach zu Boden fallen. Keine zwei Minuten später kam ein schwarzer Reiter um die Wegkurve und ritt langsam den Weg entlang. Dabei schien er aufmerksam nach den vier kleinen Kerlen zu suchen. Erleichtert atmete ich auf, als er außer Sichtweite war. „Ihr solltet offene Straßen und Wege meiden, dort werden sie euch viel zu leicht finden“, sagte ich leise und setzte mich auf „Wieso helfen Sie uns?“, fragte nun der dickste misstrauisch. „Das mein kleiner Freund frage ich mich auch, aber jetzt kann ich euch wohl kaum alleine lassen. Ich helfe euch sicher an euer Ziel anzukommen“, antwortete ich und zählte meine Pfeile nach. „Wie ist Ihr Name?“, fragte nun der kleine Mann, der zuvor von seinem Freund vor mir geschützt worden war. „Mein Name ist Claire“, antwortete ich und kramte meine beiden langen Jagdmesser aus meinem Rucksack. Sicher schnallte ich sie an meine kniehohen, geschnürten Lederstiefel. „Das sind Frodo, Sam, Merry und mein Name ist Pippin“, stellte er sich und die anderen vor. „Es freut mich eure Bekanntschaft zu machen, auch wenn ich mir wirklich einen besseren Zeitpunkt für neue Bekanntschaften vorstellen kann“, meinte ich und stand auf. Ich spornte sie zum Weiterlaufen an. Ich ließ sie immer nur kleine Pausen machen, sodass sie sich kurz ausruhen konnten und ließ sie dann weiterlaufen. Schnell merkte ich wie erschöpft sie waren, aber ich wollte die vier nicht zu lange rasten lassen, in einer Gegend in der ich mich nicht in geringsten aus kannte. Ich sprang geschickt auf einen Findling, sah mich in der Dunkelheit um und versuchte etwas durch den starken Gegenregen zu hören. Und wirklich, ich hörte etwas, etwas was ich für ein Dorf hielt und Dörfer gewährten einen gewissen Schutz, da man sich dort leicht verstecken konnte. Schließlich konnte man auch schlecht eine bestimmte Gans unter ihren anderen Artgenossen ausmachen. Nur bezweifelte ich ein wenig, dass es mit meinen Begleitern so leicht sein würde unterzutauchen. Eilig führte ich die vier zum Dorf, wo uns ein grimmiger, alter Mann, am Tor erwartete und uns einließ. Nun übernahm Frodo die Führung und steuerte ein Gasthaus an, das sich zum tänzelnden Pony nannte. Darin war es voll, stickig und es roch schlimm. Nach Bier, Rauch, Schweiß und Dinge, über die ich nicht nachdenken wollte. „Also, wollt ihr mir vielleicht verraten, weswegen sie hinter euch her sind?“, fragte ich leise, als ich mich zu ihnen an den Tisch gesetzt hatte. „Das kann ich Euch leider nicht sagen“, meinte Frodo und man konnte ihn sein Unbehagen nur zu deutlich anmerken. „Ich verstehe schon. Wissen ist nicht nur Macht, sondern auch der schlimmste Feind“, sagte ich tonlos und nahm dankend von Merry ein Bier an. „Darf ich Sie etwas fragen?“, kam es kurz darauf unsicher von Merry. „Nur zu, bis heute habe ich noch niemanden wegen einer Frage gebissen“, grinste ich ihn an. „Sind Sie eine Elbin?“, fragte er unsicher. „Nein und ich muss zugeben, dass ich nicht einmal weiß, was eine Elbin ist“, antwortete ich und log dann. „Ich komme aus einem fremden Land und bin auf der Suche nach Abenteuern.“ Ich merkte sofort, wie das Interesse des jungen Merry geweckt wurde, doch lenkte uns ein Tumult schnell von unserem Gespräch ab. Ich sah Leute durcheinander rennen und plötzlich sah ich, wie ein Mann Frodo mit sich mitzog. Schnell rief ich den anderen drei etwas zu und rannte schon dem Fremden nach. Vor einer Tür zog ich meine Messer und wollte noch etwas zu den drei Herren sagen, als diese schon ohne nachzudenken in den Raum stürmten. Schnell hatte der Mann die drei entwaffnet und schnell merkte ich, dass er auf ihrer Seite war, da er sie nicht angriff, sondern nur entwaffnete. Abschätzend sah er mich an, als ich in den Raum trat. Ich grinste ihn nur an und verpasste im nächsten Moment den drei nichtsnutzigen Idioten eine Runde Kopfnüsse. „Verdammt noch mal seid ihr Lebensmüde oder einfach nur dumm?!“, schrie ich die drei an, die mich erschrocken ansahen. „Wieso mache ich mir eigentlich die Mühe, sammele euch aus den Wald, nur damit ihr bei der erst besten Gelegenheit kopflos losrennt. Wenn er ein Feind gewesen wäre, hättet ihr jetzt tot sein können!“ Betreten schauten die drei aus der Wäsche und ich wandte mich nun an den Mann. „Scheinbar kennt ihr diesen Gandalf nach dem Frodo sucht und wisst weswegen die vier unterwegs sind“, sagte ich zu ihm und er nickte verwundert. „Das stimmt und ich weiß auch was euch verfolgt“, sagte er, sah dabei aber Frodo an. Da ich nun anscheinend uninteressant war, steckte ich die Messer zurück und wollte gehen, doch mich hielt jemand fest. Reflexartig drehte ich mich um, zog dabei ein Messer und hielt es der Person an den Hals. „Niemals anfassen“, zischte ich den Mann warnend an, der mich mit großen Augen ansah. Langsam ließ er mich los und zeigte mir seine Hände, um mir zu zeigen, dass er mir nicht tun wollte. „Ihr solltet uns nach Bruchtal begleiten, denn sie werden auch Euch jagen, nachdem Ihr die vier hier her gebracht habt“, sagte er ruhig. „Bitte Claire“, kam es flehend von Pippin. Seufzend nickte ich, steckte das Messer wieder weg und ließ mich müde auf einen Stuhl fallen. Kaum dass ich saß, meldete sich lautstark mein Magen. „Wann habt Ihr das letzte Mal etwas gegessen? Ich habe Euch bei keiner Rast etwas zu Euch nehmen gesehen“, fragte plötzlich Frodo besorgt. „Ist schon ein paar Tage her“, antwortete ich schulterzuckend und sah in fünf erschrockene Gesichter. „Hey, halb so wild, ich bin es gewohnt. Wo ich herkomme gibt es nicht viel zu Essen. Ich bin das Hungern gewohnt.“ Nun war es an mir erschrocken die Augen aufzureißen, denn fünf männliche Personen fingen nun zeitgleich an, mich auszuschimpfen. Kurz darauf ging der Mann, dessen Name Streicher war und holte uns allen etwas zu Essen. Seit langer Zeit konnte ich mich endlich mal wieder satt essen und schlief dann zufrieden ein. Ich war wieder in den Ruinen meiner Stadt. Hier und da rauchte es noch aus den Resten einiger Häuser, die letzten Zeichen der Bomben, die sie zerstört hatten. Leise konnte man aus versteckten Winkeln unterdrücktes Weinen hören. Aber man versuchte schon nicht mehr zu helfen, denn damit zeigte man sich selber nur das Leid auf, in dem man sich befand und einfach nicht mehr hinauskam. Langsam ging ich die ehemalige Hauptstraße entlang und erschrak furchtbar, als ich an dessen Ende angekommen war. Mein Zuhause, es stand noch. Ich wollte freudig los rennen, doch plötzlich hörte ich Schüsse. Starr vor Schreck, blieb ich stehen und sah zum Haus. An das Fenster der Küche spritze Blut. Laut rief ich nach meiner Mutter und meinen Vater. Ich rannte, doch auf einmal gab es einen lauten Knall. Trümmer flogen durch die Luft und grade noch rechtzeitig konnte ich hinter den Überbleibseln eines Autos Schutz suchen. Um mich herum lief alles wie in Zeitlupe ab. Gefühlte Stunden später kam ich hinter meinem Schutzwall hervor und sah zu dem Platz, an dem zuvor ein wunderschönes, altes Haus gestanden hatte. Wieder rauchende Trümmer. Ich fiel auf die Knie und schrie all meinen Schmerz hinaus. . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)