Endlos im Kreis von Sanaki1 (Halb ist niemals ganz [Sasuke/Hinata/Naruto/Sakura]) ================================================================================ Prolog: Breakup --------------- Hinata Ich hätte es wissen müssen. Von dem Moment an, als er mir in die Augen sah und mich zum Essen einlud. Von dem Moment an, als er endlose Sekunden lang zögerte, bevor er mich küsste. Nein, schon immer. Ist es Mitleid gewesen? Hat er sich verpflichtet gefühlt, meine Liebe so gut es ging zu erwidern nach allem, was ich für ihn getan habe während des Krieges? Und da ist es wieder, dieses nagende Gefühl, dieser Wunsch, zu wissen, was zu diesem Zeitpunkt in ihm vorging. Plötzlich zermartere ich mir den Kopf darüber, warum ich ihn nicht selbst gefragt, warum ich nicht seine Hand ergriffen und ihn zu einer Antwort gezwungen habe. Eine Antwort auf die Frage, wie er mir je solche Hoffnungen machen konnte, nur um sie Monate später in tausend Einzelteile zu spalten. Sie sah es in seinem Blick, als er die Tür zu seinem Apartment aufschloss und sie mit offenem Mund anstarrte. Dieser heillos überraschte Ausdruck, der langsam einem breiten Grinsen wich. Zu langsam. Zu breit. Ihr Magen zog sich zusammen. „N-Naruto-kun“, begann sie zögernd, „Ich habe gehört, dass du heute von der Mission zurückkommst. Also habe ich hier etwas aufgeräumt und.. gekocht. Ich wollte... dir.. ähm...“ Eine Überraschung bereiten? Oder doch eher einen Schock? Auf einmal fühlte sich ihr Mund staubtrocken an und jedes Wort kam ihr nur mehr mühevoll über die Lippen, in einem für ihr früheres Selbst typischen Stottern, von dem sie glaubte, sie hätte es längst abgelegt. „Das ist – super! Danke, Hinata!“, rief Naruto eine Spur zu überschwänglich, während er sich mit einer Hand verlegen am Hinterkopf kratzte. Als er näher kam, ging er an ihr vorbei zu dem Topf mit Nudelsuppe, der am Herd stand. „Mmm, meine Leibspeise! Das duftet ja. Kann ich mir gleich etwas nehmen?“ Er wartete nicht auf eine Antwort. Aber sie wartete. Auf so vieles. Nervös befeuchtete sie ihre Lippen und drehte sich zu ihm um. Er hatte nicht vor, sie... in den Arm zu nehmen? Sie zu halten, zu küssen, zu beteuern, wie sehr er sie vermisst hatte? Nicht, dass sie das ganze Programm, geschweige denn die Hälfte davon erwartet hätte, aber immerhin... waren sie fast ein Monat getrennt gewesen, da Team Sieben eine wichtige Mission erledigen musste. Und nun, endlich wieder vereint... nichts. Etwas sagte ihr, dass er nicht einmal nach ihr gesehen hätte, wäre sie nicht schon überraschend in seiner Wohnung aufgetaucht. Hinata setzte sich zu ihm an den Tisch, ohne sich selbst eine Portion Ramen zu nehmen. Sie bezweifelte, dass sie im Moment irgendetwas hinunterschlucken konnte. Außer Wasser... ja, Wasser... Gedankenverloren schenkte sie sich ein Glas ein und ließ die Flüssigkeit auf ihrer Zunge zergehen. „Wie... war die Mission?“ Er sah auf, immer noch ein Lächeln auf den Lippen. Es war nicht echt. Sie wusste es. „Ach, ein Kinderspiel! Wirklich nicht der Rede wert. Am besten war es, wieder als Team zu arbeiten. Sasuke, Sakura-chan, Kakashi-sensei und ich.“ Als ob sie nicht wüsste, wer seine Teamkameraden waren. „Ja und dann war der Typ erledigt. Dem hab ich’s wieder mal gezeigt! Stimmt’s, Hinata?“ Ihr Kopf fuhr hoch, als sie ihren Namen hörte. Hatte sie etwa gar nicht zugehört? Mit glühenden Wangen nickte sie, öfter als angebracht. Was war nur los mit ihr? Nein, was war los mit ihm? Warum fühlte er sich so abweisend an, so weit entfernt, obwohl sie genau gegenüber saßen? Das Schmatzen und Mampfen neigte sich nach der dritten Portion Ramen dem Ende zu. Naruto schluckte die letzte Nudel und legte die Essstäbchen neben seine Schüssel. Dieses unscheinbare Geräusch brannte sich in Hinatas Gedächtnis ein, sodass sie es Tage, Wochen später noch mit dem Kommenden verbinden würde. „Hinata, wir müssen reden.“ Und da war die Ahnung, die schmerzhafte Ahnung, über was er mit ihr sprechen wollte, was sein falsches Lächeln letztendlich fortgeweht hatte wie ein Blatt im Wind. Bevor er überhaupt ein weiteres Mal den Mund öffnete, fühlte Hinata bereits das bekannte Stechen in der Nase, das Brennen in den Augen. „Wir reden doch gerade“, versuchte sie, kläglich abzulenken, ihre Stimme nicht mehr als ein Flüstern. Aber Naruto antwortete nicht. Er holte tief Luft, ballte seine Hände zu Fäusten, nur um sie gleich darauf wieder zu lockern, sein Mund öffnete und schloss sich mehrmals. Uncharakteristisch, ja. Das zeigte lediglich, wie angespannt er in diesem Augenblick sein musste... und wie ernst diese Sache war, die sie besprechen würden. „Ich dachte, ich kann es“, stieß Naruto schließlich hervor und obwohl sich aus diesen fünf Worten noch kein endgültiger Sinn erschließen konnte, zuckte Hinata merklich zusammen. Sie schaffte es nicht, ihn anzusehen. Stumm glitt ihr Blick gen Tischdecke. Seine Stimme klang rau, fast ein wenig heiser, als er fortfuhr: „Hinata, ich... es tut mir so Leid. Aber... ich kann das nicht mehr. Ich dachte nicht... ich hätte nicht... dich nicht fragen sollen... Versteh mich nicht falsch, du bist unglaublich, eine wirklich ganz nette und starke und, und tolle Person, aber in letzter Zeit muss ich immer öfter zweifeln, ob...“ Einen Moment lang stockte er; sei es wegen den Tränen, die verstohlen ihre Wangen hinunterliefen oder weil er die richtigen Worte suchte, um ihr den Laufpass zu geben. Der Moment ging vorüber. „Hinata, ich kann nicht mehr mit dir zusammen sein.“ Und hier war er: der Satz, der alles verändern sollte. Das Schluchzen – so laut und herzzerreißend - , das Hinata daraufhin entwich, überraschte beide. Naruto sprang auf und hechtete um den Tisch herum zu ihr. „Hinata!“ Sie hörte ihn kaum über den ohrenbetäubenden Klang ihrer Trauer hinweg. Er legte eine Hand auf ihre bebende Schulter, zog sie wieder zurück, als ob er das so nicht geplant hätte, bevor er letztendlich resignierte und gleich beide Arme um sie legte. Die Dämme waren längst gebrochen. Hemmungslos weinte Hinata mit dem Gesicht in ihren Händen. Sie wollte Naruto jetzt nicht sehen. Wahrscheinlich war es wieder Mitleid, das seinen Blick vernebelte. Wahrscheinlich war es Mitleid, das ihn überhaupt zu einer Beziehung mit ihr hingerissen hatte. Das arme, so verknallte Hyuuga-Mädchen, das sich nichts sehnlicher wünschte als dass ihr Schwarm dasselbe für sie empfand. „Hinata, bitte. Es tut mir Leid, es tut mir so Leid! Wir können natürlich Freunde bleiben. Ich weiß, das ist nicht dasselbe für dich – Ich, ich weiß, ich bin ein Idiot, aber-“ „Naruto-kun“, unterbrach sie den Schwall an Entschuldigungen, der ihr gleichsam Ohren und Herz zerstach. Mit aller Kraft hob sie den tränenverschleierten Blick, betrachtete sein Gesicht. Er sah aus, als müsste er selbst bald weinen. Sie schluchzte erneut. Was für ein Disaster. Was für ein Tag. Vor einer Stunde noch hatte sie summend das Abendessen vorbereitet und Narutos Rückkehr herbeigesehnt. „Bitte, N-Naruto-kun... sag n-nichts mehr“, flüsterte sie, ihr Blick wieder gesenkt. „Hinata, ich-“ Dann erhob sie sich vom Stuhl und ging. Er hielt sie nicht auf. ~~~ Sasuke Ihre Wutausbrüche überraschen mich nie. Weder das, noch die Worte, die sie mir an den Kopf wirft. Wie oft schon hat sie damit gedroht, unsere Beziehung zu beenden? Sakura, du bist wie ein offenes Buch für mich, in dem ich nicht einmal zu blättern brauche, weil du mir die Seiten bereitwillig hinhältst. Ich kenne dich. Du wirst wieder zurückkommen. Ein halber Tag Marsch trennte sie noch von Konoha. Sasuke starrte ins Feuer und betrachtete mäßig interessiert, wie die Glut hin und wieder zischte, da Sakura darin herumstocherte. Was Naruto und Kakashi anbelangte... Letzterer war in eines seiner Pornobücher vertieft und der blonde Wuschelkopf redete angeregt mit Sakura. Der Anflug eines Grinsen stahl sich auf Sasukes Gesicht. „Und wenn ich erst Hokage bin – denn glaubst du, ich lasse mir das von dem Teme da vermasseln? - , hab ich endlich mein Ziel erreicht! Kaum zu fassen nach all den Jahren, dass-“ „Mhm.“ Wirklich interessante Diskussion zwischen den beiden. Sasuke konnte sich einen gehässigen Kommentar nicht verkneifen: „Dobe, du brauchst keinem von deinen Kindesträumen zu erzählen und schon gar nicht Einzelheiten davon. Der einzige, der hier Hokage wird, bin ja wohl ich.“ Der verbale Angriff verfehlte nicht seine Wirkung. Sofort plusterte Naruto sich auf und beteuerte, dass er ihn auf jeden Fall besiegen werde und dass sie überhaupt beide erst auf Tsunades Rücktritt warten mussten, blablabla. Spaßeshalber entschied sich Sasuke, eine Weile mitzuzanken, bevor Sakura dazwischenfunkte. „Hört auf damit, alle beide! Wie im Kindergarten.“ Sasuke stieß nur ein „Hn“ aus, während Naruto sich zu verteidigen versuchte und eine Kopfnuss erntete. Normalerweise hätte sich Sakura auf Sasukes Seite gestellt oder sich gänzlich hinausgehalten. Nach dem Streit heute Morgen jedoch scheute sie keine Gelegenheit, auf dem Uchiha rumzuhacken. Inklusive der giftigen Blicke, die sie ihm immer wieder zuwarf. Innerlich seufzte Sasuke gequält auf. Alles deutete darauf hin, dass sie über das, was vorgefallen war, reden wollte. Nervig. Warum konnte sie es nicht wie am Anfang ihrer Beziehung machen? Einsehen, dass er immer Recht hatte, Punkt. „Sasuke-kun.“ Natürlich, da kam die Leier schon. „Hn?“ Er blinzelte ihr zu. „Kann ich kurz mit dir unter vier Augen reden?“, fragte sie mit gepresster Stimme, woraufhin Kakashi sogleich aufstand. „Komm, Naruto, ab ins Zelt. Lassen wir die Verliebten allein.“ Ein Schnauben und unverständliches Grummeln als Antwort. Nachdenklich beobachtete Sasuke, wie die Augen seines besten Freundes zuerst zu Sakura, dann zu ihm huschten und sich anschließend verengten. Zumindest für den Bruchteil einer Sekunde lang, dann war er wieder der Alte und trottete hinter Kakashi her. „Also“, fuhr die Kunoichi des Teams fort, sobald sie alleine waren. „Was sollte das heute Morgen? Warum musst du mich wegen alles und jedem anschnauzen? Ich wollte lediglich Frühstück für uns machen, du keifst, wir haben keine Zeit und müssen weitergehen. Dann die Sache mit den Banditen. Ich finde es ja süß, dass du mich beschützen willst, aber scheinbar aus den falschen Motiven. Warum...“ Ein weinerlicher Unterton schlich sich in ihre Stimme. „Warum musstest du mir sagen, dass ich schwach und nutzlos bin? Warum sagst du so etwas? Zu deiner Freundin?“ Sasuke atmete scharf durch die Nase aus. Langsam ging ihm dieses ewige Gejammere mächtig auf den Sack. Wenn sie jetzt noch zu heulen anfing, würde er auszucken. Konnte sie denn keine Kritik vertragen? Außerdem hatte er nie wortwörtlich „schwach“ und „nutzlos“ gesagt; sie sollte die Sache lediglich ihm und Naruto überlassen – weil ihre Stärke nicht im Kampf lag, weil sie der Medic-nin des Teams war. Mehr nicht. Wie schaffte sie es, aus jedem Pups, der aus ihm rauskam, eine Staatsaffäre zu machen? Was erwartete sie überhaupt von ihm? Dass er ihr das Blaue vom Himmel hinunterbetete und sie auf Händen trug? Mit kalter Stimme setzte er zu einer Antwort an: „Warum? Es ist nun mal die Wahrheit. Akzeptier’s endlich.“ Das... war eventuell eine Spur zu gemein. In Erwartung mit dem Schlimmsten kniff er für einen Moment die Augen zu, als ihm bereits das altbekannte Schluchzen zu Ohren kam. Na super. Entnervt öffnete er die Augen wieder und besah sich ihr tränenüberströmtes Gesicht. Sekunden später zeichnete sich Wut darauf ab. Wie immer. Dieses Spiel kannte Sasuke in-und auswendig. „Du bist – Du... du bist ein echtes Arschloch!“ Und ab ging die Post. Er würde einfach warten, bis der Sturm vorüberzog. „Wie konnte ich dir je Jahre lang nachtrauern? Wie konnte ich mich nur in dich verlieben?“ Ein Ast unter ihren Füßen knackte, als sie aufsprang. „Und du – liebst du mich überhaupt? Was soll das Ganze hier?“ Er sagte nichts. „Liebst du mich?“, wiederholte sie mit Nachdruck. Dieses Mal spürte er, wie sich ein Kloß in seinem Hals formte und es ihm unmöglich machte, zu sprechen. Liebe... Die Sekunden verstrichen. Sakura biss sich auf die Unterlippe, wohl um einen weiteren Schluchzer zu vermeiden. Dann verkündete sie aus heiterem Himmel: „Es ist aus. Das zwischen uns ist aus, Sasuke-kun.“ Er blieb noch sitzen, nachdem sie gegangen war. Sie lügte. Es war schon zu oft „aus“ zwischen ihnen gewesen, als dass ihn der nächste hysterische Anfall ihrerseits im Geringsten beunruhigen konnte. Doch obwohl er es nie offen zugegeben hätte, spürte Sasuke einen Stich im Herzen bei dem Gedanken, sie zu verlieren. Liebe, dachte er. Was ist das schon? Kapitel 1: Der Tag danach ------------------------- Sakura Kaum hatten sie die Tore Konohas passiert, wollte sie auch schon zu einem Sprint nachhause ansetzen – alles, bloß weg von ihm. Wenn da nicht jemand wäre, der ihr Handgelenk umschloss und sie galant daran hinderte. Sakura fuhr herum, halb hoffend, halb fürchtend, dass es Sasuke war, aber das Paar blauer Augen, das sie besorgt anstarrte, belehrte sie eines Besseren. „Sakura-chan, warte! Du-“ Sie brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, um sich loszureißen. „Lass mich in Ruhe, Naruto!“, fauchte sie ihm über die Schulter hinweg zu, während sie bereits auf das nächstbeste Dach sprang. Das Letzte, das sie von ihren Teamkameraden hören konnte, war Kakashis Stimme: „Oh-oh, da hat wohl jemand seine Tage.“ Ha-ha, ganz lustig war ihr Sensei heute wieder drauf. Und Sasuke? Sagte wie immer nichts. Mistkerl. Vor der Wohnung ihrer Eltern kam Sakura zu einem schlitternden Halt, fasste mit einer Hand nach der Türklinke und riss sie noch in der Bewegung unsanft auf. Genauso „unsanft“ fiel sie auch ins Schloss, nachdem sie hineingestürmt war. Bitte lass sie nicht da sein, bitte lass sie nicht da sein, wiederholte sie zugleich ihr stummes Mantra, ihr Blick gehetzt von einer Ecke des Zimmers zur nächsten schweifend. „Sakura, willkommen zurück!“ Verdammt. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Scheißtag. Widerwillig folgte sie der Stimme mit ihren Augen und sah ihre Mutter aus der Küche hervorlugen, zumindest ohne deren Mann im Schlepptau. Dads dumme Witze würden ihr den letzten Nerv rauben. Sakura versuchte rasch, ihre Atmung zu beruhigen; nach dem Rekordsprint, den sie bis hierher hingelegt hatte, war es kein Wunder, dass ihre Lungen mehr Sauerstoff verlangten als sonst. „Hi, Mum.“ Es klang gekünstelt, ja, wie auch das dünne Lächeln, das sie sich auf die Lippen malte, aber zu mehr fühlte sie sich im Moment nicht imstande. „Ich geh mal nach oben.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, stürzte Sakura die Stufen hinauf zu ihrem Zimmer und schlüpfte hinein, als wäre es ein heiliger Zufluchtsort. Als sie – nicht verwunderlich – die Schritte ihrer Mutter und deren besorgtes Geplärre hörte, schlug sie kurzerhand die Tür hinter sich zu. Und... Schlüssel... Fahrig suchte Sakura nach dem wunderbaren Gegenstand – ah, da war er ja! – und sperrte zu, bevor ihre Mutter die Türklinke hundertmal hinunterdrückte. „Sakura! Was soll denn das? Mach doch auf! Was ist passiert?“ „Ich will alleine sein!“, erwiderte jene nur und ließ sich mit einem Seufzer aufs Bett fallen. All das Adrenalin, welches sie zu so schnellem Handeln hingerissen hatte, war ohne Ausnahme verbraucht. Zurück blieb lediglich ein Gefühl der Erschöpfung und Müdigkeit. Ach, wem machte sie hier etwas vor? Zurück blieb die Gewissheit, dass sie sich vor wenigen Stunden von ihrer großen Liebe getrennt hatte! „Ist es wegen Sasuke?“, drangen die Worte ihrer Mutter durch die Tür und trafen wie so oft ins Schwarze. Sakura murrte leise. Doch anscheinend nicht leise genug. „Habt ihr euch schon wieder gestritten?“ Eine kurze Pause. „Hat er mit dir Schluss gemacht?“ Das war der Auslöser. Entrüstet stemmte sich Sakura auf; ihr Polster fiel vom Bett. „Ich hab mit ihm Schluss gemacht!“ So. Damit hier ja keine Missverständnisse entstanden. Ts. Als ob sie alles mit sich gefallen ließ, nur weil sein Name Sasuke Uchiha war. Eine Weile herrschte Schweigen außerhalb des Zimmers. Erst danach antwortete ihre Mutter, wobei fast schon ein belustigter Unterton mitschwang: „Und warum weinst du dann?“ „Bist du bescheuert? Ich weine nicht!“ Im selben Atemzug wischte sich Sakura verstohlen die Tränen weg. ~~~ Naruto Er hätte das nicht tun sollen. Die Beziehung beenden. Nein, das war es nicht. Die Beziehung beginnen. Er hätte das nicht tun sollen. Immer und immer wieder kreisten seine Gedanken um das am Vortag Geschehene, um ihr Schluchzen, um den Ausdruck in ihren Augen, diese tiefe Trauer, die sie ihm noch nie so offen gezeigt hatte. Er war ein Idiot. Sakura und Sasuke sagten es ständig, doch das erste Mal schien er zu verstehen, was für ein kompletter, richtiger, dummer, blöder Idiot er wirklich war. Denn nur solche Leute verletzten den einzigen Menschen auf dieser ganzen Welt, der sie nicht nur von Herzen liebte, sondern auch begehrte. Stöhnend raufte sich Naruto die Haare, sein Blick kaum auf den Weg vor ihm gerichtet. Um ehrlich zu sein, konnte er nicht mit Sicherheit sagen, wo ihn seine Füße überhaupt hintrugen. Es war später Morgen, beinahe Mittag, als er durch die Straßen Konohas schlenderte. Ziellos. Einige Dorfbewohner begannen bewundernd zu flüstern, andere jubelten ihm lautstark zu. „Da ist er, unser Held! Der Größte von allen! Naruto-sama!“ Die Lobtiraden seiner Fans zauberten ihm eigentlich stets ein Grinsen ins Gesicht, aber dieses Mal hatte er Mühe, ihnen zuzulächeln und selbst das tat er nur aus Höflichkeit. Zusammen mit Sasuke galt er seit dem Krieg als Retter Konohas, obwohl viele Bürger dem Uchiha eher mit Vorsicht gegenübertraten. Umso besser für Naruto. Das Image des bösen Fuchsdämons war mittlerweile ausgelaugt wie eine... vergammelte Nektarine – da ihm gerade kein besserer Vergleich einfiel. Wie auch? 90% seines Denkapparates beschäftigten sich momentan mit nichts weiter als zwei Erinnerungen: Erstens, als er Hinata verlassen hatte – okay, wortwörtlich hatte sie ihn eigentlich oder besser gesagt seine Wohnung verlassen, aber sei’s drum – und zweitens, als Sakura Sasuke den Laufpass gegeben hatte. Letztere Szene war unmöglich zu überhören gewesen, wenn auch in dieser Konstellation unvorstellbar. Sakura liebte Sasuke, schon seit Ewigkeiten. Warum also...? Weißt du, wie nervig es ist, dir zuzuhören?, unterbrach Kurama seine Gedanken. Seit wann interessierst du dich plötzlich nur mehr für Weiber? Naruto zuckte zusammen. Seine Ohren fühlten sich warm an. Halt die Klappe, Kurama! Das ist schwieriger als alle Jutsus, die ich je gelernt hab! Da erspähte er aus dem Augenwinkel die Buchstaben Ichiraku-Laden, die ihn fast magisch anzogen. Sofort hielt Naruto in seinen Überlegungen inne, unschlüssig, ob er nach allem, was geschehen war, sich wirklich einfach hineinsetzen und Ramen futtern sollte. Dann wiederum... wieso nicht? Er hatte noch nicht Mittag gegessen... und... „Naruto!“ Ertappt wirbelte er herum; seine Kinnlade klappte nach unten, als er sah, wer ihn gerufen hatte. ...Sakura? Mit freudestrahlendem Gesicht lief sie auf ihn zu, ohne ihr Tempo zu zügeln und zog ihn am Handgelenk Richtung Ichiraku. „Komm, wir haben jetzt ein Date!“ „W-Was?“ Zu sagen, dass er vor Überraschung kaum ein Wort herausbrachte, war untertrieben. Date? Mit Sakura? Freiwillig? Träumte er? Einen Moment später saß Naruto schon auf einem der Barhocker und glotzte die Rosahaarige neben ihm nicht gerade intelligent an. Sie bemerkte seinen Blick. „Jetzt schau nicht so dämlich“, zischte sie. Ihre smaragdgrünen Augen huschten kurz zum Eingang. In der Annahme, dass sich dort eine Erklärung für ihr seltsames Verhalten befand, wollte Naruto bereits den Kopf drehen, doch sie schob sein Gesicht wieder zu ihr. „Hör zu.“ Sie beugte sich ein Stück vor, sodass ihre Nasenspitzen nur Millimeter voneinander entfernt waren. Naruto schluckte. „Du musst mir helfen“, fuhr sie beinahe flehend fort. „Spiel einfach mit. Bitte. Ich weiß nicht, wen ich sonst fragen kann. Und kein anderer würde ihn mehr ärgern. Kein anderer hätte einen solchen Effekt auf ihn.“ „M-Mitspielen?“, murmelte er. „Bei was denn?“ „Ich kann Sasuke nicht aufgeben. Ich hab’s versucht, ich hab’s wirklich versucht, aber ich kann nicht. Und trotzdem möchte ich nicht, dass es so einseitig bleibt. Ich möchte, dass er dasselbe für mich empfindet wie ich für ihn. Anders ist jede Beziehung mit ihm zum Scheitern verurteilt.“ Der Rotschimmer, der sich zuvor auf seine Wangen gelegt hatte, verblasste. Sasuke. Schon wieder ging es um Sasuke. Wie hatte er auch nur für einen klitzekleinen Moment wagen können, etwas anderes zu erwarten? Naruto schluckte noch einmal, bevor er sich zu einem sorglosen Grinsen zwang. „Du willst ihn eifersüchtig machen, nicht wahr? Na klar, wär doch gelacht, wenn wir das nicht hinkriegen.“ Pure Erleichterung stand in Sakuras Gesichtszügen geschrieben. „Ja... ja, genau. Ich bin überrascht, dass du’s so schnell rausgefunden hast“, fügte sie zwinkernd hinzu, doch er spürte ihre Nervosität. „Und wegen Hinata... mach dir keine Sorgen. Das bleibt unter uns, ich versprech’s. Das hat keine Bedeutung und sie wird nichts erfahren. Es ist nur dieses eine vermeintliche Date.“ Er winkte ab, obgleich ihn ihre Nähe immer noch ein klein wenig verwirrte. Während sie sprach, konnte er ihren Atem auf seinem Gesicht fühlen, warm und... Und... Hinata. Ein eiskalter Schauer lief ihm den Rücken hinunter. Natürlich. Sakura wusste nichts. Niemand wusste, dass er am Abend zuvor mit Hinata Schluss gemacht hatte. Irgendwie bezweifelte er auch, dass sie selbst es schon jemandem erzählt hatte. Wenn Neji noch leben würde... er hätte es wohl aus ihr hinausgekitzelt. Und Naruto windelweich geschlagen. Aber Neji war tot. Sie hatte niemanden mehr, der sie beschützte. Oder tröstete. Oder ihre Tränen trocknete. Das Hochgefühl, Sakura nahe zu sein, verflog augenblicklich. Benommen nickte er, als seine Teamkameradin ihm mitteilte, dass Sasuke in der Nähe war und bestellte daraufhin so unbeschwert wie möglich zwei Portionen Ramen für ihn und sein „Date“. „Oh Naruto, es überrascht mich gar nicht, dich zu sehen!“, lachte Teuchi, der die Bestellung entgegennahm. Sein Blick fiel auf Sakura. „Aber ein anderes Mädchen an deiner Seite, hm? Wenn man so berühmt ist wie du, kein Wunder.“ Noch ein Lacher, dann gab er seiner Tochter Ayumi Bescheid. „Zwei Portionen Ramen kommen sofort!“ Und sofort kamen sie wirklich. Gleich darauf schob Sakura ihren Hocker näher an seinen heran, eine keineswegs beiläufige Geste. „Kannst du dich erinnern, als ich dich damals füttern wollte?“, fragte sie laut genug, sodass man es in der gesamten Ramenbude hören konnte. Naruto beäugte sie unsicher. Die glockenhelle Stimme, die glänzenden Haarsträhnen, welche ihr Gesicht mitsamt dem zuckersüßen Lächeln umrahmten. Sie war eine gute Schauspielerin. Auf jeden Fall eine bessere als damals im Eisenland, als sie ihm ihre angebliche Liebe gestanden hatte. „Äh... ja, klar.“ Er räusperte sich. „Kakashi hat uns gestört! Dieser...“ Weiter kam er nicht, da stopfte Sakura ihm schon ein paar Nudeln in den Mund. Unwillkürlich errötete er wieder. „D-Danke, Sakura-chan...“ – „Schh, nicht sprechen. Mund auf.“ Naruto wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war – Sakura fütterte ihn, strich ihm scheinbar verliebt über die Wange und lachte - , bis plötzlich eine tiefe Stimme hinter ihnen ertönte. „Du hast aber schnell Ersatz gefunden. Hätte ich dir nicht zugetraut.“ Ein siegessicherer Ausdruck schlich sich auf das Gesicht der Kunoichi. „Sasuke-kun“, schmunzelte sie, ohne sich umzudrehen. „Was für ein Zufall. Aber überrascht dich das wirklich so? Naruto ist doch tausendmal besser als du. Er war immer für mich da im Gegensatz zu dir.“ Die Spannung stieg. An einem bestimmten Punkt hielt es Naruto nicht mehr aus und drehte sich in seinem Sitz um, bereit, Sasukes Todesblick auf sich zu spüren. Wofür er sich ganz und gar nicht bereit fühlte, war, Hinata zu sehen. Die Hände auf ihre Brust gepresst stand sie neben dem Uchiha, zu weit von ihm entfernt, um mit ihm gekommen zu sein, aber durch allen dämlichen Zufall der Welt war sie scheinbar am Ichiraku vorbeigegangen und vor Schreck stehen geblieben. Narutos Gesichtszüge entgleisten. Scheiße. Obwohl er ihr zu nichts mehr verpflichtet war, wollte er nicht, dass sie ihn mit Sakura sah. Er wollte nicht, dass sie glaubte, er hätte sich deswegen von ihr getrennt - weil er jemand Besseres gefunden hatte. Nun schien es auch Sakura für angemessen zu finden, Sasuke anzusehen, doch wie Naruto zuvor erblickte sie Hinata und hielt sich bestürzt die Hand vor den Mund. Als einziger der vier begann Sasuke zu grinsen. Seine dunklen Augen musterten Hinata. „Hyuuga. Vielleicht solltest du besser gehen, bevor die zwei sich noch ausziehen. Du bist ja doch von schwachem Gemüt, oder?“ Das war zu viel. Sosehr Naruto auch seinen besten Freund schätzte, hatte dieser kein Recht, absolut kein Recht, Hinata zu beleidigen und Öl ins Feuer zu gießen. Die Situation war ohnehin schon scheiße genug und natürlich – er verstand, dass Sasuke sauer war; er verstand, dass Sasuke Luft ablassen musste, aber... aber dass Hinata auftauchte... das war so nicht geplant! Unbeholfen stand Naruto auf. Er wollte etwas sagen, irgendetwas, doch sein Kopf war wie leer gefegt. „Hinata“, rief stattdessen Sakura. „Es ist nicht so, wie es aussieht; wir-“ „Ich verstehe“, fiel ihr Sasuke spöttisch ins Wort. „Du dachtest, du könntest mich eifersüchtig machen?“ Naruto registrierte kaum, dass die beiden schon wieder zu streiten begannen. Seine volle Aufmerksamkeit lag auf der Stelle, an der Hinata vor wenigen Sekunden noch gestanden hatte. Er glaubte, Tränen in ihren Augen gesehen zu haben, bevor sie sich umdrehte und wegrannte. Ein Teil von ihm fragte sich, warum er ihr nicht folgte, ihr hinterherlief und beteuerte, dass das Date nur Show gewesen war. Aber der andere Teil fürchtete sich vor dem Gespräch, löschte jeden plausiblen Satz, den er ihr hätte sagen können, klebte seine Fußsohlen am Boden der Ramenbude fest. Dieser andere Teil war stärker. Und das erschreckte ihn am meisten. Kapitel 2: Ganz und gar nicht ----------------------------- Sakura Konnte ihm bitte irgendjemand dieses schiefe, sexy – oh, stop! Nicht sexy – abfällige Grinsen hinausprügeln? Es war sowieso schon peinlich genug, dass er von ihrem kindischen Plan erfahren hatte; er musste sie nicht noch damit aufziehen. „Ich wusste doch, da ist was faul“, merkte er trocken an, während ihr sein weiterhin süffisantes Lächeln die Schamesröte ins Gesicht trieb. „Wie erbärmlich. Warum kriechst du nicht gleich auf allen Vieren zu mir zurück? Ist doch schade um die Show.“ Seit wann war Sasuke noch einmal so schlagfertig, kalt und berechnend? Ach ja, seit sie ihn kennengelernt hatte. Der einzige Unterschied zu „damals“ bestand wohl darin, dass er zusammengerechnet mehr mit ihr sprach als zur Zeit bevor sie den Mumm hatte, ihm verbal Kontra zu geben. Wie ironisch, dass sie gerade jetzt an den Anfang ihrer Beziehung dachte. ...Welchen man im Übrigen mit wenigen Worten beschreiben konnte: ihr festgeklebtes Honigkuchenpferdgrinsen, inklusive der Glänzeaugen, die ihm jeden Wunsch von den Lippen ablasen, sein nichtssagendes „Hn“ und dazwischen nur etwaige... Dinge, die sie momentan besser in ihren eigenen Gedanken zensierte, um einen kühlen Kopf zu bewahren. Und sich auf die gegenwärtige Situation zu konzentrieren war von äußerster Wichtigkeit, wenn sie den Streit nicht wie so oft verlieren wollte. „Zu dir zurückkriechen? Nein danke, da muss ich passen!“, pfefferte sie mit aller Boshaftigkeit, die sie aufbringen konnte, zurück. Selbst wenn er diesbezüglich Recht hatte – und sie gab zu, insgeheim hatte sie sich noch lange nicht mit seiner Wenigkeit abgefunden - , würde sie ihm nie solche Genugtuung verschaffen, vor allem nicht in diesem Augenblick. Sollte er lieber den Eindruck haben, sie wäre über ihn hinweg und hätte Besseres zu tun, als um ihn herumzuscharwänzeln wie eine läufige Hündin. Vielleicht, nur so am Rande, musste sie sich erst rar machen, um sein Interesse zu wecken. Auf irgendetwas musste er doch anspringen. Sasukes Mund öffnete sich wieder, doch sie gab ihrer vorherigen Aussage hastig eine Zugabe: „Mich von dir zu trennen war das Klügste, das ich seit langem gemacht hab!“ Zu ihrer Enttäuschung minderte nicht einmal das die Arroganz, die ihn in Wellen zu durchströmen schien. Da war keine versteckte Bitte in seiner Haltung, kein Zorn, keine Eifersucht, nichts, was darauf hindeutete, dass ihn die Situation im Geringsten beunruhigte. „Lügen“, antwortete er und schaffte es mit einem Wort, ihre trotzige Miene zu brechen. „Wann verstehst du endlich, dass ich jede deiner Lügen durchschauen kann?“ Ohne ihr einen weiteren Blick zuzuwerfen, wandte er sich an Naruto. „Dobe. Training heute Abend?“ „W-Was... Training...?“, hörte Sakura ihren Teamkameraden neben sich murmeln, aber sie schenkte dem kurzen Gespräch kaum Beachtung. Ihre Augen waren unentwegt auf Sasuke geheftet, selbst als er sich mit einem „Heute 18 Uhr“ verabschiedete und davonstolzierte. Er sah kein einziges Mal zurück. „Geh doch!“, schrie sie ihm in Gedanken nach, während sie sich genau das Gegenteil ersehnte. Sie spürte, wie sich ihre Nägel in ihre Handflächen bohrten, als sie mit geballten Fäusten herumwirbelte, um den Blick von Sasuke zu lösen. All der aufgestaute Frust pochte in ihr wie ihr schnell schlagendes Herz; Worte quollen hervor, die sie ihm an den Kopf hätte werfen sollen in der stetigen Hoffnung, sie könne ihn mit irgendetwas so sehr verletzen wie er sie. Eine Weile stand Sakura reglos da bis auf das kaum merkbare Zittern, von dem sie sich nicht sicher war, ob es sie aus Wut oder Enttäuschung lähmte. Als sie schließlich den Kopf hob, entdeckte sie aus dem Augenwinkel Naruto, der anscheinend zur Salzsäule erstarrt war. „Was machst du noch hier?!“, blaffte sie ihn an, während sich ihre rechte Faust automatisch hob und zum Schlag ausholte. „Wieso bist du nicht schon längst bei Hinata, du-“ „Ah, Sakura-chan, nicht--!“ Kurz bevor sie ihm den Schädel einschlagen konnte, hielt Sakura plötzlich inne. Was tat sie da? Was sollte das? Entsetzt ließ sie ihren Arm sinken und umschlang ihn mit der anderen Hand, als müsse sie sich selbst in Schach halten. Wie konnte sie ihre Wut an Naruto auslassen, nur weil sie das Gefühl hatte, es täte ihr gut? Naruto, der ihr geholfen hatte, Sasuke etwas vorzuspielen; der ihr geholfen hatte, obwohl er frisch mit Hinata zusammen war. Womit sie gleich beim nächsten Punkt angelangt wäre: Hinata. Die unschuldige, stets freundliche Hinata, die sie schon so lange kannte... Sie wollte sich gar nicht ausmalen, wie sich die Arme jetzt fühlen mochte. „Äh ja, du hast Recht... ich geh dann mal.“ Sakura blinzelte. Typisch Naruto. Er hatte nichts von ihrem Sinneswandel mitbekommen und machte sich bereits auf den Weg nach draußen. „Naruto!“, rief sie ihm hinterher, um einiges sanfter als zuvor. Fragend drehte er sich zu ihr um. Sein Grinsen schien entrückt, fast zittrig, aber sie wusste, dass es dieses Mal nichts mit ihr zu tun hatte. Das Gefühl der Schuld ließ sie schneller sprechen. „Es tut mir Leid... Naruto, es tut mir Leid. Ich hätte nie gedacht, dass Hinata plötzlich auftaucht. Das wollte ich nicht. Ich hätte dich nicht da hineinziehen sollen.“ Einen Moment lang, ein, zwei Sekunden vielleicht, weiteten sich seine Augen und erlaubten ihr einen Blick in sein wahres Gesicht – verwirrt, nervös, hilflos. Sakura schluckte. Was hatte sie getan? Nur weil Sasuke und sie kein Glück hatten, konnte sie doch nicht die Beziehung ihres besten Freundes gefährden. Ganz zu schweigen davon, dass Hinata so etwas unter keinen Umständen verdient hatte. Dann bemerkte sie, wie Naruto den Kopf schüttelte, das falsche Grinsen wieder sorgfältig aufgesetzt. „Kein Ding.“ Sie sah ihm nach, als er sich langsam entfernte, und hoffte von ganzem Herzen, dass Hinata ihm nicht böse sein würde. Notfalls würde sie, Sakura, einfach auch mit der Hyuuga-Erbin sprechen. Zwar waren sie nicht wirklich Freundinnen, aber sie kannte Hinata als vernünftige, nette Person, die sich sicher bereitwillig dieses dumme Missverständnis erklären ließe. „Ähm, entschuldigung. Seid ihr... äh, wohl eher: Bist du schon fertig?“ Sakura wandte sich überrascht um und erkannte die Tochter Teuchis vor sich. Ayumi, oder? Gleich darauf folgte sie deren Blick zu den halbaufgegessenen Schüsseln Ramen. Ein Rotschleier legte sich auf ihre Wangen. Im Eifer des Gefechts hatte sie glatt vergessen, dass sie sich im Ichiraku befanden... an einem öffentlichen Ort mit Leuten, die alles mitbekommen hatten. Am liebsten wäre sie im Erdboden versunken. „J-Ja!“, erwiderte sie stattdessen und kramte in ihrer Hosentasche nach Geld. „Ich zahle.“ ~~~ Sasuke Nachdem er eine Kleinigkeit zu Mittag gegessen und kurz am Trainingsplatz trainiert hatte, machte sich Sasuke gelangweilt auf den Heimweg. Bis auf den Zwischenvorfall im Ichiraku war der Tag bisher alles andere als spannend verlaufen. Wären sie nicht erst am Vortag von einer langen Mission zurückgekommen, hätte er noch Hoffnung gehabt, dass Tsunade die nächste Aufgabe für Team 7 bereit hatte. Aber so... sah es ganz danach aus, als würde dieser Tag der Entspannung dienen. Oder auch: des gähnenden Nichtstuns. Unvermittelt wanderten seine Gedanken zu Naruto und dem Training, das er sich mehr oder weniger mit ihm ausgemacht hatte. Warum war der Dobe auch so verpeilt gewesen? Normalerweise sprühte er vor Tatendrang, wenn jemand nur das Wort „Training“ in den Mund nahm. Vielleicht, weil er Narutos angebliches Date mit Sakura gestört hatte? Ein belustigtes Schnauben entfuhr ihm. Wohl kaum. Nach all den Jahren sollte die Dumpfbacke endlich geschnallt haben, dass es für ihn bei Sakura nichts zu holen gab. Hn, musste ja auch seine Gründe haben, warum man ihn so treffend Dumpfbacke nennen konnte. Sasuke ging eben an der Ninja-Akademie vorbei, als ein leises, aber dennoch unüberhörbares Geräusch seine Aufmerksamkeit erregte. Sein Blick zuckte in die Richtung, aus der das Schluchzen kam. Inmitten des Spielplatzes auf der Schaukel saß das Hyuuga-Mädchen. Sie hatte den Kopf gesenkt, während ihr langes Haar wie ein spaltbreit geöffneter Vorhang um ihr Gesicht wehte. Ab und zu stieß sie sich mit den Füßen vom Boden ab und wippte leicht. Erst, als sie sich nicht aus seinem Blickfeld bewegte, registrierte Sasuke, dass er stehen geblieben war. Das Hyuuga-Mädchen... wie hieß sie noch gleich? Er wusste lediglich, dass sie den selben Jahrgang auf der Akademie besucht hatte und zu Team... 8, wenn er sich nicht irrte, gehörte. Ja, das Team mit dem Insektentypen und Kiba. Sasuke schnitt eine Grimasse. Eigentlich wäre es ihm ja egal, wie die Göre hieß, aber irgendwie wurmte es ihn, dass er sich nicht einmal an ihren Namen erinnern konnte. Sie gehörte immerhin zum prominenten Hyuuga-Clan – Wieso fiel ihm da nur Neji ein? Ah und Neji war tot. Wie auch immer. Mit einem Schulterzucken wollte sich Sasuke wieder in Bewegung setzten, als ihm plötzlich ein Geistesblitz kam. „Hinata.“ Ihr Kopf fuhr hoch. Abschätzend betrachtete er ihre hellen, vom Weinen geröteten Augen. Sie musste längst bemerkt haben, dass sie nicht alleine war, aber anscheinend hatte sie nicht damit gerechnet, angesprochen zu werden. Er stand ein paar Meter entfernt von ihr. „Dein Name“, erklärte er knapp. „Hinata, nicht wahr?“ Ihr Zögern war nicht zu übersehen. „J...J-Ja.“ „Kannst du nicht normal sprechen?“ Sasuke blieb, wo er war, eigentlich eine Spur zu weit entfernt für ein gewöhnliches Gespräch. Auf diese Weise jedoch konnte er jederzeit gehen, als hätte er mit dem Mädchen nie ein Wort gewechselt. Er sah zu, wie sich ihre Augen erneut weiteten. War sie allein durch sein Auftreten eingeschüchtert? Ein selbstgefälliges Grinsen kämpfte sich seine Mundwinkel hinauf, aber er erstickte es im Keim. Wartete einen Moment. „Jetzt hat es dir wohl ganz die Sprache verschlagen.“ Sie hielt den Blick gesenkt, krallte die Hände in ihr weißes Kleid. Alltagskleidung, stellte er fest. Also war sie zurzeit auch nicht im Einsatz. „Was... willst du?“ Beinahe hätte er nicht mehr damit gerechnet, dass sie antworten würde. Sasuke hob die Augenbrauen beim Klang ihrer leisen, tränenerstickten Stimme. Er fasste zusammen: Entweder sprach sie gar nicht und wenn, tat man sich schwer, es nicht einfach mit einem Luftzug zu verwechseln. Ein Gedanke kam ihm. „Du warst beim Ichiraku. Warum bist du weggerannt?“ Er ging einen Schritt auf sie zu - um ihre Antwort besser zu hören, sagte er sich. „Warum weinst du?“ Dieses Mal begegnete sie ihm mit Unverständnis. Zumindest glaubte er das, als sich ihre Augenbrauen leicht zusammenschoben. „N-Naruto-kun“, stammelte sie und begann sich beiläufig mit dem Handrücken über das Gesicht zu wischen. „E-Er und S-Sakura-san...“ Sie verstummte. Doch er wartete, bis sie fortfuhr: „Naruto-kun... er hat... gestern Abend...“ Sasukes Interesse war nun endgültig geweckt, damit aber auch seine Ungeduld. „Was hat er?“ Endlich sah Hinata hoch. Lediglich die Schwellung ihrer Augen ließ nunmehr erkennen, dass sie geweint hatte. Dann tat sie etwas, das Sasuke endlos verwirrte: Sie zuckte mit den Schultern. „Er... hat mit mir Schluss gemacht.“ Es klang leichtfertig, doch ihre Stimme zitterte. Davon abgesehen konnte er seine Überraschung nicht verbergen. „Schluss gemacht?“, murmelte er eher zu sich selbst. Moment. Naruto hatte eine Freundin – nun ja, gehabt? Seit wann? „Ihr ward ein Paar? Ist mir gar nicht aufgefallen.“ Ein Lachen war ihre Antwort. Sasuke musterte sie. Kein richtiges Lachen. Zu trocken. Er kannte den Unterschied. „E-Es... war ja auch nichts Ernstes f-für ihn“, flüsterte sie. „A-Aber...trotzdem...“ Sie sprach so leise, dass er noch einen Schritt näher kam, um sie zu verstehen. Wurde sie etwa rot? „...werde ich ihn immer lieben.“ Nun war er an der Reihe mit Lachen. „Bist du schwer von Begriff?“ Er genoss, wie sie zusammenzuckte vor Schreck. „Der Dobe hat dich sitzen gelassen. Er will dich nicht. Was redest du dann noch von Liebe? Komm drüber hinweg.“ Seltsamerweise ärgerte ihn ihr Schweigen. Er war für gewöhnlich derjenige, der schwieg; ganz sicher nicht derjenige, der Worte aus anderen hinauspresste. Ein Anflug von Verwirrung folgte. Was zum Teufel tat er hier? Warum stand er da und gab Beziehungstipps oder ähnliches? Perfekte Ironie, nachdem er selbst vor kurzem den Laufpass bekommen hatte. Die Langeweile musste ihm wohl zu Kopf gestiegen sein. „Jedenfalls.“ Er räusperte sich. „Hör auf zu weinen und mach lieber Sinnvolleres... wie Trainieren zum Beispiel. Das würde dir sicher nicht schaden.“ Sasuke steckte die Hände in die Hosentaschen und wollte ohne ein weiteres Wort gehen; da sah er Naruto auf sie zukommen. ~~~ Naruto Weder lief er, noch ging er; irgendetwas dazwischen... am ehesten traf es wohl, dass er zu den beiden hinmarschierte. Den beiden... Denn was Sasuke hier machte, war ihm immer noch schleierhaft. Ihn und Hinata am selben Ort zu sehen war schon eine Sache für sich, aber dass sie miteinander redeten oder wer weiß wie lange schon geredet hatten, grenzte an ein Wunder. Der Anblick löste etwas in Naruto aus; ein Gefühl, das Wut ähnelte... verletzter Stolz vielleicht oder... Er konnte es nicht einmal selbst sagen. Alles, was er mit Sicherheit wusste, war, dass er Hinata endlich gefunden hatte und ihr die Sache mit Sakura erklären würde. In einer Hinsicht war Sasukes Anwesenheit wenigstens von Vorteil: Plötzlich verspürte Naruto gar nicht den Drang, vor Hinata und allem, was zwischen ihnen vorgefallen war, davonzulaufen. Im Gegenteil, er wollte so schnell wie möglich bei den beiden sein, eventuell sogar einen ihrer Gesprächsfetzen erhaschen... aber sie bemerkten ihn viel zu früh dafür. Hinatas Augen weiteten sich, während Sasuke keinerlei Regung zeigte. Vor ihnen kam Naruto zum Stehen. Automatisch schweifte sein Blick von Hinata zu Sasuke. „Was machst du da?“ ...Bevor Naruto sich daran erinnerte, warum er hier war. „Ich meine... Hinata, da bist du ja!“ Verlegen konzentrierte er sich auf die Dunkelhaarige, betrachtete das Kleid, das sie trug. Es reichte ihr bis knapp über die Knie, war aber nicht sonderlich eng geschnitten und besaß einen Kragen. Er fragte sich, ob es das erste Mal war, dass er sie in einem Kleid sah. Sonst hatte sie immer ihre Jounin-Jacke an, obwohl er fand, dass sie ruhig mehr von sich zeigen konnte. Schließlich hatte sie gewiss nichts zu verstecken, wenn er so zurückdachte... Halt. War er hier, um sie zu begaffen? „Was ich sagen wollte, Hinata“, fuhr er hastig fort und richtete seinen Blick auf ihr Gesicht. Ihre geröteten Augen ließen ihn für einen Moment stocken. Sie bemerkte es und schenkte ihm ein mattes Lächeln. Es half nicht. Naruto atmete tief ein. Sie hatte wieder geweint... wegen ihm. „Hinata, das mit Sakura – das war nichts. Ehrlich, das war rein freundschaftlich. Da läuft nichts, ehrlich.“ Schon während er sprach, merkte Naruto, wie oft er sich in seiner Aufregung wiederholte und verhaspelte, aber darum ging es ja nicht... Hinata würde es verstehen – Aber Sasuke schmunzelte hörbar. „Was soll das?“, beschuldigte ihn Naruto sofort. „Wieso musst du hier rumlungern? Kann man keine Privatsphäre haben oder was?“ Wenigstens schien das Sasuke endlich von seinem Beobachterposten zu vertreiben. Zwar weiterhin schmunzelnd drehte sich der Uchiha um und schritt kurzerhand von dannen. Endlich. Das hatte ja bald angefangen, unheimlich zu werden. Sasuke, der seine Unterhaltung mit Hinata stalkte. „S-Sasuke-kun!“ Fast wäre Naruto die Kinnlade hinuntergeklappt. Hinata, die nach Sasuke rief. Sasuke, der leicht den Kopf drehte. „Danke.“ Hinata, die sich bei dem Eisklotz bedankte. Was ging hier vor? Verdattert blickte Naruto von einem zum nächsten, unfähig, auch nur ein schlaues Kommentar abzugeben, bevor die selbe Hinata sich wieder zu ihm wandte und ihre Hände zu kneten begann. „N-Naruto-kun“, setzte sie an. Ihre Wangen nahmen das vertraute Rot an. Es beruhigte ihn. Er wünschte sich sogar, sie würde ihn wieder so ansehen wie... früher. So glücklich, so verliebt. „D-Du m-musst dich nicht um mich s-sorgen.“ Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, aber Naruto übersah nicht das Glitzern in ihren Augen. „M-Mir geht es gut. Bis dann.“ Gleich darauf machte sie auf dem Absatz kehrt und ging. „Hinata...“ Er streckte die Hand nach ihr aus, wollte ihr sagen, dass er durch ihre Fassade blicken konnte, dass er es in ihren Augen sah, doch dann erinnerte er sich an ihr hemmungsloses Schluchzen in seiner Wohnung. Wie konnte er überhaupt Worte finden so kurz nachdem er sie verlassen hatte? Vielleicht sollte er ihr stattdessen die Zeit geben, die sie brauchte, um ohne ihn zurechtzufinden. Vielleicht war er ihr genau das schuldig. Und nichtsdestotrotz... als er beobachtete, wie Hinata sich von ihm entfernte und dieselbe Richtung wie Sasuke einschlug, weit hinter dem Uchiha und doch dieselbe Richtung... da spürte er es wieder. Dieses beklemmende Gefühl in seiner Brustgegend. Diese Gewissheit, dass ihm das Bild, das sich ihm bot, nicht gefiel. Es gefiel ihm ganz und gar nicht. Kapitel 3: Ohne dich -------------------- Hinata Es ist wie Seiltanzen. Dein Leben lang bewegst du dich fort. Schleichend, vorsichtig; mit kleinen Schritten balancierst du auf dem dünnen Strick, beide Arme von dir gestreckt, den Kopf tapfer gehoben, um nicht zu sehen, wie viel du zu verlieren hast. Allem hältst du stand. Du trotzt Wind und Regen; sie zügeln dich zwar, reduzieren dein ohnehin schon behutsames Tempo, doch nichts bringt dich zum Stehen. Erst die Aussicht auf das Ende des Weges, auf das so lang ersehnte Ziel der Reise mindert deine Aufmerksamkeit. Es ist die Vorfreude; Übermut, möchte man fast sagen. Mit hämmerndem Herzen setzt du einen Fuß vor den anderen. Schneller. Du möchtest doch ankommen. Du möchtest deine Glieder doch endlich ausruhen, dich der Wärme und Geborgenheit hingeben, die erstmals in Reichweite gelangen. An dieser Stelle geschieht es. Das Seil ist dünn. Ein Windstoß kommt auf. Und dann fällst du. Dein Blick schießt nach unten; du erwartest einen harten Aufprall: Beton, Erde, vielleicht auch Wasser. Aber da ist nichts. Nur Schwärze. Sie schlief viel, aß kaum und verließ das Haus nicht. Ihrem Vater täuschte sie Krankheit vor. Grippe, ein ganz bösartiger Grippevirus, so etwas war in Konoha doch keine Seltenheit. Die Tage schlichen dahin. Eine Woche neigte sich dem Ende zu, die nächste begann, kroch weiter. Sie verbot sich, an ihn zu denken, und tat es doch unentwegt. Das Ausmaß des Schmerzes überraschte sie. Ihr halbes Leben lang hatte sie ihn aus der Ferne beobachtet und geliebt; hatte es oft für aussichtslos gehalten, dass er je das in ihr sehen würde, was sie in jeder seiner Gesten sah. Es war ein stetiges Pochen der Enttäuschung gewesen, aber irgendwann hätte sie sich vielleicht damit abgefunden. Sein Glück stellte sie über alles. Doch als der Sturm kam und sie zum Handeln verleitete, als sie nach seiner Hand fasste und er es ihr, so unglaublich es schien, gleich tat, brannte ihre Hoffnung stärker denn je zuvor. Der Funken wurde zur Flamme, die Flamme zur Fackel, mit welcher sie sich den Weg in sein Herz bahnte. Sie hatte nicht erwartet, einen Irrgarten vorzufinden. Sackgassen stellten sich ihr entgegen, zwangen sie, umzukehren und eine andere Richtung einzuschlagen. Prüfend hielt sie die Fackel empor und spähte über die Sträucher. Da sah sie es: das schönste Leuchten, das sie je erblickt hatte; eine Lichtkugel, die im Herzen des Irrgartens pulsierte. Also lief sie weiter, suchte nach dem richtigen Weg, gelangte jedoch immer wieder zum Ausgangspunkt. Das Licht kam nicht näher, so sehr sie sich auch bemühte, dieses Rätsel zu lösen. Rastlosigkeit wandelte sich in Verzweiflung; sie strich mit der Fackel über das Grün der Sträucher, doch jene fingen kein Feuer. Und irgendwann begriff sie, dass sie sich im Kreis drehte ohne die geringste Chance, das Leuchten zu erreichen. Sein Herz zu erreichen. ~ „Wohin gehst du?“ Hinata zuckte zusammen. „Äh... trainieren, Vater. Nichts weiter.“ Er schwieg einen Moment. „Du siehst blass aus. Fühlst du dich wirklich besser?“ Nein, dachte sie und antwortete mit einem seichten Lächeln: „Ja. Ich habe mich gut erholt. Danke, dass du dich um mich sorgst.“ „Nun denn.“ Obwohl sowohl Stimme, als auch Gesichtsausdruck monoton blieben, erkannte sie den Hauch von Emotion hinter der Fassade. „Überanstreng dich nicht.“ So gingen sie auseinander, sie ins Freie, er ins Clananwesen. Seit dem Krieg hatte sich die Beziehung zu ihrem Vater erheblich verbessert. Endlich sah er sie nicht mehr als schwaches Anhängsel, sonders als würdig, den Clan nach seinem Ableben weiterzuführen. Es erfüllte sie mit Stolz und einer Rührung, die ihr beim ersten freundlichen Wort seinerseits die Tränen in die Augen getrieben hatte. Nejis Verlust war durch Hiashi und Naruto erträglicher erschienen. Jetzt vermisste sie ihren Cousin unendlich. Der Trainingsplatz, den sie anstrebte, war nicht weit weg von zuhause. Früher hatte sie dort stundenlang geübt und an ihren Taijutsu-Fertigkeiten geschliffen. Was hieß schon „früher“? Schließlich fehlte ihr der Tatendrang erst seit eineinhalb Wochen, seit Naruto... Hinata seufzte leise. Sie schaffte das nicht. Es war unmöglich, nicht an ihn zu denken. Allein seine wirren Handbewegungen, als er ihr die Sache mit Sakura erklärt hatte, erwärmten ihr Herz. Seine Art, sein Lächeln, diese Kraft, die er ausstrahlte. Sie liebte ihn mit jeder Faser ihres Körpers, mit allem, was sie besaß. Ihre Liebe war etwas Beständiges in dieser schnelllebigen Welt... sie war zeitlos. „Der Dobe hat dich sitzen gelassen. Er will dich nicht.“ Wieso fielen ihr gerade jetzt Sasukes Worte wieder ein? Hinata biss sich auf die Unterlippe und verwarf ihre Gedanken. Bis auf einen. Wer will mich schon? Für das Training in der Mittagshitze hatte sie beschlossen, auf ihre Jounin-Jacke zu verzichten und nur das kurzärmelige Netzshirt anzuziehen. Eine gute Entscheidung, denn bereits auf dem Weg zum Trainingsplatz brannte die Sonne erbarmungslos auf sie hinunter. Zumindest bezweifelte Hinata, dass andere Shinobi um die Uhrzeit genauso strebsam waren, vor allem nicht verhältnismäßig kurz nach dem Krieg. Die vertrauten Übungsattrappen kamen in Sicht, aber daneben... Kaum hatte sie den Platz betreten, blieb sie auch schon zögernd stehen. Ganz dem Anschein nach gab es doch jemanden, dem die Hitze nichts ausmachte. Sasuke erwiderte ihren Blick. Sie war sich nicht sicher, ob er sie über die Entfernung hören konnte, weswegen sie lauter sprach als gewohnt: „Entschuldigung... ich wollte nicht stören.“ Dann wandte sie sich hastig zum Gehen. „Gehört mir der Platz?“, drang ihr da seine kalte Stimme zu Ohren. „Du brauchst keine Erlaubnis, um hier zu trainieren.“ Natürlich brauchte sie das nicht. Das wusste sie, aber... Unschlüssig machte Hinata Halt, während sich die Nervosität in ihr ausbreitete wie ein Lauffeuer. Eigentlich wollte sie alleine sein; sie hatte nicht damit gerechnet, jemand anders vorzufinden, aber... aber... Wenn sie jetzt einfach ging, war das eine einzige Blamage. Als hätte sie Angst oder als würde sie Sasuke anwidern. Hinata atmete tief durch, bevor sie sich erneut umdrehte und schnurstracks zu einer der Übungsattrappen schritt. Zuerst begann sie mit Taijutsu. Mit flachen Händen schlug sie auf den Baum ein, bis sie sich ihren eigenen Rythmus zurechtgelegt hatte. Irgendwann verschwand die Umgebung und in Gedanken befand sie sich wieder am Schlachtfeld. Chakra schmiegte sich an ihre Fäuste, loderte in der Gestalt zweier Löwenköpfe auf, Adern traten um ihre Augen hervor, als sie das Byakugan aktivierte – und kurz inne hielt. Durch ihr Kekkei Genkai konnte sie eindeutig Sasukes Blick wahrnehmen. Er hatte selbst sein Training eingestellt und sah ihr stattdessen zu. Aber nein, es war mehr als das: Er verfolgte jede ihrer Bewegungen, er beobachtete sie so eindringlich, dass ihr ein Schauer über den Rücken lief. Warum? Schnell fuhr sie mit ihrer Jutsu-Übung fort. Am besten sollte er gar nicht wissen, dass sie ihn sehen konnte. Obwohl... er es im Grunde wusste, nicht wahr? Jeder kannte das Byakugan und dessen Fähigkeiten. Sie wurde aus seiner regungslosen Miene nicht schlau. Was dachte er? Machte er sich über sie lustig? Wollte er sie schikanieren? Abrupt ließ Hinata ihr Chakra schwinden und löste ihr Byakugan. Einen Herzschlag später drehte sich um. Zu ihm. Irgendwie hatte sie erwartet, dass er wegschauen würde, doch nichts dergleichen geschah. Sein Blick lag weiterhin auf ihr. „I-Ist etwas?“, fasste sie den Mut, ihm zuzurufen. Diese ungeteilte Aufmerksamkeit, die er ihr schenkte, war unangenehm. Sie spürte, wie sich ihre Wangen röteten, mochte es von der Hitze oder Verlegenheit kommen. Endlich hatte er den Anstand, wegzusehen. „Nein.“ Kalt, emotionslos. Ohne eine Erklärung für sein seltsames Verhalten zu liefern, setzte er sich in Bewegung, fort vom Trainingsplatz. „Nicht der Rede wert.“ Was... war denn das gewesen? Vollkommen verwirrt blieb Hinata zurück und starrte ihm nach. Ehrlich gesagt war ihr der Uchiha ein wenig unheimlich. Umso mehr hatte es sie von Anfang an verblüfft, dass Naruto so gut mit ihm auskam. Neben der Rivalität verknüpfte die beiden ein starkes Band der Freundschaft, vor allem seitdem Sasuke nach Konoha zurückgekehrt war. Dabei schienen sie so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals. Die beiden stärksten Shinobi Konohas waren beste Freunde, aber Sasuke hatte nicht einmal von ihrer Beziehung mit Naruto gewusst. „Ihr ward ein Paar? Ist mir gar nicht aufgefallen.“ Naruto hatte es wohl nicht für nötig gehalten, ihm davon zu erzählen. Das sagte doch schon alles, oder? Mit einem zittrigen Atemzug strich sich Hinata vereinzelte Haarsträhnen aus dem Gesicht und verließ den Trainingsplatz. ~ Später am selben Tag erhielt sie den Befehl, sich bei Tsunade zu melden. Insgeheim hoffte Hinata, dass die Hokage eine Mission für sie bereit hielt, irgendeine Mission, die sie aus Konoha brachte, weit weg und... für lange, lange Zeit. So lange, bis die Wunden zugeheilt waren und sie wieder in Narutos Nähe sein konnte, ohne halb in Tränen auszubrechen. Niedergeschlagen klopfte die Hyuuga-Erbin an der Tür zu Tsunades Arbeitszimmer. „Herein!“, kam es sogleich von drinnen. Hinata trat ein. Am liebsten wäre sie sofort wieder gegangen. Drei andere, ihr sehr bekannte Ninjas wandten sich ihr zu – Und die Reaktionen hätten nicht unterschiedlicher sein können. Sakura lächelte, Naruto sah sie mit offenem Mund an, Sasuke zuckte nicht einmal mit der Wimper. Hinatas Herz überschlug sich, hämmerte gegen ihre Brust. Die Tür fiel leise ins Schloss. Nein. Nein, sie konnte nicht hier sein. Sie musste fliehen. Sie war noch nicht bereit. „Hinata, niemand wird dich beißen. Komm bitte näher“, ertönte Tsunades Stimme. „J-Ja.“ Mit hochrotem Kopf nahm Hinata den letzten freien Stehplatz vor dem Schreibtisch ein – neben Sasuke. „Also, da ihr jetzt alle hier seid, können wir beginnen“, erklärte die Hokage im Geschäftston. „Ich habe einen wichtigen Auftrag für Team Sieben. Ihr werdet nach Kumogakure gehen und dem Raikage diese Schriftrolle überreichen.“ Sie hielt besagtes Objekt kurz hoch. „Auf dem Weg dorthin werdet ihr darüber hinaus dem Aufstand in einem kleinen Dorf nahe Kumogakure ein Ende bereiten. Das habe ich schon mit dem Raikage vereinbart. Neben einem Haufen Banditen gibt es aber laut meinen Unterlagen noch eine andere Gruppe Shinobi, die bekannt für ihre Verstohlenheit ist.“ „Verstohlenheit?“, hakte Naruto nach. „Das heißt, dass sie besonders begabt darin sind, ihr Chakra zu unterdrücken und sich vor Feinden zu verstecken.“ Tsunade nickte Hinata zu. „Und da kommst du ins Spiel. Mit deinem Byakugan wird es euch eine Leichtigkeit sein, sie aufzuspüren. Ihr werdet alle morgen Früh aufbrechen und das-“ „W-Wieso ich?“, piepste Hinata plötzlich und erschrak selbst, als es sich trotziger anhörte als gewollt. „Wie bitte?“ Es sollte wohl streng klingen, doch die Verblüffung stand der Hokage ins Gesicht geschrieben. „Ähm, ich meine“, fuhr Hinata mit hoher Stimme fort, „Ich meine... warum ich und nicht... K-Kiba oder Shino? Alle Mitglieder Team Achts sind immerhin geeignet, Shinobi aufzuspüren.“ Eine Weile herrschte Grabesstille im Raum. Sogar Shizunes Schwein, das in deren Armen lag, hörte auf zu grunzen. Hinata hielt ihren Blick stur auf Tsunade gerichtet; sie wagte es nicht, irgendjemand anderen anzusehen. Wieder hatte sie begonnen, ihre Hände zu kneten, eine unschöne Angewohnheit, die sie in letzter Zeit nicht ablegen konnte. Da war weder Zorn, noch Ungeduld in der Miene der Hokage zu lesen. Ein einziges Rätsel. „Kiba und Shino sind auf einer Mission“, brach Tsunade letztendlich die Stille. „Vor wenigen Tagen aufgebrochen.“ „Oh.“ Hinatas Hände verkrampften sich noch mehr. Ja... oh. Wie konnte ihr das entgangen sein? Es handelte sich hier um ihre Teamkameraden. „Gut. Wie gesagt, morgen geht es los. Die Mission dauert geschätzt ein Monat. Ihr seid entlassen.“ Betont unauffällig drehte sich die dunkelhaarige Kunoichi Richtung Tür. Das würde eine lange, schlaflose Nacht werden. Warum ausgerechnet jetzt? Warum konnte sie nicht noch genug Zeit bekommen, das alles zu verdauen? Ein Monat mit Naruto... und Sakura... Ihr schwirrte der Kopf. „Hinata! Warte doch!“ Wenn man vom Teufel sprach. Schon legte ihr Sakura eine Hand auf die Schulter. Gezwungenermaßen sah Hinata hoch in die besorgten Augen der anderen. „Ist alles in Ordnung? Naruto hat es dir doch erklärt, oder?“, fragte jene lächelnd. „Ich meine, dass das im Ichiraku nur ein Missverständnis war. Keine Sorge, er gehört dir.“ Ein Zwinkern. „Obwohl ich ja verstehen kann, dass du ein bisschen enttäuscht bist wegen der Mission... schöner wäre es natürlich, wenn nur du und Naruto gehen könntet, hm? So ein Monat allein-“ „Sakura-chan...“ Naruto trat dazwischen. Doch dann - zum Erstaunen aller - sprach Sasuke an seiner Stelle: „Wie ahnungslos bist du, Sakura? Sogar ich weiß, dass die zwei längst auseinander sind.“ „Was?!“, riefen Naruto und Sakura im Chor. Ersterer warf dem Uchiha einen giftigen Blick zu. „Woher weißt du das? Du hast doch nicht mal mitgekriegt, dass sie meine Freundin war.“ Als Sasuke nicht antwortete, packte Naruto ihn plötzlich am Arm. „Hast du wieder mit ihr geredet? Nein, Blödsinn, warum sollte Hinata mit dir reden? Also hast du wieder gelauscht, was? Warum interessierst du dich überhaupt dafür? Weißt du nicht, dass-“ „Was soll ich denn belauschen?“, entgegnete Sasuke ungerührt. „Sie redet nicht mehr mit dir, schon vergessen?“ „Halt die Klappe, du Mistkerl!“ „Naruto, was führst du dich so auf?“, mischte sich nun auch Sakura ein; unterschwellige Wut erklang in ihrer Stimme. Anscheinend war sie momentan nicht besonders gut auf ihren Teamkameraden zu sprechen. „Sakura-chan, das ist eine Sache zwischen ihm und mir! Er-“ „RUHE!“ Tsunade schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „SEID IHR VERRÜCKT GEWORDEN? KLÄRT DAS GEFÄLLIGST DRAUSSEN! RAUS ODER ICH BEFÖRDERE EUCH MIT EINEM ARSCHTRITT DURCH DIE TÜR!“ Der Wutausbruch ließ alle verstummen. Hinata nutzte die Gelegenheit, um sich als Erste davonzustehlen. Binnen weniger Sekunden hastete sie aus dem Zimmer, weiter den Gang entlang und ignorierte die Rufe hinter ihr. Wie sollte sie das nur schaffen? Allein der Gedanke, ein Monat mit Naruto auf einer Mission zu sein, überforderte sie. Sie hatte keine Ahnung, wie sie ihm vor die Augen treten und auch nur ein vernünftiges Wort hinausbekommen sollte. Keine Ahnung und keine Erfahrung, wie man mit seinem Ex umzugehen hatte. Ex... das klang schon so... seltsam. Der Kloß kehrte zurück und schnürte ihr die Kehle zu. Wahrscheinlich dachte er jetzt, dass sie ihn hasste. Sie legte den Weg vom Hokageturm zum Hyuuga-Anwesen im Laufschritt zurück, stets in der Befürchtung, jemand könnte ihr folgen. Wahrscheinlich dachte er, dass sie sich deswegen von ihm fernhielt. Und wahrscheinlich... war ihm nie auch nur in den Sinn gekommen, dass sie Angst haben könnte, ein weiteres Mal verletzt zu werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)