Das Herz der Mantis von Skampi835 ================================================================================ Kapitel 1: 00 - Prolog ---------------------- Der einhüllende Schleier der Nacht hatte sich bereits vor Stunden über die kargen Ländereien der Ödnis gelegt. Die Niederen Völker Pandarias, welche sich jenseits des großen Walls aufhielten, nannten seine Heimat Schreckensöde. Die Erde auf seiner Seite der Mauer war unfruchtbar und viele der hochgewachsenen, gewundenen Bäume waren krank. Durch die Adern der toten Kypari floss kein Amber mehr, stattdessen waren sie von einer Macht befallen, welche sie zu grotesken Missbildungen verzerrt hatte. Diese Krankheit beschränkte sich aber nicht nur auf die Kypari, sondern auch ihr Umfeld. Wabernde Energien aus schwarzen und weißen Nebelschwaden verdeckten den Himmel, sodass seit Monaten selbst die warmen Strahlen der Sonne nicht mehr durchgedrungen waren. Durch diesen Entzug des Lichts hatte sich Ihr Reich dramatisch verändert und die Krankheit schritt immer weiter voran. Die puren Energien, welche den Horizont bedeckten schienen aus dem Boden selbst hervorzubrechen und das Land – seine Heimat – immer mehr zu verpesten. Aber natürlich gab es noch Kypari, die noch nicht gänzlich befallen waren.   Sehnsüchtig nach den vergangen Tagen an denen Ihr Reich noch grün und die Blätter der Kypari golden waren, sah er auf das düstere Panorama seiner Umgebung. Über dem monströs gewundenen Stamm des größten Kyparis kauerte die Gestalt in den Schatten der Blätter und versteckte sich. Seine Konzentration entschwand ihm, obwohl er für seinen Scharfsinn – mehr oder weniger – bekannt war, doch die Diskussion, welcher er belauschte drehte sich wieder im Kreis und er glaubte dass es nichts bringen würde dieser noch weiter zu folgen. Es lag nicht in seiner Bestimmung irgendetwas in Frage zu stellen, er kannte seinen Platz sehr genau. Doch dies hatte sich geändert, seitdem er anfing sich selbst Fragen zu stellen auf die er sich nur zusammengereimte Antworten geben konnte.   Allein die Tatsache, dass er ihr Handeln in Frage stellte, war verboten und auch unnatürlich. Wenn sie davon wüssten, würden sie ihn sofort hinrichten lassen. Er hatte die Handlungen der Priester noch nie in Frage gestellt. Warum auch? Es hatte nie Anlass zu einem solchem Denken gegeben. Bis vor wenigen Monaten.   Leise wisperte wieder die Stimme in seinem Geist, welche er eigentlich nicht hätte hören dürfen. Auch wenn es nicht mehr als verschwommene Laute waren und er keine klaren Worte erkennen konnte, drang ihr Gesang durch seinen Geist. Es war fast so, als wäre sie nie verschwunden. Viele Jahre war sie für ihn verstummt, doch dies hatte sich mit der zunehmenden Verderbnis der Schreckensöde geändert.   Sein Blick glitt aus seinem Versteck durch das dichte Blätterwerk eines niedrig hängenden Kypariastes unter ihm, sodass er auf das Zentrum der heiligen Stätte spähen konnte. Aufmerksam und scheinbar gelassen verfolgte er alles, was sich unter ihm auf der Plattform abspielte. Auch wenn seine Gedanken durch Ihren Gesang beeinflusst wurden, versuchte er alles aufzunehmen, was dort unten vor sich ging.   Neun der Ältesten des uralten Rates waren zusammengekommen und verfolgten bereits seit der Abenddämmerung eine hitzige Diskussion. Die Nacht war kaum von dem Tag zu unterscheiden, deswegen konnte er nicht genau sagen, wie viel Zeit inzwischen vergangen war. Bereits Monate zuvor, als die zunehmenden Nebel in der Schreckensöde aufgetaucht waren und die Natur verformten, hatten sie darüber gesprochen, jedoch waren sie nie zu einem Entschluss gekommen. Oft hatte die Gestalt hinter den Blättern Gesprächsfetzen belauscht, auch wenn es nicht für seine Ohren bestimmt war. Sie hatten darüber gesprochen, dass die Handlungen der Kaiserin nicht den üblichen Vorgehensweisen entsprächen, dass sie paranoid geworden war. Einige Male hatten sie versucht mit Ihrer Majestät zu sprechen, doch scheinbar waren die Ergebnisse so enttäuschend gewesen, dass es sich nicht lohnte ein weiteres Wort darüber zu verlieren. Doch die jüngsten Ereignisse ließen die neun Ratsmitglieder nun wieder zusammenkommen, um über die bevorstehenden Konsequenzen zu sprechen.   »Die Schwarmgeborenen haben mit dem Angriff auf die Mauer bereits vor Tagen begonnen. Sie scheinen nicht zu bemerken, dass es falsch ist.«, sprach einer der Weisen und der safranfarbene Stoff mit moosgrünen Ornamenten wankte bei seinen schnellen Bewegungen. Er klackerte beunruhigt und rastlos mit seinen Kieferzangen gegeneinander. »Ich muss nicht erwähnen, dass die Zeit noch lange nicht reif dafür ist.«   Ein Seufzen entrann seinem Kiefer, während sein aufmerksamer Blick weiterhin auf den neun Gestalten ruhte. Jeder der Ältesten trug die selbe, okkulte Tracht, weswegen sie kaum voneinander zu unterscheiden waren. Es waren lediglich die kleinen Unterschiede, wie Größe oder Narben, die sie von den jeweils anderen unterschieden. Einige Vesswachen patrouillierten in der nahen Umgebung der heiligen Stätte, während die Konversation in der Mitte der Plattform fortgeführt wurde.   »Ihre Majestät lässt nicht mit sich reden.«, sprach einer der Neun und neigte seinen Kopf kaum merklich. »Zor'lok verkündete sogar, dass die Kaiserin die Tore ihres Palastes versiegeln ließ um Eindringlinge davon abzuhalten einen Angriff auf sie zu unternehmen.«   Ein anderer der Ältesten zischte langgezogen und der Stoff seiner Tracht wippte leicht, während seine spitzen Vorderbeine vorzuckten und gegeneinander rieben. »Shek'zeer ist paranoid. Ihr Verstand spielt ihr Streiche und sie vermag nicht mehr Realität von Illusion zu unterscheiden.« Die acht übrigen Ratsmitglieder stimmten mit ihren Kieferzangen klackernd zu. Der Älteste, der die Anschuldigungen - die zweifelsfrei jedem einzelnen im Kopf umherschwirrten - ausgesprochen hatte, fügte hinzu: »Durch ihre Handlung bringt sie den Zyklus in Gefahr. Die Schwarmgeborenen sind zu jung, zu unerfahren. Sie nähren sich von den Schatten welche vermehrt aus unserem Land sprießen. Dadurch sind sie stärker, aber Kanonenfutter für die Eindringlinge. Diese Handlung beschmutzt unsere Kultur und wird unser Untergang sein.«   »Ihr habt Recht, Klaxxi'va Sra.«, erhob einer der Neun seine kratzende und zischelnde Stimme. Klaxxi'va Sra schlug hart mit seinen Kieferzangen und sein Blick fiel abfällig auf denjenigen, der ihn unterbrochen hatte. Anscheinend hatte er noch nicht zu Ende gesprochen. Der Älteste, der ihn unterbrochen hatte, schien allerdings keineswegs von dieser Reaktion beeindruckt zu sein, während er unbeirrt fortfuhr: »Diese Schwarmgeborenen agieren wie in Trance. Sie kämpfen wild und erkennen den Feind nicht mehr. Der Grund dafür, dürfte jedem von uns klar sein.«   »Doch warum tut sie es?«, polterte ein weiterer Ältester.   Stille folgte, die sich unangenehm über der heiligen Stätte ausbreitete. Die Gestalt in den Schatten schüttelte sich, während er versuchte nachzudenken. Doch Ihr Gesang säuselte ununterbrochen in seinen Gedanken und es fiel ihm zunehmend schwerer.   »Seine Macht ist zu groß für ihren Geist.«, sprach der Größte der Ratsmitglieder und hob seinen Kopf andächtig in den Himmel, während seine Fühler zuckten. »Sie kann mit seinem Glanz nicht umgehen, mit seiner Stärke nicht mithalten.«   Wieder zustimmendes Gemurmel von den Neun Ratsmitgliedern. Doch wer war er, dessen Macht zu berauschend für Ihre Majestät sein sollte?   »Der Grund ist einerlei.«, stellte ein weiterer Ältester klar und trat hinter dem Größten hervor. »Die Schwarmgeborenen verfehlen den Zyklus und wir müssen nicht beraten, was getan werden muss. Wir wissen es bereits. Für diesen Fall haben wir sie vorbereitet. Nur diesen Nutzen erfüllen sie.«   Abermals breitete sich eine unangenehme Stille aus, die sogar die Gestalt in seinem Versteck berührte. Er grub angespannt seine klauenähnlichen Finger in die Rinde des Kyparis, während seine Fühler vor Anstrengung erzitterten. Der Gesang, welcher seinen Geist erfüllte, wurde lauter und für eine kurze Zeit sogar etwas verständlicher. »... Ketzer...!« Die Worte umschwirrten seinen Geist und erschütterten ihn, aber berauschten ihn gleichzeitig auf angenehme und benebelnde Art und Weise.   »Ja, deswegen gibt es sie überhaupt.«, stimmte ein anderer Priester zu. Er nickte andächtig langsam.   »Schon seit Jahrhunderten gab es keinen Helden mehr, der konserviert wurde. Wir werden Vorbereitungen in die Wege leiten müssen, ehe wir einen von ihnen finden können.«, begann einer zu sprechen. Das größte Ratsmitglied stimmte zu. »Das werden wir tun müssen, aber wir sind im Vorteil. Einer kann sofort erweckt werden. Einen Aufenthaltsort kennen wir.«   »Ihr kennt einen Aufenthaltsort, Klaxxi'va Ik?«, fragte einer der Weisen misstrauisch und verengte seine runden, gelben Augen. »Dies ist fast schon Verrat!«, zischte er.   »Seid kein Narr, Set.«, kam prompt ein lautes, dominantes Zischen von Klaxxi'va Ik zurück. »Immerhin kennen wir einen Aufenthaltsort. Wir müssen noch die anderen ausfindig machen und das wird uns Tage, gar vielleicht Wochen kosten. Einer alleine wird nicht ausreichen um den Wahnsinn der Kaiserin zu stoppen. Ihre Majestät ist nicht dumm. In ihrem paranoiden Wahnsinn wird sie ebenfalls nach ihnen suchen lassen, um sie zu vernichten. In ihrem derzeitigen Zustand stellen sie noch keine nennenswerte Gefahr für ihre Majestät dar. Doch sie weiß ganz genau, wozu sie in der Lage sind.«   Leise und unruhig klickten die Kieferzangen der Ratsmitglieder abwechselnd gegeneinander, als wieder Ruhe unter ihnen einkehrte. »Der Zyklus muss unter allen Umständen erhalten bleiben. Jedes Mittel ist dazu Recht.«, beschloss der Weise neben Klaxxi'va Ik zu sprechen und neigte erhaben seinen Kopf. Er besah sich jedes Mitglied der Reihe nach, ehe sein Blick an einem haften blieb. »Klaxxi'va Tik, der Windschnitter befindet sich auf der Terrasse von Gurthan auf der westlichen Seite der Mauer.«   Der angesprochene Älteste hob seinen Kopf und lauschte aufmerksam, während die Facetten seiner Augen vom matten Licht einer dimmenden Laterne schwach beleuchtet wurden. »Ihr solltet den Aufenthaltsort nicht laut aussprechen, Klaxxi'va Vor. Man weiß nie, welche Ohren es hören könnten.«   Klaxxi'va Vor schüttelte seinen Kopf. »Wir können es uns nicht erlauben in Rätseln zu sprechen. Jetzt, da sich die Situation mit jedem verstrichenen Tag mehr und mehr zuspitzt, könnte jede Sekunde zählen. Geht nun, Klaxxi'va Tik. Ihr wisst was zu tun ist.«   Klaxxi'va Tik neigte seinen Kopf und drehte sich um. Er hatte noch einige Vorbereitungen zu treffen, ehe er den Windschnitter erwecken konnte.   »In der Zwischenzeit werden wir hier den Sonarträger errichten.«, fuhr Klaxxi'va Ik fort und hob seinen Blick in den weiten Himmel über sich. Schwarze und weiße Schleier legten sich über ihn und verdeckten so die Sicht auf die Sterne, die unweigerlich existieren mussten. »Es gibt noch viel zu tun.«   Die Gestalt in den Schatten schmälte seine Augen, während sich die Versammlung unter sich auflöste. Eine Entscheidung war nun also getroffen worden. Es würde eine Menge Arbeit anstehen, doch fragte er sich auch, warum der Rat der Ältesten so lange gezögert hatte, bis sie zu einem Entschluss gekommen waren. Was hatte sie daran gehindert, schon früher eine solche Entscheidung zu fällen?   Eine einzelne Saftfliege, die von einem matten, gelben Schein umschlossen wurde, flog den Kypari hinauf und kroch unter die Blätter der Zweige, hinter denen sich die Gestalt verborgen hielt. Blinzelnd starrte er das Insekt an, denn er wusste, was sein Erscheinen zu bedeuten hatte und er erzitterte vor Ehrfurcht.   Keine einzige Sekunde hatte er Ihr Lied nicht gehört. Es dröhnte in seinem Kopf wie ein Glockenschlag und hallte in seinem Geist nach. Auch wenn es jetzt wieder nur ein Wispern war, das er hörte, fühlte er sich allein durch Ihre mentale Anwesenheit geehrt. Mit seinen scharfen klauenartigen Fingern umfasste er die Saftfliege und starrte sie für mehrere Augenblicke lang an. Er wusste nicht genau was er tun sollte, denn im Moment war er noch hin und hergerissen, obwohl die Wahl für ihn hätte eindeutig ausfallen müssen.   Die Entscheidung, welche er jetzt traf, würde weit in die Zukunft hineinreichen. Der Zyklus musste beschützt werden, doch war da noch etwas anderes, etwas Größeres. Etwas, wonach er trachtete. Leise klickte er mit seinen Kieferzangen aufeinander klick und schnippte die Saftfliege unversehrt von sich. Mit dem gewonnenen Aufschub strauchelte das Insekt zunächst, doch dann flog es kontinuierlich nach Westen. Eine Zeit lang beobachtete er das schwächer werdende Leuchten des Tieres und überdachte seine Entscheidung. Er war sich den Konsequenzen durchaus bewusst, doch hatte er die richtige Wahl getroffen?   Der Gesang in seinem Geist wurde klarer, je schwächer das Leuchten der Saftfliege wurde, bis es sich irgendwann in der Ferne verfing und verschwand. Kapitel 2: 01 - Jenseits des Schlangenrückens --------------------------------------------- »Sie ziehen sich zurück!«, schallte der Ruf eines pandarischen Kriegers über die Mauer, die sich kolossal und gigantisch über das Land zog. Sein Schwert blitzte in der hoch stehenden Sonne auf, ehe er es auf den harten Chitinpanzer eines Angreifers niedersausen ließ und diesen zerschmetterte. Das kleine, insektenähnliche Wesen krümmte sich kreischend, als die Klinge mit einem kräftigen Ruck aus seinem zerstörten Rumpf gezogen wurde. Das leiser werdende, gequälte Kreischen ging schließlich in einem erbärmlichen Gurgeln unter, ehe es erstarb und der Leib nur noch klägliche Zuckungen von sich gab. Der Pandare, welcher die traditionelle, dunkel gehaltene Tracht des Goldenen Lotus trug, drehte sein Schwert in seiner bepelzten Pfote und hieb es geradewegs in einen weiteren Angreifer. Zahlreich waren die Kreaturen den Schlangenrücken hinauf geklettert, hatten die Verteidiger des Tales der Ewigen Blüten gestürmt und nahezu überrollt, doch sie hatten sich standhaft gewehrt.   Der Schlangenrücken war die breite Mauer auf der sie kämpften, die letzte und einzige Barriere, die ihre Heimat vor den Angreifern aus der Schreckensöde abgrenzte. Das goldene Tal der Ewigen Blüten war nicht das einzige Land, das vor den Schrecken, die jenseits des Tals lauerten, geschützt werden musste. Die Wächter des Goldenen Lotus, welche zum größten Teil aus pandarischen Einheimischen bestanden, kämpften nun schon lange, verbissen gegen die einfallenden Schwärme der Mantis. Und so wie es aussah, zogen sie sich wirklich langsam zurück, was ein allgemeines Aufatmen in den Reihen der kämpfenden Verteidiger hinterließ.   »Der Kampf ist noch nicht vorbei! Drängt den Rest zurück in die Schreckensöde!«, drang die befehlende Stimme der Kommandantin über die Kämpfenden hinweg. Der Hauptmann - eine weibliche Pandarin - spannte einen Pfeil in ihren hölzernen Bogen und schoss ihn zielgenau auf einen Flieger der Mantis ab. Der Pfeil zerriss seine Flügel, während er versuchte zu fliehen und die Kreatur stürzte kreischend in die Tiefe dem Erdboden entgegen. Die scharfen, grünen Augen der Schützin schmälten sich misstrauisch, während sie beobachtete wie die Angreifer in der Luft den Rückzug gen Westen anbrachen. Auch die Mantis, die nicht fliegen konnten, sondern bis noch vor wenigen Momenten den Schlangenrücken hinaufgeklettert waren, stürmten zurück in das dunkle, von Sha verpestete Land jenseits der Mauer.   Unter der Einheit der Verteidiger auf der Südseite des gigantischen Tores der Untergehenden Sonne befand sich auch jemand, der nicht der Rasse der Pandaren angehörte. Im Gegensatz zu den pelzigen, dickbäuchigen Pandaren wirkte ihre Gestalt fast schon zierlich. Doch ihre spielenden Muskeln waren an ihren freien Oberarmen gut erkennbar, während sie ihre Stangenwaffe über ihren Schultern schwang. Dichtes, rehbraunes Fell bedeckte die Haut wo sie nicht von Leder verdeckt wurde und ihre wölfischen Gesichtszüge waren zu einer angriffslustigen Maske verzerrt, wodurch man lange Reißzähne erkennen konnte. Ihr Gesicht wurde von einer Lederkapuze fast gänzlich überschattet und nur die mit silbernem Fell bedeckte Schnauze spähte hervor.   Die Worgen funkelte die Mantis mit ihren bernsteinfarbenen Augen herausfordernd an. Über ihnen lag ein feiner, goldgelber Schleier der matt leuchtete und ihre Gesichtszüge auch in der Dunkelheit der Kapuze sichtbar machte. Schnell drehte sie die schwere Waffe und schlug mit dem hölzernen, stabilen Schaft gegen den Magen einer der Kreaturen. Der Mantis kam ins Straucheln und wankte. Mit Präzession drehte sie die Stangenwaffe in ihren Pranken und hieb zwischen Kopf und Rumpf. Die gelben, käferähnlichen Augen blickten ins Leere, während der Schädel über den Schlangenrücken rollte und der Rest des Körpers zuckend zusammensackte und rücklings von der Mauer nach unten fiel.   Die Kriegerin keuchte und versuchte sich energisch bereits längst getrocknetes Blut aus ihrem Fell auf ihrer Schnauze zu wischen. Irgendwann im Kampfgeschehen hatte es sie bespritzt, doch sie wusste weder genau wann noch wie. Langsam beruhigte sich ihr Atem und ihr Herz als sie feststellte, dass der letzte Angreifer gerade von mehreren Pfeilen gespickt und von einem Schwerthieb in die Knie gezwungen zur Seite kippte und tot liegen blieb. Oft hatte sie sich während des Kampfes gefragt, ob ihre Einheit eine Pause bekommen würde. Eine Pause die nicht von Hektik geprägt sein würde, so bald wie möglich wieder zum Posten zurückzukommen. Doch jetzt, wo dieser Zeitpunkt Gegenwart wurde, fühlte sie sich unbehaglich, fast schon als wäre es falsch. Angespannt ließ die Worgen ihren scharfen Blick über den Schlangenrücken schweifen, doch die kreischenden Kreaturen hatten sich wirklich fast komplett zurückgezogen. Sie konnte kaum noch Schwerthiebe, Kreischen oder Schreie hören, die die Luft zerrissen. Auf jedem Teil des Schlangenrückens mussten die Kämpfe eingestellt worden sein. Doch war es wirklich jetzt schon vorbei?   Die Worgen befeuchtete ihren trockenen Mund, indem sie sich mit der Zunge über die Schnauze leckte und stemmte ihre Stangenwaffe - die fast so groß war wie sie selbst - neben sich auf den Boden. Mit einem prüfenden Blick auf sich herab stellte sie fest, dass ihre dunkelbraune Lederrüstung mit getrocknetem Blut verschmiert und an einigen Stellen eingerissen war. Doch sie selbst war auf dem ersten Blick nach zu urteilen unversehrt. »Seid Ihr verletzt, Struana?«, fragte eine erschöpfte Stimme hinter der Kriegerin. Sie zuckte mit ihren Ohren und drehte sich zu dem Pandaren um, der sie angesprochen hatte.   Sein Pelz wurde größtenteils von der schwarzen und dunkelroten Rüstung der Verteidiger des Tals bedeckt, die nur wenige Unterschiede zu denen der Shado-Pan hatte. Während hingegen sein breites, schwarz-weiß bepelztes Gesicht frei lag. Auf seinem Kopf trug er einen Helm, der von der Form der eines Strohhutes gleichkam. Die langen Krempen ragten über sein Gesicht hinaus und versteckten seine Ohren. »Nicht schwer. Ich lebe noch. Das ist die Hauptsache, Tensho.«, antwortete die Worgen und grinste dem Pandaren vielzahnig entgegen.   Tensho befestigte seine beiden Schwerter an seinem Gürtel, ehe er sich mit der Pfote nachdenklich über sein Kinn strich. Struana schulterte ihre Stangenwaffe und beobachtete den Pandaren prüfend. Er sah erschöpft aus, doch in Anbetracht der Tatsache, dass der tägliche Ablauf auf dem Schlangenrücken seit einer Woche aus dem Kampf gegen die hereinbrechenden Angriffswellen, schnell herunter geschlungenem Essen und wenig Schlaf bestand, war dies auch nicht verwunderlich.   Besorgt wanderte der bernsteinfarbene, schimmernde Blick der Worgen über Tensho. »Es ist gut, dass sich die Mantis zurückgezogen haben. Aber es kommt so... plötzlich.« Struana wollte nicht direkt ansprechen, dass Tensho aussah, als könnte er die Pause wirklich gebrauchen. Ebenso dringend, wie jeder hier, der tagelang auf dem Schlangenrücken gekämpft hatte und noch lebte. Gleichzeitig versuchte sie eine Antwort aus ihm herauszukitzeln. Das unbehagliche Gefühl, dass der Rückzug der Mantis falsch war klebte noch immer an ihr und ihr Verdacht, dass Tensho darüber etwas wusste - oder zumindest vermutete - bestätigte sich.   Abwesend sah er Struana in die Augen, als hätte er erst jetzt bemerkt, dass sie ihn angesprochen hatte. »Ja.«, erwiderte der Pandare und runzelte seine Stirn. Seine braunen, runden Augen schmälten sich etwas, während er über etwas nachzudenken schien. »Es ist nur ungewöhnlich, wisst Ihr? Normalerweise-...«   »Einheit! Für diesen Zeitpunkt ist der Sieg auf unserer Seite!«   Jubelrufe ertönten von allen Seiten um Struana und Tensho herum und die Verteidiger rissen ihre Waffen in die Luft. Sie ließ ihre offene Frage in den Hintergrund wandern, als die beiden sich von der Euphorie mitziehen ließen und ihre Aufmerksamkeit Bogenmeisterin Li schenkten. Stolz und autoritär stand die Kommandantin der Einheit auf der Erhöhung am Rand des Schlangenrückens und sah auf ihre Truppe herab. Ihr grauweißer Pelz war mit Blut bespritzt und ihre sonst streng zurückgebundenen, langen Haare hingen strähnenweise in ihr rundes, pelziges Gesicht. Sie hob ihre Pfote und die Jubelrufe verklangen allmählich. »Ruht euch aus und lasst eure Wunden versorgen, solange ihr könnt. Wir wissen nicht, wann die Mantis wieder zuschlagen werden.«   Struana runzelte ihre Stirn und warf Tensho einen flüchtigen Blick zu. Die Kreaturen von jenseits der Mauer würden wieder angreifen, dieser Verdacht war bestätigt worden. Doch der Pandare hatte einen weiteren Hinweis gegeben, der sie ebenfalls beunruhigte. Tensho fing ihren Blick auf und deutete ein zögerndes Kopfnicken an und deutete dann über seine Schulter zurück. Sie verstand. Er würde seine Bedenken zu einem späteren Zeitpunkt mit ihr teilen und das beruhigte sie etwas.   Bogenmeisterin Li ließ nachdenklich ihren sorgfältig prüfenden Blick über die Verteidiger des Tals schweifen. »Erweist unseren gefallenen Brüdern und Schwestern die letzte Ehre. Sie sind ehrenvoll gestorben, zur Verteidigung des Tals und für Pandaria. Dank ihnen, haben wir die Möglichkeit, neue Kräfte zu sammeln um erneut unsere Familien zu verteidigen. Ehrt sie, während ihr esst und euch ausruht.« Gedankenverloren schweifte ihr Blick in die Ferne. Struana folgte ihrem Blick in das Land, aus dem die Mantis in Schwärmen und ohne Unterlass auf den Schlangenrücken eingestürmt waren. In der Schreckensöde schien nie die Sonne, als wollte sie sich weigern, ihr lebensspendendes Licht auf den Erdboden der Ödnis zu werfen.   Die gesamte Einheit schwieg für mehrere Herzschläge ehe die Kommandantin wieder auf ihren Trupp herabsah und die Stille unterbrach. »Geht zum Basislager am Tor der Untergehenden Sonne und lasst Eure Wunden versorgen.« Sie Schlug die Pfoten aufeinander und verneigte sich vor ihnen ohne den Blick zu senken. »Wegtreten.«   Die Worgen befestigte ihre sperrige Waffe an einer Lederhalterung auf ihrem Rücken und spähte über die Verteidiger. Erschöpft und teilweise humpelnd zogen sie den Schlangenrücken hinauf zum gigantischen Torbogen beim Tor der Untergehenden Sonne, wo sich das Basislager befand. Tensho drehte sich zu ihr um und sah sie geduldig an. Sie hatte noch nicht einmal bemerkt, dass er nicht mehr neben ihr stand, also beeilte sie sich, zu ihm aufzuholen. Zusammen folgten sie den Wächtern über den Torbogen. Von weitem konnte sie bereits die überdachte Kuppel entdecken, welcher als zentraler Stützpunkt für die Verpflegung und Verwundeten eingerichtet worden war. Stumm gingen die beiden nebeneinander her, während Struana ihren Blick gedankenverloren über die verletzten Pandaren ihres Trupps schweifen ließ. Einige von ihnen trugen bereits provisorische Verbände um akute Blutungen zu stoppen. Abermals blickte sie prüfend an sich herab um sicherzustellen, dass sie nicht doch irgendeine größere Wunde übersehen hatte. Doch sie konnte nichts außer ein paar oberflächliche Kratzwunden und etwas ausgerissenem Fell erkennen. Außerdem hätte sie Tensho sicherlich bereits auf eine schlimmere Verletzung hingewiesen.   Tensho wusste, dass Schmerz für Struana fremd war, seitdem ihr Erinnerungsvermögen vor drei Monaten wieder eingesetzt hatte. Sie hatte ihm erzählt, wie sie aus noch immer unerklärlichen Gründen gänzlich von der Essenz des Shas verpestet wurde und von diesem besessen war. Ein Mann, der dem Weg des Mönches folgte hatte ihren Körper schließlich gereinigt und ihr vermutlich so das Leben gerettet. Man musste sie sehr nahe an die Schwelle des Todes führen um überhaupt das Reinigungsritual an ihr anzuwenden. Seit dieser Neutralisierung des Shas aus ihrem Körper schwebten auch die goldgelben Nebelschleier vor ihren bernsteinfarbenen Augen. Struana war eine Zeit lang mit Sevias, dem Mann der ihr Leben rettete, gereist. Gemeinsam hatten sie herausgefunden, dass Struana nicht mehr anfällig für das Sha war, noch nicht einmal andere psychische Manipulationen schienen mehr Einfluss auf sie auszuüben. Es war fast so, als hätte sie durch das Ritual eine Immunität dadurch bekommen, doch warum, das hatte sich Sevias nicht erklären können.   Ebenso wie ihre Vergangenheit und der Gedächtnisverlust seit dem Ritual ein großes Rätsel aufwarf. Sevias hatte immer und immer wieder versucht Struana zu animieren sich zu erinnern, oder zumindest herauszufinden, warum sie überhaupt nach Pandaria gekommen war. Doch außer einigen verschwommenen Bildern und Erinnerungsfetzen aus ihrer frühsten Vergangenheit in Gilneas und der Flucht vor den Verlassenen war alles aus ihrem Gedächtnis verschwunden. Sevias vermutete, dass dem so sei, weil sie fast tot gewesen war als er mit dem Ritual begonnen hatte und ein Druide ihre Wunden hatte heilen konnte.   Das einzige, das ihr noch wenige Hinweise an ihr früheres Leben gegeben hatte, war eine Tasche gewesen, die sie zum damaligen Zeitpunkt mit sich getragen hatte. Ihr Name war in dem alten Leder eingestanzt und im Inneren hatten sich mehrere Kräuterbündel und leere Beutel befunden. Die Beutel hatten Überreste eines Pulvers aufgewiesen, das nach Sevias' Nachforschungen zur Stärkung in minimalen Mengen eingenommen wurde. Eine Überdosis von diesem Pulver könnte die Ursache dafür sein, warum Struana weder Schmerzen empfand, noch Hunger, Durst oder den Drang nach Schlaf verspürte. Die Worgen musste sich sogar regelmäßig selbst daran erinnern zu essen, um nicht irgendwann unwissentlich zu verhungern. Es war unklar, wie lange die Wirkung dieser Überdosis noch anhalten würde, aber inzwischen waren schon drei lange Monate vergangen und vielleicht würde sich ihr Schmerzempfinden nie wieder richtig erholen.   Außerdem war die Kriegerin wohl in ihrem früheren Leben eine Druidin oder zumindest eine Heilerin gewesen. Die Kräuter in ihrer Tasche - zumindest das, was noch erkennbar gewesen war - stammten alle aus Azeroth und dienten zur Linderung von Wunden oder der Bekämpfung von Krankheiten. Struana gelang es durch puren Zufall - und eigenem Ungeschick - kurzzeitig die Gestalt einer schwarzen Krähe anzunehmen, was ebenfalls ein unwiderruflicher Beweis dafür sein musste. Jetzt gelang ihr dies nur, wenn sie erholt war und sich stark darauf konzentrierte. Doch konnte sie die Gestalt nicht lange halten, sondern höchstens für ein paar Augenblicke. Selten hatte sie bisher diese Gestalt genutzt - sie war nützlich, keine Frage! - aber sie hatte inzwischen aufgegeben, ihrem alten Leben nachzujagen. Es lag hinter ihr und egal wie alt sie wirklich war, sie fühlte sich gut. Sevias hatte ihr Kampftechniken beigebracht, ihr gezeigt wie sie mit einer Stangenwaffe umgehen konnte und ihr geholfen, sich einen starken Körper anzueignen. Er hatte ihr abgeraten sich den Verteidigern auf der Mauer anzuschließen, aber in diesem Punkt hatte sie dem Mönch den Rücken gekehrt. Es war an der Zeit, ihren eigenen Weg zu finden.   Der Verteidigungstrupp erreichte den geschützten Stützpunkt am Tor der Untergehenden Sonne. Sie traten in den Pavillon ein und sofort stieg der Worgen der dicke Geruch von medizinischen Kräutern, Schweiß und verbranntem Essen in die Nase. Kurz rümpfte sie angewidert ihre Nase und schnaubte, um entgegen ihres sensiblen Geruchssinns nicht rücklings wieder hinauszugehen. Das Basislager war ungewöhnlich voll, vermutlich da jeder Einsatztrupp auf dem Schlangenrücken hierher geschickt wurde, um seine Wunden versorgen zu lassen und um sich auszuruhen. Also musste Struana richtig liegen und der Angriff auf dem gesamten Schlangenrücken hatte schlagartig abgenommen. Sie versank in ihren Gedanken, während sie versuchte einen Überblick über die kreuz und quer herumwuselnden Pandaren zu bekommen. Ein Versuch, der bei diesen Massen nahezu unmöglich war. Sie fragte sich aus welchem Grund sich die Mantis zurückgezogen hatten und warf Tensho neben sich einen Seitenblick zu.   Gerade wollte sie zu ihrer Frage ansetzen, ob er nun seine Vermutungen mit ihr teilen würde, als Tensho ihren Blick auffing und ihr zuvor kam: »Ich werde uns etwas zu Essen holen.« Verwundert musste Struana blinzeln. Essen? »Geht und holt Euch von den Heilern ein paar Kräuter, dann können wir unsere Wunden selbst versorgen.«   Sie nickte verblüfft als sich Tensho bereits durch die Mengen der Verteidiger einen Weg voran bahnte. Sie grunzte leise und auch etwas dankbar, ehe sie ein besonders kräftig gebauter Pandare nach vorne schubste, während er sich an ihr vorbei zwängte. Er nuschelte ein übermüdetes »Entschuldigung.«, und stampfte weiter.   Struana schüttelte ihren Kopf. Essen war unter anderem eines der Dinge gewesen, die sie erst später getan hätte. Doch Tensho hatte recht und sie war ihm dankbar, dass er für sie mitdachte. Auch während des Kampfes hatte er sie mit sich vom Schlachtfeld gezogen, als sie weiter kämpfen wollte. Es war fast so, als würde er die Funktionen übernehmen, die ihr Körper nach der Überdosis eingestellt hatte. Sie musste achtsamer mit sich umgehen, immerhin hatte sie nur diesen einen Körper, nur dieses eine Leben.   Die Kriegerin suchte sich einen Weg durch die Massen zu den Heilern, während sie daran dachte, dass sie Tensho nie begegnet wäre, hätte sie sich nicht dazu entschlossen sich den Verteidigern des Tals anzuschließen. Es war zuerst befremdend für sie gewesen - ebenso wie jetzt in dem nun viel zu kleinen Stützpunkt - scheinbar allein unter Pandaren zu sein. Struana hatte sich so verloren gefühlt, aber umso glücklicher war sie nun über die kleine Freundschaft mit Tensho, die sich während ihres Trainings und dem Kampf aufgebaut hatte. Ihre bernsteinfarbenen Augen fanden die Heiler, die mit - dem Geruch nach zu Urteilen - in Schweinefett angefeuchtete Kräuterbündel verteilten. Struana hoffte nur, dass sie früher oder später auch noch dazu Zeit haben würde, sich das getrocknete Blut aus ihrem Fell zu waschen.       *****     Die dunklen und mit perlmuttfarbenem Chitin gepflasterten Flure wurden nur matt mit spärlichem Licht erhellt, welches von einigen Laternen an den Wänden ausging. Gelegentlich kreisten winzige Glühwürmchen um das dimmende Licht und es wirkte fast, als wäre es Feuer. Der Großwesir, gekleidet in einem erhabenen Gewand und Schulterplatten aus dem edelsten Metall des Reiches, schritt langsam durch den hochragenden Torbogen. Jedes Mal, wenn er diesen Raum betrat - der ihm bekannt und heilig geworden war - kribbelte es in seinem Brustkorb vor Anspannung. Nicht vor Furcht, sondern vor der Erwartung Ihr Antlitz zu erspähen. Die großzügig ausgehöhlten Gewölbe des Raumes reichten weit hinauf, sodass jeder Schritt den er ging von den Wänden widerhallte.   »Wer ist da?«, fragte eine krächzende, helle Stimme aufgeschreckt. Furcht schwankte mit, als würde sie jeden Augenblick fürchten, den sie in ihrem Dasein fristete. »Ich bin es, Eure Majestät. Euer Berater.«, antwortete der Großwesir, dessen Panzer und die dünne Haut kalkweiß war und beeilte sich den Bogen hinab in ihre Sichtweite zu kommen. Als er den äußersten Rand erreichte, kniete er sich auf der Stelle nieder. »Die Vorbereitungen sind abgeschlossen.«   »Ach, Großwesir. Ihr seid das.«, erwiderte die helle Stimme und der Vorhang aus dunklen, riesigen Blütenblättern lichtete sich etwas. Doch noch immer umschlossen die Blätter der Knospe ihre Gestalt gänzlich. Wenn der Berater es gewagt hätte aufzusehen, hätte er den Umriss der Schatten ihrer Gestalt erkannt. Stattdessen hörte er unweigerlich das leise Gemurmel, welches von den Wänden hallte und zu ihm getragen wurde. Es war inzwischen keine Besonderheit mehr.   »Wir erwarten Eure weiteren Befehle, geliebte Kaiserin.«, sprach der Großwesir beruhigend weiter, während sein Blick auf den Boden gerichtet war. Seine azurblauen Augen schimmerten schwach, als einige Facetten beleuchtet wurden.   Mehrere Augenblicke vergingen in kompletter Stille. Ab und zu murmelte seine Kaiserin wieder vor sich hin, doch verstummte immer wieder. Geduldig wartete er auf ihren Befehl. »Der Erwecker ist noch nicht auf dem Weg?«   »Nein, meine Kaiserin. Er wird erst aufbrechen, sobald die Sonne ihren höchsten Punkt erreicht hat.«, beantwortete der Berater ihre Frage.   »Gut... Sehr gut...«, murmelte sie hörbar, ehe sie kurz verstummte, doch dann mit neuer Stärke in ihrer Stimme weitersprach: »Meine Kinder sind nicht mehr am Schlangenrücken. Ihr könnt Kree'zot schicken, damit er seine Aufgabe erfüllen kann. Er soll dem Erwecker von Klaxxi'vess aus folgen.«   »Wie Ihr wünscht, Majestät.«, sprach der Großwesir und neigte seinen Kopf vor ihr noch einmal tief. Dann richtete er sich auf seine gekrümmten Beine und ging rückwärts und noch immer verbeugt aus dem Raum. Er musste ihrem Wunsch nachkommen und den Gehilfen aussenden.   Die Knospe in der die Kaiserin schlief, schloss sich wieder fest zusammen. Man konnte sie nun wieder weder hören, noch sehen.       *****     In kürzester Zeit war das Basislager am Tor der Untergehenden Sonne zum Bersten voll gewesen. Aus diesem Grund wurde angeordnet, dass sich diejenigen, die keine schweren Verletzungen trugen auf dem Schlangenrücken als Wachposten positionieren sollten. Struana war glücklicherweise davor noch dazu gekommen, sich ihre Lederrüstung und ihre Waffe gründlich zu waschen. Gemeinsam mit Tensho stand sie auf dem Teil der Mauer, auf dem sie noch vor einigen Stunden gekämpft hatte. Alle stationierten Wächter hatten die Anordnung erhalten, sofort das Warnsignal zu schlagen, sollten sie etwas Auffälliges erkennen. Die Signale waren mannsgroße, goldene Scheiben - die zudem verdammt schwer waren. Wenn man sie schlagen würde, würde man den Hall mindestens 150 Fuß weit hören können.   Tensho gähnte langgezogen, während sich die Nachmittagssonne quälend langsam über den Horizont bewegte. Die Kriegerin zupfte ihren roten Schal etwas zurecht und vergrub ihre Schnauze darin, während sie über die Schreckensöde blickte. Das einzig interessante was in den letzten Stunde passierte war, dass sich ab und an eine Wolke über die Sonne schob und kurzzeitig den Schlangenrücken verdunkelte. Sie und Tensho hatten vielleicht für zwei Stunden - wenn überhaupt - Schlaf gefunden, was in dem überfüllten Pavillon nicht gerade einfach gewesen war. Gerade als sie glaubte eingeschlafen zu sein, war sie dann auch schon wieder geweckt worden und auf die Mauer geschickt worden.   Struana hatte sich die Lederkapuze zurückgezogen, sodass diese an ihren Schultern herabhing. Ihre Mähne lag frei und man konnte die eingeflochtenen Zöpfe und Anzeichen von silbernen Strähnen erkennen. Sie öffnete ebenfalls ihre Schnauze ebenfalls zu einem ungenierten Gähnen, als Tensho sie freundschaftlich von der Seite mit dem Ellenbogen anstieß. »Nicht einschlafen.«, witzelte er und grinste breit.   »Das sagt genau der richtige.«, schmunzelte Struana und sah ihn kurz an. »Wer hat zuerst gegähnt?«   »Gegähnt?«, fragte Tensho leichthin. »Wer hat denn gegähnt? Ich habe lediglich eine Kieferdehnübung gemacht.«   Die Worgen schüttelte ihren Kopf. Sie mochte Tenshos unbeschwerte Art und seinen eigenen Sinn für Humor. Ihr Blick wanderte von der dunklen Ferne der Schreckensöde zu ihrer nahen Umgebung. Direkt am Fuß der Mauer lag eine Ruine ruhig da, als wären die Mantis nie darüber gerannt um den Schlangenrücken zu belagern. Doch auch dort konnte sie nichts auffälliges erkennen. Das Gras war noch immer so dunkel, dort wo es wuchs und die riesigen, gewundenen Kyparibäume würden sich in der nächsten Zeit ebenfalls nicht bewegen.   »Tensho?«, fragte Struana schließlich, nachdem sie geseufzt hatte. »Warum scheint die Sonne eigentlich nicht in der Schreckensöde?«   »Ihr stellt merkwürdige Fragen, Struana.«, grinste Tensho breit, als er die Luft tief einsog und gedankenverloren über die Schreckensöde blickte. »Nun, das war nicht immer so. Natürlich, die Gebiete jenseits der Mauer sind die Heimat der Mantis und die Schreckensöde war schon immer ein ungemütlicher Ort. Aber so schlimm wurde es erst, seitdem die ersten Schiffsbrüchigen Azeroths hier ankamen.«   Struana zuckte mit ihren kleinen Ohren, während sie den Schal um ihren Hals wieder richtete um ihre Schnauze darin zu vergraben. Tensho erzählte weiter: »Seitdem ist überall in Pandaria nach und nach vermehrt das Sha aufgetaucht. Nun, die Schreckensöde hat es hierbei am schlimmsten erwischt. Warum, wissen noch nicht einmal die Lehrensucher wirklich. Warum genau die Sonne sich weigert - vielleicht meint es noch nicht einmal die Natur gut mit den Mantis?« Eine kurze Pause entstand in der er gluckste. »Vor einigen Jahren ähnelte die Schreckensöde noch der Tonlong-Steppe.«   Die Worgen spähte ungläubig zu dem Mönch. »Wie die Tonlong-Steppe? Wie lange ist das ungefähr her?«   Tensho atmete tief durch und überlegte. »Vielleicht drei bis fünf Jahre. Ich bin mir nicht sicher.«   Struana lenkte ihren Blick wieder auf die Schreckensöde, welche in ihren Augen verkümmert, leer und karg aussah. Vereinzelt konnte sie Energien des Sha erkennen, die sich aus dem Boden der Ödnis zu entladen schienen. Weiße und schwarze Nebel schwirrten kurzzeitig in der Luft, ehe sie verblassten und verschwanden. Der Boden war kaum von Gras bewachsen und sogar das wirkte grau und tot, ebenso wie die großen, gewundenen Kypari, die sich riesenhaft in der Ferne bogen. Scheinbar floss das Sha direkt durch den Boden der Schreckensöde und zerstörte die Natur jenseits des Schlangenrückens. Die Vorstellung, dass diese karge Landschaft einst der Tonlong-Steppe geähnelt hatte, war schwer für sie zu akzeptieren.   »Mir fällt gerade noch eine Frage ein, Tensho.« Struana warf dem Pandaren einen neugierigen Seitenblick zu, als sie erneut ansetzte: »Bogenmeisterin Li sagte, dass die Mantis bald wieder angreifen würde. Doch davor sagtet Ihr, dass es ungewöhnlich sei. Was genau ist daran ungewöhnlich?«   Tensho zupfte gerade an seinem Gürtel um ihn etwas zu lockern, als er plötzlich inne hielt. Er schien nachzudenken, ehe er leise schmatzte. »Nun, wie kann ich das am besten erklären?«, fragte er und kratzte sich am Kinn. »Es war nie so gewesen.«, murmelte er leise.   Struana drehte verwundert ihre Ohren. »Wie meint Ihr das? Bitte erzählt mir etwas davon. Ihr wisst, dass ich zwar nur Pandaria kenne, aber noch lange nicht genug über diesen Kontinenten weiß.« Die Kriegerin stupste Tensho freundschaftlich mit ihrem Ellenbogen an, als er seinen Kopf seufzend neigte. »Gebt Euch einen Ruck und erzählt es einem Außenseiter wie mir.«, witzelte sie.   Tensho schmunzelte. »Für mich seid Ihr keine Außenseiterin mehr, Struana.« Er zwinkerte ihr mit einem seiner braunen Augen zu. »Ich muss hierbei etwas ausholen, damit Ihr es nachvollziehen könnt.«   Die Worgen nickte. »Also der Grashalm dort drüben wurde gerade von einem Windstoß umgeknickt. Meint Ihr, dass wir deswegen den Alarm auslösen sollten?«, witzelte Struana und entblößte ihre Reißzähne, während sie grinste.   Der Mönch lachte leise und schüttelte seinen Kopf. »Ja, Ihr habt Recht. Vermutlich würde es nichts ausmachen, wenn ich die Geschichte ausschweifend erzähle. Also dann... Die Mantis sind ein sehr altes Volk. Keiner von uns weiß, woher sie kommen oder wer sie geschaffen hat, denn sie waren soweit Pandaren denken können schon immer hier gewesen. Es weiß auch keiner, wozu sie den Schlangenrücken angreifen und hohe Verluste in Kauf nehmen, aber auch dies, tun sie schon seit sehr langer Zeit.«   Struana runzelte die Stirn. »Definiert bitte 'seit sehr langer Zeit'.«   Tensho nickte. »Nun, bereits lange bevor der Schlangenrücken überhaupt gebaut worden war, griffen die Mantis die anderen Völker an. Sie schwärmten zu einer bestimmten Zeit aus und griffen - uns überlegen an Zahl und Erfahrung - erbarmungslos an. Ursprünglich hatte sie gegen die Mogu gekämpft, welche die Saurok erschufen und mein Volk versklavten. Sie zwangen mein Volk den Schlangenrücken zu bauen um die Mantis abzuschrecken und ihren Angriffen ein Ende zu setzen. Doch der Schlangenrücken konnte sie nicht von ihren Schwärmen abhalten. Die Mogu positionierten ungehorsame Sklaven an vorderster Front auf die Mauer um gegen sie Mantis kämpfen zu lassen. Meinem Volk war es untersagt, Waffen zu tragen, ihr könnt Euch also vorstellen, dass viel pandarisches Blut über die Mauern geflossen ist.« Der Mönch seufzte schwer und fuhr sich gedankenverloren durch den Pelz an seinem Kinn.   Die Kriegerin lauschte dem Pandaren schweigend, als er für mehrere Augenblicke verstummte. »Sevias - der Mann mit dem ich unterwegs war - hat mir etwas über die Sklaverei erzählt. Es muss grausam gewesen sein.«   Der Pandare klang abwesend. »Wir haben die Ketten der Sklaverei vor langer Zeit abgelegt, Struana. Doch diese Geschichte verdient es zu einer anderen Zeit in Ruhe erzählt zu werden. Ihr wolltet etwas über die Mantis erfahren und das ist auch wichtig, nachdem Ihr Euch entschlossen habt, mit uns zu kämpfen.«, wehrte Tensho ab und lächelte ihr matt zu. »Die Mantis stürmen ungefähr alle einhundert Jahre den Schlangenrücken empor und greifen uns an. Wir bringen alles auf, was wir können um sie zurückzuschlagen, um das Tal, unsere Familien und unsere Freunde zu beschützen. Wir haben keine andere Möglichkeit, denn mit den Mantis kann man nicht vernünftig reden. Sie sind brutal, stark und furchterregend. Das was Ihr seht, wogegen Ihr hier tagelang gekämpft habt ist allerdings nur ihre Brut.«   Struana sah Tensho überrascht an. »Ihre... Brut?«, fragte sie verdutzt und der Pandare nickte. »Die Kaiserin der Mantis legt ihre Eier und sie schlüpfen. Doch alle einhundert Jahre sammeln sie sich und schwärmen die Mauer. Sie sind nicht erfahren im Kampf und doch sind sie brutal und stark, sodass sie große Lücken in unsere Verteidigung reißen können. Bei jedem Schwarm töten sie viele von uns und wir töten im Gegenzug mehr von ihnen. Die Überlebenden scheinen den Tod hinzunehmen. Doch wir Pandaren wissen nicht warum.«   Die Worgen schnaubte. »Verrückt diese Insekten.«   »Ihr habt sie schließlich selbst gesehen, Struana.«, begann Tensho und ließ seinen Blick wieder über die Schreckensöde schweifen. »Sie schwärmen in Massen und kämpfen bis sie sterben. Es kam noch nie vor, dass sie sich nach so kurzer Zeit bereits wieder zurückgezogen haben, oder dass sie geflohen sind. Ihre Schlachtzüge auf den Schlangenrücken waren schon immer brutal gewesen und ziehen eine blutige Linie in unseren Geschichtsbüchern. Jedes Jahrhundert hielt der Kampf länger an und wurde auch immer brutaler. Vor vielen Jahren ist es ihnen gelungen einen furchtbaren Kriegsfürsten der Mogu, Gurthan und seine gesamte Armee zu vernichten.«   Tensho deutete mit einem Kopfnicken zu den Ruinen herab, die sich am Fuße der Mauer befanden. »Das ist die Terrasse von Gurthan. Während eines Schwarms wäre es ihm beinahe gelungen alle Mantis und ihre Kaiserin zu vernichten. Durch seinen Hochmut ließ er dort einen Stützpunkt errichten. Allerdings reichten eine Hand voll Mantis und ein paar Flieger aus um diesen mit Leichtigkeit zu vernichten, ebenso wie den Kriegsfürsten.« Der Pandare machte eine Pause in seiner Erzählung, während Struana nur schwer erahnen konnte, dass die Ruinen ein ehemaliger Kriegsstützpunkt gewesen waren. »Wie dem auch sei...«, murmelte Tensho und die Kriegerin sah wieder zu ihm. »Der Schwarm auf den Schlangenrücken dauert immer mehrere Wochen bis Monate an. Doch bisher hatten sie immer geendet. Irgendwann.«   Struana zuckte mit ihren Ohren, während sie Tensho beobachtete. »Wann hört der Ansturm auf? Welchen Sieg müssen die Mantis davontragen?«, fragte sie.   Doch der Mönch schüttelte langsam seinen Kopf. »Es muss nichts bestimmtes geschehen. Sie hören einfach irgendwann auf. Aber nicht nach nur einer Woche. Warum sie alle einhundert Jahre angreifen weiß niemand, ebenso wie niemand weiß, warum sie wieder aufhören. Denn- wie ich sagte - weiß niemand sehr viel über die Mantis.« Struana sah Tensho fast schon enttäuscht an, als er seinen Blick nachdenklich zu Boden senkte. Also gab es keine Möglichkeit die Mantis in diesem - in ihren Augen - unsinnigen Kampf zu schlagen? Sie hatte sich erhofft, dass wenn man die richtigen Steine in Bewegung setzen würde, der Schwarm aufhören würde anzugreifen. Doch scheinbar würde sie Tensho einfach glauben müssen, dass die Mantis irgendwann - wann auch immer das sein mochte - aufhören würden anzugreifen.   »Aber es scheint ohnehin einiges durcheinander geraten zu sein.«, seufzte Tensho schließlich und Struana wandte sich ihm wieder fragend zu. »Ich sagte doch, dass die Mantis nach genau einhundert Jahren immer wieder Schwärmen.«, berichtete der Pandare, woraufhin sie langsam nickte. »Nun, diesmal greifen sie aber viel zu früh an. Wir hatten den nächsten Schwarm erst in einigen Jahrzenten erwartet, nicht mittendrin. Stattdessen greifen sie jetzt schon an und haben uns am Anfang fast überrollt. Es muss etwas durcheinandergeraten sein, doch ich frage mich was und warum?«, ergänzte Tensho leise.   Struana seufzte fast schon theatralisch. »Doch ihr Pandaren wisst dies natürlich auch nicht.«, gab sie seufzend von sich. Es war viel mehr eine Aussage als eine Frage gewesen, doch Tensho antwortete dennoch. »Genau. Wir wissen es nicht. Es ist einfach viel zu früh und ich bin mir sicher, dass es einen Grund dafür geben muss. Die Mantis sind niemals zuvor von der einhundertjährigen Periode abgewichen. Wirklich niemals.«, betonte er überzeugt und verschränkte die Arme vor seinem Bauch. Verbissen starrte er in die Schreckensöde, als würde er erwarten, dass ihm die Erleuchtung entgegenspringen würde.   Struana zuckte mit ihren Ohren und hob ihren Blick über den Schlangenrücken, ebenso wie Tensho. Der laute, hallende Gong einer goldenen Scheibe hallte über den Wall und mit diesem wurden weitere geschlagen. Der Ton des Warnsignals klang schwer nach und vibrierte in der Luft als schon der nächste erschallte. Tensho nahm den Knauf seines Schwertes und schlug damit die goldene Scheibe die drei Schritte von ihm entfernt stand. Die Worgen erkannte einen Wächter, der von dem Pavillon heraus stürmte und direkt auf sie zu rannte. »Was ist passiert?«, fragte Tensho, als der Pandare kurz zum stehen kam.   »Spinnen!«, rief er lauter als gewollt und holte tief Luft zum atmen. »Die Riesenspinnen aus der Schreckensöde versuchen die Mauer zu erklimmen!« Tensho wechselte einen kurzen Blick mit Struana. »Wo?«, fragte er schnell, als der Wächter weitereilte, um Verstärkung im Stützpunkt anzufordern. »Auf der nächsten Mauergrenze, dort wo Bogenmeisterin Li stationiert ist!«   »Verstanden.«, rief der Mönch dem Wächter hinterher und blickte zu Struana. »Wir gehen vor.«, nickte sie und lief bereits los. Ihre Stangenwaffe von ihrem Rücken nehmend rannte sie in den ersten Pavillon, wo Tensho zu ihr aufholte. »Riesenspinnen?«, fragte sie als sie durch den rechten Ausgang stürmten. Weitere Warnsignale erfüllten die Luft um sie herum und ein leichter Wind zerrte an ihrem Fell. »Warum versuchen sie die Mauer hinaufzuklettern?«   Tensho keuchte leicht, während sie weiter über den Teil des Schlangenrückens eilten. »Ihr werdet sie sehen und wissen, warum wie sie für gewöhnlich nicht in ihrem Gebiet stören. Nicht einmal die Mantis stören sie, während sie die Mauer angreifen. Ansonsten hätten sogar sie Probleme mit ihnen.« Er holte Luft und keuchte knapp, als er sich wieder fasste. Sie erreichten die zweite Mauerkuppe und tauchten in den mit Fackeln beleuchteten Raum ein. »Irgendetwas muss sie aufgeschreckt haben. Einen anderen Grund gibt es nicht. Für gewöhnlich meiden sie sogar das Sonnenlicht.«   Als die beiden wieder in die Sonne des nächsten Teils des Schlangenrückens rannten, erkannte Struana bereits Bogenmeistern Li. Die Kommandantin stand mit fünf weiteren Bogenschützen am erhöhten Mauerrand des Schlangenrückens. Sie schossen Pfeile senkrecht nach unten ab, während Struana rasendes, spitzes Kreischen und leichtes Trappeln hören konnte.   Die braunen, langen Haare der Bogenmeisterin waren wieder zu einem Zopf zusammengeflochten. Sie blickte die beiden Ankömmlinge mit ihren grünen, durchdringenden Augen kurz an, ehe sie einen weiteren Pfeil in die Sehne ihres Bogens spannte. »Bringt den Bogenschützen mehr Pfeile!«, ordnete sie an und hob ihren Kopf über die Reihe der Schützen: »Wir müssen noch länger durchhalten! Die Spinnen dürfen nicht über den Rand der Mauer!«   Struana folgte Tensho in das Innere der nahen Mauerkuppel, in der Waffen und andere Ressourcen aufbewahrt wurden. Beide griffen nach viel zu großen Köchern, in denen gefertigte Pfeile aufbewahrt wurden und rannten damit wieder nach draußen. Die Worgen stockte den Vorrat von drei Bogenschützen mit Pfeilen auf, wobei nur einer die Zeit fand dankbar zu nicken. Er griff sofort nach dem nächsten Pfeil und schoss ihn ab. Den Schützen stand der Schweiß auf der Stirn und als Struana einen Blick über die Mauer wagte, wusste sie auch warum.   Die schwarzen Spinnen der Schreckensöde stürmten regelrecht die Mauer hinauf. Sie waren fast genauso groß wie die Pandaren und ihre langgliedrigen, behaarten Beine fanden guten Halt an der Mauer. Ihre runden Leiber zogen sich schnell nach oben und die Kreaturen wurden immer größer, je weiter sich der Abstand verringerte. Sobald sie das Sonnenlicht auf halber Höhe zum Schlangenrücken erreichten, wurden sie etwas langsamer. Aber es schien sie nicht stoppen zu können. Sehr viel länger würden die Bogenschützen dem Ansturm nicht standhalten können, sie kamen nicht hinterher. Es war so, dass wenn eine Spinne kreischend nach unten fiel, zwei weitere nachrückten. Die Verstärkung musste sich beeilen.   Die Mauer erzitterte und die Luft war mit dem Geruch von Schwarzpulver erfüllt, als die Kanonen auf den Mauerkuppeln donnerten. Heulende Geschosse flogen senkrecht an der Mauerseite entlang und rissen ganze Reihen von Spinnen nach unten. Bogenmeisterin Li sah auf: »Endlich Verstärkung.«, murmelte sie, als schon weitere Geschosse heulend in der Schreckensöde zwischen den Ruinen landete. »Das wird die Spinnen abschrecken.«   Ein Pandare kreischte auf, als sich langgliedrige, haarige Beine über den Mauerrand schoben. Hektisch versuchte die Riesenspinne Halt zu finden, während die anderen Schützen panisch zurückwichen. »Lann! Aus der Reichweite!«, schrie die Kommandantin erschrocken, doch der unglückliche Bogenschütze wurde von der Spinne umgeworfen als wäre er ein Blatt. Struana sah aus den Augenwinkeln wie er über den Mauerrand strauchelte und fiel. Mit nach vorne gestreckter Waffe eilte sie vor und hieb das zweischneidige Klinge über die Beine der Spinne. Tensho sprang ebenfalls vor und versenkte seine beiden Schwerter in den Nacken der Spinne, die mit ihren Kieferzangen versuchte nach ihm zu schnappen. Wild kreischte sie und versuchte mit ihren abgeschnittenen Beinen wieder Halt zu finden. Grünes, klebriges Sekret verteilte sich aus den offenen Wunden über der Mauer, ehe Tensho nach der Riesenspinne trat. Sie verlor das Gleichgewicht und stürzte rückwärts nach unten in die Tiefe.   »Zurück auf Eure Positionen!«, brüllte Bogenmeisterin Li und die Schützen folgten ihrem Befehl mit weit aufgerissenen Augen. Aus der südlichen Mauerkuppel rannten mehr Verteidiger auf die Mauer. Einige taten es den Bogenschützen gleich und stellten sich auf dem Rand der Mauer auf, um die Spinnen mit Schusswaffen zurückzuhalten. Andere positionierten sich hinter ihnen, um im Ernstfall mit ihren Nahkampfwaffen einschreiten zu können. Die Kriegerin atmete auf, als die Verstärkung eingetroffen war und erkannte, dass die Spinnen nun nicht mehr weiter vorankamen.   Die Kommandantin nickte den Verstärkungstruppen zu: »Die Kanonen haben viele wieder zurückgetrieben. Jetzt müssen wir uns nur noch um die Überbleibsel kümmern.« Sie selbst spannte noch einen Pfeil in ihren Bogen, bevor sie ihren scharfen Blick über die Truppen und die Spinnen schweifen lies. Li sprang von der Erhöhung herab als die Situation unter Kontrolle schien. Sie winkte Struana und Tensho zu sich, während sie an der Verteidigungslinie nach Süden in den Pavillon eilte. Die Worgen folgte ihr überrascht, ebenso wie Tensho der seine Schwerter wieder an seinem Gürtel befestigte.   Der Lärm um sie herum hatte bereits stark abgenommen. Die Riesenspinnen wurden zurückgedrängt. Die Kriegerin vermutete, dass die Schlacht schon zu Ende war. Was sollten sie für die Kommandantin also tun? »Einer meiner Bogenschützen ist abgestürzt.«, begann sie, als sie die Mauerkuppe erreichte und beugte sich vor. Sie hob ein langes Seil mit ihrer Pfote auf. »Ihr werdet nach unten steigen und nach ihm Ausschau halten, während ihr den Grund dafür findet, was diese Biester aufgeschreckt hat.« Die Bogenmeisterin knurrte leise und murmelte etwas unverständliches vor sich hin, ehe sie ihren Kopf schüttelte. Sie übergab Tensho das Seil und sah die beiden lange und ernst mit ihren grünen Augen an. »Lann war ein guter Bogenschütze. Sein Leichnam soll den Spinnen nicht als Mahlzeit dienen.«   Struana zögerte, als Tensho nickte. »Wir gehen runter und suchen nach ihm.«, sprach der Mönch und die Kommandantin schenkte ihm einen kurzen, dankbaren Blick. »Seilt euch am besten hier ab. Die Spinnen haben sich größtenteils zurückgezogen und wir werden die Überbleibsel auch noch in zurücktreiben. Viel Erfolg.«, sprach die Bogenmeisterin und ein Hauch von Kummer schwang in ihrer Stimme mit. Sie wand sich schließlich von ihnen ab und eilte zurück zu der Verteidigungslinie. In ihrem üblichen Befehlston rief sie: »Bringt den Schützen mehr Pfeile!«   Die Kriegerin sah ihr einige Sekunden hinterher, während sich Tensho bereits daran machte ein Ende des Seils am Mauerrand zu befestigen. »Sie hofft, dass er noch lebt, oder?«, fragte sie leise, während sie zu ihm sah.   Tensho zog ein paar Mal kräftig an dem Seil. »Vermutlich. Aber einen Sturz aus dieser Höhe kann man nur mit sehr viel Glück überleben. Und wenn, dann ist Lann schwer verletzt.« Der Pandare prüfte noch einmal das Seil, ehe er zufrieden nickte und den Rest mit dem Fuß über den Mauerrand stieß. Es entrollte sich und baumelte schließlich in die Tiefe hinab. »Ihr seigt zuerst hinab. Es sollte halten, aber falls nicht wäre es schwerer für Euch mich zu halten, als wenn ich Euch halte.«   »Danke.«, murmelte Struana und befestigte ihre schwere Stangenwaffe an ihrem Rücken. Sie griff nach dem Steil und zog noch einmal prüfend daran. »Das klang gerade wirklich beruhigend.«, schmunzelte sie und schenkte Tensho ein verschmitztes Grinsen. Sie schlang das Seil um ihren Rücken und ihren Arm, ehe sie über den Rand des Schlangenrückens stieg. Zügig seilte sie sich die gigantische Wandseite des Walles hinab. Wenn man von oben auf den Boden hinabsah, kam sie einem schon sehr groß vor, doch nun wirkte die Mauer noch viel riesiger als ohnehin schon.   Die Kriegerin hatte sich bereits die Hälfte des Walls abgeseilt, als die Sonne über ihr plötzlich aufhörte zu scheinen und sie in die Schatten der Schreckensöde tauchte. Unbewusst stellte sich ihr Fell auf und eine merkwürdige Kälte legte sich über sie. Die Luft roch anders, während sie sich immer weiter dem Erdboden näherte und ein unbehagliches Kribbeln kroch über ihren Rücken. Struana wusste, dass unter der Erde der Schreckensöde das Sha pulsierte, doch je kürzer der Abstand zum Boden wurde, desto angespannter war sie und umso langsamer kam sie nach unten.   Als Struana einen Fuß auf den unfruchtbaren, trockenen Boden setzte zuckte ein merkwürdiges Gefühl durch ihren Körper und sie zuckte zurück. So knapp über dem Erdboden musste das vermutlich lächerlich aussehen, doch das Gefühl, welches sie bekam war beängstigend gewesen. Die Schreckensöde starb und es kam ihr so vor, als könnte sie die wirbelnden Energien des Shas direkt unter ihren Pfoten spüren. Die Worgen schluckte, es war lächerlich, dass sie einfach nicht auf den Boden treten wollte. Alles in ihr schrie wieder nach oben zu klettern, doch letztendlich gab sie sich einen Ruck. Als sie mit beiden Pfoten auf dem grauen, trockenen Boden stand sah sie nach oben und rief: »Ich bin unten!«   »In Ordnung!«, rief Tensho hinab und nach wenigen Atemzügen erkannte sie ihn, wie er sich ebenfalls an der Seite der Mauer nach unten Seilte. Die Kriegerin wandte sich von der Mauer ab und schulterte ihre Stangenwaffe. Ihre Ohren drehten sich langsam, während sie über die karge und sterbende Landschaft des dunklen, ihr unbekannten Gebietes sah. Die goldgelben Nebelschleier vor ihren Augen waren nun besonders gut sichtbar, da die Sonne von schweren, dichten Essenzen des Shas verdeckt wurde. Gedankenverloren blickte die Kriegerin über die Ruinen der Terrasse von Gurthan. Einige wenige Bodenplatten waren von verdorrten Unkraut und Moos überzogen. Große Säulen lagen gebrochen über den gepflasterten Marmorsteinen die mit der Zeit nahezu nicht mehr in ihrer Ursprungsform erkennbar waren. Entweder lagen sie in traurigen Trümmern oder zerbrochen in die Erde getreten da. Tenshos Bericht über das Ereignis um die Terrasse stimmte also, und das Sha war für den Rest der Veränderung der Schreckensöde verantwortlich. Doch warum sammelte sich die Energie des Shas in diesem Gebiet so stark und beeinflusste die Natur der gesamten Region? Kapitel 3: 02 - Der Windschnitter --------------------------------- Tensho erreichte das Ende des riesigen Walles und sprang den letzten Schritt vom Seil herab, ehe er zu Struana trat. Sein aufmerksamer Blick huschte über die düstere Landschaft, ehe er angespannt für wenige Herzschläge innehielt. »Wir sollten Lann finden und dann schnell wieder von hier verschwinden. Nicht, dass wir noch von den Mantis oder noch herumstreunenden Spinnen überrascht werden.« Er drehte sich von ihr weg und ging den Fuß der Mauer ab.   Struana folgte ihm zwischen den Kadavern der Spinnen, die von der Mauer abgestürzt waren. Vor ihrem Tod hatten sie sich noch zusammengerollt und lagen nun mit Pfeilen gespickt auf dem Rücken. Irgendwo unter ihnen musste sich der bedauernswerte Bogenschütze befinden. Stets darauf bedacht was in ihrer Umgebung geschah, hielt sie ihre Ohren gespitzt. Nach mehreren Momenten in denen sie durch die großen Knäuel der toten Riesenspinnen geschlichen waren, sah sie zur Mauer hinauf. Sie konnte die Umrisse einiger Bogenschützen erkennen, die in die Schreckensöde spähten. Sie hatten gute Arbeit geleistet, die Riesenspinnen zurückzudrängen, denn jetzt wirkte die Luft um sie herum still und fast schon erstarrt. Es war kaum zu glauben, dass noch vor mehreren Augenblicken die Luft vom Kreischen dieser Bestien erfüllt war. Oberhalb des Schlangenrückens konnte sie das Licht erkennen, welches von der Sonne ausging und die obere Hälfte des Walles erhellte. Und sie stand hier, in dieser unnatürlichen Dunkelheit der Schreckensöde, die eine unangenehme Kühle mit sich brachte. Merkwürdigerweise empfand sie eine gewisse Faszination für dieses Phänomen, dass sich die Sonne weigerte hier zu scheinen. Aber das Ungute Gefühl klebte noch immer an ihr wie kalter Matsch.   »Hier ist sein Bogen!«, rief Tensho und die Kriegerin senkte ihren Blick zu ihm hinab. Tensho kniete sich nieder und hob den Bogen auf, dessen Sehne gerissen war. Betrübt sah er zu ihr auf, während die Worgen an seine Seite trat. »Aber von Lann ist weit und breit keine Spur.« Struana betrachtete für ein paar Herzschläge den Bogen, ehe sie sich vorbeugte und ihre Augen schloss. Sie schnüffelte an dem hölzernen Kurzbogen und sog den Geruch in sich ein. Ihre empfindlichen Geruchsknospen gewöhnten sich an die Duftspur, als sie sich wieder aufrichtete, prüfte sie schnüffelnd die Luft. Es dauerte mehrere Momente, ehe sie den feinen Geruch von Lann in der Luft wahrnehmen konnte. »Ich kann ihn riechen.«, sagte sie knapp und schnüffelte weiter. Der Mönch ließ den kaputten Bogen wieder auf den Boden fallen und richtete sich auf. Erstaunt sah er zu Struana, die immer noch in der Luft schnüffelte. »Ich glaube, er ist noch am Leben.«   »Er lebt noch?«, fragte Tensho ungläubig und sah skeptisch den Wall hinauf. »Aber wie konnte er sich nach einem solchen Sturz überhaupt noch bewegen?«   »Ich weiß es nicht.«, erwiderte Struana kopfschüttelnd und ging einige Schritte um die Umgebung zu prüfen. Sie war sich aber sicher, dass der Geruch von der Absturzstelle wegführte, direkt in die Ruinen von der Terrasse hinein. »Vielleicht haben die Spinnen ihn verschleppt? Ihre Gerüche vermischten sich miteinander.« Die Worgen grunzte, als sie sich sicher war. »Die Spur führt in die Ruinen hinein.«   Gerade wollte sie schon vorausgehen, doch der Pandare hielt sie am Arm zurück. Sie zuckte mit ihren Ohren, als sie ihn verwundert ansah. Er schüttelte seinen Kopf. »Wir sollten versuchen die Ruinen zu umgehen. Vielleicht können wir Begegnungen mit weiteren Spinnen vermeiden.«   Die Kriegerin überlegte kurz, ehe sie zustimmend nickte. Während sie Tensho folgte, zog sie sich die Lederkapuze über ihren Kopf. Sie nahm mehrere Geräusche wahr, von denen sie sich nicht sicher war, ob sie sie beunruhigten. Struana versuchte, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Die Geruchsspur von Lann wurde schwächer, als sie über die Hügel in der Nähe der Mauer an den Ruinen der Terrasse von Gurthan vorbeigingen. Der Mönch wirkte zu ihrer Erleichterung ebenso angespannt, wie sie sich fühlte. Vermutlich wirkte die Schreckensöde auf ihn einen ebenso negativen Einfluss aus, wie auf sie.   Als sie weiter nach Süden gingen fand Struana wieder die Geruchsspur. Sie wirkte feiner, aber auch mit einem bitteren Nachgeschmack von Blut. Tensho achtete darauf in der Nähe der schützenden Mauer zu bleiben, während sie über den trockenen Boden schlichen. Die Erde unter Struana fühlte sich tot und leer an, als wäre es einfach nur eine Fläche mit dem Sinn darauf zu stehen, doch ohne jegliche weitere Bedeutung. Die Worgen wollte die Schreckensöde so schnell wie möglich wieder verlassen. Kontrolliert rutschte der Pandare einen steilen Abhang hinunter. Als sie neben ihm schlitternd zum stehen kam, nahm sie den Geruch des Bogenschützen, Blut und auch von Spinnen intensiver war. Der Geruch der Spinnen wirkte frisch, aber auch irgendwie fahl, als wären sie geflohen. »Normalerweise leben die Riesenspinnen in den abgelegenen Stellen der Terrasse von Gurthan. Warum sind wir noch nicht auf welche gestoßen?«, fragte Tensho laut und sah sich unbehaglich die verdorrten Sträucher an.   »Seid doch froh.«, murmelte Struana und ging weiter. »Ich habe nicht unbedingt Lust, sie besser kennen zu lernen.« Ein verschmitztes Grinsen spielte auf ihren Lefzen, obwohl sie sich nicht erheitert fühlte. Sie versuchte nur das Unbehagen abzuschütteln, aber es funktionierte nicht. Immerhin war sie sich sicher, dass sie auf der richtigen Spur waren. Sie führte Tensho ein Stück in das Landesinnere der Schreckensöde, an überwachsenen Marmorplatten und verkümmerten Bäumen und Hügeln vorbei. Hinter einigen weiteren Abhängen und stark unebenen Hügeln erkannte sie schließlich einen Pandaren.   »Lann!«, rief Tensho, als auch er ihn erkannte und beschleunigte seine Schritte. Struana eilte hinterher, als der Bogenschütze seinen Kopf hob. Sein Gesicht hellte sich auf, als er die beiden erkannte. »Der Rote Kranich ist mir gnädig.«, murmelte er, als sich der Mönch vor ihn hinkniete um ihn nach Wunden abzusuchen. Um den Bogenschützen herum lagen mehrere zusammengewobene, weiße Fäden die allerdings nur noch Fetzen darstellten. Struana verengte ihre Augen und sah sich argwöhnisch um. »Stammen die von Spinnen? Wo sind sie?«   Der Bogenschütze wurde von Tensho auf die Beine gezogen, wobei er sein Gesicht vor Schmerz verzerrte. »Die sind abgehauen.«, antwortete er jammernd und keuchte auf. Struana erkannte, dass sein rechtes Bein in einem ungesunden Winkel abstand und er es nicht belastete. Die Worgen eilte auf seine andere Seite um ihm ebenfalls unter die Arme zu greifen, doch ihre Stangenwaffe behielt sie in der freien Pranke. Ungerne wollte sie sie verstauen, solange sie noch in der Schreckensöde waren.   »Wie habt Ihr überhaupt den Sturz überlebt, Lann? Die Erhabenen wollen Euch wohl noch nicht gehen lassen.«, scherzte Tensho, als sich die drei langsam auf den Weg zurück zur Mauer machten.   Lann stöhnte schmerzhaft auf. »Ich bin auf eines dieser Mistviecher gefallen, die hat meinen Fall abgefedert. Aber einige dieser Spinnen haben mich hierher verschleppt und wollten mich bereits in einen Kokon spinnen. Dachten wohl, ich sei ein netter Happen.«, spuckte er aus, während sie kleine winzige Schritte gingen. Der Bogenschütze versuchte nicht ganz so hilflos auszusehen, wobei das kaum möglich war.   Struana tauschte einen beunruhigten Blick mit Tensho aus. »Wir sollten von hier verschwinden. Die Spinnen lauern bestimmt noch hier irgendwo.«, murmelte sie. Auch wenn sie nichts Bedrohliches hören konnte und der Geruch fahl wirkte, konnte sie sich nicht vorstellen, dass sie nicht zurückkommen würden - um ihre nachträgliche Mahlzeit abzuholen.   »Nein!«, widersprach plötzlich Lann. »Wir müssen noch etwas kontrollieren!« Er versuchte sich gegen seine Stützen aufzustemmen, was mit einem Bein fast schon lächerlich wirkte. »Ich weiß, was die Spinnen aufgeschreckt hat. Sie haben auch die Spinnen vertrieben, die mich hierher verschleppt haben!«   Tensho sah ihm in die Augen, als dieser zumindest versuchte zu strampeln. Struana sah zu Lann und ihre Ohren drehten sich unter ihrer Kapuze. Es war auch Teil ihrer Aufgabe herauszufinden, was die Spinnen aufgeschreckt hatte. »Was denn?«, versuchte sie den Bogenschützen zum Reden zu ermutigen, doch Lann stammelte auf einmal, als wäre er nicht mehr ganz bei Sinnen. »Ich habe zwei sehr große Mantis gesehen. Es sah so aus als würde der eine den anderen Verfolgen und ich glaube sie haben gestritten! Laut gestritten! Einer von ihnen sah anders aus als alle Mantis, die ich je gesehen habe. Völlig andere Farben und Kleidung - fast schon wie eine Art Orakel, oder so. Der andere war total verrückt und dunkel. Er hat mit Sha-Energie um sich geworfen, als wäre es ein Krug Sturmbräuspezialmischung!«   Die Worgen runzelte ihre Stirn bei dem Bericht des Bogenschützen. Ein Mantis hatte mit Sha-Energie geworfen? Hieß das, dass er mit ihr Magie gewirkt hatte? »Zwei einzelne Mantis?«, fragte Tensho zweifelnd und legte seine Stirn in Falten. »Mal ganz davon abgesehen, dass diese Insekten nur in Schwärmen auftreten, bezweifle ich, dass sie sich wirklich gestritten haben.«   »Aber ich bin mir völlig sicher!«, entgegnete Lann empört und versuchte selbstständig zu stehen. Er unterdrückte einen spitzen Schmerzensschrei, als er bei dem Versuch sein kaputtes Bein belastete und knirschte mit den Zähnen. Tensho schüttelte seinen Kopf. »Der Schmerz muss Euch einen Streich gespielt haben.«, erwiderte er beruhigend und zog den verletzten Bogenschützen weiter mit sich, doch dieser sträubte sich.   »Wir müssen das überprüfen! Vielleicht erhalten wir wichtige Informationen, die uns nützlich sein können!«, warf er fast schon verzweifelt ein. Struana bekam immer mehr Mitleid mit ihm. Doch wenn sein Bericht stimmte, hatte er recht und sie mussten dem wirklich nachgehen. Doch sie konnten Lann auch nicht einfach hier zurücklassen und ihn mitzunehmen, würde sie einiges an Zeit kosten.   »Das reicht Lann! Wir bringen Euch zurück zum Tor der Untergehenden Sonne. Die Heiler werden Euch dort untersuchen.«, erwiderte Tensho bestimmt. Doch wieder wirkte der Bogenschütze zutiefst unglücklich und mürrisch darüber.   »Wann und wo habt Ihr sie gesehen, Lann?«, fragte Struana plötzlich und ließ ihren Blick über ihn schweifen, welcher zu ihr aufsah. Ihr Körper kribbelte unbehaglicher denn je, doch ihr Interesse war geweckt worden. Sie konnte nicht glauben, dass irgendeine Kreatur im Stande war wirklich Sha-Magie anzuwenden, oder sie zu benutzen. Außerdem war sie neugierig worüber die beiden Mantis gestritten hätten. Gab es etwa geteilte Meinungen unter ihnen? Es könnte ihnen wirklich nützlich sein im Kampf gegen den Schwarm.   »Sie flogen tief und in Richtung Südost direkt auf den Fuß der Mauer zu. Sie müssten dort irgendwo in der Nähe sein.«, beharrte Lann und schien erleichtert zu sein, dass sich wenigstens einer für seinen Bericht interessierte. »Es ist kaum Zeit vergangen, seit sie mit ihrem Gekreische die Spinnen vertrieben und ihr gekommen seid.«   Struana sah Tensho fest in die Augen und sie konnte schwören, dass er ihre Gedanken lesen konnte, noch ehe sie diese ausgesprochen hatte. »Ich werde nachsehen gehen.«, entschied sie und legte Lanns Arm von ihren Schultern ab. »Wenn sie noch dort sind, werde ich herausfinden worüber sie streiten.«   Der Mönch sah sie lange an. »Kann das nicht warten, bis wir Lann zum Tor der Untergehenden Sonne gebracht haben?«, fragte er und sie fing seinen besorgten Blick auf. Es rührte sie, dass er sich um sie sorgte, doch sie musste diesem Hinweis nachgehen. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass es mehr zu bedeuten hatte, als es vermuten ließe. »Das kostet zu viel Zeit.«, entgegnet sie. »Wenn wir sie verpassen werden wir nichts herausfinden. Möglicherweise sind sie jetzt auch schon fort. Ich werde mich nur etwas umsehen, vielleicht die ein oder andere Information aufschnappen und dann sofort wieder zum Schlangenrücken kommen. Wenn sie nicht mehr da sind, hole ich euch vielleicht sogar noch ein.«, scherzte sie.   Tensho sah sie lange an und sein Blick durchbohrte sie förmlich. Sie wunderte sich, warum er sich so sehr um sie sorgte, doch sie konnte diese Frage selbst beantworten. Nie hätte sie geglaubt, einen so guten Freund in Tensho zu finden. »Nun gut...«, gab der Pandare schließlich nach und seufzte leise. »Aber kommt wohl behalten zurück zu uns, Struana.«   »Keine Sorge.«, erwiderte die Kriegerin und hob ihre Lefzen zu einem Grinsen. »Vermutlich werdet Ihr mich früher wieder zu sehen bekommen als erwartet. Wir sehen uns spätestens zum Abend wieder auf dem Schlangenrücken, Tensho.« Sie zwinkerte ihm zuversichtlich zu, als er nickte.   »Die Erhabenen ebenen Euren Weg.«, verabschiedete er sich, ehe er mit Lann - der sich nun nicht mehr wehrte - den Weg vorbei an der Terrasse von Gurthan suchte um zurück zur Mauer zu kommen. Struana sah ihnen lange nach, ehe sie mit ihren Ohren schnippte. Sie würden bestimmt unbeschadet den Weg zurück zu der Stelle finden, an der sie mit Tensho auch nach unten geklettert war. Die Kriegerin drehte sich um und ging in die entgegengesetzte Richtung, wo mehr verdorrtes Gestrüpp und Ruinen zu sehen waren. Vorsichtig trug sie ihre Stangenwaffe vor sich, bereit sich zu wehren, sollte sie etwas angreifen. Fast geräuschlos schlich sie immer weiter in die Terrasse von Gurthan hinein, obwohl sie versuchte diese zu meiden. Aber die Terrasse grenzte fast an den Fuß der Mauer und Struana konnte sich nicht vorstellen, dass sich zwei Mantis so nahe am Schlangenrücken aufhielten um zu streiten. Sie stieg überwucherte und zerstörte Treppenteile hinunter, ehe sich der Weg vor ihr in ein nebelumfangenes Moor verwandelte.   Prüfend sog Struana die Luft ein, als sie plötzlich leises Klackern und ächzendes Kreischen hören konnte. Die Kriegerin legte ihre Ohren an und bemühte sich so leise wie möglich den steilen Hang hinaufzuklettern. Gebückt schlich sie um mehrere Felsen den lauter werdenden Geräuschen der Mantis entgegen, bis sie eine Höhle erkennen konnte. Mit klopfendem Herzen drückte sie sich gegen den kalten Stein, als der Lärm in der Höhle lauter wurde. Ein metallischer Schall durchschnitt die Luft und Struana strengte sich an, den gekrächzten und geklickten Worten zu folgen, die sie von sich gaben.   »Die Klaxxi haben Ihre Majestät verraten! Eure Leichen werden dafür von den Zinnen Ihres Palastes hängen!«   Ein weiterer klirrender Laut schallte aus der Höhle, welcher die Worgen fast zusammenzucken ließ. Sie wagte es einen Blick in das Innere der Höhle zu erhaschen. Ungläubig weitete sie ihre Augen, als sie erkannte dass der Bericht von Lann wirklich stimmen konnte. Das magische Schild eines Mantis, in auffälligem Gewand aus gelb und mossgrünen Farbtönen zerschellte und ein faustgroßer Ball aus pulsierender Sha-Energie traf ihn mit Wucht. Der Insektoid kreischte unter Schmerzen und bäumte sich auf, nachdem er von dem Impuls zurückgeschleudert wurde. Er war zu Struanas Erstaunen riesig, fast drei Mal so groß wie sie selbst. Einen so großen Mantiden hatte sie noch nie gesehen. Vermutlich aus dem Grund, dass - wie Tensho ihr erklärt hatte - der Schwarm nur aus der so genannten Brut bestand. Der andere Mantis - der bedeutend kleiner war - gackerte nahezu sadistisch, während die Energien aus weißen und schwarzen Nebel wie Schatten um seinen Körper huschten.   Die Fühler des riesigen Mantiden zuckten beherrscht, während er gepresste, rasselnde Worte krächzte: »Es ist die Kaiserin, die... unsere Leute verraten hat-...« Seine Stimme war dünn und schwach, aber mit Überzeugung gesprochen, was die Worgen wunderte. Also gab es eine Unstimmigkeit innerhalb der Reihen der Mantis. Wenn sie mehr erfuhr-   »Ihr wagt es Ihren Willen in Frage zu stellen?!«, kreischte der kleinere Mantis erzürnt und wob wieder Sha-Energie vor sich. Der okkult gekleidete hatte nicht einmal die Gelegenheit um auszuweichen, als ihn die nächste Welle traf und er gegen die Wand direkt hinter sich gepresst wurde. Die Kriegerin konnte das Blut riechen, welches aus seinen Augen und Kiefer nahezu floss. Sein Körper bebte bei jedem Atemzug, den er tätigte und das goldgelbe Chitin seiner Haut wirkte fast fahl und ausgebleicht. Es war fast so, als würde sein Körper von innen heraus zerstört werden. Warum nur kämpften diese beiden Mantiden gegeneinander? Struana hob ihre Lefzen, denn sie fühlte sich fast so hilflos, wie das riesige Insekt aussah. Sie konnte hier stehen bleiben und sehen, wie der verrückte, Sha wirkende Mantis das Leben eines anderen beendete. Sie könnte zurückgehen und von dem bisschen berichten, was sie herausfinden konnte. Oder sie würde einschreiten und den verrückten Mantiden töten. Doch was würde ihr das bringen? Der Goldene stand nahe an der Schwelle des Todes und er würde ihr mit Sicherheit ebenfalls nichts verraten. 'Und was wenn doch?', schlich sich eine Stimme in ihren Verstand. Was wenn sie eine Gelegenheit vergeudete, die sie nicht mehr so schnell wieder bekommen würde?   Struana haderte mit sich selbst, als wieder lautes Kreischen durch die Höhle hallte. Der verrückte Sha Wirker würde ihr bestimmt nichts Nützliches verraten, wenn er siegreich war. Aber vielleicht würde dieses Orakel ihr etwas preisgeben. Etwas womit sie den Schwarm vielleicht sogar beenden konnte? Entschlossen umgriff sie ihre Stangenwaffe und stieß sich von den Felsen ab. Gewappnet betrat sie die Höhle, doch ihre Anwesenheit war bereits bemerkt worden. Der verletzte Mantis hob schwach seinen Kopf und blinzelte sie verwundert an, während der kleinere zischend herumwirbelte. »Was ist das?!«, spie er krächzend aus und fixierte die Worgen mit einem verachtenden Blick. »Die Niederen Völker kommen um sich in Angelegenheiten einzumischen, die sie nichts angehen? Narren!«   Struanas Blick ruhte auf dem verletzten Mantis. In seinen runden Käferaugen, die abwechselnd blinzelten glaubte sie etwas merkwürdiges zu erkennen. War es etwa Hoffnung? - So ein Blödsinn! Mit wachsender Anspannung widmete sie sich dem gefährlicheren der beiden zu. »Ich bin aus eigenem Interesse hier.«, entgegnete sie scheinbar gelassen, wobei ihr das Herz fast bis zum Hals schlug. »Erzählt mir, wie ich den Schwarm stoppen kann, oder sterbt.«   Der kleinere Mantis starrte sie zunächst erstaunt an, bevor er lauthals loskreischte vor Lachen. Seine Kieferzangen klackerten unheilvoll gegeneinander. »Ich soll was?! Niedere Kreatur, sterbt für Euren Übermut!« Mit diesen Worten hob der Shawirker seine Arme und wob erneut die dunkle Energie für einen Angriff. Struana legte sofort ihre Ohren an und rannte auf ihn zu. Ihre Lefzen für ein Knurren zurückgezogen hob sie ihre Stangenwaffe über ihre Schultern. Ein gezielter Schnitt würde genügen, das wusste sie inzwischen. Sie kannte die Schwachstellen der Mantis und ihr Gegner war nicht bewaffnet.   Die Schatten des Shas brachen auf sie hinein, doch sie rannte einfach durch sie hindurch. Sie bemerkte noch nicht einmal den Effekt, den die Sha-Energie eigentlich auf sie ausüben sollte, dank des Rituals von Sevias. »Was?!«, kreischte der Mantis verwirrt. »Kein Wesen kann der Macht des Meisters entkommen!« Entsetzen packte ihn, als die Kriegerin vor ihm mit Schwung das zweischneidige Blatt in die dünne Stelle seines Rumpfes versenkte. Fast schaffte sie es den Oberkörper vollständig abzutrennen, doch der Chitinpanzer bremste ihre Waffe ab. Mit ungläubig geweiteten Augen fiel der Mantis zur Seite und zuckte kurz, ehe er jede Bewegung einstellte. Dunkles Blut floss aus seiner Seite auf den Höhlenboden, als Struana schnaubte und ihre Waffe zurückzog. Mit einem schmatzenden Geräusch löste sie sich aus dem Leib und nahezu mit Leichtigkeit schulterte sie die schwere Waffe.   Langsam sah die Worgen auf und blickte zu dem goldenen Mantis. Die merkwürdigen Vorderbeine der Kreatur versuchten zwar den riesigen Leib zu stützen, doch es war nicht schwer zu erkennen, dass es ihm kaum möglich war. Vornübergebeugt atmete er rasselnd und noch immer floss Blut aus seinem Schlund und Augen. Der Gestank von Fäulnis ging von ihm aus, wodurch Struana ihre Schnauze rümpfen musste. »Werdet Ihr sprechen, Mantis?«, fragte Struana und blickte herausfordernd zu ihm auf.   Der Mantis stützte sich an der Höhlenwand ab und versuchte, sich ruhig zu verhalten. Als würde er versuchen dem Fluch in seinem Körper Einhalt gebieten zu wollen. Doch Struana wusste, wie sinnlos es war sich gegen das Sha stemmen zu wollen. »Kommt näher-... Kriegerin...«, drangen die rasselnden und klackernden Worte durch die Höhle, während er keuchend nach Atem rang. »Wir sind-... nicht Euer Feind.«   Struana verengte ihre Augen. »Was meint Ihr damit?«, fragte sie misstrauisch und ging tatsächlich ein paar Schritte näher auf den riesigen Mantiden zu. Sie hielt ihre Stangenwaffe immer noch erhoben, bereit sich zu verteidigen, sollte er einen Hinterhalt planen. Doch in ihren Klauen kribbelte die Neugier. Würde er wirklich etwas nützliches sagen? Ein Zucken fuhr durch den goldenen Mantis und er stürzte zur Seite auf den Boden. Seine zuckenden Vorderbeine waren unter seinem Gewicht abgerutscht und konnten den kraftlosen Leib nicht mehr tragen. Die Worgen widerstand dem Impuls zusammenzuzucken, doch sie konnte nicht verhindern, dass sie Mitleid mit der Kreatur hatte. Der Mantis griff nach etwas unter dem Stoff und streckte es ihren Füßen entgegen. Struana versuchte zu verstehen, was das zu bedeuten hatte.   »Nehmt das-...«, brachte er heraus und öffnete seine geschundenen, klauenähnlichen Finger. Die Kriegerin erkannte eine Metallgabel aus einem edlen, bernsteinfarbenen Material. Das Artefakt hatte zwei lange, dünne Zinken und einen mit Edelsteinen besetzten Griff. »Im Norden-... Erweckt den Windschnitter. Nur so-... kann dem Schwarm ein Ende-... gesetzt werden.« Der Mantis krümmte sich unter Schmerzen und seine Kieferzangen schlugen hart gegeneinander, während er hustete. Er spuckte Schleim und Blut, als er sich zwang weiter zu sprechen: »Er wird Eure Fragen-... beantworten...«   Struana sträubte sich ihr Nackenfell. »Was soll ich? Wenn es eine Möglichkeit gibt den Schwarm aufzuhalten, werdet Ihr ihn mir jetzt erzählen!«, keifte sie wütend und verzweifelt zugleich. Doch innerhalb eines Wimpernschlags krümmte sich der Mantis wieder zusammen. Er gurgelte gequält, während er Blut spuckte und scheinbar auch schluckte, ehe er jede Regung einstellte und sein Körper erschlaffte. Mit weit geöffneten Augen starrte die Worgen auf den Mantiden herab. Er war innerhalb von Sekunden gestorben - einfach so - wegen dem Sha. Prüfend stieß sie ihn mit ihrer Stangenwaffe an, doch es erfolgte keine Abwehrspannung.   Frustriert seufzte sie, als sie die sperrige Waffe auf ihrem Rücken befestigte. Er hätte es ihr einfach erzählen sollen. Doch stattdessen hatte er seine Kraft verschwendet, um ihr ein Artefakt zu geben, mit dem sie nichts anzufangen wusste. Die Kriegerin beugte sich vor um sich das Artefakt näher anzusehen. Das bernsteinfarbene Material musste gehärtetes Kyparit sein, ein Metall, das aus Erzadern, welches unter den Kyparibäumen floss, gewonnen wurde. Der sterbende Mantis hatte ihr in seinem letzten Atemzug einen Auftrag gegeben. 'Erweckt den Windschnitter. Nur so kann dem Schwarm ein Ende gesetzt werden.' Struana rümpfte ihre Schnauze, ehe sie den Schaft der Stimmgabel aus dem Greifer des toten Mantis zog und diese betrachtete.   Gedankenverloren und frustriert, da sie nichts nützliches herausgefunden hatte und stattdessen mit einem Rätsel zurückgelassen wurde, ging sie aus der Höhle. Sie blickte über die ergraute, hügelige Landschaft und das neblige Moorland unterhalb des Hanges auf dem sie stand. Missmutig umklammerte sie das merkwürdige Artefakt in ihrer Pranke. Es gab also einen Weg um den Schwarm aufzuhalten, aber warum hatte er es ihr überhaupt gesagt? Und wer oder was war dieser Windschnitter, der ihre Fragen beantworten würde? Vermutlich war das auch ein Mantis. Konnte man diesen Insekten wirklich trauen?   Struana schüttelte entschlossen ihren Kopf und steckte die Stimmgabel in ihren Gürtel. Nein, nur tot waren die Mantis ungefährlich und für weiteren Spielraum war kein Platz. Sie würde dem Ganzen vielleicht später auf den Grund gehen. Aber jetzt musste sie Meldung auf dem Schlangenrücken machen. Merkwürdig schnell bewegte sie sich durch die Trümmer der Terrasse von Gurthan am Rand des Schlangenrückens entlang. Es kam ihr so leicht vor, den Hang hinaufzuklettern und die Reihen der toten Riesenspinnen zu umgehen. Bereits nach gefühlten wenigen Atemzügen erreichte sie die Stelle, an der Tensho und sie hinuntergeklettert waren. Am oberen Rand des Walles war nichts zu erkennen. Vielleicht waren die stationierten Wächter in ihrem toten Winkel. Entschlossen griff sie nach dem Steil, das wegen ihr noch nicht wieder eingeholt worden war, als plötzlich das Artefakt an ihrem Gürtel sachte zu vibrieren begann.   Die Worgen verengte ihre Augen und griff nach der Stimmgabe. Verwundert und misstrauisch zugleich betrachtete sie diese, während die Zinken schwangen. 'Im Norden - Erweckt den Windschnitter.' Die Worte des sterbenden Mantis kreisten ihr im Kopf herum. Aufmerksam warf sie einen Blick über ihre Schulter zu den düsteren Hügeln und Ruinen. War dieser Windschnitter etwa hier in der Nähe?   Unentschlossen spähte sie den gigantischen Wall hinauf, ob sie nicht doch jemanden sehen konnte. Ein Wächter, der entlang des Schlangenrückens patrouillierte, oder vielleicht sogar Tensho. Doch nach mehreren Herzschlägen war immer noch niemand zu sehen. Nachdenklich wandte sie sich von der Mauerwand ab und lugte zu der Stimmgabel in ihrer Pranke hinab. Nach kurzem Zögern steckte sie das Artefakt wieder in ihren Gürtel und lief los. Sie verließ den unmittelbaren Schutz der bekannten Mauer, als sie über die verwachsenen Steinplatten auf der Terrasse von Gurthan rannte, um etwas weiter in das Innere der Schreckensöde vorzudringen. Die Worgen wusste noch nicht einmal, wonach genau sie suchte. Was wäre, wenn der Windschnitter doch nicht die Antworten auf ihre Fragen hatte? Doch konnte sie sich diese Gelegenheit entgehen lassen? Struana erreichte schnell das Ende der Terrasse und gelangte an einen Hang, der steil nach unten führte. Abermals frustriert schnaubte sie die Luft aus ihren Nüstern aus, während sie über die dunklen Ebenen in der Ferne blickte. Die Stimmgabel vibrierte nun stärker, doch sie konnte einfach nichts auffälliges erkennen. Sie musste das - was auch immer sie suchte - doch wenigstens schon sehen können, oder?   Die Kriegerin sprang den Hang hinunter und hätte eigentlich auf Kies landen sollen, doch stattdessen trafen ihre Pfoten auf etwas hartes und glattes, wodurch sie abrutschte und stolperte. Sie konnte sich gerade noch fangen und blickte sich übelgelaunt nach dem etwas um, was sie fast aus der Bahn geworfen hätte. Doch zu ihrer Überraschung war es kein großer, glatter Stein, wie sie zunächst angenommen hatte. Das etwas ragte zur Hälfte aus der erdigen, steilen Hangwand und dem Kies auf dem Boden hinaus. Es sah aus wie ein erstaunlich großer Klumpen Bernstein, der erstaunlicherweise mitten in der Gegend herumlag. Mit vor Neugier zuckenden Ohren näherte sich die Worgen dem Bernstein und sah ihn sich aus der Nähe an. Der Brocken war riesig, mindestens so groß wie sie selbst und das musste bedeuten, dass es nicht Bernstein von einem beliebigen Baum war, sondern von einem Kypari. Doch was machte er gerade hier?   Struana ging stirnrunzelnd wieder einen Schritt zurück, als ihr der vibrierende Ton der Stimmgabel auffiel. Noch während sich die Worgen fragte, was gerade genau geschah, zog sie das Artefakt aus ihrem Gürtel. Die Stimmgabel vibrierte jetzt fast so stark, dass Struana sie in ihrer Pranke spüren konnte und sendete immer lauter werdende, summende Geräusche aus. Misstrauisch betrachtete sie das Artefakt und drehte es in ihren Klauen, als sie von einem plötzlichen Knacken aufgeschreckt wurde.   Atemlos starrte die Kriegerin auf den freigelegten Bernstein, auf dem sich ein tiefer Sprung gebildet hatte. Weiteres Knacken und Knistern folgte und weitere Risse bildeten sich an der Oberfläche. Struana legte ihre Ohren an, während der Bernstein langsam zerbrach und sich anhörte, als würde eine Eierschale zerspringen. Eine dickflüssige Substanz trat aus den Sprüngen heraus und sickerte auf den Kies, während der Bernstein auseinanderbrach. Sie fiel einfach zur Seite, wobei sie vor wenigen Momenten noch ihr eigenes Gewicht ausgehalten hatte und blieb im Kies legen. Dickflüssiges Harz breitete sich aus und schien immer flüssiger zu werden, während der Gesang der Stimmgabel schwächer wurde. Blinzelnd starrte die Worgen auf die Gestalt, die der Bernstein verborgen gehalten hatte.   Die Flüssigkeit - die unmöglich Harz sein konnte - perlte wie Wasser an der Rüstung und dem goldgelbem Chitin des Mantis herab, während dieser versuchte taumelnd zu stehen. Seine Fühler zuckten träge, als sich seine Vorderbeine streckten um Halt auf dem Boden  zu finden. Die Schulterplatten des Mantiden wirkte schwer und die lavendel- und perlmuttfarbenen Platten wurden durch eingeschweißtes Kyparit zusammengehalten. Sie waren mit Stacheln versehen, ebenso wie der Helm, den die Kreatur über seinem breiten Kopf trug. Unter dem Augenschutz erkannte Struana jadefarbene Augen, die verwirrt und müde umherhuschten, ohne etwas zu wahrzunehmen. An Armen und Beinen trug der Mantis mehrere Reifen aus demselben Material, wie seine Rüstung und aus seinen Handgelenken wuchsen sichelähnliche Stacheln. Zwei sehr große Flügel entfalteten sich langsam und streckten sich, während die letzten Tropfen der Flüssigkeit an ihnen abperlten.   Der Mantiskrieger legte seinen Kopf in den Nacken um einen tiefen Atemzug zu nehmen. »Ich bin... zurückgekehrt-... Die Klaxxi rufen mich.«, murmelte er langsam und leise. Seine befremdende, klackernde und heisere Stimme jagte Struana einen Schauer über den Rücken. Plötzlich krümmte sich der Mantis vor und begann unkontrolliert zu würgen. Er erbrach scheinbar etwas von der Flüssigkeit, die in dem Bernstein gewesen war, während er versuchte, zu Atem zu kommen und seinen zitternden Körper unter Kontrolle zu bringen.   Struana schüttelte ihren Kopf und starrte auf den Mantiskrieger mit einer Mischung aus Neugier und Unglauben. Was bei den Erhabenen war hier gerade passiert? War das wirklich gerade geschehen? Ein übermäßig großer Bernsteinbrocken war aufgeplatzt - vermutlich wegen der Stimmgabel - und ein Mantis war daraus hervorgekommen? Was beim Nether ging hier vor sich?   Fragen über Fragen türmten sich in der Kriegerin auf und sie wusste nicht, welche sie als erstes beantwortet wissen wollte und welche sie besser nicht beantwortet haben wollte. War das etwa der Windschnitter, von dem der sterbende Mantis in der Höhle gesprochen hatte? Struana erkannte die beiden, leicht geschwungenen Dolche, welche der Mantiskrieger in seinen klauenähnlichen Händen umklammert hielt, während er einen weiteren Schwall der bernsteinfarbenen Substanz erbrach. Seinem Zustand nach zu urteilen musste er geschwächt sein, weswegen sich Struana wegen der Dolche nicht nervös machen ließ. Sie war ohnehin schon nervös genug. Der Mantis war ungefähr zwei bis drei Köpfe größer als sie und allem Anschein irgendwie anders. Noch nie hatte sie einen Mantis gesehen der überhaupt so etwas wie eine Rüstung getragen hatte. Die Mantis des Schwarms trugen für gewöhnlich keine Rüstung, sie hatten ihren Chitinpanzer, der ohnehin schon hart genug war.   Der Mantiskrieger hob geschwächt seinen Kopf und suchte mit seinen Augen seine Umgebung ab. Er wirkte verwirrt, doch er schien jetzt immerhin etwas wahrnehmen zu können. Als er Struana in seinen Blick fasste, klickte er argwöhnisch mit seinen Kieferzangen. Die Kriegerin bewegte sich nicht, während sie immer noch auf ihn starrte. Ungläubig blinzelten seine jadegrünen Augen hinter dem Schutzgitter seines Helmes. »Wer seid Ihr, Fremdling?«, fragte er, gefolgt von einem feindseligen Knacken seiner Kieferzangen.   Die Worgen schüttelte kurz ihren Kopf und holte tief Luft. Sie wollte keine Schwäche zeigen, doch dieses Phänomen war immer noch unbegreiflich für sie. »Wenn Ihr schon fragt, mein Name ist Struana.«, antwortete sie und warf ihm die Stimmgabel vor die gehörnten Füße. Er erstarrte als er das Artefakt erkannte und schien kurzzeitig erschüttert, als er ungläubig darauf starrte. Das verschaffte Struana die Zeit die sie benötigte um sich wieder zu sammeln. »Ich hoffe für Euch, dass Ihr derjenige seid, denn man den Windschnitter nennt. Ansonsten habe ich keine Verwendung für Euch.« Struana zog ihre Lefzen zurück und funkelte den Mantiskrieger bedrohlich an. Langsam schritt sie um ihn herum, als er versuchte sich aufzurichten. Doch stattdessen lehnte er gebeugt auf seinen Vorderbeinen, welche ihm zusätzlichen Halt gaben. Auch mit seinen lächerlichen Dolchen, die er nach wie vor umklammert hielt, könnte die Kriegerin ihn einfach mit ihren Pranken abwehren. In einem Zweikampf wäre er ihr gegenüber deutlich im Nachteil - zumindest in diesem Augenblick. Der Mantis zischte abfällig und sah sie angeekelt an, weswegen Struana die Stirn runzeln musste. Sie konnte es nicht nachvollziehen.   »Hat es Euch die Sprache verschlagen?«, fragte sie ungeduldig und knurrte leise. »Antwortet gefälligst!«   Die Fühler des Mantiskriegers zuckten verärgert, während er Struana weiterhin ungläubig anstarrte. Doch er erkannte vermutlich, dass sie ihm überlegen war, denn noch einigen Herzschlägen antwortete er ihr. »Ja, ich werde wohl derjenige sein, den Ihr sucht. Ich bin Kil'ruk der Windschnitter.« Die Worgen verspürte Zufriedenheit in sich aufsteigen, doch ehe sie zu ihrer nächsten Frage ansetzen konnte, fragte stattdessen der Mantiskrieger barsch: »Wo ist der Klaxxi'va, den man zu meiner Erweckung schickte?«   »Auf einmal so redselig?«, fragte Struana sarkastisch und funkelte Kil'ruk amüsiert an. »Den Klaxxi- was? Ihr müsst den Mantis meinen, der wie ein Orakel aussah.«, schlussfolgerte sie, während sein harter Blick auf ihr ruhte. »Er wurde von einem anderen Mantis getötet und starb. Er gab mir auch dieses Artefakt.«, verkündete sie und deutete mit einem Kopfnicken auf die Stimmgabel, die noch immer vor den Füßen des Windschnitters lag. »Er sagte, dass Ihr wüsstet, wie man den Schwarm aufhalten kann. Doch Ihr seht selbst aus, als würdet Ihr jeden Augenblick vor Schwäche umfallen.«, stellte sie zerschmetternd klar.   Kil'ruk betrachtete Struana mit einer Mischung aus Ekel und Zorn, doch allein die Tatsache, dass er sich nicht gegen ihre Sticheleien wehrte, bekräftigte sie in ihrem Glauben, dass er zu schwach für einen Kampf war. Lediglich seine Fühler zuckten und seine Kieferzangen klickten verärgert. »Warum wart Ihr in dem Bernstein eingesperrt?«, fragte die Worgen gelassen und hob abermals amüsiert ihre Lefzen, wobei sie bedrohlich die Reihen ihrer Reißzähne entblößte. »Ihr werdet wohl kaum freiwillig da drin gewesen sein, Mantis.«   Der Windschnitter klickte hart mit seinen Kieferzangen und zischte erbost, als hätte sie ihn getreten. Doch noch immer schien er nicht auf ihre bissigen Kommentare eingehen zu wollen. Aber sie sah Kil'ruk an, dass es ihm sichtlich schwerer fiel, es einfach hinzunehmen. Verärgert hob er seinen Blick zu ihr auf. »Ja, ich weiß wie man den Schwarm aufhalten kann, Fremdling.«   »Wie?«, fragte Struana unverwandt und verengte ihre bernsteinfarbenen Augen. Sie spürte die Anspannung in sich aufsteigen. Wenn sie mit dieser Information zurück zum Schlangenrücken kommen würde, hätten sie eine Möglichkeit diesen absurden Kampf zu beenden, der laut Tensho irgendwann enden würde.   Kil'ruk zitterte, als er sich aufrichtete und sein Gewicht verlagerte, sodass er seine Vorderbeine wieder unter seinen Unterleib zurückziehen konnte. »Mein derzeitiger Zustand ist nicht gerade... gut. Ich habe viele Jahre geschlafen.«, erläuterte er mit einem abfälligen Unterton in seiner krächzenden Stimme. Struana zuckte mit ihren Ohren, als der Windschnitter sie herausfordernd anfunkelte. Misstrauisch hörte sie ihm zu, während er fortfuhr: »Ich werde Euch sagen, wie man den Schwarm aufhalten kann. Allerdings hätte ein Klaxxi'va meiner Erweckung beiwohnen sollen...« Er machte eine kurze Pause und wieder schlich der Ausdruck des Ekels über seine Augen. »Aber nun, werdet Ihr mir genügen müssen.«   »Worauf wollt Ihr hinaus?«, fragte die Kriegerin und sie musste ein Knurren unterdrücken, welches in ihr aufsteigen wollte. Sie sah den Windschnitter aus verengten Augen heraus an. »Ich bin Euch nichts schuldig.«   »Und dennoch wollt Ihr etwas von mir wissen.«, krächzte Kil'ruk und funkelte sie mit seinen jadegrünen Augen an. »Im Süden spüre ich das Summen von Saftfliegen. Bringt sie mir, damit ich zu Kräften kommen kann. Danach werde ich Euch erzählen, was Ihr wissen wollt.«   Struana glaubte nicht recht gehört zu haben, während der Windschnitter scheinbar etwas belustigt wirkte. »Ihr verlangt was von mir?!«, keifte sie laut und entrüstet, als sie ihm einen stechenden Blick zuwarf. Drohend ging sie einige schnelle Schritte auf ihn zu. »Ich könnte Euch auf der Stelle mit meiner Waffe den Kopf von den Schultern trennen.«, knurrte sie und umfasste ihre Stangenwaffe auf ihrem Rücken. Wie dreist dieser Mantis war!   »Ihr würdet aber nie erfahren, was Ihr wissen wollt, Fremde.«, entgegnete Kil'ruk ruhig und verengte seine Augen, ihrem Blick stand haltend. Struana hielt inne und starrte ihn noch immer entrüstet an. »Ihr könntet mich auch töten, sobald Ihr habt was Ihr wollt. Warum sollte ich meine Möglichkeiten nicht ausschöpfen?«, raunte der Windschnitter und wirkte - was für Struana unerklärlich war - ziemlich gelassen.   Ein leises Knurren stieg in ihr auf, während sie langsam den Griff um ihre Stangenwaffe wieder löste. Wut pochte in ihren Ohren, während sie ihn musterte. Er wirkte einfach zu schwach, als dass er in der Lage gewesen wäre Anforderungen zu stellen. Wie dreist dieser Mantis doch war. Doch es war ihm gelungen das Blatt zu seinem Vorteil zu wenden. Frustriert wandte sich Struana von ihm ab. Der Windschnitter war zu schwach um wegzufliegen - er konnte ja noch nicht mal richtig stehen! Wenn also hier in der Nähe irgendwelche Kreaturen lauern sollten, könnte er sich auch nicht wehren. Mal ganz davon abgesehen, dass hier ohnehin nur noch Mantis lebten - mal von den Riesenspinnen und vielleicht dem ein oder anderen Saurok abgesehen - konnte sie nicht riskieren, dass ihm irgendetwas zustieß, während sie diese Saftfliegen fangen würde. Wie konnte sie-...   Der Einfall kam ihr in den Sinn, als sie genervt auf den Kypari starrte, der in kaum dreißig Fuß Entfernung vor ihr aufragte. Der gewundene Stamm wirkte morsch und alt, aber die riesigen Wurzeln wanden sich über den Boden, ehe sie sich in die Erde gruben. Sie sollten breit genug sein um dem Mantiskrieger ein einigermaßen sicheres Versteck bieten zu können. Struana sah über die Schulter zurück zu ihm. »Na gut.«, murmelte sie gepresst und mit Widerwillen. Sie deutete auf den Kypari, ehe sie weiter sprach: »Wartet an den Wurzeln auf mich. Dort seid Ihr geschützt, falls eine Saftfliege auf die Idee kommen sollte Euch anzugreifen.«   Struana konnte sich ein selbstgefälliges Grinsen nicht verkneifen, als sie die Wut in Kil'ruks Augen auflodern sah. »Und macht nichts dummes, während ich Eure Saftfliegen fange.«, murrte sie, ehe sie sich auf alle Viere vorbeugte. Mit einem argwöhnischem Blick sah sie über ihre Schulter und beobachtete, wie der Windschnitter bereits ein paar Schritte hinter sich gebracht hatte. Selbst wenn er versuchen sollte zu fliehen, er würde nicht weit kommen. »Und wenn ich zurück komme, möchte ich eine Antwort.«, knurrte sie dumpf. Die Worgen sprintete über die Hügel und ließ den Mantis hinter sich. Eilig sprang sie über einige zerstörte Bodenplatten der Terrasse von Gurthan um schnell nach Süden zu kommen, als sie auch schon die kleinen, leuchtenden Insekte um einen toten Strauch herumfliegen sah. Wenn sie dies hinter sich gebracht hatte, würde sie mit den Neuigkeiten sofort zum Schlangenrücken zurückkehren. Dann konnten die Verteidiger des Tals einen Plan schmieden und hoffentlich würde dieser sinnlose Kampf vorzeitig beendet werden.       *****     Kil'ruk sah der Niederen Kreatur, deren Gestalt er noch nie zuvor erblickt hatte angewidert nach. Für ein paar Herzschläge hielt er inne, ehe er sich den Hügel hinaufschleppte um die Wurzeln des Kyparis zu erreichen. Genervt streckte er seine Flügel ein weiteres Mal nahezu geräuschlos und dachte daran wie einfach es wäre jetzt fortfliegen zu können. Noch nie hatte er sich so schwach, so erbärmlich hilflos gefühlt. Noch nicht einmal, als er tagelang nach seiner Geburt mit Sprengladungen zur Mauer geflogen, diese fallen gelassen und wieder zurückgekehrt war, um Nachschub zu holen. Frustriert zuckte er mit seinen Fühlern, während er immer noch den Hügel hinaufstieg - was ihn ebenfalls Anstrengungen kostete.   Dazu kam, dass er verwirrt war, verwirrt von seiner Umgebung, die er nicht wieder erkannte. Das Land starb unter seinen Beinen und wurde von einer Macht verpestet die ihm so wie sie entstand unbekannt war. Selbst der Kypari, dessen starke und stämmigen Wurzeln er nun erreichte, wirkte krank und schwach. Warum war der Himmel über ihm so dunkel und seine Umgebung so kalt? Natürlich hatte er nicht erwartet, dass sich nach Jahrhunderten nichts verändern würde, aber dieses Ausmaß der Veränderungen, hätte er niemals auch nur erahnen können.   Ein plötzlicher Würgereflex überkam Kil'ruk, gegen den er ächzend ankämpfte. Er keuchte und dachte daran, dass sich Ninil'ko damals genauso gefühlt haben musste, als er ihn aus seinem Bernschlummer erweckt hatte. Mit Bitterkeit dachte er daran, dass bei der Erweckung des Blutrufers allerdings die Klaxxi anwesend gewesen waren und ihm das gebracht hatten, was er brauchte um wieder zu Kräften zu kommen. Der Windschnitter umfasste seine Dolche etwas fester, als er mit einem weiteren Anflug von Übelkeit und Ekel wieder an die Niedere Kreatur dachte. Sie würde ihm die Saftfliegen bringen, davon war er überzeugt. Zu versessen war die Fremde von der Vorstellung den Schwarm aufhalten zu können. Doch wie konnte nur zugelassen werden, dass ausgerechnet dieses Wesen, eine dumme, wertlose, Niedere Kreatur ihn erweckt hatte? Allein bei dem Gedanken an ihre Gestalt, wurde ihm wieder schlecht.   Verärgert schlug er mit seinen Kieferzangen gegeneinander und zuckte mit seinen Fühlern, doch noch immer empfing er kein Zeichen von den Klaxxi. Zuerst war er deswegen beunruhigt gewesen, weil er sie nicht hören konnte, doch nun störte es ihn wie eine Klette. Welche Bestimmung hatten die Klaxxi für ihn freigehalten? Was war es, wobei sie die Hilfe eines Getreuen brauchten? Er würde es wohl selbst herausfinden müssen, spätestens wenn er in Klaxxi'Vess angekommen war. Doch was sollte er mit der-... dieser Niederen anfangen?   Seine Gedanken wirbelten umher, als sich mehr Fragen über Kil'ruk auftürmten. Er versuchte diese ganzen, ungeklärten Fragen beiseite zu schieben und wieder zu Kräften zu kommen. Auch wenn er den abartigen Zustand, von dieser Kreatur abhängig zu sein, fürs Erste ertragen musste. Doch er hatte nicht vor, auf ihr Spiel einzugehen.   Der Windschnitter hob langsam seinen Kopf und lauschte, als er Schritte und ihm vertraute Geräusche vernahm. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und sah sich suchend um, als das Schlagen von Kieferzangen und leises, Krächzen und Zischen lauter wurde. Kil'ruk wirkte nun etwas kräftiger als direkt nach seiner Erweckung, doch noch immer spürte er diese widerwärtige Schwäche - er hasste sie. Doch möglicherweise hatten die Klaxxi vom Tod des Klaxxi'va erfahren und hatten ein paar Vesswachen geschickt, um ihm Ambersaft oder Kyparit zu bringen. Die Aussicht, nicht von dieser niederen Kreatur abhängig sein zu müssen, erleichterte ihn, doch diese verschwand, als sich drei kleine Mantis die Wurzeln des Kyparis hochzogen und auf ihn herabstarrten.   Die Mantis waren jung, Schwarmgeborene und zischten ihn feindselig an. Einer von ihnen kreischte triumphierend: »Hier ist der Getreue! Geschwächt von seinem Schlaf.« Kil'ruk verengte seine jadegrünen Augen, während er die falsche Präsenz der Energien wahrnahm. Sie waberte um die Leiber der kleinen Mantiden - nein - es war fast so, als würde sie von ihnen ausgehen. Sie waren erbärmlich klein, zu klein, als dass man sie zur Mauer hätte schicken können. Was machten sie so weit fernab der Gelege? Sie dürften nicht hier sein, es war falsch und das beunruhigte Kil'ruk.   Die Fühler der Schwarmgeborenen zuckten aufgeregt. »Sie befielt es uns.«, zischelte einer von ihnen, während ein anderer langsam nickte. »Sie hat uns die Stärke gegeben, um ihren Willen auszuführen.« Der Windschnitter spannte sich an, während die drei kleinen Mantiden auf ihn herabstierten. »Was sagt Ihr Wille?«, fragte Kil'ruk, doch die Schwarmgeborenen sahen erschüttert und wütend auf ihn herab. Einer sprang von der Wurzel auf ihn herab, doch der Windschnitter hob seinen Dolch und wehrte seine kleinen, scharfen Klauen ab. Er wollte verstehen, was vor sich ging. »Ist es wirklich Ihr Wille?!«, zischte er gepresst und klackerte mit seinen Kieferzangen. Er bewegte sich steif, als sich der kleine Mantis mit ungewöhnlicher Kraft gegen ihn stemmte. »Der Wille der Kaiserin?«   Kil'ruk fixierte die beiden kleinen Mantis auf der Wurzel, doch keiner antwortete ihm. Stattdessen sprang ein weiterer direkt auf ihn und er wankte. Diese merkwürdige Essenz die von den Schwarmgeborenen ausging, verlieh sie ihnen diese Kräfte sogar einen Getreuen - egal wie schwach Kil'ruk auch in diesem Augenblick war - zum Wanken zu bringen? Er ächzte, als ihn ein Hieb auf seine Beine in die Knie zwang. »Wie könnt ihr es wagen-...«, doch weiter kam der Windschnitter mit seiner Drohung nicht, denn die beiden Schwarmgeborenen stürzten sich kreischend auf ihn. Sie bissen mit ihren Kieferzangen und kratzten mit ihren kleinen Klauen. Kil'ruk hatte Mühen seine Dolche schützend vor sich zu halten um sie abzuwehren. Er strampelte mit seinen Beinen und traf auch einen der beiden, um ihn von sich wegzustoßen. Wieder verfluchte er sein Schicksal, nicht von einem ehrwürdigen Klaxxi'va erweckt worden zu sein, sondern von einer nutzlosen Niederen. Er war zu schwach um sich selbst gegen Schwarmgeborene verteidigen zu können. Der Windschnitter zischte laut und hieb mit seinem Dolch über die Vorderbeine des kleinen Mantis, doch diesen schien es noch nicht einmal zu stören, dass er sie verlor und sie zu Boden fielen. Wie besessen kreischte er und griff Kil'ruk wieder an, während dieser versuchte sich halbherzig wegzuziehen. Während die kleine Plage über ihm stand begann er zu verstehen, warum er erweckt worden war.   Ein schauderhaftes Geheul erhob sich über dem Kreischen, während sich ein aggressives Bellen immer weiter näherte. Etwas trommelte über die Erde und stoppte abrupt, während ein Schatten zu Kil'ruks Seite auftauchte. Ein surrendes Geräusch ertönte, ehe der Widerstand des Schwarmgeborenen über ihm nachließ. Schmatzend wurde die breite Klinge aus dem gebrochenen Chitinpanzer herausgezogen, während der Mantis zusammensackte. Die Gestalt der Niederen Kreatur sprang von der Wurzel und die weißen und schwarzen Schatten, die eben noch um den toten Leib des Schwarmgeborenen getanzt hatten, neutralisierten sich. Die Fremde drängte sich vor Kil'ruk und stellte sich den beiden verbliebenen Mantiden entgegen. Goldgelbe Schleier hingen vor ihren Augen, während sich ihre wölfischen Gesichtszüge angriffslustig verzerrten.   Mit einem schwungvollen Hieb trennte sie dem Schwarmgeborenen, der sich kreischend auf sie stürzen wollte die Beine ab, ehe sie die Waffe in seinen Thorax stieß. Mit wilder Kampfeslust schien die Niedere gegen die Mantis zu kämpfen, was selbst den Windschnitter in Faszination versetzte. Scheinbar kämpfte sie mit dem taktischen Gefühl eines Pandaren und mit der schieren animalischen Mordlust eines Saurok. Der letzte Schwarmgeborene fiel schließlich auch kreischend und gurgelnd. Er wollte sich auf die Kreatur stürzen, doch schnell hatte die Niedere reagiert und ihre Waffe wie einen Speer gehalten. Der kleine Mantis hatte sich selbst aufgespießt und das Blatt der Stangenwaffe hatte ihn völlig durchtrennt. Mit einem Grunzen ließ sie die Klingenseite auf den Boden fallen, trat auf den Leib des Schwarmgeborenen und zog ihre Waffe heraus.   Mit gesenktem Kopf beobachtete Kil'ruk die Niedere Kreatur. Er wollte nicht daran denken, was sie gerade getan hatte und welche Auswirkungen es haben könnte. Sie würde kein langes Leben mehr haben. Er empfand so viel Abscheu und Ekel ihr gegenüber und auch, wenn sie eine fast schon absurde Faszination in ihm auslöste, fragte er sich verbittert, warum ausgerechnet diese Fremde seine Erweckerin sein musste.       *****     Schnaufend rammte Struana ihre schwere Stangenwaffe in den toten Boden. Sie kam nun das erste Mal dazu wirklich durchzuatmen, nachdem sie die Strecke vom Rande des Sumpfes bis hierher gerannt war. Sofort als sie das Kreischen aus der Richtung des Kyparis zu ihr leise hallte, war sie gelaufen wie eine Irre um wieder zu dem Windschnitter zu kommen. Zuerst glaubte sie er wolle fliehen, aber dann hatte sie die drei Schwarmgeborenen gesehen, die ihn angegriffen hatten. Was an diesem bescheuerten Mantis so besonders sein sollte, verstand sie immer noch nicht und noch weniger, warum sich die Mantis gegenseitig angriffen.   Die Kriegerin gab ein Ächzen von sich, ehe sie sich zu dem Mantiskrieger umdrehte und ihn musterte. Kil'ruk kauerte zwischen den starken Wurzeln des Kyparis und funkelte sie angewidert an. Immerhin schien er nicht verletzt zu sein. »Warum scheinen alle hinter Euch her zu sein?«, fragte Struana und zuckte mit ihren Ohren. Was war sein Geheimnis? Er verschwieg ihr etwas gravierendes und sie überkam ein Gefühl, dass sie etwas falsches getan hatte ihm zu helfen. Der Windschnitter antwortete nicht, sondern starrte sie weiterhin stumm an. Die Worgen rollte mit den Augen und konnte sich ein genervtes Stöhnen nicht verkneifen. Sie öffnete ihre Gürteltasche und ließ mehrere tote Saftfliegen vor seine Füße rollen. Immerhin hatte sie es geschafft fast zwanzig von diesen lästigen Viechern zu fangen und das sollte seine Zunge lockern. »Das sollte ausreichen.«, murrte sie, während Kil'ruk gierig nach einer Saftfliege griff. Er ließ sie in seinem Schlund direkt hinter dem Helm und zwischen seinen Kiefern verschwinden.   Struana hörte nur gelegentlich das Klicken seiner Kieferzangen und ein leises, Schlucken, während er nach der nächsten Saftfliege griff, als wäre es ein leckerer Snack. Er war immer noch geschwächt - natürlich - immerhin hatte er nicht einmal gegen drei kleine Mantiden bestehen können. Doch warum hatten sie ihn angegriffen? Sie verengte ihre Augen, während sie den Windschnitter beobachtete. »Was ist jetzt? Ist es in Euren Reihen normal, dass Ihr Euch gegenseitig abschlachtet?«, fragte sie ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass er gerade fraß.   Kil'ruk hielt kurz inne, schien aber immer noch nicht antworten zu wollen. Nur das missbilligende Funkeln in seinen jadegrünen Augen verriet Struana, dass er genervt war. Sie knurrte ihn leise an. Er hatte keinen Grund genervt zu sein! Immerhin hatte sie diese blöden Insekten fangen müssen. »Wir hatten eine Abmachung, Kil'ruk.«, zischte sie verächtlich und legte so viel Abneigung wie nur möglich in seinen Namen.   Endlich blickte er langsam zu ihr auf. Widerwillig krächzte er: »Ich bin nicht wie die anderen meines Volkes, Erweckerin.«   Die Kriegerin zuckte unmerklich mit ihren Ohren und runzelte ihre Stirn. Erweckerin? Warum nannte er sie so? Wieso hörte sich dieser - sie wusste nicht wie sie es anders hätte ausdrücken können - Titel so merkwürdig falsch an? Als würde er sich über sie lustig machen? »Erklärt mir, was Ihr meint.«, verlangte sie zu wissen, als sich Kil'ruk schon wieder seiner Mahlzeit zugewandt hatte. Es behagte ihr nicht, wie er so erpicht dahinter war, die Saftfliegen so schnell wie möglich fressen zu wollen.   Der Windschnitter wirkte zuversichtlicher, als er sie zornig anfunkelte. »Seht Euch doch um!«, fauchte er sie so plötzlich an, dass die Worgen sogar einen Schritt zurückwich. »Schwarmgeborene verlassen zu früh die Gelege und werden in einer Macht getränkt, mit der sie nicht in Berührung kommen dürften. Ihr wollt den Schwarm aufhalten? Warum?! Weil er Euren geliebten Wall überfällt?« Kil'ruk rasselte leise aus seiner Brust heraus und klickte mit seinen Kieferzangen. »Das ist nicht Teil des Zyklus. Doch selbst die Helden sind dazu verdammt von Fremdlingen, Niederen Kreaturen abhängig zu sein.« Den letzten Satz sprach er besonders abfällig aus, weshalb Struana ihre Ohren flach anlegte.   »Mein Name ist Struana.«, knurrte sie, als Kil'ruk bereits weiter fraß. Er tat fast so als hätte sie noch nicht einmal gesprochen. »Hört auf mich Fremdling, Niedere Kreatur...- oder sonst was zu nennen!«   Kil'ruk blickte scheinbar amüsiert auf. Etwas Drohendes funkelte in seinen Augen, während er sie gelassen ansah. »Oder was, Erweckerin?«, fragte er ruhig, wobei Struana leise knurrte. »Ich werde Euch nicht bei Eurem Namen nennen. Ihr habt ihn Euch nicht verdient, außerdem seid Ihr es nicht wert einen zu tragen.«   Struana starrte auf ihn herab. Was gab dieser eingebildete Mantis von sich? Sie war es nicht wert, einen Namen zu besitzen?! »Ihr seid doch verrückt.«, murrte sie, während die plötzliche Wut in ihrem Bauch wieder abnahm. Warum unterhielt sie sich eigentlich mit diesem Idioten über so etwas dämliches?   »Ich bin, im Gegensatz zu Euch Fleischling, bei klarem Verstand. Aber Ihr könnt von Euch geben, was immer Ihr wollt.«, säuselte er rasselnd und fixierte sie mit seinem Blick. »Ihr seid bedeutungslos. Eure Existenz ist Zeitverschwendung. Es ist egal in wie vielen Schlachten Ihr bereits gekämpft hättet, welche Monster Ihr in die Knie gezwungen und welche Könige Ihr gestürzt habt. Es hat keinen Wert unter den Mantis, denn Ihr seid ein Nichts im Vergleich zu einem Schwarmgeborenen. Ein winziger Tropfen in einem reißenden, nicht endenden Fluss. Allein dass Ihr in meiner Gegenwart atmet, ist mir gegenüber eine Beleidigung.«   »Wie viel Blödsinn könnt Ihr eigentlich von Euch geben?«, knurrte Struana dunkel und drehte sich schnaubend von ihm weg. Diese komplette Unterhaltung hatte keinen Sinn. Warum verlief das Gespräch nicht so wie sie es sich erhofft hatte? Wie waren sie zu solch uninteressanten Themen gekommen? Kil'ruk machte sich nur lustig über sie! Die Kriegerin ging einen Schritt zu ihrer Stangenwaffe und zog sie mit einem Ruck aus dem Boden. Für ein paar Herzschläge starrte sie auf ihre Waffe und überlegte, ob sie den Mantis nicht einfach töten sollte, doch welchen Sinn hatte das jetzt noch? Dann hätte sie sich die ganzen Umstände sparen können. Bitter verzog sie ihr Gesicht. Wie hatte sie sich nur so benutzen lassen können?   Struana hörte, wie sich Kil'ruk hinter ihr bewegte und prüfend warf sie einen Blick über ihre Schulter. Er verspeiste die letzte Saftfliege, die übrig geblieben war - und zu ihrer eigenen Verwunderung wirkte er nun viel stärker. Der Windschnitter streckte fast geräuschlos seine großen Flügel durch. Struana seufzte leise. »Ihr werdet mir nicht verraten, wie man den Schwarm aufhält, oder?«, fragte sie und konnte ihre Frustration nicht unterdrücken. Sie hielt ihre Ohren gespitzt, doch wie erwartet antwortete Kil'ruk nicht. Er würde bald kräftig genug sein um fortfliegen zu können. Fliegen, wohin immer er auch wollte. Die Worgen lenkte ihren Blick wieder nach vorne und sah den Schlangenrücken hinauf.   »Dann habe ich nichts mehr mit Euch zu schaffen.«, murmelte sie leise und ging los. Sie würde diesem Mantiskrieger - Kil'ruk dem Windschnitter - wieder begegnen, da war sie sich sicher. Irgendwann würden sie sich auf dem Schlangenrücken gegenüberstehen und dann könnte sie ihre Schuld dem Feind geholfen zu haben wieder gut machen. Das hoffte sie zumindest. Vielleicht würde sie Tensho hiervon erzählen, vielleicht auch nicht. Zu enttäuscht war sie von ihren Handlungen, als auch nur daran zu denken sie jemanden mitzuteilen.   »So einfach geht das nicht.«, krächzte Kil'ruk und es klang fast, als würde er direkt hinter ihr stehen, obwohl er sich nicht von der Stelle gerührt hatte. Sie hätte es bestimmt gehört, wenn er ihr gefolgt wäre. »Ihr seid eine Niedere, aber die Erweckerin. Ich kann Euch nicht einfach gehen lassen.«   »Zum Nether damit!«, knurrte Struana laut und beschleunigte ihre Schritte. Seine Stimme war viel kräftiger als zuvor. Plötzlich hörte sie ein summendes Geräusch über sich und der Wind wurde zu ihren Seiten aufgewirbelt. Schnell schossen die Vorderbeine  des Mantis vor und klemmten sich um ihre Oberarme und Schultern. Die Worgen wurde ruckartig in die Luft gerissen und ihre Stangenwaffe fiel klirrend zurück auf den Boden. Sie verfluchte sich selbst für ihre Unachtsamkeit und knurrte erschrocken auf.   Die Kriegerin schlug mit ihren Pranken nach oben um Kil'ruk zu treffen und kratzte mit ihren Klauen über seine Vorderbeine. Die Klammerung lockerte sich etwas und sie rutschte nach unten. »Wagt es auch nur daran zu denken mir weiterhin schaden zu wollen und ich lasse Euch fallen!«, kreischte der Windschnitter rasselnd. Seine Umklammerung festigte sich wieder und Struana sah an ihren Pfoten herab. Der Boden der Schreckensöde lag bereits gute hundert Fuß unter ihr. Einen solchen Sturz würde sie nicht überleben und es war zu kurz für sie, um sich für die Wandlung in eine Krähe zu konzentrieren. Warum hatte sie diesen einzigen Rest ihrer Vergangenheit nicht trainiert? Es wäre so einfach gewesen jetzt zu entkommen! Und wie hatte es dieser Mantis geschafft so schnell an Höhe zu gewinnen? Mantis konnten fliegen - ja und nein - sie schwebten viel mehr durch die Luft. Sie waren für gewöhnlich nicht unbedingt schnell.   Frustriert knurrte sie und starrte nach oben, wobei sie nur die Kieferzangen des Windschnitters erkennen konnte die unter seinem Helm verschwanden. »Madenabschaum! Wohin bringt Ihr mich?!«, bellte sie ihm wütend entgegen, während die Luft um ihre Ohren herum pfiff. Noch nie hatte sie einen so schnellen Mantisflieger gesehen. Kil'ruk flog wirklich und zwar atemberaubend schnell, fast schon als wäre er ein Flugreittier. Struana versuchte hinter sich zu sehen, was ihr nach einigen Verrenkungen auch gelang und sah, wie sie sich immer weiter vom Schlangenrücken entfernten. Unter ihren Füßen fraß sich eine hässliche, von Sha Energie überflutete Narbe durch die Schreckensöde und wurde immer breiter, je weiter sie in das Landesinnere flogen.   Struana war angespannt, als sie ein weiteres Mal schrie: »Antwortet mir!«   »Ruhe!«, zischte Kil'ruk. »Ihr seid die Erweckerin, ob es Euch - oder mir - gefällt oder nicht. Wenn es nach mir ginge, hätte ich Euch schon längst fallen gelassen. Aber Ihr habt mich erweckt und Ihr scheint auch nicht vollkommen nutzlos zu sein. Der Rat wird vielleicht noch Verwendung für Euch haben.«   »Von welchem verdammten Rat redet Ihr?«, zischte Struana und begann wieder mit ihren Beinen zu strampeln. Der Gedanke in irgendein Nest mit Schwärmen von Mantis geworfen zu werden behagte ihr überhaupt nicht. Dann wollte sie doch lieber den Versuch wagen sich in kurzer - viel zu kurzer - Zeit in eine Krähe zu verwandeln. Doch die starken Vorderbeine von Kil'ruk drückten sie fester an seinen Leib und quetschten ihre Arme.   »Dem Rat dem ich diene.«, zischte der Windschnitter und flog immer weiter Richtung Westen, tiefer in die Schreckensöde hinein. Nie hätte Struana gedacht, dass er in der kurzen Zeit so viel Kraft gewinnen würde, um wieder fliegen zu können und sie einfach mitzuschleppen. Sie hätte ihm diese Saftfliegen niemals bringen dürfen. Was war in diesen winzigen Insekten gewesen, dass er wieder so viel Kraft hatte? Warum war sie nur so närrisch gewesen, dem sterbenden Mantis zu trauen?   »Vorhin sagte ich Euch, dass ich anders bin, als diejenigen meines Volkes, denen Ihr auf dem Schlangenrücken begegnet seid. Ihr bin Kil'ruk, der Windschnitter. Ein Krieger aus einem vergangenen Zeitalter.«, begann der Mantiskrieger erneut zu sprechen. Struanas Ohren zuckten hektisch. Gerade jetzt, hundert Fuß über dem Boden fliegend, hatte sich seine Zunge gelockert und sie sollte sich seine Erzählungen anhören? Am liebsten hätte sie laut geschrien, doch ihr blieb keine andere Wahl. »Zu meiner Zeit war dies, wo Ihr mich fandet eine Feste der Mogu. Es war mir eine Ehre, die Wände mit ihrem Blut zu färben.«   »Das ist ja wirklich unglaublich!«, keuchte die Worgen ironisch, ehe Kil'ruk kurzzeitig die Funktion seiner Flügel einstellte und einige Meter nach unten fiel. Ihr Herz rutschte wie ein Kloß in ihren Hals und zurück bis in die Zehenspitzen, als er wieder summend mit den Flügeln schlug und weiter flog. Durch den Ruck hatte sich der Druck um ihre Arme nur noch mehr verstärkt und sie klammerte sich an seinen Vorderbeinen fest um einen Gegendruck zu erzeugen. Struana war der festen Überzeugung, dass Kil'ruk das mit Absicht gemacht hatte und sie konnte sich den sadistischen Ausdruck in seinen Augen wirklich gut vorstellen. »Könnt Ihr mir das nicht erzählen, wenn Ihr mich irgendwo abgesetzt habt?«, fragte sie gepresst.   Die Worgen stöhnte genervt und angespannt, als Kil'ruk unbeirrt weiter erzählte, als wäre er nie unterbrochen worden. »Aufgrund meiner Taten wurde ich zu einem Getreuen. Ein Held, in Amber konserviert für eine Zeit, in der das Reich vom rechten Pfad abkommen würde.«   Struanas Gedanken rasten, während Kil'ruk für den weiteren Flug schwieg. Mit der 'Feste der Mogu' musste er die Terrasse von Gurthan meinen, die Ruinen in denen sie ihn gefunden hatte. Also kam er wirklich aus der Vergangenheit? Denn laut Tensho hatte dieser Kriegsherr Gurthan gelebt, als die Pandaren noch versklavt waren. Aber wie-... In Amber konserviert? Dieser merkwürdige Bernstein? Wie war das möglich? Das musste mehrere Jahre - ach was - Jahrhunderte wenn nicht sogar mehr her sein.   Die Worgen knurrte leise und missbilligend. Ihr Fell kribbelte immer mehr vor Anspannung und ihre Arme juckten vor Taubheit. Warum hatte Kil'ruk sie überhaupt mitgenommen? Weil irgendein Rat der Mantis sie vielleicht noch gebrauchen könnte? Sie schnaubte abfällig, als sie sich ausmalte, wie sich eine Horde Mantis auf sie stürzen würde um ihr das Fleisch von den Knochen zu reißen. Struana zweifelte selbst, dass sie von großem Nutzen sein würde, wenn sie es ohnehin nicht einmal wert war einen verdammten Namen zu besitzen! Wie könnte sie hier herauskommen? Vielleicht wenn der Windschnitter irgendwann landen würde. Vielleicht hätte sie eine Möglichkeit zu fliehen. Die Erde unter ihren Pfoten veränderte sich immer mehr und die Narbe hatte sich ausgebreitet. Die Schleier des Shas wurden dichter, je weiter sie in die Schreckensöde flogen und Struana wurde mit jedem weiteren Herzschlag unbehaglicher.   Auf einmal zischte Kil'ruk aufgebracht und blieb in der Luft auf der Stelle stehen. Struana hob ihren Blick von dem Boden auf und konnte es nicht verhindern, dass ihr der Mund aufklappte. Ein gigantischer Kypari pulsierte vor Sha-Energie und ragte tot und leblos in den Horizont hinauf. Zwischen seinen mächtigen Wurzeln, war eine Art Festung errichtet. Aus Chitin geformte, perlmuttfarbene Fenster hoben sich von dem grauen Gestein des Gebäudes ab, welches an den Baum angelehnt erbaut worden war. Riesige Balkone ragten aus den Gemäuern und große, bernsteinfarbene Kuppeln beleuchteten den Kypari in einem sanften, bernsteinfarbenen Licht. Die schwarzen und weißen Schleier der Sha-Energie schwebten über der Festung und wollten mit dem Schein der Kuppeln nicht so recht harmonieren. Alles war über und über mit der Essenz des Shas verdorben und Struana konnte ihr Entsetzen darüber nicht in Worte fassen. Sie hatte gewusst, dass die Schreckensöde befallen war, aber ein solches Ausmaß hatte sie noch nie bisher zu Gesicht bekommen.   »Der Palast!«, stieß Kil'ruk entsetzt aus, der die ganze Zeit mit ihr in der Luft auf der Stelle in der Luft geschwebt war, als er seine Stimme wieder fand. »Dies ist... nicht unser Weg! - Jetzt verstehe ich, warum die Klaxxi handeln müssen.« Er schien erschüttert, kaum in der Lage seine Stimme kontrollieren zu können, als er fortfuhr: »Was ist das für eine Macht, die unser Land verbrennt und unsere Bäume verdirbt?« Der Windschnitter schien völlig fassungslos zu sein, was noch dadurch unterstrichen wurde, dass er wieder an Höhe verlor. Oder es lag daran, dass er doch noch immer nicht völlig bei Kräften war. Struana sah beunruhigt zu ihm nach oben.   »Das ist das Sha.«, sprach sie ruhig, während sie sich daran erinnerte, dass Kil'ruk Jahrhunderte lang - oder noch länger - geschlafen hatte. Er konnte diese Manifestationen des Shas also noch gar nicht kennen. »Es ernährt sich von negativen Gefühlen und zehrt die Seelen auf.«   Der Windschnitter erwiderte daraufhin nichts. Wie hypnotisiert starrte er weiterhin fassungslos auf das Gebilde, welches der Palast der Mantis war. Langsam wandte er sich um. Er flog nun südöstlich über die furchtbare Narbe, welche sich weit in die Schreckensöde fraß und die Energien des Shas darüber wirbelten. »Wohin fliegen wir, Kil'ruk?«, fragte Struana erneut und blickte hoffnungsvoll zu ihm auf. »Und wer sind die Klaxxi? Sind das die, die Euch eigentlich erwecken sollten?«   Der Windschnitter nickte benommen. Sein Flug wurde etwas holpriger, je weiter sie den Palast wieder hinter sich ließen. »Ich muss zu den Klaxxi. Sie bilden den Rat unserer weisesten, kulturellen Anführer. Sie kontrollieren die Macht der Kaiserin.« Er klickte einige Male hintereinander mit seinen Kieferzangen. »Sollte die Kaiserin verderbt werden, oder unsere Zivilisation bedrohen, haben die Klaxxi geschworen, sie zu entmachten.«   Struana zuckte mit ihren Ohren und versuchte ihm zu folgen, allerdings wollte es ihr nicht so recht gelingen. Vielleicht lag es daran, dass sie von einem durchgeknallten Mantis aus der Vergangenheit entführt wurde, oder weil sie über hundert Fuß über dem Boden baumelte. Vermutlich aber beides. Aber was hatte das Sha mit der Kaiserin der Mantis zu tun? Die Kaiserin konnte doch gewiss auch nichts dafür, dass sich das Sha ausgerechnet die Schreckensöde ausgesucht hatte, um dort sein Unwesen zu treiben?   Kil'ruk ließ die Narbe hinter sich und flog über eine hügelige Landschaft die einem mageren Gebirge gleichkam. Ein weiterer großer Kypari kam geschwungen in Sichtweite, allerdings war er nicht ansatzweise so groß wie der am Palast. Bemerkenswert war jedoch, dass er von der Energie des Shas verschont geblieben war - oder zumindest danach aussah - was nahezu an ein Wunder grenzte, wenn man den Rest der Schreckensöde betrachtete. »Es gibt andere wie mich. Getreue einer jeden Ära, erstarrt in der Zeit und sicher vergraben vor den Einflüsterungen der Kaiserin. Wir schulden nur dem Rat Rechenschaft. Wir ruhen erst, wenn sein Wille geschehen ist.«, erklärte Kil'ruk weiter. Struana seufzte und runzelte ihre Stirn. Sie glaubte zumindest einen Zusammenhang zu erkennen. Doch immer noch fragte sie sich wie es möglich war, Jahrhunderte in einem Bernstein zu schlafen und die Zeit zu überleben.   Die beiden näherten sich immer weiter dem großen Kypari. Struana erkannte, dass der Stamm ein großes Tor hatte auf dessen Flügel ein Wappen prangerte. Fenster aus buntem Chitin waren eingeschlagen, sodass man nicht in das innere blicken konnte um zu erspähen, was dahinter lag. Kil'ruk flog weiter nach oben und die Worgen staunte, als sie sah, was sich hinter den Hügeln verborgen hatte. Eine riesige Plattform in dessen Mitte sich auf einer hochragender Säule ein gigantischer, länglicher Splitter aus Bernstein befand. Rund um die Plattform ragten monströse Steinsäulen mit bernsteinfarbenen, leuchtenden Kuppeln in den Himmel, welche dem Ort etwas mystisches verliehen. Kleine Laternen aus dünnem Bernstein gefertigt, spendeten genügend Licht, um die Plattform notdürftig zu erhellen. Mehrere Mantis in Rüstungsplatten der selben Farben, flogen oder schritten scheinbar geschäftig über den Platz und patrouillierten. Einige schienen an Arbeiten bei der Säule in der Mitte beschäftigt zu sein. Am beeindruckendsten waren allerdings acht Mantis, die allesamt so riesig waren, wie die sterbende Mantis, die sie in das ganze Schlamassel reingebracht hatte. Sie trugen alle dieselbe, okkulte gelbe und mossgrüne Tracht und schienen sich in keinster Weise voneinander zu unterscheiden.   Struana musste schwer schlucken, als sie auf die Plattform hinunterstarrte. Ein so riesiger Mantis war schon unglaublich gewesen. Sie konnte nicht glauben, dass noch mehr von diesen riesigen Insektoiden hier lebten. Wie konnte es sein, dass die Mantis, welche den Schlangenrücken angriffen im Gegensatz zu ihnen so winzig wirkten?   Kil'ruk landete auf seinen Beinen am Rand der Plattform und drückte Struana unsanft mit seinem Gewicht und seinen kräftigen Vorderbeinen in die Knie. Er lockerte seine Vorderbeine um ihre Oberarme und gab sie frei, sodass sich die Worgen auf ihre Beine rappeln konnte. Ihre Arme waren fast gänzlich taub und schmerzten, als das Blut wieder durch ihre Venen schoss. Struanas Knie waren immer noch weich, nach dem unsicheren Flug mit dem Windschnitter, doch ehe sie auch nur daran denken konnte wegzulaufen, wurde sie grob gepackt. Kil'ruk bugsierte sie unsanft vor sich hin in die Mitte der Plattform. Geradewegs auf die acht riesigen Mantis zu.   Struana sträubte sich und stemmte sich gegen den Windschnitter, doch dieser war stärker, als sie erwartet hatte. Er festigte seinen Griff um ihre Schulter und grub seine Klauen fast in ihr Fleisch, als er so leise sprach, dass nur sie ihn hören konnte. »Hört zu...« Eine kurze Pause entstand in der Kil'ruk mit seinen Kieferzangen klickte. »Dies hier ist Klaxxi'vess, die heilige Stätte der Klaxxi. Euch wäre gut geraten mir das Sprechen zu überlassen.«   »Habe ich denn eine-?«, knurrte sie gehässig, als sie mit einem heftigen Ruck von Kil'ruk abgewürgt wurde. Mit klopfenden Herzen musste sie weitergehen, während die acht riesigen Mantis auf den Windschnitter und sie aufmerksam geworden waren. Einige wirkten verwundert, andere überrascht aber alle hatten den selben Ausdruck in den Augen als sie auf die Worgen herabstierten. Er war geprägt von Abneigung, Hass und Ekel.   »Windschnitter, Ihr seid erwacht.«, sprach einer der Mantis rasselnd und nickte Kil'ruk anerkennend zu. Er überragte sogar noch die anderen sieben Mantis um einen Kopf. Struana wurde schlecht bei dem Gedanken, dass sie nun wirklich im Zentrum dieses Mantisnestes stand. »Was ist mit Klaxxi'va Tik?« Die krächzende Frage wurde von einem aufgebrachten Zischen eines weitere, in okkulter Tracht gehüllten Mantis unterbrochen. »Was ist das für ein Dreck, den Ihr in unser Heiligtum gebracht habt?!«   Struana legte ihre Ohren zurück aber hob herausfordernd ihre Lefzen und knurrte den Klaxxi feindselig an. Mit einem erneuten, energischen Druck von Kil'ruk wurde sie jedoch zum Schweigen gebracht und mit dem Kopf nach unten gedrückt. »Der Klaxxi'va den Ihr geschickt habt wurde von einem Gehilfen Ihrer Majestät getötet.«, berichtete Kil'ruk, während er den Blick der Ratsmitglieder erwiderte. »Dieser... Abschaum hat den Gehilfen getötet und mich erweckt.«   Ungläubiges Zischen und das Klackern vieler Kieferzangen war von einigen der Ratsmitglieder zu hören. Struana stellte sich vor, wie sie zwischen einem dieser Mäuler einfach verschwinden würde. Müssten sie überhaupt kauen, wenn diese riesigen Insekten sie fressen wollten? Sie war nur froh, dass niemand ihr Herz hören konnte, welches kräftig gegen ihre Brust hämmerte.   Der Klaxxi, der die Worgen als Dreck bezeichnet hatte, zischte abermals. »Wir brauchen keine Hilfe von Niederen Völkern! Weg damit!«   »Sofort, Klaxxi'va.«, erwiderte Kil'ruk, wobei er einen seiner Dolche anhob und an die Seite des Halses der Worgen führte. Sie hob ihre Lefzen und bellte laut und furchterregend, während sie sich unter seinem festen Griff wand, doch der Windschnitter hielt sie sehr fest. Sie war überzeugt, dass sie ein riesiges Hämatom nur von diesem Griff zurückbehalten würde. Vorausgesetzt ihr Blut hätte die Zeit eines zu bilden. Wie wild versuchte sie sich loszureißen und sie spürte ihr Fell ausreißen. »Elende Made!«, zischte sie bissig und sah in eines der jadegrünen Augen, welches sie durch seinen Helm anfunkelte. Struana sah darin keine Reue, sondern Verlangen. Das Verlangen und die Freude daran, sie loswerden zu können, so wie er es angekündigt hatte.   »Nein.«   Struanas Ohren zuckten und sie versuchte den Kopf zu heben, als der Windschnitter mit dem Dolch innehielt. Sie starrte auf den Mantis der gesprochen hatte. Es war derselbe, der sich nach dem Verbleib von Klaxxi'va Tik erkundigt hatte. »Der Erwecker wird noch nützlich werden. So oder so.«   Der Griff um Struanas Schulter wurde wieder fester, als Kil'ruk seinen Dolch wieder sinken ließ. Für einen kurzen Moment war sie erleichtert und sie erlangte Hoffnung. Sie bekam möglicherweise die Chance zu fliehen.   »Tse! Als Futter für den Schwarm vielleicht!«, zischte der andere Klaxxi erbost und wandte sich mit vier weiteren ab. Sie besprachen scheinbar etwas, was sie nicht mitbekommen sollte, während sich der Mantis, der Struanas Leben vorerst verschonen wollte, auf Kil'ruk und sie einige Schritte zuging. Scheinbar musterte er die Worgen, denn seine dunkelgrünen Käferaugen waren mehrere, langgezogene Herzschläge auf sie gerichtet.   »Windschnitter, Ihr werdet für die Erweckerin verantwortlich sein, solange sie hier ist. Stellt sicher, dass sie nicht fliehen kann. Wenn sie Ärger macht, werdet Ihr für sie bürden.«, sprach der Klaxxi langsam und langgezogen.   Kil'ruks Griff wurde abermals fester. Struana fragte sich langsam, wie lange ihr Knochen das wohl mitmachen würde, bevor er brechen konnte. Sie spürte seine Klauen, aber keinen Schmerz. Vielleicht irritierte es ihn sogar, dass sie noch nicht einmal zusammenzuckte. »Wie Ihr wünscht.«, krächzte Kil'ruk.   »Meldet Euch später bei Klaxxi'va Ik für weitere Anweisungen.«, sprach der große Mantis und der Windschnitter neigte seinen Kopf, als sich dieser umdrehte. Der Klaxxi ging wieder zu der Säule in der Mitte, während sich Kil'ruk abwandte und Struana grob mit sich zog.   »Ich kann selbst laufen.«, zischte sie murrend, als sie außer Hörweite der Klaxxi oder anderen Mantis waren.   »Ja, weglaufen.«, krächzte Kil'ruk rasselnd und schleppte Struana an einer kleinen Schmiede vorbei. Erst jetzt fiel Struana auf, dass es bereits Nacht sein musste. Dadurch, dass sich ihre Umgebung kaum verändert hatte, war es ihr überhaupt nicht aufgefallen. Erst jetzt, da die Schmiede noch etwas Wärme ausstrahlte, aber bereits still dalag, erkannte sie dies. Die Kriegerin versuchte nicht zu stolpern, während Kil'ruk sie vorbei an einigen schwach dimmenden Laternen zum Fuß einer Wurzel des Kyparis zerrte.   Am Fuß einer kräftigen Wurzel angelangt drückte er sie auf den Boden und die Worgen war gezwungen sich nach ein paar Herzschlägen des vergeblichen Widerstandes hinzusetzen. Sie hörte das Rasseln einer Kette und die Kriegerin knurrte, als sich das helle Metall um ihre Fußfessel schloss. Geistereisenerz war angeblich das härteste Metall, welches auf Pandaria zu finden war. Sie würde sich alle Zähne daran ausbeißen, sollte sie versuchen es brechen zu wollen. Struana funkelte wütend zu Kil'ruk rauf, der sich bereits abwenden wollte. »Ich habe Euch erweckt und verschonte Euer erbärmliches Leben und nun bin ich eine Gefangene?«, fragte sie knurrend und verengte ihre Augen. Sie hatte keine andere Wahl, als sich ihrem aufgezwungenem Schicksal zu fügen, doch wollte sie es nicht akzeptieren.   »Seid froh, dass Ihr nur gefangen seid.«, murrte der Windschnitter, der seinerseits überhaupt nicht glücklich mit der Entscheidung der Klaxxi schien. »Wenn Ihr mir Schwierigkeiten macht, werdet Ihr es bereuen.«               »Oh, keine Sorge.«, knurrte sie und hob ihre Lefzen, während sie dem Windschnitter herausfordernd ihre Reißzähne entgegenbleckte. »Ich werde es genießen, Euch lächerlich zu machen!« Sie musste sich nur etwas einfallen lassen, wie sie den Mantis hier gehörig auf die Nerven fallen konnte, um so Kil'ruk weitgehendst zu schaden. »Ihr werdet es noch bereuen mich darum gebeten zu haben, Euch diese Saftfliegen zu fangen.«   Der Windschnitter verengte seine jadegrünen Augen hinter seinem Helm. »Versucht nicht, Euch mit mir anzulegen, Niedere. Ihr mögt die Erweckerin sein, aber Ihr seid ein Nichts unter den Mantis und das wird auch immer so bleiben.«, stellte er zerschmetternd klar, drehte sich um und schritt davon. Er ging wieder zurück zur Plattform, wo die Klaxxi beisammen standen.   Struana mahlte mit ihren Zähnen aufeinander, während sie ihm verachtend hinterhersah. »Eingebildete Made.«, knurrte sie leise und sah mehrere Herzschläge über die Plattform. Sie entspannte sich unmerklich, als er verschwunden war und lehnte sich gegen die stämmige Wurzel des Kyparis. Leise entrannt ihr ein Seufzen und sie starrte nach oben in den pechschwarzen Himmel, über dem die Schleier der Sha-Energie waberten. Wie war sie nur in diese Situation geraten? Und was noch wichtiger war: Würde sie hier wieder rauskommen?   Gedankenverloren blinzelte Struana, während sie einen Schwarm Saftfliegen unter den Blättern des Kyparis über Klaxxi'vess erkannte. Sie leuchteten in einem gelben, warmen Licht und flogen wild in ihrem Schwarm aus leuchtenden Punkten umher. Doch plötzlich löste sich ein Punkt von den anderen und suchte sich einen Weg an den patrouillierenden Mantiswachen vorbei und wurde immer kleiner. Irgendwann verschwand er schließlich als winziger Lichtpunkt in der Ferne.   Struana legte ihren Kopf nachdenklich schief und fragte sich, was wohl das Ziel dieser kleinen Saftfliege war. Kapitel 4: 03 - Die Mondsucht ----------------------------- Das goldene Gras des Tals der Ewigen Blüten neigte sich sachte, während sich die Sonne einen Weg über die benachbarten Bergketten erkämpfte um mit ihrem wärmenden Licht das Tal zu erhellen. Die Idylle, welche dieses Tal für Jahrtausende gewahrt hatte, wurde vor einigen Monaten gestört, als die Himmlischen Erhabenen die Tore für jedes Volk geöffnet hatten. Und damit auch für die beiden Fraktionen, die erst kürzlich diesen Kontinent entdeckten. Am östlichsten Punkt der Berge erhob sich prunkvoll der Schrein der Sieben Sterne, ein Schrein der ehemals den Fürsten und Kaisern der Mogu gehörte, als sie noch regierten. Die goldenen Skulpturen mit ihren dämonischen Fratzen zierten noch immer die großen Treppen des Schreines. Im Schrein der Sieben Sterne waren die Völker der Allianz untergebracht, es war ihr Außenposten geworden, auch wenn viele der einheimischen Pandaren noch immer keinen Unterschied zwischen den Fraktionen machten. Gegenüber am westlichen Rand der Bergketten lag der Schrein der Zwei Monde und der Außenposten für die Horde. Man konnte nur die Balkone und die bekannten Statuen der Mogu erkennen. Die beiden Schreine unterschieden sich in keinster Weise voneinander, nur von den Völkern, die ihn betraten. Die schimmernden Wellen des großzügig angelegten Teiches in der Mitte der Schreine glitzerten, während sie das Licht der Sonne auffingen und reflektierten.   Die Aufmerksamkeit des älteren, gilnearischen Druiden sank inzwischen mit jedem weiteren Moment, in dem die Sonne ihren Weg weiter über den Himmel suchte. Dennoch versuchte er, dem Bericht seines Gildenmeisters aufmerksam zu lauschen. Bereits seit der Morgendämmerung dauerte nun diese Sitzung an und auch wenn Gilean sehr geduldig war, hoffte er, sie möge bald vorüber sein.   Der Gildenmeister der Mondsucht, ein blonder, großgewachsener Mann mittleren Alters stand in der Mitte der unteren Terrasse des Schreins und fasste den Bericht der vergangenen Ereignisse zusammen. Der Druide war überzeugt davon, dass bereits jedes Mitglied der Mondsucht über die Vorfälle in Kenntnis gesetzt wurde - da jeder auch etwas zu genau diesen Vorfällen beigetragen hatte - und dennoch wurden sie abermals in dem langen Bericht erläutert. Der graumähnige Worgen seufzte leise, während er weiterhin mit seinen hellblauen Augen dem Paladin folgte, um neue und wichtige Informationen herauszufiltern.   Veoran, Gründer und Leiter der Gilde Mondsucht sah streng über die Köpfe der vollzählig versammelten Mitglieder hinweg und kratzte sich an seinem frisch gestutztem Bart. Die purpurne und goldene Plattenrüstung schimmerte leicht, während sie fließend in eine Robe überging, an der mehrere Ketten und Runen hingen. Er holte tief Luft um erneut seine klare Stimme anzuheben. »Auch wenn der Befall des Shas im Tempel des Roten Kranichs erfolgreich eingegrenzt wurde, streifen nach wie vor die letzten Überreste dort herum. Allerdings wird sich eine andere Gilde um die letzten Sha-Essenzen in der Krasarangwildnis kümmern.« In seinem beschäftigten Blick lag eine bestimmte Härte, die er in den letzten Tagen sehr oft gezeigt hatte.   »Wer wird es sein?«, fragte eine zierliche Stimme. Der graumänige Worgen sah zu der Frau die gesprochen hatte. Ihre schwarzen Haare glänzten und ihre feine, violette Robe funkelte, während die Sonne sie berührte. Sie saß alleine auf einem Kissen, doch sie wirkte ebenfalls unruhig über den zu langen Bericht. Veoran antwortete ihr: »Es ist zwar nicht von Belang, da sie eine Fusion mit uns abgeschlagen hatten, aber diese Aufgabe wird die Gilde Inflamare übernehmen.« Die Frau nickte langsam, doch der Druide merkte wie sich eine Anspannung über sie legte. Auch hörte er das leise Raunen, welche von den anderen Mitgliedern herrührte.   »Andere Gilden agieren ebenfalls gegen das Sha und haben versucht ein Muster zwischen den Überfällen auf den Tempel der Jadeschlange und dem des Roten Kranichs zu finden. Sie vermuten, dass die Tempel des Weißen Tigers und des Schwarzen Ochsen ebenfalls infiltriert werden könnten. Auch wenn sie - im Gegensatz zu uns - es sich nicht zu Aufgabe gemacht haben das Sha einzugrenzen wie die Shado-Pan, machen sie sich Gedanken.«   Der Worgen wurde von seiner Seite etwas unsanft angestoßen und er drehte seinen Kopf langsam zu der Draenei die neben ihm saß. Sie verdrehte ihre silbern schimmernden Augen und schüttelte ihren Kopf, was ihre schwarzen Haare in Bewegung brachte. »Als wir das letzte Mal beim Tempel des Weißen Tigers waren, sah es nicht so aus, als ob Xuen Probleme mit dem Sha des Zorns hätte.«, raunte sie leise und suchte seinen Blick. »Oder seid Ihr anderer Meinung, Gilean?«   Der Druide nickte langsam und senkte bedenklich seinen Kopf, während Veoran weitersprach. »Ich stimme Euch zu, Holora. Es ist noch nicht einmal so lange her, als wir dort das letzte Mal waren.«, sagte er leise. Er sah sie mit seinen blauen Augen lange an und betrachtete ihre imposanten Schulterstücke aus geschnitzten Knochen, ehe er seinen Blick wieder auf Veoran lenkte. Er selbst war damals beim Tempel des Weißen Tigers gewesen und hatte erlebt, wie spielend leicht der Erhabene mit dem Sha fertig geworden war. Das Sha des Zorns war gigantisch und es schien sich immer wieder neu zu manifestieren - oder man streckte es nicht wirklich nieder. Der Weiße Tiger hätte aber gewiss keine Probleme, um mit einem Befall des Sha fertig zu werden. Schließlich hatte er sogar ein von Sha-Energie verseuchtes Lebewesen in seinem Tempel aufgenommen, damit sie wieder zu Kräften kommen konnte. Die Erinnerung an diesen Zwischenfall schmerzte Gilean.   »Die Mondsucht wird sich aufteilen, um den Hinweisen auf den Grund zu gehen. Selbst, wenn an diesen nichts dran sein sollte und die Tempel rein von jeglicher Sha-Verderbnis sind, könnten wir so unsere diplomatischen Verhältnisse zu den Shado-Pan verbessern.«, erläuterte Veoran seinen Plan, während sein strenger Blick über die versammelten Gildenmitglieder streifte. Gilean zuckte mit seinen langen Ohren, als der Gildenmeister weitersprach: »Ryfang, Emiress und Fogon, ihr werdet zum Tempel des Weißen Tigers in den Kun-Lai Gipfeln aufbrechen und euch dort umsehen. Ihr könnt auch noch das Shado-Pan Kloster aufsuchen und die Pandaren nach Hinweisen bitten. Sie nehmen den Schutz Pandarias sehr ernst, möglicherweise könnt ihr das Verhältnis zu ihnen etwas auflockern.«   Ein breiter, hellgrauer Worgen mit massiver, rostroter Rüstung und stechenden, grünen Augen nickte langsam, wobei seine gesamte Rüstung klapperte. Er lehnte gegen eine Säule und sah zu der kleinen Frau, die unruhig auf ihrem Kissen saß. Emiress nickte zustimmend, wobei ihre schwarzen Locken wippten. Fogon, ein nachtelfischer Druide, der vermutlich einen Großteil seines Lebens in der druidischen Gestalt der Raubkatze verbrachte, neigte seinen Kopf. Das silberweiße Fell schimmerte und der Schwanz kringelte sich über seine Pfoten. Die Säbelzahnreißer ragten über das Kinn und seine Augen glänzten in einem matten, goldenen Ton.   Gilean legte seine Stirn nachdenklich in Falten, während er die zusammengestellte Gruppe musterte, welche zum Tempel des Weißen Tigers aufbrechen sollte. Ryfang, der hitzköpfige Krieger war jung, für sein Alter diszipliniert und ebenfalls schon zuvor am Tempel von Xuen gewesen. Er war ungestüm, aber furchtlos, ein unglaublicher Optimist und sehr redegewandt, wenn es darum ging, jemanden zu überzeugen. Möglicherweise konnte er die angespannte Situation zwischen den Reihen der Shado-Pan und den Völkern der Allianz wirklich etwas auflockern, wenn er Gelegenheit dazu bekäme. Wenn er erfolglos bleiben würde, könnte hingegen Emiress ihr Glück versuchen. Die sanfte und gutmütige Priesterin kannte jeden diplomatischen Schachzug. Doch Gilean war sich nicht sicher, ob sie auch das Durchsetzungsvermögen eines Diplomaten besaß. Seit der Wiedervereinigung der Mondsucht hatte er kaum Gelegenheit gehabt, sich mit ihr zu unterhalten, doch sie war älter und vermutlich auch weiser seit ihrer letzten Begegnung.   »Gilean, Holora und Ace, ich möchte dass ihr zum Niuzaotempel in den Tonlong-Steppen geht. Dort haben die Shado-Pan - ebenso wie die Wächter des Tals - ein Mantisproblem. Seid ihnen ein wenig behilflich und unterstützt sie, damit das Sha nicht die Überhand übernimmt. Die Tonlong-Steppe ist direkt neben der Schreckensöde ohnehin gefährdet.«, ordnete Veoran an und riss den Druiden so aus seinen Gedanken.   Ein in dunklen, lilafarbenen Roben gekleideter Mann hob seinen Kopf, wobei man nur die grünen Schleier der Felmagie erkennen konnte, welche über den Augen von Ace hingen. Die Gugel ließ seine Gesichtszüge im Schatten, dennoch konnte Gilean sein makaberes Grinsen erkennen, als er ihm und Holora neben sich zunickte. Die Draenei nickte erhaben dem Paladin zu, als sich ihre Gesichtszüge verhärteten. Mit gerunzelter Stirn und besorgten Augen spähte sie zu dem Nachtelfen, der mehr als einfach nur unbeteiligt der Versammlung folgte. Weramor schien ihren Blick zu ignorieren, während er geistesabwesend seinen Begleiter am Nackenfell kraulte. Die Füchsin schien begeistert von dieser Streicheleinheit zu sein und klopfte leise mit dem buschigen Schwanz auf den Boden.   »Es gibt außerdem noch etwas Ungewöhnliches, worüber wir mehr in Erfahrung bringen müssen. Seitdem die Mantis den Wall belagern verging kein Tag, an dem sie nicht angriffen, doch schon seit ein paar Tagen scheint die Mauer völlig ruhig zu sein. Dlatego, Ihr werdet Nachforschungen darüber nachstellen. Ich möchte wissen, warum die Mantis nicht mehr schwärmen. Bringt so viel in Erfahrung, wie es Euch möglich ist. Soweit es die Zeit zulässt, würde ich es begrüßen, wenn Ihr anschließend zu den Shado-Pan reist und unsere diplomatische Bindung zu ihnen stärkt. Ihr werdet viel reisen müssen, aber ich bin überzeugt davon, dass Ihr der Aufgabe gewachsen seid.« Der ernste Blick des Gildenmeisters heftete sich auf einen Mann, ganz in seiner Nähe. Er stand kaum drei Meter von ihm entfernt mit verschränkten Armen hinter seinem Rücken. Das rabenschwarze Haar war zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammengebunden und eines seiner Augen wurde von einer Augenklappe abgedeckt. Viele Narben verliefen über seinem Gesicht, welches nachdenklich und ernst wirkte, als er Veoran verstehend zunickte. Mit der dunklen Lederrüstung und dem schwarzen Umhang wirkte Dlatego fast wie ein Agent der SI:7   Der Paladin nickte ihm ebenfalls zu. Dlatego und er waren - soweit Gilean wusste und beurteilen konnte - gute Freunde oder zumindest haben sie zusammen schon in sehr vielen Schlachten gekämpft. »Weramor.«, fuhr Veoran weiter fort und der nachtelfische Jäger hob seinen Kopf ruckartig, ehe er mit seinen goldenen Augen zu dem Gildenmeister aufsah. »Ihr werdet in die Schreckensöde gehen und Euch dort gründlich umsehen. Ich möchte wissen wie die Umstände dort sind, wie sicher es ist, oder wie gefährlich. Außerdem möchte ich wissen wie weit das Sha die Natur dort beeinflusst und ob es Ausnahmen gibt. Die Schreckensöde hat sehr unter dem Einfluss des Sha gelitten. Findet heraus, ob auf die Mantis oder andere Lebewesen von dem Sha befallen sind.« Der Jäger legte den Kopf zur Seite und nickte langsam, während seine blauen Haare wippten. Anschließend legten sie sich wieder glatt über seine Schultern und die dunkelgrüne, leichte Kettenrüstung.   Der Paladin nickte zufrieden und blickte noch einmal über die Mitglieder der Mondsucht, von dem nun jeder eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen hatte. »Ich möchte noch etwas anmerken, etwas, was nichts mit der Mission der Mondsucht zu tun hat. Heute im Laufe des Tages werden die Schlachtschiffe der Allianz in Pandaria eintreffen und an Land gehen.« Der ältere Druide hob nun interessiert seinen Kopf, ebenso wie jedes andere Mitglied der Mondsucht. Sie alle sahen gespannt auf Veoran. »So bald schon?«, fragte Ryfang und seine Rüstung klapperte erneut, als er die Arme verschränkte.   Der Gildenmeister nickte. »Ja, der Bericht wurde mir von einem Offizier der Inflamare gegeben. Deswegen werden sie sich auch um die Überreste des Shas in der Krasarangwildnis kümmern.« Eine kurze Pause entstand, die Gilean fast endlos vorkam. »Ich muss nicht erwähnen, dass es uns die Horde gleich tun wird. Die Pandaren versuchen, die Harmonie zu wahren und das sollten wir ebenfalls um das Sha nicht weiter zu provozieren. Ich verlange nicht, dass Ihr mit der Horde auskommen sollt. Das wäre Selbstmord. Aber ich möchte, dass sich niemand der Mondsucht in diesen Konflikt zwischen Allianz und Horde einmischt. Haltet euch fern von der Krasarangwildnis.« Der strenge Blick des Paladins legte sich kurz auf jedes einzelne Mitglied der Mondsucht und jeder einzelne von ihnen, erwiderte ihn. »Unsere Priorität liegt bei dem Sha und steht im unmittelbaren Konflikt mit der Feindschaft zwischen Horde und Allianz.«, sprach er mit sehr viel Nachdruck.   Jeder auf der unteren Terrasse hatte die Nachricht verstanden. Emiress und Dlatego tauschen vielsagende Blicke miteinander aus und auch Ace wirkte etwas unruhig. Nach mehreren Augenblicken nickte Veoran zufrieden. »Die Versammlung ist hiermit beendet. Wir treffen uns wieder in sechs Tagen um die Informationen zusammenzutragen.« Der Gildenmeister schritt erhaben zwischen den Reihen der Mitglieder davon. An seinem Rücken hing ein massiver Schild mit roten, leuchtenden Runen und an seinem Gürtel wippte ein vor Magie pulsierender, riesiger Streitkolben. Langsam und würdevoll verließ er die Terrasse und stieg die geschwungene, breite Treppe hinauf, die zur oberen Terrasse des Schreins der Sieben Sterne führte. Gilean vermutete, dass er wohl noch einige Diskussionen mit anderen Gilden zu führen hatte, mit denen sie wegen dem Sha verbündet gewesen waren. Wie viele Gilden würden sich wohl dem Kampf gegen die Horde in der Krasarangwildnis anschließen?   Die zurückgebliebenen Mitglieder der Mondsucht entspannten sich zunehmend und Weramor streckte sich ausgiebig. Dlatego sprach mit Emiress, Ryfang und Fogon, die vermutlich bereits erste Vorbereitungen für die Reise zum Tempel des Weißen Tigers trafen. Die Draenei neben Gilean stand auf und klopfte sich den nicht vorhandenen Staub von ihrer blauen Kettenhose, die geräuschvoll klimperte. Ihr silberne Blick fand den des Druiden und sie lächelte ihm knapp zu. »Was glaubt Ihr, was das Militär der Allianz hier nach Pandaria ausgesandt wurde?«, fragte sie leise, während sich der Druide ebenfalls zu seiner vollen Größe aufrichtete. Er hob seine Lefzen und grunzte, während er mit den Pranken an seiner hellbraunen Lederrobe zupfte, um sie zurechtzurücken. »Bestimmt suchen sie irgendetwas, was ihnen einen Vorteil im Kampf gegen die Horde bringen könnte. Die Horde wird es nicht anders machen und die Allianz davon abhalten wollen. So ist es schließlich schon immer gewesen.«   Holora verzog ihr Gesucht und gab ein trauriges Seufzen von sich. »Sie werden nach Schätzen graben, habe ich Recht? Die Relikte der Mogu, die Technologie der Titanen beherbergen sind starke Waffen, die sie aber nicht einzusetzen vermögen. Sie werden den Kontinenten plündern und ausbeuten. Sie lernen einfach nicht dazu.«   Der Worgen sah schmunzelnd zu seiner Freundin. »So kenne ich Euch überhaupt nicht, Holora. Ist es nicht Eure Lieblingsbeschäftigung Blitze in die grünhäutigen Orks einschlagen zu lassen, oder sie damit zu erschrecken?«   »Es war eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, ehrenwerter Freund.«, verbesserte Holora den älteren Druiden mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Aber selbst ich bin mit der Zeit erwachsener geworden.«   Gilean hob amüsiert seine Lefzen und grinste Holora erschreckend furchteinflößend an. Doch die Draenei war sichtlich unbeeindruckt von seinem wölfischem Gebiss, als hätte sie sich in den letzten Jahren, die sie miteinander verbracht hatten, an diesen Anblick gewöhnt. »Irgendwann musstet Ihr ja reifer werden.«, scherzte er.   »Ja, nach fast zwei Jahrhunderten sollte man das meinen.«, lächelte Holora milde und zwinkerte Gilean amüsiert zu. Sie blickte über ihre Schulter zu Weramor, der gerade aufstand und den Köcher mit den Pfeilen schulterte. »Ich habe noch etwas zu erledigen, alter Freund. Entschuldigt mich einen Moment.«, sagte sie schnell und betrübt und drehte sich von dem Druiden weg. Die Schamanin ging auf den Jäger zu, der nach wie vor ziellos über die Gräser des Tals der Ewigen Blüten blickte. Als sie direkt auf ihn zuging, drehte er sich um und wollte gehen, doch Holora hielt ihn auf: »Wartet kurz, Weramor.«   Gilean trat ein paar unauffällige Schritte näher an die beiden heran. Es war ungewöhnlich, dass sich Weramor so merkwürdig abwehrend verhielt. Aber Holora wirkte auch irgendwie anders, wenn sie mit dem Jäger sprach. Sichtlich gezwungen wirkte ihr Grinsen, während sie sprach. »Ich wünsche Euch viel Erfolg in der Schreckensöde. Passt gut auf Euch auf. Die Mantis sind nach wie vor aktiv.«   Weramor betrachtete die Draenei lange mit seinen goldenen Augen, ehe er eine wegwerfende Handbewegung machte. »Denkt Ihr, ich hätte das nicht selbst mitbekommen?«, raunte er und klang dabei sichtlich gelangweilt.   »Ich mache mir nur Sorgen um Euch.«, erwiderte die Draenei leise. »Ihr scheint seit ein paar Wochen nicht mehr ganz bei der Sache zu sein. Vielleicht ist es nicht gut, dass Ihr allei-«   »Ich werde sehr gut alleine zurechtkommen! Ich denke, das kann ich noch ganz gut selbst einschätzen.«, schnitt Weramor ihr das Wort ab. Holora funkelte den Jäger an, als hätte er mit einem Schwert nach ihr geschlagen.   Gilean konnte förmlich spüren, wie sie sich anstrengen musste nicht laut zu werden. »Nun... Viel Glück.«   »Das brauche ich nicht.«   Noch ehe Holora etwas bissiges erwidern konnte - was sie zweifelsfrei tun wollte - näherten sich Ryfang, Emiress, Dlatego und Ace. Fogon folgte ihnen mit Abstand, während die Muskeln unter dem Pelz seiner Raubkatzengestalt spielten. Er schlich an den Anwesenden vorbei, ehe er mit peitschendem Schweif nach draußen preschte und in den hohen Gräsern des Tals verschwand. Emiress seufzte leise und schüttelte ihren Kopf. »Wir werden noch heute zum Tempel des Weißen Tigers aufbrechen.«, sagte sie sanft und lächelte leicht, während ihre dunkelblauen Augen jeden von ihnen kurz ansahen.   »Wir wollten Euch viel Erfolg bei Euren Missionen wünschen. Sichere Pfade.«, beendete Ryfang ihren Satz und die beiden gingen weiter zu der geschwungenen Treppe, die sie sogleich hastig nach oben stiegen.   Dlatego sah den beiden einige Herzschläge lang hinterher. Dann drehte er sich zu Weramor und sah ihn mit seinem gesunden Auge an. »Ich werde zuerst zu den Wächtern des Tals auf dem Schlangenrücken aufbrechen. Ihr solltet mitkommen, Weramor. Sie werden günstige Punkte kennen, an denen Ihr sicher in die Schreckensöde gelangen könnt.«   Der Jäger nickte schnell und verabschiedete sich mit einem halbherzigen: »Bis bald«, von Holora und Gilean, als er sich Dlatego anschloss. Die braune Füchsin folgte ihm und die drei verschwanden wenige Momente später in der Ferne des Tals der Ewigen Blüten.   Gilean zuckte verwundert mit einem seiner Ohren und sah Holora erstaunt an. Sie wirkte, als würde sie jeden Augenblick explodieren, als sie Weramor mit verengten, wütenden Augen nachsah. »Seit wann ist euer Verhältnis denn so angespannt?«, fragte er sichtlich irritiert. »Für gewöhnlich unternehmt ihr doch sehr viel gemeinsam. Wenn Ihr nicht mit mir unterwegs seid, dann normalerweise mit Weramor?«   Holora schüttelte energisch ihren Kopf und schluckte angestrengt ihren Frust herunter. »Tse, von wegen! Das war einmal. Seit einem Monat ist er ein richtig eingebildeter Trottel geworden. Wir reden kaum noch miteinander und zu sehen bekomme ich ihn höchstens noch zu den Versammlungen. Er ist furchtbar geworden!« Sie rümpfte ihre Nase und verschränkte schnaubend ihre Arme ineinander. »Er hat sich verändert und ich bin mir sicher, dass irgendetwas vorgefallen sein muss. Aber was? Fragt mich das bloß nicht, Gilean!«   Der gilnearische Druide sah Holora schmunzelnd an. Es kam schon öfters vor, dass sie ihre Beherrschung verlor, doch noch immer wunderte ihn dieser Umstand. In der Tat war es ihm ebenfalls aufgefallen, dass sich Weramor immer mehr zurückgezogen hatte und ernster und beschäftigter wirkte als sonst. Doch hatte er angenommen, dass wenigstens Holora wüsste, was ihm auf dem Herzen lag. Das selbst die temperamentvolle Draenei keine Ahnung hatte, hätte er nicht erwartet. Die beiden waren immerhin sehr gute Freunde und alberten für gewöhnlich sehr oft herum. Wo hielt sich Weramor also auf, wenn er nicht bei einer Gildenversammlung war, oder sich auf einer Mission für die Mondsucht befand?   Ace räusperte sich, der immer noch hinter ihm stand. »Es tut mir ja wirklich fuchtbar leid, dass ich dieses Gespräch unterbreche...«, sprach Ace sarkastisch und seufzte theatralisch.   Holora hob eine Augenbraue und drehte sich verschmitzt zu dem Hexenmeister um. Sie grinste ihn schief an, vielleicht war es ihr unangenehm, dass er ihre Probleme mit Weramor mitbekommen musste. »Na Ace? Haben Euch die Dämonen inzwischen den einen oder anderen Finger abgerissen?«   Die Mundwinkel des vermummten Mannes hoben sich etwas in den Schatten seiner Gugel, während er beide Hände auf Brusthöhe hob und mit den Fingern wackelte. »Sieht nicht so aus, nein.«, schmunzelte er, während Holora noch breiter grinste. Auch wenn die Draenei für gewöhnlich nicht viel für Dämonen übrig hatte, verstand sie sich ausgesprochen gut mit Ace. Worüber Gilean sehr froh war. »Ich würde vorschlagen, dass wir morgen zur Mittagszeit aufbrechen. Der Niuzaotempel liegt fernab der üblichen Sha-Aufkommen der Tonlong-Steppe. Wenn er befallen sein sollte, hätten wir das bereits mitbekommen.«, sprach Gilean ruhig.   Ace nickte langsam. »Das ist ein guter Vorschlag. Ich muss ohnehin noch etwas erledigen.« Er sah kurz zu der Draenei und diese erwiderte knapp seinen Blick. »Ich muss wieder zum Schwarzmarkt. Müsst Ihr auch noch etwas von dort besorgen, Holora?«   Die Schamanin nickte. »In Ordnung, dann treffen wir uns morgen zur Mittagsstunde bei den Flugdrachen beim Schrein der Sieben Sterne.«, sagte Gilean zusammenfassend zum Abschluss.   »Natürlich. Bis dahin.«, sprach Ace, als er sich umdrehte und ebenfalls zu den Stufen schritt. Holora folgte ihm. Sie sah noch einmal über ihre Schulter und lächelte Gilean verschmitzt zu, ehe sie zu dem Hexenmeister aufschloss und sie beide aus seiner Sicht verschwanden.   Gilean verließ die untere Terrasse des Schreins der Sieben Sterne langsam und trat auf das goldene Gras. Er hob seine Schnauze in den Himmel und atmete die Luft geräuschvoll durch seine Nüstern ein. Blinzelnd sah er über die Wellen des Teiches, die immer noch das Sonnenlicht reflektierten. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte er an den Tempel des Weißen Tigers und an den Mönch, den er vor drei Monaten angetroffen hatte. Er fragte sich, ob er ihn, oder seine Begleitung möglicherweise noch einmal irgendwann treffen würde.   Die Gedanken des Druiden wanderte weiter und wurden schwerer, während er über das Sha nachdachte. Zwar hatten sie die Bedrohung am Tempel des Roten Kranichs erfolgreich eingrenzen können, doch der Tempel der Jadeschlange war nach wie vor verdorben. Auch wenn sich Yu'lon, die erhabene und himmlische Jadeschlange aus dem Bann befreien konnte, war ihr Tempel und das Schlangenherz im Jadewald nach wie vor nicht betretbar.   Doch woher kam das Sha überhaupt? Es wurde durch die negativen Gefühle, welche die jungen Völker Azeroths stets leicht in ihren Herzen trugen freigesetzt, als sie Pandaria betraten. Doch was war der Ursprung des Shas? Die Worte von Veoran waren zuversichtlich gewesen und doch waren sie nichtssagend. Die Mondsucht arbeitete gegen die Bedrohung des Sha und hatte ein paar Erfolge feiern können. Aber, würden diese kleinen Erfolge ausreichen um mit der weiteren Ausbreitung des Sha fertig zu werden?     *****     Die Mittagssonne neigte sich bereits wieder dem Erdboden entgegen, doch hinter den dichten Energieschwaden, welche den Himmel über der Schreckensöde verdunkelten, konnte Struana dies nicht erkennen. Dass es heller war, als in der Nacht, hatte sie sehr wohl mitbekommen, doch sie vermochte nicht zu erkennen, wie weit der Tag bereits vorangeschritten war. Aufmerksam ruhten ihre Augen auf dem kleinen Mantis, der auf sie zugestampft kam. Es war der kleinste Mantis, der hier in Klaxxi'vess lebte und sogar sie selbst überragte ihn um fast einen Kopf, würde sie stehen. Wie jeden Tag, an dem er sie besuchte, trug er etwas essbares Fleisch mit sich.   Normalerweise würde er ihr das Stück Fleisch aus ein paar Schritten Entfernung zuwerfen, sich umdrehen und wieder gehen, um seiner Arbeit an der Säule in der Mitte der Plattform nachzugehen. Doch heute kam er ungewöhnlich nahe an sie heran und betrachtete die Worgen sichtlich irritiert. Er spähte zu dem Essen, welches um Struana herumlag. Dies waren die essbaren Vorräte, die er ihr jeden Tag gebracht hatte. Die Kriegerin hatte sie allerdings nie angerührt und so verrottete das Fleisch langsam aber sicher und gab bereits einen unangenehmen Geruch von sich. »Ihr müsst etwas essen, wenn Ihr nicht sterben wollt.«, keifte der Mantis und klickte ungehalten mit seinen Kieferzangen. »Ihr verschwendet unsere Ressourcen.«   Die Kriegerin hob ihren Kopf und hob amüsiert ihre Lefzen. »Ich sagte Euch bereits vor einigen Tagen, dass ich den Fraß, den Ihr mir vorwerft nicht essen werde.« Struana setzte sich etwas aufrechter und zog dabei die Kette um ihre Fußfessel strenger. Herausfordernd starrte sie den kleinen Mantis an. »Vor allem nicht, wenn ich wie eine Gefangene festgehalten werde.«   Der kleine Mantis zischelte leise. »Ich habe die Anweisung Euch mit Nahrung zu versorgen, damit Ihr überlebt. Das funktioniert nicht, wenn Ihr nicht essen wollt!«   Die Worgen hob amüsiert beide Augenbrauen und schenkte dem Mantiden ein vielzahniges Grinsen. »Da habt Ihr Recht.«, stimmte sie ihm süß zu. Danach folgte Stille. Sie wollte dazu nichts mehr sagen. Sie wollte ihn provozieren.   Der Mantis blinzelte sie einige Augenblicke lang wartend und verwirrt an. »Ihr müsst Essen, damit Ihr nicht sterbt.«, versuchte er ihr mit etwas Nachdruck in der rasselnden Stimme zu erklären, als wäre sie zu dumm dies zu begreifen.   »Warum sollte ich denn nicht sterben?«, fragte sie gelassen und sah ihn ernster und herausfordernder an. »Es wäre Euch doch nur Recht, wenn dies geschehen würde, richtig? Schließlich bin ich ein Nichts unter Euresgleichen und verschwende nur Eure Ressourcen. Warum macht Ihr Euch also die Mühe?«   Der Insektoid zischte ungehalten und kam noch näher an Struana heran. Doch immer noch nicht so nahem, als dass er in Schlagreichweite hätte sein können. »Ihr solltet nicht die Erweckerin sein.«, zischte er ihr erbost entgegen, ehe er sich umdrehte und davonstampfte.   Die Kriegerin blieb zurück und knurrte leise vor sich hin: »Es ist nicht so, als hätte ich es gewollt.« Leise murrte sie vor sich hin, ohne dass es jemand hören konnte.   Den Sicherheitsabstand den der kleine Mantis bei ihr eingehalten hatte, war gerechtfertigt gewesen. Schließlich hatte sie bei jedem sich ihr bietenden Moment genutzt, bei dem sich ein Mantis ihr genähert hatte, diesen zu verletzen. Der Bernschmied - der Mantis, der an der Schmiede arbeitete - hatte sich sogar geweigert seine Arbeit aufzunehmen, da sie seine Waffenständer immerzu umgeworfen und ihn bereits zwei Mal gebissen hatte. Allerdings hatte es sich so angefühlt, als hätte sie auf Granit gebissen und er dürfte normalerweise nichts bemerkt haben.   Daraufhin war sie an einen anderen Platz des Kyparis gekommen, weit entfernt von der Schmiede, allerdings wieder angekettet. Struana hatte sich sogar in ihre menschliche Gestalt gewandelt und es war ihr gelungen durch die Fußfessel zu schlüpfen und zu fliehen. Doch die Vesswachen, die Mantis die um Klaxxi'vess patrouillierten, hatten sie in ihrer schwächeren Gestalt sehr schnell wieder einfangen können. Kil'ruk hatte ihr daraufhin gedroht, dass wenn sie noch einmal diesen törichten Versuch der Flucht wagen sollte, er sie in eines der großen Berngefängnisse sperren würde. Es waren Behältnisse die so groß waren wie sie selbst, sehr dünn, aber sehr stabil. Seitdem waren vier Tage vergangen.   Die Worgen beobachtete wie so oft das Treiben der Mantis, welche sich in und um Klaxxi'vess aufhielten. Mehrere Vesswachen flogen über den großen Kypari hinweg und landeten auf der Plattform um mit anderen Wachen ihre Berichte auszutauschen. Der Bernschmied goss gerade flüssiges Kyparit in eine Form, welche wohl später eine Schulterplattenrüstung werden sollte. Hinter ihm strahlte die Schmiede bestimmt eine stetige Hitze aus, während über einem Feuer ein flacher Gusskessel brodelte. Zwei Mantis unterhielten sich angeregt in der Mitte der Plattform und schienen etwas an der riesigen Säule zu konstruieren. Doch was genau sie machten, vermochte Struana nicht zu sagen.   Öfters belauschte die Worgen einige Wortfetzen der Klaxxi. Sie alle waren identisch gekleidet, doch schienen sich ihre Wesen sehr zu unterscheiden. Oftmals stritten sie sich lauthals über Struana und was mit ihr geschehen sollte. Dass es eine Gefahr war sie direkt in Klaxxi'vess zu behalten. Klaxxi'va Ik schien der Anführer der Ratsmitglieder zu sein, denn er hatte oft das letzte Machtwort, außerdem war er der größte verdammte Mantis von ihnen allen. Meistens endeten Diskussionen über Struanas weiteres Schicksal mit den Worten: »Sie ist die Erweckerin. Sie wird noch benötigt.«   Die Worgen seufzte langgezogen, denn noch immer hatte sie nicht herausgefunden, was genau es mit diesem Erwecken auf sich hatte. Öfters hörte sie die Klaxxi etwas tuscheln und erwischte sie dabei, wie sie zu ihr herüberstierten. Doch noch immer wusste sie nichts. Es war allmählich eine Qual für sie, nicht zu wissen, was mit ihr geschehen sollte und doch verhinderten die Klaxxi es auch, sie einfach gehen zu lassen. Ihr Schicksal war von dem abhängig, was sie in den Augen der Mantis war, die Erweckerin und doch nur Dreck. Doch anscheinend war die Erweckerin doch wichtiger für die Mantis, als sie ihr gegenüber offenbarten. Ansonsten würde man sie nicht mit Essen versorgen oder wie der Mantis ihr gegenüber gesagt hatte, sich die Mühe machen, sie am Leben zu erhalten. Und sie musste herausfinden, warum.   Außerdem fand es Struana bedenklich, dass die Mantis hier in Klaxxi'vess so anders wirkten, als die Insektoiden gegen, die sie auf dem Schlangenrücken gekämpft hatte. Die Mantis in Klaxxi'vess schienen eine Rangordnung zu haben, in der jeder seinen bestimmten Verpflichtungen nachgehen musste. Die Spitze dieser Ordnung bildeten die Klaxxi und direkt danach schien Kil'ruk als Getreuer zu kommen. Die Mantis auf dem Schlangenrücken - Scharmgeborene - hingegen schienen einfach nur blutrünstig alles töten zu wollen, was sich ihnen in den Weg stellte. Doch warum beschlich sie immer mehr das Gefühl, dass sich die Mantis grundlegend von den Schwarmgeborenen unterschieden?   Aus dem Augenwinkel erkannte Struana, wie der Windschnitter gerade rastlos abseits der Plattform landete. Er flog oft unruhig über Klaxxi'vess als würde er auf etwas warten. Der kleine Mantis, welcher Struana das Fleisch hätte geben sollen ging auf ihn zu und gestikulierte wild mit seinen Armen. Schließlich drückte er dem Windschnitter das Stück Fleisch in die Arme, ehe er wütend davonstampfte. Die Worgen zwang sich nicht zu schmunzeln, als Kil'ruk auf sie zustampfte, das Fleisch in der klauenähnlichen Hand. Er zischte leise vor sich hin und sah sie wütend an.   »Ihr lasst Euch auch mal wieder bei mir blicken, Kil'ruk?«, säuselte Struana gehässig, als er in ihre Hörreichweite kam. »Was habe ich denn diesmal verbrochen? Ich sitze doch nur hier herum und spiele Eure Gefangene.«   »Spart Euch Euren Atem.«, zischte Kil'ruk verärgert und warf der Worgen das Fleisch in den Schoß, während er direkt vor ihr stehen blieb und kalt auf sie herabstarrte. Scheinbar hielt er nicht sehr viel von dem Sicherheitsabstand, den die anderen Mantis für gewöhnlich wahrten. »Ihr werdet jetzt essen.«   Struana verzog ihr Gesicht und starrte auf das Fleisch in ihrem Schoß. Sie wusste, dass sie dringend etwas essen musste, auch wenn sie ihren Hunger nicht spüren konnte. Doch die Tatsache, dass die Mantis sie hier unbedingt am Leben erhalten wollten, zwangen sie praktisch dazu nicht zu essen, da ihr ansonsten die Antworten verwehrt bleiben würden, die sie suchte. »Ich esse kein Fleisch.«, sprach sie und legte das Fleischstück neben sich auf die Seite.   Kil'ruk blinzelte hinter seinem Helm und klickte ungehalten mit seinen Kieferzangen aufeinander. »Hört auf mit Euren Spielchen. Ihr habt seit fünf Tagen nichts gegessen. Ihr müsstet vor Hunger wahnsinnig werden.«   »Was wollt Ihr dagegen machen? Mich füttern?«, knurrte Struana trocken und grinste den Windschnitter süffisant an. »Davon müsstet Ihr Euch doch nur wieder übergeben. Denkt an Euren empfindlichen Magen, Kil'ruk.«   Der Windschnitter verengte seine Augen und zischte langgezogen. Es war unschwer zu erkennen, dass er seine Wut zu unterdrücken versuchte. Ehe er etwas Bissiges hätte erwidern können, stand die Worgen mit klirrender Fußfesselkette auf und lehnte sich gegen die Wurzel des Kyparis. »Warum sollte ich überleben? Ich bin eine Gefangene und habe keine Option zur Flucht. Welchen Nutzen habe ich überhaupt für Euch?« Sie beobachtete Kil'ruk für ein paar Herzschläge, ehe sie hinzufügte: »Warum bin ich so wichtig für Euch, dass Ihr mich nicht einfach gehen lassen könnt, Kil'ruk? Was ist dieses Erwecken?«   Stille breitete sich aus in der Struana die Saftfliegen über sich summen hörte. Sie konnte sogar die Mantis an der riesigen Bernsteinsäule in der Mitte der Plattform miteinander zischeln hören. Kil'ruk klickte leise mit seinen Kieferzangen, während er ihren Blick erwiderte. »Werdet Ihr etwas essen, wenn ich Euch dies erzähle?«, fragte er schließlich einige Herzschläge später.   Die Worgen legte ihren Kopf zur Seite. Ihre bernsteinfarbenen Augen fixierten Kil'ruk misstrauisch, doch schließlich nickte sie. »Doch zunächst werde ich Euch zuhören. Ich werde entscheiden ob es die Antwort ist, die ich mir erhoffe, Kil'ruk. Ich möchte nicht, dass es so endet wie bei unserer ersten Begegnung.«   Der Windschnitter seufzte rasselnd und sah über seine Schulter zurück auf die Plattform, ehe er mit den Flügeln schlug und über Struana auf der Wurzel wieder landete. Er kauerte sich nieder und begann leise und krächzend zu sprechen: »Die Stimmgabel mit der Ihr mich aus meinem Bernschlummer erweckt habt, prägt sich bei der ersten Benutzung auf den Erwecker. Ihr seid...-« Eine kurze Pause entstand, in der Kil'ruk scheinbar mit den Worten rang. »... meine Erweckerin und so ist die Stimmgabel auf Euch geprägt. Kein anderer vermag sie zu benutzen außer Ihr und die Herstellung einer solchen Stimmgabel dauert mehrere Jahrzehnte. Ein weiteres Artefakt anzufertigen, würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen.«   »Zeit, die Ihr nicht habt, schätze ich.«, murrte Struana gedämpft und sah zu Kil'ruk hinauf. Dieser starrte sie zunächst einen Augenblick lang an, ehe er langsam nickte. Vermutlich wusste er, dass er bereits mehr offengelegt hatte als er wollte. »Warum nicht?«, fragte die Worgen, doch Kil'ruk deutete mit einem Kopfnicken in die Mitte der Plattform.   »Das ist der Signalgeber der Klaxxi. Heute noch wird er mit genügend Energie gefüllt, damit er Sonarwellen über die Schreckensöde senden kann. Durch ihn werden die Klaxxi zu anderen Getreuen sprechen können. Diejenigen, die noch immer in ihrem Bernschlummer schlafen. Sie müssen auch erweckt werden.«   »Noch mehr Helden einer anderen Ära?«, fragte die Worgen und hob ihren Blick abermals zu ihm, nachdem sie die Bernsteinsäule in der Mitte der Plattform angesehen hatte. »Wozu?«   Der Windschnitter ließ ein verächtliches Zischen von sich hören. »Die Klaxxi offenbare ihre Pläne nicht den Niederen.« Er verengte seine jadegrünen Augen und seine Kieferzangen klickten leise aufeinander. »Aber ob Ihr es glaubt oder nicht, wir haben den selben Feind.«   »Pah! Dass ich nicht lache!«, stieß Struana verächtlich aus und wand ihren Blick von ihm ab. »Wir, den selben Feind? Ich bin eine Gefangene meines Feindes. Glaubt nicht, dass Ihr Euch von den Mantis auf dem Schlangenrücken unterscheidet, Kil'ruk.«   Er legte seinen Kopf schief und ein amüsiertes Zischeln drang durch seine Kehle. »Ihr werdet niemals die höheren Pläne der Mantis verstehen, Fleischling. Ihr seid nur eine wertlose, Niedere Kreatur die durch puren Zufall die große Ehre zuteilwird, die Erweckerin zu sein.«   Struana rümpfte missbilligend ihre Schnauze. »Kann nicht jemand anderes diesen Erweckungsquatsch übernehmen? Ein paar Jahrzehnte hin oder her werden Euch wohl kaum stören.«   Kil'ruk zischte entrüstet und sprang von der Wurzel direkt neben Struana. Er packte sie an der Schulter und rammte sie hart gegen die Rinde hinter ihr. Die Worgen hob ihre Lefzen und knurrte den Windschnitter unheilvoll an, während sie versuchte ihre Klauen in sein Fleisch an den Armen zu versenken. Doch sie drang nicht durch den dichten Chitinpanzer. »Glaubt nicht, dass es mir gefallen würde, dass ein Fleischling wie Ihr es seid, meine Erweckerin ist. Aber ob es Euch - oder mir - gefällt oder nicht, dies seid Ihr.« Kil'ruk lockerte seinen Griff um ihre Schulter und ging einige Schritte rückwärts. Er zog etwas hervor, das er mit seinen Vorderbeinen umklammert und verborgen gehalten hatte und warf es der Worgen vor die Füße. Sie folgte dem Artefakt, welches ihr Schicksal beeinflusst hatte mit den Augen, ehe sie wieder zu Kil'ruk hinaufsah.   »Ihr werdet jetzt essen.«, zischte er drohend und flog summend in die Luft. Er verschwand hinter den breiten Ästen des Kyparis aus Struanas Sicht. Mit klopfendem Herzen ließ sich die Worgen auf den Boden sinken und nahm das Artefakt in ihre Pranke. Sie betrachtete die beiden messingartigen Spitzen und den verzierten Schaft, ehe sie die Stimmgabel vorsorglich in ihrer Gürteltasche verstaute.   Ein selbstgefälliges Grinsen huschte über ihre Lefzen, während sie sich ein Stück von dem rohen Fleisch riss und darauf herumkaute. Es schmeckte widerlich, sie bevorzugte Fleisch ganz durch, aber sie musste wohl oder übel vorläufig hiermit vorlieb nehmen. Doch es hatte sich letztendlich ausgezahlt nichts zu essen. Nun hatte sie die Gewissheit, dass sie auf bizarre Art und Weise wertvoll für die Mantis war. Sie würden sie nicht einfach umbringen. Doch noch immer fehlten ihr mehr Informationen. Warum mussten noch mehr Getreue erweckt werden? Die Kriegerin würde wohl noch etwas länger hierbleiben müssen, ehe sie ihre Flucht planen konnte.     *****     Das Leuchten welches von der Saftfliege ausging, dimmte leicht, als sie sich in die bleiche Hand niederließ. Der weiße, große Mantis betrachtete sie mit seinen azurblauen Käferaugen, während er die unscheinbaren Schwingungen des kleinen Insektes in sich aufnahm. Er nahm die Nachricht in sich auf, die ihm das Insekt übermittelte. Es war so, als würden sich mehrere Bilder vor seinem geistigen Auge visualisieren, gemischt mit dem wispern eines Mantis.   Seine Fühler zuckten angestrengt, während er mit der anderen, klauenartigen Hand sanft über die Saftfliege strich. Er flüsterte ihr etwas zu, ehe er sie wieder in die weite der Schreckensöde entsandte. Das glühende Licht des Insektes verschwand nach mehreren Herzschlägen in der Dunkelheit der Ferne. Der kaiserliche Großwesir sah seinem kleinen Botschafter nach. »Sogar die lauteste Stimme kann die leisesten Nachrichten empfangen.«, murmelte er klackernd vor sich hin, ehe er summend seine Flügel schlug und sich in die Luft erhob. Das summende Geräusch war leise und kaum hörbar, als er durch eines der prunkvoll verzierten Fenster des Palastes glitt und auf dem Boden landete.   Seine leichte Rüstung und die reich bestickten Stoffe wehten sachte, als er kurz inne hielt und sich auf das bevorstehende Gespräch vorbereitete. Sein kleiner Botschafter hatte ihm den Bericht des Spions bestätigt, welcher er seiner Majestät hatte zukommen lassen. Der Signalgeber war inzwischen fast fertiggestellt und würde sehr bald funktionsfähig sein. Der Windschnitter war tatsächlich erweckt worden und gesellte sich in die Reihen der Klaxxi. Außerdem - und das fand er höchst merkwürdig - befand sich eine Niedere Kreatur in Klaxxi'vess und wurde dort augenscheinlich als Gefangene gehalten. Aus welchem Grund war ihm unbegreiflich, doch zu diesem Wesen gab es allgemein wenige Informationen. Nicht, dass es nötig gewesen wäre, oder die Mühe wert, Informationen über eine Niedere zu erhalten.   Doch ansonsten verhielten sich die Klaxxi nach wie vor ruhig. Sie versuchten, kein Aufsehen zu erregen, doch sie hatten bereits jegliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen, noch bevor sie aktiv geworden waren. Dass dieser Nichtsnutz Kree'zot versagen würde, war nicht vorauszusehen gewesen. Weshalb war er bei seiner Aufgabe, den Erwecker der Klaxxi zu eliminieren erfolglos gewesen? Doch auch wenn der Windschnitter erweckt worden war und nun wieder den Klaxxi diente, war dies nur ein kleiner Rückschlag. Aber warum die Klaxxi eine Niedere Kreatur in der unmittelbaren Nähe von Klaxxi'vess gefangen hielten war ihm schleierhaft. Doch es war in seinen Augen auch nicht nötig, gar erwähnenswert, da sie vermutlich sehr bald sterben würde.   Langsam bewegte sich der weiße Mantis durch die dunklen und verlassenen Korridore des Palastes. Weiße und schwarze Schatten huschten durch die vertrocknete Rinde des toten Kyparis und über den Boden, während er darüber schritt. Vieles hatte sich in sehr kurzer Zeit verändert. Zor'lok wusste genau, dass die Klaxxi den Zyklus bewahren wollten und dass sich seine Kaiserin über diesen hinwegsetzte. Doch er urteilte darüber nicht, denn seine Kaiserin stand über allem.   Der Großwesir hatte den Anschuldigungen gelauscht, welche die Klaxxi gegen seine Kaiserin erhoben hatten. Wohl oder übel musste er ihnen sogar zustimmen, doch er konnte sich nicht über die Göttlichkeit seiner Majestät hinwegsetzen. Er konnte sie nicht verurteilen. Er war dazu nicht in der Lage.   Früher war seine geliebte Kaiserin anders gewesen. Zor'lok hatte sich geschworen, dass er stets hinter hier stehen würde um sie zu stützen, zu beraten und zu verehren. Schließlich war er ihre Stimme über das Kaiserreich. Wenn sie sich etwas wünschte, war er es, der ihre Befehle zu allen Bewohnern ihres Reiches brachte.   Doch ihr jetziger, gequälter und verwirrter Geist hatte sich verändert. Nur noch selten sprach sie zu ihrem Volk und sperrte sich selbst vor der Gesellschaft weg. Ihre Veränderung der letzten Wochen ließen sein Herz schwer werden und die Anschuldigungen, welche erhoben wurden, mussten unterbunden werden. Seine Kaiserin musste beschützt werden.   Seine Kaiserin wirkte seit mehreren Monaten sehr paranoid. Oft klagte sie über Alpträume, Gespenster, die sie in der Nacht verfolgten und sie nicht schlafen ließen. Aus Furcht lässt sie nur ihre engsten Berater und Vertrauten zu sich und hatte den Palast abriegeln lassen. Nur den stummen Palastwachen war es erlaubt, in dem Palast zu wandeln und Eindringlinge abzuhalten. Jedes Mittel war hierzu erlaubt.   Selbst die Schwarmgeborenen waren in Gelegen außerhalb des Palastes untergebracht worden und wurden von Aufsehern versorgt. Noch als Eier wurden sie in die Gelege gebracht und dort ausgebrütet. Sie waren noch sehr jung, zu jung, als dass sie für den Kampf bereit gewesen wären. Doch die neuen Methoden der Kaiserin stellten sich als sehr effektiv heraus.   Zor'lok betrat den hohen und breiten Saal, welcher ihm nur zu bekannt war. Die dunkle Blüte, in der sie für gewöhnlich ruhte, war weit geöffnet und sie saß in dessen Mitte mit geschlossenen Augen. Der Großwesir kündigte sich an, woraufhin sie ihre Augen aufschlug und sich verwirrt umsah, als wäre sie aus einem Traum erwacht.   Die Kaiserin wirkte angespannt, dennoch versuchte sie ihre Haltung zu bewahren, als sie sich anmutig auf die vier Beine erhob. Der Großwesir stockte der Atem, als er sie das erste Mal seit fast einem Monat wieder ohne den Schleier des Blütenthrones zwischen sich sah.   Die dunklen Schatten, welche sich in ihr Land und die Bäume gefressen hatten, huschten über die Klauen und Beine der Kaiserin. An ihren Klauenspitzen leuchteten weiße Nebelschleier die sich in ihr schönes Chitin gefressen hatten. Der purpurrote Mantel mit den schweren, goldenen Talern klimperten um ihren Leib, während sie sich aufrichtete. Schwarze und weiße Energien lösten sich von ihr, während sie sich bewegte und den Kopf majestätisch zu ihrem Großwesir hob. »Ah, da seid Ihr endlich, Großwesir.«, sprach sie langsam und schritt von ihrem Thron in die Mitte des hohen Saals.   Zor'lok beeilte sich die Wendelstiege hinunterzugleiten um ihr entgegen zu kommen. Er kniete sich vor sie nieder, als er vor ihr angelangt war. »Eure Majestät, Ihr wolltet mit mir sprechen und ich bin gekommen.«, sprach er leise und behutsam in seiner angenehmen Stimme.   »Ja, Großwesir. Erhebt Euch und berichtet mir über die Neusten Vorkommnisse in Klaxxi'vess.« Die Kaiserin nickte ihrem Großwesir wissend zu. In ihren Augen lag Ungeduld und Angst. Als würde sie etwas fürchten, aber nicht wissen, ob es eintreten würde.   Der weiße Mantid erhob sich und sah mit seinen azurblauen Augen zu seiner Kaiserin auf. Für ihn war Shek'zeer eine wunderschöne und betörende Göttin. Eine Göttin auf deren Schultern die Lasten des Kaiserreiches ruhten. »Natürlich.«, sprach er und begann mit seinem Bericht, von dem er wusste, dass er sie nicht erfreuen würde: »Die Klaxxi haben den Signalgeber fertiggestellt mit dem sie weitere Getreue ausfindig machen wollen.«   Die orangen Augen der Kaiserin verdunkelten sich. »Der Signalgeber soll sofort zerstört werden. Schickt einige Palastwachen um dies durchzuführen.« Hass schwang in ihrer Stimme mit während die Schatten vermehrt über den grünen Chitin ihres Körpers huschten. »Die Klaxxi sollen blind sein!«   »Meine Kaiserin, das wird nicht so einfach sein.«, sprach Zor'lok zögerlich, wodurch seine Kaiserin unruhig wurde und er behutsam weitersprach. »Klaxxi'vess ist stark bewacht. Es wird nicht einfach sein den Signalgeber zu zerstören, ohne das Feuer auf die Klaxxi zu eröffnen. Noch verhalten sie sich ruhig und scheinen in Vorbereitungen verstrickt zu sein. Sie ahnen noch nichts von unseren Aktivitäten gegen sie. Stattdessen könnten wir ihren Signalgeber beeinflussen mit unserem Spion.«   Die Kaiserin verengte ihre Augen und sah ihren Großwesir lange an. Ein feindseliger Ausdruck huschte über ihre Gesichtszüge, ehe sich diese verstehend glätteten. »Die Klaxxi wissen noch nicht, dass wir gegen sie agieren. Ihr habt Recht, Zor'lok. Wir sollten noch nicht offensichtlich handeln.«, sprach sie langsam. Die Fühler des Großwesirs rollten sich beinahe vor Ekstase zusammen, als seine Kaiserin ihn beim Namen nannte. Dies tat sie für gewöhnlich nicht und es ziemte sich auch nicht, ein engeres Verhältnis aufzubauen. Aber Zor'lok genoss das Gefühl der Achtung, dass sie seinen Namen aussprach.   Shek'zeer faltete zwei ihrer Klauen ineinander, während sie nach oben durch die durchsichtigen Chitinfenster auf den pechschwarzen Himmel über sich sah. Der rubinrote Stoff der über ihre Schultern fiel, wippte dabei leicht. »Ja, wir werden ihren Signalgeber manipulieren.«, murmelte sie langsam, während sich ihr Blick langsam wieder senkte. »Und wir werden ein starkes Störungssignal aussenden, welches die Funktion ihrer Sonarwellen nutzlos erscheinen lassen wird. Was denkt Ihr darüber, Großwesir?«   Zor'lok atmete tief durch, denn er wollte seiner geliebten Kaiserin nicht abermals widersprechen. Doch sie wünschte seine Gedanken zu erfahren. »Die Klaxxi würden schnell auf die Störung aufmerksam werden. Immerhin ist das aussenden und Empfangen der Sonarschallwellen das Gebiet in dem sie am meisten kommunizieren. Sie haben es erschaffen.«   Shek'zeers Gesichtszüge entspannten sich, während sie sich etwas zurücklehnte. »Richtig. Lasst sie nur kommen.«, murmelte sie leise und grinste verworren. Die Schatten über ihrem Leib sonderten sich ab und verflüchtigten sich in den großen Hallen des Thronsaals. »Die Klaxxi werden ihren Getreuen entsenden um die Störung zu beheben. Sie werden sich nicht selbst die Klauen schmutzig machen. Und wenn er erst einmal in meinen Gelegen eindringt, wird er dort seinen Tod finden.«   Zor'lok nickte verstehend. »Ein raffinierter Schachzug, Eure Majestät.«, stimmte er ihr zu, während Shek'zeer ihn kurz angebunden anstarrte. Fast, so als würde sie direkt durch ihn hindurchblicken, ehe sich ihr Blick langsam wieder klärte.   »Ihr könnt gehen, Großwesir. Ich möchte, dass der Windschnitter noch vor Anbeginn der Nacht tot ist.«, sprach sie und drehte sich von ihm weg, um zurück zu ihrem Thron zu gehen.   »Wie Ihr wünscht, meine Kaiserin.«, erwiderte Zor'lok und verneigte sich tief.   »Eines noch.«, ertönte ihre Stimme, kaum dass er sich abgewandt hatte. Sofort drehte sich der weiße Mantis wieder zu ihr um. »Ja, meine Kaiserin?«   »Haben unsere Signalgeber bereits Erfolge vorzuweisen?«, fragte Shek'zeer und musterte ihren Großwesir lange. In ihrem Blick lag etwas ruhiges und etwas gefährliches. Die Seite die Zor'lok bis vor wenigen Monaten fremd gewesen war.   Der Großwesir nickte zögerlich. »Wir haben eine schwache Spur im Herzen der Mark entdeckt. Wir werden ihr auf den Grund gehen und prüfen, ob sich dort ein Getreue aufhält.«   »Sehr gut.«, sprach Shek'zeer und die Schatten legten sich wieder über ihren Körper. Sie fügten sich nahezu perfekt an ihren Leib, wie der Mantel den sie über ihre Schultern trug. »Das sind doch mal gute Neuigkeiten. Schickt sofort einige Palastwachen und meine Kinder dort hin. Und diesmal, möchte ich dass keine Fehler unterlaufen, Zor'lok.«   »Natürlich, meine Kaiserin.«, erwiderte der Großwesir, abermals angespannt und erregt, dass sie ihn beim Namen nannte. Selbst wenn in ihren letzten Worten eine Drohung gelegen hatte, fühlte er sich berauscht über diese Ehre. Rückwärts verließ er noch immer verbeugt den Thronsaal. Aus den Augenwinkeln konnte er erkennen, wie sich der Blütenthron wieder zu einer Knospe verschloss und seine Kaiserin in sich umschloss, sodass sie nicht mehr zu sehen war.   Zor'lok ging den langen, stillen Korridor entlang um ihre Wünsche und Anweisungen auszuführen. Selbst wenn sich seine Kaiserin gegen die Regeln des Zyklus verhielt, er war derjenige, der ihr ewig treu bleiben und sie ewig lieben würde.     *****     Die kleine, dunkelbraune Füchsin schnüffelte mit gespitzten Ohren und wedelndem, buschigen Schweif an einem scheinbar sehr interessanten Grasbüschel. Dann hob sie ihren Kopf, die hellblauen Augen auf einen bestimmten Punkt gerichtet und sprintete schließlich los um ihren Herrn einzuholen. Die große Gestalt fuhr sich gedankenverloren durch den gestutzten Kinnbart, als er auf das riesige Tor der Untergehenden Sonne hochstarrte. Die goldene Scheibe, welche über dem Tor hing, lag regungslos da und kein alarmierender, schwerer Ton der anderen Scheiben hallte über die Mauer. Die Mantis hätten die Wächter auf dem Schlangenrücken bedrängen sollen, doch scheinbar waren die Angriffswellen wirklich vorüber.   Der großgewachsene Nachtelf zog seinen Umhang etwas fester um sich, obwohl der Wind in dieser Gegend lau über die goldenen Felder strich und diese wellenförmig bewegte. Mit fast lautlosen Schritten folgte er Dlatego, dessen beschäftigter, ernster Blick zu einem bestimmten Punkt des riesigen Walls gewandert war. Seine dunkle Lederrüstung schimmerte matt, während er um den Platz des riesigen Tores schritt. Sein gesundes Auge, suchte den oberen Rand des Schlangenrückens ab, als Weramor erkannte, dass er zu einer schmalen Treppe ging, welche die Mauer hinaufführte.   Weramor ließ seinen Blick wieder in die Ferne des Tals der Ewigen Blüten schweifen. Seine grüne Kettenrüstung verschlang das Sonnenlicht, dort wo es diese berührte und reflektierte es nicht. Er war ein geübter Späher und Jäger und auch wenn seine Befehle eindeutig waren, fühlte er sich hin und hergerissen. Bis vor einem Monat galten seine Gedanken einzig und allein der Mondsucht, Gilean und Holora. Seine gesamte Kraft und Konzentration, hatte er in die Aufgabe, das Sha zurückzudrängen, gesteckt. Doch dies hatte sich schlagartig geändert, als er diese Nachricht erhalten hatte. Er wollte sich nicht über seine Befehle hinwegsetzen, doch er musste sie zumindest vernachlässigen. Nur ein Mal.   »Hier ist die Stiege von der ich Euch erzählte, Weramor.«, sprach Dlatego rau und riss den Nachtelfen aus seinen Gedanken.   Weramor sah die schmalen Balken hinauf, die wie eine knappe Treppe an der Seite des Walles nach oben führten. Er warf einen prüfenden Blick auf Nymeria, seine Füchsin und treue Begleiterin. Sie dürfte den Anstieg alleine schaffen. Der Mann ging voraus und hielt sich an der Mauerwand ebenfalls fest, als er einen Schritt nach dem anderen emporstieg. Weramor sah ihm zunächst nach. Er wusste, dass er vieles verheimlichte. Er hoffte nur, dass er alles klären konnte und seine Geheimnistuerei ein Ende hatte. Es gefiel ihm selbst nicht, seine Kameraden und Freunde abzuweisen, doch er konnte keinen klaren Gedanken fassen, wenn sie in seiner Nähe waren. Als könnte er nicht mehr klar denken. Warum hatte sie sich nur bei ihm gemeldet?   »Kommt Ihr?«, fragte Dlatego über die Schulter und der Jäger nickte hastig. Er trat auf die schmalen Stiegen, die unregelmäßig in die Mauer eingearbeitet waren. Doch er konnte nicht verhindern, dass seine Gedanken wieder weit weg vor der Sha-Verseuchung, der Schreckensöde und der Mondsucht trieben. Stattdessen zog ihn seine Grübelei in die Krasarangwildnis. Natürlich würde er Veorans Befehle nicht missachten. Er hatte noch nicht einmal vor, sich in diesen Konflikt einzumischen. Dennoch musste er morgen in der Krasarangwildnis sein um sich mit dem Verfasser der Nachricht zu treffen. Es wäre einfacher den Schlangenrücken entlangzugehen und so das Tal der Vier Winde zu überqueren. Doch zusammen mit Dlatego war es schwierig für ihn zu erklären, warum er so weit nach Süden wandern wollte, ehe er in die Schreckensöde überwechseln würde. Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen mit ihm zu reisen. Aber seine Freundin - Holora - konnte ihn sehr leicht durchschauen. Sie hatte ihn bereits durchschaut, hierbei war er sich fast sicher, sie wusste nur noch nicht, worum es ging. Und er musste verhindern, dass sie es herausfand. Es ging dabei nicht um seinen Stolz, oder darum, dass er etwas Furchtbares getan hatte. Weramor wollte einfach nicht, dass sie enttäuscht sein würde. Denn er selbst war über den Inhalt der Nachricht erschüttert gewesen, enttäuscht von sich selbst.   Weramor ließ die letzten Balken hinter sich und zog sich hinter Dlatego zwischen zwei Mauerranderhöhungen auf den Schlangenrücken. Seine Füchsin folgte ihm leichtfüßig und schnupperte begeistert in der Luft. Der Jäger ließ seinen wachsamen Blick über zwei Wächter der Pandaren schweifen. Sie waren in keinem Kampf verwickelt, noch schienen sie sich von Dlatego oder ihm ablenken zu lassen. Sie starrten in die Schreckensöde hinein, als würden sie auf etwas warten. Die Pandaren warfen ihnen lediglich einen kurzen, skeptischen Blick zu, ehe sie wieder über das dunkle Land jenseits der Mauer spähten. Auch wenn der Schlangenrücken ruhig war und weit und breit keine Angreifer zu sehen waren, spürte Weramor ihre Unruhe. Es war fast so, als erwarteten sie, dass die Mantis wieder angreifen würden.   Dlatego lenkte seine Aufmerksamkeit mit einer Handbewegung auf sich und ging voraus zu einer sehr großen Mauerkuppel. Als der Jäger eintrat, stellte er fest, dass dies ein Stützpunkt sein musste. Er entdeckte an einer Wandseite mehrere gepolsterte Tragen auf dem Boden, in denen einige Pandaren schliefen oder ihre Wunden versorgen ließen. Andere aßen etwas, schärften ihre Waffen oder stellten Pfeile her. Geistesabwesend legte der Nachtelf seine Hand auf den Bogen, welchen er geschultert trug. Das starke Holz und die eingeschnitzten Einkerbungen erzählten eine einzigartige Geschichte. Seine eigene.   Während sich Dlatego geschäftig in dem Stützpunkt nach befehlshabenden Kommandanten des Goldenen Lotus umsah, blickte Weramor wieder zurück zum Schlangenrücken. Viel lieber würde er draußen warten, während Dlatego seine diplomatischen Angelegenheiten regeln würde. Er mochte den nahezu geschlossenen Raum nicht, in dem er sich befand. Er wirkte zu groß, zu vollgestopft, auch wenn er wusste, dass diese Güter für den Kampf gegen die Mantis unabkömmlich waren.   »Ihr solltet Eure Aufmerksamkeit lieber auf Eure bevorstehende Mission lenken.«, raunte Dlatego plötzlich. Weramor legte seinen Blick wieder auf den Mann, der ihn mit seinem gesunden Auge ernst musterte. »Die einfallenden Mantis der Schreckensöde haben zahlreiche Verteidiger in Schach gehalten. Wir wissen nicht warum sie jetzt ruhig sind, aber die Pandaren scheinen einen weiteren Angriff zu erwarten. Ich weiß nicht, wo Ihr mit Euren Gedanken die ganze Zeit seid und ich möchte es auch gar nicht wissen. Aber wenn Ihr einen Fehltritt in der Schreckensöde macht, könnte es Euer letzter gewesen sein.«   Der Nachtelf hob eine seiner langen, buschigen Augenbrauen und musterte Dlatego, der ihn mit seinem scharfen Blick fast durchbohrten. Er nickte knapp, als sich Dlatego scheinbar damit zufrieden gab und sich weiter umsah. Weramor überlegte, ob der Schurke wusste, dass er noch etwas anderes vorhatte, außer nur dem Befehl von Veoran nachzugehen. Konnte er es vielleicht erahnen? Verhielt sich Weramor so offensichtlich? Doch Dlatego - selbst wenn er etwas wusste - ließ nichts durchscheinen und sah sich weiter in dem Raum um. Weramor atmete langsam tief ein und wieder aus. Über was machte er sich eigentlich Gedanken? Er hatte sechs Tage Zeit um alles über die Schreckensöde in Erfahrung zu bringen, was er konnte. Er würde - wenn alles gut klappte - nicht einmal einen halben Tag brauchen um in die Krasarangwildnis zu kommen und mit ihr zu sprechen. Weramor würde also immer noch genügend Zeit haben um alles ins Lot zu bringen und die Informationen zu sammeln.   Er bemerkte noch nicht einmal, wie sich ein Pandare aus der Menge herausschälte und direkt auf Dlatego zuging. Erst als er vor dem Mann stand, schenkte ihm Weramor seine Aufmerksamkeit. Der Pandare trug die einheitliche, schwarzrote Rüstung der Wächter des Tals, während  zwei einhändige Schwerter an seinem Gürtel hingen. Er blieb vor Dlatego stehen und musterte ihn freundlich. »Guten Tag, Fremde.«, sprach er und verbeugte sich höflich, ehe er den Kopf etwas anhob und ihn mit seinen dunkelbraunen Augen musterte. »Was führt Euch zu den Wächtern des Tals? Der Schlangenrücken ist derzeit kein geeigneter Ort für einen Plausch.« Herausforderung lag in seinem Blick, als er sich wieder aufrichtete.   Dlatego neigte respektvoll seinen Kopf: »Das wissen wir, Pandare. Und es ist gewiss nicht unsere Absicht Euch aufzuhalten.«, begann er und deutete auf Weramor hinter sich. »Mein Freund, Weramor und ich sind hier, um uns über die derzeitige Lage auf dem Schlangenrücken zu erkundigen. Ihr habt bestimmt von den neusten Aktivitäten gehört.«   Der Pandare blinzelte knapp und ein offensichtliches, misstrauisches Funkeln huschte über seine Augen. »Die Wächter des Tals kämpfen ausschließlich für das Tal der Ewigen Blüten und ihren Bewohnern. Wir sind nicht an den Konflikten an der Küste von Krasarang interessiert, Mensch.«   »Ihr missversteht mich.«, wehrte Dlatego ab und hob abwehrend einen Arm. »Natürlich sehen wir, was Ihr und Euresgleichen hier auf dem Schlangenrücken machen und dass ihr sehr beschäftigt seid mit der Verteidigung.« Der Pandare sah Dlatego ruhig an, während der Mann eine Kunstpause einlegte. Scheinbar hatte er wieder seine Aufmerksamkeit. »Deswegen wollten wir Euch fragen, wo es einen sicheren Übergang gibt, um in die Schreckensöde zu gelangen.«   Weramor hob interessiert seine Augenbrauen, als auch der Pandare sein Misstrauen ablegte und den Mann erstaunt musterte. Geschickt hatte Dlatego das Gespräch zu seinen Gunsten gelenkt. »Warum möchtet Ihr in das verdorbene Land, Fremde?«, fragte der Pandare erstaunt und musterte die beiden fragend, aber auch sehr interessiert.   »Wir gehören einer kleinen Organisation an, die damit beauftragt ist die Ausbreitung des Shas zu untersuchen. Wir, die Mondsucht, möchten herausfinden, ob man eine weitere Ausbreitung verhindern und Vorfälle wie im Jadewald vorbeugen kann. Wir möchten Pandaria helfen, wieder aufzuatmen.« Dlatego deutete mit einem Kopfnicken zurück auf Weramor. »Mein Freund ist ein begnadeter Späher und Überlebenskünstler. Er wird sich in der Schreckensöde umsehen um Informationen zu sammeln.«   »Interessant.«, murmelte der Pandare, betrachtete Weramor für mehrere Herzschläge abschätzend, ehe er langsam nickte und sich umdrehte. »Wenn Euer Herz entschlossen ist, dann folgt mir. Ich werde Euch eine sichere Stelle zeigen.«   Dlatego und Weramor wechselten einen kurzen Blick, ehe sie dem Wächter durch den Stützpunkt folgten. Sie gingen an einigen Waffenvorräten und Heilern vorbei, bevor sie sich wieder auf dem Schlangenrücken befanden. Der Pandare führte sie die Mauer entlang an weiteren Wachposten vorbei. Sie schritten erstaunlich lange über den Schlangenrücken, was Weramor nicht erwartet hatte. Warum führte er sie so weit nach Süden? Obwohl es ihm nur zu Gute kam, denn je weiter er erst im Süden in die Schreckensöde einsteigen würde, desto einfacher hätte er es später in die Krasarangwildnis zu kommen.   »Hier hat es vor einigen Tagen einen Angriff von Riesenspinnen gegeben, welche in der Terrasse von Gurthan leben.«, erklärte der Wächter fast beiläufig. Sein Blick lag auf dem dunklen Land jenseits des Schlangenrückens. »Seitdem greifen die Mantis nicht mehr an. Manchmal treffen wir vereinzelte Flieger, aber sie kommen nie über die Terrasse von Gurthan, warum auch immer.«   Weramor runzelte seine Stirn und sah Dlatego fragend an. Doch dieser musterte mit seinem gesunden Auge den Wächter. »Ihr seht allerdings aus, als würdet Ihr einen weiteren Angriff erwarten, Pandare.«   »Der Schwarm dauert für gewöhnlich länger an und die Mantis ziehen sich nicht einfach zurück.«, sprach der Pandare, ohne eine wirkliche Antwort gegeben zu haben. Weitere Momente vergingen, ehe er wieder seine Stimme anhob: »Sagt, Fremde, kennt Ihr eine Worgen namens Struana?« Sie passierten eine weitere Mauerkuppel und gelangten auf einen anderen Abschnitt der Mauer.   »Nein.«, antwortete Dlatego nachdenklich und auch der Nachtelf schüttelte seinen Kopf. »Warum fragt Ihr?«   Der Pandare nickte nur langsam, ehe er anhielt und sich dem Rand des Walls näherte, an der es in die Schreckensöde hinunterging. Er deutete mit seiner Pfote über das Gebiet. »Hier sind die Ruinen von der Terrasse von Gurthan und hier.«, stoppte er kurz und deutete mit einem Kopfnicken auf den Randstein der Mauer. »Ist ein Seil an dem Ihr herunterklettern könnt. Die Ruinen beginnen direkt am Fuß des Schlangenrückens. Vielleicht treiben sich noch einige Spinnen dort herum, doch sie haben sich zum größten Teil wieder in den Schatten zurückgezogen. Wenn Ihr Euch von den Ruinen fern haltet, werden sie Euch in Ruhe lassen.«   »Gut.«, sprach Weramor und sah verwirrt auf das Seil hinab. Seine Füchsin stemmte sich mit den Vorderpfoten gegen den Mauerrand und wedelte begeistert mit dem Schweif, während sie hechelte. »Warum ist hier ein Seil gespannt?«, fragte er schließlich und warf dem Pandaren einen Seitenblick zu. Es wunderte ihn, warum es bereits dort hing. Mantis würden doch bestimmt ebenfalls daran versuchen heraufzuklettern, oder?   Der Pandare seufzte tief. »Struana - diejenige nach der ich euch fragte - und ich sind vor fünf Tagen in die Schreckensöde gestiegen um einen Bogenschützen zu finden. Er ist gestürzt, nachdem die Spinnen den Wall gestürmt hatten. Als wir ihn fanden, trennten wir uns. Der Bogenschütze erzählte, dass er zwei Mantis gesehen hätte und dass sie der Grund gewesen seien, warum die Spinnen aufgescheucht wurden. Sie wollte dem Hinweis nachgehen.«   »Sie ist nicht zurückgekehrt?«, fragte Dlatego ruhig, während sein Blick über den Ruinen lag.   Der Pandare schüttelte seinen Kopf und sah Weramor für mehrere Herzschläge lang an. »Kann ich Euch darum bitten nach ihr Ausschau zu halten, während Ihr in der Schreckensöde seid?«   Weramor zog die Luft tief ein und blickte über die Schreckensöde. Seine Zeit war ohnehin schon knapp, wenn er in die Krasarangwildnis ging. Dass er eine verschwundene Worgen suchen sollte, war ihm nicht unbedingt Recht. »Ich wüsste nicht, was das mit meinem Auftrag zu tun hätte.«, begann er und sah den Pandaren für einige Herzschläge an, als ihm ein leises Seufzen entkam. Machte sich dieser Pandare etwa wirklich Sorgen? Um eine Worgen?   »Wie heißt Ihr, Pandare?«, fragte Weramor und musterte den Wächter wachsam. Er verstand nicht die Verbindung zwischen einer Worgen und einem Pandaren. Und auch wenn seine Gedanken ihn stets in eine andere Richtung lenkten, wollte er seine Bitte nicht gänzlich abschlagen. Er schien sich wirklich Sorgen zu machen.   »Mein Name ist Tensho.«, stellte sich der Wächter vor, ehe Weramor langsam nickte.   Er beugte sich vor und hob seine Füchsin auf, die leise quickte. Er beruhigte sie und setzte sie sich über seine Schultern, wo sie wie ein träger Sack ruhig verharrte. »Ich werde sehen, was ich dort unten finden kann. Aber ich kann nichts versprechen, Tensho. Ich werde Euch eine Nachricht zukommen lassen, da ich nicht weiß, ob ich wieder über den Schlangenrücken auch in das Tal zurückkehren werde. Ihr habt mein Wort.« Der Nachtelf sah wie sich die Augen des Pandaren aufhellten. Er griff nach dem Seil und schwang sich über den Rand der Mauer, den er dann langsam hinabstieg. Weramor erkannte noch den verblüfften Gesichtsausdruck von Dlatego, ehe er aus seinem Sichtfeld verschwand.   Er konzentrierte sich auf seinen Abstieg. Natürlich war Dlatego verblüfft, aber er war nicht umsonst ein begnadeter Späher. Wenn sich eine Worgen hier aufgehalten hatte, würde er ihre Spuren finden. Leise hörte der Jäger ein gemurmeltes: »Danke.«, von Tensho, ehe seine Konzentration und seine Gedanken auf die Schreckensöde gelenkt wurden. Weiter konnte er jetzt noch nicht denken.           Kapitel 5: 04 - Der Unversehrte ------------------------------- »Es sind die Befehle der Klaxxi.«, beharrte der kleine Mantis, während er mit Kil'ruk in Struanas Hörreichweite kam. Neugierig hob sie ihren Kopf und spähte zu ihnen auf. Die beiden Mantis kamen direkt auf sie zu, wobei der Windschnitter keinen besonders entspannten Eindruck machte. »Außerdem ist es nicht mein Verdienst, dass sie hier ist.«   »Ich weiß, Kor'ik.«, knurrte der Windschnitter verbissen, ehe die beiden Mantiden vor der Worgen zum stehen kamen. Am missgünstigen Funkeln seiner jadegrünen Augen konnte Struana erkennen, dass er etwas machen musste, was ihm wohl überhaupt nicht Recht war. Und es hatte mit ihr zu tun - das zu erraten war nicht schwierig.   »Ihr da, Abschaum!«, krächzte Kor'ik und deutete mit seinen kleinen, klauenartigen Fingern auf Struana. »Ihr werdet zum Gelege von Shek'zeer gehen und den Signalgeber dort reparieren.«   Struana hob ihre Augenbrauen und sah den kleinen Mantis grimmig an. Es war der selbe, der ihr jeden Morgen das Fleisch gebracht hatte. »Warum?«, fragte sie nahezu gelangweilt. Aber ihre Ohren zuckten interessiert.   Kor'ik sah irritiert aus, weil sie nachfragte und tauschte einen kurzen Blick mit dem Windschnitter aus. Kil'ruk schüttelte demonstrativ seinen Kopf. Der kleine Mantis zuckte lediglich mit seinen schmächtigen Schultern und wandte sich wieder Struana zu, die jetzt nur noch skeptischer wirkte. »Unser Signalgeber funktioniert nicht ordnungsgemäß wegen eines Störsignals. Es wird von einem Turm in der Nähe von den kaiserlichen Gelegen ausgesandt.«   Kil'ruk zischte ungehalten, woraufhin Kor'ik ihn verständnislos anstarrte. »Legt die Pläne der Klaxxi nicht offen.«, zischelte der Windschnitter, woraufhin der kleine Mantis den Kopf schüttelte. »Es ist eine Niedere Kreatur! Sie versteht doch ohnehin nichts.«, murmelte er, ehe er seinen Blick wieder auf Struana legte, die mit gespitzten Ohren gelauscht hatte.   »Normalerweise wäre es meine Aufgabe, den Turm umzupolen, sodass die Sonarwellen anstatt gegen die Klaxxi, für die Klaxxi singen. Die Vorbereitungen hier sind allerdings immer noch nicht abgeschlossen, also werdet Ihr dort hingehen und das für mich machen.« Er blinzelte ungleichmäßig mit seinen Augen, während die Worgen ihre Stirn runzelte. »Habt - Ihr - mich - ver - stan - den, - Fleisch - ling?«, fragte Kor'ik den letzten Satz sehr langsam und betonte jede einzelne Silbe.   Struana legte ihre Ohren an. Glaubte der Kleine wirklich, sie wäre komplett bescheuert? »Ich wiederhole meine Frage noch einmal, für den Fall, dass Ihr sie nicht verstanden habt: Wa - rum - soll - te - ich - das - mach - en?«, fragte sie ihrerseits giftig und jede Silbe betonend zurück und funkelte Kor'ik bissig an.   Der kleine Mantis blinzelte Struana unmissverständlich und teilweise erstaunt an. Vermutlich aufgrund der Tatsache, dass sie ihn wohl doch sehr gut verstehen konnte und es sogar fertig gebracht hatte eine logische Frage zu stellen. Oder einfach nur, weil er es nicht gewohnt war eine Gegenfrage beantworten zu müssen. »Ihr dient den Klaxxi.«, war seine knappe Aussage, welche wohl die Antwort auf ihre Frage sein sollte.   »Ich diene den Klaxxi nicht.«, entgegnete Struana und verengte ihre Augen.   »Ihr dient den Klaxxi.«, kam prompt die gezischte Antwort von Kil'ruk.   »Gut, dann diene ich eben den Klaxxi.«, knurrte Struana hohl den Windschnitter an und rümpfte ihre Schnauze.   Kor'ok sah zwischen den beiden hin und her und schüttelte schließlich den Kopf. »Hier ist der Resonanzkristall. Die Intelligenz der Ingenieure der Palastwachen ist zu gering, als dass sie ihn beeinflussen könnten - ähnlich wie Eure.«, fügte er fast fröhlich hinzu, ehe er fortfuhr: »Jeder Turm, der Sonarwellen entsenden kann, hat einen Schwachpunkt. Für gewöhnlich ist es die Stelle, an der das Amber mit der Säule verschmilzt. Ihr werdet den Resonanzkristall in die Zwischenstelle schieben, das Amber wird darauf reagieren und ihn aufnehmen. Der Turm wird nach dem Einsetzen des Kristalls für die Klaxxi singen und entweder lassen sie ihn stehen, oder sie zerstören ihn. Vermutlich werden sie sich für die zweite Option entscheiden, aber das geht uns dann nichts mehr an.«   Struana verengte ihre Augen, während der kleine Mantis ihr den Resonanzkristall übergab. Sie betrachtete den kleinen, weißen Kristall und steckte ihn in ihre Gürteltasche, während Kil'ruk die Kette um ihre Fußfessel öffnete. »Ihr agiert gegen Eure Kaiserin wie ich sehe.«, murmelte sie, als sie sich aufrichtete und sich streckte. Sie hatte keine Antwort erwartet und ihr wurde auch keine gegeben. Sie wusste nicht was sie von diesem Vorhaben halten sollte. Struana hatte noch nicht einmal vor der Aufgabe nachzukommen. »Wie komme ich zu diesem Gelege?«, fragte sie, während sie ein paar Schritte ging. Sie war schon sehr lange an diesen Baum gekettet gewesen und war froh über die Bewegung.   »Ich werde Euch dorthin bringen.«, knurrte Kil'ruk gepresst, wobei Struana ihn zunächst erstaunt, dann schmunzelnd betrachtete. Deswegen war er also so schlecht gelaunt. Sie hatte bereits geahnt, dass die Klaxxi sie nicht unbeaufsichtigt gehen lassen würden. Und da Kil'ruk für sie bürgte, musste er sie begleiten. Struana konnte ihre Schadenfreude kaum verbergen.   Kor'ik wich einen Schritt von Struana zurück, während er sie nachdenklich betrachtete. »Für den Willen der Klaxxi.«, murmelte er leise vor sich hin, ehe er sich umdrehte und wieder in die Mitte der Plattform ging.   Struana funkelte Kil'ruk unterdessen weiterhin amüsiert an. »Ihr wisst, dass ich auch laufen kann.«, sprach sie gelassen und hob grinsend ihre Lefzen.   Der Windschnitter funkelte misstrauisch zurück: »Mal ganz davon abgesehen, dass Ihr Euch hoffnungslos verlaufen würdet, werde ich nicht riskieren, dass Ihr über die Mauer flüchtet.«, zischte er und drehte ihr den Rücken zu. Er ging etwas in die Knie und seine großen Flügel glitten zu seinen Seiten auseinander. Die Worgen runzelte ihre Stirn, als er sie plötzlich ungeduldig anblaffte: »Nun steigt schon auf!«   Struana murrte leise vor sich hin und überlegte, wie sie auf seinen verdammten Rücken kommen sollte. Er war groß, aber nicht unbedingt breit. Sie zog sich an dem Stachel seiner Schulterplatte auf seinen Hinterleib hinauf und hatte fast damit gerechnet, dass die Wespentaille unter ihrem Gewicht - sie wusste nicht so recht - absinken würde? Doch stattdessen stand sie auf ihm, als sich Kil'ruk bereits wieder aufrecht stellte und begann mit seinen Flügeln zu schlagen. Das summende Geräusch erfüllte die Luft und Struana griff an seinem Rücken nach seinem Chitinpanzer um sich an ihm festzuhalten.   Der Windschnitter flog schnell in die Luft und eine Runde über Klaxxi'vess, ehe er an den großen Steinsäulen vorbeiflog, direkt über die hügelreiche Gebirgslandschaft. Schweigend vergingen mehrere Augenblicke, in denen sich Struana einfach nur festhielt und der Wind um ihre Ohren pfiff. Sie überlegte, wie sie am besten fliehen konnte. Sie könnte von seinem Rücken springen, wenn er tief genug flog und versuchen fortzulaufen, aber er würde ihr sicherlich nachkommen und sie wieder einfangen. Vielleicht musste sie einfach noch etwas geduldig sein, ehe ihre Chance kam.   »Ich werde Euch beim Turm absetzen. Erhofft Euch bloß keine regelmäßigen Ausflüge und glaubt nicht, dass ich Euch immer fliegen werde.«, krächzte Kil'ruk sichtlich genervt, während sie über die unfruchtbare Narbe flogen, die sich in die Schreckensöde fraß.   »Keine Sorge, Kil'ruk.«, knurrte Struana gegen das stetige Summen seiner starken Flügel an. »Das hatte ich nicht vor.« Sie hatte ja noch nicht einmal vor wieder mit ihm zurück nach Klaxxi'vess zu fliegen. Was interessierten sie schon die größeren Pläne der Klaxxi? Die Worgen war nur in die Schreckensöde gekommen um herauszufinden, wie sie den Schwarm aufhalten konnte. Sie hatte keine Antwort bekommen und es wurde höchste Zeit für sie, wieder zum Schlangenrücken zurückzukehren.   Die Energien des Sha wirbelten auf dem Boden unter ihr auf, als wäre es Nebel, während Kil'ruk tiefer flog. Er wich einer vorbeiziehenden Gruppe von Mantis aus, die anscheinend über dem Gelege patrouillierten. Ein Gebilde, welches eindeutig einmal Kyparit gewesen sein musste, kam in Sichtweite. Struana erkannte, dass das Metall vor Sha-Verderbnis pulsierte, weswegen es die Farbe verändert hatte. Die Farben des Bernsteins schimmerten nun fast violett, mit weißen und schwarzen Gewichtspunkten, während das Nest in die Höhe ragte. Es wirkte wie ein Schutzwall auf Struana, ein Wall um irgendetwas zu beschützen.   Kil'ruk zischte verächtlich und langgezogen, als er wieder an Höhe zunahm und über das Nest vorbeiflog. »Dies sind die Gelege der Kaiserin.«, murmelte er, was Struana kaum verstehen konnte. Sie merkte, wie sich der Windschnitter unter ihr anspannte. Es wirkte auf sie, als würde er sich sehr über irgendetwas aufregen. Die Kriegerin versuchte es zu ignorieren und spähte zwischen seinen Flügeln, die stetig, summend schlugen, in das Gelege hinein.   Das Gelege war ein nahezu riesiges Areal genau inmitten der Narbe, welches von den Gebilden umgeben war. Struana wusste nicht, ob es einfach nur das komplette Gebiet innerhalb der Narbe war, oder noch weiter darüber hinaus, denn immer mehr von den Kokonähnlichen Abgrenzungen waren unter ihr zu sehen. Dann sah sie ihn. »Dort ist der Turm.«, rief sie und deutete nach unten. Er stand inmitten des Geleges, welches das Grundgerüst bildete, so machte es zumindest auf Struana den Eindruck. Vereinzelt streiften ein paar bewaffnete Mantis um die einzelnen Nester, doch anscheinend waren sie nicht sehr aufmerksam, denn ansonsten hätten sie Kil'ruk schon längst hören können.   »Die kaiserlichen Gelege sind zu einer Abscheulichkeit verkommen.«, zischte Kil'ruk verärgert und versuchte seinen Unmut zu verbergen, was ihm kaum gelang. »Die Gelegehüter treiben die Entwicklung der neuen Schwarm geborenen zu schnell voran, indem sie die Eier in dieser Sha- Energie tränken.«   Struana runzelte ihre Stirn, während sie versuchte, den Überblick über die Mantis um und in den Gelegen zu behalten. In ihrer nahen Umgebung waren es, soweit sie zählen konnte, nur fünf Mantis, die um die Gelege patrouillierten, aber sie waren bewaffnet. »Was auch immer. Ihr müsst die Mantis ausschalten, ansonsten kann ich den Resonanzkristall nicht einsetzen.«   Kil'ruk drehte seinen Kopf zu ihr und sah sie mit einem Auge an. »Zu was seid Ihr eigentlich fähig?«, fragte er und stierte sie belustigt an.   Der Kriegerin stellte sich das Nackenfell auf. »Ich habe keine Waffe!«, versuchte sie sich zu verteidigen, als Kil'ruk leise mit seinen Kieferzangen aufeinander schlug. Plötzlich setzte er zu einem Sturzflug an. Struana riss ihre Augen auf und krallte sich in seinen Chitinpanzer fest, doch der Windschnitter bremste seinen Fall nicht ab. Er hatte seine Flügel komplett eingefaltet und sie spürte die Luft um sie herum pfeifen, als er sie kurz vor dem Boden wieder auseinanderklappte. Mit den Beinen voran landete er direkt auf den Schultern eines Mantis und riss ihn zu Boden. Nein, viel eher hatte er ihn mit seinem Gewicht zu Boden gepresst, wodurch sämtliche Knochen - falls Mantis Knochen besitzen sollten - im Rumpfbereich gebrochen wurden. Mit einem schnellen Schnitt seiner Dolche schlitzte er die Kehle des Gelegehüters durch und er konnte keinen Laut mehr von sich geben.   Struana sprang von Kil'ruks Rücken und sah kurz auf den Mantis, der in seinem eigenen Blut gestorben war. Doch schnell lenkte sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihrer Umgebung zu und sie prüfte schnüffelnd die Luft. Die anderen Gelegehüter hatten nichts von dem Überfall bemerkt. Der Windschnitter war zu schnell, zu leise gewesen, als dass er die geringe Aufmerksamkeit dieser Mantis hätte wecken können. Kil'ruk zog die Waffe, welche der Mantis bei sich getragen hatte, aus seinen toten Klauen und drückte sie der Worgen in die Pranken. Verwundert sah sie zu ihm auf. »Hier. Dann seid Ihr hoffentlich nicht mehr ganz so nutzlos.«, zischte er und drehte ihr dann den Rücken zu um sich in dem Gelege umzusehen. Seine Fühler zuckten nervös, während er seine Dolche bereit hielt.   Die Kriegerin betrachtete die Waffe, die ihr gegeben wurde. Sie war aus Kyparit gefertigt und nicht so langreichend wie ihre ehemalige Stangenwaffe. Dafür aber ungewöhnlich leicht und gut ausbalanciert. Struana vermisste das schwere Gewicht ihrer zweischneidigen, massiven Stangenwaffe, doch würde sie sich mit dieser Waffe wohl zufrieden geben müssen. Vielleicht würde sie ihr auch für die bevorstehende Flucht dienlich sein. Immerhin war sie jetzt wieder auf dem Boden.   »Ich schalte die Hüter auf der gegenüberliegenden Seite des Geleges aus. Kümmert Euch um diejenigen auf dieser Seite und sterbt gefälligst nicht. Ich werde versuchen Euch von der Luft aus zu decken, sobald ich fertig bin.«, krächzte Kil'ruk und funkelte die Worgen herausfordernd an. »Macht schnell und setzt den Resonanzkristall in den Turm ein.«   Der Windschnitter flog in die Luft und ließ die Worgen zurück. Sie hob missmutig ihre Lefzen und grunzte. Warum sollte sie sich die Mühe machen, für die Klaxxi zu arbeiten? Nur weil sie die Erweckerin war? Leichtfüßig schlich sie sich näher an das Gelege heran, in dem der Turm versteckt lag und ging dann an diesen vorbei. Wenn sie sich beeilte, würde sie von hier verschwinden können. Sie könnte die einzelnen Gelege als Deckung vor dem Windschnitter nutzen.   Ihr Plan wurde von einem jähen Kreischen zerstört, das von hinten an ihre Ohren drang. Sie wirbelte herum und konnte gerade noch das Schwert parieren, dass der Gelegehüter auf sie niedersausen lassen wollte. Er machte einen solchen Lärm, dass sich Struana nicht sicher war, ob sie und Kil'ruk noch wirklich unbemerkt waren. Sie holte mit ihrem Fuß aus und trat in den Unterleib des Mantiden, der daraufhin nach hinten taumelte. Schnell drehte sie die Klinge in ihren Pranken und rammte sie dem Gelegehüter in den Hals, der daraufhin heftig zuckend und gurgelnd zu Boden ging. Blut floss aus der Wunde und auch dem Schlund zwischen den Kieferzangen, als die Kriegerin die Waffe zurückzog.   Die Energien des Sha wirbelten um sie herum über den Boden, als sie sich aufmerksam umsah, doch sie erkannte bereits den anderen Gelegehüter, der auf das Kreischen aufmerksam geworden war. Er rannte direkt auf Struana zu und schwang eine Axt über seinem Kopf. Die Kriegerin duckte sich unter dem Hieb und schlug mit ihrer Klinge nach oben. Doch ein klirrendes Geräusch ertönte, als sie gegen das Schild des Mantis schlug, das er gehoben hatte. Struana rollte sich zur Seite, als er wieder die Axt schwang und riss mit ihren Klauen über die Beine des Mantiden. Dieser zischte laut und drehte sich nach ihr um, genau in dem Augenblick, als sie ihre Klinge hob und ihn von unten aufspießte. Das knackende Geräusch seines brechenden Panzers erfüllte die Luft, als Struana verwirrt aber zufrieden feststellte, dass die Kyparitwaffe tatsächlich ungehindert durch den sehr harten Panzer gedrungen war. Dieses Kyparit war wirklich ein wundervolles Material gegen Mantis. Das hätte sie nicht erwartet, denn selbst mit Stahl aus Geistereisen hatte man für gewöhnlich Probleme, den stabilen Chitinpanzer der Mantis zu durchdringen. Mit einem weiteren Knacken und einem Schmatzen zog sie die Klinge zurück und der Gelegehüter fiel vornüber zu Boden.   Die Kriegerin beugte sich vor und griff nach der Axt des Mantis, als sie einen Schatten über sich erkennen konnte. Keinen Wimpernschlag später landete Kil'ruk neben ihr und betrachtete die beiden Gelegehüter die von ihr getötet wurden. »Keine saubere Arbeit.«, murmelte er, während er über das Gelege nach Westen zu dem Palast blickte, der ganz in der Nähe war. »Man hat Euch meilenweit gehört.«   Die Worgen schnaubte abfällig und griff mit ihrer Pranke in die Gürteltasche um den Resonanzkristall herauszuholen. Jetzt hatte sie keine Möglichkeit mehr zu fliehen, wenn der Windschnitter genau neben ihr stand. Sie war zu langsam gewesen. Verwundert zuckte sie mit ihren Ohren, als sie die leichten Vibrationen spüren konnte, die von der Stimmgabel ausgingen. Aus den Augenwinkeln sah sie prüfend zu Kil'ruk, der sie ungeduldig beobachtete. »Was ist?«, zischte er aufgebracht. »Habt Ihr den Resonanzkristall etwa verloren oder warum steht Ihr wie angewurzelt noch hier?«   Struana legte ihre Ohren zurück, ehe sie den Resonanzkristall aus ihrer Tasche zog und sich dem Turm - er war um so vieles kleiner als der Signalgeber in Klaxxi'vess - zudrehte und wortlos auf ihn zuging. Sie hatte Kil'ruk gefunden, weil die Stimmgabel vibriert hatte. Bedeutete das, dass sich hier in der Nähe auch ein Getreuer aufhielt?   Sie fand eine geeignete Stelle, genauso wie Kor'ik es ihr beschrieben hatte, beim Übergang des Schaftes in dem Amber, der sich durch die Sha-Essenzen ebenfalls verfärbt hatte. Mit etwas Kraftaufwand drückte sie den Kristall dazwischen und sie spürte, wie er langsam von dem Amber umschlossen wurde. Die eben noch verfärbten, schwarzen und violetten Stellen des Ambers änderten ihre Farbe und sahen nun wieder mehr wie ein Bernstein aus. So nahe am Turm konnte sie förmlich die Wellen spüren, die von ihm ausgingen. Kil'ruk wirkte unruhig, als Struana glaubte, in den Wellen ein Flüstern zu hören.   Es war eine lauter werdende Mantisstimme, die in ihren Verstand barsch eindrang. 'Der Kristall singt nun für die Klaxxi. Ein Getreuer hält sich in den kaiserlichen Gelegen auf.'   Die Worgen blinzelte benommen und rieb sich ihre Schläfe, als sie glaubte, dass die Sonarwellen leiser wurden. Kil'ruk packte sie an der Schulter. »Unsere Arbeit ist getan. Wir sollten von hier verschwinden, ehe noch mehr Gehilfen der Kaiserin kommen.«   Struana blinzelte. Er wollte weggehen? »Habt Ihr sie etwa nicht gehört?«, fragte sie entsetzt und versuchte sich von seinem Griff zu lösen. Doch stattdessen hätte sie auch versuchen können einen Berg zu schieben. Wie konnte es sein, dass sie die Klaxxi gehört hatte, Kil'ruk aber nicht? Lag es daran, dass sie so nahe an dem Signalgeber gestanden hatte? Der Windschnitter hatte ihre Worte ignoriert und ging zielgerichtet aus dem Gelege weiter. »Stopp, Kil'ruk! Ich glaube ein Getreuer ist hier in der Nähe!«   Der Windschnitter hielt inne und sah zu ihr zurück. Seine Fühler zuckten rastlos, während seine Augen sie abschätzend musterten. »Wen soll ich gehört haben?«, fragte er skeptisch und ließ sie los. Struana griff erneut in die Gürteltasche und hielt ihm die Stimmgabel entgegen, die immer noch leicht vibrierte. Kil'ruk starrte auf die Stimmgabel, als könnte er es nicht glauben. Abermals sah er zu Struana, als er vermutlich die Bedeutung ihrer Worte zuordnen konnte. »Wen habt ihr gehört?«   Die Worgen warf ihm einen skeptischen Blick zu, nachdem sie prüfend in der Luft geschnüffelt hatte. »Na, ich gehe davon aus, dass es die Klaxxi waren. Immerhin sprechen sie durch den Signalgeber, oder?«, fragte sie, obwohl ihr die Antwort darauf nicht wichtig war. »Es kann Euch doch nur zu Gute kommen, wenn wir ihn finden.« Sie ärgerte sich etwas über sich selbst, da Kil'ruk anscheinend keine Ahnung hatte wovon sie redete. Doch ohne ihn weiter zu beachten ging sie los und achtete dabei auf die Stimmgabel in ihrer Pranke. Struana hörte zwar noch, wie er aufgebracht zischte, doch sie ignorierte es. Sie würde die Reihen der Mantis - der Klaxxi - stärken, wenn sie diesen Getreuen fand. Eigentlich wollte sie ja flüchten, aber das war doch nicht so einfach wie sie sich erhofft hatte. Möglicherweise jetzt, wo die Aufmerksamkeit des Windschnitters beeinflusst wurde durch die Entdeckung eines weiteren Getreuen, möglicherweise konnte sie jetzt fliehen.   Die Kriegerin hörte seinen summenden Flügelschlag über sich, als sie über die faulige und Sha-Verseuchte Erde rannte, um von einem Nest zum anderen zu gelangen. Fast hatte sie die komplette Narbe überquert, als die Stimmgabel deutlicher und nun auch etwas lauter die Schwingungen von sich gab. Mit pochenden Herzen suchte sie weiter. In einem von diesen verdammten Nestern musste der Getreue sein, sie war sich sicher, dass sie ihn finden würde.   Zwei Gelegehüter überraschten sie, während sie sich mehr auf die Stimmgabel konzentrierte, als auf ihre Umgebung. Die Worgen wich einige Schritte zurück, als Kil'ruk lautlos hinter den beiden Mantiden landete. Er jagte seine Dolche in die Brustkörbe der beiden Gelegehüter, die sich auf der Stelle krümmten und gequälte Todeslaute von sich gaben. Struana rannte an ihnen vorbei direkt in das Nest dieses Geleges hinein. Nach ein paar Herzschlägen wurde sie schließlich auch fündig. Zwischen einigen Eiern, über denen die Nebel des Shas waberte, ragte auch der Bernstein in die Höhe, in dem ein Getreuer schlafen musste.   Struana ging langsam auf den Bernstein zu, während sie die Stimmgabel im Blick behielt. Sie sendete wieder den kaum hörbaren Ton aus, während sie in unmittelbarer Nähe des Getreuen war. Kil'ruk riss sie plötzlich an der Schulter zurück. »Diese Energie sickert durch die Bernhülle des Getreuen.«, murmelte er krächzend und starrte mit verengten Augen auf den Bernstein. Auch wenn es Struana erst jetzt erkannte, aber es wirkte tatsächlich so, als wenn die weißen und schwarzen Nebelschleier zu dem Amber gezogen wurden. »Ich fürchte ihm ist nicht zu helfen.«   »Was?!« Struana sah Kil'ruk fassungslos an. Wie konnte er so etwas sagen? Sollte es nicht in seinem Interesse sein, einen weiteren Getreuen für die Klaxxi zu gewinnen? Sie riss sich von ihm los und ging entschlossen auf den Bernstein zu. »Einer der Euren ist dort drin. Wollt Ihr nicht für ihn kämpfen?« Entsetzen lag in ihrer Stimme, was sie selbst nicht nachvollziehen konnte. Vielleicht konnte sie auch nur nicht begreifen, warum der Windschnitter so kalt blieb und schnell aufgab. Sie sah zu dem Bernstein auf, während sie ihre Klinge neben sich in den Boden rammte. Struana hoffte inständig, dass sie sich nicht selbst überschätzte.   »Was sollen wir machen, wenn diese Macht ihn bereits verzehrt hat?«, fragte Kil'ruk aufgebracht, als hätte Struana ihn in seiner Ehre beleidigt. Sie sah über die Schulter zu ihm zurück. »Wir müssen es immerhin versuchen.«, murrte sie ruhig, während sie die Stimmgabel in ihren Gürtel steckte. Ohne es zu bemerken ballte sie ihre Pranken zu Fäuste, als sie wieder auf den Bernstein starrte. Sie durfte sich einfach nicht überschätzen. Auch wenn der Plan, wie er sich in ihrem Kopf zusammenbaute sehr wage war und sich auf einer Handlung stützte, die bestimmt bereits zwei Monate her war, es musste einfach klappen.   Dort wo Struana stand, waren bereits die Schatten der verdorbenen Energie zurückgewichen. Behutsam legte sie ihre Pranken auf den Bernstein, während die Stimmgabel immer heftiger erzitterte. Die Worgen seufzte fast schon erleichtert, während sie beobachtete, wie die Nebelschleier nicht mehr in den Bern einzudringen versuchten. Knackend bildeten sich Risse in der harten Schale und wurden sehr langsam größer.   Kil'ruk hob ungeduldig seinen Kopf und sah zurück über die Gelege in die Richtung des Palastes. »Beeilt Euch! Die Gehilfen sind auf dem Weg. Sie kommen in Scharen.«   »Dann haltet sie hin!«, blaffte Struana ihn über die Schulter an, während sie ihre Pranken nicht von dem Bernstein nahm. Die dickflüssige Substanz benetzte ihr Fell, als sie an ihren Armen bereits herablief. »Schließlich seid Ihr der Windschnitter!«   Kil'ruk schlug wütend mit seinen Kieferzangen mehrere Male hintereinander, ehe er sich vom Boden abstieß und in die Luft flog. Struana knurrte leise, während sie ihm nachsah. Für den Bruchteil eines Herzschlages, hatte sie geglaubt, er würde einfach wegfliegen. Doch stattdessen flog er der Angriffswelle entgegen, die wie eine kleine Wolke auf sie zukam. Sie konnte die Mantis leise kreischen und zischen hören, während der Windschnitter ihnen entgegenflog um ihr Zeit zu verschaffen.   Plötzlich drückte sie die harte Hülle des Ambers ein und fiel fast auf den Mantis, der darin in seinem Bernschlummer gefangen gewesen war. Die Schatten huschten über seinen goldgelben Körper, neutralisierten sich aber binnen eines Wimpernschlages, als sie ihn berührte. Er taumelte, als ihr zusätzliches Gewicht ebenfalls auf ihm lastete und sie versuchte, ihn zu stützen - so gut es ihr möglich war, der Getreue war größer als sie. Erleichtert stellte Struana fest, dass sie durch das Ritual noch immer in der Lage war, kleine Rest von Sha-Verderbnis zu läutern. Sie war so froh, auf der Reise mit Sevias Gelegenheit bekommen zu haben, diese Fähigkeiten auszutesten.   Der hochgewachsene Mantis, dessen Leib sie umfasst hielt, damit er nicht stürzte, stand sehr wackelig auf den Beinen. Der breite Helm und die Schulterplatten waren gelb und moosgrün. Er drehte seinen Kopf und starrte erstaunt auf sie herab. Struana stellte verwundert fest, dass nichts Feindseliges in seinem Blick lag, nur Erstaunen. Wäre sie bei der ersten Begegnung mit Kil'ruk fast auf ihn gefallen, wäre er bestimmt aus seinem Chitin gefahren und hätte sie auf der Stelle gehäutet.   Der Getreue krampfte sich zusammen und bäumte sich auf, als die Worgen noch rechtzeitig einen großzügigen Schritt zurückwich, ehe er sich erbrach. Er keuchte und schnappte nach Luft, während die flüssige Substanz an seinem Körper abperlte. In seinen Klauen trug er eine breite Hellbarde aus reinem Bernstein. Lediglich der Schaft wirkte stabiler, wie aus Kyparit.   Struana hörte das wilde Kreischen hinter sich und drehte den Kopf zu dem Lärm. Mindestens zwanzig angreifende Mantis stürmten direkt auf sie und den eben erst erwachten Getreuen zu. Kil'ruk stürzte sich kreischend aus der Luft auf sie und fegte mit seinen Dolchen durch ihre Reihen. Die Worgen wandte ihren Blick ab. »Könnt Ihr laufen?«, fragte sie schnell und bemerkte, dass er sie bereits wieder ansah.   »Kaum.«, kam ihr ein tiefes Raunen als Antwort.   Die Worgen blinzelte verzweifelt, als sie die kurze Klinge aus dem Boden zog und den Getreuen unterm Arm packte. »Ihr müsst hier weg. Zumindest raus aus der Narbe.«, sprach sie hektisch und warf einen gehetzten Blick über die Schulter zu dem Windschnitter. Er hatte die Angreifer bereits stark dezimiert, doch sie konnte eine weitere Angriffswelle erkennen, die sich weiter hinten formierte.   Der eben erst erwachte Getreue hinterfragte zu ihrem Glück nichts, während sie ihn zum Rand der verderbten Narbe führte. Er versuchte sich nach Kräften selbst den steilen Hang hinaufzuziehen, doch größtenteils stützte die Worgen ihn. Er kauerte sich auf den Boden und rammte seine Hellbarde vor sich in den Boden, während seine Fühler angestrengt zuckten. Er wirkte auf sie etwas verwirrt - natürlich - immerhin war sie nur eine Niedere Kreatur und er war gerade erst erwacht. Kil'ruk hatte erst einige Augenblicke gebraucht, ehe er sich seiner Umgebung bewusst geworden war.   Struana warf einen prüfenden Blick zu Kil'ruk und stellte mit klopfendem Herzen fest, dass die Mantis versuchten Seile nach ihm zu werfen. Dies war ihre Chance, die Möglichkeit, auf die sie gewartet hatte, zu fliehen. Der Windschnitter war viel zu beschäftigt mit den Angreifern und der Getreue war zu schwach um ihr nachzukommen, wenn sie jetzt einfach nur loslaufen würde. Doch aus einem ihr unbekannten Grund, konnte sie es nicht. Die Worgen konnte den Getreuen und den Klaxxi nicht den Rücken kehren. Stattdessen starrte sie wie gebannt auf Kil'ruk, der sich aus den Seilen herauskämpfte und sich gleichzeitig gegen die Mantis wehrte, die ihn attackierten. Warum konnte sie nicht einfach gehen?   »Geht und helft ihm.«, sprach die tiefe Stimme des Getreuen und sie zuckte beinahe zusammen. Mit einem prüfenden Blick sah sie auf ihn herab, während er seine Waffe noch immer fest umklammert hielt. Entschlossen sah er zu ihr auf. »Ich werde mich gegen ein paar wehren können, sollten sie hierher kommen.«   Struana schluckte und nickte langsam. Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Dass sie eigentlich fliehen wollte? Dass sie einfach nicht in der Lage war zu fliehen? Die Kriegerin nickte noch einmal - was überflüssig wirkte - und sprang knurrend den Hang hinunter, zurück in die Narbe. Noch immer verwirrt rannte sie durch das Gelege den Angreifern und Kil'ruk entgegen, der sich inzwischen aus den Netzen gekämpft hatte.   Die Kriegerin zog die Axt von ihrem Gürtel und rammte mit dem Anlauf, den sie hatte die Klinge in einen Mantis von hinten in den Leib. Dieser kreischte erschrocken und ein anderer versuchte sie zu attackieren, doch sie hob die Axt und schlug ihm damit in die Seite seines Halses. Als sie die Axt zurückzog, nahm sie dabei so viel Schwung um einen weiteren Mantis am Arm zu verletzten, der zischend zurückwich.   Sie hörte nur noch das Kreischen der Mantis und nahm die Bewegungen ihrer Feinde wahr. Diese Mantis waren ihre Feinde. Sie kümmerte sich nicht darum, ob sie die Angreifer mit ihren Waffen auch tötete. Wichtig war, dass sie sie verletzte. Töten konnte sie auch noch später. Kurz entdeckte sie den Windschnitter der mit seinen Dolchen herumwirbelte und die Mantis in seiner Umgebung zu Boden gingen, während Blut spitzte. Struana konzentrierte sich auf ihre Ziele, die Feinde, die sie treffen konnte. Mit einem wilden Geheul streckte sie die Mantis nieder, wich Waffen und Klauen aus und versenkte das Blatt der Axt in ihre harten Panzer.   Struana spürte die Wut die ihren Körper hochkroch. Warum war sie nicht in der Lage gewesen zu fliehen? Warum konnte sie aber jetzt töten? Die Mantis waren ihre Feinde, bedeutete das etwas anderes für die Klaxxi? Sie streckte weitere Angreifer nieder, wie viele wusste sie nicht. Die Kriegerin war zu beschäftigt mit ihren Bewegungen und ihren Gedanken, die sie auszuschalten versuchte. Nicht Denken, nur reagieren. Aus den Augenwinkeln erkannte sie, wie sich ein paar Mantis zurückzogen. Sie flogen davon, doch es waren noch immer Angreifer übrig. Aber auch sie fielen unter ihren unerbittlichen Stößen und Hieben.   Plötzlich war es dann still um sie herum. Die unerbittliche Stille breitete sich über ihr aus und die Kriegerin rammte die Klinge in den Boden unter sich. Es fühlte sich grauenhaft an. Sie hatte sich so sehr auf den Kampf, ihre Bewegungen und ihre Feinde konzentriert, dass sie für den Augenblick des Kampfrausches ihre Unfähigkeit verdrängt hatte. Doch nun schalteten sich ihre Gedanken wieder ein und noch immer nicht wusste sie, warum sie nicht geflohen war, ja, gar nicht fliehen konnte. Der Windschnitter ging langsam auf sie zu und sah in Richtung des Palastes, dort wohin die Flieger verschwunden waren. »Der Kampf ist vorbei.«   »Ja.«, knurrte Struana gepresst und richtete sich leise keuchend wieder auf. Gedankenverloren starrte sie auf die gefallenen Mantis in ihrer Umgebung. Teilweise fehlten ihnen ganze Gliedmaßen, oder Blut strömte aus zu großen Wunden und besudelte den Boden. Sie spürte eine Übelkeit in sich aufsteigen, während sie überlegte, ob sich die Klaxxi von diesen Angreifern unterschieden. Warum waren sie so verschieden und doch so gleich?   »Gebt mir die Waffen.«, verlangte der Windschnitter und Struana verengte ihre Augen, ehe sie ihm widerwillig aber ohne Wiederworte die Bernklinge und die Axt übergab. Kil'ruk umklammerte die Waffen mit seinen Vorderbeinen und drückte sie gegen seinen Körper. Struana war immer noch zu verärgert über sich selbst, um den Grund zu hinterfragen, warum sie keine eigene Waffe haben konnte. »Wo ist der Getreue?«, fragte er. Die Worgen drehte sich zum Rand der Narbe und deutete auf den Hang. Der Getreue hatte die beiden die ganze Zeit über beobachtet. Nun erhob er sich auf die Beine und sah auf die beiden herab, als Kil'ruk mit seinen Flügeln schlug und auf ihn zuflog.   Struana sog die Luft scharf ein, ehe sie ebenfalls langsam zu dem Hang ging. Wer wusste, ob sie je wieder eine solche Möglichkeit zur Flucht bekommen würde? Wer wusste, ob sie - falls sich ihr noch einmal eine solche Möglichkeit bieten sollte - diese Chance auch wahrnehmen würde? Sie kletterte den Hang hinauf, als sie der Unterhaltung der beiden Getreuen bereits folgen konnte.   »Ich erkenne Euch. Ihr seid Malik der Unversehrte. Eure Taten wurden in meinem Schwarm geflüstert.«, krächzte der Windschnitter und betrachtete den erweckten Getreuen lange.   Der Unversehrte klickte gelassen mit seinen Kieferzangen. »Schön, dass meine Taten nicht vergessen wurden.«, erwiderte er tief und rasselnd, während er Kil'ruk betrachtete. »Doch kenne ich Euch nicht, Getreuer.«   »Ich bin Kil'ruk, der Windschnitter.«, stellte er sich vor, als Struana näher zu den beiden großen Mantis schritt. Sie betrachtete die beiden und erkannte, dass der Unversehrte etwas größer war als Kil'ruk. Außerdem war seine Rüstung stärker und massiver als die des Windschnitters. Seine Hellbarde wirkte schwer und unhandlich, fast so wie ihre ehemalige Stangenwaffe.   »Und Ihr seid?«, fragte Malik, während er seinen ruhigen Blick auf die Worgen heftete. Immer noch war da keine Abscheu oder Ekel zu erkennen, was Struana nach wie vor verwunderte. Kil'ruk hatte sie in den letzten Tagen nur allzu oft spüren lassen, wie sehr er sie verabscheute.   »Mein Name ist Struana, aber ich denke, er hat in Euren Reihen keinen Wert.«, erwiderte sie trocken. Es war fast so, als würde sie sich selbst nicht mehr darum kümmern, wie man sie behandelte. Warum fühlte sie sich nur so leer? So unglaublich unfähig, wie Kil'ruk sie immer beschrieb?   Zu ihrem Verblüffen nickte der Unversehrte nur ruhig. »Das ist richtig, aber Ihr tragt einen anderen Titel von mehr Wert, Erweckerin.«   Struana runzelte verwundert ihre Stirn, während Kil'ruk das Wort ergriff. »Wir waren nicht darauf vorbereitet, einen Getreuen zu finden. Ansonsten hätten wir Kyparit mitgebracht.«   Malik schüttelte nur langsam seinen Kopf. »Ich werde auf den Weg nach Klaxxi'vess etwas jagen, Windschnitter. Die ersten Schritte nach der Erweckung sind die schwersten, aber die wichtigsten.«, sprach er bedacht. »Die Erweckerin wird mir helfen, wieder zu Kräften zu kommen.«   Kil'ruk verengte seine Augen und warf einen abfälligen Blick auf Struana. Sie legte ihre Ohren an und starrte herausfordernd zurück. Sie wollte sich nicht so fühlen, als wenn der Windschnitter Recht hätte. »Nun gut.«, raunte er schließlich widerwillig und sah wieder Malik an. »Aber behaltet sie im Auge. Ansonsten wird sie Euch davonlaufen.«   Ein angenehmer Ausdruck legte sich auf Struanas Gesicht, während der Unversehrte amüsiert grunzte. »Ich denke, dass ich damit fertig werde, Windschnitter.«, entgegnete er scheinbar gelassen.   Kil'ruk wandte sich unschlüssig von dem Unversehrten ab. »Ich werde Eure Ankunft den Klaxxi mitteilen.«, krächzte er, ehe er Struana noch einmal in seinen Blick fasste und drohend mit den Kieferzangen klickte. Dann wurde die Luft um Struana herum aufgewirbelt und die Luft vom Summen seiner Flügel erfüllt, als er davonflog. Die Worgen schnaubte, als sie der kleiner werdenden Gestalt des Windschnitters nachsah. Sie konnte sich nicht erklären warum, aber auf einmal fühlte sie sich wieder in der Lage Kil'ruk die Stirn bieten zu können. Struana fühlte sich erleichtert und gleichzeitig angespannt, dass es sie förmlich in den Klauen juckte ihn herauszufordern.   »Er ist noch jung.«, raunte die rasselnde Stimme des Unversehrten, ehe er seine Hellbarde schulterte. »Er wird seinen Platz im Schwarm finden und Ihr solltet seine unbedachten Worte nicht allzu ernst nehmen, Erweckerin.« Struana legte ihren Kopf zur Seite und betrachtete Malik lange, während er seinen Hals in die Luft reckte. »Geht ein Stück mit mir, Erweckerin. Wir sollten bald etwas zum Jagen finden.«   Die Worgen blinzelte, als sich Malik einfach von ihr abwandte und langsam und noch immer etwas wackelig auf den Beinen losging. Sie folgte ihm und warf Malik einen nachdenklichen Seitenblick zu, als sie zu ihm aufgeholt hatte. Sie glaubte zu wissen, warum sie sich wieder gut fühlte. Dieser Getreue war anders, als alle anderen Mantis, die sie je getroffen hatte. »Warum seid Ihr so... freundlich?«, fragte Struana plötzlich. Ihre Ohren wurden heiß, denn sie wusste, wie dumm sich diese Frage wohl anhören musste. Vor allem, wenn sie Malik falsch einschätzte und er wie Kil'ruk gleich beginnen würde auf ihr herumzuhacken.   Der Unversehrte fasste sie lange in seinen Blick. »Freundlich?«, fragte er verblüfft, als hätte die Worgen etwas völlig Abwegiges gesagt.   Struana kam sich albern vor. Musste sie wirklich erklären, was sie meinte? Hatte Malik nicht mitbekommen, wie Kil'ruk sie alleine schon ansah? »Ihr habt eine furchtbare Auffassungsgabe, wenn Ihr glaubt, ich hätte Euch in Schutz genommen, Erweckerin.«, raunte Malik schließlich, während er weiterging. Sie hob ihren Kopf und sah ihn verwirrt an, während er weitersprach: »Der Windschnitter sucht seinen Platz im Schwarm und er wird ihn früher oder später auch finden. Aber was Euch angeht, Erweckerin, Ihr werdet nie zu diesem Schwarm gehören.«   »Wer sagt, dass ich zu diesem bescheuerten Schwarm gehören will?!«, fragte Struana entrüstet und knurrte leise.   Malik blieb weiterhin gelassen. »Ich habe Augen, Erweckerin. Ihr seid sehr leicht zu durchschauen. Ihr möchtet mit Respekt behandelt werden, doch habt Ihr nichts getan, um Euch diesen Respekt zu verdienen. Ihr möchtet, dass Euch Würde entgegengebracht wird, doch könnt Ihr keine Würde erwarten als Außenseiter.« Die Worgen war sprachlos. Warum erzählte ihr Malik dies? Als wäre es wirklich das, was sie wollte. Doch irgendwo hatte er sogar mit seiner Theorie recht. War sie etwa so einfach zu durchschauen?   »Doch auch, wenn Ihr eine Niedere seid, habt Ihr es geschafft, dass zumindest ich Euch etwas Würde entgegenbringe.«, ergänzte der Getreue und Struana sah zu ihm auf. »Wie das?«, fragte sie leise. Der Unversehrte sah wieder nach vorne und wirkte kurz in Gedanken versunken. »Ihr habt mich von dem Einfluss geläutert, dem ich ausgeliefert war. Die Energie, die in meinen Bernschlummer eingedrungen ist. Ich hatte merkwürdige, verwirrte Gedanken und war nicht mehr in der Lage den Klaxxi zu antworten. Das hat sich geändert, als Ihr mich erweckt habt, rechtzeitig.«   Struana zuckte mit ihren Ohren und sah zu Boden. Also hatte sie - ohne es beabsichtigt zu haben - Malik einen Gefallen getan? Ihm geholfen? Und deswegen unterhielt er sich auch relativ normal mit ihr. Sehr langsam glaubte sie zu verstehen. »Mein Geist war verwirrt, vielleicht ist das der Grund, weshalb mich die Klaxxi bisher nicht gefunden hatten.«   »Aber sie haben Euch gefunden.«, erwiderte Struana und folgte Malik auf den Fuß. »Als ich den Resonanzkristall in den Turm einsetzte um das Signal zu manipulieren, habe ich die Stimme eines Mantis gehört. Er ist in meinen Verstand eingedrungen und hat mir gesagt, dass sich ein Getreuer in den Gelegen aufhält. Deswegen habe ich Euch überhaupt gefunden, Malik. Also haben die Klaxxi Euch gehört.« Die Kriegerin hielt es nicht für erwähnenswert, dass die vibrierende Stimmgabel in ihrer Gürteltasche ihr bereits den Ersten Hinweis dafür gegeben hatte. Denn auf einmal waren ihre Gedanken wegen der Flucht wie weggeblasen.   Der Unversehrte blieb stehen und funkelte Struana skeptisch an. »Das ist leider unmöglich, Erweckerin. Ich habe nicht zu den Klaxxi gesprochen, sondern zu jemand völlig anderen. Außerdem sind die Klaxxi nicht in der Lage in den Verstand anderer Kreaturen einzudringen und zu ihnen zu sprechen. Sie kommunizieren mit den Getreuen, indem sie Sonarwellen aussenden, die wir beantworten können.«   »Aber wer hat mir dann gesagt, dass Ihr in der Nähe seid?«, fragte Struana verwirrt und starrte zu ihm auf. »Ich bin mir völlig sicher, dass es ein Mantis war, den ich gehört habe.«   Malik sog die Luft tief ein, während seine Kieferzangen leise klickten. »Ich kann Euch dies leider nicht beantworten, Erweckerin.«, sprach er schließlich rau. Struana legte ihre Ohren an und unterdrückte ein frustriertes Seufzen, während sie ihren Blick senkte. »Aber wer auch immer es war, ich bin demjenigen sehr dankbar. Und ich bin Euch dankbar, Erweckerin.«   Die Worgen blinzelte und sah wieder zu Malik auf, während er seine Hellbarde, die er bis eben noch geschultert hatte, in die Klauen nahm. Sie fühlte sich so beflügelt in diesem Augenblick. Malik war ihr dankbar. Ihr, einer in seinen Augen wertlosen, Niederen Kreatur. War das diese Würde, die er ihr entgegenbrachte? »Die Jagd beginnt.«, murmelte er, während Struana seinem Blick nach einigen Herzschlägen folgte. Sie verzog ihr Gesicht, als sie einen Panther erkannte, der durch das Unterholz nicht weit von ihnen entfernt streifte.   »Das ist nicht Euer Ernst, oder?«, fragte sie zweifelnd, als Malik ein weiteres Mal die Luft überprüfte, die direkt von ihrem Rücken kam. Der Panther musste auf die beiden schnell aufmerksam geworden sein.   »Doch.«, sprach er und sah die Worgen verständnislos an. »Das Muskelgewebe der Raubkatzen ist sehr nahrhaft und wird mir schnell meine ehemalige Stärke zurückgeben. Wusstet Ihr das nicht?«   Die Kriegerin verzog noch einmal ihr Gesicht. Die Raubkatze verließ ihr Versteck und pirschte um die beiden herum. Die runden Augen waren gierig auf die beiden gerichtet, während der Schweif ruhig hin und her schlug. Fauchend entblößte der Panther sein Gebiss und machte sich zum Sprung bereit. Das Tier glaubte tatsächlich, dass es die Rolle des Jägers hatte.     *****     Der Windschnitter drehte sich gerade von dem Bernschmied ab, ehe er eine weitere Frage über die Beschaffenheit der Waffe stellen konnte, die er ihm gebracht hatte. »Nun, sie werden wohl ausreichen.«, zirpte der Bernschmied, als er die Bernklinge betrachtete und über diese strich. »... müssen.«   »Ja, das werden sie.«, knurrte der Windschnitter und stampfte davon. Er war nicht in der Stimmung, eine Unterhaltung zu führen, mochte sie noch so belanglos sein, wie das Wetter. Rastlos blickte er zu der Stelle, an der die Niedere Kreatur an dem Kypari gekettet gewesen war. Seiner Meinung nach sollte sie auch jetzt genau dort sein und nicht die Möglichkeit bekommen zu fliehen.   Kil'ruk ließ sich die Momente des Kampfes noch einmal durch den Kopf gehen. Auch wenn es ihm - und zu seinem Erstaunen auch der Fremden - gelungen war die Angreifer niederzustrecken, waren sie zu vorbereitet gewesen. Ein zufälliger Angriff, eine Patrouille konnte er ausschließen. Dieser Angriff war geplant und gezielt gegen ihn gewesen. Ansonsten hätten die Wachen der Kaiserin keinen Grund gehabt Seile und sogar Netze dabei zu haben, die sie nach ihm werfen konnten. Es musste eine Falle gewesen sein, welche die Kaiserin gestellt hatte. Das Störungssignal war der Anlass gewesen um ihn, den Windschnitter, herauszulocken. Vermutlich hatte sie angenommen, dass er alleine kommen würde, oder einen der Ingenieure mitnehmen würde um die Störung aufzuheben. Doch es brauchte mehr um einen Getreuen zu überwältigen, auch wenn die Erweckerin eine große Hilfe gewesen war.   Ein grässlicher, harter Kloß zog sich in Kil'ruks Magen zusammen und er schüttelte seinen Kopf heftig um nicht an die Niedere Kreatur denken zu müssen. Doch es klappte nicht. Sie hatte die Verderbnis aus dem Unversehrten reinigen können und hatte den Klaxxi damit einen weiteren Getreuen geschenkt. Außerdem hatte sie sich als eine wertvolle Verbündete im Kampf erwiesen. Auch wenn sie ziemlich ziellos um sich geschlagen hatte, es hatte seine Wirkung gezeigt. Immerhin waren ihre Gegner umgefallen, mehr oder weniger tot. Die animalische Wut, gebündelt mit dem taktischen Verständnis, ihre Art zu kämpfen war einzigartig und doch war es nur ein Rohdiamant, der geschliffen werden musste.   Kil'ruk spuckte aus. Nein, musste er nicht. Eine Niedere Kreatur konnte nicht geschliffen werden. Sie waren zu dumm um etwas zu erlernen. Doch nicht zu dumm, um zu entkommen. Gerade jetzt war sie mit dem Unversehrten unterwegs und der Windschnitter konnte nur hoffen, dass der Getreue sie im Zaum halten konnte. Bestimmt versuchte die Weiche zu fliehen, doch selbst, wenn es ihr - wie durch ein Wunder - gelingen sollte, er würde sie schon wieder zurückholen. Selbst wenn er über die Mauer in das goldene Tal der Pandaren fliegen musste, um sie zu finden. Er würde sie wieder zurück nach Klaxxi'vess bringen.   Kil'ruk sah über die Plattform und blieb an dem großen Signalgeber stehen, um dem die Klaxxi'va verteilt standen und abwechselnd mit Kor'ik, dem Ingenieur sprachen. Würdevoll schritt er zu ihnen hinüber und erkannte, dass es ihnen erstaunlich gut gelang, den Signalgeber mit ausreichend Bernmagie zu füllen. Selbst jetzt, als die Sonarwellen noch nicht ausgesandt wurden, konnte er die sensiblen Schwingungen spüren, die von ihm ausgingen.   »Windschnitter.«, hörte er die tiefe, raue Stimme von seiner Seite und er wandte seinen Blick von dem Signalgeber ab. Der größte der Klaxxi'va, Ik, hatte ihn in seinen Blick gefasst und sah ihn verwundert an. »Wo ist die Erweckerin?«   Kil'ruk zuckte mit seinen Fühlern und neigte knapp seinen Oberkörper, ehe er antwortete: »Sie hilft dem Unversehrten wieder zu Kräften zu kommen.«   Klaxxi'va Ik neigte seinen Kopf nachdenklich und sein Blick bohrte sich fast durch ihn hindurch. »Wir hörten von seiner Erweckung.« Unruhig zuckte Kil'ruk mit seinen Fühlern und sah zu dem Priester auf. Er wollte noch etwas erwähnen, was er nach mehreren verstrichenen Momenten auch tat. »Woher wusste sie, dass er sich in der Nähe der Gelege aufhielt?«   Der Windschnitter öffnete seinen Mund, schloss ihn aber dann wieder und klickte fast wie beiläufig mit seinen Kieferzangen sachte gegeneinander. Wie einfach wäre es gewesen, wenn er gesagt hätte, es wäre die Stimmgabel gewesen, was auch teilweise stimmte. Aber er erinnerte sich daran, dass dies nicht der einzige Hinweis war, den die Erweckerin - die Niedere - bekommen hatte. »Mit Verlaub, Klaxxi'va.«, begann er und richtete sich wieder auf. »Wart Ihr es nicht, die Ihr dies zuflüsterten?« Er wusste, dass diese Frage vermutlich überflüssig war, doch war es nicht so gewesen?   Der Älteste blinzelte ungleichmäßig mit seinen runden Käferaugen und schüttelte langsam seinen großen Kopf. Der große Kragen an seinem Hinterkopf bewegte sich mit. »Wir sprechen nicht mit Niederen Kreaturen, Windschnitter.«   »Natürlich.«, sprach Kil'ruk und verneigte sich tief vor dem Klaxxi'va. »Dann muss es die Stimmgabel gewesen sein, die ihr zuflüsterte.«   »So muss es gewesen sein.«, krächzte Klaxxi'va Ik und drehte sich dann wieder dem Signalgeber zu und betrachtete die Bernsteinförmige Säulenspitze nachdenklich. Dann hob er seine klauenartige Hand und füllte das Gefäß der Säule mit mehr Bernenergie.   Der Windschnitter beobachtete ihn für einige Herzschläge, dann stieß er sich kräftig vom Boden ab und flog in die Luft. Seine Gedanken kreisten merkwürdig schwer in seinem Kopf herum. Nachdenklich fasste er einen Schwarm der leuchtenden Saftfliegen in seinen Blick, ehe er schnell hindurch flog und sich eine der Delikatessen in der Luft fing. Genussvoll verschlang er diese, nachdem er sich auf einen Zweig des gewundenen Kyparis gehockt hatte und starrte ungeduldig auf den Eingang von Klaxxi'vess. Auch wenn er es nicht zugeben würde, aber er sehnte die Ankunft der Erweckerin herbei, damit sie ihm Antworten geben konnte.     *****     Struana seufzte tief, als sie den großen Baum von Klaxxi'vess wieder erkannte. Nachdem Malik und sie - ihren Teil hatte sie über einem mageren Feuer gebraten - etwas gegessen hatten, waren sie sofort nach Klaxxi'vess zurückgekerht. Die Worgen hatte ihn aufgeklärt, dass für die Veränderung der Umgebung das Sha verantwortlich war. Sie hatte ihm einiges darüber erzählt, auch, dass es in die Lebewesen schlüpfen konnte und diese manipulieren konnte. Merkwürdigerweise war der Getreue merkwürdig ruhig gewesen und hatte ihr gelauscht, fast so als würde er ihr wirklich zuhören.   Auch das Dilemma, warum sie die Erweckerin war und kein ehrwürdiger Klaxxi'va, hatte Struana ihm erklärt. Sie versuchte nicht mehr zu verstehen, warum Malik dies so einfach hinnahm, während hingegen Kil'ruk regelmäßig aus seinem Panzer zu fahren schien. Immerhin hatte sie dem Windschnitter wirklich das Leben gerettet, bei dem Kampf gegen die Sha besessenen Schwarmgeborenen und er brachte ihr keine Würde entgegen.   »Wisst Ihr, warum man uns erweckt?«, fragte Malik, während sie den Hügel herauf schritten, um immer näher zu der heiligen Stätte der Klaxxi zu gelangen.   Struana schüttelte ihren Kopf. »Kil'ruk sagte, dass Niedere Kreaturen die größeren Pläne der Klaxxi nicht verstehen würden.« Sie verzog genervt ihr Gesicht und machte eine abwertende Bewegung mit ihrer Pranke. »Er sagte nur, dass wir den selben Feind hätten.«   Der Unversehrte raunte tief und amüsiert. »Damit hat er vielleicht nicht ganz unrecht.«, sprach er beschwichtigend. »Es bestand noch nie die Notwendigkeit, dass ein Außenstehender in die Pläne der Klaxxi eingeweiht werden mussten. Ich bezweifle, dass Ihr unsere Existenz auch nur ansatzweise versteht.«   Struana runzelte ihre Stirn und sah auf ihren Weg herab. »Naja, das Leben ist merkwürdig, nicht wahr?«, scherzte sie und seufzte. »Na, es gibt Euch, die Klaxxi, um die Kaiserin zu stürzen, wenn sie irgendetwas machen sollte, womit sie das Kaiserreich bedroht.«, murmelte sie kleinlaut und hob ihren Kopf daraufhin wieder. Malik raunte leise, doch es war ihr auch nicht wichtig, ob sie richtig lag oder falsch. »Es ist nicht die Kaiserin, sondern das Sha, dass hier alles manipuliert.«   »Das mag sein.«, erwiderte Malik. »Doch wer sendet die Schwarmgeborenen frühzeitig auf die Mauer aus? Wer hat den Angriff auf den Windschnitter und Euch inszeniert? Dieses Sha hat keinen Einfluss auf unsere Gesellschaft.«   Struana verengte ihre Augen. »Dann muss es die Kaiserin sein, die von dem Sha befallen ist und kontrolliert wird.«   Malik neigte seinen Kopf. »Alles deutet darauf hin. Dass die Schwarmgeborenen zu früh angreifen bedeutet, dass sie noch zu jung sind und sich von diesen Schatten nähren. Der Zyklus ist in Gefahr und das ist das Schlimmste, was heraufbeschworen werden kann.«   »Welcher Zyklus?«, fragte Struana schnaubend und sah zu den Steinsäulen von Klaxxi'vess auf. Sie wusste, dass sie nicht mehr viel Zeit hatte um an Informationen heranzukommen, die sie auch verstehen konnte. »Meint Ihr, diese einhundert Jahre die vergehen müssen, damit die Schwarmgeborenen angreifen?«   »Ihr habt eine merkwürdige Ausdrucksweise, aber ja, das meine ich.«, entgegnete Malik, als sie bereits auf dem Pfad gingen, der zu der heiligen Stätte hinaufführte. »Der Zyklus ist alles, was uns Mantis ausmacht. Was unser Reich von den anderen unterscheidet. Sollte er durcheinander geraten, wird unsere Kultur sterben. Ihr könnt nicht verstehen, warum wir die Mauer Zyklus für Zyklus stürmen und unsere Schwarmgeborenen in den Kampf gegen die Pandaren schicken. Doch bei uns Mantis ist der Zyklus und seine Bedeutung seit unserer Geburt an in uns verwurzelt. Wir werden mit dem Wissen an ihm geboren und doch werden nur wenige über seine Bedeutung aufgeklärt. Die Klaxxi hüten den Zyklus und achten darauf, dass er fortwährend bestehen bleibt. Durch sie wird unsere Kultur weiter fortbestehen. Der Zyklus ist ewig, ebenso wie wir.«   Struana seufzte leise. Das Gerede über diesen Zyklus brachte sie nicht wirklich weiter und so wie es sich angehört hatte, würde Malik ihr nicht die hiesige Bedeutung des Zyklus erklären. »Aber wie kann man den Schwarm aufhalten?«, fragte sie und sah den Getreuen hoffnungsvoll an. Vielleicht würde er ihr immerhin diese Frage beantworten. Diese verdammte Frage, die sie erst in dieses ganze Chaos geworfen hatte.   Malik schwieg für mehrere Sekunden, während sie die beiden Steinsäulen nach Klaxxi'vess passierten. »Es gibt zwei Möglichkeiten, doch keine von beiden kann ich Euch verraten, Erweckerin.«, antwortete er und sah sie nachdenklich an. Struana wollte gerade zu einer anderen Frage ansetzen, eine die er ihr vielleicht auch beantworten konnte, doch da sprach der Getreue weiter: »Ich habe Euch heute kämpfen gesehen. Versteht Ihr Euer Handwerk gut?«   Struana blinzelte ihn unvorbereitet an. »Natürlich.«, sagte sie etwas zu schnell und hob ihre Lefzen, wobei sie ihre Reißzähne entblößte. »Viele Eurer Art sind bereits durch meine Waffe gefallen.«   Malik funkelte die Worgen unbeeindruckt an. »Ihr tragt keine Waffe.«, stellte er zerschmetternd klar.   »Ich habe meine Waffe verloren, als mich der Windschnitter hierher entführt hat.«, murrte die Kriegerin. Ihr Blick flog prüfend über die Plattform. Sie hielt Ausschau nach Kil'ruk und erwartete fast, dass er sich direkt auf sie stürzen würde und sie wegen dieser Beleidigung an den Kypari ketten würde.   »Welche Waffe habt Ihr getragen?«, fragte der Getreue beiläufig weiter, als würden sie sich über das schlechte Wetter in der Schreckensöde unterhalten. Überhaupt, dass sie sich mit einem Mantis unterhielt, war an sich schon absurd. Dennoch schnippte sie mit ihren Ohren. »Eine lange Stangenwaffe mit einer zweischneidigen Klinge am Kopf. Massiv und schwer. Etwas unhandlich, aber ich konnte mit ihr gut umgehen.«   »Was ist mit Eurem Kiefer? Euren Klauen?«, fragte der Unversehrte weiter und funkelte auf sie herab.   Die Kriegerin hob ihre Klauen und betrachtete diese. »Sie sind nützlich.«, gab sie schließlich zu und hob ihren Blick wieder zu seinem. »Aber Schwach im Vergleich zu Stahl. Ich komme mit ihnen nicht durch das Chitin eines Mantiden.«   Malik klickte amüsiert mit seinen Kieferzangen. »Beweist mir, dass Ihr mit ihnen auch umgehen könnt.«, raunte er und hob die breite Hellbarde von seiner Schulter. »Versucht mich zu treffen.«   Struana runzelte ihre Stirn und legte ihre Ohren verblüfft an. »Ich soll was?«, fragte sie perplex, als der Unversehrte seine Waffe auf sie niedersausen ließ. Sie wich geschickt zur Seite aus und blinzelte verwirrt. »Versuchen mich zu treffen.«, raunte er und hob seine massive Waffe erneut in die Luft.   Die Kriegerin hob ihre Lefzen, als sie sich unter einem weiteren Hieb duckte. Sie sprang vor und versuchte Malik ihre Pranke über seine Seite zu ziehen, doch er wehrte sie mit seiner Waffe ab. Die Worgen sprang auf Abstand, während Malik ihr nachsetzte. Er schwang seine Hellbarde und Struana versuchte die Waffe mit ihrer Pranke umzulenken. Es klirrte und ein unnatürlicher Druck blieb in ihrer Pranke zurück, als sie gegen das harte Kyparit schlug, doch es funktionierte. Sie versuchte in seinen Arm zu beißen, doch Malik war zu flink. Erneut hob er seine Waffe über sie und Struana war bereit den Schlag ebenso abzuwehren.   »Was macht Ihr da?«, kreischte eine erboste, rasselnde Stimme, ehe die Hellbarde von dem Dolch geblockt wurde und der klirrende Ton die Luft erfüllte. Kil'ruk stieß Maliks Waffe ungewöhnlich leicht zurück und Struana erkannte, dass der Getreue nicht seine ganze Kraft gegen sie eingesetzt hatte. »Sie wird noch gebraucht!«, murrte der Windschnitter grimmig und fixierte Malik mit klackernden Kieferzangen.   Der Unversehrte schulterte unbeeindruckt seine Hellbarde und funkelte den Windschnitter an. »Ich habe sie getestet.«   »Getestet?!«, spie Kil'ruk verächtlich zischend aus und klickte hart mit seinen Kieferzangen. »Wofür? Sie wird nicht im Kampf gebraucht! Sie-...«   »Hat heute gekämpft, Windschnitter.«, schnitt Malik ihm das Wort ab und betrachtete ihn gelassen. »Soweit ich das einschätzen konnte, hat sie Euren Chitinpanzer vor einigen Klingenhieben gerettet. Sie hat gut gekämpft und sie würde noch besser kämpfen, wenn man sich um sie kümmern würde.«   Kil'ruk wich einen Schritt zurück, als hätte Malik ihm eine Ohrfeige verpasst. Struana konnte förmlich spüren, wie in ihm die Wut hochkochte. Zornig funkelte er Malik an, doch er schien wie verstummt. Lediglich seine Kieferzangen klickten mehrere Male hintereinander.   »Ich werde sie trainieren, Windschnitter.«, fuhr Malik geduldig fort, als würde er den Zorn des Getreuen nicht bemerken. »Sie wird uns nicht von Nutzen sein, wenn sie sich nicht wehren kann und deswegen stirbt.«   Struana hielt es für das Beste, wenn sie nicht einwarf, dass sie sich sehr wohl wehren konnte, als ein weiteres Zischen Kil'ruks Kehle verließ. Er funkelte Malik an, dass sie glaubte, er würde ihn jeden Moment angreifen wollen. «Die Klaxxi werden dies nicht zulassen.«, rasselte er dumpf.   »Die Klaxxi'va werden sie nicht trainieren, Windschnitter.«, stellte Malik zerschmetternd klar. Strauana stellte sich das Nackenfell inzwischen auf. Sie spürte den Zorn von Kil'ruk in Wellen von ihm ausgehen. Mit einem weiteren erbosten und lauten Zischen drehte er sich von ihnen weg, stieß sich vom Boden ab und entschwand in der Luft. Die Worgen blinzelte ihm fast schon entsetzt nach, während der Unversehrte zufrieden grunzte. »Er sollte wissen, wo sein Platz ist.«   Struana starrte Malik teils entsetzt, teils interessiert an. Sie wollte wissen, wie ihr Training wohl aussehen würde, allerdings wollte sie lieber nicht herausfinden, in welcher Form Kil'ruk seine Wut am besten an ihr auslassen konnte. Diese Szene war so belustigend, wie erschreckend gewesen. Der Getreue ging gemächlich an ihr vorbei. »Ihr werdet hier warten, während ich mit den Klaxxi'va spreche.«, ordnete er an und sah sie über die Schulter lange an. »Ihr habt doch nicht etwa vor, davonzulaufen, oder? Ansonsten müsste ich den Windschnitter zu Euch schicken.«   Es war als hätte der Unversehrte einen Nerv in der Worgen getroffen - was er zweifelsfrei beabsichtigt hatte - und sie richtete ihre Ohren wachsam auf. Sie grinste gezwungen. »Das wird nicht nötig sein.«, sprach sie schnell, während sich Malik zufrieden umdrehte und zu den riesigen Mantiden in der Mitte des Signalgebers ging. Struana fiel es schwer, sich wieder zu entspannen, hektisch sah sie in die Luft, aber sie wusste - oder hoffte - dass Kil'ruk zumindest für den Augenblick Ruhe geben würde. Sie konnte sich nicht helfen, aber sie hatte so etwas wie eine Respektsperson in den Reihen der Mantis gefunden. Einerseits war sie froh über diese Entwicklung der Ereignisse und hoffte, dass ihr weiterer Aufenthalt in Klaxxi'vess nicht mehr so gehetzt und so angespannt verlaufen würde. Andererseits musste sie innehalten und sich fragen, wohin sie das alles noch führen sollte.     *****     Geduckt schlich die Gestalt über die Terrasse von Gurthan und behielt dabei den buschigen, braunen Schweif seiner Gefährtin genau im Auge. Bei jedem Schritt wippte ein Stück seiner Kettenrüstung mit und klimperte leise unter seinem Umhang. In seiner Hand trug er eine sehr unhandliche und sperrige Stangenwaffe, die er nicht weit von einem Kypari entfernt gefunden hatte. Nymeria hatte die Witterung aufgenommen und lief nun zielstrebig in eine Richtig, während Weramor ihr folgte. Kurz blieb das Tier stehen, um auf dem lehmigen Boden zu schnüffeln, doch dann stellte sie ihre Ohren auf und huschte weiter.   Der Jäger hatte außer der Waffe noch die Leiber von drei toten Mantis gefunden, die zwischen den stämmigen Wurzeln des kranken Kyparis gelegen hatten. Es war unschwer zu erkennen gewesen, dass sie mit dieser Waffe niedergestreckt worden waren. Zumindest ließen die Wunden der drei Insekten darauf schließen und mit der entsprechenden Kraft konnte das zweischneidige Blatt wahrlich einen riesigen Schnitt reißen. Aus den Spuren zwischen den Wurzeln war er allerdings nicht schlau geworden, da sie kaum noch zu lesen gewesen waren. Also musste er den Weg der unbekannten Worgen zurückverfolgen, von der Tensho überzeugt war, dass sie noch lebte.   Wenige Stunden in der Schreckensöde hatten für ihn ausgereicht um die Lage in diesem Land einzuschätzen. Die Verderbnis des Shas in der Schreckensöde war so gravierend fortgeschritten, dass es noch nicht einmal weiterer Recherchen bedarf. Die abscheulichen Veränderungen, auf die er Zweifelsohne weiter im Landesinnere treffen würde, musste er nicht sehen. Die Erde unter ihm pulsierte vor der Essenz des Sha und die Pflanzen und Bäume würden sich wohl nie mehr vor seinem Einfluss erholen. Je weiter er ging, desto schlimmer wurde diese Verderbnis, die das Land in ihrem Griff hielt. Sie war nicht mehr einzugrenzen und nur sehr mächtige Druiden könnten sich der Herausforderung stellen, dieses Land doch noch zu Heilen. Doch er selbst würde nicht sehr viel dazu beitragen können. Außerdem hatte er nicht die Zeit dafür.   Nymeria führte Weramor zu einem sumpfigen Moorland, ehe sie eine Böschung hinauf huschte und aus seiner Sicht verschwand. Schwanzwedelnd wartete die dunkelbraune Füchsin am Hang und starrte mit ihren eisblauen Augen erwartungsvoll zurück auf ihn. Die Stangenwaffe als Stütze nutzend, stieg er die Anhöhe hinauf und atmete tief durch. Am liebsten hätte er die unhandliche Waffe einfach liegen gelassen, doch er hatte sich vorgenommen sie Tensho mit einer Nachricht zukommen zu lassen. Er wollte sich nicht nachsagen lassen, dass er es nicht wenigstens versucht hätte, nach dieser Worgen zu suchen.   Die Füchsin rannte weiter zu einer Höhle und verschwand in ihrem Inneren. Der Nachtelf folgte ihr, während er sich wachsam umsah. Auf dem Höhlenboden lagen zwei weitere, tote Mantis, viel größere als die drei Exemplare an den Wurzeln des Kyparis. Die Höhle war stickig und an den Leibern taten sich bereits Insekten und Würmer gut.   Mit gerümpfter Nase kniete sich der Jäger zu dem ersten Mantis nieder, der näher am Höhleneingang lag und untersuchte die Wunden. Aufgescheuchte Fliegen stoben auseinander, als er sich vorbeugte. Die Verletzungen wurden ebenfalls von der breiten Waffe verursacht. Diese Worgen hatte einen sehr bestialischen Kampfstiel, so vermutete er, als er die tiefe, klaffende Wunde an der Seite des harten Chitinpanzers betrachtete.   Weramor erhob sich und widmete sich nun dem zweiten Mantiden, dessen Leib am Rand des Höhlenboden lag. Doch als er seine Wunden betrachten wollte, musste er stutzen. Keine Waffe hatte ihn getötet, oder auch nur berührt und trotzdem war der Mantis - der eine erstaunliche Größe hatte - gestorben. Er hob den Kopf des Insektoiden mit der Stangenwaffe an, wobei einige Würmer aus dessen Kiefer zuckten. Anscheinend hatte er innere Verletzungen gehabt, doch wodurch waren sie hervorgerufen worden? Ein Zauber? Ein Fluch?   Nachdenklich betrachtete der Nachtelf die große Stangenwaffe in seiner Hand und schwang sie probeweise einige Male in der Luft. Jemand, der eine solche Waffe schwang, machte sich nicht die Mühe um irgendwelche schwierigen Zauber zu wirken. War die Worgen vielleicht nicht alleine gewesen? Weramor versuchte zu ergründen, was in dieser Höhle vorgefallen war und ging noch einmal zu dem ersten Mantiden zurück. Wieder beugte er sich über ihn und wieder stoben die Fliegen auf, weswegen er kurz husten musste.   Gestorben war er an der Wunde an seiner Seite, dies stand außer Frage. Doch warum waren überhaupt zwei so große, ungewöhnlich gekleidete Mantis dem Schlangenrücken so nahe gekommen? Hatte die Worgen sie vielleicht hierher getrieben? Doch das machte keinen Sinn. Bestimmt war sie doch nicht größenwahnsinnig gewesen um sich jeder Herausforderung zu stellen, die sich ihr bot, oder? Gedankenverloren zeichnete er in der Luft über der Wunde den Schnitt nach und seufzte. Dann sah er einen spitzen Dolch in dem klauenartigen Greifer des Mantiden liegen, den er fest umklammert hielt.   Der Dolch war aus Kyparit. Eigentlich war dies nichts besonderes für eine Waffe eines Mantis, allerdings gewann etwas anderes seine Aufmerksamkeit. Der Nachtelf zog den Dolch aus den toten Klauen und betrachtete ihn interessiert. Winzige Runen waren in dem Klingenschaft eingegossen und die Waffe wirkte eher edel als tödlich. Schließlich stand er auf und entfernte sich einige Schritte von dem Leichnam. Nachdenklich betrachtete er die Positionen, in denen beide Mantiden gestorben waren. Beide waren dem Eingang zugeneigt gewesen, ehe sie starben. Doch trägt nur einer der beiden die tödlichen Wunden von der massiven Stangenwaffe. Der Nachtelf runzelte die Stirn. Konnte es sein, dass die Mantis gegeneinander gekämpft hatten?   Der Ritualdolch ließ Freiraum für einen solche Gedanken. Eine solche Waffe konnte seine Gegner nicht unbedingt verletzen, die Klinge war zu kurz um wirklichen Schaden anzurichten. Außerdem war sie frei von Blut und anderen Schäden. Aber er könnte verwendet worden sein um Energien zu kanalisieren. Bernmagie? War sie zu solchen Verletzungen überhaupt im Stande, denen der größere Mantis erlegen war?   Weramor ließ den Ritualdolch in seine Tasche gleiten und verließ die Höhle mit den beiden toten Mantiden. Auch wenn er selbst damit nichts anfangen konnte, wusste er, wer es konnte. Man konnte herausfinden, wofür der Dolch einmal gebraucht worden war. Der Nachtelf schüttelte gedankenverloren seinen Kopf, ehe er in den schwarzen Himmel über sich blickte. Er hatte noch immer nicht herausgefunden, wohin die Worgen spurlos verschwunden war und warum sie nicht zurück zur Mauer kam. Vielleicht war sie doch nicht so treu gewesen, wie Tensho angenommen hatte.   Ein dumpfer Stich machte sich in seiner Brust bemerkbar und er musste schlucken. Leise pfiff er nach Nymeria und lief stur die Mauer nach unten, Richtung Süden. Einerseits war er froh, dass es nicht nötig, war mehr von der Schreckensöde zu sehen, um einen fassenden Bericht abzuliefern, doch andererseits fragte er sich, wie es um seine eigene Loyalität stand.   Er hatte genug Zeit bis man ihn zurückerwartete. Wenn er sich sputete, würde er die Krasarangwildnis noch vor der Dämmerung erreichen. Er war sich bewusst, dass er den ganzen Weg in der Schreckensöde zurücklegen musste, doch er war bewaffnet und wusste sehr genau, wie man sich in den Schatten bewegen musste. Wann würde er eine weitere Gelegenheit erhalten um ihrer Bitte in dem Brief nachzukommen? Er hatte es ohnehin schon viel zu lang hinausgezögert und es war besser, wenn er es jetzt hinter sich bringen würde. Mit diesen Gedanken beschleunigte er sein Tempo, als ihn die Dunkelheit der Schreckensöde förmlich verschlang.     *****     Der Windschnitter klickte frustriert mit seinen Kieferzangen gegeneinander und rieb seine Vorderbeine zusammen, ehe er sie wieder unruhig hinter seinen Unterleib zurückzog. Er kauerte auf dem höchsten Wurzelknoten des Kyparis, der Klaxxi'vess umgab und starrte zu dem Unversehrten und der Erweckerin herab. Sie unterhielten sich miteinander und Kil'ruk ertappte sich dabei, wie er sie selbst teilweise interessiert und teilweise abstoßend beobachtete. Der Getreue drehte sich schließlich um und ging zur Schmiede, während sich die Niedere geduckt umsah.   Kil'ruk fragte sich erst gar nicht, was der Unversehrte vor hatte. Er konnte ihn ohnehin nicht verstehen, oder gar nachvollziehen. Warum wollte er sie trainieren? Und vor allem, wie wollte er sie trainieren? Ein Fleischling wie diese wertlose Kreatur könnte keinem wahren Hieb des Getreuen standhalten. Er hatte sie nicht getestet, er hatte mit ihr gespielt, als wäre sie eine zerbrechliche Wabe. Doch der weiche Körper war auch zerbrechlich und nutzlos. Kil'ruk zischelte leise, während er daran dachte, wie einfach es gewesen wäre, sie noch auf der Terrasse von Gurthan zu töten. Er hätte ihr einfach seine Vorderbeine in den weichen Leib rammen können, als sie ihm den Rücken zugedreht hatte. Doch hätte er zu diesem Zeitpunkt töten können? Er klickte hart mit seinen Kieferzangen gegeneinander und spreizte seine Flügel geräuschlos. Ein ekelerregendes Übelkeitsgefühl stieg in ihm auf, als er daran dachte, was vorher auf der Terrasse geschehen war und ihm wurde schlecht.   Langsam schritt die Erweckerin zum Fuß des Kyparis, nachdem sie sich noch mehrere Momente lang in der heiligen Stätte umgesehen hatte. Es war aber nicht die Stelle wo sie hingehörte. Sie ging weiter außerhalb an den Wurzeln entlang. Kil'ruk verengte seine Augen, als er gerade mit den Flügeln schlagen wollte um zu ihr herunterzufliegen. Die Niedere musste angekettet werden. Sie musste nicht glauben, dass sie nun anders behandelt werden würde, nur, weil der Unversehrte auf die schwachsinnige Idee gekommen war, sie zu trainieren. Sinnlos. Doch plötzlich hielt er inne und entspannte seine Flügel wieder, als eine Stimme in seinen Geist eindrang. »Kettet die Erweckerin heute nicht fest, Windschnitter. Der Unversehrte hat sie unter Kontrolle. Sie wird nicht fliehen.«   Der Windschnitter hob langsam seinen Kopf und sah in die Augen von Klaxxi'va Vor, der ihn seinerseits beobachtete. Kil'ruk neigte seinen behelmten Kopf, als sich der Klaxxi'va umdrehte und wieder in die Mitte der Plattform zu dem Signalgeber schritt.   Wieder knotete Frustration seine Kehle zu und er starrte mit verengten Augen nach unten zu den Wurzeln des Kypari. Die Niedere Kreatur lehnte sich gegen die Rinde und sah sich aufmerksam um. Ein letztes Mal klickte der Windschnitter mit seinen Kieferzangen gegeneinander, ehe er nach unten sprang und sich fallen ließ. Der Wind rauschte an ihm vorbei, ehe er sachte mit seinen Flügeln schlug und so seinen Fall abbremste. Geräuschlos landete er auf einer knotigen Wurzel direkt über der Außenseiterin und kauerte sich über sie. Sie hatte ihn noch nicht bemerkt und er konnte sich zumindest die kleine Schadenfreude nicht verkneifen, als er sie ansprach: »Erweckerin.«   Die Niedere Kreatur drehte sich komplett um und sah ihn überrascht an, ehe sie ihre Augen verengte und ihre Reißzähne entblößte. Wollte sie ihm damit etwa Angst machen? Lächerlich. »Was wollt Ihr, Kil'ruk?«, blaffte sie ihn knurrend an. »Wollt Ihr mich etwa wieder anketten?«   Der Windschnitter starrte sie noch immer aus verengten Augen heraus an. »Ihr wisst nicht, wie gerne ich das täte.«, krächzte er und genoss für einen kurzen Augenblick den Zorn in ihren Augen, ehe der Ausdruck Verwirrung wich. Ehe sie fragen konnte, sprach er weiter: »Die Klaxxi sind der Annahme, dass Ihr durch den Unversehrten zahm geworden seid und nicht mehr fliehen würdet.« Er funkelte sie an. »Doch wisset, dass ich Euch nicht aus den Augen lassen werde.«   Die Erweckerin legte ihre kleinen, pelzigen Ohren an, doch sie wirkte eher nachdenklich. »Tut Euch keinen Zwang an. Ich hoffe, dass sie Euch rausfallen.«, raunte sie fast säuselnd.   »Ihr solltet Euch keine allzu großen Hoffnungen machen, Erweckerin.«, sprach Kil'ruk leise und beherrscht. Die Niedere Kreatur blinzelte ihn fragend mit ihren bernsteinfarbenen Augen an. »Für den Unversehrten seid Ihr nur ein interessantes, zerbrechliches Spielzeug. Doch auch er dient dem Willen der Klaxxi.«   Sie verengte ihre Augen und funkelte den Windschnitter herausfordernd an. »Er ist auf jeden Fall zugänglicher als Ihr, Kil'ruk.«, knurrte sie dumpf. »Habt Ihr denn überhaupt keinen eigenen Willen?« Die Frage war ruhig und der Kopf der Erweckerin neigte sich nachdenklich, während sie seinem Blick stand hielt.   Die Frage kam plötzlich und der Windschnitter erwiderte ihren verständnislosen Blick. Er verstand nicht was sie mit dieser Frage bezwecken wollte und konnte sie nicht nachvollziehen. »Der Wille der Klaxxi ist ewig.«, sprach er, doch die Erweckerin blinzelte nur weiterhin verständnislos. Kil'ruk wurde wieder schlecht, doch etwas drängte ihn dazu diese Frage zu stellen. Er versuchte nur die richtigen Worte zu finden: »Ihr könntet es als ein Prinzip betrachten. Eine Priorität, der nicht jeder folgen darf. Ihr seid eine Niedere, Ihr folgt nicht dem Willen. Was hat Euch dazu veranlasst, Eure Zeit darin zu verschwenden, mein Leben zu retten?«   Die Niedere hob eine Augenbraue und sah ihn forschend an. Kil'ruk wurde noch schlechter und er zischte. Er hasste diesen ekelhaften Blick von ihr. Dieser Blick, wenn sie sich überlegen fühlte. Doch plötzlich schüttelte sie ihren Kopf und sie seufzte langgezogen. »Man sagte mir, dass Ihr wüsstet wie man den Schwarm aufhalten kann.«   Kil'ruk hätte sich am liebsten übergeben. »So etwas Belangloses...?«, raunte er, doch die Erweckerin fuhr ihm ins Wort. »Das und nichts anderes.«, entgegnete sie fest und erwiderte seinen Blick ernst.   Er schüttelte seinen Kopf und lenkte das Thema um. Der Windschnitter wollte nicht daran denken, dass er einer Niederen etwas schuldig war. »In den kaiserlichen Gelegen fragtet Ihr mich, ob ich sie nicht hören könnte. Von wem habt ihr gesprochen?«   Von dem plötzlichen Themenwechsel irritiert zuckte die Niedere Kreatur mit ihren Ohren und sah ihn für einige Herzschläge nachdenklich an. »Ich habe eine Mantisstimme in meinem Verstand gehört, als sich der Resonanzkristall aktiviert hat.« Sie klang zögerlich, als sie antwortete.   Nachdenklich neigte der Windschnitter seinen Kopf. »Es waren nicht die Klaxxi. Sie sprechen nicht zu Niederen Kreaturen.«   Die Erweckerin knurrte leise und funkelte Kil'ruk genervt an. »Das weiß ich inzwischen auch. Malik ist um einiges informativer als Ihr.«, giftete sie ihn an. »Dennoch bin ich mir sicher, dass es die Stimme eines Mantis war.«   »Zu Schade, dass Ihr nicht mehr wisst, Erweckerin. Aber wenn es Euch tröstet, Ihr enttäuscht mich nicht mit Eurem Unwissen. Ich hatte nichts anderes erwartet.«, knurrte Kil'ruk seinerseits, ehe er summend seine Flügel schlug und nach oben flog. Aus den Augenwinkeln konnte er noch erkennen, wie sich die Erweckerin nach ihm umdrehte, doch schließlich nur mit dem Kopf schüttelte und sich gegen den Kypari lehnte. Die Gedanken des Windschnitters schweiften zurück in die fernen Gelege der Kaiserin in der Nähe des Palastes. Er setzte sich auf einen hochliegenden Ast des Kyparis und blickte über Klaxxi'vess. Die heilige Stätte lag still da und doch konnte er die Schritte und leisen Flügelschläge der patrouillierenden Vesswachen hören und die bizarren Schwingungen des Signalgebers wahrnehmen.   Ruhig verengte er seine Augen und starrte misstrauisch auf die Plattform herab. Konzentriert versuchte er, eine logische Schlussfolgerung zu finden, doch es wollte sich ihm keine offenbaren. Wer hatte zu der Erweckerin gesprochen?   Kapitel 6: 05 - Vorbereitungen ------------------------------   Die Sonne neigte sich bereits hinter den weißen Berggipfeln des Kun-Lai, als Ryfang seinen Kopf über die karge Steppe des Flachlandes hob. Seine Ohren zuckten erfreut, denn endlich konnte er den Tempel des Weißen Tigers erkennen, der auf einem Berg erbaut war. Er, Emiress und Fogon hatten den ganzen Weg zu Fuß hinter sich gebracht, weil der eigensinnige Druide nicht auf einem der pandarischen Flughilfsmittel fliegen wollte. Sie hatten sich an der alten Ruine der Mogu, Mogujia vorbeigeschlichen und konnten so Konfrontationen mit Räubern der Relikte vermeiden. Am Yaungonvorstoß und dem Streitlager von Ruquin konnten sie sich unentdeckt vorbeistehlen und auch, wenn Fogon einen großen Teil dazu beigetragen hatte, konnte Ryfang ihn nicht besonders gut leiden. Vielleicht lag es daran, dass er den Druiden bisher ausschließlich in seiner Raubtiergestalt angetroffen hatte und weder sprach, noch anderweitig kommunizierte. Er konnte mit ihm einfach nicht sehr viel anfangen. Auch wenn Ryfang in einigen Dingen sehr geduldig war, war dies doch zu viel für den jungen Worgen.   Die langen Locken der schwarzhaarigen Frau wurden von einer kalten Briese aufgewirbelt, als Emiress zu dem graumähnigen, jungen Worgen aufholte. Sie zog sich ihren schweren Umhang fester um ihre Schultern, während ihr wachsamer Blick zu dem Tempel hinaufschweifte. Neben ihr schälte sich der geschmeidige Leib der muskulösen Raubkatze aus den Steppengräsern und verweilte neben ihr. Die Fangzähne des Druiden funkelten im schwächer werdenden Sonnenlicht, doch auch er reckte seinen Hals, um nachdenklich zum Tempel aufzublicken.   Ryfang wusste genau, was die beiden dachten - oder zumindest, was sie erwartet hatten. Einen Befall des Shas, oder zumindest einen kleinen Schrecken, den sie heldenhaft vertreiben konnten. Doch der Tempel des Weißen Tigers lag immer noch so ruhig da, wie an dem Tag, als der Krieger ihn das letzte Mal verlassen hatte. »Wir sollten weiter.«, sprach Emiress und deutete auf einen kleinen Stützpunkt unterhalb des Tempels. »Dort sind einige Grummel. Vielleicht haben sie etwas von einer größeren Ansammlung des Shas mitbekommen.«   Ryfang schmunzelte, was man unter dem massiven Plattenschutz oberhalb seines Halses nicht erkennen konnte. Bei jedem Schritt klapperte seine rostrote und schwarze Plattenrüstung, als er der kleinen Priesterin folgte. Ihre zart lilafarbene Robe flatterte unter dem schweren Umhang, während sie über die hügelige Steppe zu dem eingetrampelten Pfad hinunterstieg, der sich durch das Kun-Lai Gebirge schlängelte. Die schlanke Raubkatzengestalt von Fogon folgte ihr. Das weiße Fell des Druiden schimmerte matt, während sich die letzten Sonnenstrahlen über seinem Pelz ergossen.   Die Gedanken des Kriegers kreisten merkwürdig dumpf um seinen Kopf, als er ihnen folgte. Auf der Reise hierher, hatte er keine auffälligen Veränderungen des Shas bemerken können. Die Dörfer, die sie sahen, waren bereits davor schon von dem Sha des Zorns befallen gewesen und auch die Yaungol, das große, taurenartige Volk, war nicht von den Einflüssen verschont geblieben. Doch auch dies war schon seit mehr als drei Monaten bekannt. Das Sha des Zorns hatte sich zu einer alptraumhaften Monstrosität verformt, als die Völker von Azeroth Pandaria betreten hatten, ebenso wie die anderen Manifestationen. Doch die Shado-Pan hatten sich dem Problem des Zornes angenommen, unterstützten die Dörfer und vertrieben das Sha immer mehr aus dem Kun-Lai Gebirge. Sie würden keine Probleme haben, auch noch die letzten Reste und Schergen zu vertreiben.   Als die ungleiche Gruppe den Stützpunkt am Fuß des Tempels erreichte, stellte Ryfang fest, dass sich an diesem bizarren Basar ebenfalls seit seinem letzten Besuch nichts verändert hatte. Auf dem Grummelbasar liefen die kleinwüchsigen, haarigen Wesen mit kleinen Knopfaugen und viel zu schwerem Gepäck herum und versuchten ihre Waren an die Völker Azeroths zu verkaufen. Besonders bei der weiblichen Bevölkerung schienen die merkwürdigen Glücksbringer des sonderbaren Wandervolkes sehr beliebt zu sein. Mehrere, langhaarige Yaks standen in einem eingezäunten Bereich und kauten - vermutlich schon seit Stunden - auf irgendetwas essbarem herum.   Plötzlich ging Emiress mit sanften Schritten voraus, als würde sie jemand lenken. Sie sah sich aufmerksam um und fing Ryfangs fragenden Blick auf. Doch sie erwiderte ihn nur knapp und lächelte sanft, ehe sie am Rande eines großen Hauses entlangging, das der Form eines Bierfasses sehr ähnlich war. Sie hielt an einem kleinen Zelt inne, an dessen Spitze eine magere Fahne wehte und beugte sich zu dem haarigen Grummel herab, der auf einer Trage lag. Es sah aus als würde er schlafen, doch die Priesterin legte behutsam eine ihrer Hände auf seine Stirn. Lautlos bewegten sich ihre Lippen und tauchte ihre Hand in goldenes Licht, welches auf den Grummel überging.   Der Grummel - ein besonders behaarter - schniefte laut und blinzelte die Frau unter seiner pelzigen Mütze an. Er richtete sich nach ein paar Herzschlägen auf, nachdem sich das Licht gelegt hatte und blinzelte sie mit seinen Knopfaugen verwundert an. Emiress legte ihren Kopf sanft zur Seite und lächelte ihn herzlich an. »Geht es Euch nun besser?«, fragte sie, während sich Ryfang und Fogon ihnen näherten.   »Ja, Schleifstein geht es nun viel besser.«, sprach der Grummel in einer euphorischen und hohen Stimme. »Ich weiß zwar nicht, woher Ihr wusstet, dass ich Fieber habe, aber es geht mir wieder besser. Und deswegen dankt Schleifstein der großen, rosa Frau. Möchtet Ihr einen Glücksbringer haben?«   Ryfang rollte mit seinen giftgrünen Augen, während Emiress mit einem sanften Lächeln den zusammengebauten Glücksbringer - ein dünnes Kettchen an dem geschnitzte Holzfiguren baumelten - entgegennahm um ihn in ihrer Tasche zu verstauen. »Ich werde ihn in Ehren wahren, Herr Schleifstein.«, lächelte sie und suchte mit ihren Augen wieder die des Grummels. »Sagt, hat es hier in den letzten Tagen vermehrte Aktivitäten des Shas gegeben?«   Schleifstein richtete sich auf und zog den riesigen Rucksack unter sich heraus. Ryfang war verwundert, denn er hatte diesen Rucksack für eine Trage gehalten. Der Grummel schulterte das Gepäcksstück, das doppelt so groß war wie er selbst und schniefte laut, während er Emiress mit seinen schwarzen Knopfaugen noch immer ehrfürchtig anblinzelte. »Schleifstein hat nichts gesehen. Die Shado-Pan laufen oft hier herum, kaufen aber nichts, weil wir ihnen die Waren direkt zum Kloster bringen.«, antwortete er und kratzte sich an seinem beharrten Gesicht. »Das Sha des Zorns ist immer noch groß und ich meine richtig groß. Nicht einfach nur groß. Aber es streift nur durch die Ho-zen Region zwischen den Gebirgen herum. Wir Grummel gehen über den Kun-Lai. Ist zwar anstrengender, aber dafür müssen wir nicht kämpfen. Mit was auch kämpfen? Mit Pfannen?«   Der Grummel lachte leise über seinen eigenen Scherz. »Ihr sprecht weise, kleiner Freund.«, sprach Emiress sanft. »Für was kämpfen?« Sie nickte ihm knapp zu. »Wann werdet Ihr zum Shado-Pan Kloster aufbrechen um eine neue Lieferung abzuliefern?«, fragte sie und neigte ihren Kopf leicht zur anderen Seite.   Schleifstein grinste breit und mit sehr vielen Zahnlücken: »Wir wollten schon unsere Reise verschieben, weil ich krank wurde. Doch dank Euch, kann ich nun doch reisen, große, rosa Frau. Wir werden noch heute Nacht aufbrechen, wenn die Ho-zen schlafen.«   »Ich verstehe. Dann wünsche ich Euch sichere Pfade. Vielleicht sehen wir uns wieder, Schleifstein.«, sprach Emiress und erhob sich wieder zu ihrer vollen Größe. Der vollbepackte Rucksack, an dessen Seite zwei Pfannen gegeneinander schlugen, neigte sich, während sich der Grummel verbeugte. Dann wackelte der schwere Rucksack an ihr vorbei, um zu einer kleinen Gruppe weiterer Grummel zu kommen, die ebenfalls mit riesigen Rucksäcken bepackt um ein mageres Lagerfeuer standen.   Der junge Worgen sah dem behaarten Wesen nach, das nun nur noch als ein riesiger Rucksack mit kleinen Füßen erkennbar war und scheppernde Geräusche von Pfannen - oder anderem Plunder - bei jedem Schritt verursachte. Er ging zu Emiress' Seite und sprach gedämpft zu ihr herab: »Es wäre nützlich gewesen mit ihnen zusammen reisen zu können, aber wir müssen uns zunächst am Tempel umsehen.«   »Ich weiß, Ryfang. Aber es ist dennoch gut zu wissen, welche Route sie nehmen. Wenn es nicht schneit, können wir ihnen Spuren durch das Gebirge folgen.« Die Priesterin sah ihn mit ihren dunkelblauen Augen an und lächelte gutherzig. »Außerdem scheint es wirklich keine Veränderung des Sha-Befalls in der Umgebung zu geben. Ich denke, dass es im Tempel nicht anders sein wird, dennoch sollten wir uns jetzt dort umsehen gehen.«   Ryfang grinste vielzahnig, während sich sein nachdenklicher Blick wieder auf den Tempel des Weißen Tigers legte. Die majestätischen, weißen Marmorfiguren, welche fauchende Tiger darstellten, waren am Fußende des Pfades platziert und flankierten den Weg, der den Berg hinaufführte. Unter seinem Fell prickelte es vor Anspannung, doch nicht vor Aufregung, sondern vor Freude und Gelassenheit. Er konnte mit sich zufrieden sein, denn immerhin hatte er die Prüfung der Stärke bereits in der Vergangenheit abgelegt. Seitdem fühlte er sich seltsam befreit und immer, wenn er nur an den Tempel des Weißen Tigers dachte, kam das Gefühl erneut.   Der Blick des Kriegers wanderte in die Weiten des dunkler werdenden Himmels über sich. »Wir werden die Nacht über auf jeden Fall im Tempel bleiben. Xuen ist ein respektvoller Gastgeber.«, murmelte Ryfang und ging voraus den Hügel hinab, um wieder auf dem Pfad zum Tempel zu wandern.   Seine Schritte fühlten sich leichter an, während er den Weg hinaufstieg. Die Kirschbäume blühten sogar in dieser kalten Gegend und ein Hauch von rosafarbenen und weißen Blüten wehte um Ryfang, Emiress und Fogon herum, als der Wind kräftiger blies. Er brachte sogar Schnee mit, weswegen Fogon mit seinem Ohr schnippte um einige Schneeflocken und Blütenblätter abzuschütteln.   Die Nacht brach über die Reisenden, als sie den ersten Pavillon erreichten. Die Kohlebecken brannten und strahlten Wärme aus, während Ryfang die Gruppe weiter nach oben führte. Der junge Krieger nickte auf seinem Weg einigen der Tempelmönche zu, die sich ihrerseits respektabel vor ihm verbeugten. Je höher sie stiegen, desto kälter wurde die Luft um sie herum, obwohl der Tempel von seinem Fuß aus betrachtet nicht so hoch schien. Emiress hauchte plötzlich: »Beeindruckend.«, als sie auf ihren Weg zurückblickte. »Ich hätte nicht angenommen, dass wir bereits so hoch gestiegen sind.«   »Dann seht mal zu den Kun-Lai Gipfeln hinauf.«, schmunzelte Ryfang. Die Priesterin hob ihren Kopf und runzelte ihre Stirn, ehe sie ihn wieder fragend ansah. »Wir sind immer noch nicht hoch genug.«, lachte Ryfang fast und Emiress schenkte ihm einen feixenden Blick, als sie den nächsten Pavillon durchquerten. Weitere Tigertempelmönche sahen sie neugierig an, hielten sie aber nicht auf. Einige verbeugten sich, andere nahmen sie nicht wahr, da sie meditierten, oder zu sehr in leise Gespräche vertieft waren.   Der graumähnige Worgen erreichte die schwere Brücke, die von zwei massiven Eisenketten gehalten wurde. Fogon blieb zunächst stehen, während der Krieger geräuschvoll darüber schritt und starrte in die schwindelnde Tiefe unter sich. Ein breiter Fluss zog sich unter ihm durch die Felsspalte und er ging erst weiter, nachdem Emiress den Druiden sanft anstieß. Sie lächelte ihm zu, ehe sie der Raubkatze folgte, die nun auch mit gesträubtem Fell über die Brücke stakste.   Ryfang war wieder überwältigt von den großen Treppenstufen des Tempels. Zwei riesige, marmorisierte Steinfiguren von fauchenden Tigern standen je auf einer Seite des Eingangs. Fahnen aus edlem Stoff umrandeten die großen Tore, die geöffnet waren und wurden durch den aufsteigenden, beißend kalten Wind in eine Richtung gerissen. Im Herzen des jungen Worgen stieg das Gefühl von großem Respekt und Gelassenheit an, als er durch den Eingang trat und die inzwischen eisige Luft tief einsog.   Der Himmlische Erhabene Xuen, hob seinen Blick von seinem Besuch auf und blickte mit seinen tiefblauen Augen geradewegs zu Ryfang, als dieser mit seinen Kameraden die Schwelle des Eingangs überschritten hatte. Die Muskeln des Weißen Tigers spielten unter seinem schimmernden, spektralähnlichem Pelz. Sein Besuch, ein stattlicher Pandaren in der traditionellen Tracht der Shado-Pan drehte sich ebenfalls zu ihnen um. Seine goldenen Augen funkelten die Neuankömmlinge argwöhnisch an, ehe er sich wieder von ihnen abwandte. Er schien nicht begeistert von der Unterbrechung zu sein und Ryfang legte seine Ohren leicht an. Nun war es zu spät, als dass sie den Tempel wieder verlassen könnten, um später wieder zu kommen. Doch gerade diesen Pandaren hätte er am allerwenigsten verärgern wollen.   Taran Zhu kehrte ihnen wieder den Rücken zu, um die Aufmerksamkeit des Erhabenen erneut zu erhalten. »Das halbe Tal ist verwüstet und die Krasarangwildnis wird ausgebeutet! Diese Fremdlinge haben mehr zerstört als die Mogu und die Mantis zusammen!« Nach dem wütenden Ausbruch des Shado-Pan Meisters legten sich die Augen des Weißen Tigers wieder auf ihn.   »Wir haben nicht nur schlechtes gebracht.«, sprach - zu Ryfangs eigenem Erstaunen - Emiress. Die kleine Priesterin überquerte mit sanften, anmutigen Schritten den Tempel, bis sie vor Xuen und Taran Zhu stand. »Der Handel hier auf Pandaria wurde durch uns angekurbelt. Ich denke nicht, dass die Ackerbauern dies hinterfragen. Außerdem bieten wir unsere Hilfe an, wo es nur möglich ist.«   Taran Zhu schnaubte verächtlich: »Wir wurden Zeugen Eurer Hilfe im Jadewald. Ihr hinterlasst nur Elend!« Ryfang verengte seine Augen, als er an den Riss dachte, der noch heute das Schlangenherz im Jadewald heimsuchte. Doch die Entstehung der Essenz lag auch bereits einige Monate zurück und sie hatten den Tempel sogar aus den Fängen des Shas zurückerobern können. Sie waren es gewesen und nicht die edlen Shado-Pan.   »Großer Tiger, wenn wir die Fraktionen in der Krasarangwildnis weiter gewähren lassen, wird sich der Befall in der Schreckensöde weiter ausbreiten. Die Krasarangwildnis wird nur das erste Gebiet sein, welches einem Schlachtfeld aus Hass und Gewalt gleichen wird. Doch was ist mit der Tonlong-Steppe? Dem Tal der Vier Winde? Wir können nicht zulassen, dass sie unsere Heimat zerstören!« Taran Zhu warf Emiress einen abwertenden Blick seiner funkensprühenden Augen zu. »Ihr gehört nicht hierher!«   Emiress nickte dem Pandaren langsam zu: »Ihr habt Recht, Taran Zhu, das tun wir nicht.« Sie hob ihren Kopf zu dem Weißen Tiger, dessen riesige, astralkörperliche Gestalt sie um das dreifache überragte. Er betrachtete sie und den Meister der Shado-Pan mit einem ruhigen Blick. »Auch wenn die Schlachtschiffe der Allianz nachgerückt sind, haben viele, die hier vor ihnen einen Fuß auf Pandaria gesetzt haben neue Möglichkeiten gefunden. Neue Chancen ihr Leben zu gestalten. Sie haben eine neue Heimat und eine neue Bestimmung auf diesem Kontinenten gefunden.« Ihr Blick wanderte wieder zu Taran Zhu, welcher die Frau nach wie vor skeptisch anstarrte. »Und auch wir werden für diese neue Heimat kämpfen. Nicht um sie zu erobern, oder zu vernichten. Wir werden für diese Existenzen kämpfen, die ansonsten alles verlieren würden. Doch anstatt uns gegenseitig ein Bein stellen zu wollen, sollten wir nicht zusammenarbeiten um dieses Ziel zu verwirklichen, Taran Zhu?«   Ehe der Shado-Pan Meister etwas erwidern konnte, erhob sich die tiefe, nachhallende Stimme des Himmlischen Erhabenen. Seine dunkelblauen Augen funkelten Emiress amüsiert an. »Ihr beweist Stärke mit einer scharfen Zunge, Sterbliche. Ihr sprecht nicht die Unwahrheit.« Xuan hob seinen breiten, großen Kopf in die Höhe und starrte für einige Sekunden zur Decke des Tempels. »Genau wie damals, die selbe Diskussion, Taran Zhu. Erinnert Ihr Euch noch daran? Damals hat mich auch ein junger Mann überzeugen können die Tore zum Tal der Ewigen Blüten zu öffnen.« Der Weiße Tiger senkte seinen Kopf wieder und sah auf seine Besucher herab. »Die jungen Völker besitzen viele Formen der Stärke. Sie werden sie benötigen, um die Schattenseite Pandarias zu überwinden. Ich vertraue ihnen nach wie vor.«   Taran Zhu verengte seine Augen, als er dem Weißen Tiger trotzig entgegenstarrte. Er erzitterte kaum merklich und ballte seine Pfoten zu Fäusten. »Und ich sage erneut: Ihr begeht einen großen Fehler.«, zischte er und wandte sich ab. Im vorbeigehen warf er Ryfang einen wütenden Blick zu, doch er drehte sich nicht mehr um, als er den Tempel des Weißen Tigers verließ.   Emiress seufzte leise, als sie ihm leidig nachsah. »Es wäre einfacher, wenn wir zusammenarbeiten würden.«, murmelte sie leise. Xuen erhob sich auf seine mächtigen Tatzen und schlich um die Reisegruppe herum. »Er wird sich wieder beruhigen, Fremde von jenseits der Nebel.«, sprach er kühn, während er Ryfang betrachtete. »Aber Ihr solltet ihm Zeit geben, um über Euer Angebot nachzudenken.«   »Das Shado-Pan Kloster liegt auf der gegenüberliegenden Seite der Kun-Lai Gebirge.«, murmelte Ryfang und hielt dem Blick des Erhabenen stand. »In einigen Tagen ist die nächste Versammlung der Mondsucht. Erst dann wird man uns zurückerwarten.« Seine giftgrünen Augen legte sich auf Emiress, die langsam nickte. Ryfang musste unwillkürlich schmunzeln. Sie verstand ihn auch ohne, dass er sie vorher einweihen musste. »Mit Eurer Erlaubnis, Xuen, werden wir hier zwei Nächte rasten und uns dann auf dem Weg zu den Shado-Pan machen um noch einmal mit Taran Zhu in Ruhe zu reden.«   Xuens Augen funkelten belustigt. In seinen Augen lag ein wissender Blick. Fast so, als würde er ahnen, dass die Shado-Pan nicht der einzige Grund waren, weshalb sie ursprünglich hier her gekommen waren. Natürlich, sie hatten den Auftrag, den Tempel des Weißen Tigers nach Sha-Verderbnis zu untersuchen. Doch selbst wenn er dies ahnte, er schien sich nicht sonderlich daran zu stören, dass sich Sterbliche anmaßten zu glauben, ein Himmlischer Erhabener würde mit der Bekämpfung des Shas nicht fertig werden. Im Gegenteil, seine Haltung war entspannt und sein Blick sehr ruhig. »Die Erlaubnis sei Euch gewährt.«   »Habt Dank.«, sagte Emiress und verbeugte sich mit einem leichten Knicks. Xuen neigte ebenso seinen großen Kopf erhaben. Dann spannte er seine Muskeln an und sprang auf den Balkon hinter sich, ehe er dahinter aus der Sicht von Ryfang verschwand.   Emiress gesellte sich neben ihn, nachdem er und Fogon den Tempel verlassen hatten und auf den Pavillon zuschritten, in dem die Mönche des Tempels vor wenigen Augenblicken noch meditiert hatten. Der kalte Wind zerrte an Ryfangs Fell und wehte einige Schneeflocken über die Dächer der Pagoden, doch er spürte die Kälte nicht. »Ich hoffe, dass wir in zwei Tagen mehr Erfolg bei Taran Zhu haben werden.«, hauchte Emiress leise, während sie ihren Mantel etwas fester um ihren Körper zog.   Ryfang nickte matt, wobei seine Rüstung leise klapperte. »Das hoffe ich auch.«, murmelte er leise.     *****     »Diese Narren! Sie sind selbst an ihrem Schicksal schuld!«, keifte Shek'zeer wütend, nachdem sie eine große Vase aus gehärteten Kunchongflügeln und Amber gegen eine steinerne Wand ihres Thronsaals geworfen hatte. Das feine Gefäß zerschellte und krachte klimpernd zu Boden, wo es in vielen, kleinen Scherben liegen blieb. Mit verengten Augen starrte die Kaiserin des Reiches auf die Bruchstücke herab. »Diese Verräter! Sie stecken mit den Klaxxi im Bude! Sich einen Getreuen direkt unter der Nase stehlen zu lassen-... Inakzeptabel!«   Der Großwesir schluckte seinen eigenen Ärger über diese schlechte Nachricht, die ihm selbst vor wenigen Augenblicken überbracht wurde, herunter. Er kniete noch immer vor seiner Kaiserin, auch wenn sie gerade tobte und sogar mit Gegenständen um sich warf. Doch er rührte sich nicht und versuchte, ihren emotionalen Ausrutscher zu ignorieren. Schließlich lasteten alle Probleme des Reiches auf ihren Schultern und diese wurden zunehmend schwerer. Außerdem würde er niemanden von ihrem Wutausbruch erzählen. Dieses Vertrauen genoss er, ebenso wie viele andere Privilegien, als ihr nächster Berater. Zor'lok wagte es, seinen Blick zu seiner geliebten Kaiserin zu heben. Er erkannte, wie sich die Schatten tiefer durch ihren Körper fraßen und die Nebelschleier über ihren Leib huschten. Ihr Gesicht war wutverzerrt, während er noch etwas in ihren hellen Augen lesen konnte. Paranoide Angst.   »Die Mantis.«, begann Shek'zeer mit bebender Stimme und starrte nach wie vor wütend auf die Scherben der Vase, die auf dem Boden verstreut lagen. »Mein Volk benötigt nur eine Kaiserin, um jemanden zu haben, den sie hassen können! Ich wollte dieses Urteil nicht aussprechen. Doch sie-... Sie haben mich dazu gezwungen!«   Der Großwesir neigte seinen Kopf wieder herab und seine Fühler zuckten kaum merklich. Es war kaum eine Stunde her, als sie alle überlebenden Hüter der kaiserlichen Gelege hinrichten ließ. Ihre Leiber lagen inzwischen aufgespießt um die Gelege herum und die neuen Schwarmgeborenen labten sich bestimmt bereits an ihnen. Diese Narren hätten die Botschaft, dass sie einen Getreuen gefunden hatten, weitergeben müssen. Dann wäre es nicht dazu gekommen. Doch stattdessen hatten sie geschwiegen und den Getreuen versteckt gehalten. Warum hatten sie das getan? Oder hatten die Gelegehüter womöglich gar nicht erkannt, dass es sich um den Bernkokon eines Getreuen gehandelt hatte? Doch was auch immer sie dazu veranlasst hatte, er würde es nicht mehr herausfinden. Keiner könnte es, denn sie alle lebten nun nicht mehr. Der Windfürst selbst hatte die Befehle der Kaiserin ausgeführt und nach der langen Zeit, in der die beiden bereits der Kaiserin dienten, konnte der Großwesir einschätzen, wie barbarisch Mel'jarak bei der Ausführung ihres Befehls vorgegangen war.   »Meine Kaiserin.«, hob Zor'lok beschwichtigend seine Stimme an, als Shek'zeer ihren Blick auf ihn legte. »Euer Volk liebt und achtet Euch mit jedem Atemzug, den es tätigt. Euer Volk verehrt Euch.« Shek'zeer ließ ein verächtliches, langes Zischen von sich hören. Ihr Misstrauen in ihr eigenes Volk wuchs mit jedem Herzschlag weiter an. Zor'lok wusste genau, dass sie nur aus Angst diesen Befehl ausgesprochen hatte. Angst vor ihrem eigenen Volk, dass es sie verraten oder sich gegen sie wenden könnte. »Es gibt auch erfreuliche Neuigkeiten, die ich Euch mitteilen darf, geschätzte Kaiserin.«   Shek'zeer murmelte etwas Unverständliches vor sich hin, ehe sie den Großwesir scharf in ihren Blick fasste. »Sprecht!«, verlangte sie, während sie unruhig ihre Klauen ineinander faltete.   »Die ausgesandten Palastwachen haben den Getreuen im Herzen der Narbe gefunden. Er hält sich bei Kypari'Vor auf.« Zor'lok wagte es wieder seinen Blick zu heben und sah sie mit seinen azurblauen Augen an. »Sie sind nicht fehlgeschlagen.«   »Ausgezeichnet!«, rief Shek'zeer und senkte ihren Blick. »Wir müssen nur-... Wir müssen nur sichergehen, dass er mir dienen wird und nicht diesem Abschaum-... diesen Verrätern!«       Die Kaiserin sah sich in der Leere in ihrem Thronsaal um, doch sie konnte leises Wispern um sich herum in der Stille vernehmen. Als würde etwas durch ihren Geist dringen, während sie die Stimme dumpf in ihrem Kopf hallen hörte. Diese Stimme war ihr nur allzu vertraut. Oft hatte sie ihr gelauscht, jedoch bis jetzt nur während sie schlief. Die Stimme hatte sie stets in ihren Alpträumen begleitet. Hatte ihr zugeflüstert, wie sie die Dinge wenden konnte um zu überleben, um ihr Volk in ihrer Kontrolle zu halten. Würde sie ihr diesmal ebenfalls helfen? Oder wurde sie jetzt wirklich verrückt? Das Flüstern war leise und Shek'zeer musste sich anstrengen, um überhaupt etwas zu hören.   »Meine Majestät, soweit wir wissen, gibt es keine Möglichkeit, dass ein erweckter Getreue Eure Stimme vernehmen kann-«, begann Zor'lok, doch die Kaiserin brachte ihn mit einem aufgebrachten Zischen zum Schweigen. Angestrengt lauschte sie weiter, während der Großwesir ihrem Wunsch nachkam und schwieg. Dann konnte sie die Worte klar vernehmen. Dumpf hallten sie in ihrem Unterbewusstsein nach, ähnlich dem Klang eines tiefen Glockenschlages, während sich die Stimme wie Donnergrollen in ihrem Kopf erhob.   'Meine treue Kaiserin, Euer Großwesir irrt sich - wie so oft. Es gibt eine Möglichkeit, dass der Getreue nicht den Klaxxi dienen wird.'   Shek'zeer verengte ihre Augen, doch sie wartete gespannt auf die nächsten Worte, welches die Stimme aus ihren Träumen ihr zuflüstern würde. Welche Möglichkeit sollte es sein, die ihr erlauben würde, die Getreuen zu kontrollieren? Nachdem ein Getreuer in den Reihen der Klaxxi aufgenommen wurde, war es unmöglich für eine Kaiserin sie zu erreichen. Wie also, sollte es ihr möglich sein?   'Jeder Mantiskrieger, egal, welche Bande er einmal einging, kann kontrolliert werden. Durch Euer Vertrauen mir gegenüber, werde ich Euch ein Geschenk geben. Mit meiner Magie werdet Ihr in der Lage sein, den Getreuen zu kontrollieren.'   »Wie?«, fragte sie in die Stille hinein, wobei Zor'lok beunruhigt mit seinen Fühlern zuckte. Sie wusste, dass auch er glaubte, dass sie verrückt war. Jeder glaubte es. Doch Zor'lok nahm dies anders auf als ihr restliches Volk. Sie würden es nicht verstehen. Ihr Volk würde sie verurteilen. Doch ihr Großwesir konnte schweigen. Ihm konnte sie noch vertrauen.   'Nähert Euch den Scherben der Vase, die Ihr vor wenigen Atemzügen zerstört habt. Sie werden die Instrumente sein, in denen meine Macht innewohnen kann. Die Scherben müssen neu geformt werden, doch meine Stärke fließt gerade in diesem Atemzug durch sie hindurch. Wenn sie fertiggestellt sind, müssen sie in die Nähe des Getreuen gebracht werden. Meine Macht wird den Getreuen in seinem Schlaf unterwerfen, noch ehe er den Klaxxi antworten kann.'   Langsam und wie hypnotisiert schritt Shek'zeer zu den Scherben, welche auf dem Chtitinboden verstreut lagen. Ihr Meister, der letzte Atemzug ihres Meisters, gab ihr ein Geschenk der Macht. Wie konnte sie sein Angebot abschlagen? Die Schatten, welche über den Leib der Kaiserin huschten, reagierten auf das zerstörte Gefäß und benetzten die Scherben. Schwere weiße und schwarze Schatten durchdrangen die einzelnen Splitter und blieben an ihnen haften. Ein siegessicheres Funkeln huschte über Shek'zeers Augen, als sie auf die mit dunkler Energie durchtränkten Scherben blickte. Mit dieser Macht würde niemand mehr ihre Herrschaft in Frage stellen. Die Klaxxi würden vernichtet werden, ihr Ende war unausweichlich, mit den Getreuen oder ohne sie. Aber hiermit, konnte sie die Hoffnung der Klaxxi zerstören. Welch süße, überwältigende Macht durch die einzelnen Splitter drangen.   Sie drehte sich zu Zor'lok um, der immer noch mit gesenktem Kopf vor ihr kniete. »Ich möchte meinen Hofalchemisten sprechen.«, verlangte sie und auf ihrem Gesicht zeichneten sich fanatische Züge ab. Sie konnte die Macht förmlich spüren, die pulsierend von den Scherben ausgingen. Es erregte sie, diese Macht, sie war unverwechselbar die ihres Meisters. »Er soll aus den Scherben mehrere Gefäße herstellen. Anschließend möchte ich, dass der Klingenfürst mit einem dieser Gefäße zu Kypari'Vor fliegt, um den Getreuen zu erwecken.«   Die Kaiserin spürte den fragenden Blick, den ihr Großwesir ihr zuwarf, doch sie konnte nicht mehr sprechen. Diese Macht, die ihr geschenkt wurde, es war nun ihre Macht. Sie konnte nicht erklärt, sondern musste demonstriert werden. »Der Getreue wird seiner Kaiserin dienen, so wie es schon immer hätte sein sollen.«     *****     Der ältere Druide atmete die frische, morgendliche Luft tief durch seine Nüstern ein, als er seine beiden Gefährten hinter sich hören konnte. Sie stiegen gerade von ihren Gleitern, mit denen sie ohne größere Probleme in die Tonlong-Steppe gelangt waren. Die Sonne ging gerade auf und kletterte über die Berge der fernen Kun-Lai Gipfel, während das Land langsam in das Licht getaucht wurde. Gilean, Holora und Ace hätten für gewöhnlich direkt zum Niuzaotempel fliegen können, doch durch die stetigen Angriffe der Mantis wurde ihnen das verwehrt. Nun trennten sie nur noch zweihundert Fuß und die riesige, eisenbeschlagene Brücke von dem Tempel.   Die Schamanin ging in die Hocke und spähte den grasbewachsenen Hügel hinab, auf dem sie standen. »Der Weg scheint zumindest frei zu sein.«, murmelte sie leise, während der kühle Wind über ihre Haare blies. »Ich frage mich, wie die Shado-Pan auf uns reagieren werden. Schließlich stellen wir mit unserer Recherche nach dem Sha ihre Kompetenz in Frage, oder?«   Ace zuckte fast gleichgültig mit seinen Schultern und verschränkte seine Arme vor der Brust. »Vermutlich werden sie froh sein und das sollten sie auch.«, raunte er leise, während sich die Draenei wieder aufrichtete. Sie seufzte leise, doch auch sie verstand, was der Hexenmeister sagen wollte, denn sie sahen es direkt vor sich.   Der Niuzaotempel wurde gerade jetzt in diesem Augenblick von einem Mantisschwarm belagert. Sie konnten sogar in den Innenhof des Tempels blicken, in dem die Shado-Pan gegen die Angreifer kämpften und sie zurückschlugen. Sie würden ihre Hilfe vermutlich nicht einmal brauchen, doch wenn sie ohnehin schon auf dem Weg zum Tempel waren, konnten sie auch einen guten Eindruck bei den Shado-Pan hinterlassen. Möglicherweise würden sie ihnen gegenüber nicht so misstrauisch sein wie gewöhnlich. Denn schließlich waren die Völker von Azeroth, die Allianz und die Horde, für die riesenhaften Manifestationen des Shas verantwortlich. Gilean kniff seine Augen zusammen und nickte sachte. »Wir sollten uns beeilen. Vielleicht können wir sie unterstützen.«   Holora schnaubte ungehalten, ehe sie Gilean und Ace folgte. Die beiden eilten bereits in einem schnellen Tempo den Hügel hinab. Von der eisenbeschlagenen Brücke aus schwerem, massiven Stein und prunkvollen Verzierungen hallten ihre Schritte wieder, als sie diese erreichten. Die Brücke trennte die beiden Klippenabschnitte und war der einzige Zugang zum Niuzaotempel. Der Kampfeslärm wurde vor ihnen immer lauter und Gilean konnte genau das Kreischen der Mantis hören, ebenso wie das Brüllen mehrerer Feuerwaffen.   Sie rannten über die Brücke, dessen Balustraden mit langen Hörnern geziert waren. Als sie das Ende erreichten, erkannte er die Gruppe der Mantis, welche den Weg zum Tempel des Schwarzen Ochsen vom Brückenzugang versperrten. Holora preschte weiter vor, während um ihre knöchernen Schulterstücke Blitze zuckten. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen, während ihr Blick gerissen auf den Mantistrupp gerichtet war. Sie hob beide Arme um die Elemente anzurufen, um ihre Hilfe bei diesem Gefecht zu erbitten. Ihr Ruf wurde umgehend erhört, als mehrere Blitze fauchend zwischen ihren Fingern leuchteten. Mit einem lauten Donnerknall warf sie ihn auf den nächstbesten Mantis. Der Blitz traf den Insektoiden und sprang umgehend weiter zu den nächsten in der Nähe. Sie wussten noch nicht einmal, was genau geschah, als der Kettenblitzschlag drei Mantis niederstreckte.   In kürzester Zeit hatte es die Schamanin geschafft die Aufmerksamkeit von drei Mantistruppen auf sich zu lenken. Die insektenähnlichen Wesen kreischten, teilweise verwirrt, teilweise wild auf, als sie sich zu ihr umdrehten. »Kommt nur her, Mistviecher!«, rief Holora ihnen kühn entgegen, während sich die kleinen Blitzkanäle über ihrer Rüstung entluden. Gilean und Ace stellten sich an ihre Seite. Der Hexenmeister murmelte leise Formeln vor sich hin und eröffnete ebenfalls das Feuer auf die Angreifer. Meteore so groß wie der Rumpf eines ausgewachsenen Mannes stießen aus dem Himmel herab und schlugen mit Wucht in den Boden oder direkt auf die Mantis ein. Wenn sie nicht sofort erschlagen wurden, stürzten sie dort, wo die Meteore aufschlugen während Holora weiterhin Blitze auf sie schleuderte.   Gilean hob ebenfalls seine Pranken und wob einen Zauber. Mit den Geistern der Natur erzeugte er eine Windhose, die durch die Reihen der Mantis peitschte und sie aus ihrem Gleichgewicht brachte. Die Angreifer riefen sich unverständliche, klackernde Befehle zu, ehe sich einige flugfähige Mantis in die Luft begaben. Sie versuchten zu flüchten, während sich die anderen Mantis weiterhin auf die drei stürzten, doch es gelang ihnen nicht, sie zu erreichen. Gilean hatte schnell dicke Ranken aus dem Boden wachsen lassen, um die Mantis an Ort und Stelle festzuwurzeln.   Die Schamanin keuchte hörbar aus, als es ein paar Mantis tatsächlich schaffen durch den Wirbel aus Feuer und Donner zu entkommen. Sie warf ihnen einen Kettenblitzschlag hinterher und fegte zwei Mantiden aus der Luft, doch drei weiteren gelang die Flucht in den Süden. Gilean zuckte mit seinen Ohren. Vermutlich würden sie Bericht erstatten - wo auch immer das sein mochte.   Während Ace sein dämonisches Höllenfeuer auf die verbliebenen Mantis konzentrierte, stieg vom Platz vor dem Tempel das triumphierende Brüllen der Pandaren auf. Die Shado-Pan stürmten die noch lebenden Mantis und streckten sie mit ihren Waffen nieder. Die einheitlichen Uniformen und der einzigartige Kampfstiel der Shado-Pan wirkte nach wie vor einzigartig auf Gilean. Eine Pandarin stieß gerade ihre Dolche in einen der letzten Angreifer und riss eine tiefe Wunde in den Rumpf, während der Mantis kreischend zu Boden ging.   Ihre grünen Augen trafen die von Gilean, während sie sich aufrichtete und sich eine schwarze Haarsträhne aus dem pelzigen Gesicht wischte. Sie befestigte ihre Dolche an ihrem Gürtel, ehe sie sich zu dem Verteidigungstrupp umdrehte. »Die Südseite ist gesichert! Helft Yalia ihrem Trupp auf der Nordseite, dann ist der Sieg unser!«   Die Shado-Pan verbeugten sich, als sie ihren Befehl entgegennahmen und eilten zum Tempelhof. Die Pandarin sah unterdessen über ihre Schulter zu Gilean, Holora und Ace zurück. Nach ein paar Herzschlägen, drehte sie sich zu ihnen um. »Fremde hätte ich hier auf dem Schlachtfeld am wenigsten erwartet.«, sprach sie, als sie einige Schritte auf die drei zuging. »Wir hätten die Mantis auch selbst vertreiben können, aber eure Unterstützung hätte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können.«   Die scharfen Augen der Pandarin waren tief und forschend. Ihr schwarzer und weißer Pelz schimmerte vor Schweiß und der Druide konnte mehrere frische Wunden erkennen. Auch wenn sie schon lange gekämpft haben musste vermittelte sie den Eindruck, einer autoritären Persönlichkeit. »Sie werden einige Zeit brauchen um einen erneuten Angriff zu formieren.«, begann sie und verbeugte sich schließlich, die Augen weiterhin auf ihn gerichtet. »Mein Name ist Taoshi und ich heiße Euch beim Niuzaotempel willkommen.«   Gilean neigte ebenfalls seinen Kopf, wobei er die Pandarin ebenfalls nicht aus den Augen ließ. »Wir hätten nicht vorbeiziehen können, ohne unsere Hilfe anzubieten, Taoshi.«, sagte er gelassen und deutete auf die Draenei zu seiner Seite. »Dies ist Holora, und das«, er deutete nun auf seine andere Seite, zu dem Hexenmeister, »ist Ace. Wir sind in der Tonlong-Steppe um die Sha Ausbreitung zu untersuchen.«   Taoshi legte ihren Kopf leicht schief und für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Gilean darin Trauer zu erkennen. »Eine Ausbreitung des Shas. Ich verstehe.«, murmelte sie leise vor sich hin, ehe sie ihren Kopf leicht schüttelte, als würde sie einen schmerzlichen Gedanken vertreiben wollen. »Das Sha des Hasses war kürzlich in der Tonlong-Steppe präsent. Doch wir konnten eine weitere Ausbreitung verhindern, indem wir es vertrieben. Es wird sich nicht mehr in der Tonlong-Steppe niederlassen.«   Holora warf der Shado-Pan einen zweifelnden Blick zu, während Gilean antwortete: »Das sind gute Neuigkeiten. Wir würden gerne noch etwas länger am Tempel bleiben und unsere Hilfe gegen die Mantis anbieten.«   »Das ist sehr zuvorkommend, doch sie wird nicht benötigt.«, sprach Taoshi mit einem milden Lächeln. »Die Shado-Pan werden den Rest der Angreifer vertreiben und dann werden wir unsere Wunden versorgen und die derzeitige Verwüstung im Tempel beseitigen. Derzeit ist der Niuzaotempel leider kein sehr friedlicher Ort.«   Gilean nickte zustimmend. »Dann würde ich meine und Holoras Dienste als Heiler mit Freuden anbieten um Eure Verwundeten zu untersuchen, Taoshi.« Er konnte Holoras vernichtenden Blick förmlich auf sich spüren, den sie ihm zuwarf. Und auch, wenn sich die Schamanin mit den Elementen der Luft und des Feuers weitaus besser verstand als mit den heilenden Eigenschaften des Wassers wusste er, dass sie durchaus in der Lage war, sie einzusetzen.   Taoshi schien über das Angebot nachzudenken, schließlich nickte sie. »Dieses großzügige Angebot werde ich nicht ausschlagen, Gilean. Die Lager der Verletzten befinden sich im Tempel auf dem Rechten Flügel. Ich werde Euch später Kräuter und Verbandsmaterial zukommen lassen.«, Sie warf einen letzten Blick auf Ace, doch dieser hatte bis jetzt geschwiegen und schien es auch nicht brechen zu wollen. Seine dunkle Robe ließ ausschließen, dass er ein Heiler war, aber er gehörte zu der Gruppe die so bereitwillig ihre Hilfe anbot. Gewiss würde Taoshi ihn nicht in Frage stellen. »Folgt mir.«, sprach sie schließlich und drehte sich um.   Holora warf Gilean einen zweifelnden Blick zu, als sie zusammen mit Ace und dem Druiden, der Shado-Pan folgte. Sie durchquerten das Tor und traten in den Tempelhof, wo Taoshi sie in die Mitte führte und schließlich die steinernen Treppen zum Tempel hinaufdeutete. »Haltet Euch rechts. Unsere Heiler werden erleichtert sein, wenn sie Unterstützung erhalten. Ich werde zur Nordseite gehen. Inzwischen sollten unsere Truppen die letzten Angreifer vertrieben haben.« Geschäftig verbeugte sie sich noch einmal rasch und eilte über den Innenhof zur Nordseite.   Der ältere Druide wandte sich zur Treppe und stieg diese hinauf, wobei Ace zu ihm aufholte. Er stellte sich ihm in den Weg. »Was soll das? Wir können unsere Zeit hier nicht mit irgendwelchem Zeug verschwenden.«, zischte er ihm entgegen. Die grünen Schleier der Fehlmagie vor seinen Augen glühten matt.   Gilean hob seinen Kopf und sah ihn ruhig mit seinen blauen Augen an. »Es sind die Shado-Pan und soweit ich aus Veorans Befehl herausgehört habe, sollen wir auch unsere Bindung zu ihnen festigen, Ace. Es kann uns nur zu Gute kommen. Außerdem können wir uns so länger im und um den Tempel herum umsehen, ohne dass die Shado-Pan davon mitbekommen. Holora hat Recht, wir würden ihre Kompetenzen in Frage stellen, wenn wir nach dem Sha Ausschau halten, wo uns Taoshi doch gerade sagte, sie hätten es vertrieben.« Der Worgen schnippte beifällig mit einem Ohr.   Holora tippte ihm sanft auf die Schulter. »Da Ihr es gerade erwähnt,«, begann sie und beide sahen zu ihr die Treppenstufen herab. Die Draenei wirkte unruhig, fast so als würden Ameisen unter ihrer Rüstung herumhuschen. »Ich spüre etwas Dunkles, seitdem wir den Tempel betreten haben. Auch wenn Taoshi sagte, dass sie das Sha des Hasses vertrieben hätten, glaube ich, dass seine Schergen noch immer ganz in der Nähe sind. Es fühlt sich an als würden die negativen Emotionen über uns schweben.«   Der graumähnige Worgen sah Holora tief in ihre silbernen Augen. Als Draenei war sie dem Licht viel näher als er selbst, da sie dem Glauben der Naaru folgte, auch wenn sie den Weg des Schamanen beschritt. In Gilneas gab es auch Lichtgläubige, doch der Glaube war nicht sehr ernst und wurde nicht unter der Bevölkerung gestreut wie es in Sturmwind der Fall war. Möglicherweise konnte sie so auch die Schattenseite besser wahrnehmen, als er. »Seid Ihr Euch sicher?«, fragte er leise nach.   »Ich bin mir ziemlich sicher.«, antwortete Holora und hielt seinem prüfendem Blick stand. »Das Sha befindet sich entweder direkt im Tempel oder ganz in seiner Nähe.«   Gilean drehte seinen Kopf zu Ace, der Holora zweifelnd beobachtet hatte. Vermutlich dachte der Mann das selbe wie er. Dass, wenn sich das Sha im Tempel befinden sollte, die Shado-Pan es bestimmt bereits gefunden hätten. »Ich schätze, dann werde ich mich etwas umsehen.«, murmelte er und seine Gesichtszüge hoben sich scherzhaft. »Schließlich müsst ihr beide unsere Tarnung aufrecht erhalten und so tun, als könntet ihr beide heilen.«   Holora sah Ace an, als würde sie ihm am liebsten einer ihrer Blitze entgegenschleudern wollen. Sie wirkte in keinster Weise zufrieden auf die Aussicht, ihre heilenden Fähigkeiten anwenden zu müssen.   »Tut das, Ace.«, stimmte der ältere Druide zu. »Aber erregt nicht zu viel Aufmerksamkeit. Schließlich wollen wir die Shado-Pan und ihre Gastfreundschaft nicht verärgern.«   »Keine Sorge.« Ace winkte beifällig ab, während er sich in Bewegung setzte und die Treppen weiter nach oben stieg. Holora und Gilean folgten ihm. »Wenn jemand die Schatten ausfindig machen kann, dann ein Dämon.«     *****     »Eure Taktik ist interessant, Erweckerin.«, bemerkte der Getreue, als er den Schlag der Worgen parierte. Struana keuchte und ging wieder auf Abstand. Dass ihr Training hart werden würde, hatte sie geahnt, aber inzwischen fühlte sie sich mit ihrer ersten Herausforderung bereits ziemlich überfordert. Sie kam sich sogar stellenweise albern und unfähig vor. Dass Kil'ruk sie beobachtete und wie versprochen 'sie im Auge behielt' half ihr leider auch nicht, um sie zu motivieren. Der Unversehrte hatte ihr am Vorabend eine Waffe aus Amber anfertigen lassen, die ihrer ehemaligen Stangenwaffe sehr ähnlich war. Sie war schwer und massiv, doch recht gut ausbalanciert. Zwei große Blätter aus Kyparit funkelten im matten Licht des Tages an der Spitze des langen Schaftes. Die Kriegerin war Malik sehr dankbar für die Waffe gewesen und für ihr gemeinsames Training waren sie aus Klaxxi'vess herausgegangen, um die Klaxxi bei ihrer Arbeit nicht zu stören.   Die Worgen schnaubte abfällig, während sie ein weiteres Mal mit der Stangenwaffe ausholte und  versuchte den Getreuen zu treffen. Doch er wehrte abermals ihren Schlag mit Leichtigkeit ab, als er seine Hellbarde in den Händen drehte. Scheinbar belustigt funkelten seine Augen hinter dem bernsteinfarbenen Helm auf, während er sie beobachtete. »Euer Ehrgeiz ist bemerkenswert.«   Struana schnaubte unwirsch. Je frustrierter sie zu werden schien, desto amüsierter wirkte Malik. »Ihr werdet ihn doch ohnehin nie treffen!«, blaffte die Stimme des Windschnitters sichtlich gereizt. Sie hatte versucht ihn zu ignorieren, doch jetzt drehte sie sich zu dem Windschnitter um und sah ihn zornig an. Unbeeindruckt hockte Kil'ruk auf einem Findling und zischte leise. Schweiß verklebte das Fell der Worgen und ihr verletzter Stolz ließ sie fast erzittern, denn sie schaffte es einfach nicht, Malik erfolgreich anzugreifen. Er parierte jeden verdammten Angriff, den sie ausführte, selbst wenn sie antäuschte, es funktionierte nicht. Selbst ihre Muskeln fühlten sich bereits schwer und müde an. Dass sie nicht im Stande war Malik zu treffen frustrierte sie sehr und dass Kil'ruk immer mal wieder dazwischen rief, ärgerte sie.   »Worauf wartet Ihr, Erweckerin? Die Beute fängt sich nicht von selbst.«, tadelte Malik sie. Struana lenkte ihren Blick wieder auf ihn. Verbissen hielt sie ihre Waffe umklammert, die mit jedem weiteren Schlag schwerer geworden war. Erneut griff sie an und diesmal war sie fest entschlossen, ihn mit ihrer Waffe zu treffen, oder zumindest zu streifen. Wild stieß sie mehrere Male hintereinander auf ihn ein, doch der Getreue lenkte jeden ihrer Angriffe um, als könnte er sie voraussehen. Mitten in einem Schlag, zog er die Hellbarde nach oben und stieß sie mit seinem Fuß zurück. Struana fiel auf den Boden und rappelte sich schnell wieder auf, doch ihre Waffe lag in einiger Entfernung im Gras, während Malik seine Hellbarde auf ihrer Brusthöhe hielt.   »Den Ehrgeiz und das Durchhaltevermögen habt Ihr auf jeden Fall. Aber Eure Konzentration ist erbärmlich.«, stellte der Getreue klar und zog seine Hellbarde zurück um sie zu schultern. »Ihr müsst Eure Angriffe fokussieren, Erweckerin. Selbst ein Schwarmgeborener könnte sie abwehren.«   "Gegen die Schwarmgeborenen hat es immer ausgezeichnet geklappt!" Die Worgen schnippte ungehalten mit ihren Ohren und knurrte leise und frustriert. »Seit Morgengrauen versuche ich schon, Euch zu treffen. Mittlerweile dürfte die verdammte Sonne den höchsten Punkt sogar überschritten haben, auch wenn ich sie nicht sehen kann.«, murrte sie ungehalten. »Ich habe mehrere Taktiken ausprobiert und doch kann ich Euch nicht treffen! Warum?! Ist das Magie?!«   Der Ausdruck in den Augen des Getreuen wirkte belustigt, während die Kriegerin immer wütender wurde. »Habt Ihr Euch nicht gefragt, warum man mich 'den Unversehrten' nennt, Erweckerin?«, fragte er und betrachtete sie amüsiert. Struana zuckte ungeduldig mit ihren Armen, als er fortfuhr: »Kein Hieb hat mich je treffen können, aber ich habe zahllose Widersacher mit meiner Hellbarde niedergestreckt. Und zahllose weitere werden noch folgen.«   Die Kriegerin schnaubte leise die Luft aus ihren Nüstern. »Also ist es Magie? Eine besondere Fähigkeit, so wie die, dass der Luftikuss hinter mir, für einen normalen Mantis viel zu schnell fliegt?«, fragte sie verächtlich und spöttisch, während der Windschnitter hinter ihr ungehalten zischte. Sie ignorierte es, doch sie konnte sich ein kurzes, belustigtes Grinsen nicht verkneifen. Sie genoss es sichtlich Kil'ruk zu reizen. Immerhin diese kleinen Erfolge gehörten ihr.   Malik schüttelte seinen Kopf bedenklich langsam. »Es ist keine Magie und es ist keine Fähigkeit, Erweckerin. Die Getreuen haben ihre Bestimmung gefunden, indem sie hart trainierten.« Er hob seinen Kopf und warf Kil'ruk einen nachdenklichen Blick zu. Stumm wurde er erwidert. »Wie es um den Windschnitter steht, vermag ich nicht zu beurteilen. Doch was den Sinn unseres Trainings angeht, ist es lediglich Konzentration.«   Die Worgen schüttelte den Kopf und schnaubte. Sie verstand nicht, was Malik ihr damit sagen wollte.   »Der Tick besteht darin, so zu sein wie Wasser. Stemmt Euch der Stärke Eures Feindes nicht entgegen, geht einfach mit ihr mit. Lasst die Hiebe an Euch vorbeifließen und dann schlagt Ihr zurück.« Der Getreue deutete mit einem Kopfnicken auf Strauanas Stangenwaffe die nach wie vor im Gras lag. »Ihr müsst Eure Konzentration trainieren, damit Ihr die Schwachstellen Eures Feindes ergründen könnt. Mit Konzentration könnt Ihr seine nächste Handlung möglicherweise deuten und gegen sie vorgehen. Ihr müsst auf die unscheinbarsten Dinge achten.«   Die Kriegerin runzelte nachdenklich ihre Stirn. »Warum kämpft Ihr, wenn Ihr nicht getroffen werden könnt? Ihr müsst doch auch damals - irgendwann - erkannt haben, dass Ihr diese Art von Konzentration gut beherrscht. Warum habt Ihr den Schlangenrücken angegriffen, wenn Ihr nicht verletzt werden könnt?« Aufmerksam ruhten ihre bernsteinfarbenen Augen auf dem Unversehrten, während dieser seinen breiten Kopf in den dunklen Himmel hob.   »Das liegt daran, weil wir Mantis es nicht anders kennen, schätze ich.«, begann er ruhig und rau, ehe er seinen Blick wieder auf Struana legte. »Einen Mantis erfüllt von Geburt an vor allem die Lust am Kampf. Die Teilnahme an einem Schwarm ist nicht nur ein kultureller Initationsritus, es ist der Auslöser für unsere körperliche Reifung. Dadurch lernen wir uns selbst erst wirklich kennen.« Malik schwieg für ein paar Augenblicke, während Struana hinter sich das summende Geräusch von Flügeln hören konnte. Einige Vesswachen zogen ihre Kreise etwas weiter um Klaxxi'vess, ehe sie wieder abdrehten um zu der heiligen Stätte zurückzukehren. Selbst Kil'ruk hatte seinen Kopf erwartungsvoll gehoben, doch der Ausdruck in seinen Augen war sofort verschwunden, als sie hinter dem großen Kypari wieder verschwanden. Nachdenklich spähte der Windschnitter ihnen hinterher.   »Nur wer aus dem Kampf zurückkehrt, kann von einem Schwarmgeborenen zu einem voll bewussten, individuellen Bürger werden.«, beendete Malik seinen Satz und schulterte seine Hellbarde. Struana betrachtete ihn lange, während sie über seine Worte nachdachte. Die Schwarmgeborenen waren die Mantis, die jung schlüpften und den Schlangenrücken angriffen. Erst, wenn sie als Überlebende aus diesem Kampf herausgingen, könnten sie also einen Platz in der Gesellschaft der Mantis finden. Warum schickte man seine Jüngsten in einen Kampf, bei dem sie nur den Tod finden konnten? Möglicherweise verliefen diese Schwärme für gewöhnlich anders, wenn sie den Zeiten des Zyklus folgten. Aber das was sie am Schlangenrücken gesehen hatte, war ein reines Blutbad in ihren Augen.   Doch andererseits, welcher Mantis sich als besonders herausragend im Kampf behaupten konnte, wurde in den Stand eines Getreuen gehoben und würde den Klaxxi dienen. Soweit hatte sie folgen können. Und die Klaxxi schritten ein, wenn der Zyklus nicht so verlief, wie er verlaufen sollte. Immer noch nicht sehr von dieser Vorgehensweise überzeugt, musste die Worgen doch zugeben, dass die Rolle der Klaxxi in der Gesellschaft der Mantis sie faszinierte. Auch wenn Struana immer noch sehr wenig über die Klaxxi wusste, verstand sie inzwischen etwas besser, warum es sie gab und welchen politischen, lebenserhaltenden Einfluss sie ausübten. Zumindest lebenserhaltend in den Augen der Klaxxi, alles im Sinne des Zyklus. Aus einem ihr unbekannten Grund hatte sie aber Mitgefühl für die Kaiserin. Die Worgen selbst war selbst von den Mächten des Shas heimgesucht worden, doch sie konnte geheilt werden. Sie fragte sich, ob es nicht eine Möglichkeit gab, die Kaiserin ebenfalls zu läutern.   »Wo seid Ihr mit Euren Gedanken?«, fragte Malik interessiert und Struana sah ihn an. »Ich habe mich nur gefragt, wozu das Training dienen soll, wenn ich Euch ohnehin nicht treffen kann.«, log sie. Die Getreuen und die Klaxxi waren der Überzeugung, dass die Kaiserin gestürzt werden musste. Sie würde ihre Gedanken über eine mögliche Läuterung nicht offenlegen, zumindest jetzt nicht. Struana wollte sich zunächst selbst von dem Zustand der Kaiserin überzeugen und sie hoffte, dass sie Gelegenheit dazu bekommen würde. Gezwungenermaßen diente sie den Klaxxi und ihr Wille war - wie jeder Mantis in Klaxxi'vess mehr als einmal bestätigen würde - ewig. Doch noch war sie nicht überzeugt von der Vorgehensweise der Klaxxi. Aber wer war sie schon um dies in Frage zu stellen? Eine dumme, niedere Kreatur, wie Kil'ruk sie gerne bezeichnete.   Der Unversehrte klickte amüsiert mit seinen Kieferzangen. »Ein Krafttraining für Euch, eine Ersteinschätzung für mich. Ich muss wissen, wo ich bei Euch ansetzen muss, und ob sich ein Training überhaupt lohnt.« Malik deutete mit dem Kopf auf die am Boden liegende Waffe. »Und nun ist es an der Zeit herauszufinden, ob Ihr wachsen könnt, Erweckerin. Verteidigt Euch, ich werde mich nicht zurückhalten.«   Struana funkelte Malik an und beugte sich vor um ihre Stangenwaffe aufzuheben. Ihre Muskeln rebellierten, nachdem sie für längere Zeit kein Gewicht getragen hatten, doch sie zwang sich ihre Waffe vor sich auf Brusthöhe zu heben. Wenn sich der Unversehrte wirklich nicht zurückhalten würde, sah sie endlich seine wahre Kraft. Doch irgendwie musste sich die Kriegerin eingestehen, dass sie bezweifelte, dass er dies tun würde. Auch wenn Malik sie besser behandelte als Kil'ruk - oder die anderen Mantis in Klaxxi'vess - stand sie immer noch unter ihm.   Malik schnellte vor und hob seine Hellbarde über sich. Struana hob ihrerseits die Stangenwaffe und parierte den Angriff von oben. Ihre Knie erzitterten unter dem Schlag des Getreuen, doch die Worgen zwang sich standzuhalten. Der Unversehrte drehte seine massive Waffe und versuchte einen Angriff von der Seite, doch die Kriegerin erinnerte sich an diese Bewegung. Sie selbst hatte diese Taktik angewandt und sie erinnerte sich an seinen Konter. Sie wich zurück und schützte ihre Seite, doch der Angriff war nur angetäuscht. Aber auch den anderen Schlag konnte sie abwehren, indem sie die Waffe nach oben zog und von sich wegstieß. Danach drehte sie schnell ihre Waffe und versuchte, mit dem Schaft nach ihm auszuholen, doch der Getreue parierte sie - natürlich.   Mit gekreuzten Waffen standen sie sich gegenüber und Maliks Augen funkelten erfreut hinter dem Gitterschutz seines Helmes. »Seht Ihr, Erweckerin? Jede Kreatur lernt im Kampf.«, raunte er und griff ihre Seite an. Doch die Kriegerin schlug die Waffe zu Boden und schlang sich aus der Reichweite seiner Hellbarde.   Mit amüsierten blickte der Unversehrte zu ihr auf. »Scheinbar besitzt Ihr doch genügend Konzentration um Euch immerhin Kampfzüge anzueignen, die Ihr noch nie angewandt habt. Und das auch ohne, dass Euer Leben in Gefahr ist.« Der Unversehrte klang überaus erfreut, als er seine Hellbarde erneut über seinen Schultern schwang und sich die Waffen abermals kreuzten, als die Kriegerin den Schlag abfing.   »Ich beginne zu verstehen was Ihr meintet, als Ihr sagtet, nur im Kampf würde man wachsen, Malik.«, murmelte die Worgen und schnippte erfreut mit ihren Ohren.     *****     Nahe der Küste glaubte er, dass die Schreckensöde fast schon einladend wirkte. Am Rand der Klippen brachen sogar die letzten, abendlichen Sonnenstrahlen durch, ehe sie die Nacht einläuten würden. Die Wellen glitzerten, während der Wind den Geruch von Salz mit sich trug. Dennoch schien kein Sonnenstrahl auf die Erde der Schreckensöde. Die kleine, dunkelbraune Füchsin kletterte schwanzwedelnd über die Geröllmauern des Schlangenrückens der am südlichsten Punkt völlig zerstört war. Sie kauerte sich auf die obersten Mauerblöcke und spähte mit ihren eisblauen Augen und gespitzten Ohren auf die gegenüberliegende Seite.   Weramor schlich geräuschlos über die Steine hinweg und kauerte sich neben seine Gefährtin, die er ruhig zwischen den Ohren kraulte. Die sperrige, große Stangenwaffe hatte er auf seinem Rücken befestigt und trug den Langbogen in der rechten Hand. Sein goldener Blick glitt über die breite Küste der Krasarangwildnis und den Strand, die er anders in Erinnerung hatte. Der Wechsel des Klimas, von der kalten Schreckensöde zu den fast schon tropischen Temperaturen des Dschungels war bereits an der Grenze spürbar. Schweiß legte sich wie ein Film über seine Haut und er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn, während er weiterhin in geduckter Stellung spähte. Vor ihm bauten sich bereits die ersten Grundmauern einer Festung auf, die nicht von Menschenhand erbaut worden war. Mehrere Bäume mussten weichen und waren sauber abgeholzt worden. Manche der riesigen Stämme lagen noch mit den Baumkronen um den großen Platz herum, welches wohl das Lager sein musste. Blutelfische Späher patrouillierten über den Stützpunkt, während Weramor am Rand einige Orks beisammensitzen sehen konnte. Goblins wuselten herum, um wohl den Bau der Festung zu überwachen, die in ein paar Tagen hier komplett stehen würde.   Vor der Küste schwammen drei riesige Schlachtschiffe auf dem Meer, während zwischen ihnen und der Küste mehrere, kleine Boote ruderten. Sie waren mit Kisten und Kriegern beladen, die bald alle auf Pandaria Fuß fassen würden. Die Horde hatte genau hier, am westlichsten Punkt der Krasarangwildnis ihren Anker geworfen und errichtete ihren Stützpunkt. Der Jäger unterdrückte ein leises Seufzen in Anbetracht seines unfassbaren Glückes. Wenn die Späher der Horde unachtsam waren und er sehr geschickt, könnte er an dem Lager vorbeischleichen, aber danach wieder in die Schreckensöde zu kommen könnte schwierig werden. Wenn der Bau weiter voranschritt - was er zweifelsfrei würde - könnte die Festung aus Eisen und Rauch in einigen Tagen beendet sein und dann würden sie keine Lücke mehr in ihrem Lager übersehen. Sein Blick verdüsterte sich, doch es ging ihn nichts an, was die Horde hier auf Pandaria genau suchte. Vielmehr ärgerte er sich über die Tatsache, dass er nicht mehr so einfach wieder in die Schreckensöde kommen konnte, wie er sich vorgestellt hatte.   Weramor wartete mehrere Momente, ehe er seiner Füchsin ein stilles Zeichen gab und die beiden den Schutt des Schlangenrückens nach unten sprangen. Weich landete er in dem Gras unter sich und schnell fand er Deckung in einem Gebüsch. Eine Blutelfe, gekleidet in roten und goldenen Farben des Wappens von Silbermond patrouillierte gerade die Umgebung ab. Eigentlich war sie mit diesem Bereich bereits fertig gewesen, dennoch hielt sie inne und sah über die Schulter zurück. Die Kapuze ihres Umhangs bedeckte ihren Kopf, dennoch hingen ihr einige schwarze Haarsträhnen im Gesicht, als ihre grünen Augen direkt in die Richtung des Gebüsches funkelten. Weramor hielt die Luft an, während sich die Sin'dorei misstrauisch dem Busch näherte und sich mit gerunzelter Stirn umsah, einen Pfeil in die Sehne ihres Bogens gelegt. Mit ihren von Felmagie besetzten Augen spähend, lauschte sie und hielt inne, doch sie vermochte keinen verräterischen Laut mehr zu vernehmen. Einige weitere Herzschläge später wandte sie sich ab und ging bedenklich langsam weiter, die Umgebung immer noch argwöhnisch absuchend.   Erleichterung entfaltete sich in dem Nachtelfen, als er sie auch nach weiteren Augenblicken, die ihm wie endlose Stunden vorkamen, nicht wieder sah. Geduckt richtete er sich auf und schlich am Rand des Lagers entlang des Schlangenrückens davon.   Dunkelheit legte sich über die Krasarangwildnis, als die Sonne untergegangen war und hüllte den Dschungel in einen nächtlichen Schleier. Weramor tauchte immer weiter in das Unterholz hinein und legte auch noch an Tempo zu. Er hatte nicht mehr viel Zeit um der Bitte in dem Brief nachzukommen. Die Mondsucht war bereits weit hinter ihm und seine Gedanken drehten sich nur noch um sie. Nie hatte er geglaubt wieder von ihr zu hören. Die Vergangenen Zeiten nagten noch an ihm und hatten seine Konzentration möglicherweise auch in den vergangenen Wochen stark eingegrenzt - das musste sich sogar er eingestehen. Doch wenn diese Sache erst einmal geklärt war, würde ohnehin nichts mehr so sein wie es nun war. Im schlimmsten Fall, wäre dies die letzte Mission, die er im Namen der Mondsucht ausführen konnte.   »Halt!«, rief eine Stimme in den Schatten und Weramor blieb augenblicklich stehen. Er hob seinen Blick in die Höhe, aus der die Worte gerufen worden waren und erkannte eine Nachtelfe in der Tracht der Schildwachen. Sie hatte die Augen verengt und ein Pfeil schimmerte in der zurückgespannten Sehne des Bogens, den sie hielt. »Ihr-«, sie unterbrach sich selbst, als sie den Bogen senkte und ungläubig auf ihn herabstarrte. »Ihr kommt geradewegs aus dem Lager der Grünhäute und Ihr lebt noch?«, fragte sie etwas ungläubig. Ihre violetten Haare rahmten ihr schmales Gesicht ein, als sie zu ihm blinzelte.   Weramor lächelte leicht, als er ihre Unsicherheit wahrnahm. »Ich bin aus Zufall in die Nähe des Lagers gekommen.«, log er ohne sich zu verraten. Nymeria wedelte mit ihrem buschigen Schweif und schlich um ihn herum, während die Nachtelfe ihren Kopf schüttelte.   Sie schnaubte gereizt. »Bei Elune, Ihr solltet wachsamer sein, wenn Ihr in Krasarang unterwegs seid. Wisst Ihr denn nicht, dass dies bald alles Kriegsgebiet sein wird?«, fragte sie tadelnd. »Geht erst einmal zum Posten der Silberschwingen, von hier aus immer Richtung Norden. Wenn Ihr sie erreicht habt könnt Ihr an den Klippen entlang zum Tal der Vier Winde gehen, was ich Euch nur empfehlen kann, wenn Ihr einen schwachen Orientierungssinn besitzt.«   Der Jäger nickte matt und ging an dem großen, moosbewachsenen Baum vorbei, auf dem die Nachtelfe Stellung bezogen hatte. Er spürte noch ihren genervten Blick auf sich, als sie ihm nachsah. Weramor nahm sich vor, ihre scharfe Zunge nicht ernst zu nehmen, denn schließlich war es wirklich eine angespannte Situation derzeit in der Krasarangwildnis. Der Posten der Silberschwingen war sehr nahe an der Festung der Horde und sie mussten wohl jeden Augenblick mit einem Angriff rechnen. Notgedrungen musste er nun also nach Norden, doch es wäre auch nur ein kleiner Umweg, den er in Kauf nehmen musste. Außerdem hatte er die Möglichkeit die sperrige Waffe der Worgen loszuwerden.   Der Nachtelf erreichte nach wenigen Schritten den Posten der Silberschwingen, welcher wirklich mager aussah und einem größeren Angriff wohl keinen Stand halten würde. Die Bäume lichteten sich etwas und das Licht des kleinen Lagerfeuers erhellte den Platz auf dem zwei große Zelte und ein kleineres aufgeschlagen stand. Hinter dem Platz ragte bereits die riesige Klippe, auf dessen schwindelnden Höhen das Tal der Vier Winde lag. Fünf weibliche Nachtelfen - alle in der Kleidung der Schildwachen - saßen um das Lagerfeuer und hoben ihre Köpfe skeptisch, als Weramor durch die Bäume in das Lager trat. Unruhig wechselten sie einen Blick miteinander, während er sich ihnen näherte.   Als Weramor vor ihnen stand neigte er seinen Kopf: »Guten Abend, ich-«   »Sucht Ihr etwas?«, fragte eine raue Stimme und eine Decke das über einem der größeren Zelte gespannt war wurde zurückgezogen. Eine große Nachtelfe in kriegerischer Rüstung trat zu seiner Seite heraus und funkelte ihn forsch an. Ihre Augen leuchteten befremdend blau und ihre Haut sah ungesund und blass aus. Lange, grüne Haare legten sich um die Schulterstücke ihrer Rüstung und wirkten borstig und stumpf. Weramor war von ihrem herrischen Auftritt verwirrt und drehte sich ihr zu. »Habt Ihr Euch verlaufen und findet den Weg nicht mehr, oder habt Ihr einfach nur Wespen im Kopf Euch hier herumzutreiben?« Ihre Stimme klang wie splitterndes Eis, welches in der Sonne taute und ihre Anfeindung wirkte auf den Jäger grober als nötig gewesen wäre. Dennoch erkannte er, dass sie bereits tot war.   »Schwester, beruhigt Euch.«, murmelte eine der Schildwachen die am Feuer saß matt. Weramor fiel auf wie müde sie klang und erkannte nun die dunklen Schleier unter ihren Augen. Die Todesritterin schüttelte ihren Kopf. »Ich werde mich nicht entschuldigen, Schwester. Es gibt keinen Grund dazu.«   Weramor sah sie herausfordernd an. »Ich möchte in das Tal der Vier Winde reisen. Es ist nicht meine Absicht Euch zu belästigen.«, sprach er ruhig. »Ich wollte fragen, ob dieser Posten Verpflegung erhält und ob er von einem Boten besucht wird.«   Die Todesritterin nickte unwirsch. »In zwei Tagen bekommen wir eine neue Ladung mit den nötigsten Dingen, die uns die Allianz stellen möchte.«, knurrte sie leise und verengte ihre Augen.   Der Jäger blinzelte erstaunt. Die nötigsten Vorräte? Es war ungewöhnlich, aber normalerweise wurden die Stützpunkte der Allianz gut verpflegt, vor allem so nahe in einer Kriegszone. Er nahm die Stangenwaffe von seinem Rücken. »Ich möchte Euch dann bitten, diese Waffe mit dieser Nachricht entgegenzunehmen.«, begann er und zog auf einen Brief aus seiner Gürteltasche. Weramor hatte ihn noch in der Schreckensöde vorgeschrieben. Es war eine kurze Nachricht für Tensho und er hoffte, dass der Pandare nicht zu sehr enttäuscht sein würde, dass er die Worgen nicht gefunden hatte. »Bitte übergebt sie dem Boten, damit er sie zum Schlangenrücken bringen kann.«   Die Nachtelfe verengte ihre blauen Augen und ein kaltes Lächeln lag auf ihren Lippen. Sie öffnete gerade ihren Mund, aber eine andere Wächterin mit hellblauen Locken stand auf und nahm die Waffe des Jägers entgegen. »Wir werden sie dem Boten mitgeben, Bruder.«, versprach sie. Die Todesritterin warf ihr einen missfallenden Blick zu, doch dann seufzte sie. »Von mir aus.«, raunte sie und sah ihn wieder an. »Haltet Euch an den Klippen und Ihr gelangt in das Tal der Vier Winde. Ich hoffe Ihr verlauft Euch nicht.«   Weramor nickte der Schildwache, die die Waffe und die Nachricht entgegengenommen hatte freundlich zu. »Ich danke Euch.«, sagte er und richtete seine nächsten Worte an alle Anwesenden: »Ich wünsche Euch Elunes Segen für die Schlacht.«   Die Nachtelfen nickten ihm zu, nur die Todesritterin verschränkte ihre Arme. Der Jäger drehte sich um, pfiff nach Nymeria und ging aus dem Lager heraus. Der Druck des heraufziehenden Sturmes vor dem Krieg war deutlich auf den Schildwachen spürbar gewesen. Dennoch fragte er sich, was eine Todesritterin unter ihnen verloren hatte? Und warum es so schien, als hätte sie das Kommando über diesen Posten? Seit dem erfolgreichen Schlachtzug gegen die Geißel und Arthas, hatte er kaum noch Todesritter gesehen. Er hatte Gerüchte gehört, dass viele von ihnen immer noch in Nordend waren, doch aus welchem Grund- ... Das wussten vermutlich nur Todesritter.   Die Nacht hüllte ihn wieder in die Dunkelheit der Wildnis, als sein Weg ihn über stämmige Wurzeln und unebenen Boden führte. Seine Umgebung wurde matt von wenigen Glühwürmchen erhellt, die langsam zwischen den Wurzeln oder unter dem Blätterdach der Bäume herumflogen. Weramor würde nicht mehr lange brauchen, um den vereinbarten Treffpunkt zu erreichen, doch er hatte sich bereits verspätet, als er in das Lager der Silberschwingen getreten war. Er konnte nur hoffen, dass sie noch immer auf ihn wartete und wenn nicht-   Er schüttelte den Gedanken weg. Er wollte nicht darüber nachdenken was passieren würde, wenn sie nicht gewartet hatte. Sie hatte einfach warten müssen, immerhin betraf es sie beide, auch wenn der Schmerz der Vergangenheit in ihm noch fest saß. Weramor hatte nicht das Gefühl gehabt, dass er noch so sehr an ihr hing, bis sie sich wieder gemeldet hatte. Die Klippe zum Tal der Vier Winde neigte sich, während der Jäger den Treffpunkt erreichte und sich suchend umsah. Er sah sie nicht sofort, da sie auf einem Felsen in der Klippe saß, doch sie hatte ihn die ganze Zeit beobachtet, ohne sich zu erkennen zu geben.   Das Mondlicht, das durch die Lichtung der Bäume nun stärker war, enthüllte ihre Gestalt und Weramor erkannte, dass die Zeit an ihr spurlos vorbeigezogen war, seitdem er sie das letzte Mal gesehen hatte. Ihr silbernes Haar war zu einem lockeren Zopf zusammengebunden, nur einige Haarsträhnen lagen seidig im Seitenscheitel. Ihre helle, fliederfarbene Haut war makellos und wurde nur von den dunklen Tätowierungen um ihre Augen in Form von Ahornblättern überschattet. Ihr schlanker Körper steckte in einer dunklen Lederrüstung an dessen Gürtel mehrere Dolche hingen. Sie neigte ihren Kopf zu ihm herab und sah ihn mit ihren silbernen Augen an. »Ich hätte nicht geglaubt, dass du wirklich kommen würdest, Weramor.«, sprach sie leise und ein süffisantes Schmunzeln umspielte ihre Lippen. »Selbst nach dreißig Jahren hast du dich nicht verändert.«   Nymeria schlich um die Beine des Jägers herum, als dieser tief einatmete. »Es geht um etwas wichtiges, das ich schon viel früher hätte erfahren sollen, Nohlanie. Warum hast du es so lange geheim gehalten?«   Die Nachtelfe hob ihre langen Augenbrauen und sah amüsiert auf ihn herab. »Was? Dass ich dich wegen einer Schwangerschaft verlassen habe? Wegen unserem Sohn?«, fragte sie fast beiläufig und richtete sich auf.   Sie sprang leichtfüßig von dem Felsen herab und sah ihn zweifelnd an. Weramor runzelte seine Stirn. Ihre Bewegungen waren schleichend, fast wie von einem Raubtier. Nohlanie war schon vorher eine gute Zweischwertkämpferin gewesen, aber jetzt wirkte sie eher wie ein Schleicher. Jemand, der verdeckt arbeitete und meistens die Drecksarbeit für eine Gegenleistung erledigte. Ein Schurke. »Ich bin hier, weil er mich kennen lernen möchte. Ich hätte schon früher von ihm erfahren sollen.« Er biss sich auf die Lippen und schluckte einen Kloß herunter. »Warum bist du ohne ein Wort fortgegangen, wenn du ein Kind von mir erwartet hast?«   Der Frust in dem Jäger wuchs und er bebte innerlich. Seine Liebe zu Nohlanie hatte so plötzlich geendet, wie sie begonnen hatte und nun stiegen die vergrabenen Gefühle der Enttäuschung stärker denn je in ihm hoch. Jetzt, da er wusste warum sie ihn verlassen hatte, konnte er es noch weniger nachvollziehen. In ihrem Brief hatte sie geschrieben, dass ihr gemeinsamer Sohn ihn kennenlernen wollte - seinen Vater. Am liebsten wäre Weramor sofort aufgebrochen, nachdem er die Nachricht erhalten hatte, doch stattdessen hatte sie ihn fast einen Monat lang warten lassen. Zuerst wollte sie sich mit ihm hier treffen, bevor er ihn - seinen Sohn - sehen konnte.   Nohlanie sah den Jäger leidig aber kühl an, als sie auf ihn zuging. »Mein lieber Weramor...«, seufzte sie leise. Erst als sie direkt vor ihm stand und in seine Augen blickte sprach sie weiter: »Kommt es dir nicht etwas seltsam vor, dass ich mich nach all den Jahren wieder melde und dann auch noch behaupte, ich wäre wegen einer simplen Schwangerschaft gegangen?« Weramor starrte sie verständnislos an, zu verwirrt um etwas zu sagen. »Hast du wirklich geglaubt, ich hätte es dir nicht einfach sagen können? Ich schätze, du hast mich nie wirklich gekannt, mein Liebster.«   Der Jäger wich einen Schritt von ihr zurück und sein Gesicht verdüsterte sich. »Willst du mir damit ernsthaft sagen, dass das alles eine Lüge war?« Seine Gesichtszüge verhärteten sich und in seinem Inneren spürte er eine Hitze aufsteigen, die er nicht zuordnen konnte. War es Wut, oder Erleichterung? Er konnte es nicht zuordnen.   »Ich würde es vielmehr einen Vorwand nennen. Ich musste sichergehen, dass du auch wirklich kommen würdest.«, entgegnete Nohlanie und nickte sehr sachlich.   Weramor schluckte und atmete tief durch, ehe er gequält lächelte. »Du hast dich kein bisschen verändert, Nohlanie.«, sprach er bemerkenswert ruhig aus. Die Nachtelfe hob eine Augenbraue, womöglich aus Irritation, dass er sich ein Lächeln abrang. »Die Langlebigkeit der Nachtelfen verhindert, dass wir uns zu stark verändern in so kurzer Zeit.«, erwiderte sie knapp.   »Warum dieses Theater?« Weramor verschränkte seine Arme vor der Brust und sah sie argwöhnisch an. »Hättest du mir nicht einen normalen Brief schreiben können, wenn du dich mit mir treffen willst?«   Nohlanie lächelte verschleiert und sah etwas verletzt aus. »Wärst du denn gekommen?«, fragte sie leichthin. Weramor wollte antworten, doch schloss er seinen Mund wieder. Er konnte es nicht beantworten, denn der aufgewühlte Schmerz über ihr plötzliches Verschwinden saß zu tief. Es wäre so einfach gewesen 'Ja' zu antworten, doch er hätte sich vermutlich selbst nicht geglaubt. »Was willst du also?«, fragte er stattdessen.   Nohlanie schmunzelte amüsiert. »Ich habe einen Auftrag erhalten und ich brauche Verbündete.«, sprach sie und sah ihn herausfordernd an. »Jemand mit sehr viel Macht möchte, dass wir sichergehen, dass die Allianz diesen Krieg gewinnt. Er hat mehr Macht als Varian und Garrosh zusammen.«   Ihr aufmerksamer Blick ruhte auf Weramor, der sie skeptisch ansah. Er verlagerte sein Gewicht von einem Bein auf das andere. »Du solltest doch keine Probleme mit deinen Aufträgen haben, Nohlanie.«, sprach er knapp und abweisend. »Schon damals hast du die Züge eines Schurken gezeigt und wie ich sehe, hast du sie perfektioniert.«   Die Nachtelfe sah ihn ernst an. »Wenn ich hierbei erfolgreich bin, könnte dies den Krieg in der Krasarangwildnis - nein, nicht nur den - die gesamte Auseinandersetzung zwischen Horde und Allianz gravierend beeinflussen.« Ihre Worte klangen drängend, doch Weramor schüttelte seinen Kopf. »Ich kenne dich Nohlanie. Dich interessiert dieser Krieg genauso wenig wie mich. Nichts an dir ist so fragwürdig wie deine Loyalität.«   Nohlanie sah ihn weiterhin ruhig an. »Es geht mir nicht um den Krieg, sondern darum, die Horde nicht gewinnen zu lassen. Früher oder später werden sie im Stande sein, die Allianz auszulöschen und dass dies nicht geschieht, dürfte auch in deinem Interesse liegen.«   »Die Allianz auslöschen?«, fragte Weramor und drehte seinen Kopf wieder zu Nohlanie. Kurzzeitig war sein Interesse geweckt worden, auch wenn sein Pflichtbewusstsein für die Mondsucht wieder in ihm aufgekommen war. »Was weißt du?«, fragte er ruhig.   Nohlanie lächelte leicht, jetzt da sie seine Aufmerksamkeit hatte. »Vieles. Ich sagte doch, dass mein Auftraggeber sehr viel Macht besitzt und er lässt mich an den Visionen dieser Welt teilhaben.« Sicher ging sie an Weramor vorbei und blieb knapp hinter ihm stehen, ehe sie ihren Kopf an sein Ohr drehte. Ihre Lippen hätten ihn berühren können, wenn sie es gewollt hätte und er zuckte nicht zurück. »Wenn du auch Teil dieser Macht werden willst komm mit mir. Du wirst alles erfahren, alles verstehen, alles wissen. Über das Schicksal Azeroths.«, flüsterte sie leise.   Weramor schnaubte leise, während sie ihren Blick wieder nach vorne richtete und sehr langsam zurück in die Schatten der Krasarangwildnis ging. Für einige Herzschläge hörte er nur ihre Schritte und er blickte gedankenverloren über die ruhige Landschaft des Tals der Vier Winde. Was war das für eine Macht, von der Nohlanie sprach? War sie vertrauenswürdig? Konnte man sie für etwas Gutes einsetzen? Was war dieses Schicksal, das Azeroth erwartete? Wer war dieser Auftragsgeber?   Sein Herz wurde schwer, als er sich von dem Tal der Vier Winde abwandte und Nohlanie nachsah, die dabei war, in den Schatten zwischen den Bäumen des Dschungels zu verschwinden. Er könnte es herausfinden, sichergehen, dass Nohlanie keine Dummheiten machte. Jetzt konnte er ohnehin nicht mehr so einfach in die Schreckensöde zurückkehren und vielleicht war es gut, etwas mehr zu erfahren. Vielleicht könnte diese Macht auch der Mondsucht gegen das Sha helfen.   Mit einem leisen Pfiff über die Schulter folgte er Nohlanie. Nymeria nah ihrem Herren an, ehe sie ihm schwanzwedelnd in das Unterholz hinterherlief.     *****     Sie rümpfte ihre Nase, als ihr der Gestank von Qualm und Rauch entgegenschlug der von den Schmieden herrührte. Die kleinen grünen Plagegeister waren damit beschäftigt Holz- und Eisenschichten miteinander zu verschmelzen und der Gestank missfiel der Sin'dorei sehr. Sie hielt sich am Rand des Lagers auf um nicht von den Peons oder Goblins belästigt zu werden. Jedoch war sie fast der Überzeugung, dass die sie ohnehin nicht belästigen würden. Die Waldläuferin lehnte sich gegen einen der riesigen Bäume, der gefällt worden waren. Eine Schade, doch sie konnte sich den eher harmlosen Befehlen nicht jetzt schon widersetzen. Zumindest für den Augenblick hatte sie ihre Ruhe vor den Kor'kron und konnte sich Gedanken über diese hässliche Festung machen, die hier entstand.   Zunächst war Zyraphen unschlüssig gewesen, ob sie die Geisterlande wirklich verlassen sollte, doch sie wurde von Halduron Wolkenglanz, dem Weltenläufer und Oberbefehlshaber aller Waldläufer selbst, zurückgerufen. Der Kampf in den dunkleren Ländereien ihrer Heimat waren zwar nicht mehr so brutal wie einst, doch immer noch Gefährlich. Mit ihrem Trupp hatte sie die Trolle der Amani an den Rand der Auslöschung getrieben und der Kult der Verdammten konnte sich einen anderen Platz suchen um ihre Schwarze Magie zu praktizieren. Es war ein raues Leben unter den Waldläufern, während viele Bewohner Silbermonds noch nicht einmal mehr an die Schrecken dachten, die direkt vor der goldenen Stadt lauerten. Doch Zyraphen hatte dieses Leben gemocht, auch wenn sie als Waldläufer nicht mehr die Anerkennung bekam wie vor vielen Jahren.   Nicht begeistert von der Nachricht hatte sie sofort den Weltenwanderer aufgesucht und ihn zur Rede gestellt, was denn so wichtig wäre. Mit teilweise verfilzten Haaren und Dreck im Gesicht und auf ihrer Kleidung hatte sie ihn in den Hallen des Herzes von Silbermond herausgefordert. Der Weltenwanderer konnte ruhig sehen, dass sie inmitten eines Einsatzes gewesen war, aus dem sein Bote sie herausgezogen hatte. Glücklicherweise kannte Halduron sie sehr gut und sah ihr auch ihre gelegentlichen Wutausbrüche nach. Doch er hatte sie auch gut genug kennen sollen, dass sie sich einen Dreck um ihre äußere Erscheinung scherte, als sie ihn aufgesucht hatte. Auch wenn - oder eben genau weil - es Silbermond war, hätte sie sich nie die Mühe gemacht, sich vorher in den Spiegel zu sehen. Die edlen Magier und Paladine sollten ruhig sehen, dass ihre Stadt den Schutz brauchte, nicht fremde, gefrorene Ländereien.   Er hatte ihr nicht viel erklärt, doch dann hatte der Lordregent, Lor'themar Theron selbst, den Konferenzraum betreten. Es war für die Waldläuferin eine solche Ehre gewesen und sie würde diesen Moment nie vergessen wie überrascht er von ihrer Erscheinung gewesen war. Ihr Umhang war notdürftig an sehr vielen Stellen geflickt worden, ihre Kettenrüstung teilweise abgerissen, ihr Gesicht mit Dreck und ihre Kleidung mit Schlamm bespritzt. Nicht einmal ihre Kapuze hatte sie sich abgesetzt und so wurde sie dem Lordregenten vorgeführt. Das erste Mal in ihrem Leben als Waldläuferin hatte sie sich für ihre äußere Erscheinung geschämt. Der gesamte Hofadel hätte anwesend sein können und es hätte sie nicht geschert. Doch bei dem Lordregenten von Silbermond selbst, sah die Sache anders aus. Damals war sie erstarrt. Sie hätte sich zumindest kämmen können.   Aber ihr Aussehen hatte sehr schnell keine Rolle mehr gespielt, sondern ihr bevorstehender Auftrag. In diesem Konferenzraum hatte sich ihre Starre sehr schnell in Unmut verwandelt. Zyraphen sollte mit der Archäologischen Akademie nach Pandaria reisen. Die Sin'dorei hatte bisher nicht sehr viel von dem neuen Kontinenten hinter den Nebeln gehalten und diese Einstellung hatte sich auch jetzt noch nicht geändert, nachdem sie einen Fuß darauf gesetzt hatte. Doch ihr sollte die Ehre zuteilwerden, als Stellvertreter ihres Volkes aufzutreten und die Ausgrabungen zu leiten. Zumindest war dies die Fassade die sie aufgrund der Geheimhaltung aufrecht erhalten musste.   Ihre wirkliche Mission bestand darin - neben der Leitung der Ausgrabungen - ein wachsames Auge auf Garrosh zu haben. Sie sollte seine Vorgehensweise, seine Befehle, jeden Schritt, den er auf Pandaria tätigte, überprüfen und dem Lordregenten sofortigen Bericht erstatten, sollte ihr etwas merkwürdig vorkommen. Allerdings hatte man ihr nicht gesagt, was in diese Kategorie komisch fiel. Denn schließlich war sie eine Waldläuferin, sozusagen das eigentliche Gegenteil ihrer von Magie geformten Kultur. Vermutlich war sie selbst für den Größtteil ihrer Rasse 'komisch'. Zyraphen würde wohl einfach die Augen offenhalten und wachsam sein. Es war merkwürdig, sich auf ihre neue Rolle als Leiter einer langweiligen Ausgrabungsoperation einzulassen, wo sie doch lieber bedächt spähte, sich im Hintergrund aufhielt und dafür sogar lieber im Dreck robbte, aber sie würde diese Rolle auch meistern.   Doch es war nicht nur ihre verdeckte Mission die ihr Sorgen bereitete. Es war auch das Wissen, welches der Lordregent mit ihr geteilt hatte. Wissen über die Zukunft von Silbermond und der Sin'dorei. Lor'themar Theron spielte mit den Gedanken Verhandlungen mit dem König von Sturmwind, Varian, zu führen. Er war sich noch unschlüssig, ob die Sin'dorei wieder der Allianz angehören sollten, Fakt war, dass er Garrosh als hetzerischen Kriegshäuptling nicht weiter akzeptieren wollte. Doch war es die richtige Entscheidung, wieder die Seiten zu wechseln, wie damals zu den Zeiten ihres Prinzen? Würde ihr Volk für immer zwischen den Stühlen stehen und von einer Fraktion zur nächsten gedrängt werden, aufgrund ihrer Herkunft? Sie hatten es auch geschafft mit ihren größten Feinden, den Trollen und Orks in der Horde ein Bündnis zu finden, auch wenn es mehr auf Nutzen als auf Vertrauen basierte. In Zyraphens Augen gehörten sie nicht wirklich zur Horde, aber gehörten sie zur Allianz?   Die Waldläuferin spähte gedankenverloren über das Lager und die Flottenschiffe, in denen die Mitglieder der archäologischen Akademie noch untergebracht waren, bis die Umgebung gesichert war. Wie Ratten war ihr Volk eingesperrt, doch sie hatte darauf bestehen können, bereits an Land zu gehen, um sich ein Bild von dem neuen Land zu machen. Bewusst hatte sie so den Unmut der Kor'kron auf sich gezogen, doch als Stellvertretende Repräsentantin der Sin'dorei war ihr das herzlich egal gewesen. Laute Schreie richteten ihren Blick wieder auf das Lager, in dem zwei Blutwachen der Kor'kron gerade einen Goblin anbrüllten. Sie drohten ihm, das wusste sie auch wenn sie nicht genau verstand, was sie sagten. Die kleinen, grünen Plagegeister sollten ihre Arbeiten an der Festung so schnell wie möglich erledigen. Grizzle Radflutsch ließ seine großen Fledermausohren hängen, während sich der kleine Körper des Goblins anspannte. Doch dann nickte er nur, er hatte nachgegeben. Die Goblins würden weiterarbeiten, bis die gesamte Festung stehen würde, und wenn sie Tage und Nächte keinen Schlaf bekommen würden. War ihre Ehrfurcht vor Garrosh so groß?   Zyraphen streckte sich und ging ihre Patrouille noch einmal zurück. Sie musste in Bewegung bleiben, ansonsten konnte sie sich nicht konzentrieren und gerade jetzt, wo sehr viel Verantwortung auf ihren Schultern lastete, musste sie sich zusammenreißen. Für den Sonnenbrunnen und das höhere Wohl der Blutelfen, würde die Waldläuferin diese Reise, diese Mission und diese - in ihren Augen - Verschwendung von Energie und Zeit in Kauf nehmen. Außerdem hatte sie schon sehr viel von Garrosh' Herrschaft gehört und sie wusste auch, dass es dumm wäre, ihn unbeobachtet herumlaufen  zu lassen.   Die Waldläuferin erreichte den zusammengebrochenen Teil des Walles am Rande zum Meer. Angeblich soll sich diese Mauer durch ganz Pandaria ziehen und trennte so das dahinterliegende Gebiet von den anderen ab. Für einige Herzschläge hielt sie inne, ehe sie das Gebüsch genauer untersuchte. Zyraphen beugte sich darüber und erkannte selbst in der Dunkelheit die abgebrochenen Zweige und einige frische Blätter die auf dem Boden verstreut lagen. Ein kleines Büschel braunes Fell hing zwischen den Zweigen und sie hob ihre Augenbrauen kurz, ehe sie sich wieder erhob und weiter ging.   Die Blutelfe hatte die goldenen Augen des Nachtelfen zwischen den Blättern gesehen. Es hieß, dass die männlichen Kal'dorei mit besonders goldenen Augen die Gabe der Natur besaßen - die eines Druiden. Vielleicht war wirklich ein Nachtelf auf die Idee gekommen hier herumzuschnüffeln, oder es war ein blöder Zufall gewesen. Aber wie dem auch sei, sie hatte keinen Grund gehabt ihn zu stellen, schließlich war ihre Aufgabe den kriegssüchtigen Ork zu observieren. In Gedanken versunken zog sie sich die rote Kapuze ihres roten Mantels tiefer in ihr Gesicht, während sie dem sachten Rauschen der Wellen lauschte und weiter ihren Weg ging.     Kapitel 7: 06 - Todesrufe -------------------------   »Wacht auf, Gilean.«, drang ihre Stimme leise an sein Ohr und der ältere Druide schlug seine Augenlieder müde auf, welche matt in der frühen Morgendämmerung leuchteten. Holora stand über ihm gebeugt und hatte ihre Hand auf seine Schultern gelegt um ihn sanft zu wecken. Mit ihren silbernen Augen spähte sie über die Schulter, ob sie jemand gehört hatte. Stumm nickte Gilean und schüttelte die Steifheit aus seinen Gelenken, als er sich auf seine Pfoten erhob und der Draenei folgte, die leise das Gewölbe des Tempels verließ. Ihm war nicht aufgefallen, dass er eingeschlafen war, aber vermutlich hatte die Heilung so vieler, verletzter Shado-Pan in den frühen Morgenstunden doch seinen Tribut gefordert. Holora schlich geschickt über die Mauern des Tempels, während sie Gilean zu einer unbeobachteten Stelle führte, an der sie den Niuzaotempel ungesehen verlassen konnten.   »Wo ist Ace?«, fragte Gilean leise, während er vorsichtig die Luft prüfte, doch er konnte keinen frischen Geruch der Pandaren wittern. Noch am Vorabend hatten sie genau diese Stelle patrouilliert. Die Schamanin sah über die Mauer hinweg und ging die ersten Stufen der schmalen, steilen Treppe hinunter. »Er ist bereits hinter dem Tempel.«, antwortete sie flüsternd und sah ihn kurz mit ihren leuchtenden Augen an. »Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum ihr beiden die Aura nicht spüren könnt, die von diesem Ort ausgeht. Ich hätte nie schlafen können.«   Gilean schüttelte seinen mähnigen Kopf. »Ich kann es nach wie vor nicht spüren, doch meine Träume waren unangenehm.«, flüsterte er leise und musste sich auf die steilen Stufen konzentrieren, die er hinabstieg. Ace hatte ihn informiert, dass er eine Höhle gefunden hätte. Er glaubte, dass sie direkt unter den Niuzaotempel führte und in dem Inneren eine starke Verseuchung des Shas auszumachen wäre. Er hatte die Höhle entdeckt, als er einen einzelnen Mantis gefolgt war. Der Mantis hatte ein Gefäß bei sich getragen, welches vor der Energie des Shas pulsierte. Noch war nicht klar, warum sich das Sha ausgerechnet direkt unter dem Tempel ausbreiten sollte und warum es nicht versuchte die Macht des Erhabenen zu unterwerfen. Außerdem beschäftigte Gilean diesen einzelnen Mantis, denn für gewöhnlich waren sie immer in größeren Schwärmen unterwegs, doch er war zuversichtlich, dass sie irgendwie alles herausfinden würden.   Die dunkle Umgebung in der Morgendämmerung wirkte farblos und verbarg ihre gestalten, als er mit Holora den Tempel verließ. Gileans Augen konnten sich gut an die Dunkelheit gewöhnen, aber Holora schien über die hügelige Landschaft zu stolpern. Sie waren so früh unterwegs um die momentane, zufriedenstellende Situation mit den Shado-Pan nicht zu gefährden. Er hoffte, dass sie nie herausfänden, dass sie hier herumgeschnüffelt hatten.   Bald schon erkannte der Druide die dunkle Gestalt des Hexenmeisters, welcher am Rand einiger absteigender Felsen stand und auf sie wartete. Die grünen Schleier der Felmagie schimmerten durch die Düsternis, als er seinen Kopf zu den beiden hob. »Na endlich.«, raunte er leise und richtete sich auf. »Ich dachte schon, ihr seid eingeschlafen.«   Gilean kniff seine Augen zusammen und prüfte erneut die Luft um von der Tatsache abzulenken, dass er tatsächlich eingeschlafen war, doch noch immer konnte er keine Veränderung wahrnehmen. Auch wenn der Wind nicht wehte, war der morgendliche Luft sehr frisch. Hören konnte er nur die üblichen, nächtlichen Geräusche die von kleinen Insekten herrührten. »Wo ist diese Höhle?«, fragte er im normalen Ton, da sie inzwischen weit genug vom Tempel entfernt waren, als dass er noch hätte flüstern müssen.   Holora sah sich aufmerksam um, als Ace in eine Richtung hinter sich deutete und die flachen, breiten Felsen weiter hinabstieg. »Sie liegt direkt an der Klippe.«, antwortete er schroff.   Der ältere Druide runzelte seine Stirn. »Und Ihr seid Euch sicher, dass sie bis unterhalb des Niuzaotempels führt?«, fragte er, während er dem Hexenmeister folgte. »Der Tempel liegt sehr weit hinter uns.«   »Ich bin nicht hineingegangen.«, raunte Ace ohne stehen zu bleiben.   Gilean schnippte mit seinen Ohren und folgte dem verschleierten Mann durch die Dunkelheit, die langsam immer heller wurde. Holora ging an ihm vorbei und warf ihm einen aufmunternden Blick zu, ehe sie weiterging und zu dem Hexenmeister aufholte. Gilean hob seine Lefzen leicht, denn die beiden verstanden sich auch ohne, dass sie ein Wort wechseln mussten und er war der Draenei für diese tiefe Freundschaft dankbar.   »Hier ist sie.«, sprach Ace und blieb vor dem erstaunlich großen Höhleneingang stehen. Er deutete mit einem Kopfnicken in das Innere und der Druide verstand, warum die Vermutung der Sha-Verseuchung nahelag. Es war als würde ihm ein leichter Luftzug entgegenwehen und jetzt glaubte er auch die Aura spüren zu können, von der Holora gesprochen hatte. Sein Nackenfell stellte sich auf, als er sie in Wellen wahrnehmen konnte.   »Taoshi meinte doch, dass sie das Sha des Hasses vertrieben hätten.«, murmelte Holora leise und der ältere Druide legte seinen Blick auf sie. »Wenn dem so ist, dann sollten wir es hier nur mit ein paar Schergen zu tun bekommen.«   »Möglich, aber dann müssten es einige von den Biestern sein.«, murmelte Ace und Gilean schnippte mit einem Ohr, während er in die Schwärze der Höhle spähte. »Die Verderbnis ist ziemlich stark, und das ist nur die Aura die wir hier spüren können. Wer weiß wie es drinnen aussieht.«   »Wir werden es nicht herausfinden, wenn wir hier weiterhin stehen bleiben.«, schnaubte der Druide und ging voraus. Seine Gefährten folgten ihm etwas zögernd, aber sie holten zu ihm auf, während sich die Schwärze um sie herum stürzte. Es war dunkel, aber seine Augen gewöhnten sich schnell an den neuen Umstand. Die Schritte wurden von den Höhlenwänden zurückgeworfen, als das Gewölbe zu einer Biegung grenzte. Die Höhlendecke wurde immer größer, je weiter sie gingen und jetzt konnte Gilean auch die ersten verderbten Energien erkennen, die Stellenweise aus den Wänden sickerten. Die weißen und schwarzen Nebelschleier legten sich wie ein Film über die Wand und zogen sich wie Schleier über den Boden.   Vor ihnen erstreckte sich ein sehr langer Gang, es gab keine Abzweigung oder eine weitere Biegung, nur der Weg geradeaus. Gilean war beruhigt, da sie sich ansonsten hätten trennen müssen, aber zugleich kroch Sorge seinen Rücken hinauf. Es war bis jetzt sehr ruhig gewesen und diese Aura passte nicht zu ein paar Energien die aus den Wänden flossen. Die Höhle hätte vollgestopft sein müssen mit den Schergen des Shas, doch stattdessen war sie vollkommen leer.   »Findet Ihr es nicht auch etwas sehr dunkel hier drin?«, fragte Holora hinter ihm und ihre Hufschritte verhallten, als sie stehen blieb. »Ich kann kaum noch meine Hand vor Augen sehen.«   Der ältere Druide blinzelte, denn er empfand es als nicht so dunkel. Vielleicht hatte auch nur er das Gefühl, denn Ace grummelte leise: »Ich werde für ein wenig Licht sorgen.« Seine Stimme wurde von den Höhlenwänden zurückgeworfen, doch auch seine Schritte verhallten und verloren sich im Nichts.   Gilean sah über die Schulter zurück, als das beängstigende Gefühl stärker in ihm wurde. Es behagte ihm nicht weiter alleine voran zu gehen, wo sie doch gerade jetzt lieber zusammen bleiben sollten. Sein Pelz prickelte unbehaglich, als er kurz glaubte, dass seine Sicht durch die Dunkelheit von der Holora sprach verschleiert wurde, doch-   Der Worgen drehte sich komplett um und spähte auf die kahle Höhlenwand hinter sich. Ace und Holora waren verschwunden. Verwirrt ging er ein paar Schritte wieder dem Ausgang entgegen. »Ace?«, sprach er vorsichtig und unsicher in die Dunkelheit. »Holora?«   Plötzlich hörte er hinter sich die vertrauten Stimmen seiner Gefährten. Wie waren sie-?   »Ich bin eine Draenei! Natürlich verabscheue ich die dreckige, dämonische Magie der Hexenmeister! Sie haben mein Volk nahezu ausgelöscht! Warum, sollte es bei Euch anders sein, Ace?«   »Niemand hat Euch gebeten mitzukommen, Tintenfisch! Dann geht doch zurück zu Velen und Euren heiligen, leuchtenden Windspielen!«   Gilean drehte sich verwirrt um und erkannte Holora und Ace, die sich gegenüberstanden. Ihre Gesichter waren wutverzerrt, während sie sich gegenseitig ankeiften. Der Druide hatte zu spät bemerkt, dass sie in eine Falle getappt waren.     *****     »Sagtest du nicht, du wirst für etwas Licht sorgen?«, murrte Holora. Sie sah überhaupt nichts mehr, als wäre sie blind. Noch nicht einmal ihre eigene Hand vor Augen konnte sie erkennen, geschweige denn den Boden unter ihren Hufen. Es war merkwürdig, dass ihr keiner antwortete, aber immerhin waren sie stehen geblieben. »Heh, bist du überhaupt noch da, Dämonenknecht?«, fragte sie scherzend und hielt inne, doch sie konnte nichts mehr hören. Keine Schritte, kein genervtes Raunen von Ace oder wie Gilean unruhig die Luft durch seine Nüstern ausblies. Es war als wären sie verschwunden, doch das konnte doch gar nicht sein. »Hallo?«   Verwundert blinzelte die Draenei, doch genauso gut hätte sie die Augen auch einfach verschließen können. Skeptisch runzelte sie ihre Stirn und tastete sich umständlich an der kalten Höhlenwand weiter voran. »Das ist wirklich nicht komisch.«, murmelte sie vor sich hin. »Und überhaupt - auch nicht der richtige Zeitpunkt.« Probehalber fuchtelte sie mit ihrer Hand vor sich herum, in der Hoffnung den Hexenmeister oder Gilean zu treffen, doch sie waren nicht mehr hier. Sie waren wie vom Erdboden verschluckt worden.   Wie war das möglich? Noch vor wenigen Augenblicken, als sie zumindest noch Umrisse erkennen konnte, waren die beiden vor ihr hergegangen. Wohin hätten sie verschwinden sollen? Holora hielt inne und konzentrierte sich auf das kleinste Geräusch, das sie hören konnte. Doch da war absolut nichts. Alles war still um sie herum, als wäre sie völlig alleine.   »Tötet sie! Tötet sie alle!«   Auf diesen Ruf folgten Schreie, der Gesang von surrendem Metall in der Luft und dumpfe Aufschläge, als würde etwas auf dem Boden aufschlagen. Die Draenei weitete vor Schreck ihre Augen und sie zuckte unweigerlich zusammen, als sie sich in der Zeit zurückversetzt fühlte. Das Blut in ihren Adern gefror und sie glaubte sich nicht mehr bewegen zu können. Sie kannte diese Geräusche, sie waren tief in ihr eingebrannt und sie hörte sie so deutlich als würde sie wieder mittendrin stecken. Der Tag an dem Karabor überfallen wurde. Holora erinnerte sich so deutlich an diesen grausamen Tag, als wäre es gestern gewesen. Diese Schrecken, dieses furchtbare Blutbad, die Schlachtung ihres Volkes würde sie nie vergessen und genau jetzt holten sie diese Erinnerungen ein.   Sie erinnerte sich an die Fratzen der Orks, als sie die Tempelpriester abstachen, an die heldenhaften, aber zum Scheitern verurteilten Versuche sich den Eindringlingen entgegenzustellen. Doch es war vergebens gewesen, denn sie wurden im Schattenmondtal überrannt, genauso wie in Shattrath. Von brutalen, von Blutsucht getriebenen Orks. Die Schreie um sie herum wurden intensiver, lauter und Holora verspürte eine solche Wut über ihre Machtlosigkeit in sich, dass sie sich betäubt fühlte.   Doch dies gehörte der Vergangenheit an, oder? Damals war sie noch nicht erwachsen gewesen. Holora hob ihren Kopf und versuchte ihre Gedanken zu klären, was ihr kaum möglich war. Dass sie diese alten Erinnerungen erlebte, war nicht das Werk von Schall und Rauch, sondern von einer wirklichen Bedrohung die hier in dieser Höhle lauerte. Sie hatte sich nicht getäuscht, die Präsenz des Shas war so deutlich gewesen und das schon im Niuzaotempel. Die Schamanin biss sich auf die Unterlippe, als die Geräusche von Klingen und Todesschreien immer weiter auf sie eindrangen. Dies war das Werk des Shas.   Die Schamanin wusste nicht wann sie dies zuletzt getan hatte, aber verbissen schloss sie ihre Augen, fasste sie sich an ihr Herz und betete. Sie betete zu den Naaru, zu dem Propheten und zu ihrer ehemaligen Heimat die jetzt zerstört war. Die Lichtwesen beschützten ihr Volk schon sehr lange und sie hatten ihnen ihre Gabe geschenkt. Auch wenn sie eine Schamanin war, den Segen der Naaru trug jeder Draenei in seinem Herzen.   Eine angenehme Ruhe breitete sich in ihrem Inneren aus und die Schreie um Holora herum wurden leiser, bis sie vollkommen verstummten. Stattdessen hörte sie die melodischen Klänge die von den Naaru ausgingen, wenn man sich in ihrer Nähe aufhielt. Es klang wie ein sanftes Windspiel und als sie ihre Augen öffnete, sah sie auch wieder etwas. Auf ihrer Stirn hatte sich ein helles Symbol aus gleißendem Licht manifestiert, durchdrang die Dunkelheit die sie umgeben hatte und vertrieb die Schreie ihres gefallenen Volkes. Nicht weit vor ihr erkannte sie die langen, scharfen Tentakel eines Shas, einem Schergen. Es gab ein leises grollen von sich, als es erkannte, dass sich die Schamanin aus der Vision befreit hatte.   Holora nahm die ihr gegebene Kraft der Naaru um bündelte sie mit dem hitzigen Element, während sich um ihre Hände herum glühendes Magma bildete. Noch bevor der kleine Schrecken sie erreichen konnte, schleuderte sie ihm die Lavaeruption entgegen. Das Sha kreischte laut auf, was durch den langen Gang und die Höhlenwände wiederhallte, ehe es schrumpfte und langsam in den Boden sickerte. Die Schamanin keuchte und sah sich in dem Gewölbe um.   Jetzt, da sie wieder sehen konnte, erkannte sie auch Ace, der etwas weiter vor ihr auf dem Boden kauerte und wie hypnotisiert auf seine Hände starrte. Ein Wimmern, gefolgt von einem lauten Aufschrei, als würde er von Schmerzen gefoltert werden drang an ihre Ohren, als er sich aufbäumte. Drei kleine Schrecken des Shas waberten um den Hexenmeister und starrten ihn gierig an, als er die Faust in den harten Steinboden unter sich rammte.   Die Schamanin musste nicht lange überlegen um zu wissen was hier geschah. Ace steckte vermutlich auch in irgendeiner Illusion fest, die ihn nahezu betäubte. Sie faltete ihre Hände über ihrer Brust und bat die Elemente um ihre Hilfe. Als sie die Arme ausbreitete, fauchte ein lauter Blitz durch das Gewölbe und traf hintereinander die drei Schrecken. Die Funken stoben über und die Essenzen kreischten auf, als Holora direkt durch ihnen hindurchrannte und sie in einem Blitzgewitter zur Seite schleuderte. Grob rüttelte sie mit ihren Händen an den Schultern des kauernden Mannes. »Wach auf, Ace!«, rief sie in der Hoffnung ihn so aus seinem Alptraum zu befreien. »Das ist nicht wirklich, was du hörst oder siehst!«   Die Abwehrspannung des Mannes setzte ein, als Holora ihn weiterschüttelte und seine Gugel von seinem Kopf glitt. Mit verwirrten und vor Entsetzen aufgerissenen Augen starrte er sie ungläubig an. Die Felmagie vor seinen Augen waberte und die Draenei wäre fast vor dem Anblick der grün glühenden Runen an seinem Hals und dem Unterkiefer zurückgeschreckt. »Wach auf und hilft mir!«, schrie sie ihm aufgebracht direkt ins Gesicht als sie hinter sich das Kreischen der Shaschrecken hören konnte. Sie hatte sie noch nicht vernichtet, dafür war ein Kettenblitzschlag zu wenig gewesen. Holora ließ von Ace wieder ab und riss ein kleines Totem von der Kette, die an ihrem Gürtel hing. Sie stellte es auf den Boden, fokussierte ihren Zauber und klopfte mit beiden Händen auf den Boden. Die Erde erzitterte und die Schrecken taumelten, ehe über Holora ein Schattenball rauschte der sich teilte und die Sha niederstreckte. Sie verblassten und versanken ebenfalls in dem Boden, ehe sich Holora erleichtert zu Ace umdrehte.   Auf der Stirn des Mannes glänzte der Schweiß, als er mit zusammengezogenen Augenbrauen auf die Schergen starrte. »Bin ich froh, dass du wieder hier bist.«, keuchte die Schamanin, als sie das Totem aufhob und sich zu ihm drehte. Der Hexenmeister fuhr sich durch seine dunkelgrauen Haare, die nicht zu seinem jungen Gesicht passen wollten und schnaufte. »Ich hatte sie gar nicht gesehen. Die Höhle stand in Flammen-« Weiter kam Ace nicht mehr. Er sah Holora an und sie erkannte eine tiefe Erleichterung in ihm.   »Es war eine Illusion.«, versuchte sie ihn zu beruhigen. Doch etwas anderes beunruhigte sie, als sie über sein Gesicht sah, auf dem die eingravierten Runen glänzten. »Ich wusste nicht, dass du-«   »Unwichtig.«, fiel ihr der Hexenmeister ruppig ins Wort, als er voraussehen konnte was sie sagen wollte und zog sich seine Kapuze wieder tief in sein Gesicht. »Es ist anders als bei dir, Holora.«, antwortete er dennoch etwas ruhiger, als er den Kragen und Schal über seinen Mund zog um die Runen in den Schatten zu verstecken. Lediglich die grünen Schleier Felmagie vor seinen Augen blieben zurück und glühten leicht, dort wo sie in den Schatten lagen. Ace sah sie noch einmal lange an, ehe er wieder sprach: »Wo ist Gilean?«   Die Draenei zuckte mit den Schultern, als sie sich umsah. »Vielleicht ist er bereits weiter in die Höhle gegangen. Möglicherweise wurde er gelockt.« Sie verwarf die Gedanken die sie beschäftigten und schüttelte ihren Kopf. »Kommt, wir müssen ihn finden. Wer weiß welche Vision ihn plagt.« Mit diesen Worten ging sie entschlossen voran und Ace folgte ihr auf den Fuß, während sie tiefer in das Gewölbe der Höhle vordrangen.     *****     Gilean durchging sprichwörtlich die Hölle auf Erden. Er wusste inzwischen, dass alles was er sah, nur Illusionen waren, eine Spiegelung seiner Ängste und seiner Vergangenheit, aber er konnte nicht vermeiden, dass er es an sich heranließ und er hasste sich dafür. Er hasste sich für das was er getan und nicht getan hatte. Nachdem er sich aus dem Streit zwischen Holora und Ace herausgehalten hatte, waren ihre Erscheinungen verschwunden. Stattdessen war er wieder in Gilneas gewesen. Dieselbe verfluchte Straße die er Nachts entlang gegangen war, nachdem er sein Tagewerk verrichtet hatte. Diese verfluchte Straße, in der ihn dieses Tier angefallen hatte und ihn mit dem Fluch infiziert hatte. Doch nichts schlimmeres als vielleicht eine Infektion ahnend, war er weiter nach Hause gegangen, nachdem ihm eine Stadtwache geholfen hatte das Ungetüm von sich zu zerren.   Die Wunde hatte gepocht, aber nicht schlimm ausgesehen. Mitten in der Nacht war er in sein Haus zurück gegangen, hatte seiner Tochter Pharetra einen Gute-Nacht Kuss auf die Stirn gegeben. Seiner wundervollen Tochter, die ihm von seiner ebenso wundervollen Ehefrau geschenkt wurde. Nichts ahnend hatte er sich die Wunde provisorisch verbunden und sich zu Isabell ins Bett gelegt. Gilean hatte sie nicht wecken wollen und er hatte es auch später nicht getan. Isabell hat noch nicht einmal ahnen können, dass sie in dieser Nacht ihren Tod finden würde, als sie müde ihren Arm auf seine Brust gelegt hatte - und das wegen ihm.   Es waren diese Bilder, die den älteren Druiden fast um den Verstand brachten. Bilder, die tief in seinem Unterbewusstsein vergraben waren, aber nie zurück in sein Gedächtnis kamen. Er erinnerte sich nicht an die Zeit in der er zum Worgen wurde, auch danach nicht. Erst wieder, als man ihn einfing und ihm den Trank verabreicht hatte fand er heraus, was er getan hatte.   Und gerade jetzt in diesem Augenblick klebte das Blut, das nicht seines war, an seinen Klauen und tropfte still auf den Boden. Er starrte die Frau an die ihm gegenüberstand und Gilean traurig anblickte. »Du Monster.«, sprach sie leise, während ihre Gestalt matt schimmerte. Sie war nicht real und Gilean versuchte sich dies immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Er wusste noch nicht einmal ob diese Bilder real waren die er gesehen hatte, oder ob sie die kranke Vorstellung eines Sadisten waren, aber er konnte sich selbst nicht vergeben. Sein Magen war verkrampft, ebenso wie sein kompletter Körper, als wäre er ein einziger Stein. Unfähig sich zu bewegen, oder etwas zu entgegnen, das diese Illusion hätte zerschlagen können.   Isabell - so lange war sie jetzt schon tot. Ihre schwarzen Haare waren zerzaust, ihr weißes mit Spitzen bedecktes Nachthemd zerrissen und mit Blut besudelt. Aus der Seite an ihrem Kopf klebte Blut, benetzte ihre Haare und tropfte über ihre Schulter hinab. Doch die tödliche Wunde zeichnete ihren Hals. Zerfetztes Fleisch und durchgetrennte Sehnen offenbarten den Biss, mit dem er selbst ihr Leben beendet hatte. Gilean konnte nicht atmen, sich nicht bewegen. Diese Schuld, seine eigene Frau getötet zu haben lag schwer auf seinen Schultern. Auch wenn er unter dem Fluch gestanden hatte, auch wenn er nicht Herr seiner Sinne gewesen war, dieses Blut, was ihr Nachthemd tränkte, haftete an seinen Klauen, an seinen Fängen. Er glaubte sogar ihr Blut zu schmecken und es schnürte ihm nur noch mehr die Kehle zu. So lange war es schon her...   Plötzlich bohrte sich ein fast schon befriedigender Schmerz durch seine Brust und Gilean wusste, dass er selbst Schuld für seine Nachlässigkeit war. Die Klaue des Shas zog sich quälend langsam aus seiner Brust wieder heraus und er keuchte auf, während er auf seine Knie sank. Gequält sah er noch einmal die Gestalt seiner Frau an, ehe sie verblasste und die Höhlenwände um ihn herum wieder sichtbar wurden. »Erbärmlicher Schwächling.«, grollte eine laute Stimme, während sich mehrere kleine Schergen um ihn herum sammelten. Er wusste es, Gilean hatte es gewusst und doch- Trotzdem hatte er sich von den Illusionen emotional mitnehmen lassen, wie hätten sie es auch nicht können? Der Geschmack von Eisen legte sich auf seine Zunge und er musste husten.   »Selbst die Shado-Pan waren nur Lämmer auf der Schlachtbank und auch wenn Ihr nicht so einfach zu manipulieren wart, Ihr werdet folgen. Hass wird sie alle gegeneinander aufwiegeln, bis die ganze Welt brennt.« Die Worte hallten durch das Gewölbe zu ihm, doch sie kamen von weiter weg. Von weiter dem Gang entlang. Doch die Ausgeburten versperrten ihm den Weg um weiterzukommen und er war bereits getroffen. Er war alleine. Er hatte sich von seinen Kameraden fortlocken lassen. Gilean hob seine Lefzen und entblößte seine Reißzähne. Er war noch nicht bereit zu sterben und doch sah es so aus, als ob er bereits überwältigt wäre.   »Zurück!«, rief eine spitze Stimme, als ein gleißender Blitzschlag über Gilean hinwegfauchte und eine Ausgeburt von ihm wegschleuderte. Eine Schattenkugel folgte, die sich teilte und zwei andere Sha traf. Der Druide nahm die Gelegenheit wahr und griff in seine Tasche. Schnell hauchte er in seine Pranke und warf zwei kleine Samen auf den Höhlenboden die sofort auf den kurzen Zauber reagierten. Sie sprossen und umgehend breiteten sich Ranken auf dem Boden aus die immer schneller wuchsen und die Schrecken einfingen. Im eisernen Griff der Ranken konnten sie nicht mehr machen als leise zu kreischen. Eine Hand legte sich auf Gileans Schulter: »Geht es Euch gut, alter Freund?«   Der Worgen blickte zu seiner Seite auf und sah Holora ins Gesicht, die ihm einen sorgenvollen Blick zuwarf. »Es geht schon.«, raunte er und stemmte sich auf seine Beine. Er hielt sich seine Brust, aus dessen Wunde Blut lief und knurrte leise. Noch immer fühlte er sich betäubt von den Illusionen die ihn geplagt hatten, doch jetzt war er nicht mehr alleine.   Ace trat an seine andere Seite, während Holora ein kleines Totem an ihrem Gürtel berührte und sich eine geringe Menge Wasser in ihrer Handfläche sammelte. »Diese Illusionen waren zu stark, zu real, als dass sie von diesen Schrecken stammen können.«, raunte er, während die Draenei Gileans Brust sanft berührte. Das kühle Wasser benetzte seine Haut und mit langsamen, schwenkenden Bewegungen ihrer Hand floss es um die Wundränder. Der Worgen schnaufte leise, während er den Heilungsprozess der Schamanin spürte. »Nein.«, raunte er. »Es muss das Sha des Hasses sein. Und es weiß, dass wir hier sind.«   Holora hielt kurz in der Heilung inne, ebenso wie das Wasser auf seiner Haut auf einer Stelle verweilte, ehe sie fortfuhr. »Wir müssen uns ihm stellen.«, knurrte sie fast und ihre Augen sprühten vor Zorn und Kummer. »Ansonsten wird es sich immer weiter ausbreiten.«   Gilean nickte als Holora ihre Heilung beendete. Die Wunde blutete nicht mehr und die Wundränder wirkten älter, als die Wunde selbst. Doch noch immer sah sie schlimm aus, aber für mehr war momentan keine Zeit. Ace ging bereits mit wallender Robe an ihnen vorbei. »Ich werde mich von einem solchen Vieh nicht aufhalten lassen.«, sprach er düster. Die Draenei und Gilean folgten ihm, während sie den Gang weiter entlanggingen. Es durfte nicht mehr sehr weit sein, dann dürften sie fast unterhalb des Niuzaotempels sein.   Nach einer weiteren Biegung mündete der Höhlengang in einen riesigen Raum und Holora hielt neben ihm den Atem an. Ace war stehen geblieben und kanalisierte Schattenmagie um sich, dass es aussah als wäre er in einem Schild gehüllt. Gilean sah einfach nur entsetzt auf die riesige Höhle in der haushoch das Sha vor ihnen aufragte. An den Höhlenwänden waberten dicke Nebel der Sha-Energie und erleuchteten die Höhle in ihrem verdorbenen Schimmer. Das Sha grinste die drei Gruppenmitglieder mit einer verzerrten Fratze an, während weiterer Nebel wie tropfendes Blut aus seinem deformierten Körper unterhalb der Rippen auf den Boden tropfte und sich ausbreitete. Die riesigen Klauen noch nah an den wabernden Körper gezogen, lachte es leise grollend und es hallte in der gesamten Höhle wieder. »Die Lämmer sind gekommen um es mir einfach zu machen, wie mir scheint.«, raunte die dunkle, tiefe Stimme des Shas ihnen entgegen und Gilean versteifte sich, angesichts der unglaublichen Größe, die das Sha des Hasses angenommen hatte.   »Was ist das?«, fragte Holora plötzlich entsetzt und Gilean zuckte unruhig mit seinen Ohren. »Dort, unterhalb des Shas.«, fügte sie hinzu, als sie keine Antwort erhielt. Der Druide konnte seinen Blick zunächst nicht von der monströsen Gestalt des Shas abwenden, doch dann zwang er sich auf die klauenähnlichen Beine zu blicken. Es war schwer, durch den Nebel das zu erkennen, was sie meinte, doch er glaubte eine Gestalt ausmachen zu können. Sie lag reglos auf den Boden, die Augen vor Qual und Grauen aufgerissen, während an den Rändern Blut herauslief. Der Mantid lag in seinem eigenen Blut, während das Gefäß in seinen toten Greifern noch immer pulsierte.   »Das muss der Mantis gewesen sein, denn ich in die Höhle gehen gesehen habe.«, raunte Ace mit zusammengebissenen Zähnen. »Scheinbar hat dieses Gefäß das Sha noch stärker werden lassen.«   »Ihr könnt mich nicht aufhalten, die Shado-Pan konnten es auch nicht.«, grollte die Stimme drohend, als das Sha seine monströse Klaue über seinem Kopf hob und sie auf die drei herniedersausen ließ. Ace, Holora und Gilean sprangen zur Seite, ehe sie auf den Boden donnerte und die Höhle zum erzittern brachte. Holora formte Magma zwischen ihren Händen, während der Hexenmeister bereits Höllenfeuer entfesselte, das sich über die Klaue fraß. Grollend zog das Sha die Klaue wieder zurück und grinste nur noch breiter. »Schwach!«, lachte es dumpf und griff sie wieder an.   »Es ist zu stark!«, rief Ace gerade als Holora die Lavaeruptionen auf das Sha entfesselte und dieses in seinem Angriff zurückwich. »Wie konnte dieses Vieh nur so stark werden?!«   Gilean fiel es wie Schuppen von den Augen, als er sah wie wenig das Höllenfeuer oder selbst Holoras mächtigster Zauber Wirkung auf das Sha zeigte. Sie würden weiterhin noch so energisch angreifen können wie sie wollten, denn das Sha des Hasses konnte nicht unter dem Niuzaotempel besiegt werden. Nicht so lange der Tempel ein Schlachtfeld war auf dem der Hass gegen die Mantis allgegenwärtig war und nur noch geschürt wurde, indem die Insekten angriffen. Gilean murmelte eine Formel und erschuf eine Windhose die er gegen das Sha des Hasses schleuderte. Es knurrte, lachte und tobte gleichermaßen, als es wieder zurückgeschleudert wurde. »Holora, Ace, wir müssen raus hier!«, rief Gilean laut. »Wir können es hier nicht besiegen!«   Die beiden warfen dem Druiden einen verwirrten Blick zu, während das Sha des Hasses wieder auf seine Beine kam. »Wie meint Ihr das?«, rief Holora skeptisch, doch Gilean deutete auf den toten Mantiden, der mehrere Meter zusammengekrümmt auf dem Boden lag. Er hatte keine Zeit alles zu erklären. »Sie verursachen den Hass! Es ist zu mächtig hier unten!«   Die Augen der Draenei weiteten sich, als sie verstand. Der Hexenmeister nickte und sie liefen los. Gilean drehte sich um und rannte so schnell er konnte durch den langen Gang, der ihm jetzt noch viel länger vorkam, als er zu Beginn gewesen war. Die Ranken die noch immer die Schergen in ihrem Griff hielten wichen, als er an ihnen vorbeisprang. Hinter ihnen schrie das Sha des Hasses und polterte hinter den drei Gefährten her, während sie dem Höhlenausgang langsam immer näher kamen. Das Röhren seines wuterfüllten Schreies, dem wahnsinnigen Lachen klirrte Gilean in den Ohren, als er das Licht am Ende sehen konnte.   Kurz bevor sie den Ausgang erreichten, blieb die Schamanin stehen und drehte sich schnell um. in ihren Augen funkelte Genugtuung, als sie einen Zauber wob. »Du wirst diese Höhle nicht verlassen!«, rief sie den größer werdenden Nebeln entgegen, dessen Fratze sich hämisch verzog. Sie stampfte mit dem Huf auf den Boden, während die Erde um sie herum aufsprang und die Höhle erzitterte. Sie hob ihre Arme und in den dicken Höhlenwänden bildeten sich tiefe Risse die aus der Decke regneten. Große Felsbrocken und kleinere Kiesel fielen, während die Höhle einstürzte und das Sha gefährlich nahe seine Klaue nach ihr ausstreckte.   »Holora! Lauft!«, jaulte Gilean, als sich die Draenei bereits umdrehte und loslief. »Ace! Bringt diese verdammte Höhle zum kollabieren!«, rief sie dem Hexenmeister zu, als sie aus der Höhle in das helle Sonnenlicht rannte. Sie drehte sich mit dem Mann noch einmal um und wob noch einen Zauber, während Ace schwefelndes Höllenfeuer auf den Höhleneingang entfesselte. Mit einer Mischung aus Qualm und Rauch brach der Höhleneingang zusammen, während der wutentbrannte Schrei des Shas zwischen dem Lärm der herabregneten Steine und Felsen erstickt zu hören war.   Die Schamanin schluckte laut und wischte sich den Schweiß von ihrer Stirn, ehe sie ihren Blick langsam hob. »Das Sha des Hasses wütet immer noch.«, murmelte sie leise, während sie weiterhin auf den eingestürzten Höhleneingang starrte.   »Aber es wird schwächer.«, sprach Gilean zuversichtlich und hob seinen Blick zu der aufsteigenden Sonne, die ihr Licht über die Tonlong-Steppe warf und sich einen Weg über den Himmel suchte. »Wir müssen die Shado-Pan davon in Kenntnis setzen. Vielleicht finden sie eine Möglichkeit den Krieg mit den Mantis vom Niuzaotempel fortzutragen und an einen anderen Ort zu verlegen.«   Eine bedrückende Stille breitete sich aus, doch die warmen Sonnenstrahlen spülten die Bedenken des Worgen fort. Er hatte gehofft den Shado-Pan nicht sagen zu müssen, wo sie gewesen waren, oder dass sie ihre Abwesenheit überhaupt zur Kenntnis nehmen mussten. Aber sie mussten sie einweihen, ansonsten würde das Sha des Hasses irgendwann den Tempel verwüsten, so wie das Schlangenherz.   »Trotzdem, eines verstehe ich nicht.«, murmelte Ace und die Draenei sowie auch Gilean legten ihre Blicke auf ihn. »Was denn?«, fragte Holora und klopfte sich kettenrasselnd etwas Staub aus der Hose.   Der Hexenmeister blickte von der Schamanin zu Gilean. »Warum war dieser Mantis in der Höhle? Warum hatte er ein Artefakt bei sich, welches das Sha mächtiger werden ließ?«   Gilean kniff seine blauen Augen zusammen, während er über die Worte des Mannes nachdachte. Er wusste auf was Ace anspielte. Es war ausgeschlossen, dass sich der Mantis in die Höhle einfach hineinverirrt hatte, schließlich hatte Ace ihn direkt hineingehen sehen. Stattdessen schien es, als hätte der Mantis nach dem Sha gesucht, doch wozu? Und woher hatte er dieses merkwürdige, vor Sha-Energie pulsierende Gefäß gehabt? Er hatte angenommen, dass dieses insektenähnliche Volk in der Schreckensöde nichts mit dem Sha zu schaffen hatte und nur die Umgebung dort unter dem Einfluss des Shas litt. Ein merkwürdiges Puzzle entstand im Kopf des älteren Druiden und es war schwer dieses zusammenzusetzen. Doch er würde den Spuren nachgehen und er hatte auch schon so eine Ahnung, wer ihm dabei helfen könnte.     *****     Sie fühlte sich erschöpft, als die lauter werdenden Geräusche an ihre Ohren drangen und sie ihre Augen aufschlug. Verwirrt blickte sich die Worgen in ihrem provisorisch eingerichteten Schlafplatz um, den sie mit etwas Moos und Blättern ausgepolstert hatte. Ihr 'Nest' war ziemlich primitiv, doch sie würde sich vorerst damit abfinden müssen. Selbst das bisschen, was sie zusammengebaut hatte, war in den Augen der Mantis bereits übertrieben. Wenn die Mantis überhaupt schliefen - Struana hatte noch keinen Mantis wirklich schlafen gesehen - dann bestimmt in den Wipfeln des hochragenden Kyparis über Klaxxi'vess. Die stämmigen Wurzeln des Kypari boten ihr hingegen ausreichenden Schutz, während sie zur Ruhe kommen konnte. Doch diesmal vermochten sie nicht Struana vor der Unruhe abzuschirmen, welche von der Plattform von Klaxxi'vess zu ihr drang. Sie richtete sich auf und schüttelte sich einige Blätter aus ihrem Fell, ehe sie komplett aufstand.   Die Worgen blickte wachsam über die heilige Stätte und den Signalgeber der sanfte, leise Wellen ausstrahlte. Sie konnte die Vesswachen in ihrer Nähe hören, die sich angeregt und krächzend miteinander unterhielten, während der Ingenieur Kor'ik in der Mitte an dem Signalgeber stand. Die Unruhe, die von den Vesswachen ausging, war fast unerträglich und stieg kribbelnd unter ihren Pelz, wie herumwuselnde Ameisen. Entschlossen schritt sie auf Kor'ik zu. Er hatte ihr den Auftrag gegeben an seiner Stelle den Resonanzkristall in den störenden Signalgeber der Kaiserin einzusetzen, vielleicht konnte er ihr sagen, was los war. Kor'ik bemerkte sie noch nicht einmal, als sie direkt neben ihm stand, weswegen sie sich leise räusperte. Doch noch nicht einmal darauf reagierte er sondern hantierte mit ein wenig bernsteinfarbener Magie an dem Signalgeber herum. »Könnt Ihr mir-«   »Nein!«, schnarrte Kor'ik und funkelte sie feindselig an. »Ihr stört! Lasst mich in Ruhe meine Arbeit machen!«   »Kein Grund aus der Haut zu fahren.«, murrte Struana ihm nach, als sich der kleine Mantis umdrehte und an die andere Seite des Signalgebers stapfte.   Schnaubend drehte sie sich um und sah sich genervt zu einigen Vesswachen um, die ihr belanglose Blicke zuwarfen. Wo waren eigentlich Malik oder Kil'ruk? Wollte er sie etwa nicht im Auge behalten? Mal ganz davon abgesehen, dass sie von dem Windschnitter ohnehin nichts interessantes erfahren würde, fühlte sie sich ohne ihn in diesem Insektennest unwohler als sonst. Doch es wirkte fast so, als hätten die Getreuen Klaxxi'vess verlassen. Struana fiel plötzlich auf, dass die riesigen Klaxxi ebenfalls fehlten und kurz juckte es in ihren Pfoten einfach loszulaufen und zu verschwinden. Doch sie wollte ihr Glück mit den Vesswachen nicht herausfordern, die sie vermutlich sofort wieder einfangen würden und sie verspürte nicht das Verlangen wieder an eine Fessel gekettet zu werden.   Das klirrende Geräusch eines Hammers, welcher auf Stahl schlug drang zu ihr und die Kriegerin bewegte interessiert die Ohren in die Richtung. Sie fasste den Bernschmied in ihren Blick der mit dem Hammer eine Waffe aus Kyparit formte, sie prüfend in die Luft hielt und dann das empfindliche, erhitzte Metall in einem weiten Trog ins Wasser tauchte. Dampf stieg auf und es zischte laut, während die Unruhe in Klaxxi'vess scheinbar völlig an ihm abprallte. Struana verharrte für einige Augenblicke an derselben Stelle, ehe sie direkt auf ihn zuging. Er stand alleine an der Schmiede und ging ruhig und zielstrebig seinem Tagewerk nach. Möglicherweise könnte sie aus ihm herausbekommen, was hier vor sich ging, auch wenn sie fast schon damit rechnete, dass er sich weigern würde überhaupt mit ihr zu sprechen.   Der Bernschmied schien Struana zunächst nicht zu bemerken, doch als sie nur noch einen Schritt von ihm entfernt war hob er einen prüfenden Blick. Aber selbst er musste einsehen, dass es unmöglich war, dass die Kriegerin jetzt noch einen anderen Weg einschlagen würde als direkt zu ihm. Dann legte er den Hammer ab und drehte sich um, doch die Worgen erhob das Wort, ehe er einfach weggehen konnte um sie zu ignorieren. »Wartet bitte kurz.«, bat sie, doch der Bernschmied sah nur missbilligend über seine Schulter.   Er drehte sich einfach wieder um und ging auf einen Waffenständer zu. Er packte ihn, während die Waffen die in ihm standen klapperten, um ihn zu verschieben. »Was wollt Ihr, Weichling?«, fragte er gereizt.   Struana konnte dem Bernschmied noch nicht einmal verübeln, dass er den Waffenständer vor ihr in Sicherheit brachte und er mit ihr nicht sprechen wollte. Immerhin hatte sie ihn, während sie an dem Kyparit gekettet war, mehr als nur ein paar Mal... gestört. »Ich bin nicht hier um Eure Waffenständer umzuwerfen.«, sagte sie. Sie konnte sich sogar ein Schmunzeln sehr gut verkneifen.   »Ach nein?«, raunte der Mantis übelgelaunt und nicht überzeugt, während er nach einem weiteren Waffenständer griff um diesen ebenfalls in einer übertriebenen Entfernung zu ihr wieder aufzustellen. Ernsthaft, als würden ihr meterlange Tentakel wachsen...   Die Worgen schüttelte langsam ihren Kopf. »Wir hatten keinen sehr guten Start, Bernschmied.«, begann die Kriegerin, während er wohl vorsorglich auch mehrere Behältnisse mit Kyparitsplittern aus ihrer Reichweite schaffte. »Die Waffe die Ihr für mich geschmiedet habt ist perfekt. Ich wollte mich dafür bedanken.«   Der Bernschmied grunzte leise. »Dankt nicht mir, dankt dem Unversehrten. Ansonsten hätte ich sie nicht gefertigt.« Als er sichergestellt hatte, dass nichts in Struanas Reichweite war, das sie umwerfen konnte näherte er sich wieder dem Amboss. Unentschlossen ob er wirklich weiterarbeiten wollte oder lieber die Worgen im Auge behalten sollte, griff er nach dem Hammer.   Struana unterdrückte ein Raunen, während sich die Stille zwischen ihnen ausdehnte. »Wie heißt Ihr überhaupt?«, war der verzweifelte Versuch ihn weiterhin am Reden zu halten. Doch der Mantis schien lediglich ihre Fragen zu beantworten in der Hoffnung sie würde bald wieder verschwinden.   »Zikk.«, war auch diesmal die knappe Antwort, ehe er in einen Gusskessel starrte der über einem Feuer schwelgte.   »Gut. Was macht Ihr da?« Struana wollte nicht aufgeben und erst Recht nicht locker lassen. »Kyparit schmelzen.«, antwortete er knapp. »Für Waffen?« »Für Rüstungsteile.« »Oh.«   Die Worgen seufzte innerlich auf und grummelte leise vor sich hin, während Zikk völlig konzentriert und mit zuckenden Fühlern in den Gusskessel blickte. Er betätigte eine Pumpe durch den ein Luftzug zu dem Feuer getragen wurde. Die Flammen züngelten auf und kleine Glutpartikel wurden aufgewirbelt. So würde sie nicht weiter kommen. Struana wollte bereits aufgeben und einfach wieder zurück zu ihrem Schlafplatz gehen, als der Bernschmied gelangweilt vor sich hin krächzte: »Sagt doch einfach was Ihr wollt, Niedere.«   Struana sah ihn verständnislos an. »Würdet Ihr denn antworten?«   »Kommt ganz auf die Frage an.«, erwiderte der Bernschmied, während er weiter in seinen Kessel starrte, ohne sie eines Blickes zu würdigen.   Die Kriegerin atmete tief ein: »Wisst Ihr, woher diese Unruhe in Klaxxi'vess herkommt?« Erwartungs- und teilweise ein wenig hoffnungsvoll - sah sie zu Zikk, der sie über die Schulter hinweg ansah. Für ein paar Augenblicke hielt er inne und spähte teilweise an ihr vorbei über den Hauptplatz und wieder zurück zu ihr. Er blinzelte ungleichmäßig mit seinen grünen, runden Augen. »Unruhe?«, fragte er schließlich zischelnd als wüsste er nicht wovon Struana sprach.   Perplex und verunsichert starrte sie ihn an. »Na, die Vesswachen tuscheln die ganze Zeit miteinander, sind unruhig und Kor'ik ist unverschämter als ohnehin schon! Jeder Mantis hier - außer Euch - wirkt angespannt als würden sie auf etwas warten. Das müsst Ihr doch bemerkt haben, Zikk!«   Fassungslos starrte die Worgen auf den Mantiden, der beschäftigt mit einer Eisenstange im Feuer herumstocherte. »Achso das. Ja, ich weiß warum.«   Erwartungsvoll sah sie ihn an - und erleichtert, dass er sie endlich verstanden hatte - doch der Bernschmied ließ sich nicht von seiner Arbeit ablenken. Er richtete in aller Ruhe eine Form aus und maß diese genau aus. Als er damit fertig war, drehte er sich wieder dem Kessel zu und stocherte erneut in der Glut herum. »Und?«, fragte Struana nervös und mit zuckenden Ohren, ehe Zikk seinen Kopf langsam wieder zu ihr drehte. »Ach, Ihr wolltet wissen warum?«   »Ja!«, drängte die Worgen energisch, als der Bernschmied seinen Blick wieder auf den Gusskessel legte und das geschmolzene Kyparit überprüfte. Er schien die Ruhe selbst zu sein, während jeder andere Mantis in Struanas Augen völlig verrückt wurde - mal ganz davon abgesehen, dass sie alle verrückt waren. Entweder war Zikk wirklich so beschäftigt mit dem was er tat, oder ihn ging das, was die Mantis beschäftigte, nichts an.   Nachdem er sicher gegangen war, dass dem schmelzenden Material so schnell nichts geschehen würde, drehte er sich Struana wieder zu. »Möglicherweise liegt es daran, weil die Klaxxi'va mit den Getreuen in den heiligen Hallen hinter dem Wappen der Klaxxi gegangen sind um sich zu beraten. Sie erwarten Befehle, was die nächsten Schritte sind.«   Die Kriegerin hob ihren Blick und spähte zu dem goldenen Wappen auf grünem Hintergrund, welches auf den Torflügeln prangerte. Also hatte sie richtig vermutet und dahinter befand sich wirklich ein Raum, sogar eine gesamte Halle. Und doch schien der Kypari vor Leben nur so zu strotzen und dem allgemeinen schlechten Zustand der Schreckensöde zu trotzen. »Welche nächsten Schritte? Wisst Ihr, worüber sie sprechen?«, fragte sie, während sie wieder auf den Bernschmied sah.   Zikk blinzelte Struana mehrere Male ungleichmäßig mit seinen Käferaugen an. Vermutlich überlegte er, ob er gerade diese Frage nicht beantworten sollte. »Die Klaxxi haben einen weiteren Getreuen gefunden.«, erzählte er schließlich.   Diese Nachricht erstaunte die Worgen, denn eigentlich sollte dies doch eine gute Nachricht für die Klaxxi'va sein. Und eigentlich hätte Kil'ruk sie schon lange wecken sollen, damit sie ihrer Pflicht nachgehen konnte. Warum berieten sie sich über die Erweckung dieses Getreuen, wo niemand sie stören konnte? Während Zikk den Kessel vom Feuer nahm und den Inhalt des geschmolzenen Kyparits in die Form goss, sah Struana abermals gedankenverloren zu dem goldenen Wappen. Über was mussten sie sich beraten? Lag es nicht in ihrem Interesse den Getreuen so schnell wie möglich zu erwecken? Die Kriegerin blickte wieder zu dem Bernschmied, doch dieser schien sie nicht mehr wahrzunehmen. Doch warum um alles auf Azeroth warteten die Klaxxi?   »Ihr tut so, als würde Euch dies etwas angehen.«, murmelte Zikk, nachdem er den Gusskessel wieder zurückgestellt hatte und die heißen Formen bearbeitete. Struana hob ihre Augenbrauen. »Und Ihr tut so, als würde es Euch nichts angehen.«, erwiderte sie, wobei der Bernschmied leise grunzte.   »Es geht mich auch nichts an, Niedere. Sowenig wie Ihr in die Schreckensöde gehört, gehöre ich nach Klaxxi'vess. Dennoch brauchen ihre Wachen und Getreuen - oder Erwecker - Waffen und Rüstungen. Es ist mir eine Ehre für sie zu arbeiten, aber ich nehme nicht an ihrem Kreislauf teil.«, krächzte er leise, während er das noch glühende Material überprüfte.   Struana sah ihn nachdenklich an, während Zikk wieder in seiner Arbeit versank. Sie fragte sich, wie sich der Mantis in Klaxxi'vess fühlte. Obwohl er für die Klaxxi arbeitete, die im Grunde genommen das gesamte Reich schützten, sollte der Zyklus - der für die Mantis überlebenswichtig zu sein scheint - gefährdet sein, hatte er nichts mit den Klaxxi zu tun? Er war lediglich ein Arbeiter. Die Worgen fand dies merkwürdig, doch wurde sie in ihren Gedanken unterbrochen, als das Tor knarrend in die Höhe gezogen wurde und die riesigen Mantis in der okkulten Tracht daraus hervortraten. Ihnen folgten Kil'ruk und Malik und das Tor sank augenblicklich wieder nach unten.   Während die Klaxxi'va wieder zu dem Signalgeber in die Mitte der Plattform traten, flog Malik in die Höhe und verließ Klaxxi'vess zur Nordseite. Noch ehe sich Struana fragen konnte wohin er flog, erkannte sie den Windschnitter der mit großen Schritte auf sie zugestampft kam und wie üblich, wirkte er kein bisschen amüsiert. »Holt Eure Waffe. Wir fliegen.«, krächzte Kil'ruk schroff und die jadegrünen Augen unter seinem Helm funkelten sie unfreundlich an.   »Ich sollte mich doch nicht an weitere Ausflüge auf Eurem Rücken gewöhnen.«, stachelte die Kriegerin, als Kil'ruk sie mit einem energischen Zischen zum Schweigen brachte: »Trödelt nicht herum und holt Eure Waffe! Andernfalls seid Ihr eben unbewaffnet!« Er zuckte unruhig mit seinen Vorderbeinen nach vorne und rieb mit ihnen gegeneinander.   Struana legte ihre Ohren zurück, doch sie drehte sich um und eilte über den Platz zu ihrem provisorisch eingerichteten Schlafplatz. Sie griff nach der Stangenwaffe, die gegen der stämmigen Wurzel gelehnt hatte, als Kil'ruk schon hinter ihr auf dem Boden landete. Er war die wenigen Schritte zu ihr geflogen und Struana fragte sich, warum er so in Eile war. Wortlos neigte er sich vor, ehe sie nach dem Stachel seiner Schulterrüstung griff und sich auf seinen Leib zog. Augenblicklich schlugen summend seine Flügel und die Worgen sah den Boden unter sich immer kleiner werden, während Kil'ruk immer weiter in die Lüfte stieg.   Der Windschnitter verließ Klaxxi'vess ebenfalls nach Norden und nahm auch immer weiter an Höhe zu. »Wohin fliegen wir? Und was habt Ihr mit den Klaxxi besprochen, Kil'ruk?«, fragte die Kriegerin und hielt sich mit ihrer Pranke an Kil'ruks Chitinpanzer fest. Die Luft pfiff um ihre Ohren und sie zog sich ihre Lederkapuze über den Kopf. Ein unruhiges Kribbeln stieg in ihr nun auch auf, als sie auf dem Rücken des Windschnitters durch die Luft flog.   Kil'ruk stieg weiter nach oben, als sie über die hochgelegenen Hügel und Ebenen flogen, unter denen Klaxxi'vess lag. »Die Klaxxi haben einen weiteren Getreuen gefunden. Seine vor Schrecken und Schmerz erfüllten Schreie hallten durch den Signalgeber, als er erwachte.«   Struana runzelte skeptisch ihre Stirn. »Er ist bereits erwacht?«, fragte sie laut gegen den Wind an. »Aber wie konnte er erweckt werden, wenn ich die Stimmgabel besitze? Ich dachte, sie ist auf mich geprägt und dass sie kein anderer nutzen kann?«   Der Windschnitter schüttelte seinen behelmten Kopf. Struana erkannte in der Ferne die Narbe, die sich von Westen aus vor ihr ausstreckte und sich in das Land unter ihr fraß. »Ich weiß es nicht, Erweckerin. Aber ich kann es mir nur so erklären, dass die Gehilfen der Kaiserin ebenfalls ein solches Artefakt besitzen.« Er hielt kurz inne, ehe er gepresst fortfuhr: »Der Getreue war ein mächtiger Held, Erweckerin. Da ihn die Gehilfen der Kaiserin zuerst gefunden und auch erweckt haben, vermuten die Klaxxi, dass er mit den selben Mächten durchdrungen ist, die auch den Unversehrten heimgesucht hatten. Doch diesmal ist etwas anders. Diese Mächte scheinen stärker geworden zu sein.«   Die Worgen schnippte unruhig mit ihren Ohren, während Kil'ruk mit einem Kopfnicken zu einem Kypari deutete, der sich vor ihnen in der Umgebung herausschälte. Der große, gewundene Baum trug absolut keine Blätter mehr und war vollständig mit der Essenz des Shas verdorben. Die schwarzen und weißen Nebelschleier lagen wie ein Film über der Rinde und besudelten den Boden unter dem toten kypari. »Das ist Kypari'Vor. Dort soll sich der Getreue aufhalten. Und wenn er nicht gerettet werden kann, müssen wir ihn erlösen.«   »Ist Malik bereits vorausgegangen?«, fragte die Kriegerin ernst, ihren Blick auf Kypari'Vor gerichtet. Kil'ruk zischte laut: »Natürlich! Ich kann ihn mit Leichtigkeit einholen, aber nur meine Flügel sind stark genug um sogar Euer Gewicht zu tragen! Aber wir haben Wertvolle Zeit vergeudet, indem Ihr erst noch Eure Waffe holen musstet!«   Struana knurrte aufgebracht. »Und Ihr musstet erst einmal diskutieren!«   »Es musste sein.«, lenkte der Windschnitter ein, ehe er langsam tiefer flog, je weiter sie sich Kypari'Vor näherten. »Der Todesrufer war mächtig und gleichermaßen grausam. Die Klaxxi konnten nicht beurteilen, wann genau er erweckt worden war. Der Signalgeber funktioniert nicht so, wie er es für gewöhnlich soll.«   Struana zuckte angespannt mit ihren Ohren, während sie ihren Blick starr nach vorne richtete und auf den besudelten Kypari'Vor blickte. Vielleicht war Kor'ik deswegen so gereizt gewesen, weil die Klaxxi ihm die Schuld an der Fehlfunktion des Signalgebers gaben. Noch während Struana darüber nachdachte, zwang sie sich tief durchzuatmen und Klaxxi'vess hinter sich zu lassen. Sie musste sich auf die Begegnung mit dem Getreuen wappnen.     *****     Die schleierhaften, dichten Blüten die ihren Thron beherbergten, gaben ihr etwas Schutz, doch die Geborgenheit die sie ihr einst gaben, war schon lange verloren. Mit halb verschlossenen Liedern versuchte die Kaiserin des Mantisreiches zur Ruhe zu kommen, doch die dunkle Stimme hallte wie ein dumpfer Glockenschlag in ihrem Geist und benebelte ihre Gedanken. 'Ihr habt richtig gehandelt, indem Ihr mein Angebot angenommen habt, Kaiserin. So werden die Mantis Euch bedingungslos gehorchen.' Shek'zeer rührte sich nicht, während sie in ihrer umschlossenen Blüte kauerte und dem Wispern lauschte das den ganzen Abend angehalten hatte. Sie spürte die Macht die sie durchdrang und sich über ihren gesamten Körper bis in die letzte Faser und Sehne erstreckte. Das beruhigende und betäubende Gefühl, alles richtig gemacht zu haben entfaltete sich wie ein schwerer Schleier um ihre Schultern. So gerne hätte sie sich dem Gefühl der Macht einfach nur hingegeben, doch ständige Wiedersprüche kamen immerzu in ihr auf.   'Selbst der erweckte Getreue wird Euch dienen.', säuselte er weiter und benebelte ihre Gedanken. Die Kaiserin schloss traurig ihre Augen, ehe sie endlich ihre Stimme leise erhob: »Noch dient er mir nicht. Er windet sich unter meinem Einfluss.« Auch wenn sie fast ununterbrochen in den Gedanken der Schwarmgeborenen und ihren Dienern singen konnte, hörte sie ihre Stimme immerzu. Sie sang auch in dem Geist des Getreuen, doch sie spürte wie er sich unter ihrem Gesang wandte. Unter Schmerzen, die jenseits der geistigen Gesundheit zu ertragen waren.   'Meine Kaiserin', begann die Stimme wieder langgezogen in ihren Gedanken zu sprechen. 'Er wird Euch dienen, früher oder später, auf die eine oder andere Art und Weise. Was zählt ist doch, dass der Getreue nicht den Klaxxi dienen wird.'   »Ihr habt Recht, wie immer.« flüsterte Shek'zeer ehrfürchtig und senkte ihren Kopf. Sie hatte die höheren Mächte nicht in Frage zu stellen die ihr geschenkt wurden und von denen sie selbst bis jetzt nur einen Hauch spüren durfte. Dass der Getreue litt durfte sie nicht belasten, denn sie musste gehorchen, damit die Welt zu den Gunsten der Mantis neu geformt werden konnte. »Alles wird für Eure Ankunft vorbereitet, Meister.«   'Ausgezeichnet.', sprach ihr Meister nachhallend und klang sehr zufrieden. 'Eure Treue wird belohnt werden, Kaiserin. Dennoch-...'   Eine Stille entstand, die Shek'zeer als sehr unangenehm empfand. Angst, allein gelassen zu werden griff nach ihrem Herzen und sie öffnete ihre Augen wieder zur Hälfte. Viel zu oft zweifelte sie an sich selbst, und auch obwohl sie wusste, dass sie alles richtig machte. Ihr Meister, die sie in ihrem Handeln unterstützte und sie in die richtige Richtung lenkte um alles für seine Wiederkehr vorzubereiten war eine große Erleichterung für sie. Selten schwieg die Stimme ihres Meisters und gerade jetzt fühlte sie sich hilflos. »Doch...?«, fragte sie vorsichtig in die Stille hinein.   Die Stimme erhob sich wieder hallend in ihrem Geist: 'Doch Ihr müsst wachsam sein, meine Kaiserin. Meine Macht kann Eure Mantis dazu bringen, Euch zu dienen. Aber für diejenigen, denen Ihr Vertrauen entgegenbringt, kann ich nicht garantieren, dass sie Euch nicht verraten.'   Shek'zeer spannte sich an, doch entspannte sich sogleich wieder. Sie war nicht töricht, denn daran hatte sie bereits gedacht: »Mit meinem Palastwachen habe ich nichts mehr zu tun. Meine Bediensteten fürchten mich und meine Befehlshaber kommunizieren nur über meinen Großwesir-« Nach ihrem leisen Wispern verfiel die Kaiserin nachdenklich ins Schweigen. Sie entfaltete ihre Flügel und zog sie wieder zusammen, während sie ihre Stirn runzelte. Der Großwesir war ein wichtiger Teil in ihrem Imperium. Er war ihre Stimme, er trug ihre Nachrichten und Befehle zu den Bürgern, die ihre Stimme nicht mehr hören konnten. »Sagt mir nicht, dass Ihr glaubt, mein Großwesir-«, flüsterte sie mit zittriger Stimme, doch brach sie ab. Zor'lok wusste um ihren geistig labilen Zustand. Er kannte sie sehr gut, wusste wann sie sich ausruhte und wann sie rastlos durch ihren Thronsaal streifte. Nur der Großwesir genoss das Privileg, sie besuchten zu können, wann immer er es für nötig hielt, sie über die Abläufe zu informieren.   'Ich fürchte, so ist es, meine Kaiserin. Euer Großwesir könnte Macht über Euch ausüben, oder einen Plan schmieden um Euch zu beseitigen.', wisperte die Stimme leise in ihrem Kopf. 'Er wird Euch verraten und-'   »Nein.«, sprach Shek'zeer bestimmt und öffnete ihre Augen komplett, sodass sie in der Dunkelheit leicht schimmerten. Selten war sie sich in einer Sache so sicher gewesen wie bei der Kompetenz ihres Großwesirs. »Er würde mich niemals verraten.« Sie war selbst überrascht über die Stärke in ihrer Stimme. Doch sie war überzeugt davon, Zor'lok war der Mantis die lieber tausende Tode sterben würde, als dass er auch nur mit dem Gedanken spielen würde seine Kaiserin zu verraten.   Kurz herrschte Stille, als ein unheimliches, leises Grölen zu hören war. Ihr Meister lachte. Lachte er über sie? Weil sie so närrisch war sich jemanden anzuvertrauen? 'Ich wollte Euch nur warnen, meine Kaiserin. Ihr wisst, dass Ihr niemandem außer mir trauen könnt!' Die Worte verhallten in Shek'zeers Kopf und sie schüttelte diesen energisch. Eine eisige Kälte legte sich über ihren Leib und nicht einmal ihr Mantel war in der Lage sie zu wärmen.   Die Kaiserin horchte auf, als das regelmäßige Summen von Flügeln in ihrem Thronsaal wiederhallte. Mehrere Meter von ihrem Thron entfernt erstarb es und Shek'zeer spähte durch einen Spalt in ihrem Blütenvorhang. Sie erkannte Zor'lok, der sich gerade niederkniete und seinen Kopf andächtig gesenkt hatte. Er sprach nicht, sondern verharrte nur auf derselben Stelle in der Position. Glaubte er, sie würde schlafen? »Ihr könnt aufrecht stehen, Großwesir. Welche Neuigkeiten bringt Ihr mir?«, fragte sie laut und der weiße Mantis sah kaum merklich zu ihrem Thron auf, ehe er sich aufrichtete und andächtig seine Stimme erhob: »Geliebte Kaiserin, der Getreue ist erwacht, doch es gibt Probleme. Die Mantis in Kypari'Vor schaffen es nicht ihn unter Kontrolle zu bekommen. Außerdem teilte uns unser Spion mitt, dass die Klaxxi ebenfalls bald eintreffen werden. Wir sind gescheitert, Eure Majestät. Vergebt uns!«   Der Großwesir kniete sich wieder nieder um demütig ihr Urteil zu erwarten, doch Shek'zeer verengte nur ihre Augen. Der Getreue war nicht kontrollierbar und das wusste sie selbst, denn sie übte mit ihrem Gesang Druck auf ihn aus. Wenn sie ehrlich war, hatte sie mit einer solchen Nachricht gerechnet. Dennoch, warum diente er ihr nicht? Wenn das Gefäß in der Nähe des Getreuen sein würde, sollte er ihr doch dienen? Trauer erfüllte das Herz der Kaiserin, als sie glaubte die Qualen des Getreuen selbst spüren zu können. Schließlich waren sie alle - egal ob Schwarmgeborener, Bürger oder Klaxxi - die Kinder einer Kaiserin. Kurz verabscheute sie sich selbst, dass sie diese Qualen zugelassen hatte, doch sie zwang sich darüber zu stehen. »Wird der Getreue den Klaxxi dienen?«, fragte sie, so ruhig wie möglich.   »Es sieht nicht danach aus, meine Kaiserin. Der Getreue agiert unlogisch. Er hat in Kypari'Vor gewütet und Eure Diener, sowie auch Eure Bürger abgeschlachtet.«, antwortete Zor'lok zögernd.   »Dann hat der Klingenfürst seine Aufgabe befriedigend ausgeführt.«, säuselte Shek'zeer und versuchte sich zu entspannen. Es war ihr Befehl gewesen, den sie im Namen ihres Meisters gegeben hatte und sie fühlte sich das erste Mal benutzt. Doch solange der Getreue nicht gegen sie agieren würde, konnte sie beruhigt sein, denn das Ziel wurde erreicht. Die Klaxxi würden den gequälten Getreuen nicht mehr für sich gewinnen können. Dennoch hatte sie Mitleid mit dem verlorenen Kind, das-   Energisch schüttelte sie ihren Kopf. Es musste ihr gleichgültig sein. Für die Visionen ihres Meisters. »Ihr könnt gehen, Zor'lok. Lasst mich alleine.« Sie hörte wie sich ihr Großwesir nach einigen Herzschlägen erhob und rückwärts hinausging. Unweigerlich musste sie an die Worte ihres Meisters denken, doch ihr Großwesir war kein Verräter. Sie musste sich auf wichtigeres Konzentrieren, dennoch war die Saat des Zweifels in ihr gesät worden und Großkaiserin Shek'zeer kam nicht umhin daran zu denken, nicht doch von Zor'lok verraten zu werden.     *****     Der Windschnitter landete agil auf seinen Füßen und das summende Geräusch seiner schlagenden Flügel stoppte, als er sich aufrichtete. Struana rutschte mehr schlecht als recht von seinem wespenähnlichen Leib und prüfte schnuppernd die Luft. Malik, der einige Meter von ihnen entfernt im dunklen Gras hockte, sah kurz über seine Schulter zu den beiden auf, ehe er seinen ersten Blick wieder nach vorne richtete. »Er ist noch nicht lange wach und doch hat er bereits viel Schaden angerichtet.«   Struana verengte ihre Augen, als sie am Rand der Anhöhe in eines der Gelegelager Blickte, welches in der Narbe unter ihr hochragte. In der Mitte kauerte ein Mantis, dessen Chitin pechschwarz war und doch konnte sie Schatten erkennen, die um sinen Leib huschten. Um ihn herum lagen einige erschlagene Leiber der Mantis, die wohl zu den Gehilfen der Kaiserin gehören mussten.   »Hat der Todesrufer den Verstand verloren?«, zischte Kil'ruk und klickte hart mit seinen Kieferzangen, als er auf das Massaker starrte, dass sich fast komplett um den geschundenen Kypari'Vor erstreckte. Doch Struana sah mehr. Die Luft war von so viel Blut und Tod erfüllt, dass unzählige weitere Mantis noch irgendwo außerhalb ihrer Sichtweite liegen mussten. Vermutlich wussten das die beiden Getreuen ebenso. »Das ist nicht der Wille der Klaxxi. Das ist nicht der Weg der Mantis!«   Die Worgen konnte nicht anders, als den Todesrufer zu bemitleiden. »Er steht unter dem Einfluss des Shas.«, murmelte sie und verengte ihre Augen, als sie etwas merkwürdiges entdeckte. Vor dem Todesrufer war eine Art Urne auf dem Boden aufgebaut aus dessen Mitte die feinneblige Essenz des Shas direkt auf den Getreuen überging. »Schaut! Das muss der Ursprung der Verderbnis sein. Die Energien des Shas gehen direkt auf den Todesrufer über.«   Der Windschnitter verengte seine Augen und zischte leise. »Er ist verloren. Die Klaxxi wünschen, dass wir ihn erlösen.«   »Verloren?«, fragte Struana entsetzt und warf Kil'ruk einen scharfen Blick zu. »Ihr sagtet auch, dass Malik verloren sei. Vielleicht können wir den Todesrufer noch retten, indem wir dieses Gefäß zerstören.«   »Macht Eure Augen auf, Erweckerin!« Der Windschnitter rieb ungeduldig mit seinen Vorderbeinen gegeneinander, als er die Kriegerin mit seinen jadefarbenen Augen ansah. »Der Todesrufer ist verwirrt, er hat mehrere Mantis getötet. Vermutlich unterscheidet er nicht mehr zwischen Freund oder Feind. Qi'tar kann nicht mehr gerettet werden. Diese Verseuchung ist nicht mit der des Unversehrten vergleichbar.«   Struana hob ihre Lefzen und starrte Kil'ruk zweifelnd und wütend an. »Ihr gebt viel zu schnell auf! Was für ein Held seid Ihr, dass Ihr jeden Getreuen im Stich lasst, ohne den Versuch zu wagen, ihn zu retten?!«   Noch bevor die Kriegerin reagieren konnte, hatte der Windschnitter nach einen seiner Dolche gegriffen und hielt ihn ihr frontal an die Kehle. Aus Reflex hob die Worgen ihr Kinn und engte ihre Augen. »Wenn Ihr etwas bestimmtes damit sagen wollt, Niedere, dann sagt es.«, zischte er laut. »Auch wenn Ihr die Erweckerin seid, werde ich nicht zögern Euch auf der Stelle aufzuschlitzen, sollte ich den Eindruck bekommen, dass Ihr die Klaxxi verratet.«   Die Worgen zog ihre Lefzen zurück und knurrte leise, als Malik versuchte die Waffe des Windschnitters zu senken. »Beruhigt Euch, Windschnitter.«, sprach er rau, doch Kil'ruk funkelte Struana nur weiterhin hasserfüllt und misstrauisch an. Dann zog er seinen Berndolch zurück und spähte zu Malik. »Ihr Entscheidet, wie wir vorgehen, Unversehrter.«   Der Getreue schulterte seine Hellbarde, während er in das Gelegelager hinabblickte. Der Todesrufer gab einen entsetzlichen Schrei von sich und bäumte sich auf, als würde er unbeschreibliche Qualen erleiden. »Qi'tar leidet Schmerzen. Wir werden nicht umhinkommen uns ihm im Kampf zu stellen.« Er warf Struana einen Seitenblick zu, der nicht zuversichtlich war. »Wenn wir unten sind, könnte die Erweckerin tatsächlich versuchen dieses Gefäß zu zerstören, wenn sie dies wünscht. Aber ich zweifle an dessen Erfolg.«   Kil'ruk zischte leise, als er Unversehrte fortfuhr. »Ihr seid mein Trumpf, Windschnitter. Ich werde als erstes reingehen.«   Der Windschnitter nickte langsam, ehe er summend in die Luft flog und immer kleiner wurde, bis er nicht mehr zu sehen war. Malik ging an den Rand der Anhöhe und warf der Worgen noch einen Blick zu. »Zeigt mir, dass Ihr meine Zeit nicht verschwendet habt, Erweckerin.«, sagte er rau und sprang den Abhang hinab. Er federte seinen Aufprall mit seinen Flügeln ab und schritt langsam, aber die Hellbarde erhoben, in das Lager hinein. Die Kriegerin zog die Stangenwaffe von ihrem Rücken und sprang ihm nach. Geschickt federte sie sich ab, lief Malik aber nicht hinterher. Sie schlich um das Lager herum und hielt sich hinter den großen Bauten versteckt, als der Todesrufer auf Malik aufmerksam wurde.   Der Unversehrte war bereit sich verteidigen zu können, als sich der schwarze Getreue versuchte aufzurichten. Sein Blick war matt und er keuchte, als er sprach: »Unversehrter-« Er hielt inne und kniff seine gelben Augen zusammen, während die Schatten weiter um seinen Körper flossen. »Die Klaxxi haben mich also doch gehört.« Plötzlich kreischte der Getreue ohne Vorwarnung und krümmte sich zusammen. Mit seinen klauenähnlichen Fingern riss er sich tiefe Kratzer an die Seiten seines Kopfes. Zitternd beruhigte er sich wieder, oder versuchte es zumindest. Er keuchte und krächzte rasselnd: »Mich wird niemand kontrollieren!«   »Von was seid Ihr besessen, Todesrufer?«, rief Malik und ging pirschend um den Getreuen herum. Die schwarze Essenzen der Schatten flossen auf dem Boden und breiteten sich langsam aus, als der Getreue wankte: »Stimmen! So viele Stimmen in meinem Kopf! Die Kaiserin, die Klaxxi, Ya- Aaargh!« Seine Worte klangen verrückt bevor sie in einem erstickten Schmerzensschrei endeten. Der Boden unter dem Todesrufer pulsierten, während sich die Kriegerin unbemerkt der Urne näherte. Vorsichtig spähte sie zu ihm, während die pechschwarzen Energien über den Boden zu Malik huschten und ihn langsam einkreisten. »Ihr seid dem Untergang geweiht.«, murmelte der Getreue heiser.   Zu spät erkannte Struana, dass die Energien nicht von der Sha-Energie stammten, sondern von dem Todesrufer selbst. Sie bäumten sich über dem Unversehrten auf und nur einen Wimpernschlag später war es, als könnte er sich nicht mehr rühren. Wie eine Wolke waberte die schwarze Magie um Malik und er schien unfähig sich bewegen zu können. »Ihr werdet dem Tod nicht entkommen.«, krächzte der Todesrufer und verformte seine Klauen, doch dann erzitterte er wieder und schrie schmerzerfüllt auf. »Schweigt! Alle!«   Die Worgen sprang vor, als der Todesrufer abgelenkt schien, hob ihre Stangenwaffe über ihren Kopf und zerschlug das Gefäß das zu ihren Füßen stand. Die Urne zerschellte und gab einen Splitter frei der vor Sha-Energie pulsierte. Die Energien wurden nun nicht mehr auf den Getreuen geleitet, sondern sickerten stattdessen in den Boden unter sich und verpesteten ihn. Struana starrte machtlos auf die Scherbe, dessen Verderbnis so massiv war, dass sie glaubte es selbst spüren zu können, ohne ihn zu berühren. Sie war machtlos und ihre Hoffnung den Getreuen retten zu können schwanden. Hatte Kil'ruk recht gehabt? War der Todesrufer nicht mehr zu retten?   Die Hellbarde des Unversehrten zerrte sie wieder in die Gegenwart zurück, als sie scheppernd auf den toten Boden fiel. Malik verharrte immer noch in derselben Position, doch seine Augen waren vor Entsetzen aufgerissen. Struana merkte den Blick des Todesrufers, der sich genau in sie hineinbohrte. »Ich kann nicht kontrolliert werden.«, zischte er bedrohlich. Zu plötzlich ereilte sie der Zauber, der über sie wie ein Wasserschwall hereinbrach und sie in Dunkelheit hüllte.       Als Struana ihre Augen wieder öffnete, war der Todesrufer verschwunden. Stattdessen stand sie inmitten einer Plattform auf der die Sha-Energien tobten. Es war nicht das ruhige wabern, nicht mehr die feinen schwarz-weißen Nebelschleier. Es war fast wie ein Sturm der um sie herumpeitschte. Außerhalb der Plattform erstreckte sich nichts. Nur eine leicht schillernde Oberfläche aus grauen Wassermassen. Ein Kypari beugte sich am Rand der Plattform in den Himmel der wie Kypari'Vor tot und verdorben und von der Essenz des Shas benetzt war. An dessen Stamm zu den Wurzeln war riesiges Loch und daneben-   Struana keuchte als sie das zersplitterte Holz erkannte auf dem das Wappen der Klaxxi prangerte. Sie erkannte jetzt auch den Signalgeber zu ihrer Seite, der vor schwarzen und weißen Energien des Sha nur so pulsierte. Unsicher ging sie einige Schritte rückwärts, als plötzlich hinter ihr eine tiefe Stimme mit einem entfernen Echo grollte. »Ihr glaubtet nicht wirklich, mir entkommen zu können, meine kleine, süße Beute?«   Die Worgen drehte sich um und stand sich einer immensen Manifestation des Shas gegenüber. Sie hielt ihren Atem an, als er leise und genüsslich grollend lachte. Es war so riesig, dass er weit in den Himmel ragte. War dies eine Illusion? War dies hier wirklich? Struana legte ihre Ohren an und entblößte ihre Reißzähne. Sie fühlte sich machtlos, aber vor allen Dingen unsicher. »Ihr könnt mir nichts anhaben!«, rief sie dem Sha entgegen und versuchte überzeugt von ihren eigenen Worten zu klingen. »Ich bin gereinigt von Euch!«   Das Sha lachte, laut und grollend wie ein dumpfer Glockenschlag. »Ihr denkt, dieses lächerliche Ritual könnte mich davon abhalten Eure Seele aufzuzehren? Euren Willen zu brechen?« Das Sha bleckte seine Zähne und zog eine grausige, triumphierende Maske. »Ich kann jedes Wesen beherrschen.«   Plötzlich spürte Struana einen Schmerz in ihrer Brust. Verwundert über den Stich und diesem Gefühl der Qual heulte sie auf und riss sich weg. Als sie aufsah erkannte sie Kil'ruk und Malik, ihre Körper quellend vor der Energie des Shas und ihre Blicke trüb und unwirklich. Struanas Blut klebte an dem Dolch des Windschnitters, als er ihn langsam wieder zurückzog. Die Kriegerin versuchte zu verstehen, was das alles zu bedeuten hatte. Was war das für ein Zauber, den der Todesrufer auf sie gewirkt hatte?   »Endlose Gezeiten lang, waren sie meine Diener. Und sie werden wieder dienen. Allesamt. Ihr könnt in dieser Wahrheit und dieser Tatsache, nichts ändern. Rein gar nichts. Ihr glaubt von mir befreit worden zu sein. Doch das ist nur eine Illusion, die sich durch Euren Gedächtnisverlust aufrecht erhält. Ich bin überall.«   Dann glaubte sie zu verstehen. In dem Augenblick, als das Donnern seiner Stimme verhallte und Malik seine Hellbarde über sie erhob. Sie verstand jetzt, wie der Todesrufer zu seinem Namen gekommen war. Sie erkannte, warum sie hier, in diesem merkwürdigen Spinnennetz seines Zaubers Schmerz empfinden konnte und sie die Stimme des Shas in ihrem Kopf hören konnte. Es musste ein sehr mächtiger Getreuer zu Lebzeiten gewesen sein, wenn er in der Lage war so tief in ihr Herz zu blicken, noch weiter in ihrem Verstand zu graben, als sie selbst in der Lage war. Malik ließ seine schwere Waffe auf sie hernieder sausen, während Struana die Vision ihres eigenen Todes, angestiftet durch das Sha, durchlebte.     *****     Der Windschnitter ließ sich fallen, als sich die schwarzen Schatten auf dem Boden um die Niedere Kreatur geschlossen hatten und sie wie erstarrt an Ort und Stelle verharrte. Es war eine Idee gewesen, aber sie war von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Was hatte er auch erwartet? Es war die Idee einer Niederen gewesen. Mit lautem Kreischen landete er auf den Schultern des Todesrufers und brachte ihn zu Fall. Der Getreue schrie auf und wurde unter dem Gewicht des Windschnitters begraben.   Kil'ruk ließ von ihm ab, sodass er ihm in die Augen blicken konnte, bevor er seinen letzten Atemzug tätigen sollte. Der Todesrufer versuchte sich zu wehren, ehe er gepeinigt aufkreischte und dem Windschnitter verängstigt in die Augen starrte. »Bereitet diesem Alptraum ein Ende!«, flüsterte er keuchend, ehe er wieder schrie und die runden Augen zusammenkniff. »Es zehrt mich auf!«   Der Windschnitter starrte auf den Getreuen unter sich, dessen gequälte Seele ihn nun doch wieder erkannt hatte. Doch der Geist des Todesrufers war zerrissen und nicht einmal Amber mochte das Wunder vollbringen, ihm Frieden zu schenken. Qi'tar keuchte vor Anstrengung und er zitterte wie Espenlaub, als Kil'ruk seine Dolche über ihm hob. »Euer Körper wird unter dem Kypari ruhen, Todesrufer.«, krächzte Kil'ruk. Dann jagte er seine Dolche in den Thorax des Mantiden, zertrümmerte diesen und das noch schlagende Herz darunter. Blut quoll aus der Wunde als Kil'ruk seine Dolche wieder zurückzog und der Todesrufer hustete Blut zwischen seinen kurzen Kieferzangen, den Blick immer noch auf den Windschnitter gerichtete, ehe das Leben aus seinen Augen wich und ein letzter Atemzug in einem rasselndem Hauchen seinen Körper verließ.   Der Unversehrte regte sich aus seiner Starre wieder und kam auf seine Beine, genauso wie die Niedere Kreatur erstickt keuchte. Kil'ruk richtete sich auf, den Blick noch immer auf den Todesrufer gerichtet, als der Getreue neben ihm stand. Der Unversehrte zitterte und war angespannt. Kil'ruk konnte nur vermuten, was der Getreue durch diese schwarze Magie erleben musste - oder die Niedere. »Er war ein mächtiger Krieger, aber verloren.«, krächzte Unversehrte rau und schwach. Selbst seine Stimme wirkte in Mitleidenschaft gezogen.   Kil'ruk nickte zustimmend. »Er wäre ein nützlicher Verbündeter gewesen.« Es war eine Schande, dass der Todesrufer so nutzlos hatte sterben müssen. Selbst der Unversehrte war in seinem Zauber gefangen gewesen und es hatte nicht so ausgesehen, als hätte er sich selbst wieder daraus befreien können. Auch wenn der Windschnitter wissen wollte, was er während des Bannes gesehen hatte, fragte er nicht. Die Klaxxi brauchten keine Schwäche in ihren Reihen, deswegen war es das Beste nicht darüber zu sprechen.   Der Unversehrte beugte sich vor und hievte den Leib des Todesrufers auf seinen Rücken. »Ich werde ihn nach Klaxxi'vess bringen.«, raunte er, ohne Kil'ruk anzusehen. »Kümmert Euch um die Erweckerin.«   Noch bevor Kil'ruk etwas bissiges erwidern konnte, drehte sich der Getreue von ihm weg und stieg die Anhöhe hinauf um nach Klaxxi'vess zu gehen. Er schüttelte energisch seinen Kopf und blickte dann zu dem Weichling, die über der Scherbe kauerte, welche von dem Gefäß umschlossen gewesen war. Er schnaubte. Er hatte Recht behalten, dass es nichts bringen würde das Gefäß zu zerstören und dass die Idee der Niederen dumm gewesen war. Nur Zeitverschwendung und oben drein war sie schlicht und ergreifend nutzlos daneben gestanden und hatte nichts getan. Ungeduldig ging er auf sie zu. »Wir müssen Bericht erstatten. Seid Ihr fertig - mit was auch immer?«   Die Außenseiterin sah den Windschnitter nicht an, stattdessen starrte sie weiterhin auf die Scherbe, dessen merkwürdige Energien in den Boden sickerten. »Warum nimmt er den Körper des Todesrufers mit?«, fragte sie sehr leise und Kil'ruk klickte mit seinen Kieferzangen gegeneinander. «Um Qi'tar dem Todesrufer die letzte Ehre zu erweisen.«, zischte er leise als Antwort und sie erzitterte kaum merklich. Was interessierte sie es? Die Niedere hielt bestimmt nichts von seinen Riten und Zeremonien, sie war zu dumm um es verstehen zu können.   »Diese Urne war nur ein Gefäß für diesen Kern. Ich vermag ihn nicht zu reinigen oder zu zerstören.«, murmelte die Niedere leise und niedergeschlagen.   Der Windschnitter musste sich fragen warum sie der Tod eines Getreuen so mitnahm. Warum war sie so anders als die Mogu es gewesen waren? »Vermutlich ein Werk der Kaiserin um den Klaxxi zu Schaden.« Er beobachtete die Niedere dabei wie sie die Pranke nach dem Splitter ausstreckte und ihn umfasste. Sie zuckte leicht zusammen, ehe sie ihn in ihrer Gürteltasche verstaute. »Ihr wart in diesem Konflikt keine große Hilfe.«   Die Niedere sah müde und traurig zu ihm auf. Es war fast so als wäre sie erschüttert. »Ich weiß.«, antwortete sie leise. »Ich dachte ich könnte ihm helfen, so wie ich es bei Malik konnte.«   Unwirsch klickte Kil'ruk mit seinen Kieferzangen. »Das war Glück gewesen. Ihr könnt nicht glauben alle Dinge zu Euren Gunsten verändern zu können. Ihr müsst lernen die Dinge zu akzeptieren, die geschehen.«   Betrübt blickte die Worgen zu Boden und erzitterte erneut. Was war es, dass die Niedere so sehr beschäftigte? Sie stand ungelenk auf, sammelte ihre Waffe ein und ging dann auf Kil'ruk zu. Er verdrehte seine Augen, als sie nach seiner Schulterplatte griff und sich an ihm hochzog. Natürlich musste er sie wieder nach Klaxxi'vess bringen, aber sie brauchte nicht glauben, dass es zur Gewohnheit werden würde. Wenn er nicht dafür bürgen müsste, dass der Erweckerin nichts geschah, würde er sie einfach wieder abschütteln. Allein nur ein kleines Stück ihres weichen, schwachen Fleisches zu fühlen war widerlich. »Ich wollte nicht, dass er stirbt.«, murmelte sie so leise und betrübt, dass der Windschnitter aus seinen Gedanken gerissen wurde und er kurz innehielt.   Diese Niedere Kreatur war das sonderbarste Wesen das er je gesehen hatte. Es war wirklich so, als hätte sie der Tod des Todesrufers stark getroffen. Kil'ruk senkte seinen Kopf, als sie auf seinen Rücken kletterte und sich festhielt. »Ich auch nicht, Erweckerin.«, sprach er leise, ehe er mit seinen Flügeln schlug und summend in die Luft stieg.   Er konnte sich nicht helfen, aber er fühlte sich fast wie betäubt. Auch wenn sich die Erweckerin heute als absolut nutzlos herausgestellt hatte, war sie in der Vergangenheit doch manchmal nützlich gewesen. Immer hatte sie ihren Unmut über die Mantis kund getan - so wie er seinen über sie. Wie kam es, dass sie sich nun so verbunden mit den Mantis fühlte? Kil'ruk schüttelte seinen Kopf und damit die Gedanken fort. Die Niederen Kreaturen würden nie die Mantis verstehen und die Klaxxi noch weniger. »Kypari'Vor ist zerstört. Hier wird es lange kein Leben geben.«, krächzte er leise, während er langsam weiter in den Himmel stieg und nach Süden zurück nach Klaxxi'vess flog.     *****     Die Luft war eiskalt und der Wind riss erbarmungslos an seinem Fell, während vereiste Schneeflocken wie kleine Steinchen gegen sein Gesicht schlugen und an seinem Fell kleben blieben und dieses verklumpten. Ryfang stieß eine dampfende Atemwolke aus seinen Nüstern aus, während er seine Gefährten immer weiter den Kun-Lai hinauftrieb. Sie alle hätten eine Rast gebrauchen können, doch sie konnten sich bei diesem tückischen Wetter nicht ausruhen. Zu groß war die Gefahr eingeschneit zu werden. Emiress hatte sich die Kapize ihres schweren Mantels tief in ihr Gesicht gezogen und kämpfte gebeugt gegen die Kälte und den Schnee an, während Fogon in ihren Spuren ging.   Das Wetter war gut gewesen, als sie am Morgen den Tempel des Weißen Tigers verlassen hatten. Kein Anzeichen der Sha-Verderbnis hatten sie ausfindig machen können, also konnten sie sich beruhigt auf den Weg zum Shado-Pan Kloster machen. Die Reise verlief zunächst reibungslos, doch dann hatte sich ein Nebel wie eine Wand aufgebaut, durch den sie nur langsam vorwärts gekommen waren. Und jetzt machte es ihnen der Schneesturm nicht gerade leichter. Der Krieger prüfte die beißend kalte Luft und ging über den steinigen, verschneiten Pass direkt über die Kun-Lai Gipfel weiter. Immerhin hatten sie ihre Orientierung wieder gefunden und wussten nun, wohin sie gingen. Weit konnte das Kloster der Shado-Pan nicht mehr entfernt sein und er hoffte, dass sie ein besseres Wiedersehen mit Taran Zhu hatten, als vor zwei Tagen.   Der Wind wurde ruhiger, als sie sich einer Biegung näherten hinter der eine steile Klippe nur einen Pfad zur Seite zuließ. Ryfang erkannte unter ihnen das Kloster, welches sich über einem See auf einer Insel am Rand der Welt ausbreitete. »Wir haben es fast geschafft.«, rief er seinen Gefährten nach hinten und hörte Emiress sogleich aufseufzen. »Endlich...«, murmelte sie und hielt ihren Stab krampfhaft fest. »Meine Finger sind schon völlig taub.«   »Dann sollten wir uns beeilen.«, sprach Ryfang und deutete zu dem Pfad der rund um den Abhang nach unten verlief. »Wir können uns im Kloster sicher etwas aufwärmen. Herzlos werden die Shado-Pan ja wohl nicht sein.«   Der junge Worgen bereute seine Worte, nachdem sie den gewundenen Pfad hinter sich gebracht hatten und sich dem Kloster näherten. Der Wind hatte sehr stark nachgelassen, aber es schneite immer noch. Mehrere Meter vor dem Eingang des Shado-Pan Klosters standen zwei Pandaren in der traditionellen Tracht und mehrere Grummel mit ihren riesigen Rucksäcken. Scheinbar diskutierten sie, denn ein paar irritierte Stimmen wurden zu ihm getragen. Ryfang zuckte mit seinen Ohren, als er sich der Gruppe näherte. Emiress spähte unter ihrer Kapuze hervor. Sie zog die Augenbrauen zusammen und rief verwundert: »Schleifstein?«   Einer der Rucksäcke drehte sich um und Ryfang erkannte den besonders haarigen Grummel nun auch, wobei er sich fragte, ob Emiress ihn nicht doch anhand seines Rucksacks wiedererkannt hatte. Der Grummel schniefte laut und grüßte die drei: »Hallo, Leute. Ihr seid also auch schon hier, wie?«   »Ja.«, Emiress nickte. »Wir sind heute früh vom Tempel abgereist. Was ist hier los? Warum steht Ihr vor dem Kloster?«   Schleifstein grummelte etwas unverständliches vor sich hin und deutete mit seinem dicken Daumen über seine Schulter, wobei er eigentlich nur direkt auf seinen Rucksack deutete. »Die Shado-Pan wollen nicht mit uns handeln. Doch warum? Weiß der Yak warum. Wir sind schon seit gestern Abend hier und haben unsere Zelte wieder eingepackt. Normalerweise bringen wir unsere Waren direkt zum Shado-Pan Kloster und sie kaufen immer etwas. Shado-Pan sind gute Käufer und fair. Aber jetzt lassen sie uns einfach vor der Türe stehen. Schlechtes Glück ist das, sag ich euch.«   Die Priesterin warf Ryfang einen verwunderten Blick zu. Er schnaubte erneut durch seine Nüstern laut aus und ging auf die beiden Wächter der Shado-Pan zu. Die Rucksäcke, welche von dem Grummel getragen wurden, wichen zur Seite, ehe Ryfang direkt vor den Pandaren zum stehen kam. »Warum gewährt ihr Reisenden bei einem solch miserablen Wetter keinen Einlass? Ihr müsst von den Grummel nichts kaufen, aber sie erst herkommen zu lassen und sie dann vor der Tür im Wind und Schnee stehen zu lassen ist über dem Maße unfreundlich.« Der Krieger verengte seine giftgrünen Augen, doch die Shado-Pan sahen noch nicht einmal zu der massigen Gestalt des Worgen auf.   »Niemand kommt hier vorbei. Dies ist ein direkter Befehl von Meister Taran Zhu.«, antwortete einer der Wächter monoton und doch mit genügend Ausdruckskraft in den Augen, dass der junge Worgen seine Ohren anlegte.   Ryfang schnaubte. »Er verschließt die Tore des Klosters? Warum?«, fragte er, doch der andere Wächter schüttelte seinen Kopf und antwortete: »Einen direkten Befehl hinterfragen wir nicht.«   Der Krieger verengte seine Augen verachtend und starrte auf den Shado-Pan herab. »Was machen wir denn jetzt?«, fragte Emiress, die auf Ryfang zuging und sich den Mantel fester um ihren Körper zog.   Ryfang betrachtete sie. »Bei diesem Wetter sollten wir nicht hier draußen herumstehen. Ihr holt Euch ansonsten den Tod.«   Die Priesterin funkelte ihn amüsiert mit ihren blauen Augen an. »Ihr wisst, dass ich meine Gestalt ebenso verändern kann, wenn ich es wollte. So schlimm ist es noch nicht.«   Der Worgen seufzte, während Fogon an die Seite der Priesterin schlich. Er sah hinauf auf das Dach des Klosters und Ryfang folgte seinem Blick. Doch außer einer Ladung herabfallenden Schnees konnte er nichts erkennen.   »Ryfang?«, rief eine Stimme direkt vor ihm und der Worgen spähte über Emiress hinweg. Er erkannte den Mann mit dem schwarzen Umhang sofort. Dlatego beschleunigte seine Schritte um zu ihnen zu eilen, während sein Reisegefährte - der Tracht nach zu urteilen, ebenfalls ein Shado-Pan - hinter ihm hertrottete.   Die Priesterin drehte sich um und ihre Augen hellten sich auf. »Dlatego? Was macht Ihr denn hier?«, fragte sie erfreut und zog die Kapuze ihres Umhangs nach hinten.   Dlatego klopfte sich etwas Schnee von den Schultern, der sich dort niedergelassen hatte und hartnäckig daran haften blieb. »Ich war auf dem Weg zum Kloster. Dass ich euch hier antreffe bedeutet wohl, dass es am Tempel des Weißen Tigers keine Verderbnis gibt?«, fragte er um sich zu vergewissern.   Ryfang schüttelte den mähnigen Kopf. »Nein, der Tempel von Xuen ist sauber. Die Schergen des Zornes streifen durch den Kun-Lai, aber das ist nichts neues. Außerdem haben die Shado-Pan sie bereits sehr weit zurückgedrängt.«   Der Pandare, welcher einen Kilt in den Farben der Shado-Pan trug, näherte sich der Gruppe. Die Grummel standen um sie herum, entweder um nichts zu verpassen, oder sie hatten noch immer Hoffnung in das Kloster hineinzukommen und ihre Waren zu verkaufen. Das Fell des Pandaren war braun rot und nur das Gesicht war weiß. »Was geht hier vor sich?«, fragte er verwundert und warf einen Blick über die Grummel. »Warum steht ihr bei einem so grausamen Wetter hier draußen vor dem Kloster?«   Ryfang schnaubte. »Soll das ein Scherz sein? Die Tore des Klosters sind verschlossen und niemand darf eintreten.«   »Was?« Dem Shado-Pan schien diese Information neu zu sein, doch schnell fing er sich wieder. Er ging direkt auf die beiden Wächter zu und blieb vor ihnen stehen. »Warum sind die Tore des Klosters verschlossen, Brüder?«   »Auf Befehl von Meister Taran Zhu darf niemand das Kloster betreten.«, antwortete einer der beiden. Der Pandare runzelte seine Stirn und sah die Wächter abwechselnd an. »Ich bin Ban Bärenherz und ich verlange eine Audienz bei Meister Taran Zhu.«, sprach er ernst.   »Niemandem wird Eintritt gewährt.«, knurrte einer der Wächter und legte seine Pfote auf die Waffe an seinem Gürtel. Ban trat einen Schritt zurück, den Blick ernst auf den Wächter gerichtet. »Das wollt Ihr nicht.«, sprach er entschieden und mit verengten Augen.   »Meister Bärenherz!«, hallte eine mädchenhafte Stimme über ihren Köpfen hinweg und alle starrten nach oben. Am Rand des Daches stand eine Pandarin in der Shado-Pan Kleidung und einem weißen Gürtel. Sie sprang vom Rand des Dachs ab und stützte sich elegant an einer Säule ab um neuen Aufschwung zu erhalten und sicher auf dem verschneiten Boden zu landen. »Meister Bärenherz! Das Kloster ist befallen!«, rief sie aufgeregt und rannte auf ihn zu.   Genau in diesem Augenblick erkannte auch Ryfang die unscheinbaren Schatten, die über den Leibern der beiden Wächter huschten. Sie zogen ihre Waffen, je einen langen Kampfstab und erhoben diese, doch Ban ergriff einen, ehe er ihn treffen konnte. Die Pandarin sprang während ihres Laufes auf und hob ihre Beine. Sie verpasste dem anderen Wächter einen Tritt direkt in die Seite, sodass dieser wankte und fiel. Dabei riss er den anderen Wächter mit sich, welcher auch direkt auf dem Boden landete. »Wir müssen hier fort, Meister Bärenherz! Bitte!«, fliehte die Pandarin und griff nach der Pfote von Ban um ihn wegzuziehen.   »Was geht hier vor sich, Mai?«, fragte der Shado-Pan verwirrt, doch er folgte ihr. Die beiden Wächter rappelten sich gerade wieder auf, als Ban Dlatego und den anderen nachsah. »Kommt mit!«, rief er und folgte Mai, die an dem Kloster nach Norden vorbeilief. Ryfang nahm sein Schwert in die Pranke, ehe er Emiress, Dlatego und Fogon folgte, die voran preschten. Schnee wirbelte auf und er rammte im vorbeilaufen einen der beiden Wächter mit seinem Schild, als er versuchte nach Emiress auszuholen. Nach mehreren Metern sah er prüfend über seine Schulter und erkannte, dass ihnen die Wächter nicht weiter folgten. Sie sahen ihnen nach, bezogen aber wieder ihre Stellung direkt vor dem Shado-Pan Kloster. Die Grummel waren allerdings nicht mehr zu sehen. Vermutlich hatten sie bei dem Tumult der losgebrochen war ihre Beine in die Hand genommen und waren mit ihren Rucksäcken geflohen. Vermutlich die bessere Entscheidung.   Ryfang sah wieder geradeaus und folgte Dlatego, der einen kleinen Abhang hinuntersprang und ungefähr einen halben Meter darunter landete. Die Pandarin unterdrückte ein keuchen so gut es ging, während sie zitternd zu dem Kloster zurückblickte. »Was ist los, Mai? Was meintet Ihr damit, dass das Kloster befallen sei?«, fragte Ban ungeduldig. »Wo sind die anderen?«   Die Pandarin lehnte sich zurück und sah zu dem Shado-Pan auf. »So wie ich es sagte, Meister Bärenherz.«, klagte sie und man konnte Frust in ihrer Stimme heraushören. »Das Kloster ist von dem Sha befallen. Das Sha der Gewalt hat es irgendwie geschafft hier einzudringen und jeden Shado-Pan zu verderben. Ein paar konnten sich wehren, sie wurden aber alle eingesperrt. Ich habe es geschafft zu entwischen.«, sprach sie mit dünner Stimme und blickte schuldbewusst zu Boden. Ryfang fiel auf, dass sie viel dünner war, als die anderen Vertreterinnen ihres Volkes. Man hätte sie fast schon als dürr bezeichnen können. Zwei Strähnen ihrer hellbraunen Haare fielen ihr ins Gesicht, wobei die längeren zu einem strengen Zopf nach hinten gebunden waren.   »Ihr seid ein Schurke und so konntet Ihr entkommen.«, sprach Dlatego und musterte Mai eindringlich. Die Pandarin hob schnell ihren Kopf und knirschte mit ihren Zähnen. »Ich bin ein Mönch!«, rief sie trotzig.   Ban drehte sich der Gruppe zu und neigte entschuldigend seinen Kopf: »Mai ist in der Lehre bei uns um die Kampfkunst der Mönche zu erlernen und um zur Shado-Pan ausgebildet zu werden. Sie ist eine der wenigen in unseren Reihen, die keine besonders gerühmte Vergangenheit hat.«   Auch wenn Mai nichts sagte um ihren Meister zu unterbrechen, sah man ihr an, dass sie sich darüber Ärgerte, dass Ban so offen über ihre Vergangenheit mit Fremden plauderte. Irgendwo konnte Ryfang sie sogar nachvollziehen, doch das war jetzt nicht der Moment um trotzig oder beleidigt zu sein. Sein Blick schweifte zu den hohen Dächern des Klosters, während Mai gezwungen ruhig schnaubte. Dann stand sie auf blickte fast schon wehmütig zurück: »Wir müssen ihnen helfen. So viele sind gefangen.«   »Und wir werden ihnen auch helfen.«, sprach Ban entschieden und widmete sich Dlatego zu. »Dlatego, wir kennen uns noch nicht lange und doch muss ich Euch - und Eure Freunde - erneut um Hilfe bitten.«, begann der Pandare, als der Mann mit der Augenklappe bereits nickte. »Natürlich werden wir helfen.«   Dankbarkeit zeichnete sich im gesicht des Shado-Pan ab, als Ryfang zu dem Kloster blickte. »ich frage mich nur, wie wir hineinkommen wollen.«   »Das ist das geringste Problem.« Dlatego schmunzelte und warf Mai einen amüsierten Blick zu. »Und ich möchte Euch bitten, uns dabei zu unterstützen.«   Mai hob ihren Kopf und erwiderte trotzig den Blick des Schurken. Sie starrte ihn kurz nachdenklich an, ehe sie langsam nickte. »Natürlich, aber wie?«     Kapitel 8: 07 - Prüfung neuer Pfade -----------------------------------   Der Nachtelf lag auf dem Bauch und spähte durch das Unterholz auf die Fundamente der Herrschaftsfeste, als sich eine geduckte Gestalt zu ihm gesellte. Nohlanie kauerte sich neben ihn, ohne den Blick von der Feste zu nehmen, an der die Peons mit den Aufbauarbeiten beschäftigt waren. Ein sicheres, gefährliches Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie eine gnomische Apparatur aus einem kleinen Leinenbeutel zog und diesen dann auf dem Boden fallen ließ. Weramor vermutete, dass es ein Auslöser sein musste. »Die Show kann beginnen.«, murmelte Nohlanie gefährlich ruhig und drücke den kleinen, roten Knopf der Apparatur.   Weramor hörte sofort den lauten Knall der Explosion und schreie von der Herrschaftsfeste aufsteigen. Rauch und Qualm stiegen von dem Feuer auf, das sich zwischen den Zelten rasch ausbreiten konnte. Die zur Hälfte errichtete Herrschaftsfeste hatte durch Nohlanies Aktion schwere Schäden davongetragen und es würde mehrere Tage dauern, bis dieser Schaden behoben war. Die Arbeit der Horde würde möglicherweise für eine Woche im Rückstand liegen, so hätten sie ausreichend Zeit um genügend Informationen zu sammeln, ohne dass ihnen die Grünhäute im Nacken saßen. Die Augen der Schurkin leuchteten: »Die Herrschaftsfeste dürfte an der Nordseite ein großes Loch haben, wenn der Teil überhaupt noch steht. Es wird viel Zeit kosten das wieder zu reparieren. Außerdem habe ich mit den Mienen ihre medizinische Versorgung und einen Teil ihrer Nahrungsvorräte in die Luft gehen lassen. Von denen werden wir für ein paar Tage bestimmt nichts mehr hören.«   »Immer für einen großen Knall zu haben, unsere kleinen, gnomischen Freunde.«, murmelte Weramor sarkastisch, während er Nohlanie dabei beobachtete, wie sie aufstand, den Auslöser auf den Boden fallen ließ und mit dem Stiefel kraftvoll darauf trat um ihn zu zerstören. »Wir sollten von hier verschwinden, Weramor. Die Grünhäute sind vielleicht zu beschäftigt, aber die Sin'dorei werden Augen und Ohren offen halten und das Gelände absuchen.«   Der Jäger nickte matt und schulterte seinen Bogen, als er geduckt in die Wildnis von Krasarang eintauchte. Nymeria folgte ihm auf den Fuß. sie hatte die Ohren zurückgelegt, vermutlich wegen dem Lärm und blieb dicht bei Weramor. Er seufzte leise, denn Nohlanie war so schweigsam wie schon immer. Sie verlor selten ein Wort über ihre Aufträge oder ihre Auftraggeber, doch seine frühere Geliebte hatte ihm Antworten zugestanden. Noch immer wusste er nicht, welchen Plan sie eigentlich verfolgte und dabei hatte er ihr bereits bei der Sabotage geholfen. Weramor merkte, dass Nohlanie ihn tiefer in den Dschungel führte. »Wohin gehen wir?«, fragte er, als sie den endlosen Strand im Süden erreicht hatten. Seine Laune hatte einen neuen Tiefpunkt erreicht, von dem er überzeugt gewesen war, dass er nicht existieren würde.   Anstatt hier in der Krasarangwildnis Hordenfestungen explodieren zu lassen, hätte er weitere Informationen in der Schreckensöde suchen sollen - oder anders gesagt, müssen. Sein Bericht war knapp, auch wenn es nicht sehr viel über diese verseuchte Landschaft zu sagen gab. Aber er musste der Mondsucht immerhin glaubhaft machen, dass er wirklich fünf Tage dort unterwegs gewesen war.   Nohlanie drehte sich um und hob eine ihrer langen Augenbrauen, während sie Weramor beobachtete. Kein Wort verließ ihre Lippen und doch konnte sie nicht die Unsicherheit in ihren Augen verbergen. »Ja, ich bin immer noch da, Nohlanie. Und ich warte immer noch auf eine Erklärung dafür, warum du dich so sehr in diesen Krieg einmischst. Es passt nicht zu dir, dich auf eine Seite zu schlagen.«   Die Nachtelfe verdrehte ihre silbernen Augen. »Wir gehen zur Löwenlandung und berichten von unserem 'Erfolg'.«, erwiderte sie knapp und ging weiter durch die Wildnis.   »Erfolg?«, der Jäger runzelte seine Stirn. »Wir haben ziellos ein paar Mienen in der Herrschaftsfeste hochgehen lassen. Ich nenne das nicht unbedingt einen Erfolg, sondern planlos.«   »Nenn es wie du willst.«, knirschte Nohlanie. »Ich nenne es einen erfolgreichen Angriff auf das Lager der Horde. Irgendwie müssen wir das Vertrauen der Löwenlandung erlangen. Es ist die schnellste Methode.« Sie wischte sich den Scheitel ihrer silbernen Haarsträhnen aus dem Gesicht und beobachtete den Jäger ernst. »Irgendwo müssen wir schließlich anfangen.«   Weramor biss sich auf die Unterlippe. »Müssen wir?«, fragte er gereizt und blieb stehen. Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn herausfordernd an. Er betrachtete eine Zeit lang ihr hübsches Gesicht, die filigranen Tätowierungen um ihre Augen und die kleine Falte an ihrer Stirn, zwischen ihren Augenbrauen. »Ich glaube nicht, dass ich mich schon dazu bereit erklärt habe dir zu helfen, Nohlanie.«   »Und doch hast du es getan.«, sprach sie zuckersüß und funkelte ihn überlegen an. Weramor schüttelte seinen Kopf: »Ich folgte dir - vorerst. Aber ich möchte noch immer Antworten.«   Nohlanie verzog ihr hübsches Gesicht. »Du wirst deine Antworten bekommen, aber es ist eine lange Gesichte.« »Dann erzählt sie mir jetzt. Ich habe Zeit.« Weramor sah Nohlanie tief in die Augen, als er zu ihr aufholte. Mit einem merkwürdigen Gefühl in der Brust glaubte er für einen kurzen Augenblick sie vermisst zu haben, doch diese Gedanken versuchte er demonstrativ wieder abzuschütteln.   »Auf dem Weg zur Löwenlandung.«, murmelte Nohlanie bissig und drehte sich wieder um. Weramor seufzte und holte zu ihr auf, bis sie wieder auf der gleichen Höhe waren. »Das ganze beginnt vielmehr mit einer Legende, deswegen wird sie dir absurd vorkommen.«, begann sie, während Nohlanie über eine große Wurzel wieder in die Schatten der Krasarangwildnis eintauchte. Sie ging langsam, behielt aber konstant ein gleichbleibendes Tempo. »Dir ist die Geschichte über Todesschwinge bekannt? Dem ehemaligen Aspekten der Erde? Und auch, dass er von den Einflüsterungen der Alten Götter wahnsinnig wurde?«   Weramor nickte langsam, was Nohlanie nicht sehen konnte, da sie nicht zu ihm sah. Doch sie begann nach einigen Herzschlägen mit dieser Legende. »Es begann im Ödland zu der Zeit des Kataklysmus. Die roten Drachen der Lebensbinderin experimentierten mit den Eiern des schwarzen Drachenschwarms. Ihr Ziel war es einen schwarzen Drachen zu erschaffen, der nicht unter dem Einfluss der Alten Götter stand. Aber ihre Bemühungen waren umsonst, bis man die Technologien der Titanen nutze und es brachte schließlich den Erfolg, ein einziges, schwarzes Drachenei zu läutern.«   Der Nachtelf runzelte seine Stirn. »Nur Legenden und Erzählungen?«, murmelte er, doch Nohlanie ließ sich nicht beirren und fuhr fort: »Ein geläuterter, schwarzer Drache, frei von dem Einfluss der Alten Götter. Das war ein unglaublicher Erfolg für den roten Drachenschwarm und durch einen Trick konnten sie sogar Todesschwinge austricksen und das Drachenei ins Schattenhochland bringen, wo die Roten über es wachen konnten. Es sollte dort sicher sein.« Nohlanie hielt kurz inne und blieb stehen. Sie hob ihren Blick von dem Weg ab und spähte zu den Lichtpunkten, die durch das Blätterdach einen Weg auf den unebenen Boden gefunden hatten. Sie tanzten, wenn sich die Blätter sanft im Wind bewegten.   »Irgendetwas hatte der rote Drachenschwarm mit dem Ei vor, doch was genau weiß niemand und wenn man sie danach frägt antworten sie nicht. Das Drachenei wurde aber von den Assassinen aus Rabenhold von den Roten geraubt. Der rote Drachenschwarm versuchte das Ei zurückzuholen, aber anstatt des Dracheneis, fanden sie einen bereits ausgeschlüpften, schwarzen Drachen. Auch wenn er noch jung war, war er bereits unglaublich intelligent und unglaublich stark. Bedenkt man, dass es ein direkter Nachfahre von Todesschwinge ist, kann man sich wage vorstellen, welche wirkliche Kraft in ihm schlummert. Der Schwarze Prinz - wie er sich später nannte - kürte einen Assassinen zu seinem Champion und beauftragte ihn, seine verdorbenen Brüder und Schwestern des schwarzen Drachenschwarms zu töten, die noch immer auf Azeroth ihr Unwesen trieben.«   Weramor runzelte die Stirn, als Nohlanie eine Pause machte. »Du weißt ziemlich viel über diese 'Legende', Nohlanie.«, raunte er und sah sie für einige Augenblicke lang an, die sich in die Länge zogen. »Woher hast du sie?«   Die Nachtelfe sah ihn über die Schulter lange an. »Weil ich damals das schwarze Drachenei aus Rabenhold stehlen sollte. Doch stattdessen fand ich den Schwarzen Prinzen und wurde zu seinem Champion.«   Der Nachtelf zog seine Augenbrauen zusammen und schnaufte laut die Luft aus. »Mal ehrlich, und das soll ich dir glauben?« fragte er unbeeindruckt und verärgert. »Vor gestern Abend hast du mich einen Monat lang in dem Glauben gelassen ich hätte ein Kind mit dir. Und jetzt kommst du mit dieser Geschichte die völlig an den Haaren herbeigezogen ist.«   Nohlanie schmunzelte leicht. »Ach weißt du, Weramor. Glaub es oder nicht. Ich kann ihn dir auch vorstellen, aber zunächst müssen wir zur Löwenlandung, solange die Explosion an der Herrschaftsfeste noch frisch ist. Entweder du folgst mir, oder ich werde das Schicksal der Allianz alleine beeinflussen. Es ist deine Entscheidung.«, sprach sie und wollte sich bereits trotzig abwenden, doch dann hielt sie inne und hob ihren entschlossenen Blick wieder zu ihm. »Ich habe meine Bestimmung gefunden und du die deine. Es ist nur dein gekränkter Stolz der zwischen dir und dem größeren steht, was ich mit dir teilen kann. Ich für meinen Teil, möchte die Vergangenheit gerne auf sich beruhen lassen und neu beginnen. Oder siehst du das nicht so?«   Sie sah ihn forschend an, während sein Mund trocken wurde. Die Vergangenheit auf sich beruhen lassen und neu beginnen? Diese Worte klangen so leicht, so einfach, doch war er dazu in der Lage? »Ich werde mich nicht entscheiden, bis ich ihn getroffen habe.«, murrte er leise. »Wie ich sagte, diese Geschichte ist haarsträubend und ich glaube kein Wort davon, bis ich mich von dessen Wahrheitsgehalt überzeugt habe.«   »Tu was du nicht lassen kannst.«, seufzte Nohlanie und drehte sich wieder um. »Nachdem wir bei der Löwenlandung waren, werden wir wohl etwas Zeit finden um ihm einen Besuch abzustatten.«   Weramor nickte langsam, während er ihr weiter folgte. Sie schien so unbeschwert zu sein, als wäre sie von dem Überzeugt wovon sie sprach. Ebenso was diese Macht anging. Es war unglaublich sich vorzustellen, dass es einen schwarzen Drachen geben sollte, der nicht von dem Einflüsterungen der Alten Götter betroffen war. Und dann auch noch ein Nachkomme Todesschwinges. Er erkannte den Strand, der sich vor ihnen ausbreitete und an das Meer grenzte. Die Löwenlandung war eine Burg, die sich an der östlichsten Spitze der Küste erhob. Die Allianz war ebenfalls noch mit den Bauten beschäftigt, aber sie hatten bisher keine Rückschläge erlitten, im Gegensatz zu der Horde. Bodentruppen patrouillierten über den Strand und Greifen flogen weite Kreise über die Burg.   Es dauerte nicht lange bis sie gesichtet wurden, nachdem sie aus den Schatten der Wälder herausgetreten waren und auf dem Strand entlanggingen. Ein Mann in goldener Rüstung, dunkelblondem Haar und einer selbstsicheren Ausstrahlung ritt ihnen auf einem Apfelschimmel entgegen. »Dies hier ist Kriegsgebiet.«, rief er ihnen entgegen und zog die Zügel seines Pferdes, als er direkt vor ihnen stand. Das Ross wirbelte Sand auf, als es zum stehen kam. »Ihr solltet in das Tal der vier Winde gehen. Reisende sind vor den Angriffen der Horde nicht sicher. Habt ihr den Heldenaufruf nicht vernommen?«   Ungläubig sah der Mann auf die beiden herab. Sein Pferd scharrte im Sand als könnte es die Spannung wittern. »Natürlich haben wir das.«, ergriff Nohlanie das Wort und trat einen Schritt zu dem berittenen Mann vor. »Wenn ich uns vorstellen darf, dies ist ein geüber Jäger, Weramor und mich nennt man Nohlanie. Wir haben den Ruf vernommen und möchten ihm nachkommen um der Allianz in der Zeit des Krieges zu dienen.« Nohlanie machte einen kleinen Knicks und hob ihren Blick wieder zu dem Mann. »Herr...«   »Admiral Taylor.«, unterbrach sie der Mann grob, allerdings mit einer neugierig gehobenen Augenbraue. »Herr Admiral Taylor, Ihr habt bestimmt die Explosion gehört, die von der Herrschaftsfeste herrührt, oder?« Nohlanie ließ sich nicht beeindrucken und sah freundlich zu dem Mann auf.   Taylor fuhr sich mit der Hand durch den gestutzten Bart und zog seine Augenbrauen zusammen. »Ja, wir waren die zweiten nach der Horde, die davon hörten.«   »Das ist fast korrekt, Admiral.« Die Nachtelfe neigte respektvoll ihren Kopf. »Wir waren die ersten, die davon wussten. Denn wir haben die Mienen in der Herrschaftsfeste verteilt und gezündet. Medizinische Versorgungen und Nahrung wurde dabei zerstört.«   Der Mann hob verwundert beide Augenbrauen und schien für einen Moment sprachlos zu sein, während er dem Bericht der Nachtelfe lauschte. »Und Ihr beiden lebt noch? Ihr müsst exzellente Späher sein. Garrosh selbst ist in der Herrschaftsfeste.« Taylor blickte zurück zur Löwenlandung und dann wieder zu den Nachtelfen. »Nun gut, Nohlanie und Weramor. Wenn ihr euch uns im Kampf anschließen wollt, dann seid ihr willkommen. Ich begleite euch zurück zur Löwenlandung.«   »Sehr freundlich.«, sprach Nohlanie entzückt und folgte dem Admiral, der sein Pferd wendete und zum langsamen Schritt antrieb. Weramor folgte den beiden stumm und beobachtete Nohlanie dabei, wie sie sich einen Überblick über die derzeitige Lage in der Löwenlandung machte. Ein einfacher Blick, nichts was als wichtig aufgefasst oder auffällig gewirkt wäre. Der Jäger war fast schon begeistert von ihrer Kunst, anderen etwas vorzumachen, doch schließlich fiel er selbst immer wieder auf sie herein. Je weiter sie sich der Löwenlandung näherten, desto mehr Völker der Allianz konnte Weramor erkennen. Nachtelfische Bogenschützen hielten ein einfaches Schusstraining auf Bäume ab, während Worgen mit Draenei die Schwerter kreuzten. Mehrere Arbeiter waren auf den Docks beschäftigt oder mit dem Aufbau der Festung. Andere schafften Rohstoffe heran, fegten den Platz oder kochten um die Krieger und Arbeiter zu versorgen.   Auf dem Platz vor der Löwenlandung konnte der Jäger noch jemanden erkennen, den jeder der Fraktion nur zu gut kannte. König Varian Wrynn beobachtete persönlich die Arbeiten der Löwenlandung und schien zufrieden damit zu sein. Er drehte sich um und Weramor erkannte die Narbe, die sich quer über seinem Gesicht abzeichnete. Admiral Taylor stieg von seinem Pferd und überreichte die Zügel einem Knappen, der herbeigeeilt war. Mit einem festen Schritt trat er zu dem König und salutierte vor ihm, während dieser über die Docks blickte. »Exzellente Arbeit bei den Hafenbefestigungen.«, sprach Varian Wrynn zufrieden und wand sich nun auch Weramor und Nohlanie zu, als würde er die beiden erst jetzt bemerken. »Und wer ist das, Admiral?«   Taylor deutete auf die beiden. »Dies sind zwei begnadete Späher, Euer Hoheit. Sie haben die Explosion in der Herrschaftsfeste verursacht und möchten sich der Operation Schildwall anschließen.«   »Diese beiden?« König Wrynn betrachtete zunächst Weramor und dann Nohlanie genau, ehe er ihnen ernst zunickte. »Eure Hilfe wird natürlich sehr gerne in Anspruch genommen werden. Wenn ihr Späher seid, denke ich wird man genau die perfekte Aufgabe für euch finden.«   Der Jäger wurde unruhig bei diesen Worten und erinnerte sich an seine eigentliche Aufgabe und an den Befehl seines Gildenleiters, sich aus dem Konflikt zwischen Horde und Allianz herauszuhalten. Und jetzt stand er vor dem König von Sturmwind und würde Aufgaben übertragen bekommen, die direkt mit diesem Krieg im Zusammenhang standen. Weramor fragte sich, wann er das letzte Mal wirklich loyal gegenüber der Mondsucht gewesen war. Alles hatte sich geändert, seitdem sich Nohlanie bei ihm gemeldet hatte.   Die Nachtelfe neigte ihren Kopf vor dem König. »Wir werden tun, was immer Ihr für richtig haltet.« Weramor tat es ihr gleich und verbeugte sich, wenn auch etwas zögernd.   König Wrynn nickte zufrieden. »Admiral.«, mit diesen Worten wandte er sich wieder Taylor zu. »Sobald die Docks fertig sind, wird unsere nächste Priorität-«   »Vater!«   Varian Wrynn hielt inne und sah sich suchend um. Weramor und Nohlanie sahen ebenfalls in die Richtung, aus der die Stimme erklungen war und entdeckten den jugendlichen Prinzen, der geradewegs über den Hauptplatz rannte.   »Anduin!«, rief König Wrynn überrascht und erleichtert zugleich und rannte seinem Sohn entgegen. Er schloss ihn in seine kräftigen Arme, als er ihn erreichte. »Es geht dir gut! Ich dachte...« Er hielt inne und senkte seinen Kopf zu Anduin, der seinerseits seine Arme um seinen Vater schloss.   Weramor warf Nohlanie einen Seitenblick zu, die interessiert das Geschehen verfolgte. Anduin war vor vier Monaten auf dem Schiff gewesen, welches auf Pandaria verunglückte. Einigen Berichten zufolge, hatte man ihn ab und zu gesehen, doch er war immer wieder verschwunden. Dass König Varian Wrynn seinen Sohn unbeschadet wiedersah, so kurz nachdem er selbst einen Fuß auf Pandaria gesetzt hatte, musste für ihn ein Wunder sein.   Der junge Prinz löste sich schließlich aus der Umarmung seines Vaters und hob seinen Kopf. Weramor fiel auf, dass seine Kleidung merkwürdigerweise gepflegt und sauber war, was ihn nachdenklich stimmte. Immerhin hatte der junge Prinz als verschollen gegolten. »Vater, du kannst das nicht tun. All der Hass und Zorn, den dieser Krieg bringen wird vergiftet diesen Ort.«   Varian runzelte seine Stirn, doch ein Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab. »Immer langsam, mein Junge. Dieser Krieg ist anders. Hier geht es nicht um den Hass auf die Horde. Es geht um die Liebe zur Gerechtigkeit. Darum, dass zu tun, was getan werden muss.«   »Dieses Land ist... anders als unseres.« Anduin schüttelte seinen Kopf. »Es ist ein Schatz.« »Dann werden wir es mit unserem Leben beschützen, mein Sohn. Wir müssen das hier gemeinsam erledigen.« König Wrynn erhob sich und legte seine Hand auf die Schulter seines Sohnes. Voller Tatendrang sah er ihn an, wobei der Prinz ein leises: »Gemeinsam.«, erleichtert hauchte.   Eine Zwergin näherte sich schnellen Schrittes der Gruppe und ihre orangenen, geflochtenen Zöpfe wippten als sie in Rufreichweite kam: »Eure Majestät! Die Horde hat sich in eine Tempel westlich von hier verkrochen! Waldläufer der Nachtelfen haben den Ort umstellt!« Die Zwergin, welche eine einfache Lederhose und ein kariertes Hemd trug keuchte leise, was erahnen ließ, dass sie einen weiten Weg gerannt sein musste.   »Waldläufer?«, fragte der König und sein Gesicht wurde nachdenklich. »... Tyrande.«   Der junge Prinz drehte sich seinem Vater zu. »Vater! Du darfst sie aus dem Tempel des Roten Kranichs kein Schlachtfeld machen lassen! Er erholt sich gerade erst vom Sha.«   Weramor musste dem zustimmen. Es war noch nich tlange her, als sie das Sha der Verzweiflung aus dem Tempel von Chi-Ji vertreiben konnten und diesen schließlich geläutert hatten. Der Rote Kranich konnte sich noch nicht nach so kurzer Zeit von der Übernahme erholt haben. Doch noch etwas anderes beschäftigte ihn, denn eine Gilde die Veoran kannte musste ebenfalls ganz in der Nähe sein.   »Dieser Tempel ist eine Schatzkammer der Geschichte, Euer Majestät.«, stimmte die Zwergin zu, die mittlerweile wieder normal atmen konnte.   »Beruhigt euch. Das hört sich nach einer von Garroshs Fallen an. Er versucht uns vom Strand wegzulocken.«, mutmaßte der König und hob seinen Blick. »Trottmann! Stellt ein paar Arbeiter und einen Mörsertrupp zusammen und bleibt achtsam.«   »Aber Vater-«, wollte Anduin wiedersprechen, wurde aber von seinem Vater unterbrochen: »Ich nehme nur eine kleine Gruppe Krieger mit mir und werde selbst mit Tyrande sprechen, Anduin. Ich werde das erledigen. Du musst mir vertrauen, dass ich hier das Richtige tue.«   Der Prinz nickte langsam, sah seinen Vater aber entschlossen an. »Ich vertraue dir, Vater.«   Während der König von Sturmwind wegging um zu den Reittieren zu gelangen, trat die Zwergin vor den jungen Prinzen. »Hilde Hornsturz, zu Euren Diensten, mein Prinz.«, sprach sie und verbeugte sich tief. »Ihr müsst völlig erschöpft sein und hungrig! Ich bringe Euch in die Gemächer - die noch nicht ganz fertig sind - aber das wird schon Dann könnt Ihr erst mal etwas Essen und Euch ausruhen.« Anduin sah anscheinend nicht sehr begeistert aus, dennoch folgte er Hilda die voran ging. Sein Blick blieb kurz bei Nohlanie hängen, ehe er ebenfalls fortging.   Weramor ging an ihre Seite und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Die merkwürdigen Ereignisse verblüfften ihn, er hatte den König von Sturmwind anders in Erinnerung. Nohlanie drehte sich ihm zu und wollte gerade etwas sagen, doch Admiral Taylor näherte sich den beiden wieder. »Wir haben bereits eine Aufgabe für euch beide.«   Nohlanie drehte ihren Kopf und nickte entschlossen. »Wie können wir helfen?«   Der Mann betrachtete den Jäger etwas skeptisch, als er weitersprach: »Wir müssen herausfinden, was Garrosh in Pandaria vorhat. Ich denke an jemand bestimmten, der uns dabei helfen wird, aber es wird nicht leicht sein ihn zu überzeugen.«   Nohlanie hob eine ihrer langen Augenbrauen. Weramor wusste, dass sie nicht begeistert war erst noch jemanden rekrutieren zu müssen, denn er selbst empfand diese Aufgabe fast schon als Beleidigung. Er war ein ausgezeichneter Später und Überlebenskünstler - der Beste der Mondsucht. Das selbe galt für Nohlanie, auch wenn er sich fast sicher war, dass sie ihn inzwischen übertraf. Und diese beiden sollten jemand anderen ausfindig machen, der ihre Arbeit übernehmen würde? In seinen Augen eine pure Zeitverschwendung. Doch Nohlanie trat vor, mit einem charmanten Lächeln welches ihre Gefühle nicht verriet und fragte: »An wen habt Ihr gedacht?«   »An Agent Connelly. Er ist zwar im Ruhestand, aber ein Geheimagent folgt ihm seit Monaten. Er tarnt sich als ein Profiglücksspieler. Anscheinend hat es irgendetwas mit dem Begleichen einer alten Rechnung zu tun. Auf jeden Fall ist er noch sehr aktiv.« Admiral Taylor runzelte seine Stirn, sah allerdings zuversichtlich aus, dass die beiden Kal'dorei diese Aufgabe zufriedenstellend ausführen würden. »Er hält sich zur Zeit öfters in Bizmos Boxbar auf. Ihr solltet Euch mit unserem Geheimagenten in der Kampfgilde treffen um dort mehr zu erfahren.«   »Wir sollen Connelly also davon überzeugen hierher zu kommen?«, fragte Nohlanie betont ruhig. Bizmos Boxbar und die Kampfgilde waren in Sturmwind und so würden sie erst wieder zum Schrein der Sieben Sterne reisen müssen um dann durch eines der magischen Portale zu treten.   »Das trifft sich gut.«, warf Weramor erfreut ein und linste kurz zu Nohlanie die verwundert eine Augenbraue hob. Er legte einen Arm um ihre Schulter und nickte begeistert. »Wir hatten ohnehin noch etwas in der Hauptstadt zu erledigen.«   »Oh?« Admiral Taylor betrachtete die beiden verwundert, doch dann nickte er nur ernst. Sein Blick haftete auf den beiden Kal'dorei. Vielleicht war dieser Auftrag auch nur eine Art Test, da sie nicht von Beginn an bei dieser Mission mitgewirkt hatten? »Bringt Agent Connelly hierher, wann und wie ist euch überlassen. Und nun müsst Ihr mich entschuldigen, aber die Arbeit wartet.« Taylor salutierte vor den beiden Nachtelfen und drehte sich dann um, um zu ein paar Bodentruppeneinheiten zu gehen.   »Wir haben noch etwas in der Hauptstadt zu erledigen?«, fragte Nohlanie, als der Mann außer Hörreichweite war und schlang sich aus seiner halbherzigen Umarmung. Sie sah ihn skeptisch an, während er seine frühere Geliebte überlegen ansah: »In ein paar Tagen ist die Gildenversammlung und du wolltest mir deinen kleinen schwarzen Drachenfreund vorstellen, wenn ich mich recht erinnere.« Nohlanie sah ihn genervt an, als er fortfuhr: »Außerdem bist du ohnehin besser darin, dich in einer stinkenden Bar herumzutreiben und bestimmte Personen ausfindig zu machen.«   »Wo du Recht hast...«, seufzte Nohlanie langgezogen und stemmte ihre Hände in ihre Hüften. »Nun gut, du wirst ihn kennen lernen.« Ein unscheinbares Lächeln huschte über ihre Lippen. »Wir können sofort morgen aufbrechen.«   »Warum erst morgen?«, fragte Weramor argwöhnisch und verengte seine goldenen Augen. Die Schurkin fuhr mit ihrem Finger an seiner Wange und der Seite seines Halses entlang und er ließ es zu, ohne zurückzuweichen. »Wir sollten uns hier etwas ausruhen. Vertrau mir.«, hauchte sie ihm entgegen und drehte sich von ihm weg. Leichtfüßig ging sie den Pfad zu den Lagern hinab, während Weramor seufzte. Er ärgerte sich über Nohlanie. Er hatte besseres zu tun, als erfundenen Geschichten zu lauschen, die Horde zu jagen, oder einer verflossenen Liebe hinterherzutrauen. Dennoch kam er nicht umhin sich an ihrer Anwesenheit zu erfreuen.     *****     Während der Totenzeremonie, welche die Klaxxi für den Todesrufer abgehalten hatten, hielt sich Struana bedeckt am Rand von Klaxxi'vess auf. Zwar war es ihr untersagt die heilige Stätte zu verlassen, aber - zu ihrer eigenen Verwunderung - verspürte sie nicht das Bedürfnis, alleine in der Schreckensöde herumzulaufen. Die Worgen säuberte mit höchster Konzentration und penibler Feinarbeit ihre Bernwaffe. Im Grunde genommen war sie bereits sauber, doch sie konnte nicht aufhören. Es war für sie so unrelistisch, dass die Klaxxi für den gefallenen Getreuen so viel Aufwand betrieben, wo doch die Schwarmgeborenen noch nicht einmal Teil ihrer Gesellschaft waren. Doch die Getreuen hatten sich einen Namen unter ihnen gemacht, sie waren so etwas wie Kriegshelden unter der Allianz. Immer mehr sah sie die Mantis als ein Volk und weniger als ihre Feinde an, wofür sie sich selbst verabscheute. Gerade in diesem Augenblick kämpften vielleicht Tensho und die anderen ihres Trupps auf dem Schlangenrücken gegen die einfallenden Mantis und sie saß inmitten ihrer Feinde und konnte sie nicht mehr als solche sehen. Die kurze Zeit, die sie jetzt schon mit Kil'ruk, Malik und den anderen Mantis verbracht hatte, zwang sie eine andere Denkweise den Kreaturen gegenüber anzunehmen. Und auch wenn sie versuchte ihre Gedanken abzulegen, konnte sie es nicht verhindern. Gerade der Tod des Todesrufers hatte sie erschüttert. Das Sha war gerade hier in der Schreckensöde sehr mächtig.   Dazu kam diese Vision, die Struana in diesem Denken noch zusätzlich bestärkte. Konnte es ihr nicht egal sein, was mit den Mantis geschah? Doch was wäre, wenn das Schicksal der Mantis unwiderruflich mit der Zukunft der Pandaren und dem Tal der Ewigen Blüten in Zusammenhang stand? Wenn das Sha es wirklich schaffte, nicht nur Macht über die Kaiserin, sondern auch sogar über die Klaxxi auszuüben, was würde dann passieren? Hatten die Mantis wirklich dem Sha gedient, oder war das eine erfundene Lüge um ihren Verstand während der Vision jeder Hoffnung zu berauben? Struana wollte es nicht glauben und sie würde wohl oder hier bleiben müssen, bis die Klaxxi ihr Schlamassel mit der durchgedrehten Kaiserin unter Kontrolle gebracht hatten. Sie musste einfach sicher gehen, dass sich die Macht des Shas nicht noch weiter ausbreitete und noch etwas schlimmeres geschah.   Struana blickte auf, als sie aus den Augenwinkeln jemanden näherkommen sah. Es war der Windschnitter, der sich schweigend neben sie kauerte, während sie so tat, als wäre sie mit ihrer Waffe viel zu beschäftigt. Er schwieg, während sie ihre Waffe weiter säuberte, obwohl es schon lange nicht mehr nötig war. »Ist die Zeremonie vorüber?«, fragte sie schließlich, bevor die Stille unangenehm werden konnte. Es widerstrebte der Kriegerin zwar mit Kil'ruk über den Todesrufer zu reden, aber es würde sich wohl nicht vermeiden lassen. Immerhin versuchte sie so zu klingen, als würde sie über etwas belangloses sprechen. Der Windschnitter schwieg, mehrere Momente, ehe er leise krächzte: »Es ist nicht so, dass ich meine Gefährten im Stich lassen möchte, Erweckerin. Aber ich weiß, wann ein Kampf verloren ist.«   Die Worgen seufzte leise, und legte die Waffe bei Seite. Sie drehte das Tuch in ihren Pranken und faltete es langsam und beinahe penibel sorgfältig zusammen. »Ich anscheinend nicht.«, gab sie zu und warf Kil'ruk einen Seitenblick zu. »Ich habe nicht gelernt nachzugeben.«   Der Windschnitter regte sich nicht, als er seine Kieferzangen sanft gegeneinander schlug. »Ihr reagiert merkwürdig für eine Niedere Kreatur, Erweckerin. Normalerweise kämpft niemand an unserer Seite, außer wir selbst.« Struana hob ihren Kopf und bemerkte, dass Kil'ruk sie direkt aus seinen jadegrünen Augen hinter seinem Kopfschutz ansah. In ihnen konnte sie immer noch Abscheu lesen, doch auch Neugierde. »Ihr erkennt, dass wir einen gemeinsamen Feind haben, richtig?«   »Ja, das ist mir klar.«, erwiderte Struana und nickte ernst. Sie wusste, dass die Klaxxi ihre Hilfe als Erweckerin weiterhin benötigten und das sehr dringend. Wieder entstand eine unangenehme Stille, denn sie wusste nicht, wie sie ihre Worte formulieren sollte. Schließlich war sie in der Gesellschaft der Mantis ein Nichts - außer der Erweckerin natürlich. Aber was hieß das denn schon?   »Ich verstehe Euch nicht, Erweckerin.«, murmelte Kil'ruk krächzend und Struana sah wieder zu ihm auf. »Warum wollt Ihr Anteil haben an meiner Kultur? Warum hat Euch der Tod des Todesrufers mitgenommen? Ich sehe es an Eurer Haltung, etwas hat sich verändert. Ich verstehe nicht warum.«   Die Worgen legte ihre Ohren flach an und verengte ihre Augen, während sie über die Plattform blickte. Einige Vesswachen lösten ihre Patrouillen ab, während Kor'ik in der Mitte an dem Signalgeber arbeitete. Warum sprach Kil'ruk überhaupt mit ihr? Sollte er sie nicht weiterhin hassen? Im Augenblick wäre ihr das wirklich lieber, so machte sie sich nun weiterhin Gedanken. Sie wusste nicht, warum sie sich das Opfer des Todesrufers so zu Herzen nahm. Vielleicht hing es mit dem Schwarm zusammen, der gegen den Schlangenrücken strömt. Zumindest bildete sie sich das ein aufgrund der Vision die sie hatte. »Die Kaiserin darf nicht siegreich sein.«, murmelte sie leise, sodass nur Kil'ruk sie hören konnte. »Solange sie vom Sha besessen ist, sind ihre Handlungen unberechenbar. Der nächste Schritt könnte zu weit gehen und den kompletten Schlangenrücken vernichten.«   »Ihr seid sehr leichtgläubig, Niedere.«, krächzte Kil'ruk. »Ihr versteht den Zyklus nicht.«   Struana verengte ihre Augen und sah Kil'ruk genervt an. »Wenn Ihr nur hier seid um mich wieder zu beleidigen, dann solltet Ihr besser gehen.«, knurrte sie beinahe.   Der Windschnitter war für einige Momente ruhig, ehe er »Wie Ihr meint«, krächzte und auf den großen Signalgeber in die Mitte von Klaxxi'Vess starrte. »Ich dachte Ihr wolltet etwas lernen, doch da lag ich falsch.«   Die Kriegerin legte ihre Ohren an und starrte ebenfalls stur auf den Signalgeber. Auf einmal wollte der Windschnitter ihr Lehrstunden geben? Was für eine Ironie, dabei hatte er sie etwas gefragt! Legte er die Frage nun absichtlich so aus? Arroganter Käfer. Aber sie wollte sich nicht bei ihm entschuldigen um nun etwas herauszufinden. Früher oder später würde sie schon noch Gelegenheit dazu bekommen. Sie wollte sich nicht ständig vor ihm Rechtfertigen. Es war ohnehin Schwachsinn, er war ein Mantis.   »Ich hätte eine Bitte.«, hob Struana ihre Stimme an und sah nun doch zu Kil'ruk. »Ich brauche mehr Informationen über die nächsten Schritte, wenn ich als Erweckerin ohnehin in die Vorkommnisse involviert werde. Ich muss im Vorfeld eingeweiht werden, damit ich weiß, was mich erwartet. Ich möchte nicht mehr unvorbereitet in einen Kampf gehen.«   Kil'ruk sah sie für einen Wimpernschlag erstaunt an, dann hob er seinen Kopf und stand auf, als wäre die Unterhaltung beendet. Struana sprang ebenfalls auf und runzelte ihre Stirn. »Kil'ruk!«, knurrte sie und er hielt tatsächlich inne. Der Windschnitter sah sie ruhig, aber entschlossen über seine Schulter an. »Alles kann man Euch nicht anvertrauen, Erweckerin. Aber Ihr habt Recht. In einige Informationen über die nächsten Schritte müsst Ihr eingewiesen werden.« Er hielt inne und blickte über Klaxxi'vess zu den Ratsmitgliedern der Klaxxi. »Ich werde sehen, was ich machen kann, Erweckerin. Aber ich verspreche nichts.«   Struana blickte Kil'ruk verwundert und nachdenklich nach, als sich seine Flügel summend in Bewegung setzten und er langsam in die Luft stieg. Er würde sehen, was er machen könnte. Er blockte nicht sofort ab, oder beleidigte sie aufgrund ihrer Spezies. Konnte es tatsächlich sein, dass er sie möglicherweise ein kleines bisschen akzeptierte? Immerhin nannte er sie auch nicht mehr so oft eine Niedere Kreatur. Aber allgemein war diese Unterhaltung mit Kil'ruk wohl die produktivste gewesen, die sie je hatten.   Die Kriegerin hob ihre Waffe vom Boden auf und befestigte sie an der Halterung an ihrem Rücken, als Malik auf sie zugestampft kam. Er wirkte merkwürdig müde und Struana fragte sich, ob ihn die Beisetzung des Todesrufers so sehr mitgenommen hatte. Er suchte mit seinem Blick den ihren und seine Vorderbeine zuckten vor um sachte gegeneinander zu reiben. »Mitkommen.«, sprach er rau und drehte sich wieder um. Der Getreue wartete noch nicht einmal auf Struana, als sie ihm hinterherlief. »Was ist denn?«, fragte sie verwirrt, als sie zu ihm aufgeholt hatte.   Malik antwortete zunächst nicht, erst als sie bereits die Hälfte des Platzes von Klaxxi'vess hinter sich gebracht hatten, sprach er: »Ich möchte, dass Eure natürlichen Waffen verstärkt werden. Eine Waffe könnt Ihr verlieren, deswegen sollten Eure Zähne und Klauen Eure stärksten Waffen im Kampf sein.«   Die Worgen runzelte ihre Stirn. »Wie kommt Ihr darauf, dass ich meine Waffe fallen lassen würde?«, fragte sie und Malik warf ihr einen scharfen Blick zu, als wüsste sie die Antwort bereits selbst. Hielt er sie etwa für so unfähig? Wenn sie genauer über die ganze Sache nachdachte, konnte sie es gar nicht erwarten endlich ihre Pflichten als Erweckerin zu erfüllen und das Mantisnest verlassen zu können. Doch vorerst half sie den Klaxxi um den Schwarm aufzuhalten, weiterhin die Mauer anzugreifen und mehr über das Sha zu erfahren. Das Gefühl, dass das Sha noch mehr Schaden anrichten würde, ließ sie nicht los. Struana widerholte den Gedanken, bis sie glaubte davon überzeugt zu sein. Wenn die Probleme der Klaxxi beseitigt wurden, würden ihre Dienste als Erweckerin nicht mehr gebraucht werden.   Der Unversehrte stoppte, als sie den Bernschmied erreichten. Zikk sah nicht sehr begeistert aus - um genau zu sein, sah er ziemlich unbeeindruckt aus - während er bereits Kyparit in dem Gusskessel zum erhitzen brachte. Als Struana näher kam, ging er auf sie zu und griff nach ihrem Kinn und zog sie auf seine Augenhöhe, sodass sie gezwungen war sich unter seinem Griff vorzubeugen. »Hmm, ja. Das sollte ich hinbekommen. Wär ja auch erbärmlich wenn nicht.«, krächzte er und ließ wieder von ihr ab. Struana schüttelte ihren Kopf und funkelte dem mürrischen Bernschmied nach. »Ich werde das Kyparit direkt an Euch anpassen.«   Zikk beugte sich wieder über seinen Gusskessel in dem das Kyparit schmolz und eine flüssige Substanz annahm. Struana legte ihre Ohren zurück. Er konnte das unmöglich ernst meinen. Das Metall war viel zu heiß, als dass es ihre Haut - von ihrem Fell mal abgesehen - überstehen würde. Die Worgen stemmte ihre Pranken in ihre Hüften und beobachtete den Bernschmied bei seinen Vorbereitungen, als sie die harte Wölbung in ihrer Gürteltasche bemerkte. Verwundert blinzelte sie. Wie hatte sie das nur vergessen können? »Ich habe da etwas, das Ihr Euch ansehen solltet, Zikk.« Sie öffnete ihre Gürteltasche und zog die kleine Scherbe heraus, die sie nach dem Kampf mit dem Todesrufer an sich genommen hatte. Sie war überzeugt davon, dass die vor Sha-Energie pulsierende Scherbe nur Unheil anrichten würde, wenn man sie einfach herumliegen ließe. Eigentlich wollte sie schon früher zu dem Bernschmied, um ihm den Splitter zu zeigen, aber sie hatte es tatsächlich vor lauter Gedankengrüblerei vergessen.   Der Bernschmied drehte sich genervt zu ihr um doch dann zischte er plötzlich laut, als er die Scherbe erblickte. »Wisst Ihr eigentlich was das ist?!«, blaffte er sie an, als er auf den Amboss deutete. »Hierhin legen!«   Sichtlich verwirrt tat Struana wie ihr geheißen. Malik beobachtete den Bernschmied interessiert, während sich Zikk vorbeugte um den Splitter gründlich in Augenschein zu nehmen. »Was ist es denn?«, fragte Struana halbherzig, während Zikk angespannt mit seinen Kieferzangen gegeneinander schlug.   Der Bernschmied sah sie giftig an. »Es war klar das Ihr keine Ahnung habt, Fleischling! Das ist Amber! Und er ist mit Angst verseucht!«   Struana runzelte ihre Stirn. Amber war vergleichbar mit Bernstein, der nur von den Kypari geerntet werden konnte, soweit Malik ihr erzählt hatte. Er wird verwendet, um die Getreuen zu konservieren, doch wie genau sie Jahrhunderte überleben konnten, war ihr immer noch schleierhaft. »Mit Angst verseucht?«, fragte die Worgen zögerlich und zuckte unruhig mit ihren Ohren. »Meint Ihr das Sha?«   »Nennt es wie Ihr wollt, Niedere! Es ist Angst!«, blaffte Zikk sie ungehalten an und griff in einen Ständer neben der Schmiede um eine großen Eisenzange herauszuholen. Für gewöhnlich war sie wohl dafür gedacht, glühendes Metall festzuhalten, doch stattdessen hob er damit die Scherbe vom Amboss und legte ihn in einen leeren Gusskessel. Seine Augen waren verengt, als er das Behältnis mit einem Deckel verschloss.   »Das sind schlechte Neuigkeiten.«, raunte Malik und Struana sah ihn verständnislos an. Was war hier los? Warum war das so ein Drama, angesichts der Tatsache, dass die komplette Schreckensöde mit dem Sha verseucht war? »Warum?«, fragte sie.   Prompt zischte Zikk ungehalten, ehe der Unversehrte etwas hätte erwidern können: »Von einer dreckigen Außenseiterin wie Euch erwartet man nicht, dass Ihr die daraus wachsenden Folgen versteht!«   »Aber, was ist denn los?«, fragte Struana, während sich ihr Rückenfell aufstellte. Sie hatte das Gefühl, als hätte sie irgendetwas verpasst. »Was ist daran so schlimm, dass Amber vom Sha befallen ist?«   »Amber ernährt uns. Er schützt uns Getreuen, während wir in unseren Schlummer Fallen, um zu einer anderen Zeit erweckt zu werden um zu dienen. Wir bauen unsere Gebäude mit Bern, schmieden damit unsere Waffen und Rüstungen. Amber ist Leben.«, antwortete Malik rau und schlicht.   Der Bernschmied zischte verächtlich: »Ich frage mich was passieren würde, wenn der Fleischling die Scherbe essen würde.« Zikk klickte wütend mit seinen Kieferzangen gegeneinander. »Was würde er wohl mit Eurem weichen, rosaroten Inneren anstellen?«   »Es reicht, Bernschmied. Beruhigt Euch und beginnt mit Eurer Arbeit.«, raunte Malik entschlossen, sodass keine Widerworte möglich waren. Er drehte sich um, während Struana ihm nachsah, während er genau auf die Klaxxi zuging. Vermutlich würde er ihnen berichten, was es mit dem verseuchten Splitter auf sich hatte. Sha-verseuchter Amber, doch warum sagte Zikk, er sei von Angst erfüllt? Die Worgen wusste, dass es mit dem Sha zu tun haben musste. Das Sha verkörperte negative Emotionen und Gefühle und verstärkte diese. Sie selbst stand unter seinem Bann, bevor sie gereinigt wurde. Doch Angst? Struana hörte, wie der Bernschmied gerade übelgelaunt vor sich hinmurrend weitere Kyparitbrocken in den Gusskessel warf und sie konnte seinen Zorn sogar nachvollziehen. Sie hätte wissen müssen, dass Amber ein wichtiger Bestandteil ihrer Gesellschaft war, immerhin lebte sie sozusagen in einem heiligen Ort der Mantis. Dass nun selbst diese Lebensquelle vom Sha verderbt werden konnte, musste sie sehr beunruhigen.   »Verzeiht meine Unwissenheit, Zikk.«, formulierte Struana leise, während dieser einen Metallblock vorbereitete. »Ich war mir der Bedeutung für Eure Rasse nicht bewusst.«   »Nichts für ungut, Erweckerin. Aber Ihr wisst wirklich wenig. Ich frage mich, wie es Eure Art geschafft hat überhaupt so lange zu existieren.«, murrte der Bernschmied und blinzelte Struana ungleichmäßig mit seinen Augen an. »Ich hoffe Ihr seid nicht schmerzempfindlich, denn es wird sehr schmerzhaft werden.«   Struana verzog ihr Gesicht und zog sich die Lederkapuze nach hinten vom Kopf. »Werde ich Probleme mit meiner Wandlung bekommen?«, fragte sie und dachte an ihre menschliche Gestalt. Eine Seite in ihr, zu der sie kaum noch Bezug hatte, doch die einzige Seite an sich, an die sie sich nach ihrem Gedächtnisverlust noch wage erinnern konnte. Zikk sah sie merkwürdig an. »In was wandelt Ihr Euch denn? In ein anderes Tier? Einen Wurm? Eine Made?«   »In einen Menschen.«, setzte Struana monoton nach und verkniff es sich zu knurren oder ihre Augen zu verdrehen. Der Bernschmied betrachtete sie für mehrere Augenblicke als wäre sie nicht ganz dicht. »Ich schätze, das müssen wir ausprobieren. Da Kyparit kein wirkliches Metall ist, sollte es sich anpassen können. Allerdings wäre es sehr interessant herauszufinden, ob Ihr Euch die Verstärkungen bei einer Wandlung in den Unterkiefer rammen würdet.«   Struana biss sich auf die Zunge um nichts bissiges zu erwidern. Sie hatte wenig Lust ein Testobjekt dieses kleinen, verrückten Schmiedes zu sein. Welche Art von Tests glaubte er mit ihr machen zu können? Zikk stellte einen großen Kessel mit Wasser neben den großen Block. »Steht nicht so rum. Setzt Euch, es wird nämlich sehr unangenehm. Und ich ermahne Euch nur einmal. Beißt mich und ich schütte den kompletten Inhalt des Kyparits auf Euch. Es wäre eine unglaubliche Verschwendung, aber in diesem Fall würde es sich fast lohnen.«   Die Worgen legte ihre Ohren unbehaglich zurück, während Zikk den Gusskessel neben dem Wasserkessel aufbaute. Er goss es in eine kleine Form um es vorsorglich zu formen und zu bearbeiten, dennoch fühlte sie sich nicht wohl bei dem Gedanken, dass der Bernschmied ihre Schmerzen genießen würde.     *****     Es war ein wunderbares und herrliches Gefühl gewesen. Über die Straße der Urahnen und den festlichen Basar zu gehen, während jeder ihr hinterhersah. Die hochragenden Zinnen und wundervoll verzierten Bauten Silbermonds erinnerten sie immer daran, dass sie den Untergang überlebt hatte und dass ihr Volk es geschafft hatte, diese Stadt wieder aufzubauen. Immer wenn sie in diese wundervolle Stadt zurückkehren konnte, freute sie sich, denn nach ihren Verpflichtungen könnte sie für den Rest des Tages ihren liebsten Tropfen Immersangwein genießen, könnte in ihrer Lieblingsbar sitzen und den Magistern bei ihren Lehren und Studien zuhören. Auch wenn sie sich nicht sonderlich für derlei langweiliges Geschwätz interessierte, war es für sie bisher immer amüsant gewesen.   Doch was sie nicht konnte, war ihren Wappenrock abzulegen. Nicht dass sie es gewollt hätte - im Gegenteil. Elyaana genoss regelrecht die Aufmerksamkeit der Stadtwachen oder Magistern und vor allem - und im Besonderen - die der Waldläufer die ihr hinterherstarrten, wenn sie an ihnen vorbeiging. Ihre unverwechselbare Ritterrüstung sollte schon eindeutig sein, doch wenn sie das Wappen der Blutritter sahen wussten sie alle, dass sie nicht dem Licht diente, sondern dass das Licht ihr dient. So vieles war einfacher für sie, wenn sie erkannten, dass Elyaana eine Blutritterin war.   Aber bevor sich die Sin'dorei amüsieren könnte, sollte sie noch den Bericht von Lady Liadrin an den Abgesandten - irgendeinem namenlosen, ersetzbaren Blutelfen - von Lor'themar Theron überliefern. Eine gleichermaßen uninteressante und belästigende Verpflichtung, die doch seit Jahren immer den selben Rythmus von dreißig Tagen gehalten hatte. Dennoch - da war sich Elyaana sicher - konnte dieser lächerliche Bericht nicht ansatzweise die glorreichen Fortschritte beschreiben, die sie in Quel'Danas und dem Sonnenbrunnen erreichten. Doch diese Übergabe von verschwendetem Papier sollte auch ihrem eigenen Volk zeigen - und vielleicht der Horde - dass die Blutritter zu ihren Wurzeln, Silbermond, ihrer geliebten, wunderschönen Heimat, zurückgefunden hatten.   Elyaana hatte eine Stadtwache gegrüßt und einen amüsierten Blick einigen Rekruten der Waldläufern zugeworfen, als sie über die Straßen der Weltenwanderer gegangen war. Zumindest die Stadtwache hatte respektvoll seinen Kopf geneigt, von den Dreckkriechern hatte sie auch nichts anderes als Ignoranz erwartet. Gemächlich war sie die Treppen zum Sonnenturm emporgestiegen, wo sie nicht wie üblich von dem unwichtigen Blutelfen empfangen wurde. Stattdessen hat man ihr verwunderte Blicke zugeworfen und sie gebeten in einem der großen Konferenzräume zu warten.   Dies war nun bereits zwei Stunden her.   Elyaana blinzelte, als sie ihre Augen öffnete und feststellte, dass sich sogar jetzt noch immer niemand zu ihr bequemt hatte. Gelangweilt und unruhig, weil sich ihre freie Zeit, bevor sie wieder nach Quel'Danas zurückkehren musste immer weiter verkürzte, pustete sich die Sin'dorei eine ihrer weißblonden Strähnen aus dem Gesicht. Verärgert hatte sie sogar allen Respekt fallen gelassen, die Füße über dem kreisrunden Tisch gekreuzt und starrte stumm zu der Wandmalerei an der Decke. Über ihr, an den Kreisrunden Wänden waren stapelweise Bücher eingereiht. Bücher über große Schlachten, Bücher über Diplomatie, Bücher über Kriegsführung, Bücher über die Geschichte der Blut- und Hochelfen, Bücher über Orks und Tauren und bestimmt auch Bücher über Politik türmten sich in den geneigten Regalen über dem kreisrunden Raum und erdrückten sie beinahe. Kurz spielte die Blutritterin mit dem Gedanken die Bücher zu zählen um herauszufinden, wie viele, sinnlose Blätter verschwendet worden waren, um staubtrockenes Wissen festzuhalten. Doch dafür war ihre Zeit zu kostbar. Elyaana stand auf, indem sie sich geräuschvoll mit ihren Plattenstulpen vom Tisch abstützte. Sie war nicht hier um ihre Zeit in diesem langweiligen Konferenzraum zu verschwenden. Sie hatte besseres zu tun.   Entschlossen schritt sie auf die Tür zu und umfasste die Klinke, als sich diese plötzlich bewegte und nach unten gedrückt wurde. Sie zuckte einen Schritt zurück, damit die Tür sie beim aufschwingen nicht treffen würde. »Na endlich!«, knurrte sie schon fast, aber laut genug dass derjenige der hinter der Tür stand ihren Unmut in jedem Fall hören konnte. »Wird ja auch Zei-«   Kaum dass die Tür komplett aufgeschwungen war stand sie stramm und salutierte verkrampft, als hätte man Elyaana einen Stromschlag versetzt. Lor'themar Theron höchstpersönlich stand im Türrahmen, die Klinke noch immer umfasst und sah sie enttäuscht an. Hinter ihm konnte sie sogar Großmagister Rommath erkennen, der eine skeptische Augenbraue hochgezogen hatte, während er über die Schulter des Lordregenten zu ihr spähte.   Elyaana wirkte wie versteinert und sie versuchte nicht daran zu denken, was sie noch vor wenigen Herzschlägen von sich gegeben hatte. Wie unhöflich! Hoffentlich würde der Lordregent Lady Liadrin nichts hiervon erzählen. Das würde ihre komplette Laufbahn ruinieren und sie dürfte in den nächsten Monaten nicht mehr nach Silbermond! Oder noch schlimmer, sie würde zum Putzdienst verdonnert werden! Der Blick Lor'themar Therons war ernst und er sah skeptisch auf das Wappen, welches sie trug, ehe er fast schon gepresst sprach: »Verzeiht, es war wohl unhöflich Euch so lange warten zu lassen.« Seine nahezu seidige Stimme passte nicht zu dem fast schon ablehnenden Unterton.   Die Röte stieg Elyaana ins Gesicht und ihr wurde heiß. »Ich- äh- ... Lordregent, ich hatte keine Ahnung,«, stammelte sie und ihr wurde fast noch heißer. Unbeholfen fingerte sie den versiegelten Brief aus einer Tasche an ihrem Gürtel und hielt ihn ihm entgegen. »dass Ihr höchstpersönlich den Bericht von Lady Liadrin in Empfang nehmen würdet.«   Lor'themar Theron starrte für einen Moment ernst auf die Botschaft auf dem das Siegel der Zerschmetterten Sonne prangerte. Dann suchten seine grünen Augen wieder ihre, als wollten sie etwas bestimmtes sehen, was allerdings nicht da war. »Ich hatte Lady Liadrin erwartet.« Seine Stimme klang schneidend und Elyaana war verwirrt und ihr Gehirn raste. Seit dem Kataklysmus hatte sie die Aufgabe übernommen, den Bericht alle dreißig Tage in Silbermond abzugeben, und das ohne den Lordregenten selbst zu treffen! Lady Liadrin war dieser Aufgabe müde geworden, sie hatte Elyaana eingewiesen aber es bedarf nicht stets etwas zu erwähnen, bevor sie nach Silbermond aufbrach. Sie war Pflicht- und Verantwortungsbewusst, weswegen diese Botengänge schnell zu ihrer Routine - und ein kleines bisschen auch Vergnügen - geworden waren.   Sie überlegte schnell, doch Lady Liadrin hatte nichts dergleichen erwähnt, dass sie erwarten werden würde. »Lady Liadrin ist eine viel beschäftigte Person, ich denke-«   »Ich weiß, dass sie eine viel beschäftigte Person ist, Blutritter.«, unterbrach sie der Lordregent knapp und nahm ihr mit gerunzelter Stirn die Nachricht ab. »Doch ich hatte erwartet, dass sie meiner Bitte nachkommen würde.«   Elyaana wurde noch heißer - sofern das überhaupt noch möglich war - und biss sich in die Innenseite ihrer Wange. Verzweifelt versuchte sie sich an eine Unterredung mit Lady Liadrin zu erinnern, die sie in irgendeiner Form auf das hätte vorbereiten sollen - doch da war nichts. Es war alles so normal gewesen wie immer, mit der einzigen Ausnahme, dass Lady Liadrin eine angenehme Heimreise gewünscht hatte. Elyaana war sich bewusst, dass egal was sie sagen würde, sie vermutlich alles noch schlimmer machen würde, als es ohnehin schon war. Deswegen war es wohl das Beste, wenn sie vorerst schwieg, auch wenn das nicht unbedingt eine ihrer Stärken war.   Der Lordregent brach das Siegel der Nachricht und trat zur Seite um seinen - zweifelsfreien - hohen Besuch in den Konferenzraum zu bitten. Die Blutritterin neigte ihren Kopf vor dem Großmagister und auch der kleineren Gestalt, die hinter ihm eintrat. Sie erkannte ihr Gesicht nicht, da sie eine breite Kapuze trug, erkannte aber das Wappen der Sonnenhäscher, welches auf ihrer Robe eingestickt war, die ihrer weiblichen Figur schmeichelte. Aus welchen Gründen auch immer - vermutlich aber wegen der unglaublich, peinlichen Situation einige Momente zuvor - glaubte Elyaana, dass ihr die Bewegungen und die Erscheinung dieser Sin'dorei bekannt vorkamen. Das jemand der sie kannte ihre Blamage miterlebt hatte, ließ in der Blutritterin den Wunsch aufsteigen, dass sich ein schwarzes Loch unter ihr öffnen möge.   Lor'themar Theron gab ein missfallendes Raunen von sich. »... Aus diesen Gründen sende ich Euch mit meiner Besten Empfehlung eine meiner bflichtbewusstesten Blutritter, Elyaana Blutfalke. Ich habe das Größte Vertrauen in sie, dass sie in meinem Namen Entscheidungen treffen wird, die Ihr auch von mir erwarten würdet, Lordregent.« Er sah nicht auf, denn es schienen noch einige Zeilen zu folgen, die er stumm las.   Verunsichert hob Elyaana ihren Blick wieder zu Lor'themar Theron. Sie glaubte nicht was er da eben gesagt hatte. Hatte er das wirklich aus diesem Brief gelesen? Das musste ein übler Scherz sein. Er sah sie wieder an und musterte sie eingehend. »Dann werdet Ihr wohl reichen müssen, Blutritterin Blutfalke.«, murmelte er und faltete die Nachricht langsam und scheinbar nachdenklich wieder zusammen. »Steht angenehm und setzt Euch.«   Sie war so baff über die Worte, welche unverwechselbar in dieser Nachricht gestanden haben mussten, dass sie für einige Sekunden seinen Befehl missachtete. Erst dann versuchte sich Elyaana zu entspannen, was ihr nicht so recht gelingen wollte. Sie hoffte, dass sie die Anwesenden überzeugen konnte - und sich selbst - als sie sich entschlossen umdrehte und zurück zu dem kreisrunden Tisch ging. Elyaana hatte keine Ahnung, was sie erwarten würde und erst Recht nicht von Lady Liadrins Anordnung, sie solle sie vertreten! Es war einfach undenkbar, dass diese Situation schon unwirklich für sie erschien. Mit ihrer behandschuhten Hand fuhr sie über das Holz eines Stuhles direkt neben der Blutelfe der Sonnenhäscher und erkannte in den Augen von Erzmagister Rommath, dass er ihre Unsicherheit durchschaute.   Die Blutritterin atmete tief ein, ehe sie sich langsam auf den Stuhl setzte. Niemals hätte sie damit gerechnet Lady Liadrin in einer Konferenz - um was es sich auch immer handeln sollte - zu vertreten und sie wünschte sich fast, sie hätte Silbermond heute nicht betreten. Warum hatte sie sich nicht einfach ein Bein brechen können, bevor sie aufgebrochen war?   Die Sin'dorei neben ihr zog sich ihre breite Kapuze zurück und entblößte langes, orangenes Haar, welches sich gewellt über ihre Schultern legte. Die vollen Lippen und der eindringliche, aber liebevolle Blick den sie Elyaana zuwarf war unverwechselbar und der Blutritterin wurde noch heißer als sie erkannte, wer die Sonnenhäscherin war und dass sie diese tatsächlich kannte. Unweigerlich musste sich Elyaana fragen, wie lange sie gerade diese Blutelfe schon nicht mehr gesehen hatte, als diese sich etwas zu ihr beugte und leise flüsterte. »Es überrascht mich dich hier zu sehen, Elyaana. Aber ich hätte mir keine bessere Vertretung für die Blutritter als meine kleine Schwester wünschen können.«   Elyaana war bereits erstarrt, als sie Lerinn, ihrer älteren Schwester, schwach zunickte. Konnte dieser Tag eigentlich noch furchtbarer werden? Sie konnte ihr nicht in die Augen sehen, weshalb ihr Blick auf dem Lordregenten ruhte, der die Türe geschlossen hatte und mit großen Schritten an den Tisch trat. Ernst und erwartungsvoll blickte er über sie. »Da Lady Liadrin - gegen allen Erwartungen - nicht selbst erscheinen konnte, werdet also Ihr ihre Meinung zu diesem Thema vertreten.«, begann er, während sein Blick auf Elyaana ruhte. Sie schluckte, nickte aber entschlossen. Auch wenn sie keine Ahnung hatte worum es ging, wollte - oder müsste wohl eher - sie den Eindruck vermitteln, dass sie eingeweiht wurde. Lor'thema Theron nickte knapp. »Dann lasst Euch von Erzmagister Rommath in das Thema einweisen.«   Die Blutritterin hätte am liebsten erleichtert geseufzt, dass sie zunächst in den Grund unterrichtet wurde, warum sie überhaupt hier war. Der Erzmagister erhob sich gebieterisch langsam. Seine roten und goldenen Roben fielen an ihm herab, während seine hellen Augen auf die Blutritterin gerichtet waren. »Dieses Thema ist sehr vertraulich. Ihr dürft unter keinen Umständen an irgendjemanden ein Wort darüber verlieren, was hier besprochen wird.« Ernst sah er auf Elyaana herab, die einfach nur erneut nickte. Ihr kam alles immer merkwürdiger vor. Wenn es so etwas ernstes war, warum war Lady Liadrin nicht selbst hier? Sie hätte sich gewiss für einen Tag von ihren Pflichten entbinden lassen können um an dieser Besprechung teilzunehmen. Der Erzmagister fuhr fort: »Die Vertreter unserer größten militärischen Einheiten sind hier anwesend. Lordregent Lor'themar Theron repräsentiert die Waldläufer. Magistrix Lerinn Blutfalke,«, er deutete auf Lerinn neben sich, »wurde als würdige Vertreterin für Aethas Sonnenhäscher entsandt um die Meinung der Sonnenhäscher zu vertreten. Aethas entschuldigt sich, da er in Dalaran ein offenes Auge behalten möchte wegen der erneuten Auseinandersetzung zwischen der Horde und der Allianz. Das zerbrechliche Bündnis in Dalaran scheint trotz der Vorfälle in Theramore bisweilen noch unangetastet.« Seine Hand sank. »Ich werde für die Magister Silbermonds sprechen und Ihr,«, er deutete auf Elyaana, »habt die ehrenvolle Aufgabe übertragen bekommen die Blutritter zu vertreten.«   Elyaana runzelte ihre Stirn, während sich Rommath wieder setzte und das Wort an den Lordregenten weitergab. Lor'themar Theron schwieg zunächst und die Stille in dem kreisrunden Raum zog sich unangenehm in die Länge. Elyaana atmete nur flach, um sie nicht zu unterbrechen. Abermals fragte sie sich, warum alle militärischen Streitmächte der Sin'dorei versammelt wurden? Warum beim Nether hatte Lady Liadrin sie nur nicht darüber in Kenntnis gesetzt? Stattdessen hatte sie ihr eine angenehme Heimreise gewünscht - tse. Dann erhob der Lordregent wieder das Wort: »Da Garrosh sich dazu entschieden hat den alten Rassismus uns gegenüber wieder aufleben zu lassen und uns als Volk auszubeuten, hege ich schon etwas länger diesen Gedanken. Die Blutelfen dienen gezwungenermaßen dem Erfolg der Horde und ihre Opfer werden am wenigsten zur Kenntnis genommen.«   Er legte eine Pause ein und ging mit großen Schritten und den Händen auf seinem Rücken verschränkt auf und ab. »Ich bin nicht mehr mit diesem Bündnis einverstanden, welches wir vor Jahren notgedrungen mit der Horde eingegangen sind. Garroshs Führungsqualitäten... ich lasse sie im Raum stehen. Aber ich möchte nicht akzeptieren, dass er unser Volk als Kanonenfutter für diesen Krieg missbraucht. Die Waldläufer werden Silbermond beschützen, wie sie es schon Jahrtausende lang getan haben. Die Angehörigkeit mit einem großen Bündnis spielt hierbei keine Rolle. Die Waldläufer dienen Silbermond, nicht der Horde.«   Wieder breitete sich die Stille aus. Elyaana wusste wie perplex und ungeniert sie den Lordregenten anstarrte, aber sie konnte es nicht verhindern. Wurde hier ernsthaft über einen Austritt der Horde diskutiert? Lerinn erhob sich, ihren strahlenden, grünen Blick auf Lor'themar Theron gerichtet. »Nur damit ich Euch nicht missverstehe, Lordregent.«, ergriff sie mit nahezu seidiger Stimme das Wort. »Ihr habt vor, die Zukunft Silbermonds gravierend zu beeinflussen, wenn wir die Horde verlassen. Wir werden es schwer haben - so wie es die Sin'dorei nie anders gewohnt waren. Doch warum sind wir hier?« Sie neigte respektvoll ihren Kopf und sah dabei Erzmagister Rommath an, der nach Elyaanas Wissen ein enger Berater des Lordregenten war. »Mit allem gebührenden Respekt. Aber ich zweifle nicht daran, dass die Sin'dorei Euch folgen würden - egal in welche Zukunft uns dies auch führen mag, Lordregent.«   Lor'themar Theron nickte Magistrix Blutfalke zu, als sie sich langsam wieder auf den Stuhl setzte. Elyaana empfand, dass er bemerkenswert ruhig blieb, ebenso wie der Erzmagister. Immerhin waren sie dabei den Gedanken zu hegen wieder ein Bündnis mit der Allianz zu schmieden. Sie konnte sich nur allzu leicht vorstellen, wie viele Probleme sie bekommen würden. Vor allem mit Sylvanas, die den Sin'dorei erst ermöglicht hatte einen Platz in der Horde zu gelangen. »Ich bezweifle dies ebenso wenig, Magistrix Blutfalke. Aber wie Ihr wissen solltet, wird es nicht dabei bleiben, dass die Blutelfen der Horde den Rücken kehren. Ich gehe davon aus, dass sie uns angreifen werden, vor allem da Sylvanas mit ihren Verlassenen so gut wie vor unserer Türe sitzt. Wir werden Bündnisse brauchen, starke Bündnisse.« Er sah ernst in die Runde und es hatte den Anschein als würde er die folgenden Worte genau abwiegen, bevor er sie sprach. »Alte Bündnisse werden uns hilfreicher sein, als die neuen. Ein Bündnis mit den Menschen und der Allianz.«   »Was?!« Erzmagister Rommath sprang von seinem Stuhl auf und knallte die Hände auf den Tisch. Elyaana zuckte zusammen, einerseits wegen dieser Offenbarung, andererseits wegen dem Lärm. Ungläubig starrte Rommath auf den Lordregenten, seine Augen funkensprühend vor Unglauben und Zorn. »Die Menschen haben uns verraten, Theron!«, rief er. Vor lauter Aufregung musste er den Titel des Lordregenten vergessen haben. »Sie haben uns fallen lassen, als wir sie am meisten gebraucht hätten! Unser Prinz selbst, hat sich von diesen alten Bündnissen losgesagt!«   »Und es war unser ehrenvoller Prinz, Kael'thas Sonnenwanderer selbst, der sein Volk verriet und es ausgeblutet zurückließ.«, sprach Lor'themar Theron ruhig und fast schon bedauernd. Der Erzmagister biss sich auf seine Unterlippe und starrte ihn noch einige Herzschläge lang an. »Die Magister Silbermonds werden eine solche Entscheidung nicht gutheißen, Lordregent.«, begann er zu sprechen. »Die Gefahr wieder verraten zu werden ist zu groß. Sich von der Horde abzuwenden ist eine Sache, aber wieder zu den Verrätern angekrochen zu kommen, eine andere!« Seine Stimme war wieder laut geworden, aber er setzte sich wieder. Seinen scharfen Blick noch immer auf den Lordregenten gerichtet. Lor'themar Theron hatte seine Augen verengt und hielt dem Blick des Erzmagisters stand. »Glaubt nicht, dass die Waldläufer, oder ich vergessen haben, wie uns das menschliche Volk einst behandelte. Jeden Tag wird mir bewusster, dass sich unser Volk gerade jetzt unter Garrosh's Herrschaft in der selben Situation befindet.«, sprach er ruhig und ernst.   Eine gefährliche und fast schon knisternde Atmosphäre breitete sich in dem kreisrunden Raum aus, in dem sich Elyaana noch vor mehreren Augenblicken zu Tode gelangweilt hatte. Zwei Meinungen waren gesprochen worden, doch welches Gewicht hatten die Stimmen der Sonnenhäscher und der Blutritter? Ihre Schwester hatte die richtige Frage gestellt, warum waren sie eigentlich hier? Das zukünftige Schicksal - ein überaus empfindliches - wurde gerade besprochen und sie war mittendrin. Wie würden sich die Sonnenhäscher entscheiden? War es vorteilhaft sich mehr Feinde zu machen als nötig? Mal davon abgesehen, dass die Horde momentan ohnehin wie eine lauernde Schlange war, die nur auf einen Fehltritt wartete. Elyaana biss sich auf die Lippen und wünschte sich insgeheim, dass Lerinn ihr die Aufgabe ersparen würde, in der Mitte der Stühle zu stehen. Doch es fiel ihr schwer ihre ältere Schwester einzuschätzen, die sie so lange schon nicht mehr gesehen hatte. Die beiden hatten sich das letzte Mal bestimmt vor dreißig Jahren gesehen, sie war sich nicht mehr genau sicher. Zu viel war zu dieser Zeit geschehen. Und selbst davor hatten sie nicht den harmonischen Familienkontakt gepflegt, wie andere.   »Magistrix Blutfalke, wie stehen die Sonnenhäscher zu einer solchen Entscheidung? Was würde es der Fraktion für Vorteile bieten?«, wurde Elyaana wieder in die Gegenwart gerufen und sie folgte mit ihren Augen Lerinn, die sich erhob. Die langen, roten und grünen Roben hingen fließend um ihren Körper, während sie ruhig aber entschlossen in die Runde blickte. Elyaana hielt den Atem an, als sie zu sprechen begann: »Die Sonnenhäscher sehen keinen Verlust in dem Austritt der Horde. Die Kirin Thror heißen jedes Volk in Dalaran willkommen, ganz egal welcher Rasse und Fraktion sie angehören. Ein Gewinn durch die Verbindung mit der Allianz ist - leider - ausgeschlossen, weshalb wir keine Vorteile daraus schöpfen könnten. Der Silberbund akzeptiert uns, das ist aber auch schon alles. Die Alten Bande sind zu beschädigt, als das eine andere Gesinnung diese in kurzer Zeit wiederherstellen könnte.«   Elyaana atmete langsam wieder aus und starrte ihre Schwester kühl an. Sie war so vorbildlich, was ihre Position anging, so diplomatisch, so neutral. Es war eine nichtssagende Aussage gewesen und doch entsprach sie vollkommen der Tatsache. Die Sonnenhäscher würden weiterhin ihren Platz in Dalaran behalten, würden weiterhin die Magie in Nordend studieren und notfalls in die Geschehnisse mit der Geißel eingreifen, sollten sie müssen. Alles dank der Kirin Tor. Was Silbermond anging, würden sie sich auch weiterhin nicht in der Stadt blicken lassen, bis man sie brauchen würde. Und selbst dann würden sie nur so lange in Silbermond verweilen, wie sie gebraucht wurden, nur um dann wieder nach Dalaran zurückkehren zu können.   »Ich verstehe.« Der Lordregent neigte nach einigen Momenten seinen Kopf und Lerinn setzte sich wieder sachte auf den Stuhl. Es kam Elyaana fast schon so vor, als wäre sie eine Feder, so lautlos schien jede Bewegung zu sein, die ihre Schwester machte. »Wie sehen die Blutritter dies?«   Elyaana versteifte sich, als sämtliche Augenpaare auf sie gerichtet wurden. Rommath biss sich auf die Lippen, sodass sie nur noch einen Strich bildeten. Ihre Kehle fühlte sich mit einem Schlag so trocken an, als hätte sie eine Schaufel voll Sand aus Tanaris gegessen. Langsam stand sie von ihrem Stuhl auf, ihre Plattenrüstung klirrte leise, während sie sich aufrichtete. Elyaana wusste, dass sie diese Entscheidung über Silbermonds Zukunft gravierend beeinflussen würde, nach Lerinns eher schwachen Aussage. Doch sie musste im Sinne von Lady Liadrin handeln. Doch wie würde sich die Lady der Blutritter in einer solchen Lage entscheiden? Sie atmete tief ein, und langsam wieder aus, um ihr klopfendes Herz zu beruhigen, ehe sie sprach: »Die Blutritter kennen noch das Bündnis der Menschen, ebenso wie ihren Verrat. Wir waren bei unserem Prinzen, während sie uns fälschlicherweise des Verrats bezichtigten und in Ketten legen ließen. Doch durch unsere eigenen Handlungen lernten wir, dass wir nicht immer Recht haben.« Elyaana schloss kurz ihre Augen und dachte an die Naaru, die sie gefangen und gequält hatten. Nur wegen M'uru's Opfer, waren die Blutritter wieder zu dem geworden, was sie ursprünglich waren. Eine Einheit, die den Sonnenbrunnen und Silbermond verteidigte. »Aus Fehlentscheidungen folgten Resultate und weitere Fehlentscheidungen. Ein einfacher Mann verurteilte uns, möglicherweise war auch dies nur eine Fehlentscheidung, die sich nicht mehr nachvollziehen lässt. Die Blutritter kämpften gemeinsam unter dem Banner der Zerschmetterten Sonne mit Draenei der Sha'thar um den Sonnenbrunnen zurückzuerobern. Sogar jetzt heißen wir noch immer ihre Kämpfer in Quel'Danas willkommen und vertreiben sie nicht.«   Die Sin'dorei hielt kurz inne und dachte an die Draenei mit ihren merkwürdigen Lehren und Weisheiten. Merkwürdige Kreaturen, fähige Kämpfer, sanfte Wesen. Sie schüttelte ihren Kopf, als sie fortfuhr: »Die Blutritter werden Silbermond in einem Kampf gegen die Horde beschützen - sollte es soweit kommen. Auch wenn wir bei vielen Völkern der Allianz unseren Respekt verloren haben, ist es nie zu spät sie wieder aufzubauen, denn dort liegen unsere Wurzeln.«   Der Lordregent neigte seinen Kopf und Elyaana setzte sich zurück auf ihren Stuhl. Sie fühlte sich merkwürdig befreit und das obwohl sie für das Licht nicht betete. Doch sie glaubte einen Hauch des Sonnenbrunnens gerade jetzt in sich zu fühlen, wie er sie durchflutete und durch ihre Venen floss. Lor'themar Theron ging langsam wieder am Tisch auf und ab. »Es hört sich demnach für ein Bündnis an.«, begann er und sah Rommath nachdenklich an. »Wir werden uns noch weiter beraten, Erzmagister.«   Rommath erwiderte nichts, sondern nickte nur matt. Es war ihm anzusehen, dass er etwas in sich zurückhielt. »Wir dürfen den Militärischen Punkt und die Sicherheit Silbermonds nicht aus den Augen verlieren. Die Verteidigung muss gegen die Horde gestärkt werden. Ich erwarte Vorschläge, wie wir dies am besten lösen werden.« Lor'themar Theron schritt langsam zu der Türe und hielt kurz inne. Dann schüttelte er seinen Kopf und öffnete sie. »Ihr seid vorerst entlassen, Magistrix Blutfalke und Blutritterin Blutfalke. Ich erwarte Euch morgen Vormittag wieder hier, um weitere Beratungen abzuschließen.«   Elyaana fühlte sich wie ein Kind, welches das Zimmer einer Schandtat verlassen musste, als sie Lerinn aus dem Raum folgte und die Tür hinter ihr verschlossen wurde. Sie musste sich fragen, wie sich ihre Schwester nach dieser Verhandlung fühlte, doch sie schüttelte diesen Gedanken ab. Stattdessen folgte sie ihr in die hohen Gänge, wo Lerinn plötzlich stehen blieb. »Was ist?«, fragte sie und runzelte ihre Stirn.   Lerinn drehte sich zu ihr um und sah sie warm an. »Du hast dich sehr verändert, Elyaana.«, sprach sie und lächelte sanft. Elyaana runzelte noch mehr ihre Stirn. Nach einer solchen Besprechung war es ihrer Meinung nach nicht die Zeit, noch der richtige Ort inmitten der großen Hallen für einen geschwisterlichen Plausch. »Nun, es ist ja auch schon lange her.«, murmelte sie.   Ihre ältere Schwester nickte, wobei ihre langen Haare wieder wippten. »Ja, zu lange. Wir sollten uns in der Schenke unterhalten.« Elyaana seufzte innerlich, doch sie stimmte nickend zu. »Gut, aber wir gehen in die Bar in der Gasse. Die haben den guten Immersangtropfen. Und ich meine den wirklich guten.«   Lerinn nickte fast schon begeistert, während Elyaana an ihr vorbei ging. Sie spürte wie ihre Schwester ihr folgte. Es war irgendwie lästig, doch auch eine merkwürdig, angenehme Überraschung, dass sie so stimmig mit sich selbst über diese Begegnung war.   Als die beiden ungleichen Schwestern durch den Park vor dem Sonnenzornturm gingen, brach Lerinn das Schweigen: »Hast du etwas von unserer jüngsten gehört?«   Elyaana lachte humorlos und schüttelte ihren Kopf. »Wie denn? Blutritter haben nichts mit Waldläufern zu schaffen.«, raunte sie und sah weiterhin zu Boden. Sie hatte ihre beiden Schwestern wirklich nicht vermisst. In ihrer Laufbahn, sah sie diese eher als Klotz am Bein und diese Beziehung hatte sich im Laufe der Jahre nie verändert. »Das ist sehr schade.«, sprach Lerinn sanft. »Ich hätte sie auch gerne wieder gesehen.«   Die Blutritterin seufzte theatralisch und sprach süffisant. »Ja, es wäre schön gewesen, aber wir haben zu verschiedene Wege eingeschlagen. Du bist eine Magisterin, ich eine Blutritterin und Zyraphen eine Waldläuferin. Sei ehrlich, Lerinn. Es ist kaum vorstellbar, dass wir drei miteinander Verwandt sind.«   Lerinn lächelte sanft und nickte langsam, während die abendlichen Sonnenstrahlen über Silbermond verschwanden und der Schleier der Nacht über die Straßen Silbermonds ausgebreitet wurden.     *****     »Wacht auf!«, zischte jemand leise zu ihr während sie blinzelnd ihre Augen aufschlug und versuchte etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Hatte diese Ruhe, dieser Frieden nicht etwas länger anhalten können? Struana hatte das Gefühl, dass kaum Zeit vergangen war als sie sich hingelegt hatte. Sie gab ein müdes grummeln von sich. Ihre Muskeln fühlten sich schwer an, vermutlich immer noch vom Training. Zusätzlich kamen die fast tauben Stellen an ihren Klauen und im Maul hinzu. Konnte Kil'ruk sie nicht wenigstens noch etwas länger schlafen lassen, wenn sie ohnehin kaum gebraucht wurde? Schließlich war sie - zu ihrem eigenen Leidwesen - die Erweckerin und hatte im Grunde genommen ziemlich wenig zu tun. Doch wenn der Windschnitter ihr mehr Informationen geben würde - wollte er ihr etwa genau jetzt Informationen geben? Aber es war mitten in der Nacht und-   Ein tritt in ihren Rücken rüttelte sie schließlich wach und sie richtete sich mit gefletschten Zähnen auf. Kil'ruk brauchte nicht glauben, dass er mit ihr umspringen konnte wie er es wollte. Sie sah über die Schulter und sofort schwand ihr Ausdruck. »Kor'ik?«, fragte sie ungläubig und blinzelte durch die Dunkelheit den kleinen Mantiden an. Die goldenen Nebel vor ihren Augen leuchteten förmlich durch die Schwärze der Nacht, während die bernsteinfarbenen Augen dahinter den Ingenieur anstarrten. »Was-«   »Ein Auftrag.«, unterbrach sie der kleine Mantis mit gedämpfter Stimme, ehe sie ihre Frage geformt hatte. »Ein stillgelegter Signalgeber muss aktiviert werden, damit die Klaxxi ihre Reichweite ausbauen können.«   Struana konnte ihm nicht so recht folgen. Ihr Kopf fühlte sich durcheinander an und sie konnte ihre Gedanken nicht wirklich ordnen. »Es ist mitten in der Nacht Kor'ik. Was wollt Ihr von mir?« Sie gähnte, wobei sie ihre Maul weit aufriss und sich hinsetzte. Ihr Blick fiel auf ihre Krallen und erst jetzt bemerkte sie auch den Fremdkörper in ihrem Maul. Zikk hatte nicht untertrieben als er sagte, dass sie erst einmal ausprobieren müssten welches Material am geeignetsten wäre. Natürlich war das nicht ganz schmerzfrei verlaufen - ebenfalls wie angekündigt - und hatte der Worgen auch einiges an Fell und Geduld gekostet. Ihre Klauen waren nun mit Kyparit verstärkt. Wie eine zweite Schicht lag sie über ihren Klauen, wie auch an ihren Reißzähnen und das Beste - und auch beruhigende - war, dass sie sich problemlos damit in einen Menschen wandeln konnte. Getestet hatte sie die neuen Instrumente noch nicht, auch wenn sie es vorgehabt hatte. Aber der Bernschmied hatte sie davor gewarnt, dass dann das Material beschädigt werden könnte, da es so kurz davor noch flüssig gewesen war. Es musste erst erhärten. Ansonsten dürfte sie die Prozedur noch einmal über sich ergehen lassen.   »Seid Ihr schwer von Begriff, oder taub? Das sagte ich doch bereits.«, schnaubte der kleine Mantis vor ihr, doch Struana entwich nur ein weiteres Gähnen. Er sprach mit gedämpfter Stimme, sodass sie sich ansträngen musste ihn zu verstehen. »Die Reichweite der Klaxxi muss ausgebaut werden. Der Signalgeber muss für sie singen.«   »Warum wurde er überhaupt stillgelegt?«, fragte die Worgen und stand auf um die Steifheit aus ihren Gliedern zu schütteln. Dabei fegte sie ein Blatt von ihrer Schulter, welches von ihrem Nestmaterial stammte.   »Die Kaiserin.«, krächzte Kor'ik leise, während seine runden Augen sie anstierten. »Diese Aufgabe dürfte wohl nicht allzu schwer für Euch sein. Schließlich habt Ihr das schon einmal gemacht.«   »Ja, ja. Was auch immer.«, murrte Struana unwirsch als Kor'ik ungeduldig mit den Fühlern zuckte. Er streckte seine klauenartige Hand aus und hielt ihr den Resonanzkristall entgegen. Die Worgen sah den Mantis fragend an. »Ihr kommt nicht mit?«   »Doch. Ich werde vorausfliegen.«, flüsterte er krächzend.   »Warum nehmt Ihr den Kristall dann nicht? Schließlich seid Ihr der Ingenieur.«   »Ihr dient den Klaxxi, also dient Ihr auch mir.«   Struana seufzte aus ihren Nüstern heraus. »Dieser Spruch wird nie alt, wie?«, fragte sie gereizt und nahm den Resonanzkristall aus den kleinen Klauen des Mantiden. »Nun gut. Wo ist dieser Signalgeber?«   »Weit im Süden, fast am Meer.«, antwortete Korik und begann mit den Flügeln zu schlagen. Er hob langsam ab, nicht wie der Windschnitter es für gewöhnlich tat. Kil'ruk war schnell - er konnte ja immerhin sogar sie auf seinem Rücken tragen. Die summenden Geräusche passten zu dem kleinen Mantiden, während er langsam durch die Luft glitt.   »Kommen Kil'ruk oder Malik nicht mit?«, fragte sie erstaunt als Kor'ik ihr nachsah und sie ungeduldig anstarrte. Er blinzelte ungleichmäßig mit seinen grünen Käferaugen und zischte leise. »Die Getreuen sind nicht in Klaxxi'Vess. Ihr werdet auf sie verzichten.«   Struana stellte ihre Ohren auf und sah den Mantis, der vor ihr in der Luft schwebte an. Merkwürdig, für gewöhnlich war es ihr doch verboten Klaxxi'Vess überhaupt zu verlassen. Dass sie nun mit Kor'ik gehen durfte war wohl eine neue Regelung von der sie nichts mitbekommen hatte. Soviel zu den Informationen. Struana hob ihre Lefzen und sprang über die Wurzel des Kyparis. Ihr konnte es nur Recht sein, es war eine wunderbare - und willkommene - Abwechslung nicht mit Kil'ruk unterwegs sein zu müssen.   Die Worgen behielt den Mantis im Auge und folgte ihm auf allen Vieren, während er durch die Luft glitt. Sie folgte dem Pfad südlich von Klaxxi'Vess und musste die steilen Hänge entlanglaufen, ehe sie die unfruchtbare Narbe passieren konnte, die sich durch die Landschaft zog.   Seit der Totenzeremonie hatte sie kein Wort mehr mit dem Windschnitter gesprochen. Sie biss sich in die Innenseite ihrer Wange, als sie über den Sha verpesteten Boden trat. Der Todesrufer war ein Getreuer gewesen, dem nicht mehr zu helfen gewesen war. Auch wenn sie alles versucht hatte, es hätte nicht gereicht. Seine Verderbnis war zu weit fortgeschritten gewesen. Dieser Fehler - dass sie zu spät zu einer Erweckung kommen würde - und machtlos war, würde ihr nicht noch einmal passieren.   Auch wenn sie es sich selbst nie eingestanden hätte, hatte Kil'ruk erkannt, dass es sie mitnahm, dass der Todesrufer einen so sinnlosen Tod hatte sterben müssen. Durch die Hand seiner eigenen musste er in die Knie gezwungen werden, da er wegen dem Sha völlig durchgedreht war. Dieses Ungeheuer - Struana stellte sich das Rückenfell auf als sie den Hang auf der anderen Seite hochkletterte und weiterlief - würde die Mantis unter seine Kontrolle bringen, wenn sie nicht ihre Rolle als Erweckerin beibehalten würde. Und danach? Danach stünde nicht nur der Schlangenrücken einer Belagerung entgegen.   Es wäre ein einfaches gewesen jetzt einfach davonzulaufen. Kil'ruk war nicht in der Nähe und Kor'ik entfernte sich immer weiter von ihr, obwohl sie versuchte mit ihm Schritt zu halten. Die Stimmgabel könnte sie unterwegs irgendwo loswerden und den Resonanzkristall ebenso. Doch nein, die Worgen wollte nicht klein bei geben. Auch wenn sie es hasste von den Klaxxi und Kil'ruk herum geschubst zu werden als wäre sie selbst die Stimmgabel und nichts weiter, hatte sie nicht vor den Mantis den Rücken zu kehren.   Sie wusste um die Opfer auf dem Schlangenrücken und dass dieser immer wiederkehrende Zyklus und der Angriff irgendwann wieder eintreten würde. Doch irgendetwas sagte ihr, dass sie das richtige tat, wenn sie den Mantis jetzt zur Seite stand. War es Instinkt oder der innere Wille der sie weiter vorantrieb, sie wollte den Mantis helfen um schlimmeres zu verhindern. Um zu verhindern, dass ein weiterer Getreue einen sinnlosen Tod sterben musste.   Struana verlor Kor'ik kurz aus den Augen als er um einen großen, gewundenen Kypari glitt und die Worgen beeilte sich ihm nachzukommen. Sie hastete über die Hügel, die spärlich mit Gras bewachsen waren, ehe sie eine steinerne Treppe hinab lief. Sie verschwendete keinen Gedanken daran, warum hier eine Treppe war, denn sie führten direkt zur Südseite der Schreckensöde.   Struana roch bereits den Morgen, während sie an den Klippen, welche zum Meer geneigt waren hinab lief. Die Dämmerung brach langsam an, doch die Dunkelheit wich nicht - was hatte sie auch anderes erwartet? Schließlich war dies hier die Schreckensöde. Sie seufzte. Wie lange war sie jetzt schon unterwegs? Eine Stunde? Zwei?   Struana fühlte sich - trotz des langen Laufes - noch relativ fit, während sie den kleinen Mantiden betrachtete, der viel zu weit entfernt von ihr landete und in den Rand der Klippen verschwand. Die Kriegerin folgte ihm und erkannte, dass sich dort wo der Ingenieur verschwunden war eine Höhle befand. Unweigerlich musste sie wieder an Kil'ruk denken. Vielleicht würde sie sich durch ihre Unterstützung, den Signalgeber wieder zu aktivieren keinen Namen machen, aber möglicherweise könnte sie den Klaxxi beweisen, dass sie nicht vor hatte zu fliehen.   Struana hielt vor der Höhle inne und schnüffelte. Es roch nach Erde und Dreck, was nicht ungewöhnlich war. Auch konnte sie den frischen Geruch von Kor'ik riechen und noch etwas anderes. Der Geruch war schal, also machte sie sich keine Gedanken darüber. Möglicherweise war hier jemand gewesen und hatte die Höhle als Unterschlupf gegen das Wetter genutzt.   Sie richtete sich auf und betrat die Höhle. Nach wenigen Schritten erkannte sie eine Treppe vor ihren Pfoten, die tiefer in das Erdinnere hineinführte. Matt leuchteten ein paar Saftfliegen von der Decke, die sich hier eingenistet hatten und erhellten ihren Weg. Struana stieg die Treppen hinab, sie konnte sogar bereits das Ende sehen. Der Raum musste durch irgendetwas beleuchtet werden, vielleicht war Kor'ik dafür verantwortlich. Sie wollte gerade die letzten Stufen hinter sich bringen als Lärm von dem Raum hinter dem Treppengang an ihre Ohren drang.   Ein gequälter, krächzender Schrei hallte zu ihr und ein dumpfer Aufschlag von einer Masse. »Wo ist er?«, brüllte eine hohe, rasselnde Stimme.   Die Worgen legte ihre Ohren zurück und schlich die letzten Stufen leise hinunter. Sie drückte sich an die kalte, erdige Wand und spähte durch die Öffnung in den nächsten Raum.   Ein riesiger Tropfen gehärtetes Amber wurde von den Wurzeln eines Kyparits an der Decke gehalten, während auf dem Boden direkt über diesem der Signalgeber stand. Kor'ik lag auf dem Boden und versuchte sich aufzurichten, während ein größerer, roter Mantis zu ihm stampfte. Er trug keine Waffen - soweit Struana erkennen konnte - hatte allerdings kunstvoll geschmiedete Schulterplatten aus gehärtetem Chitin. Der Ingenieur versagte bei dem Versuch sich davonzustehlen als der große Mantid mit einem Bein und seinem Gewicht ihn gegen den Boden drückte.   Ein weiterer, gequälter Laut von Kor'ik, während sich der Mantis vorbeugte. Kurz konnte Struana nicht verstehen was gesprochen wurde, doch dann wurde die Stimme des Roten wieder lauter. »Ausreden! Dann gebt mir den Resonanzkristall, Ihr mickriger kleiner Rindenfresser!« Er hob sein Bein um sich ein weiteres Mal mit seinem Gewicht gegen Kor'ik zu stemmen.   Die Kriegerin hob ihre Lefzen und schlich sich leise in den Raum. Gebeugt bewegte sie sich vorwärts, während der Mantid noch immer damit beschäftigt war Kor'ik auf dem Boden festzunageln. »Ihr habt versagt, ein Schandfleck, ein-«   Mit einem wütenden aufheulen sprang Struana direkt auf den Rücken des Mantiden und biss mit ihren Zähnen in seinen Nacken. Mit steigender Zufriedenheit stellte sie fest, dass die Verstärkungen sehr nützlich waren, während sie mit ihren Krallen durch den Chitin des Angreifers grub. Der Mantid wirbelte herum und versuchte die Kriegerin zu packen, während sie sich auf seinem Rücken festkrallte und mit ihren Klauen über alles riss, was sie ertasten konnte. Gequält schrie er auf als sich Struana weiter an seinem Rücken hochkämpfte und ihre Zähne in die Seite seines Halses bohrte. Der Mantid drehte sich wild und holte mit seiner klauenartigen Hand aus um über ihren Kopf zu kratzen. Sie spürte wie sich seine Krallen durch ihre Haut fraßen, doch sie ließ nicht nach. Mit wilder Wut biss sie ein weiteres Mal zu und zog kräftig mit ihrem Kiefer. Blut floss aus dem Hals des roten Mantiden, als Struana von seinem Rücken sprang, nicht ohne ihm mit den Klauen noch einmal über den Rücken zu kratzen und seinen Panzer aufzureißen.   Der rote Mantid starrte sie an, doch er röchelte bereits und hielt sich die offene Wunde an seinem Hals, während der rote Lebenssaft auf dem Boden verteilt wurde. »So-... war es nicht-«, versuchte er zu keuchen doch Struana sprang ein weiteres Mal hoch um den Mantiden mit ihrem Gewicht und Schwung umzuwerfen. Sie erwischte ihn an seinen Schultern, als er mit dem Rücken auf dem Boden aufschlug. »Es ist noch nicht vorbei...«, zischte er verächtlich. Die Worgen bäumte sich noch einmal auf um mit ihrem Gewicht gegen den Brustkorb der Mantis zu zielen. Ihre Klauen gruben sich in den Panzer als dieser mit einem Knacken brach und der Rote noch mehr Blut verlor.   Er röchelte, doch das Leben verließ seine Augen mit einem letzten Atemzug. Struana richtete sich auf und eilte zu Kor'ik der sich inzwischen aufgerappelt hatte.   Stöhnend hielt er sich seinen Arm, aus dem der Mantis Blut verlor. »Ist es vorbei?«, fragte er krächzend und sah zu dem Leib des roten Mantiden der sich nicht mehr bewegte.   »Er ist tot.«, erwiderte Struana. »Und wenn nicht wird er es bald sein.« Sie blickte auf ihre Klauen hinab an denen noch das Blut des Mantiden haftete. Sie hätte nicht geglaubt dass die Verstärkungen so viel bringen würden, doch es war gut, dass sie sich der Prozedur unterzogen hatte. Die Kriegerin war ohne ihre Waffe losgezogen. Jetzt könnte sie sich dafür selbst eine Ohrfeige verpassen, so naiv gewesen zu sein. Diese Verstärkungen hatten sich bereits nach kurzer Zeit als eine gute Errungenschaft erwiesen.   Der Ingenieur nickte matt. »Es ist gut, dass Ihr so schnell gekommen seid. Vielleicht seid Ihr ja doch nicht so nutzlos wie ich gedacht habe...-«   »Ich habe Euch gerade Euer lächerliches Leben gerettet. Etwas mehr Begeisterung würde nicht schaden.«, murrte die Worgen und verengte ihre Augen.   »Verstehe.«, krächzte Kor'ik. »Wie ist es mit 'Ihr habt Euch als nützlicher herausgestellt als ich angenommen hatte'?«   »Das klingt nicht unbedingt besser.«, seufzte Struana, doch Kor'ik hatte bereits seine Schultern gestrafft und sich dem Signalgeber in der Mitte zugewandt. »Gebt mir den Resonanzkristall.«   Die Worgen verdrehte die Augen, doch griff ohne weiter zu murren in ihre Gürteltasche um ihm den Kristall zu geben. Er nahm ihn entgegen und untersuchte den Signalgeber. »Was hat der Mantis hier überhaupt gemacht?«, fragte sie und zuckte mit ihren Ohren. Sie hätte ihn doch riechen müssen?   Kor'ik zischte kurz ehe er den Resonanzkristall in eine Einkerbung einsetzte. »Der dreckige Diener der Kaiserin muss mir wohl aufgelauert sein. Vielleicht hat er mich bereits gesehen als ich geflogen bin.«   Der Signalgeber glühte kurz auf und tauchte den Raum kurz in ein helleres, orangefarbenes Licht, ehe es wieder erstarb. Die Worgen blinzelte als sie die angenehmen Schwingungen, die von ihm ausgingen praktisch spüren konnte. Eine Stimme bohrte sich wieder in ihre Gedanken, als die Schwingungen sie trafen. 'Dieser Signalgeber singt nun für die Klaxxi.'   Struana blinzelte als die Stimme wieder verhallte und blickte erstaunt auf Kor'ik. Es war exakt die selbe Stimme die sie damals auch bei den Gelegen der Kaiserin gehört hatte.   »Kor'ik?«, fragte sie leise um den Mantiden auf sich aufmerksam zu machen. Der Ingenieur warf der Worgen einen genervten Blick über die Schulter zu. »Was ist denn?«   »Das wart Ihr vor wenigen Tagen, oder?«, fragte sie und ging einen Schritt auf ihn zu.   »Was?« Kor'ik sah sie zutiefst irritiert an. »Was meint Ihr?«   Er war es definitiv gewesen. Daran bestand kein Zweifel. 'Der Kristall singt nun für die Klaxxi. Ein Getreuer hält sich in den kaiserlichen Gelegen auf.' Struana würde diese merkwürdige Stimme in ihrem Kopf nicht vergessen. Und jetzt da sie sie ein weiteres Mal gehört hatte, war sie sich sicher. »Ihr habt auch schon durch den ersten Signalgeber zu mir gesprochen. Ihr sagtet mir, dass sich ein Getreue in den kaiserlichen Gelegen aufhalten würde. So sind Kil'ruk und ich überhaupt erst auf Malik gestoßen.«   Kor'ik blinzelte Struana ungleichmäßig an. »Ach ja? Nun-«   »Das war wirklich sehr hilfreich. Doch wie habt Ihr es geschafft, dass gerade ich Euch hören konnte? Und woher habt Ihr von Malik gewusst?«   Der Ingenieur zuckte mit seinen Fühlern. »Die Klaxxi hatten es gewusst. Ihr konntet mich tatsächlich hören?« Struana nickte und der kleine Mantis blinzelte erneut. »Vielleicht liegt es daran, dass Ihr so nahe am Signalgeber standet, wie jetzt auch. Die ersten Schwingungen sind die stärksten.«   »Nun, es hat den Klaxxi auf jeden Fall sehr geholfen.«, sprach Struana lächelnd und entblößte dabei ihre Reißzähne die mit Kyparit beschichtet waren.   Kor'ik drehte ihr wieder den Rücken zu und hob seine klauenartigen Hände um etwas an dem Signalgeber zu machen. »Ich brauche einen Moment.«, murmelte er beschäftigt, während sich bernsteinfarbene Energien um seine Hände bildeten, ähnlich die, welche die Klaxxi'va in den großen Signalgeber in der Mitte der Plattform pumpten.   Struana nickte nur und sah dem Mantiden dabei zu. Sie konnte es kaum erwarten diesen Ort zu verlassen. Sie stellte sich Kil'ruks Gesicht vor wenn er hörte, dass sie einmal mehr den Klaxxi - auch wenn es nur Kor'ik war - geholfen hatte. Die Worgen runzelte ihre Stirn als sie an den Windschnitter dachte. Der Getreue war damals nicht sehr viel weiter weg gestanden als sie jetzt auch. Warum hatte er das Signal nicht gehört? Stand er etwa doch zu weit weg und sie konnte sich nicht mehr genau erinnern?   »Die Klaxxi'va haben zu mir gesprochen.«, krächzte Kor'ik und riss sie aus ihren Gedanken. »Sind sie zufrieden mit dem neuen Signalgeber?«, fragte sie und hob eine Augenbraue.   Zu ihrer Verwunderung gab der kleine Mantis ein rasselndes Seufzen von sich. »Es hat viele Jahr gedauert, bis sie mich überhaupt zur Kenntnis genommen haben. Und jetzt reden sie sogar durch mich.«, murmelte er leise und schüttelte seinen Kopf. Die Worgen sah ihn verwundert an, doch er ignorierte ihren Blick. »Die Klaxxi hören einen Getreuen. Seine Schreie sind schwach und verlieren sich in der Dunkelheit. Er hält sich im Salzigen Schlick verborgen doch inzwischen hat seine Tarnung versagt.«   Struana zuckte unwohl mit ihren Ohren. »Was bedeutet das?«   Kor'ik rasselte geräuschvoll beim einatmen. »Das bedeutet, dass die Echsenmänner ihn umstellt haben.« Die Worgen verengte ihre Augen. Saurok? Natürlich würde sie hier in der Schreckensöde auch auf Saurok stoßen. Auf ihrer Reise mit Sevias war sie nur einmal auf diese Kreaturen gestoßen, doch sie haben sie umgangen um nicht mit ihnen konfrontiert zu werden. »Ihr müsst-«   »Benachrichtigt Kil'ruk.«, schnitt sie ihm das Wort ab. Er musste nicht extra erwähnen, dass sie sich beeilen musste um ihn zu erwecken. Zuerst das Problem mit den verdorbenen Gefäßen der Kaiserin und jetzt auch noch Saurok. Welchen Grund könnten sie haben es auf die Getreuen abzusehen? »Der Windschnitter soll herkommen. Ich werde vorausgehen um sicherzustellen, dass dem Getreuen nichts geschieht.«   Kor'ik nickte. »Ich werde den Windschnitter durch den Signalgeber erreichen.«, krächzte er.   »Das hoffe ich.«, murrte Struana während sie sich umdrehte und hastig zu den Stufen eilte. Sie hoffte dass der Windschnitter inzwischen wieder in Klaxxi'Vess war und wenn nicht, dass Kor'ik ihn trotzdem irgendwie benachrichtigen konnte.   Was hatten die Saurok mit einem Getreuen vor? Und was noch wichtiger war, konnten sie den Getreuen in seinem Bernschlummer etwas anhaben? Sie wusste zu wenig über die Saurok um diese Fragen zu beantworten die in ihrem Kopf herumschwirrten. Doch was sie sicher wusste war, dass sie nicht zulassen würde, dass sie auch diesen Getreuen verlieren. Die Worgen erreichte das Ende der Stufen und rannte die Höhle hinaus in das offene Gelände, während ihre Umgebung langsam heller wurde.     Kapitel 9: 08 - Der Manipulator -------------------------------     Struana rannte, als wäre Sargeras persönlich hinter ihr her. Sie ignorierte ihren rasenden Herzschlag, während sie mit trommelnden Pfoten über das ergraute Gras preschte. Die hohen Klippen trennten sie von dem Salzigen Schlick, doch sie fand eine passende Stelle und stürzte sich in die Tiefe. Schlitternd schaffte sie einen halbwegs gelungenen Absprung und landete im seichten Wasser. Schlamm und Salzwasser spritzten um sie herum und hängten sich lästig an ihre Klauen, Beine und sogar ihrem Kinn, doch ihr war es egal, wie sie aussah. Das Blut pulsierte durchdringend in ihren Ohren und sie sprintete unermüdlich weiter, geradewegs durch den Matsch um sich immer mehr mit Dreck zu bespritzen.   Das Salzige Schlick war eine schier endlose seichte Ebene im Meer, dennoch musste sie höllisch aufpassen, dass sie nicht in einer dünnen Sandschicht einsank und womöglich noch stecken blieb. Die Kriegerin musste glücklicherweise nicht lange suchen, oder gar eine weite Strecke zurücklegen, denn schon von Weitem erkannte sie die aufsteigenden Felsen und die kleine Kiesinsel, welche das Lager der Saurok sein musste. Sie wurde langsamer und nutzte in der Nähe herumliegende Felssteine - vielleicht waren es einmal Korallen gewesen - um Deckung zu suchen. Struana hatte nicht vor gesehen zu werden und wenn sie es nicht tun müsste, würde sie diese Kreaturen nicht herausfordern. Aufmerksam betrachtete sie zwei echsenartige Gestalten dabei, wie sie nicht unweit des Lagers miteinander um ein Stück Fleisch kämpften.   Kor'iks einfache Beschreibung als 'Echsenmänner' beschrieb wirklich sehr genau, was diese Wesen eigentlich waren. Tiere. Zu groß geratene Echsen mit scharfen Krallen und der Fähigkeit auf zwei Beinen aufrecht zu gehen. Die Worgen spürte ihr Herz gegen ihren Brustkorb hämmern, während sie vorhechtete um noch etwas näher an das Lager heranzukommen. Die grunzenden Laute und der Gestank, welcher von den Saurok und ihrem Lager ausging, war nahezu überwältigend für ihre sensible Nase. Doch sie würde nicht umhin kommen, wenn die Saurok den Getreuen umstellt hatten, musste er in der Nähe des Lagers sein - wenn nicht sogar mittendrin. Struana spannte sich an und spürte ein sachtes Kribbeln an ihrer Hüfte.   Plötzlich hielt sie inne und wartete einige Sekunden wie versteinert, ehe sie ungläubig auf ihre Gürteltasche starrte. Die Stimmgabel hatte sie fast vergessen, sie würde ihr die Richtung weisen können, in der sich der Getreue aufhielt. Sie holte das Artefakt aus ihrer Gürteltasche und starrte mit zunehmender Anspannung darauf. Die Vibrationen waren ganz schwach, kaum merklich, obwohl sie nicht mehr weit vom Lager entfernt war. Bedeutete das, dass sich der Getreue noch irgendwo in der Umgebung außerhalb des Lagers aufhielt? Struana hielt die Stimmgabel in verschiedene Richtungen, ehe sie sich nach Osten an dem Lager vorbeischlich. Die Saurok hatten sie zu ihrem Glück nicht bemerkt, während sie ihrem Lager dem Rücken kehrte und weiter in das Meer hineinlief.   Die Worgen hatte das Lager inzwischen weit hinter sich gelassen und kein Saurok kam ihr entgegen. Sie watete mit unruhigen Klauen durch das Salzige Schlick, während die Stimmgabel immer heftiger vibrierte und langsam der leise Ton zu hören war, den sie von sich gab, wenn ein Getreuer ganz in der Nähe war. Struana richtete sich auf, da sie sich nun noch nicht einmal mehr ducken musste, um nicht gesehen zu werden. Zu weit war sie inzwischen von dem Lager der Saurok entfernt, was sie ins grübeln brachte. Hatte der Ingenieur nicht gesagt, dass der Getreue umstellt wäre? Sagte er nicht auch, dass er sich in der Nähe des Lagers aufhalten würde? Nun, als in der Nähe konnte man das nun wirklich nicht mehr bezeichnen. Fast eintausend Fuß trennten sie von dem übelriechenden Nest mit den Saurok.   An einer Ansammlung aus hohen, herauswachsenden Felsen aus dem Schlick - vielleicht waren es wieder versteinerte Korallen - hörte Struana, wie das Wasser aufgescheucht wurde. Felsbrocken fielen geräuschvoll in das Wasser und Geröll rollte an den Felsen hinab. Die Worgen rannte um die Felsen herum, während sie die Stimmgabel fest in ihrer Klaue hielt, dessen Schwingungen und Vibrationen immer stärker wurden. Ob sie die Auslöser für den Felsrutsch war?   Auf der anderen Seite erkannte sie den großen Bernstein in dem der Getreue schlafen musste, während noch ein paar kleine Kiesel an diesem herabrieselten. Struana verengte ihre Augen und sah sich wachsam um, doch sie konnte weder einen Saurok sehen noch riechen. Nur ein schaler Geruch lag in der Luft, also konnte schon lange keiner mehr hier gewesen sein. Merkwürdig... Kor'ik hatte doch-   Sie schüttelte schnell ihren Kopf. Die Worgen sollte froh sein, dass sich der kleine Mantis geirrt hatte. Vermutlich wollte er es nur dramatisieren, damit sie sich beeilte. Struana näherte sich weiter dem Bernstein, die Stimmgabel in ihrer Pranke erhoben wie eine Fackel, während diese summende Laute von sich gab. Mit einem Knacken brach die Schale auf und die harzige Substanz quoll flüssig daraus hervor. Die Worgen entspannte sich etwas, als sich die harte Schale ebenfalls langsam verflüssigte und an dem Getreuen herablief, der bis vor wenigen Sekunden noch darin geschlafen hatte. Sie hatte es geschafft rechtzeitig zu kommen, um ihn zu erwecken.   Der Mantis blinzelte ungleichmäßig hinter einer zerbrechlich wirkenden Maske aus Chitinflügeln und erfasste Struana in seinen Blick. »Was... Wo bin ich? Was... was für eine Kreatur seid Ihr? Habt Ihr-« Der Getreue beugte sich ruckartig vor und erbrach. Die Substanz die noch seine Lungen gefüllt hatte, hatte den Getreuen stark beim Sprechen gestört. Der Mantis könnte die selbe Größe haben wie Kil'ruk wenn er gerade stehen würde, doch im Moment sah er wirklich... sehr schwach aus. Er wirkte dürr und seine Rüstung war nicht unbedingt als so eine zu bezeichnen. Die feinen Platten aus gehärtetem Chitin waren filigran und bedeckten nur seine Schultern und einen Teil seines Rückens. Er hatte einen hohen Kragen, wodurch der Getreue erhabener aussah, aber es wirkte viel mehr wie Schmuck als einen wirklichen Schutz gegen Angriffe darzustellen. Die Färbungen der Rüstung war ein ausgebleichtes rostrot gemischt mit weichem gelb. Der Getreue wirkte fast schon krank, während er einen weiteren Schwall der Bernflüssigkeit erbrach.   Struana sah sich um, doch zum Glück war noch immer kein Saurok auf sie oder den Getreuen aufmerksam geworden. Wieder legte sie ihren Blick auf den Getreuen, der leise und rasselnd röchelte. Er starrte mit verengten Augen misstrauisch zu ihr hinauf, während er sich bemühte gerade zu stehen. Doch genauso wie bei Kil'ruk's Erweckung gelang ihm das nicht, stattdessen rutschte er mit seinen Vorderbeinen aus, die seinen Leib stützten wollten und musste sich krampfhaft an einem Felsen hinter sich festhalten. Die Worgen entspannte sich zunehmend. Der Getreue war wohlauf.   »Wie habt Ihr mich aufgeweckt?«, fragte er und funkelte sie feindselig an. Struana blinzelte und hob wortlos die Stimmgabel etwas höher, als würde dies alle Fragen beantworten. Er zischte laut, ehe sie das Artefakt in ihre Gürteltasche gleiten ließ.   »Geht es Euch gut?«, fragte sie nach einigen Augenblicken und besah sich den Getreuen noch einmal von oben bis unten. Seine Flügel hingen an ihm schlaff herab, er versuchte noch nicht einmal sie zu entfalten. Die Kriegerin konnte sich nicht helfen, er wirkte so erbärmlich krank. »Wenn ja, dann sollten wir fort von hier. Ihr werdet gebraucht und-«   »Ihr seht mich an und stellt fest, dass ich kein großer Krieger bin.«, rasselte der Mantis ruhig und bedrohlich zugleich, während er Struana amüsiert betrachtete. Er schien sich zu konzentrieren, während er sprach. »Warum wurde ich als Getreuer auserkoren?«   Die Worgen legte ihre Ohren an. Auch wenn in den Worten des Mantis eine Warnung lag, kam ihr seine Stimme merkwürdig angenehm vor. Fast schon, als wäre sie ein sonderbares, wunderschönes Instrument. Struana blinzelte und schüttelte ihren Kopf. »Es ist mir eigentlich ziemlich egal. Irgendwann werde ich es wohl herausfinden.«, seufzte sie und bemerkte, dass der Getreue immer noch eine abwehrende Haltung eingenommen hatte. »Ich bin nicht hier um Euch zu verletzen. Ich bin-« Sie hielt inne und verdrehte ihre Augen. »Ich bin Eure Erweckerin, genauso wie von zwei weiteren Getreuen.«   Der Getreue zischte und Struana wünschte sich nun doch, dass sie lieber mit Kil'ruk losgezogen wäre. Der Windschnitter könnte den Getreuen beruhigen. Wo war er überhaupt? Es war bestimmt schon eine halbe Stunde vergangen, seitdem sie die Höhle verlassen hatte und Kor'ik ihn benachrichtigen sollte herzukommen. Der Getreue starrte sie nun mit zusammengekniffenen Augen an und seine langen Fühler zuckten, während sie direkt in seine Augen zurückblickte.   Struana verdrehte die Augen. »Ja ich weiß, ich bin eine Niedere Kreatur und nicht würdig... und was auch immer. Aber es ist nun mal so. Die Stimmgabel ist auf mich geprägt.«, sprach die Worgen genervt. »Und jetzt sollten wir von hier wirklich verschwinden, ehe die Saurok doch noch auf uns aufmerksam werden.« Sie näherte sich dem Getreuen, doch dieser zischte gereizt, während sich seine Augen weiteten. Struana zuckte zurück und seufzte, während der Mantis sie verwirrt und ungläubig anstarrte. »Nether nochmal! Wir können hier nicht bleiben und wenn Ihr Euch nicht gleich in Bewegung setzt, dann lasst Ihr mir keine andere Wahl, als zu-«   Der Rest ihres Satzes ging in einem ersticktem Keuchen, gefolgt von einem Gurgeln unter, als sie von der Seite zu Boden gerissen wurde. Sie spuckte ein Maul voll Salzwasser und Schlamm aus, als sie sich verwirrt umsah. Struana war so mit der Reaktion des Getreuen abgelenkt gewesen, dass sie den Angreifer nicht hatte kommen sehen. Sie hörte das gleichmäßige Summen von Flügeln und rappelte sich auf, als sich ihre Augen weiteten.   Fast hätte sie geglaubt, es sei Kil'ruk gewesen der sie - sie hoffte für ihn aus Versehen - umgeworfen hatte. Doch ein völlig fremder Mantis stand dort. Groß war seine Gestalt und gänzlich schwarz sein Chitin. Sein Kopf, ebenso wie sein Körper wurde von einer Maske aus schwarzem Metall und goldenen Ornamenten bedeckt. Dort, wo seine Augen hätten sein sollen, schienen sie rot zu glühen hinter dem durchsichtigen Metall, welches sie schützten. Grüner, edler Stoff mit goldener Umrandung hing von den Schultern des Mantis und bedeckte seine Brust und sogar seine Beine.   Der Angreifer rieb seine Vorderbeine gegeneinander, die zu Struanas Erstaunen ebenfalls mit dem vergoldeten Metall überzogen waren. Er starrte mit schier verrückter Freude auf die Worgen, während er etwas aus seinem Umhang hervorzog. »Ihr erspart mir eine Menge Arbeit.«, zischte er mit einer tiefen, rauen Stimme und gab die Sicht auf das frei, was noch unter seinem Umhang verborgen gelegen hatte.   Der Worgen wurde schlecht, als sie das Artefakt erkannte. Es war eine Urne, genau so eine, wie sie vor dem Todesrufer gestanden hatte und ihn verdarb. Struana erkannte die schwarzen und weißen Nebel, die sie absonderte, doch schienen sie dem Träger des Artefakts nichts anzuhaben. Er hob seinen Arm, während sich der Getreue selbst zurück gegen die Felsen drückte, doch er war noch immer zu schwach. Die Kriegerin keuchte auf und sprintete vor, während der Angreifer das Gefäß die paar Schritte zu dem Getreuen warf.   Gerade noch rechtzeitig schaffte es Struana ihren Arm zu heben, um die Urne zur Seite zu schlagen und so den Getreuen zu schützen. In seinem derzeitigen Zustand wäre er ein sehr leichtes Opfer für die Energien des Sha gewesen. Ihre Ohren waren angelegt und sie fletschte die Zähne, während Ihr zorniger Blick auf dem Angreifer ruhte. »Wegen Euch ist der Todesrufer wahnsinnig geworden! Wer seid Ihr?«   Der Angreifer ignorierte die Worgen und sah zu der Urne, die mehrere Meter von ihnen entfernt im Wasser gelandet war. Sie war nicht zerbrochen, zumindest hatte Struana davon nichts mitbekommen. Das Artefakt konnte also noch immer eine Gefahr darstellen. Dann richtete er seine Augen mit einer abartigen Freude die ihr einen Schauer über den Rücken laufen ließ, auf Struana. »Eigentlich verrate ich meinen Namen nicht und schon gar nicht einem solchen Dreck, wie Ihr es seid. Doch sonderbarerweise sind die Klaxxi auf die Idee gekommen, dass es eine gute Idee ist Niedere Kreaturen als Erwecker zu benutzen. Und wegen der vergangenen Ereignisse denke ich, dass Ihr es Euch verdient habt den Namen Eures Mörders zu erfahren.«   Der Mantis flog einige Meter in die Luft und starrte auf sie hinab. Noch immer sah er Struana mit einer sadistischen Freude an, die sie nicht nachvollziehen konnte. »Ich bin Klingenfürst Ta'yak und da Ihr mir die Möglichkeit genommen habt den Getreuen zu verderben, werde ich ihn eben töten.« Er lachte leise und kehlig. »Genauso wie Euch, Erweckerin. Ihr habt Euch gut geschlagen gegen den Todesrufer. Wenn Ihr für Eure Majestät kein Dreck unter den Füßen währt, würdet Ihr einen netten Zeitvertreib abgeben.«   Die Kriegerin runzelte ihre Stirn. »Woher wisst Ihr-?« Plötzlich stürzte er sich ohne ein weiteres Wort der Warnung auf Struana herab und ihre Augen weiteten sich. Sie versuchte auszuweichen, doch wurde sie von dem Schaft seiner Stangenwaffe getroffen und verlor ihre Balance. Die Worgen wandte sich ihm wieder zu, als er erneut von oben herab auf sie einschlug. Sie holte aus und schlug mit ihren Klauen gegen die Waffe um sie umzulenken. Ta'yak war schnell, unglaublich schnell. Sie war so damit beschäftigt auszuweichen und den einen oder anderen Schlag zu parieren, dass sie nicht zum Angriff kam. Seine Vorderbeine schnellten vor und trafen sie an der Seite, als sie sich gerade unter einem seiner Hiebe duckte.   Struana brüllte auf, als heißes Blut an ihrer Seite herablief und Ta'yak sie wieder freigab. »Bedauerlich.«, scherzte er und kicherte sadistisch. »Ich hatte zumindest etwas mehr Wiederstand erwartet.«   Die Kriegerin rappelte sich wieder auf und ignorierte das Blut, welches aus ihrer Seite lief und den Schlamm unter sich dunkel färbte. »Noch bin ich nicht tot. Ihr werdet Euch schon etwas besseres einfallen lassen müssen, als mit diesem Zahnstocher nach mir zu schlagen.« Struana warf eine Pranke voll Schlamm auf den Angreifer und traf ihn mitten auf den Helm. Der Dreck klatschte nass auf und Ta'yak zischte laut, da ihm die Sicht genommen wurde. Er zuckte zurück und schüttelte seinen Kopf. Struana sprang vor und schlug ihm seine Waffe aus den Händen.   Ta'yak - jetzt unbewaffnet - schlug ihr gegen die Schulter, da Struana aber schlau genug war sich zu ducken, verfehlte er. Sie holte aus und kratzte ihm über den Arm, wodurch sie mit ihren Verstärkungen eine tiefe Wunde in das Chitin riss. Der Mantis schrie und wischte sich den Schlamm von einem seiner roten Augenschützer fort.   Struana knurrte leise und bedrohlich, während sie sich etwas auf Abstand brachte. Ihr Kampfeswille und ihre Angriffslust waren erwacht und die Bestie in ihr schlummerte nicht mehr. Sie kämpfte hier nicht nur um ihr Überleben, sie kämpfte auch für den Getreuen. Die Kriegerin erkannte, dass sie es mit einem gefährlichen Gegner zu tun hatte, dem sie weit unterlegen war. Dennoch konnte sie nicht an eine Flucht denken. Sie war die Erweckerin. War es nicht auch Teil ihrer Aufgaben, die Erwachten zu schützen? Sie konnte nur hoffen, dass sich Kil'ruk beeilte, mehr blieb ihr in dem Moment nicht, als sich ihr Rückenfell sträubte.   Gerade als Ta'yak noch damit beschäftigt war, seine Sicht wiederherzustellen, erkannte sie ihre Chance ihm eine tiefe Wunde zuzufügen. Die Kriegerin setzte vor und zielte mit ihren verstärkten Klauen auf seine ungeschützte Seite, um sie ihm mit Glück durch seinen Panzer rammen zu können. Doch der Klingenfürst duckte sich schnell vor - schneller als von Struana erwartet - und bekam sie grob am Hals zu packen. Mit Schwung riss er sie von den Beinen und drückte sie in den Boden. Schlamm spritzte um die Worgen herum, während sie mit ihren Klauen über den Panzer seiner Haut riss und versuchte ihn von sich zu drücken. Ihr Kopf war halb unter Wasser, sie konnte nur schwer durch ihre Nase atmen, da Ta'yak ihr die Kehle zudrückte, doch er klickte nur belustigt und ohne den Hauch einer Anstrengung in seiner Stimme. »Widerspenstig, aber nur Dreck.«, lachte er, als er mit der freien Klaue ausholte und plötzlich innehielt.   Struana verfluchte sich dafür, dass sie ihre Waffe nicht mitgenommen hatte. Wenn sie hier lebend rauskam, würde sie nie wieder so naiv sein, ohne ihre Waffe irgendwo hinzugehen. Die Kriegerin merkte, wie Ta'yak innehielt. Ohne Zeit zu verschwenden holte sie mit ihren Hinterläufen kräftig nach oben aus, während er über ihr gebeugt stand. Er stolperte zurück und schüttelte merkwürdig seinen Kopf, während Struana keuchend und nach Luft schnappend auf die Beine kam. Mit verengten Augen funkelte er zu den Felsen und schien von ihr abgelenkt zu sein.   Jaulend sprang Struana auf ihn und landete auf seiner Schulter. Sie riss mit ihren Klauen durch seinen Umhang und den Panzer zu dem Fleisch darunter, während sie versuchte sich in seinem Hals festzubeißen. Doch Ta'yak kreischte auf und riss Struana von sich, als würde sie nichts wiegen und schleuderte sie in die Richtung der Felsen. Sie versuchte sich blinzelnd wieder aufzurappeln und erkannte, dass der Getreue mit Hilfe seiner Vorderbeine tatsächlich aufrecht stand. Er klickte und zischte unbekannte Worte vor sich hin, als Ta'yak einen japsenden Laut von sich gab.   Doch dann blickte er wieder zu der Worgen und der sadistische Ausdruck in seinen Augen war zurückgekehrt. »Ihr habt Glück, dass der Getreue länger wach ist, als ich erwartet hatte.«, knurrte Ta'yak doch nichts von seiner Gelassenheit, war aus seiner Stimme gewichen. »Dies ist nur ein kleiner Rückschlag für Ihre Majestät. Es ist egal, wie viele Getreue Ihr noch erwecken werdet, Weichling. Die Klaxxi werden verlieren und ausgelöscht werden.«   Ein weiteres Japsen von dem Klingenfürsten, gefolgt von einem heiseren Gelächter. Er hielt plötzlich inne, sah über seine Schulter und starrte nach Norden. »Ich gebe Euch ein Versprechen 'Erweckerin'«, begann er und hob seine Stangenwaffe aus dem Schlamm auf, ehe seine Flügel begannen zu schlagen und er langsam in die Luft flog. »Es war wirklich sehr dumm von Euch sich mir zu zeigen. Von diesem Tage an, werde ich Euch jagen.« Er lachte und während er lachte, verschwand er vor Struanas Augen, als wäre er nur Nebel. Sie sah sich hektisch um, als plötzlich die Stimme wie aus dem Nichts neben ihr sprach. »Ihr werdet keinen Schritt mehr wagen. Ihr werdet die Schatten fürchten. Irgendwann, wenn Ihr alleine seid, werde ich in Eurer Nähe sein und Euch zur Strecke bringen.«   Die Stimme verhallte mit einem sadistischem Lachen und Struana wagte es nicht zu atmen, während sich die Stille über dem Salzigen Schlick ausbreitete. Nach einigen Herzschlägen schluckte die Worgen und prüfte schnuppernd die Luft.   »Der Feigling ist verschwunden.«, krächzte der Getreue und die Worgen drehte sich zu ihm um. Sie musterte ihn eingehend, doch der Mantis wirkte nach wie vor sehr schwächlich und krank. Struana zuckte zusammen, als er ohne Vorwarnung auf seine Knie zusammensackte. Sie eilte vor und legte einen seiner Arme um ihre Schultern - auch wenn er sich zunächst weigerte - und hievte ihn schließlich wiederwillig hoch. »Danke dass Ihr mir geholfen habt, aber wie-?«   »Nicht alle Waffen kann man sehen, Erweckerin. Man sollte nicht nach dem Aussehen allein urteilten.«, sprach der Getreue. Struana runzelte ihre Stirn. Sie war nach wie vor von seiner angenehmen Stimme abgelenkt, auch wenn sie gerade nur wieder knapp dem Tod ein Schnippchen geschlagen hatte.   »Wie-?«   »Kaz'tik, der Manipulator.«, rasselte der Getreue, gefolgt von einem Klicken seiner Kieferzangen. Die Worgen starrte ihn verwirrt und fassungslos von der Seite aus an. Konnte er etwa ihre Gedanken lesen? Sie hoffte nicht. Kaz'tik sah sie ungeduldig an. »Doch ehe ich Euch mehr erzähle, muss ich Euch um etwas bitten, Erweckerin.«   Struana rollte mit ihren Augen. »Das ging ja schnell, dass Ihr mir vertraut.«, grummelte sie ironisch. »Hätte Eure Vertrauensseeligkeit nicht etwas früher kommen können? Dann hätten wir vielleicht vor Ta'yak entkommen können.«   Der Manipulator seufzte nur rasselnd. »Unwahrscheinlich. Aber es ging nun mal nicht schneller, aber nun habt Ihr mein Vertrauen. Ihr könnt Euch also geehrt fühlen.« Die Worgen war verwirrt von seiner Wortwahl. Es ging nicht schneller?   »Zur Zeit meiner Bewahrung wurde etwas, das mir wichtig war, versteckt. Ohne es bin ich nichts.«   »Das eben sah mir nicht nach nichts aus.«, murmelte die Worgen. »Was auch immer Ihr-«   »Es ist meine größte Waffe.«, unterbrach Kaz'tik sie ungeduldig. »Ihr müsst mir helfen es zu holen.«   Struana seufzte und nickte schließlich. »Nun gut. Da Ihr alleine-«   »Macht keine Scherze über meinen derzeitigen, körperlichen Zustand, Erweckerin. Ihr könnt ja selbst einmal mehrere tausend Jahre in den Schlaf fallen, doch Euer weiches Fleisch dürfte die Prozedur nicht überstehen, oder Eure Muskeln, die mit der Zeit immer mehr verkommen würden. Von Eurem Verstand ganz zu schweigen.«   Die Worgen hielt inne und musterte Kaz'tik missbilligend. Fast so als hätte er seinen Verstand ohnehin bereits verloren. Dann schüttelte sie den Kopf. »Wohin-?«   »Nach Süden. Weiter in den Schlick hinein.«   Struana seufzte und grummelte etwas unverständliches vor sich hin. Sie blickte zu Kaz'tik, dieser schien zunehmend abgelenkt zu sein, vermutlich wegen seiner 'Waffe'. Die Worgen stützte den Manipulator, während sie durch das Salzige Schlick wateten. Wie schaffte er es nur auf ihre Fragen zu antworten, noch ehe sie die Sätze überhaupt geformt hatte?   »Beeindruckend.«, raunte Kaz'tik, während Struana kurz zu dem Lager der Saurok zurücksah. Es war weit weg, ebenso wie die aggressiven Kreaturen selbst. »Was denn?«, fragte sie genervt, während sie den Manipulator weiter führte. Mantis waren schwerer als sie vermutet hatte. Der Chitinpanzer war hart, aber machte er wirklich so viel von ihrem Gesamtgewicht aus? Wie waren Mantis physikalisch überhaupt in der Lage, sich mit bei einem solchen Gewicht in der Luft zu halten?   »Jetzt werdet Ihr unverschämt, Erweckerin.«   Struana hielt inne und drehte ihren Kopf ganz langsam zu Kaz'tik. »Ihr könnt meine Gedanken lesen!«, fluchte sie und sah ihn grimmig an. »Warum sagt Ihr mir das denn nicht?«   »Ich lese Eure Gedanken nicht nur.«, ertönte seine Stimme und er sah sie amüsiert an. Die Worgen erkannte, dass sich seine Kiefer überhaupt nicht bewegten während er sprach und erkannte, dass seine Stimme in ihrem Kopf war. »Ich durchwühle Euren Geist.«   »Hört gefälligst sofort auf damit!«, verlangte Struana gereizt und entblößte ihre Reißzähne.   »Ihr würdet mich nicht verletzten, Erweckerin. Etwas hält Euch zurück.« Kaz'tik legte seinen Kopf leicht schief. »Eure Gedanken faszinieren mich. Eure Handlungen sich zielgerichtet und Eure Komplexität ist beeindruckend.«   Struana knurrte. »Ich würde Euch nicht verletzten, das stimmt.« fauchte sie, und verzog ihre Gesichtszüge grimmig. »Ihr seid zu wichtig für die Klaxxi. Aber glaubt mir, das wird mich nicht daran hindern Euch einfach fallen zu lassen und Ihr werdet Eure Waffe nicht erreichen! Raus aus meinem Kopf!«   Kaz'tik kicherte vergnügt, wobei sein ganzer Körper erzitterte. Er klickte mit seinen Kieferzangen aufeinander, es wirkte auf Struana, als würde er spielen. Sie warf ihm einen genervten Seitenblick zu. »Nun gut. Aber denkt daran, dass ich dies aus reiner Freundlichkeit Euch gegenüber tue.«, bemerkte der Manipulator süffisant, während sich Struana wieder knurrend in Bewegung setzte.   »Wie überaus freundlich.«, knurrte sie und legte ihre Ohren zurück, während sich Struana fragte, was genau Kaz'tik mit 'den Geist durchwühlen' meinte.   Der Getreue sah nach vorne und konzentrierte sich auf seine Schritte. Immer wieder versuchte er selbstständig zu gehen, doch ohne Saftfliegen - oder irgendetwas anderem was ihn zu Kräften kommen ließ - würde er sich nur sehr langsam wieder erholen. »Eines verstehe ich nicht, Erweckerin.«, begann er rasselnd, doch Struana sah nicht von ihren Schritten auf. »Der Grund warum Eure Gedanken so faszinierend sind. Euer Wesen ist alt, doch Euer Geist jung und Eure Gedanken ausgereift. Wie kommt es dazu?«, fragte er.   Die Worgen warf ihm einen verwirrten Seitenblick zu. »Ich habe keine Ahnung, was Ihr gerade überhaupt gesprochen habt.«   Kaz'tik seufzte und sah sie wie ein Kind an das die Schwerkraft nicht verstand. »Euer Geist ist jung und frisch, wie der eines neu geschlüpften Schwarmgeborenen. Aber Euer Körper scheint doch schon erwachsen zu sein, wenn nicht sogar schon darüber hinaus gereift. Eure Gedanken passen zu beiden nicht. Sie sind, wie ich gesagt hatte, komplex. Als würde nichts zusammenpassen.«   Struana runzelte die Stirn und überlegte. Könnte Kaz'tik ihren Gedächtnisverlust meinen? Es war erstaunlich, dass er das alles aus ihr herauslesen konnte nur weil er... in ihrem Geist herumwühlte. Diese Vorstellung war irgendwie beängstigend, doch er hatte es gerate getan. Er hatte durch ihre Hülle gesehen, doch war es schlimm gewesen? Im Moment zumindest nicht, es machte ihr keine wirkliche Angst mehr. Sie hatte sich damit abgefunden vor drei Monaten ihr Gedächtnis verloren zu haben. Ihre Vergangenheit lag hinter ihr, doch nun ergaben seine Worte einen Sinn.   »Ein Gedächtnisverlust also. Das könnte es wirklich erklären.«, flüsterte die Stimme des Manipulators wieder in ihrem Geist und Struana sah ihn knurrend an. »Könntet Ihr das bitte unterlassen?«   Er kicherte leise, jedoch in ihrem Kopf, weswegen sie die Augen verdrehte. »Euer Geist ist stark, Erweckerin. Sogar jetzt muss ich mich anstrengen, um mit Euch zu kommunizieren. Euch zu kontrollieren dürfte fast unmöglich sein...«   »Das ist ungemein beruhigend.«, grummelte Struana vor sich hin und verkniff es sich zu erwähnen, dass es ohnehin nicht möglich war. Sie könnte den Manipulator wohl nicht dazu bringen, nicht mehr in ihren Gedanken herumzustöbern. Was erwartete sie auch? Schließlich war sie - wie in den Augen aller Mantis - nur eine Niedere Kreatur mit der man wohl alles machen konnte.   »Wir sind da.«, sprach Kaz'tik dann schließlich wirklich aus und Struana hob ihren Kopf. »Mit dieser Waffe werden wir die Armee der Kaiserin vernichten.«   Er nahm seinen Arm von Struanas Schultern und hielt sich mit Hilfe seiner Vorderbeine aufrecht. während er ein paar Schritte ging. Die Worgen fragte sich unweigerlich, ob er auch mitbekommen hatte, dass sie seine Stimme merkwürdig sanft und auf absurde Weise auch schön fand. Sie schüttelte ihren Kopf und schob diese Gedanken schnell bei Seite. Lieber nicht daran denken. Vielleicht hatte sie ja Glück und er würde es nicht herausfinden - wenn er es nicht schon getan hatte.   Struana wurde von einem summenden Geräusch abgelenkt und sie drehte sich mit aufgestelltem Nackenfell zu dessen Ursprung. Doch ihr Fell glättete sich wieder, als sie zu ihrem eigenen Erstaunen nicht Ta'yak sah der auf sie zugeflogen kam, sondern Kil'ruk.   Der Windschnitter flog schnell zu ihnen und landete vor der Worgen. Er sah sie etwas irritiert an und warf einen Blick über seine Schulter zurück, ehe er den Getreuen in seinen Blick fasste. Struana runzelte die Stirn, denn er trug etwas zwischen seinen Vorderbeinen. Es war ein Netz und irgendetwas lag darin, als wären es Steine. Aber warum kam er denn erst jetzt? Inzwischen war bestimmt schon eine Stunde vergangen, wenn nicht sogar mehr.   »Der Getreue wurde bereits erweckt, wie ich sehe.«, murmelte Kil'ruk krächzend und Struana legte ihre Ohren an. Sie öffnete ihren Mund, doch kam sie nicht dazu etwas zu sagen.   »Der Windschnitter ist auch erwacht?«, fragte der geschwächte Getreue und blinzelte ihn abschätzend an.   Kil'ruk wandte sich ihm zu und klickte sanft mit seinen Kieferzangen. »Und Ihr seid?«, fragte er, während sich Struana in die Seite ihrer Wange biss um den bissigen Kommentar zu unterdrücken, der ihr auf der Zunge lag.   »Kaz'tik, der Manipulator.«, sprach er und sah den Windschnitter amüsiert an. Die Worgen fragte sich, ob er gerade in seinen Gedanken herumwühlte und - was noch viel wichtiger war - was er gefunden hatte, das ihn so belustigte. »Ich kam nach Euch, daher könnt Ihr mich nicht kennen, Windschnitter.«   Kil'ruk löste das Netz aus seinen Vorderbeinen und übergab es dem Manipulator. Kaz'tik sah noch immer so aus, als würde er sich über irgendetwas sehr amüsieren, doch was genau es war, wusste Struana natürlich nicht. Er öffnete das Netz und zog einige Splitter gehärtetes Amber hervor. »Oh, Ihr habt mitgedacht. Das ist gut.«, krächzte der Getreue und schob sich die Splitter zwischen seine Kieferzangen um sie gierig in seinen Schlund zu schieben.   Struana erinnerte sich an Maliks Worte. 'Amber ist Leben.' Vermutlich würde es den Manipulator mehr stärken als Saftfliegen. »Warum seid Ihr mit dem Getreuen so weit außerhalb in den Schlick hineingegangen?«, fragte Kil'ruk sie plötzlich und sie hob ihren Blick zu ihm. »Warum seid Ihr nicht in der Nähe des Sauroklagers?«   »Ihr habt also Kor'iks Nachricht erhalten, ja?«, fragte Struana übelgelaunt, während sie ihre Augen verengte. »Kaz'tik war nicht in der Nähe des Lagers. Seine Hülle war weit von diesem entfernt.«   Mit einem verwirrten Blick zu dem Manipulator - der kurz mit seinem Essen innehielt um zur Bestätigung zu nicken - zischte der Windschnitter nur leise. Struana legte ihre Ohren an. Schnippisch fragte sie: »Warum habt Ihr so herumgetrödelt, Kil'ruk? Ihr hättet-«   »Getrödelt?!« Kil'ruk zischte verächtlich und beugte sich zu ihr herab. »Was bildet Ihr Euch eigentlich ein? Sofort nachdem ich die Nachricht von dem Ingenieur erhalten hatte, bin ich so schnell wie möglich hierhergekommen!« Struana runzelte ihre Stirn. Das konnte doch überhaupt nicht richtig sein. Schließlich-   »Mir war klar, dass Ihr Euch wieder in Schwierigkeiten bringen würdet. Und so wie Ihr ausseht, lag ich wie immer richtig.«, knurrte Kil'ruk sie an. Der Blick seiner jadefarbenen Augen wanderte kurz zu ihrer Seite hinab, ehe er sie wieder zornig anfunkelte.   »Ja, warum bin ich wohl von oben bis unten mit Schlamm beschmiert?«, knurrte Struana zurück und ignorierte dabei die Schrammen und die Wunde an ihrer Seite vom Kampf mit Ta'yak. »Bestimmt nicht, weil Ihr so schnell wie möglich gewesen seid! Wo wart Ihr überhaupt? Warum wart Ihr nicht in-«   »Das reicht!«, erhob zu Struanas Erstaunen Kaz'tik seine Stimme. Sie wirkte merkwürdig laut, als hätte er sie mit Magie verstärkt. Die beiden sahen ihn an, ehe er wieder mit einer normalen Lautstärke weitersprach. »Ihr benehmt Euch wie Schwarmgeborene, die sich um die Reste der Beute streuten.«   Kil'ruk zischte leise, ehe er Struana noch einmal mürrisch ansah und sich dann demonstrativ einen Schritt von ihr entfernte. Sie verschränkte ihre Arme und schnaubte, während der Manipulator das Netz auf den Boden fallen ließ, welches nun gänzlich leer war.   Er richtete sich vollständig auf und streckte seine Flügel durch, als er die Luft tief einsog. »Und nun, zu meiner Waffe.«, krächzte Kaz'tik, hob seine Arme und begann etwas merkwürdiges zu zischen. Die Fühler des Windschnitters zuckten, während er und Struana ihn beobachteten.   Einige Meter von ihnen entfernt rieselte der Kies und bewegte sich zur Seite, als etwas aus dem Boden in die Luft gehoben wurde. Die Worgen machte große Augen und ihre Ohren zuckten neugierig, als sich das etwas als ein Bernstein herausstellte, welches aber gerade mal die Größe ihres Oberkörpers hatte. Kaz'tik machte eine Bewegung, als würde er mit seinen Sicheln an den Unterarmen durch Luft schneiden und der Amberkokon sprang auf.   Die Worgen blinzelte, als eine runde Kugel ein paar Zentimeter auf den Boden fiel und sich krümmte. Die Amberflüssigkeit perlte an ihm herab, während es seine klauenartigen Sicheln hob und leise, kreischende Geräusche von sich gab. Der Manipulator kniete sich nieder und streckte seine klauenartige Hand nach dem Wesen aus. »Ist er nicht großartig?«, sprach er zu Struanas Erschrecken fast väterlich. Wie konnte es sein, dass Mantis den Menschen gar nicht so unähnlich waren? »Komm her, Kovok.«   »Kovok...?«, fragte der Windschnitter ungläubig und schnaubte, während das kleine Wesen langsam auf vier spitzen Füßchen auf den Manipulator zuging.   Struana verzog ihr Gesicht. »Was ist das?«, fragte sie, als es Kaz'tik erreicht hatte und merkwürdige, fast schon erschöpfte Laute von sich gab. Es sah aus, wie ein zu groß geratener Käfer. Er war an sich nicht größer als Struanas Kopf. Ein winziger Kopf, der von einem - für das kleine Wesen - viel zu großen Chitinpanzer bedeckt war, reckte sich langsam dem Manipulator entgegen, während die zwei sichelartigen Klauen aufklappten. Sie sahen scharf aus, fast wie Reißzähne.   »Es ist ein Kunchong.«, erklärte Kil'ruk rau, während er den Manipulator ungläubig dabei beobachtete, wie er dieser Kreatur über den Rücken streichelte und ihn auf seine Arme hob. »Das soll Eure Waffe sein?«   Kaz'tik verengte seine Augen und funkelte den Windschnitter gelangweilt an. »Richtig, Windschnitter. Dies ist meine Waffe. Kovok ist so imposant, wie bei unserer letzten Begegnung und er wird den Klaxxi große Siege bescheren.«   Kil'ruk senkte seinen Kopf und klickte ungehalten mit seinen Kieferzangen aufeinander. »Wie-?«, begann er, doch Kaz'tik schnitt ihm das Wort ab, noch ehe er seine Frage formulieren konnte. »Ich werde Eure zurückgebliebene und überaus geringe geistige Erfahrung mal etwas aufstocken, Windschnitter. Seit meinem Schwarm sind Kunchong fähige Kämpfer für die Mantis und sollten es noch immer sein, falls meine Theorien und Arbeiten nicht völlig vergessen wurden.«   Struana musste sich auf die Zunge beißen um nicht loszuprusten, denn Kil'ruk sah aus, als hätte ihn gerade ein Blitz getroffen. Ungläubig blinzelte er den Manipulator an, als dieser ungerührt fortfuhr: »Nach vielen Jahren der Arbeit mit den Kunchong habe ich eine Theorie entwickelt. Einen von klein auf großzuziehen, stärkt die Bindung und damit auch die akustische Verbindung. Ich hatte gerade mit Kovoks Erziehung begonnen, als ich für die Umhüllung auserkoren wurde. Er ist noch jung und muss sorgfältig ausgebildet werden um sein vollständiges Potential zu erlangen.« Kaz'tik streichelte Kovok behutsam über den harten Panzer, wobei sich Struana nicht sicher war, ob der Kunchong überhaupt etwas durch das Chitin spüren konnte.   Der Manipulator betrachtete Kil'ruk eine Zeit lang und seine Augen verengten sich. Struana wollte lieber nicht wissen, was der Windschnitter dachte und was Kaz'tik davon mitbekam, bis sich sein Blick auf die Worgen legte. »Um eine richtige Verbindung mit Kovok einzugehen, muss man ihn geistig und körperlich fordern. Seine Stärke und Intelligenz respektieren.« Die Worgen zuckte unruhig mit ihren Ohren, während sie die Stimme des Manipulators wieder in ihrem Kopf hörte. »Hört auf damit, Kaz'tik.«, knurrte sie und der Manipulator sah wieder amüsiert drein. »Verzeiht mir, Erweckerin. Ich konnte einfach nicht anders.«   Kaz'tik hob das kleine Wesen behutsam auf und bettete ihn fast in seine Arme, während er auf sie zuging. Sie hielt mehrere Herzschläge mit ihm Augenkontakt, während der Getreue einfach nur auf sie konzentriert hinabblickte. Dann, ohne Vorwarnung, drückte er ihr Kovok in die Arme. Der Kunchong versuchte vergnügt nach Struanas Klauen zu schnappen, doch sie zog diese gerade noch rechtzeitig weg. Argwöhnisch sah sie auf Kovok hinab, der seine Vorderarme in ihre Lederfeste grub und darüber schabte.   »Sehr schön. Ihr seid nun Freunde. Ihr seht wirklich reizend zusammen aus.«, krächzte der Getreue überaus zufrieden - und irgendwie falsch - während Kil'ruk zusammenzuckte. »Nehmt sofort den Kunchong wieder zu Euch!«, kreischte er fast. Wütend sah er den Manipulator an. »Die Erweckerin wird noch gebraucht!«   »Davon gehe ich aus, Windschnitter.«, murmelte Kaz'tik und sah ihn überlegen an. »Ich gehe davon aus, dass Ihr somit Sorge tragen werdet, dass ihr nichts zustößt.«   Struana legte ihre Ohren flach an und zuckte mit ihrem Kopf zurück, als Kovok versuchte nach ihrer Kehle zu schnappen. »Was? Was sollte mir denn zustoßen?«   »Ach nichts, Erweckerin.«, krächzte Kaz'tik freundlich und richtete seine Aufmerksamkeit wieder ihr zu. »Ich vertraue Euch Kovok an. Als erstes müsst Ihr ihn füttern, um sein Vertrauen zu gewinnen. Die Drachenschildkröten, die sich hier in der Nähe aufhalten, sollten sich dafür gut eignen.«, plauderte er weiter und sah Struana dann plötzlich ernst an. »Seid gewarnt, Erweckerin. Sollte Kovok irgendetwas zustoßen, büßt Ihr mir dafür mit Eurem Leben.«   Die Worgen blinzelte Kaz'tik unwohl an. Wie gerne würde sie ihm Kovok einfach wieder zurückgeben, wenn sich dieser nicht gerade in ihrer Lederweste förmlich verhakt hätte. Sie hatte merkwürdigerweise ein völlig ungutes Gefühl dabei, auf den Kunchong aufzupassen. Doch hatte sie hier eine Wahl? Der Manipulator hatte sie ihr doch praktisch genommen. Langsam nickte sie. »Gut, ich sehe, wir verstehen  uns, Erweckerin.«   Missmutig starrte Struana auf Kovok, der sich nach wie vor in ihrer Lederweste verhakt hatte. »Ich werde nach Klaxxi'vess fliegen, um die Anweisungen der Klaxxi zu erwarten. Und Ihr solltet darauf achten, dass der Erweckerin wirklich nichts zustößt. Schließlich liegt sie Euch ja so sehr am Herzen, da sie noch gebraucht wird, Windschnitter.«   Die Worgen fletschte die Zähne. Wie gerne hätte sie Kaz'tik gesagt, dass sie sich eigentlich in einer viel größeren Gefahr befand, wenn der Windschnitter in ihrer Nähe blieb, doch der Manipulator schlug bereits mit den Flügeln und stieg in die Luft. Sein überlegener Blick ruhte auf Struana, ehe er abdrehte und langsam verschwand. Der Windschnitter zischte laut und langgezogen, während er seine Augen verengte und ihm nachstarrte.   Struana seufzte verzweifelt, während Kovok wieder Gefallen an ihren Klauen gefunden hatte und vergnügt kreischend danach schnappte. Kurz hatte sie geglaubt, dass der Tag doch noch irgendwie gut werden könnte, doch inzwischen bezweifelte sie dies stark. Wenn sie irgendwann wieder zum Schlangenrücken zurückkehren sollte und dazu kam Tensho von genau dieser Situation zu erzählen, würde er ihr vermutlich niemals glauben.     *****     Gilean stieg von dem Gleiter, als die Pandarin ihm diesen abnahm und zusammenfaltete, um ihn später für jemand anderen mit den passenden Goldmünzen anbieten zu können. Sie stellte ihn zu den vielen anderen, ebenfalls zusammengefaltenen und bunten Gleitern und unterhielt sich dann mit einem Zwerg, der einen dieser Flughilfsmittel, gegen eine kleine Gebühr mieten wollte. Der graumähnige Worgen schüttelte seinen Kopf. Er, für seinen Teil, war froh wieder festen Boden unter seinen Füßen zu haben. Die Gleiter waren praktisch - darüber ließ sich nicht streiten - aber in seinen Augen waren sie unsicher. Holora streckte sich müde neben ihm, während Ace mit seinem Gleiter gerade zur Landung auf der Terrasse ansetzte.   Der ältere Druide ließ sich das Ereignis von den letzten beiden Tagen nochmals durch den Kopf gehen. Nachdem sie das Sha des Hassen in der Höhle eingesperrt hatten, waren sie zum Niuzaotempel zurückgekehrt und hatten von den Schrecken berichtet, die sie dort vorgefunden hatten. Taoshi war - verständlicherweise - nicht sehr erfreut gewesen, als er ihr berichtet hatte, warum er, Holora und Ace sich davongeschlichen hatten. Aber sie hatte später Einsicht. Ohne ihnen Fund wäre das Sha vermutlich noch größer geworden. Sie und die Shado-Pan würden versuchen, das Schlachtfeld auf einen anderen Teil zu lenken, doch sie konnte nichts versprechen. Wenn die Mantis direkt zu dem Tempel des Schwarzen Ochsen flogen, würden sie den Kampf dort austragen müssen. Dagegen hatte Gilean nicht argumentieren können, wie auch? Taoshi dachte wie eine Kriegerin und Verteidigerin, ebenso wie alle Shado-Pan.   Auf die Anfrage, ob sich die Shado-Pan mit der Mondsucht verbünden würden, wurde ausweichend geantwortet. Sie würden ihre Heimat verteidigen, sie stand an erster Stelle. Probleme mit dem Sha, hatten sie schon immer gehabt, doch bisher war es noch nie in diesem Maße aufgetreten. Erst seitdem die Schiffe der Allianz und der Horde hier auf Pandaria gestrandet waren. Außerdem könnte sie kein Wort geben, dies könnte nur ihr Meister, Taran Zhu.   Gilean grunzte, während Ace von seinem Gleiter stieg. Hass. Er fragte sich, wie viele Endformen das Sha annehmen konnte. Er kannte noch das Sha des Zorns, in den Kun-Lai Gebirgen und das Sha der Verzweiflung, welches in der Krasarangwildnis war. Sein Blick fiel wieder auf Holora, die sich an den Oberarmen kratzte. Sie wirkte unruhig, während sie die umherwandernden Völker auf der Terrasse beobachtete. Natürlich, da gab es dann noch das Sha des Zweifels, welches er mit ihr, Ryfang, Weramor und Marcina herausgefordert hatte.   »Holora?«, fragte Gilean und die Draenei hob ihren silbernen Blick zu ihm. Sie wirkte irgendwie kränklich und auch müde. Kam dies etwa von der Reise?   »Was gibt es?«, fragte sie und sah ihn freundlich an.   »Was glaubt Ihr, wie viele Mutationen des Sha es gibt?«, fragte er. Holora runzelte die Stirn und sah ihn verständnislos an. »Viele?«, fragte sie unsicher, also formulierte Gilean die Frage anders. »Ich meine von den mächtigen, wie das Sha des Hasses in der Höhle oder dem Sha des Zweifels im Tempel der Jadeschlange.«   Holora hob ihr Kinn und schloss die Augen zur Hälfte. »Hmm, gute Frage, alter Freund. Ich vermute fast, dass es ebenso viele Mutationen gibt, wie es negative Emotionen gibt. Wer weiß? Vielleicht gibt es auch noch Trübsal, Kummer und Elend? Ich denke aber auf jeden Fall, dass die Lebensformen davon besessen werden können, wie vielleicht Eitelkeit oder Eifersucht?«   »Ich stimme Holora zu.«, murmelte Ace, als er zu den beiden Schritt. »Wir können nicht mit Sicherheit sagen, wie viele es von ihnen gibt. Wir kennen nicht den Ursprung des Shas, wir sind zu wenig mit der Geschichte betraut. Aber was wir wissen ist, dass es wohl noch einige mehr sein werden.«   Gilean seufzte und nickte langsam. Wenn er ehrlich war, wusste er wirklich nicht besonders viel von der Geschichte Pandarias. Weitaus mehr als andere Mitglieder der Mondsucht, aber bei weitem noch nicht alles. »Bedauerlich, dass Eure kleine Freundin damals nicht bei der Versammlung anwesend war.«, bemerkte Ace. Gilean sah ihn fragend an und spitzte seine Ohren.   »Na, diejenige, die Euren Bericht über das Sha beim Tempel der Jadeschlange gestützt hatte und auch allgemein. Ihr habt nicht einmal ihren Namen erwähnt.«, sprach Ace um dem Worgen etwas auf die Sprünge zu helfen.   Gilean schnippte mit einem seiner Ohren und wechselte einen kurzen Blick mit Holora. »Ja, es war bedauerlich, dass sie nicht selbst kommen konnte, aber sie wollte es so. Ebenso wie sie auch nicht namentlich erwähnt werden wollte, Ace. Ihre Arbeit mit dem Sha ist etwas- ... Sagen wir es so, sie experimentiert mehr mit dem Sha als mit irgendwelchen anderen, schädlichen Substanzen. Sie wollte nicht verurteilt werden.«   Ace nickte langsam und seufzte. »Versehe. Wie sich sagte, wirklich zu schade.«   Gilean hielt seinem Blick stand, als der Hexenmeister den Augenkontakt abbrach. Er sah zu Holora. »Geht Ihr noch einmal mit mir zum Schwarzmarkt?«, fragte er fast beiläufig.   Die Draenei nickte nur matt. »Natürlich.«, murmelte sie, während sich Ace bereits umdrehte um ein weiteres Mal einen Gleiter zu mieten.   Der ältere Druide beobachtete Holora besorgt. Auch wenn sie lächelte, wirkte sie geschafft, als hätte sie sehr schlecht geschlafen. Vielleicht hatte sie ja wirklich nur schlecht geschlafen, weil sie noch in der Nähe des Shas des Hasses gewesen waren. Vielleicht würde sie später einen Zeitpunkt finden, um sich auszuruhen. »Morgen ist die Gildenversammlung. Vergesst das nicht.«, erinnerte Gilean die beiden.   Ace drehte seinen Kopf zu dem Druiden, während er bereits auf seinen Gleiter stieg. »Wir werden nicht lange unterwegs sein. Der Schwarzmarkt befindet sich sozusagen fast um die Ecke, wenn diese Berge nicht wären.«   »Keine Sorge, alter Freund.«, Holora grinste breit und zwinkerte Gilean verschmitzt zu. »Ich werde Euch noch früh genug wieder auf die Nerven fallen.«   Der Worgen grinste, wobei er seine Reißzähne entblößte und wieder mehr bedrohlich als freundlich wirkte. Er sah seinen beiden Kameraden noch nach, während die Gleiter abhoben und langsam an Höhe zunahmen.   Er musste leise seufzen, als sie hinter den Bergen aus seiner Sicht verschwunden waren. Am Schrein der Sieben Sterne war viel los, doch er war gleichzeitig nicht überfüllt. Die meisten machten sich für die Abreise bereit, oder planten eine neue Route, die Abenteuer und Beute versprechen sollte. Sie redeten über die Krasarangwildnis, und dass es bei der Herrschaftsfeste eine Explosion gegeben hatte. Gilean zuckte gleichgültig mit den Ohren und ging gemächlich in den Schrein hinein. Die ruhigen Klänge einer Lyra und einer Flöte drangen zu ihm, während er in den rechten Flügel des Schreins wanderte.   Eine Pandarin, welche ein rotes Kleid trug, fing ihn ab. »Ihr seht hungrig aus, Abenteurer. Esst Ihr auch genug? Ruht Euch doch ein wenig aus.«   Gilean schmunzelte. »Eigentlich keine schlechte Idee.«, sprach er, wobei ihn die Pandarin begeistert anlächelte.   »Dann folgt mir. Ich bringe Euch zu einem freien Tisch.«   Der Worgen folgte ihr, die Wirtin des Schreins hatte immer alle Hände voll zu tun, doch nie verlor sie ihr sanftes Lächeln oder ihre Gastfreundschaft. Sie geleitete Gilean an einen freien Tisch in einer Ecke des Flügels, der ziemlich ruhig war. Abgeschirmt wurde der Platz noch zusätzlich von Vorhängen die von der höhen Decke hinabhingen. Der Druide setzte sich, während die Wirtin die Kerze auf dem Tisch mit einem Schnippen ihrer Pfoten entzündete. Gilean hob eine Augenbraue, also musste sie eine Magierin sein.   »Kann ich Euch etwas bringen? Etwas zu Essen, vielleicht?«, fragte sie zu sah ihn weiterhin freundlich an.   Er überlegte kurz. »Hungrig bin ich nicht, danke. aber ich nehme mit Freuden einen Kirschblütentee.«   »Ein Kirschblütentee.«, sprach die Pandarin und lächelte breit. »Ihr habt einen guten Geschmack, Reisender. Ich gieße ihn für Euch auf.«   »Danke, sehr freundlich.«, entgegnete Gilean, als sie sich bereits umdrehte und hinter dem Vorhang verschwand.   Der graumähnige Worgen schloss für eine kurze Zeit seine Augen und lauschte den Melodien der Instrumente und dem Aufkommen der Völker der Allianz hinter sich. Sie berichteten von ihren Abenteuern auf Pandaria. Ein paar kamen wohl gerade aus den Mysteriengewölben von Mogushan, denn sie berichteten von unvorstellbaren Schätzen und Reichtümern, aber auch von Monstern aus Stein und Schrecken, die sie noch nie zuvor gesehen hatten. Mit einem letzten seufzten, öffnete Gilean wieder seine Augen und starrte in die Flamme der Kerze, welche vor ihm auf dem Tisch stand.   »Bedauerlich, dass Eure kleine Freundin, damals nicht bei der Versammlung anwesend war.«, kam ihm Ace in den Sinn. »Ja, wirklich bedauerlich.«, murmelte er leise vor sich hin, während er seine Klaue nach der Flamme ausstreckte und mit dieser spielte, indem er seine Klaue darüber hielt und direkt über die Flamme gleiten ließ um mit ihr zu spielen.   Es war in der Tat sehr schade, dass Marcina nicht anwesend gewesen war. Mit ihr hätte Veoran nicht noch zusätzlich, wertvolle Zeit verschwendet und sie hätten die Verseuchung am Tempel des Roten Kranichs noch früher aufdecken können. Möglicherweise wären sie jetzt auch schon mehrere Schritte weiter und würden nicht im Kreis laufen. Marcina würde wissen, wie viele endgültige Mutationen es von dem Sha gab, davon war er überzeugt. Außerdem würde sie ihren Ursprung kennen, ihre gesamte Geschichte. Das Wissen, das ihm fehlte, würde sie mitbringen, wenn sie nur hier wäre.   Gilean verengte nachdenklich seine Augen. Ob sie ihm ein weiteres Mal mit ihren Studien über das Sha helfen würde? Doch wie sollte er sie finden? Das letzte Mal, als er sie gesehen hatte, war beim Tempel der Jadeschlange gewesen. Danach hatte sie ihm ihren Bericht übergeben und seitdem war sie verschwunden. Er wusste nicht, wie er sie erreichen sollte, oder wo er mit seiner Suche beginnen sollte, jetzt, wo es immer mehr Sha Mutationen und Abnormalien auf Pandaria gab. Er konnte die Suche noch nicht einmal eingrenzen.   Die Gastwirtin kam zurück und stellte eine grobe, große Tasse vor ihm ab. Sie lächelte ihn freundlich an. »Ich dachte mir, mit diesen Pranken ist es vielleicht schwierig, feines Besteck zu halten. Ich musste an meinen großen Jungen denken. Er ist etwas ungeschickt und zerbricht das feine Porzellan sehr leicht.« Sie zwinkerte dem Worgen zu.   Gilean grinste breit, doch die Pandarin ließ sich nicht von seinen wölfischen Gesichtszügen und den dazu gehörigen Reiszähnen abschrecken - im Gegenteil - und grinste ihm ebenfalls entgegen und zeigte ihre Zähne. »Das ist sehr freundlich von Euch. Vielen Dank.«   »Nicht der Rede wert. Ich werde später noch einmal nach Euch sehen.«, erwiderte sie und drehte sich um.   »Oh, könntet Ihr mir noch einen Gefallen tun?«, fragte der Worgen und die Pandarin sah über die Schulter zu ihm zurück. »Könntet Ihr mir ein Blatt Papier, Tinte und eine Feder bringen?«   Sie überlegte kurz, dann nickte sie. »Natürlich. Ich musste nur kurz nachdenken, wo ich solche Utensilien haben könnte. Ich werde sie Euch sofort zukommen lassen.«   »Vielen Dank.«, sprach Gilean, als sie sich knapp verbeugte und sich dann wieder abwandte. Er würde sein Glück einfach versuchen und Marcina eine Nachricht schreiben, die er ihr hier hinterlegen würde. Vielleicht würde sie früher oder später hier vorbeikommen und diese finden. Gilean nahm die Tasse in seine Klaue und schnüffelte an dem Tee, ehe er einen Schluck von dem heißen Getränk nahm. Es rann seine Kehle hinab in seinen Magen und wärmte ihn von innen heraus. Der Kirschblütentee war köstlich.     *****     Die Sonne erreichte den höchsten Punkt, als Weramor und Nohlanie endlich die Stufen der Verhüllten Treppe erreichten. Zuversichtlich waren die Schritte der Nachtelfe, während sie sich nicht einmal mehr nach dem Jäger hinter sich umsah. Je leichter ihre Schritte wurden, desto unruhiger wurde Weramor. Nach wie vor zweifelte er an der Geschichte seiner Verflossenen, dass dieser so genannte Schwarze Prinz existierte. Fast erwartete er, dass sie jeden Augenblick einen flüchtigen Ausweg oder eine Ausrede suchen würde, doch diese blieb aus. Allein, dass sie immer mehr an Tempo zulegte, sodass sie schneller die Taverne erreichten, ließ ihn in seinem Zweifel schwanken. Stattdessen wuchs hingegen seine Neugierde für diesen Schwarzen Prinzen. Er wollte ein Gesicht zu diesem schwarzen Drachen wissen, der frei von jeder Verderbnis der Alten Götter sein soll. Weramor wollte wissen, wie er war.   Seine Anspannung wuchs, während sie immer höher stiegen und der Jäger glaubte fast innerlich zu explodieren. Vor Zweifel und gleichermaßen vor Wissensdurst. Doch aus einem bestimmten Grund hoffte Wermor, dass diese Unterredung auch nicht zu lange dauern würde. Morgen war die Versammlung der Mondsucht und er hatte vor, noch etwas an seinem Bericht zu feilen. Er war sehr mager und schwach, schließlich hatte er sich nur im Randgebiet der Schreckensöde aufgehalten und war nicht wirklich weit vorgedrungen. Und das, um Nohlanie zu treffen, wegen einem gemeinsames Kind, welches nicht existierte und nun um den Schwarzen Prinzen zu treffen. Wenn der Bericht zu mager war, würde die Mondsucht - verständlicherweise - daran zweifeln, dass er fünf Tage in der Schreckensöde verbracht hatte.   Nach dem Aufstieg erreichten sie das obere Ende der Stufen und der Jäger spähte über die kahlen Felsen, welche sich in den Nebeln verfingen und vor ihm halb im Verborgenen blieben. Seine Füchsin reckte ihre Schnauze in die Luft und nahm die unbekannten Gerüche in sich auf. Doch aufgrund des schweren Nebels dürfte sie nicht sehr viele Gerüche ausmachen können. Weramor war schon öfter hier vorbei gekommen, auch weil der Schwarzmarkt an der Verhüllten Treppe war. Ihm kam es fast so vor, als würde über diesem Ort eine immer währende Nebelschicht liegen. Sie kam ihm nicht gänzlich natürlich vor.   Nohlanie ging leichtfüßig auf die Taverne zu. Weramor folgte ihr, doch hielt er inne bevor er eintrat. Beide hatten kein Wort mehr gewechselt. Was ihn nun wohl erwarten würde? Er atmete tief durch, ehe er hinter Nohlanie in das Gebäude eintrat. Die Taverne war untypisch für die Pandaren einerichtet. Sehr diskret und auch irgendwie fein. Die Bänke waren mit Samtkissen bezogen und schwere Tischdecken mit eingestickten Ornamenten schmückten die zwei Tische, die an der Wand standen. Die Taverne wirkte nicht unbedingt gastfreundlich, eher dunkel und befremdlich. Der Nachtelf entdeckte zwei Frauen, welche ein und die selbe, dunkelblaue und braune Lederrüstung trugen, fast schon wie eine Uniform. Eine Orkin stand auf der linken Seite zur Treppe, die nach oben führte. Ihre schwarzen Haare waren zu einem Zopf streng nach hinten gebunden worden. Große Hauer schoben sich von ihrem Unterkiefer über die oberen Mundwinkel und verliehen ihr einen grimmigen Ausdruck. Die Menschenfrau mit markanten und stark ausgeprägten Gesichtszügen war braun gebrannt, dort wo ihre Haut unter der Rüstung zu sehen war. Ihre dunkelbraunen Haare waren ebenfalls zu einem Zopf gebunden worden. Sie flankierte die rechte Seite der Treppe. Die Blicke der beiden ruhten ruhig auf den beiden Nachtelfen, was für den Jäger zunächst nicht ungewöhnlich gewesen wäre. Schließlich war er mit Nohlanie gerade eben in die Taverne eingetreten und Neuankömmlinge wurden immer sofort in Augenschein genommen. Aber es kam ihm fast so vor, als würden die beiden Frauen ihn wirklich unentwegt anstarren und jede seiner Bewegungen mustern.   Nohlanie warf Weramor einen abschätzenden Blick über die Schulter zu. »Erinnere dich an die Geschichte, die ich dir erzählt habe.«, murmelte sie leise und ging auf die beiden Frauen zu.   Der Nachtelf folgte ihr mit einem großen Abstand. Als würde er jetzt noch an irgendetwas anderes denken, als an diese absurde Gesichte. Sie war immer noch lächerlich, doch in Anbetracht der Situation in der er sich gerade befand, siegte die Neugierde über das Misstrauen. Sein Blick ruhte vorsichtig auf der Menschenfrau, während Nohlanie stehen blieb. Sie musterte beide nacheinander, ehe sie ihren Kopf vor der Orkin neigte. »Hallo Links.« Sie wandte sich wieder an die Frau. »Rechts.« Ein leichtes, gerissenes Lächeln umspielte Nohlanies Lippen, als die beiden Frauen ihr ebenfalls zunickten. Weramor runzelte seine Stirn. Sie mussten sich also untereinander kennen.   »Ich wünsche mit dem Schwarzen Prinzen zu sprechen. Er erwartet meinen Bericht und ich seine Befehle.« Links nickte langsam, doch der Blick von Rechts ruhte nach wie vor auf Weramor, doch inzwischen hatte die Frau ihre Augen misstrauisch verengt. Unweigerlich spannte sich der Jäger an. Der Blick dieser Frau war so kalt, so schneidend, so starr, als würde sie ihn allein mit ihrem Blick einen Dolch in die Brust rammen können. Weramor fühlte sich mehr als unbehaglich.   Rechts tauschte einen kurzen Blick mit ihrer orkischen Verbündeten aus, während Nohlanie ungewöhnlich ruhig und geduldig auf etwas zu warten schien. Weramor hörte leichte Schritte vom Stockwerk über sich, doch waren das überhaupt Schritte? Die angeblichen Schritte verhallten und er glaubte lediglich noch ein leises trappeln zu hören. Ein kratzen auf Holz? War es doch nur ein kleines Tier gewesen? Der Blick des Jägers wanderte langsam nach oben, doch außer dem Geländer des Balkons konnte er nichts erkennen. Keinen Menschen oder etwas derartiges, was er den Geräuschen hätte zuordnen können.   »Es ist nicht abgesprochen, dass Ihr in Begleitung zurückkehrt, Champion.«, erklang eine raue Stimme und Weramor senkte seinen Blick wieder vor sich auf Nohlanie. Links hatte gesprochen und ihre kalten, blauen Augen funkelten die Nachtelfe herausfordernd an. Nohlanie warf einen kurzen Blick auf Weramor. »Er ist ein Freund, der für meinen Erfolg garantieren wird.« Ihr Blick ging wieder nach vorne und sah der Orkin energisch entgegen. »Er ist noch nicht gänzlich Überzeugt von der Existenz des Prinzen.«   »Ihr habt ihn eingeweiht?«, raunte die Orkin alarmiert und Rechts schüttelte ungläubig ihren Kopf. Weramor spürte, wie die Stimmung innerhalb der Taverne umschwank. Von dem anfänglichen, ruhigen betrachten könnte diese Situation jeden Augenblick eskalieren. Selbst Nymeria sträubte das Rückenfell und machte einen leichten Buckel. Doch Nohlanie blieb so ruhig wie zuvor. Sie nickte lediglich und sah Links und Rechts entgegen. Ihr Blick war entschlossen und eisern. »Ich verbürge mich für ihn. Ihr wisst, was geschehen wird.«   Links fletschte ihre Zähne, wobei ihre großen Hauer noch deutlicher zur Geltung kamen. Weramor ließ seine Hand hinter seinen Rücken gleiten und tastete vorsichtig nach einem versteckten Dolch in seinem Gürtel. Wenn die Situation eskalierte, wollte er vorbereitet sein. »Links! Rechts! Lasst meinen Champion und ihre Begleitung zu mir nach oben.«   Weramor umgriff den Dolch und sein Blick wanderte wieder nach oben. Diesmal erkannte er allerdings jemanden und er runzelte seine Stirn. Er fasste einen Jungen in seinen Blick, der auf der Rehling saß und die Beine über den Balkon baumeln ließ. Er trug edle, weiß verzierte Kleidung und eine Turban ähnliche Kopfbedeckung. Seine Haut war stark gebräunt und seine Haare pechschwarz, dort wo sie lockig unter dem Turban hervorlugten. Doch am auffälligsten waren die Augen, mit denen der Junge direkt hinab auf Weramor nach unten starrte. Sie schienen in einem roten Schein zu glühen und eine unglaubliche Stärke repräsentieren. Die Gesichtszüge des Knaben waren weich und doch überlegen. »Den Dolch würde ich Rechts geben. Sie wird ihn für Euch verwahren, ebenso wie Euren Bogen.« Der Klang seiner Stimme war überheblich und doch weich und einladend.   Weramor senkte seinen Blick wieder und erkannte, dass Nohlanie ihn wissend anlächelte. Sie hatte Recht gehabt, mit ihrer Geschichte, mit ihrem Titel. Weramor hatte bis eben noch nicht gänzlich geglaubt, bis er ihn selbst gesehen hatte. Auch wenn es nur ein kurzer Blick gewesen war, den er auf den vermeintlichen Schwarzen Prinzen erhaschen konnte. »Gib ihr deine Waffen, Weramor. Damit wir mit ihm sprechen können.«   Der Nachtelf wirkte innerlich noch immer zerrüttet. Nymeria schlich um seine Beine herum, was ihm aus seiner Starre befreite. Er zog den Dolch aus seinem Gürtel und überreichte ihn der Menschenfrau, bevor er seinen Bogen von den Schultern nahm und ihn ihr ebenfalls gab. Der Blick von Links ruhte währenddessen auf seinem Rücken. Weramor atmete ruhig und doch fühlte sich das atmen falsch an. Der Schwarze Prinz wusste seine Präsenz sehr gut zu verstecken. Deswegen hatte er vorhin auch keine Schritte mehr gehört. Wie lange war der Kataklysmus und der Niedergang Todesschwinges her? Zwei Jahre? Und während die sterblichen Völker im Glauben gelassen wurden, der schwarze Drachenschwarm sei vollständig ausgerottet worden, wuchs ein weiterer im Unbekannten heran.   Nohlanie nickte Weramor zu, ehe sie die Treppenstufen nach oben stieg. Der Nachtelf ließ seinen Blick noch einmal über Links und Rechts schweifen. Sie starrten ihn weiterhin an, doch lag nun nichts feindseliges in ihren Augen, sondern gewecktes Interesse. Er straffte seine Schultern und stieg die Stufen in das obere Stockwerk nach oben.   Das obere Stockwerk wirkte fast noch formeller, noch edler, als die Taverne im Erdgeschoss. Allein schon bei den Stufen entdeckte Weramor feine Samttücher, welche an der Decke befestigt waren und von den Wänden hinab hingen. Als er den Fuß oben absetzten sah er sich suchend um. Schnell entdeckte er Nohlanie, die sich inmitten einer Verbeugung der kal'doreiischen Art befand. Sie straffte ihre Schultern und sah auf den Knaben hinab. Weramor hätte geglaubt, dass sie geschmunzelt hätte, oder wieder ihr überlegenes Grinsen aufgesetzt hätte. Doch ihr Blick wirkte einfach nur wach, ihre Haltung war voller Erwartung und vielleicht auch ein wenig angespannt. Sie drehte sich zu Weramor um und winkte ihn mit einem Kopfnicken näher zu sich heran.   Der Junge ließ sich auf einen gepolsterten Stuhl nieder und schlug die Beine übereinander, während sein durchbohrender Blick nachdenklich auf dem Nachtelfen ruhte. Ein leichtes, überlegenes und gleichermaßen wissendes Schmunzeln umspielte seine Lippen, als hätte er etwas ganz bestimmtes vor. Etwas, was Weramor zu diesem Zeitpunkt nicht erahnen konnte und das jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Nun, da er dem Schwarzen Prinzen gegenüberstand, glaubte er zu erahnen, dass ein Vergleich mit einem Menschen einfach nur falsch war. Der Knabe verschränkte leicht seine Arme hinter dem Kopf, ehe sein Blick zu Nohlanie schwenkte. »Es überrascht mich, dass Ihr in Begleitung kommt, Nohlanie. Aber wenn sogar Ihr für ihn bürgen wollt, möchte das etwas heißen.« Weramor runzelte seine Stirn. Diese Geschichte, die ihm seine ehemalige Geliebte erzählt hatte, sie musste stimmen. Es konnte gar nicht mehr anders sein. Weshalb sonst, konnte dieser Knabe einen solchen Respekt ihr gegenüber haben, wenn er doch ein schwarzer Drache war? »Ich hoffe, ich werde nicht enttäuscht.«, endete der Schwarze Prinz und lehnte sich leicht zurück.   Die Schurkin schüttelte ihren Kopf, was ihre silbernen Haare leicht in Wallung brachte. »Das werdet Ihr gewiss nicht, mein Prinz.«, bestätigte sie und warf Weramor einen Seitenblick zu. »Weramor ist sauber. Noch dazu der beste Späher und Bogenchütze, den ich kenne.«   Der Jäger sah langsam von Nohlanie wieder zurück zu dem Schwarzen Prinzen um diesen abschätzend zu mustern, während er die Nähe seiner Füchsin um seine Beine spüren konnte. Etwas passte nicht - oder zumindest wollte es in seinem Kopf nicht zusammen passen. Wenn dies hier vor ihm ein schwarzer Drache war, der vor ungefähr zwei Jahren geschlüpft war, wie kann er schon die Gestalt eines Menschen annehmen, der eindeutig älter war? Er könnte gut in dem Alter von Anduin Wrynn sein - dem Aussehen nach zu urteilen zumindest. Und doch wirkte er, trotz des jungen Alters, als wäre er etwas Großes. Erhaben und irgendwie auch eingebildet. So wie er ihn gerade ansah, ganz gleich ob der junge Prinz vor ihm saß, wirkte es dennoch so, als würde er auf Weramor hinabsehen.   Weramor war so in Gedanken vertieft, dass er nicht bemerkt hatte, dass Nohlanie ihn die ganze Zeit über beobachtete. Sie stieß ihm unauffällig ihren Ellenbogen in die Seite und riss ihn so aus seinen Überlegungen. Der Schwarze Prinz wirkte allerdings nur amüsiert, fast so als hätte er Weramors Bedenken, die er den gesamten Weg hierher in sich getragen hatte, erahnt. »Habt Ihr ihm Eure Geschichte nicht erzählt, Nohlanie?«, fragte er grinsend. »Weramor, richtig?« Der Knabe nickte dem Jäger zu und entschlang seine Arme hinter seinem Kopf, nur um eine ausschweifende Handbewegung in die Richtung von Nohlanie zu machen. »Die Geschichte meines Champions ist wirklich erzählenswert. Wie ein Geist schlüpfte sie durch die Mauern des Rabenholdanwesens und wie ein Schatten überwältigte sie meine Wächter.«   Der Jäger rührte sich nicht, als sein Blick langsam auf Nohlanie fiel. Sie erwiederte seinen Blick ernst. »Doch, ich habe ihm meine Geschichte erzählt, mein Prinz.«, sprach sie ruhig und betont aus. Weramor verengte seine Augen, wollte sie ihn etwa herausfordern? Diese Geschichte, die sie ihm zunächst als eine Legende erzählt hatte und die sich dann als ein Teil von ihr herausstellte. Der Junge vor ihm, war der Schwarze Prinz, ein schwarzer Drache, frei den Einflüsterungen der Alten Götter. Noch immer versuchte Weramor zu verstehen, wie so etwas überhaupt möglich war.   »Ihr könnt es ruhig glauben.«, drang seidig die Stimme des Knaben zu ihm. »Ich, Furorion, bin ein schwarzer Drache und direkter Nachkomme Todesschwinges. Der letzte meiner Art, frei von jedem Einfluss der Alten und mein eigener Herr.«   Weramor verengte seine Augen. Todesschwinges Nachkomme? Ein direkter Sohn des Weltenzerstörers? Dem Aspekt des Todes? Er wusste selbst, dass der schwarze Drachenschwarm auf Azeroth komplett ausgelöscht wurde. Er selbst war gegen die Feldzüge im Schwarzfels dabei gewesen und hatte gegen die verrükten Experimente von Nefarian gekämpft und schließlich gegen ihn selbst. Und dieser Knirps sollte ebenfalls ein Sohn Todesschwinges sein? Konnte er noch mehr an diesem Tag überrascht werden? Der Jäger sah Furorion mit gehobenen Augenbrauen an und konnte seinen überraschten Gesichtsausdruck nicht verbergen. »Und was macht Ihr nun hier auf Pandaria?« Weramor konnte sich nicht helfen, aber seine Neugierde schien stetig weiter zu wachsen. Je ungläubiger die Worte waren, desto mehr schien er ihnen Glauben zu schenken. Diese ganze Situation in der er sich befand, war sehr unrealistisch.   Der Schware Prinz hob gewitzt eine Augenbraue, ehe er die Luft um sich herum tief einatmete. »Ahh...«, stieß er langsam aus. »Jetzt wird es interessant.«, sprach er ruhig und in seinen Augen funkelte leichte Begeisterung und waches Interesse für den Nachtelfen. Nohlanie schlich sich von Weramors Seite und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen den Tisch. Aufmerksam beobachtete sie die Unterhaltung aus einem überschaubaren Winkel. Furorion verschränkte die Arme locker vor seiner Brust und sah Weramor überlegen mit einem gehobenen Mundwinkel an. »Mein Vater, Todesschwinge, so verfallen er auch in seinem Wahn war, in einer Sache hatte er Recht gehabt. Unsere Welt ist... so fragil.« Furorion erhob sich mit leichtem Schwung von dem Stuhl und schritt auf den Balkon zu. Nur kurz spähte er nach unten in die Taverne - wohl um sich zu vergewissern, dass kein Besucher ihr Gespräch belauschen konnte - ehe er sich wieder zu Weramor umdrehte und sich gegen das Geländer lehnte. Der Blick des Jungen war ernst und doch weich mit einem seichten Lächeln. Drängend und auch neugierig. So, als wolle er Weramor auf die Probe stellen - oder eher gesagt, ihn herausfordern.   Weramor runzelte seine Stirn. Dieser Junge war frech und doch hatte er noch nicht auf seine Frage geantwortet, was er hier auf Pandaria verloren hatte, wo er doch ein schwarzer Drache war. Weshalb war er auf einem völlig fremden Kontinenten, der über dreitausen Jahre hinter den Nebeln verborgen geblieben war? »Wir sind ein Funken des Lichts in einem Universum des Schattens. Eine Kerze im Sturm und wir steuern auf einen Abgrund zu. Und nein.«, der Schwarze Prinz unterbrach sich selbst und er wirkte belustigt und auch überheblich. »Ich spreche nicht vom aktuellen Konflikt zwischen der Allianz und der Horde. Was Garrosh Höllschrei in Theramore getan hat, ist noch nichts, im Vergleich zu den Schrecken, die bereits in diesem Moment unsere zerbrechliche Heimat heimsuchen.«   Der Jäger lauschte gespannt, doch noch immer wirkte er sehr skeptisch. »Ihr habt meine Frage noch nicht beantwortet.«, begann er und er engte knapp seine goldenen Augen. »Und doch bin ich an Euren Worten interessiert, Furorion. Erzählt mehr von diesen Schrecken über die Ihr sprecht und was man gegen diese unternehmen kann.« Er wusste noch nicht einmal genau weshalb er mehr wissen wollte. Vielleicht war es dieses Angebot, welches Nohlanie ihm gegeben hatte. Mehr zu wissen, über das Schicksal Azeroths.   Der Schwarze Prinz lächelte schleierhaft. »Ich sehe, ich habe Eure Aufmerksamkeit. Gut.« Der Knabe stützte sich vom Geländer ab und ging langsam einige Schritte vor Weramor, während sein Blick auf das Fenster der gegenüberliegenden Seitenwand gerichtet war. »Ihr werdet bestimmt nachvollziehen, dass mir dieser Krieg große Sorgen bereitet.«, säuselte Furorion und blieb schließlich vor Nohlanie stehen. Sie hob ihren Blick zu ihm.   »Eigentlich nicht.«, sprach Weramor, was ihm einen strengen Blick von Nohlanie einbrachte und einen überheblichen des Prinzen. Machte er sich etwa über ihn lustig? »Ich verstehe nicht, weshalb sich ein schwarzer Drache Sorgen um den Krieg zwischen der Allianz und der Horde machen sollte. War es nicht Eure Spezies, die bisher alles tat, um das Misstrauen weiterhin aufrecht zu erhalten? Waren es nicht schwarze Drachen, die sich in Sturmwind eingeschmuggelt und das Feuer des Krieges noch weiter geschürrt hatten?« Der Jäger musterte die Reaktion des Schwarzen Prinzen und scheinbar verfehlten seine Worte die Wirkung auf ihn nicht. Inzwischen hatte Furorion die Augen geengt und funkelte ihn mit seinen rot glühenden Augen skeptisch an. »Habt Ihr von Onyxia gehört?«   Die Luft knisterte förmlich, doch ging dies nicht von Furorion aus, wie der Jäger erwartet hatte. Es war Nohlanie, die den Jäger mit einem feurigen Blick bedachte. Doch bevor sie etwas sagen konnte - was sie zweifelsfrei wollte - begann der Schwarze Prinz zu sprechen. »Ich habe sehr viel über meine Schwester gehört, Jäger. Sie handelte mit ihrem Taten im Auftrag unseres verdorbenen Vaters. Sie war eine starke Persönlichkeit, ihr einziger Fehler, dass sie das Denken jemand anderem überließ.« Furorions Blick war kalt. »Doch die Vergangenheit ist geschehen. Es gibt keinen Grund mehr sie aufzuwerfen und auf eine Waage zu legen, da es kein passendes Gegenstück gibt. Was meine Brüder und Schwestern getan haben, war nicht richtig und ich werde sie nicht in Schutz nehmen. Stattdessen möchte ich mich auf die Gegenwart und die Zukunft unserer Welt konzentrieren.«   Weramor hob einen Mundwinkel und neigte seinen Kopf leicht vor dem Schwarzen Prinzen. Er hatte die Herausforderung angenommen. »Ich verstehe.«, erwähnte er. »Bitte fahrt fort, Furorion.« Der Knabe engte kurz seine Augen. Scheinbar hatte er erkannt, was Weramor vorgehabt hatte und für einen kurzen Augenblick, hatte er gezögert. Vielleicht weil er die passenden Worte erst suchen musste? Die Überheblichkeit war aus dem Gesicht des Knaben gewichen. Auch wenn dies nicht der eigentliche Grund für die Fragen des Jägers war, war dies doch ein positiver Nebeneffekt.   »Ein geteiltes Azeroth hat keine Chance gegen die Dunkelheit. Deswegen muss der Krieg enden und zwar bald. Bevor er unsere Stärke verschlingt.« Der Schwarze Prinz verschränkte wieder die Arme vor seiner Brust und wieder schlich sich dieses überhebliche Lächeln auf seine Lippen. »Ihr sollt wissen, dass ich Eure Allianz in diesem Konflikt voll und ganz unterstützte. Alleine schon wegen meinem Champion.« Ein kurzer Blick über seine Schulter zu Nohlanie folgte, ehe er wieder Weramor betrachtete. Die Ruhe schien der Knabe nun auch wieder gefunden zu haben.   »Das sagte man mir bereits.«, murmelte der Jäger und spähte zu der Schurkin, die ihn immer noch ernst anblinzelte. So ernst hatte er sie selten gesehen. Doch Weramor konnte sich nicht auf sie konzentrieren. Zu groß war die Flut an Informationen, die gerade über ihn zugeschwemmt waren. Diese Legende, diese Geschichte, die sie ihm ezählt hatte. Nohlanie hatte schon einmal für den Schwarzen Prinzen gearbeitet und war - wie er selbst bestätigt hatte - sein Champion. Und er stand hier und geriet gerade selbst in diesen Strang aus merkwürdigen Ereignissen und verwickelte sich darin, obwohl er nichts besonderes gemacht hatte. Nichts besonderes geleistet hatte. Noch nicht jedenfalls.   »Das ist gut.«, er nickte langsam. »Ich werde Euch zunächst beobachten. Doch wenn Ihr Euch beweisen könnt, dann werde ich Euch mit allem ausstatten, das Ihr benötigen werdet, um Eure Aufträge auszuführen.« Der Blick des Schwarzen Prinzen bohrte sich durch Weramor. Wieder jagte ihm dieser Blick einen Schauer über den Rücken, doch Furorion drehte sich zu seiner Erleichterung zu Nohlanie und musterte sie abwartend. »Dann könnt Ihr mir nun bestimmt mehr von dem Krieg in der Krasarangwildnis berichten, Nohlanie.«   Die Nachtelfe wischte sich mit einer Hand einige silbernen Strähnen aus dem Gesicht und klemmte sie sich hinter das Ohr. »Die Arbeiten der Allianz und der Horde schreiten voran. Wir konnten die Herrschaftsfeste sabotieren, sodass sie mehrere Tage mit dessen Errichtung zurückgeworfen werden. Die Löwenlandung wird demnächst vollständig errichtet sein und die Angriffe werden vermtlich von der Flotte der Himmelsfeuer geleitet.«   »Ausgezeichnet.«, sprach der Schwarze Prinz mit einem sehr zufriedenen Gesichtsausdruck und ging einige Schritte durch den Raum. Vermutlich um seine Gedanken zu sortieren. Der Drache schien in diesem Konflikt die Fäden in den Händen zu halten, dies erkannte Weramor nun. Und das nur dank Nohlanie und vermutlich auch bald ihm. Möglicherweise wusste Furorion, wie sie als nächstes vorgehen sollten. »Garrosh Höllschrei treibt die Horde geradewegs in den Kampf, aber König Varian Wrynn kann ich nicht so leicht durchschauen.«, murmelte er leise und kratzte sich gedankenverloren am Kinn.   »Anduin Wrynn ist zur Löwenlandung zurückgekehrt.«, warf Nohlanie ein und riss so den jungen Prinzen aus seinen Gedanken. Er betrachtete sie mit einer gehobenen Augenbraue. »Ist dem so?« Auch Weramor nickte. Doch er musste sich fragen, weshalb diese Information Furorion interessierte. »Dann ist der kleine Löwe zum Wolf zurückgekehrt. Auch gut.«, murmelte er und schüttelte kurz darauf seinen Kopf leicht. War das Bedauern? Weramor musterte das Verhalten des Schwarzen Prinzen teilweise skeptisch, teilweise verwundert.   »Tong! Etwas zu essen, bitte! « , rief Furorion von dem Balkon hinunter und wandte sich wieder Weramor und Nohlanie zu. Er begann wieder auf und ab zu gehen, während der Jäger ihn gespannt beobachtete. »Der Hochkönig, Varian Wrynn...« Er hielt in seinen Schritten inne und hob seinen Kopf. Wieder war da dieses überlegene Lächeln in seinem Gesicht. »Wusstet Ihr, dass er einst ein Gladiator war?«, fragte er und sah dabei Weramor in die Augen. Der Nachtelf schüttelte seinen Kopf, wobei seine blauen Haare mitwippten.   Furorion schmunzelte erneut belustigt und erzählte weiter. »Er verlor sein Gedächnis und kämpfte in Arenen der Horde um sein Leben. Dort bekam er den Namen 'Lo'Gosh' oder 'Geisterwolf'. Er ist ein Kämpfer, das steht außer Frage, aber, ist er auch ein Anführer?« Der Nachtelf beobachtete den Jungen aufmerksam, doch erwiderte er nichts darauf hin. Er entschied sich dafür zunächst abzuwarten und zu lauschen. Wrathion schien die Taktik von Weramor zu erkennen und fuhr fort: »Ich frage Euch nun folgendes, Weramor. Wrynn folgt seinen Prinzipien, aber können Prinzipien einen Krieg gewinnen?« Weramor ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen. König Varian Wrynn war gewiss ein besserer Anführer, als Garrosh, aber war er stark genug um gegen den kriegerischen Ork zu bestehen? Er war sich nicht sicher und wusste nicht, ob er sich diesbezüglich ein Urteil bilden wollte. Sein Blick war weiterhin starr auf Furorion gerichtet, welcher lediglich grinste, als kenne er seine Gedanken.   »Wir werden sehen, ob die Allianz das Zeug dazu hat, Azeroth zu beherrschen.«, schloss der Schwarze Prinz seinen Gedanken.   »Beherrschen?«, fragte Weramor und schmälte seine Augen. Aufmerksam ruhte sein Blick auf dem jungen Prinzen, doch dieser erwiderte seinen Blick nur gelassen. »Natürlich. Wie ich bereits sagte, ein geteiltes Azeroth kann nicht gegen die Schrecken bestehen, die auf unsere Welt zurasen.«   »Es wird nur noch eine Flagge geben unter dem die Völker gemeinsam kämpfen werden. Und das wird die Allianz sein.«, schloss Nohlanie und stand von ihrem Stuhl auf. Sie warf Weramor einen abschätzenden Blick zu, ehe sie diesen auf Furorion legte. »Wir müssen bald aufbrechen, mein Prinz. Wir wurden von Admiral Taylor beauftragt einen Agenten der SI:7 in Sturmwind ausfindig zu machen.«   Furorion wirkte kurz abgelenkt, ehe er nickte. »Gut. Ich sehe ihr seid bereits dabei die Gunst des Königs zu erhalten.« Gewitzt sah er die beiden Nachtelfen nacheinander an. »Viel Erfolg bei Euren Missionen. Ein guter Ruf kann uns bei dem weiteren Vorgehen zugute kommen.« Der Schwarze Prinz schmunzelte wieder überheblich und setzte sich zurück auf seinen Stuhl, als Nohlanie dem Jäger engegen kam. »Komm mit.«; murmelte sie ihm zu und ging an ihm vorbei, die Treppen hinab.   Weramor sah noch einmal fasziniert zu dem jungen Drachen, der in seiner menschlichen Form vor sich hin schmunzelte und überlegen seine Gedanken zurechtrückte. Danach drehte er sich um und gab Nymeria ein Zeichen ihm zu folgen, ehe er Nohlanie folgte und die Treppen hinunterstieg. Links und Rechts sahen ihn noch immer misstrauisch an, doch er ignorierte ihre Blicke, während Rechts ihm kommentarlos seinen Bogen und den Dolch entgegenhielt. Er verstaute den Dolch wieder in seinen Gürtel und schulterte seinen Bogen, ehe er an ihnen vorbei ging und der Nachtelfe nach draußen folgte.   Nohlanie nahm gerade einen tiefen Atemzug und sah über die Schulter zu Weramor zurück. Sie stand am Geländer vor den Treppenstufen, was wie ein kleiner Balkon wirkte. »Jetzt weißt du Bescheid.«, sprach sie und rang sich ein Lächeln ab. Der Jäger ging an ihre Seite und starrte hinaus in die dichten Nebel, welche um der Taverne lagen. »Stimmt, ich hatte es jedoch nicht erwartet.«, murmelte er und warf Nohlanie einen Seitenblick zu.   Sie erwiderte seinen Blick ernst. »Ich bin sein Champion, Weramor. Vielleicht musste ich dich deswegen damals verlassen. Ich war rastlos und musste meinen Weg finden. Alles was ich in der Zeit getan hatte, hat mich zu diesem Punkt geführt, an dem ich jetzt stehe.« Nohlanie hielt kurz inne, ehe sie wieder geradeaus sah. »Es ist nicht so, dass ich dich betrogen habe.«   Weramor atmete seufzend aus und schloss seine Augen für einen kurzen Augenblick. Als Nohlanie ihn damals verlassen hatte, war eine Welt für ihn zusammengebrochen. Ohne ein weiteres Wort war sie verschwunden, von einem auf den anderen Tag. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte er bemerkt, dass sie in den letzten Wochen ihrer Beziehung merkwürdig gewesen war. Angespannt und oft mürrisch. Möglicherweise war es wirklich der Grund, weil sie für etwas anderes bestimmt gewesen war. Doch was war mit dem hier und jetzt?   Wenn Furorion die Allianz wirklich unterstützte, dann hätten sie einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Horde. Was konnte es sein, das der Schwarze Prinz gesehen hatte, dass die Völker vereint werden mussten? Dass es kein geteiltes Azeroth mehr geben sollte? Weramor schüttelte seinen Kopf. »Wenn Furorion die Allianz unterstützt, werde ich dir helfen und für ihn arbeiten, Nohlanie.« Die Nachtelfe sah zu ihm auf. »Schließlich ist es das, worum du mich gebeten hattest, oder?«   Er zwinkerte ihr zu und die Schurkin blinzelte ein paar Mal verlegen. »Ich danke dir. Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann, Weramor.«   Der Jäger winkte ab. »Nichts desto trotz habe ich noch einen Bericht abzuliefern. Die Gildenversammlung der Mondsucht ist morgen. Ich schätze, wir werden uns in zwei Tagen wieder sehen.«   Nohlanie nickte langsam und behielt ihn im Auge. »Dann werde ich Agent Connolly in Sturmwind ausfindig machen.«   Weramor stimmte nickend zu. »Du bist ohnehin geübter darin, in einer stinkenden Bar voller Trunkenbolde einen speziellen Trunkenbold, der nur so tut als ob er ein Trunkenbold wäre, ausfindig zu machen.« Er grinste. »Ich wäre da nur ein Klotz am Bein.«   Die Nachtelfe hob eine ihrer Augenbrauen und funkelte ihn amüsiert an. »Natürlich... Aber du wirst dich bald entscheiden müssen.«, murmelte sie.   »Wozu entscheiden?«, fragte Weramor und hielt inne.   »Für was brauchst du die Mondsucht, wenn du die Gunst eines schwarzen Drachen, dem letzten seiner Art genießen kannst? Du hast ihn gesehen, Weramor. Du musst auch seine Präsenz gespürt haben. Du weißt wie mächtig er wirklich ist, hinter seiner menschlichen Fassade.« Nohlanie sah ihn drängend mit ihren silbernen Augen an. »Du solltest dich für das richtige Entscheiden.«   Weramor sah Nohlanie nachdenklich an. Er überlegte und drehte auch seinen Kopf weg von ihr um wieder in den dichten Nebel zu spähen. Konnte er der Mondsucht in den Rücken fallen? Seine Freunde verlassen und sich selbst überlassen? Er musste zugeben, dass seine derzeitige Loyalität zu wünschen übrig ließ, aber-   »Nohlanie?«, fragte die Orkin - Links - und blieb im Türrahmen der Taverne stehen. Ihr Blick fiel auf die beiden Nachtelfen und sie gab ein tiefes Grunzen von sich. «Der Schwarze Prinz möchte Euch noch einmal sehen.«   Die Nachtelfe richtete sich auf und nickte. »Natürlich, ich komme.«, sprach sie und sah Weramor noch ein letztes Mal eindringlich an. »Ich hoffe, dass ich nicht umsonst für dich gebürgt habe. Wir sehen uns in zwei Tagen wieder hier.«, murmelte sie ihm zu, ehe sie an ihm vorbei in die Taverne ging.   Der Jäger seufzte und sah zu seiner Füchsin hinab. Er hatte sich sein Treffen mit Nohlanie ganz anders vorgestellt. Jetzt sah es so aus, als würde sich doch alles für ihn verändern. »Eine Entscheidung, hm?«, murmelte er vor sich hin, als er sich vom Geländer abstützte und die Treppen der Taverne hinunterstieg.   Wollte er sich denn überhaupt entscheiden? Er musste an Gilean und Holora denken. An ihr letztes 'Abenteuer', welches sie im Tempel der Jadeschlange hinter sich gebracht hatten. An den Zusammenhalt, den sie hatten, während sie gegen die Schergen des Sha gekämpft hatten. Wie sie auf Pandaria angekommen waren und dieses noch neue und unbekannte Land erforscht hatten. An die nächtlichen Runden bei Lagerfeuer und einem guten Tropfen Wein und Met. Das Vertrauen, welches er den beiden entgegen gebracht hatte, hatten sie ihm ebenso zurückgegeben. Der Spaß und die Freude, welche sie miteinander geteilt hatten.   Doch alles hatte sich verändert, als sie beschlossen hatten, sich dem Problem auf Pandaria zu widmen. In letzter Zeit hatte er sich häufig mit Holora gestritten. Es war nichts neues, dass sie andere Meinungen hatten, aber noch nie hatte er befürchtet, sie als Freundin zu verlieren. Doch dies hatte sich inzwischen geändert und er wusste noch nicht einmal genau warum. Warum konnten sie nicht wieder so sorglos herumalbern, wie noch vor drei Monaten?   In Gedanken versunken schlug Weramor die Richtung zu dem Flugmeister ein. Er musste jetzt erst einmal noch an seinem Bericht arbeiten. Vorausgesetzt er fand etwas Zeit und die Ruhe dafür seinen Kopf von all dem zu befreien, was er gerade erfahren hatte.     *****     Holora blinzelte ungläubig, über das, was sie gerade beobachtet hatte. Sie wollte ihren Augen einfach nicht trauen und redete sich ein, dass es ein Zufall gewesen war. Eine komische Verwechslung, oder ein Streich ihrer Fantasien, was auf ihren derzeitigen Zustand zurückzuführen war, doch, es war Wirklichkeit. Weramor stieg gerade auf einen Gleiter, nahm seine Füchsin auf den Arm und hob gemeinsam mit ihr in die Luft ab. Was machte er denn hier? Warum war er ausgerechnet hier und nicht in der Schreckensöde? Und wer beim Licht war diese ominöse Nachtelfe gewesen?   Weil ihr schwindlig wurde, war sie aus dem Auktionshaus des Schwarzmarktes rausgegangen um etwas frische Luft zu schnappen. Aus Zufall, weil sie sich die Beine etwas vertreten wollte, war sie um das Gebäude geschlendert, während Ace die restlichen Kräuter und Zutaten ersteigerte, die für ihren Trank notwendig waren. Und dann hatte sie Weramor entdeckt, während er über die Brüstung gelehnt von der Nachtelfe abgelenkt war. Schnell hatte sie sich hinter den Büschen geduckt und hatte diese schnelle Reaktion sofort mit einem leichten Stoßschmerz in ihren Rippen gebüßt, was sie aufkeuchen ließ. Doch sie hatte sich zusammengerissen und ihre Atmung schnell wieder unter Kontrolle gebracht, während Weramor durch die Nebel direkt in ihre Richtung gesehen hatte. Die Schamanin hatte die beiden beobachtet, während sie sich miteinander unterhielten. Scheinbar hatten beide die Draenei nicht bemerkt, ansonsten hätte Weramor sie doch angesprochen, oder?   Die Schamanin verzog ihr Gesicht zu einer leicht genervten Grimasse. Sie war sich nicht einmal mehr deswegen sicher. Vielleicht hätte er sie angesprochen, wenn es ihm nervend aufgefallen wäre, vielleicht aber auch nicht. Dieser sture Nachtelf hatte es ja inzwischen zu seiner Lebensaufgabe gemacht, sie zu ignorieren, oder sie mit spitzen Bemerkungen von sich zu stoßen. Blöder Idiot. Holora seufzte sehr leise. Sie hatte geglaubt, sie wären Freunde. Doch noch nicht einmal mehr deswegen war sie sich sicher. Nicht seitdem sich Weramor immer mehr zurückgezogen hatte und wegen jeder Kleinigkeit unausstehlich wurde.   Sie hatte geglaubt - oder vielmehr gehofft  dass er nicht nur ihr gegenüber so war, sondern, dass es nur eine Phase war, die irgendwann vorübergehen würde. Doch er hatte sich hier, auf der Verhüllten Treppe mit dieser Nachtelfe getroffen. Weshalb? Wer war sie wohl? Sie schienen merkwürdig vertraut miteinander zu sein. Ob er mit ihr über seine Probleme gesprochen hatte, die er wohl irgendwie haben musste? Warum konnte er nicht mit ihr darüber sprechen?   Doch das, was die Draenei am meisten ins Grübeln brachte, war die Tatsache, dass sie Weramor hier gesehen hatte. Sollte er nicht eigentlich in der Schreckensöde sein? Die Schreckensöde war riesig und sehr gefährlich. Holora glaubte nicht, dass er dieses Gebiet bereits in nur vier Tagen komplett ausgekundschaftet hatte. Die Draenei biss sich gedankenverloren auf die Unterlippe. Wieso also-   »Da bist du ja!«, riss Ace sie aus ihren Gedanken und sie zuckte zusammen. Die Schamanin drehte ihren Kopf und blinzelte den Hexenmeister überrascht an. »Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, weil du nicht mehr zurück gekommen bist.« Der skeptische, von Felmagie getränkte Blick des Mannes sah an Holora herab. »Warum genau sitzt du in einem Busch?«   Die Draenei neigte ihren Kopf zur Seite und musterte zunächst Ace, dann spähte sie zu der Taverne zurück. Doch die Nachtelfe war nicht wieder herausgetreten. Langsam wanderte ihr Blick wieder zu dem Mann, der nun nur noch skeptischer aussah. Holora rang sich ein Lächeln ab. »Ist doch gemütlich hier.«, sprach sie scherzend und richtete sich wieder auf die Beine, was mehr Zeit und Anstrengung in Anspruch nahm, als sie selbst gedacht hätte. Ace beobachtete sie ruhig und geduldig dabei, machte aber keine Anstalten ihr zu helfen. »Bist du wieder hingefallen?«   Holora wandte sich dem Hexer zu, als sie wieder auf ihren Beinen stand. Ihr silberner Blick war trüb, selbst ihre blaue Haut wirkte blass. Sie könnte Ace sagen, dass sie Weramor gesehen hatte, doch würde sie ihm somit in den Rücken fallen? Irgendwie hätte Ace die Wahrheit verdient, doch andererseits fühlte es sich falsch gegenüber ihrer Freundschaft mit Weramor - ob sie nun noch bestand oder nicht - an. Sie nickte müde und der Mann seufzte resigniert. »Hier.«, murmelte er und überreichte Holora eine Phiole in der eine grünlich, schimmernde Flüssigkeit schwappte. »Einen konnte ich bereits fertigstellen. Für weitere werde ich mehr Zeit und einen ruhigeren Ort in Anspruch nehmen müssen.«   »Der wird fürs erste genügen.«, murmelte Holora ernst und nahm fast gierig den Trank entgegen. Sie betrachtete die Flüssigkeit, während sie die Phiole langsam schwenkte. Sie wirkte fast traurig und sehr weit weg, als sie die Phiole langsam entkorkte.   »Wie lange möchtest du das Geheimnis noch für dich behalten?«, fragte Ace mit einem argwöhnischen Unterton und verschränkte dabei seine Arme ineinander. »Du wirst es nicht für den Rest unseres Aufenthalts in Pandaria schaffen, wenn du dich nicht behandeln lässt. Zumal wir noch nicht einmal wissen, wie lange wir hier noch sein werden. Hast du dich schon einmal im Spiegel betrachtet? Es grenzt schon an ein Wunder, dass Gilean noch nicht nachgefragt hat, was mit dir los ist. Schließlich ist er dein bester Freund.«   »Das weiß ich selbst.«, raunte Holora und schürzte ihre Lippen, sodass ihre Fangzähne kurz unter der Oberlippe hervorblitzten. Sie wusste, wie sie aussah. Ihre Haare waren vermutlich eine Katasrophe, davon abgesehen, dass sie glanzlos und matt wirkten. Ihre Augen verloren allmählich den silbernen Glanz und ihre Haut sah fahl und leblos aus. Es war ein Prozess, den Holora bereits kannte. »Es gefällt mir ja selbst nicht, ihn anzulügen. Aber ich werde es für mich behalten, solange ich kann um unsere Mission nicht zu gefährden.«   »Unglaublich.«, raunte Ace und schüttelte seinen Kopf, während die Draenei die Phiole in einem Zug austrank. Sie schüttelte sich kurz darauf und unterdrückte einen Hustenreiz, ehe sie sich einige Tränen aus den Augen blinzelte. Mit ihrer freien Hand löste sie ihre Kettenstulpe, wobei die Haut ihrer Unterarme sichtbar wurde. Giftgrüne, hell leuchtende, rituelle Muster, welche in ihrer blauen Haut eingebrannt waren, wurden sichtbar. Doch der Schimmer verfing sich langsam und verblasste allmählich. Das Grün wurde zunächst zu einem Türkis und schließlich färbte es sich in ein dunkles Blau und hörte gänzlich auf zu leuchten. Das Narbengewebe mit dem Muster wirkte wieder vollends normal und ruhend, ohne den Einfluss von Dämonischen Mächten. Die Schamanin seufzte erleichtert, während sie ihre Stulpe wieder hochzog und mit einem Lederriemen befestigte.   »Du weißt, dass der Trank keine Lösung für die Dauer ist, Holora. Und selbst die Wirkung des Trankes zeigt bereits Schwächen, weil du ihn schon so oft getrunken hast. Früher oder später wirst du etwas dagegen unternehmen müssen und besser du tust es früh genug. Ansonsten gefährdest du wirklich diese Mission.« In den Worten von Ace schwang eine Warnung und gleichzeitig eine Drohung mit. Die Schamanin betrachtete den Hexenmeister aus zusammengekniffenen Augen und ihr entfuhr Luft aus den Lippen. »Das weiß ich selbst, oder denkst du, ich bin komplett bescheuert? Ich wäre schon lange zur Exodar gereist wenn meine Verpflichtungen mich nicht hier komplett einspannen würden.«, fauchte sie wütend. »Außerdem musst du nicht so leicht daher reden, Mister Hexenmeister! Schließlich bist du selbst von diesem Fluch betroffen!«   Der 'Mister Hexenmeister' rührte sich für einige Zeit nicht und Holora glaubte schon, sie hätte ihn endlich zum Schweigen gebracht und sie wandte sich von ihm ab. Die Entdeckung seiner Felrunen hatte sie erst kürzlich in der Höhle gemacht, als er noch unter dem Einfluss des Sha des Hasses stand. Damals hatte sie ihn nicht darauf angesprochen, denn sie hatten noch Gilean finden müssen. Aber dass sie ihn nun in dieser Verbindung darauf ansprach war vielleicht doch nicht ganz fair von ihr gewesen.   Ohne Vorwarnung packte Ace ihre Schulter und riss sie zu sich herum. Holora war auf diese Kraft, die der Mann aufbrachte nicht gefasst - vielleicht lag es aber auch einfach noch an den Nachwirkungen ihres Zustandes. Ace zog sich mit der freien Hand den Schal nach unten. Er entblößte einen Teil seiner Runen, die in filigranen Zügen auf seiner Haut um den Hals und den Unterkiefer grün leuchteten. Sein Gesicht war eine ernste Grimasse und er funkelte sie mit zusammengekniffenen Augen an. »Das sind völlig andere Runen, als deine, Holora. Ich habe sie angenommen, weil sie meine Macht, Magie aus dem Nether zu ziehen steigern. Vielleicht habe ich in deinen Augen das falsche getan, doch dies ist ein Weg, den ich gewählt habe!« Seine Worte wurden zu einem leisen Zischen, während er fortfuhr. »Dir hingegen, wurden sie aufgezwungen. Sie geben dir keine Kraft, keine Macht. Sie wurden in dein Fleisch gezeichnet um dich zu schwächen, um dich unter Verschluss zu halten, dass du nicht fliehen kannst. Dachtest du ich wäre so närrisch, das nicht zu erkennen?«   Er ließ Holora los, sein Blick jedoch, brannte sich weiter in sie hinein. Die Schamanin wirkte einerseits unglaublich gefasst, andererseits schockiert. Diese Informationen, die Ace gerade über ihre Vergangenheit offen gelegt hatte, hatte sie niemanden der Mondsucht preis gegeben. Es war etwas worüber sie nie sprach. Bisher, hatte es auch nie einen Anlass dazu gegeben. Der Hexenmeister hatte ihr aus freien Stücken mit den Tränken geholfen, die dämonischen Energien, die von den Runen ihrer Narben ausgingen zu neutralisieren. Er hatte nie danach gefragt, wie sie zu diesen Narben gekommen war, doch wusste er über sie bescheid. Ace richtete seinen Schal langsam wieder zurecht und unterbrach so den Blickkontakt für einen Moment. Die Draenei war über seine Erkenntnis noch immer leicht geschockt. Wie war er dahinter gekommen? Waren es die Runen und die damit verbundene, dämonische Energie? War es die Form der Narben und wie sie in ihre Haut gezeichnet worden waren?   Als Holora noch jung war und der Tempel von Karabor von den Orks überfallen und geplündert wurde, wurde sie Opfer dieses kranken 'Experimentes'. Damit sie nicht fliehen konnte, hatten die Hexenmeister auf ihrer Haut dieses Runen gezeichnet. Ace hatte den Grund genau erkannt - um sie unter Verschluss zu halten. Der Einfluss der Runen ließen ihren Körper kraftlos werden und ihren Willen zerfallen. Doch dank einiger tapferer Draenei, die sie nicht aufgaben und zurückließen, konnte sie aus dem Alptraum entkommen. Holora bekam Hilfe von ihrem Volk, welche die rituellen Formeln mit bestimmten Tätowierungen auf ihrem Körper bannten. Besagte Tätowierungen befanden sich an ihren Oberschenkeln, eine Stelle, die sie nie in Gesellschaft entblößte. Eine sehr lange Zeit hatte sie seitdem keine Probleme mehr mit den alten Runen gehabt. Sie waren lediglich hässliche Narben die sie als eine ehemalige Gefangene zeichneten.   Die Schamanin fühlte sich unwohl, während die Augen des Hexers wieder auf sie gerichtet waren. »Ich wollte dir keinen Schmerz bereiten, Holora. Wie bisher werde ich dein Geheimnis wahren und niemanden etwas darüber erzählen. Es liegt an dir, es ihm zu offenbaren, oder für immer in deinem Herzen zu verschließen.« Holora richtete ihren silbernen Blick auf Ace. In ihren Augen spiegelten sich eine tiefe Trauer und eine helle Dankbarkeit. »Aber du musst dich untersuchen lassen. Diese Kräfte werden dich zerstören, wenn du es nicht tust.« Sein Blick war wieder ernst und seine Stimme hinterließ einen bitteren Nachgeschmack in Holora. »Sagtest du nicht einmal, dass dieser 'Fluch' für immer gebannt worden war?«   Holora schluckte und befeuchtete ihre Lippen mit der Zunge. Noch immer gerührt von der Sorge, welche er ihr entgegenbrachte um ihr zu helfen. Niemals in ihrem Leben hätte sie gedacht, dass es einmal nützlich sein würde einen Hexenmeister zu kennen, doch schon seit geraumer Zeit konnte sie einen davon sogar zu ihren Freunden zählen. »Ja, das ist er eigentlich auch.«, murmelte Holora und schüttelte langsam ihren Kopf, da ihre Stimme noch immer sehr dünn klang. »Jahrzehnte lang hat er mir keine Probleme bereitet. Ich weiß auch nicht, was genau los ist, dass er jetzt wieder ausbricht.« Sie seufzte leise. Ja, sie musste deswegen wirklich etwas unternehmen, doch im Augenblick hatte sie einfach keine Zeit dafür. Sie war unentbehrlich, sie konnte nicht einfach für einige Tage oder auch für einige Wochen verschwinden und zur Exodar gehen, auch wenn sie es für Ace liebend gern getan hätte - und sei es nur, damit er etwas beruhigter war. Die Draenei wusste, dass sie mit ihrem Leben spielte, wenn sie es nicht untersuchen lassen würde.   Merkwürdigerweise wurde sie erst, seitdem sie bereits zwei Monate auf Pandaria gewesen war, wieder mit dieser Last konfrontiert. Zunächst hatte sie den Zustand nicht erkannt. Als sie wusste, worum es sich handelte und sie schon fast in eine Art Lethargie gefallen war, hatte sie Ace notdürftig eingeweiht und ihn angefleht ihr zu helfen. Der Hexenmeister hatte ihr ohne zu zögern geholfen, als er die Dringlichkeit erkannte und ihr über die Zeit mit Tränken geholfen, welche die dämonische Energie neutralisieren sollten. Doch es war wie er sagte und die Wirkung des Trankes entfaltete sich nicht mehr komplett. Fast so, als hätte sie eine gewisse Immunität entwickelt.   »Ich werde mir etwas einfallen lassen, wenn ich die Zeit dazu finde.«, sprach Holora schließlich ruhig. »Vielleicht habe ich in der Krasarangwildnis Glück.« Ace funkelte sie erstaunt und besorgt an, also erklärte sie weiter: »In der Löwenlandung wird es bestimmt auch Angehörige meines Volkes geben. Möglicherweise sogar Anachoreten, die sich mit diesen Bannsprüchen auskennen.«   »Gut.«, stimmte Ace nach einem kurzen Kopfnicken schließlich zu. Allerdings wirkte er nicht unbedingt zuversichtlich auf die Aussicht, dass sich Holora in Kriegsgebiet begeben würde. »Ich hoffe, du hältst dein Wort und lässt dich nicht ablenken. Dass ist wichtig sogar wichtiger als die Jagd nach dem Sha.«   Holora seufzte leise. »Ich weiß...«, murmelte sie ohne weitere Wiederworte und blickte dann zu Ace auf. »Ich brauche trotzdem noch ein paar Tränke.«   Der Hexenmeister unterbrach den Augenkontakt zu ihr und nickte. »Gut, ich werde dir einen Vorrat brauen. Aber du musst das untersuchen lassen!«   »Mache ich.«, erwiderte Holora. Damit gab sich der Mann dann wohl auch endlich zufrieden und wandte sich ab. »Ich werde noch ein paar Kräuter kaufen.«, murmelte er vor sich hin und ging zurück zu dem Auktionshaus des Schwarzmarktes. Er sah noch einmal über die Schulter zu Holora zurück, ehe er den Kopf schüttelte, weiterging und leise »Sture Henne« in seinen Bart murmelte.   Die Draenei blieb zurück und starrte auf die leere Phiole in ihrer Hand. Gedankenverloren dachte sie an die Zeit in Karabor zurück. Nein, sie würde nicht überwältigt werden. Sie würde das nicht zulassen. Ace hatte recht, dies war viel wichtiger als das Sha. Der Fluch hatte so lange ruhig in ihr geschlummert, dass sie sogar geglaubt hatte, er wäre komplett weg. Warum brach er ausgerechnet jetzt wieder aus? Holora seufzte und schüttelte ihren Kopf. Es gab andere Sachen, auf die sie sich konzentrieren musste. Nach der Gildenversammlung würde sie vielleicht Zeit finden, um in die Krasarangwildnis zu reisen. Aber vorher musste sie unbedingt noch das Gespräch mit Weramor suchen.     *****     »Wie viel kann so ein kleiner Kunchong eigentlich fressen?«, fragte Struana zweifelnd, während sie auf Kovok starrte. Er zog scheinbar das letzte Stückchen Fleisch aus dem Panzer der ehemaligen Drachenschildkröte und verschlang dieses, ehe er mit seinen sichelartigen Klauen begann an der Innenseite des Panzers noch ein paar Reste abzuschaben.   »Das müsst Ihr nicht mich fragen.«, krächzte Kil'ruk übelgelaunt. »Ich bin nicht der Kunchongflüsterer.«   Die Worgen seufzte. Sie konnte nicht glauben, dass dieser kleine Käfer wirklich fast eine ganze Drachenschildkröte gefressen hatte - alleine! Inzwischen bereute sie es Kil'ruk zugestimmt zu haben, dass er sich selbst auch ein Stück des Fleisches genehmigen konnte, während sie selbst auch etwas über einem mageren Feuer gebraten hatte. Doch ansonsten wäre der Windschnitter nur noch unausstehlicher gewesen, als er ohnehin schon war. Kovok sah so aus, als würde er noch einmal eine ganzen Drachenschildkröte verspeisen wollen.   Struana seufzte noch einmal hörbar, während Kil'ruk ungefähr einen Meter über ihr flog. Sie war mit Kovok zu dem Ufer zurück gekehrt, in der Hoffnung, sich ausruhen zu können, während der Windschnitter eine Schildkröte erlegt und schließlich hierher gebracht hatte. Wirklich ausruhen hatte sie sich allerdings nicht können. Kovok hatte permanent versucht nach ihren Zehen zu schnappen, weswegen sie mehr damit beschäftigt war, nicht selbst auf der Speisekarte des gefräßigen Kunchongs zu landen, bis der Ärenkrieger mit der Beute zurückgekehrt war. Außerdem durfte sie sich seit seiner Rückkehr mit Kil'ruks niederschmetternder, schlechter Stimmung herumschlagen. Er war nicht einfach nur 'nicht erfreut' darüber, dass Kaz'tik ihn mit ihr alleine gelassen hatte und er obendrein noch auf sie aufpassen musste, das war eine blanke Untertreibung. Der Windschnitter war über die Maße angespannt, zischte sie bei nahezu jeder Gelegenheit gereizt an, wenn er Struana nicht gerade anblaffte oder krampfhaft ignorierte.   Der Tag hatte unglaublich ereignisreich und auch erfolgreich für sie begonnen und er schien nun kein Ende mehr nehmen zu wollen in Anbetracht der Tatsache, wie schnell er eine Wendung angenommen hatte. Der Schnitt, welchen Ta'yak in ihre Seite gerissen hatte, blutete nicht mehr und Schmerzen empfand Struana ohnehin keine. Also war diesbezüglich im Moment alles in Ordnung. Sie sollte die Wunde nur regelmäßig prüfen. Kil'ruk landete plötzlich neben ihr und kauerte sich mit angelegten Flügeln auf den Boden. Sie zuckte mit ihren Ohren und beobachtete ihn aus den Augenwinkeln, während sie weiterhin an ihrer lümmelnden Haltung - das Kinn auf ihren Pranken stützend - festhielt. Er sah ungeduldig auf Kovok herab. Außerdem wirkte er nach wie vor gereizt, vermutlich auch, weil der Manipulator ihn so zum Narren gehalten hatte. Also hatten die fast fünf Stunden die dazwischen lagen nicht ausgereicht um ihn wenigstens etwas zu beruhigen. Tse, als würde sich Kil'ru um sie sorgen. Vermutlich hätte es ihm nichts ausgemacht, wenn Kovok in der Zwischenzeit ihre Beine angeknabbert hätte. Wenn sie so darüber nachdachte - natürlich hätte er dies sogar noch begrüßt! Dann hätte sie immerhin nicht mehr auf eigene Faust etwas unternehmen können.   Kovok kreischte leise auf und rannte plötzlich auf Struana zu. In seinem Maul lag ein kleines Stück Fleisch, welches er noch erfolgreich aus dem Panzer der Drachenschildkröte gekratzt hatte. Die Worgen zog ihre Beine zurück, doch der Kunchong schien das zu ignorieren und ging an ihre Seite. Mit fast funkelnden Augen sah er sie erwartungsvoll an, während er ihr das Stückchen Fleisch auf ihren Schoß fallen ließ.   Kil'ruk zischte angespannt - und vielleicht auch etwas vor Ungeduld - während Kovok hinter Struana scheinbar Deckung suchte. Aus unerklärlichem Grund schoss Struana in den Kopf, dass diese Reaktion irgendwie niedlich war. Doch was sollte sie nun mit dem kleinen Stück Fleisch anfangen? Sie hob es mit zwei abgespreizten Klauen hoch und betrachtete Kovok, der sie erwartungsvoll anstarrte. Die Worgen hob eine Augenbraue. Der kleine Kunchong war schlauer, als sie ihm zugetraut hätte. Sie hielt ihm das Fleischstückchen wieder zu, denn sie hatte nicht vor rohes Fleisch zu essen. »Brav aufessen.«   Kovok schnupperte an dem Fleisch, dann sah er kurz zu Struana auf, ehe er nach dem Stückchen mit seinen Sichelklauen schnappte - wobei er fast ihre Klaue erwischte - und knabberte darauf herum.   Irgendwie konnte die Worgen langsam verstehen, was so besonders an diesem Kunchong war, oder besser gesagt, warum ihn der Manipulator wie ein geliebtes Haustier behandelte. Kovok war ein Kind und benahm sich wie ein kleiner Welpe. Egal wie scharf seine Sicheln aussehen und wie furchterregend sein Appetit zu sein schien oder die Laute, die er von sich gab.   »Können wir dann endlich gehen?«, knurrte der Windschnitter, doch stattdessen Struana anzusehen ließ der Getreue Kovok für keinen Moment aus den Augen.   Struana legte ihre Ohren zurück und murrte vor sich hin. Sie wollte den Windschnitter noch fragen, warum er sich eine ganze Stunde Zeit gelassen hatte, ehe er endlich hier her gekommen war. Aber vermutlich war es so, wie er gesagt hatte. Vielleicht hatte Kor'ik einfach so lange gebraucht, um den Signalgeber richtig einzustellen, damit der Getreue ihn hören konnte. Und da Kil'ruk nicht in Klaxxi'vess gewesen war, war es auch den Klaxxi nicht möglich gewesen, ihn zu informieren.   »Ich schätze.«, murmelte Struana säuerlich und sah an sich herab, während Kovok vergnügt an ihrer Hose zupfte. Sie hatte sich so gut es ging, den Schlamm abgewaschen, doch das salzige Wasser hatte ihr Fell stattdessen völlig verklebt und die Schrammen vom Kampf hatten gebrannt.   'Ich gebe Euch ein Versprechen, 'Erweckerin'. Es war wirklich sehr dumm von Euch sich mir zu zeigen. Von diesem Tage an, werde ich Euch jagen. Ihr werdet keinen Schritt mehr wagen. Ihr werdet die Schatten fürchten. Irgendwann, wenn Ihr alleine seid, werde ich in Eurer Nähe sein und Euch zur Strecke bringen.'   Struana blinzelte, während sie an Ta'yaks Warnung dachte. Kil'ruk stand bereits wieder auf seinen Beinen und sah ungeduldig zu ihr herab. »Ah, Kil'ruk.«, begann sie und sah ihn an, als wäre er nicht die ganze Zeit neben ihr gewesen. »Kennt Ihr den Klingenfürsten Ta'yak?«   Der Windschnitter klickte mit seinen Kieferzangen hart gegeneinander und für einen kurzen Moment wirkte er nachdenklich. »Sein Name ist mir bekannt, Erweckerin. er ist ein Diener der Kaiserin im hohen Stand. Die Klaxxi sagten, dass er aus den Schatten heraus zuschlägt und sonderbare Fertigkeiten haben soll, was seine Schnelligkeit und seine... Taktik im Kampf angeht. Gesehen habe ich ihn allerdings noch nicht. Doch warum fragt Ihr nach ihm?«   »Nun, ich hatte eine Begegnung mit ihm.«, begann Struana und wägte ihre Worte ab. »Er hat versucht eines der verseuchten Bernsplittergefäße auf Kaz'tik zu werfen. Ich glaube, er ist ebenfalls ein Erwecker.«, murmelte sie, als sie sich daran erinnerte, wie Ta'yak sagte, dass sie ihm Arbeit abgenommen hätte, indem sie den Manipulator erweckte.   Kil'ruk verengte seine Augen. »Es gibt also noch mehr von den verseuchten Bernsplittern?«   »Es sieht zumindest ganz danach aus. Ta'yak hat es-«, sie hielt kurz inne. Sie konnte nicht sagen, dass es der Klingenfürst auf sie abgesehen hatte. Sie würde nie wieder aus Klaxxi'vess herauskommen und Kil'ruk würde sie möglicherweise wieder anketten. »Er hat es auf die Getreuen abgesehen.«, endete sie ihren Satz.   Kil'ruk blinzelte sie hinter seinem Helm heraus mit seinen jadegrünen Augen an. »Von ihm stammen dann auch die Schrammen und die Wunde an Eurer Seite, oder?«, fragte er nun merkwürdig ruhig.   Struanas Fell begann unwohl zu kribbeln. Sie nickte, auch wenn sie ihn nicht direkt ansah. »Ja, es hat ein kurzes Gefecht gegeben, ehe er wieder verschwunden ist.«   »Er ist einfach wieder verschwunden?«, hakte der Windschnitter mit Nachdruck in der Stimme nach. Scheinbar glaubte er ihr nicht und wie Recht er damit auch hätte. Doch Struana hatte nicht vor näheres von dem Gefecht zu preiszugeben.   »Ja ist er.«, Struana stand nun ebenfalls auf. Da Kovok nun nicht mehr an der Seite ihrer Hose herumzupfen konnte, begnn er stattdessen, an ihrem Fußfesselschutz mit seinen sichelähnlichen Klauen zu zupfen. Aber dies störte sie im Moment sehr wenig. Der Kunchong war merkwürdigerweise sogar irgendwie sanft. »Der Manipulator hat ihn vertreiben können.«   Kil'ruk schnaubte. »Ich glaube Euch nicht, Erweckerin.«   »Ihr könnt ja Kaz'tik fragen.«, murrte Struana, wobei sie sich wünschte, sie hätte nichts gesagt. Der Manipulator hatte die Warnung von Ta'yak ebenfalls gehört. Er würde Kil'ruk sagen, dass es der Klingenfürst auf sie abgesehen hatte, weil sie die Erweckerin war. Die Getreuen hielten untereinander bestimmt zusammen. Verfluchte Insektenscharr.   »Das werde ich, Erweckerin. Verlasst Euch darauf.«, krächzte Kil'ruk und seine Augen verengten sich etwas. »Warum seid Ihr überhaupt aus Klaxxi'vess verschwunden?«   Struana zuckte mit ihren Ohren. Fing er etwa allen Ernstes jetzt wieder damit an? »Verschwunden? Ich habe Kor'ik geholfen einen Signalgeber zu reparieren!«, keifte sie zurück.   »Warum?« Kil'ruk sah sie ernst an und es war ihm anzusehen, dass er sich bemühte nicht laut zu werden. »Es war mitten in der Nacht.«   Die Worgen verdrehte ihre Augen. »'Ihr dient den Klaxxi, also dient Ihr auch mir'«, ahmte sie den kleinen Ingenieur nach. »Deswegen vielleicht? Ich-«   »Kor'ik ist nicht in der Position Euch Aufgaben zu übertragen ohne sie vorher mit mir abzusprechen.«, knurrte Kil'ruk und wirkte nun wirklich bedrohlich.   Struana spannte sich ebenfalls an, verengte ihre Augen und fletschte die Zähne. Der Windschnitter brauchte nicht glauben, dass er ihr drohen konnte. »Woher soll ich das denn wissen?«, fuhr sie ihn wütend an. Warum musste sie sich für etwas zurechtweisen lassen, wofür sie letztendlich nichts konnte? »Ihr sagt mir so etwas ja nicht! Außerdem wahrt Ihr ja noch nicht einmal in Klaxxi'vess!«   Der Windschnitter blinzelte sie verwirrt an. »Was redet Ihr da? Ich war die ganze Zeit in Klaxxi'vess!«, zischte er zurück und rieb energisch seine Vorderbeine gegeneinander.   »Ich... Was?« Struana blinzelte verwirrt zurück. »Aber-«   »Die Klaxxi haben mir aufgetragen auf Euch aufzupassen, direkt nachdem wir gemeinsam in Klaxxi'vess angekommen sind. Ich muss sicherstellen, dass Euch nichts zustößt, da Ihr dummerweise die Erweckerin seid.«, krächzte Kil'ruk laut und unterbrach sie damit. »Diese ganzen Freiheiten, die man Euch gab, sind Euch allerdings zu Kopf gestiegen. Ihr könnt nicht einfach aus Klaxxi'vess verschwinden und wieder kommen, wie es Euch passt. Falls es Euch immer noch nicht aufgefallen sein sollte: Die Klaxxi haben Feinde. Das gesamte Kaiserreich ist gegen uns und Ihr gefährdet die Arbeit der Klaxxi, indem Ihr Eure weiche Hülle immer wieder in Schwierigkeiten bringt!«   Kil'ruk sah sie mit verengten Augen an, als er mit seiner Standpauke geendet hatte zischte er laut und wandte sich von ihr ab. Struana starrte ihn an. Sie wusste nicht, was sie darauf hätte erwidern können, doch sie wollte auch nichts mehr darauf erwidern. Die Worgen ließ ihre Ohren hängen und sah zu Boden. Sie wollte den Klaxxi helfen, als sie Kor'ik geholfen hatte. Letztendlich hatte sie das auch zu einem weiteren Getreuen geführt, der verdorben worden wäre, wenn sie nicht rechtzeitig da gewesen wäre. Doch aus irgendeinem Grund konnte sie diesen Sieg nicht mehr genießen. Struana fühlte sich schuldig, auch wenn sie nicht genau wusste, warum. Sie hatte Ta'yak vertrieben, zwar mit der Hilfe des Manipulators und ohne seine Hilfe wäre sie vermutlich tot gewesen, noch ehe Kil'ruk eingetroffen wäre. Frustriert ballte sie ihre Pranken zu Fäusten. Sie wollte doch-   »Wir gehen«, verkündete Kil'ruk übelgelaunt, dann sah er sich merkwürdig um, ehe er sie anfunkelte. »Wo ist der Kunchong?«   Struana sah sich zu ihren Füßen um. Sie hatte Kovok schon lange nicht mehr wahrgenommen, während sie mit dem Windschnitter diskutiert hatte. Hektisch sah sie sich um. Er war weg! Wo bei Goldrinn war dieser Kunchong nur hingelaufen?   »Könnt Ihr überhaupt etwas richtig machen?«, krächzte Kil'ruk und machte die Situation nicht besser. Struana funkelte ihn vernichtend an. »Haltet die Klappe, Kil'ruk!« Sie war wütend auf diese Situation, wütend auf sich selbst, sauer auf Kil'ruk und sie verfluchte Kor'ik. Blöder Ingenieur. Blöder Kovok. Wo war er denn nur? »Helft mir lieber ihn zu suchen! Der Manipulator wird mich umbringen, wenn dem Kleinen etwas zustößt!« Dessen war sich Struana sogar sicher. Kil'ruk würde sie nie sterben lassen, da sie die Erweckerin war und er für sie bürgte. Doch der Manipulator würde nicht zögern seine Worte wahr werden zu lassen, dessen war sie sich sicher.   Kil'ruk flog in die Luft, während Struana hinter einigen Felsen nachsah. Vielleicht versteckte sich der Kunchong ja nur? Schließlich verhielt er sich wie ein Kind. Vielleicht-   »Ich sehe ihn!«, rief der Windschnitter und deutete in den Salzigen Schlick hinein. Struana hob ihren Kopf und entdeckte nun auch den kleinen roten Punkt, der sich immer weiter von ihnen wegbewegte.   »Kovok! Komm her!«, rief sie, doch der Kunchong hörte nicht auf ihr Rufen.   »Das ist ein Kunchong, kein Hund, wie Ihr es seid.«, knurrte Kil'ruk. »Obwohl... Hunde gehorchen immerhin.«, fügte er knurrend hinzu.   »Ist gut! Ich habe es verstanden!«, knurrte Struana zynisch und sprang von dem Felsen herab und würdigte den Windschnitter somit keines Blickes mehr. Sie rannte los, Kovok hinterher. Doch dieser legte an Tempo zu und flitzte förmlich durch das Salzige Schlick, direkt auf die Insel in der Mitte zu. Der Worgen sank das Herz in die Kniekehlen. Kovok rannte genau auf das Lager der Saurok zu! Konnte dieser Tag eigentlich noch schrecklicher werden?   Die Worgen stürmte hinterher, als sie Kovok für einen kurzen Augenblick nicht mehr sehen konnte und stattessen aufgeregtes Kreischen und Knurren aus dem Sauroklager hörte. Sie schwor sich, dass sie nie wieder ohne Kil'ruks Einverständnis irgendetwas tun würde, selbst wenn das bedeutete, dass sie zugab, dass sie kontrolliert wurde, nur wenn Kovok nichts geschah.   Struana war noch ein paar Schritte von dem Lager der Saurok entfernt, als der kleine Kunchong ihr wieder entgegen stürmte. Er trug etwas zwischen seinen Kieferzangen, während mindestens acht wütende Saurok ihm hinterherliefen. Die Worgen jaulte auf, als sie Kovok zu packen bekam und mit ihm in den Armen einem werfenden Speer von den Kreaturen zur Seite auswich, eine Hake schlug und davonrannte.   Kil'ruk flog auf einmal neben ihr und sie zögerte nicht, nach dem Stachel an seiner Schulterrüstung zu greifen und sich hochzuziehen. Der Windschnitter flog höher und sie ließen die wütende Meute der Saurok unter sich zurück.   Die Kriegerin atmete erleichtert aus, als Kil'ruk an den Wurzeln eines Kyparis wieder landete. »Wirklich, sehr gut gemacht Erweckerin. Oh, Ihr habt ja wirklich ein Talent dafür in Schwierigkeiten zu geraten!«   Struana grummelte. Am liebsten wollte sie schreien, heulen und in einem schwarzen Loch im Erdboden versinken. »Ja, danke dass Ihr mir geholfen habt, Kil'ruk.«, sagte sie zynisch und stieg von seinem Rücken, während Kovok furchterregende, erfreute Laute von sich gab und ihr das etwas zwischen seinen Kieferzangen entgegenhielt. Sie nahm es und war in Begriff das Etwas sofort wegzuwerfen. »Mach das nie wieder!«, knurrte sie Kovok an, der seine Sicheln unbehaglich gegeneinander rieb und leise klickte.   Die Worgen starrte auf das etwas in ihrer Pranke, holte aus und hielt inne. Sie starrte noch einmal auf das etwas, das Kovok ihr gebracht hatte. Es war kein Fleisch gewesen, wie sie zuerst angenommen hatte - und ihm durchaus zugetraut hätte - und auch kein Stein, wie sie geglaubt hatte, als sie das Ding in ihrer Pranke gehalten hatte. Es war ein faustgroßer Bernstein. Sie blinzelte verwirrt. Warum würden Saurok Bernstein besitzen? Er sah zudem merkwürdig aus, massiv und irgendwie wirkte er sehr alt. »Kil'ruk, seht Euch das bitte einmal an.«   Der Windschnitter sah sie genervt an während er sich ihr näherte. Die Worgen streckte ihm den Bernstein entgegen. »Das hat Kovok aus dem Lager der Saurok mitgenommen.«   Der Getreue betrachtete den Bernstein und verengte seine Augen. Er streckte seine klauenähnliche Hand aus und strich über ihn. »Das ist ein Stück einer Amberhülle, in der wir Getreuen schlafen.«, erklärte Kil'ruk schließlich und sah zu Struana herab. Immer noch sah er wütend aus. »Es ist wohl ein Stück der Bernhülle des Manipulators.«   Die Worgen sah auf den Bernstein in ihren Händen herab. »Das kann nicht sein.«, murmelte sie. »Das Bernei des Manipulators war von massiven Felsen umgeben. Man könnte sogar sagen, dass er in einem Felsen versteckt gewesen war. Die Saurok hätten nicht an ihn herankommen können.«   Kil'ruk sah über die Schulter zu ihr zurück. Seine Fühler zuckten und seine Kieferzangen klickten leise aufeinander, doch ehe er etwas sagen konnte - was er eindeutig wollte - sah Struana zu ihm auf. »Vielleicht hält sich noch ein Getreue in der Nähe auf? Oder vielleicht in einem anderen Lager der Saurok?«   Kovok zupfte am Leder, welches die Fußfesseln der Worgen schützten, während Kil'ruk den Kopf leicht neigte. »Das könnte tatsächlich stimmen.«, krächzte er und legte seinen Blick auf Struana. »Das nächste Lager der Saurok befindet sich ganz in der Nähe. Die Stimmgabel schlägt noch nicht an, oder?«   Die Worgen nahm die Stimmgabel aus ihrer Gürteltasche, wobei sie den Bernstein hinein gleißen ließ. Das Artefakt blieb ruhig und sie schüttelte nur den Kopf.   »Gut, dann müssen wir näher ran.«, krächzte Kil'ruk und neigte sich vor Struana, damit sie aufsteigen konnte. Die Worgen beugte sich hinab und nahm Kovok auf ihren Arm. Er wehrte sich nicht, sondern hakte sich mit seinen Sichelklauen in ihre Lederweste und hielt still, während sie sich ein weiteres Mal an dem Stachel der Schulterplatte hochzog. Die Worgen nahm die Stimmgabel in die Pranke, mit der sie auch Kovok hielt und umfasste mit der anderen den Chitinpanzer von Kil'ruk. »Geht es so, oder sind wir zu schwer?«, fragte sie kleinlaut. Sie konnte nicht anders, denn noch immer fühlte sie sich schuldig für die Fehler, die sie gemacht hatte. Damit meinte sie aber weniger, dass sie Klaxxi'vess ohne die Zustimmung des Windschnitters verlassen hatte, sondern vielmehr, weil sie nicht auf Kovok aufgepasst hatte.   »Der Kunchong ist in Ordnung, aber Ihr seid viel zu schwer, Erweckerin.«   Struana runzelte ihre Stirn als Kil'ruk mit den Flügeln schlug und summend in den Himmel flog. War das etwa Sarkasmus in seiner Stimme gewesen? Zwischen dem Klicken seiner Kieferzangen und dem Rasseln, welches stets in seiner Stimme mitschwang? Hatte er sie etwa... veralbert?   Die Worgen war fast schockiert über diese Tatsache, aber sie konnte sich nicht helfen und musste darüber schunzeln. Vor wenigen Momenten hätte sie schwören können, dass Kil'ruk ihr den Kopf abreißen wollte und jetzt hatte er sie geneckt? Verwundert blickte sie über ihn hinweg, während sie den Schlangenrücken immer größer werden sah. Die Mauer, die sie vor ein paar Wochen verlassen hatte. Nein, sie hatte den Schlangenrücken nicht verlassen, was dachte sie denn da? Kil'ruk hatte sie förmlich vom Schlangenrücken weggezerrt. »Wohin genau fliegen wir?«, fragte sie gegen den Wind an, der um ihre Ohren pfiff und ihr ins Fell blies.   »Das nächstgelegene Lager der Saurok befindet sich im Osten zu den Wurzeln eines Kyparis. Dort werden wir zuerst nachsehen. Achtet auf die Stimmgabel, Erweckerin.«, krächzte Kil'ruk während er geradewegs zu dem großen Kypari flog, der noch nicht gänzlich tot zu sein schien.   Struana nickte und sah auf das Artefakt in ihren Klauen hinab. Sie wollte Kil'ruk nicht ein weiteres Mal enttäuschen. Die Worgen wollte beweisen, dass er sich auf sie verlassen konnte, doch wie könnte sie es am besten zeigen? Ihr Versuch Kor'ik zu helfen, war auf jeden Fall fehlgeschlagen, auch wenn sie dem Ingenieur das Leben rettete und ein weiterer Getreue für die Klaxxi gewonnen werden konnte. Der Beweis schien keine einfache Aufgabe zu sein.   Kapitel 10: 09 - Der Erste -------------------------- Vorsichtig kniete sie sich auf den weichen Lehmboden, nachdem sie durch das Dickicht geschlüpft war. Ihre Hand schwebte über einer Stelle, in der eine merkwürdige Apparatur in den Boden gestampft worden war. Der rote Knopf baumelte gerade noch so von einer losen Feder, während das metallische Gehäuse eingedrückt und zerbeult wirkte.   Die Waldläuferin puhlte es aus dem Boden und versuchte es genauer in Augenschein zu nehmen, doch als sie die Apparatur anhob, verlor dieses den Boden aus der Fassung. Mit gerunzelter Stirn blickte sie enttäuscht auf mehrere, winzige Zahnräder, verschiedenfarbigen Drähten und anderen Getriebeteilen, die aus dem metallischen Gehäuse gepurzelt waren und nun auf dem Boden verstreut lagen. Angestrengt seufzend warf sie den Blechmüll in ein Gebüsch und biss sich auf die Unterlippe.   Gut, dies war der Zünder, mit dem die Sprengladung an der Herrschaftsfeste hochgegangen war. Aber wie hatte die Sprengladung ungesehen dort positioniert werden können? Sie oder die anderen Späher ihrer Einheit hätten doch jemanden sehen müssen, der um die neu errichtete 'Festung' der Horde herumgeschlichen war. Selbst die Kor'kron waren nicht so unachtsam, um einen Spion entwischen und durchschlüpfen zu lassen. Schon gar nicht, wenn sich dieser besagte Spion an der Herrschaftsfeste, oder den Nahrungsmittelvorräten zu schaffen gemacht hatte.   Die Sin'dorei schlug ihre Kapuze zurück und wischte sich Schweiß von ihrer Stirn. Sie mochte diese Gegend hier wirklich nicht. Es war weniger die Tatsache, dass dies ein Dschungelgebiet war und sie sich mit Mücken und Schlamm herumschlagen musste, was die restliche Gesellschaft Silbermonds bereits in Angst und Schrecken versetzt hätte - oder zumindest den noblen Teil davon. Nein, diese hohe Luftfeuchtigkeit, gepaart mit der schwülen Hitze machte sie fertig. Und nicht nur sie, auch die anderen, die für die Horde hier in der Krasarangwildnis an Land gegangen waren. Und seitdem ein Teil des Lagers in den Flammen der Explosion zerstört worden war, standen sie alle unter einem noch viel größeren Druck. Auch wenn der Großteil an Zyraphen und der Archäologischen Akademie vorbeigezogen war. Man hatte die Goblins für diese Unachtsamkeit der Sprengladungen verantwortlich gemacht, die nun den Schaden, unter Hochdruck arbeitend, wieder ausbügeln mussten. Auch wenn die Waldläuferin nun den Beweis gefunden hatte, dass es sich eindeutig um einen Spion handeln musste, war ihre Sympathie für die kleinen, grünen Plagegeister nicht annähernd groß genug, als dass sie es für nötig befand, dies publik werden zu lassen.   Ironischerweise konnten die Goblins den Schaden an der Herrschaftsfeste nicht vollständig beheben, sondern mussten zu provisorischen Mitteln greifen, da die nächste Schiffsladung mit den benötigten Materialien nicht eingetroffen war. Zwar konnten die Peons aus der Krasarangwildnis viele Rohstoffe gewinnen, wie Stein, Öl und Holz, aber die wichtigen Komponenten schienen zu fehlen.   Die geübten Augen der Waldläuferin folgten den traurigen Überresten der Apparatur, die sie eben von sich weggeworfen hatte. Mit gerunzelter Stirn beugte sie sich vor und zupfte etwas aus dem Busch heraus. Es war ein braunes Fellbüschel, welches sich zwischen den Zweigen verfangen hatte und hängen geblieben war. Zyraphen betrachtete es eingehend und je länger sie es anstarrte, desto mehr rümpfte sie ihre Nase. Nein, das mit der geplanten Sprengladung durfte auf keinen Fall aufgeklärt werden, denn allmählich festigte sich in ihr der Verdacht, dass sie selbst diesen Spion hatte durchschlüpfen lassen.   Sie zerrieb das Fellbüschelchen zwischen ihren Fingern und vernichtete so einen Beweis, während sie sich wieder aufrichtete. Ihr Blick wanderte zu der Herrschaftsfeste und dem zerfallenen Schlangenrücken, der dahinter lag. Also war dieser Nachtelf nicht einfach nur aus Zufall hier gewesen. Zyraphen kräuselte ihre Lippen und gerade als ihr in den Sinn kam, dass es besser gewesen wäre, wenn sie ihn damals schon gestellt hätte, damit er nicht diese Sprengladung zünden konnte, fing ihr wachsamer Blick noch etwas anderes ein.   Zwei Flaggschiffe der Horde näherten sich vom Meer heran. In einer Stunde würden sie vermutlich die Docks erreichen. Zyraphen nahm stark an, dass dann die Goblins und Peons wieder etwas zu tun hätten, denn mit großer Wahrscheinlichkeit wurde mit diesen Schiffen die fehlenden und dringend gebrauchten Ressourcen geliefert. Oder nicht? Zyraphen engte ihre Augen und mit festen Schritten machte sie sich wieder auf den Weg zur Herrschaftsfeste. Auch wenn sie sich die meiste Zeit lieber außerhalb des Lagers aufhielt, hatte sie so ein Gefühl, dass ihre Anwesenheit diesmal nicht gänzlich sinnlos sein würde. Die Explosion war vor einem Tag gewesen. Wenn diese Schiffe wirklich nur aufgrund der fehlenden Rohmaterialien in See gestochen waren, mussten sie wahrhaft günstige Winde gehabt haben, um die weite Strecke von Kalimdor nach Pandaria in dieser kurzen Zeit zurückgelegt zu haben. Irgendwie hatte sie so ein Gefühl, dass sich nun die Zungen der Kor'kron etwas lockern würden und wenn sie ehrlich war, wann bekam sie schön die Möglichkeit Kor'kron bedenkenlos plaudern zu hören?   Für gewöhnlich waren sie still, wann immer Zyraphen an ihnen vorbeiging. Nicht, dass sie das Bedürfnis verspürte mit einem von ihnen in ein Gespräch verwickelt zu werden, dennoch mochte sie es nicht, dass sie so sehr im Unwissen gelassen wurde. Vielleicht war sie es anders gewohnt, da sie noch vor wenigen Wochen im Dienste Silbermonds zwischen Waldläufern tätig gewesen war, aber wenn sie schon als Repräsentantin ihres Volkes auf einen fernen Kontinenten geschickt wurde, dann hatte sie auch ein verdammtes Recht darauf zu erfahren, welche Aufträge den Angehörigen ihres Volkes übertragen werden sollen. Schließlich hatte der Kriegshäuptling nach der Archäologischen Akademie für diese Mission verlangt, also musste er etwas mit ihnen geplant haben. Doch was auch immer es war, hatte die Blutelfe bis jetzt nicht in Erfahrung bringen können. und das ging ihr gehörig gegen den Strich. Nicht alleine weil ihr eine ganz spezielle Aufgabe zugeteilt wurde, sondern auch, weil sie nicht dazu kam diese wirklich gut auszuführen. Sie war eine Waldläuferin, war also in ihrer Rolle neben der Repräsentantin auch verantwortlich für die Sicherheit. Solange diese Mission nicht vorangetrieben wurde, bleib ihr nichts weiteres übrig, als um das Lager herumzuschleichen und nach möglichen Gefahren Ausschau zu halten. So hielt sie ihre Deckung in ihrer Rolle aufrecht, andererseits konnte sie kein wachsames Auge auf den Kriegshäuptling haben.   Die Sonne erreichte ihren höchsten Punkt, als die Schiffe die Docks erreicht hatten und die ersten an Land gingen. Zyraphen hatte keine Notwendigkeit darin gesehen, sich übermäßig zu beeilen und so kam es, dass sie vor gerade mal einigen Augenblicken ebenfalls die Docks erreicht hatte. So hatte sie die Beste Sicht um die Truppen zu inspizieren, die vom Schiff an Land gegangen waren. Trolle. Ein weiteres Volk der Horde, gegen das sie eine tiefe Abneigung hegte, auch wenn es sich um die Dunkelspeere handelte. Es war nicht so, dass sie die Dunkelspeere mit den Amani in den Geisterlanden verglich. Es war viel mehr die Tatsache, dass sie wusste, zu welchen Grausamkeiten Trolle in der Lage waren. Die selbe Denkweise hatte sich in ihr auch für die Verlassenen gefestigt.   Zyraphen atmete die salzige, schwüle Luft tief ein, als sie plötzlich einen ganz bestimmten Troll unter den vielen erkannte, der schließlich vom Deck des Schiffes die Lade hinunterstieg. Vol'jin schritt mit erhobenem Haupt und einer Gleve auf dem Rücken zwischen die Reihen seiner Angehörigen die Docks entlang auf das Festland zu. Die Waldläuferin musste ihn erst länger mustern, um zu realisieren, dass sie wirklich den Anführer der Dunkelspeere sah und nicht jemanden, der ihm vielleicht ähneln könnte. Was bei Sonnenhäschers Sonntagsunterwäsche machte der denn hier?   Nun war Zyraphen von wirklicher Neugierde gepackt und sie beschleunigte ihre Schritte zum Zentrum der Herrschaftsfeste. Im vorbeigehen an einigen Kor'kron die miteinander grunzten, zog sie sich ihre Kapuze wieder tief in ihr Gesicht. Dass Garrosh davon wusste, dass sich Vol'jin auf dem nächsten kommenden Schiff befinden würde, bezweifelte sie stark. Wahrscheinlicher wäre es, dass Kael'thas Sonnenwanderer ein drittes Mal vom todgeglaubten Zustand zurückkehren würde. Ihres Wissens nach, war der Kriegshäuptling auf den Anführer der Dunkelspeertrolle nicht gut zu sprechen. Seit dem Vorfall mit Cairne Bluthuf stellte Vol'jin die Führungsqualitäten des Orks oft in Frage - zumindest, wenn man den Gerüchten Glauben schenkte. Vielleicht wurde sie auch eines Besseren belehrt, wen sie das Zusammentreffen der beiden mit eigenen Augen sehen würde, aber nur vielleicht.   Die Waldläuferin schlich sich auf den Hof der Feste, auf dem ein Großteil der Kor'kron anwesend waren. An einem außenliegenden Fleck erkannte sie Ihresgleichen und ging mit schnellen Schritten auf sie zu. Kaelis Segelstrahl, einer der leitenden Blutelfen der Archäologischen Akademie fasste sie ins Auge und neigte seinen Kopf. Sein silbernes Haar wippte leicht vor, während er aufstand und die aufwändig gezierte Robe glättete. »Belore, Waldläuferin Blutfalke.« Sie musste den Blick des älteren Sin'dorei nicht deuten um zu wissen, dass er unruhig war. Ihm brannte vermutlich die Frage auf den Lippen, ob sie nun wüsste, weshalb sie eigentlich hier waren. Doch die Waldläuferin schüttelte ihren Kopf, bedeutete ihm allerdings mit einem Kopfnicken ihr zu folgen.   Mit gerunzelter Stirn folgte Kaelis ihr - zu ihrer Erleichterung - kommentarlos. Es war nicht das erste mal, dass sie ältere Sin'dorei leitete, bei den Waldläufern war dies sehr oft vorgekommen und sie hatte damit auch keine Probleme. Diejenigen die ein Problem damit hatten, waren für gewöhnlich besagte ältere Blutelfen, da sie mehr Erfahrung besaßen, jedoch nicht den Rang verliehen bekommen hatten. Doch Zyraphen war gerade zu beschäftigt, um sich über derlei Nichtigkeiten Gedanken zu machen. Der Archäologe holte schließlich zu ihr auf, als sie nach jemand bestimmten Ausschau hielt. »Was ist denn los?«, zischte er ihr ungeduldig zu.   Die Waldläuferin betrachtete ihn mit ihren grünen Augen. Im Gegensatz ihren Augen, vor denen die Überrest der Felmagie in Form der feinen Schleier nahezu gänzlich verschwunden waren, glühten seine schon nahezu absurd. Doch anstatt ihm preiszugeben, wer gleich durch die Tore der Herrschaftsfeste eintreten würde, grinste sie nur süffisant. »Die Schiffe mit dem Nachschub sind eingetroffen. Die Besatzung tritt jeden Augenblick durch diese Tore, Segelstrahl.« Mit einem Kopfnicken deutete sie zu dem weit geöffneten Eingang der an den Hauptplatz grenzte. »Verratet mir, wo sich Garrosh derzeit aufhält.«   Kaelis sah nur noch abgeneigter aus, als ohnehin schon. Er wandte seinen Kopf von ihr und nickte zum Eingang der Herrschaftsfeste. »Vor einigen Stunden ist der Kriegshäuptling mit einigen Blutwachen im Inneren verschwunden.«   Ein überlegenes Lächeln breitete sich auf ihren Lippen auf, während ihre Augen vor Erwartung glänzten. »Dann folgt mir, aber seid unauffällig. Euch als mein Berater der Archäologischen Akademie, wird dieses Zusammentreffen bestimmt auch interessieren.« Ohne auf eine Antwort zu warten ging sie an ihm vorbei und um die Pfähle herum, welche den Weg zum Eingang der Herrschaftsfeste säumten. Der Sin'dorei folgte ihr wieder einmal, doch es war ihm deutlich anzusehen, dass ihm nichts mehr wiederstrebte. Doch mit den letzten Worten hatte die Waldläuferin auch seine Neugierde geweckt. Er positionierte sich neben sie und zog eine Schriftrolle aus seiner Tasche die er zwischen sich und ihr hielt. Zyraphen musterte die Schriftrolle, die unbeschrieben in seinen Händen ruhte mit einem gehobenen Mundwinkel. »Das verstehen also die Archäologen darunter, wenn man ihnen sagt, sie sollen unauffällig sein.«, murmelte sie, während sie zu den Eingangstoren spähte.   Der Sin'dorei schüttelte seinen Kopf mit den schulterlangen, silbernen Haaren, ehe er sie ernst ansah. »Auch wenn es nicht unbedingt Eurer Idealvorstellung entspricht, ist es besser als scheinbar sinnlos in der Gegend herumzustehen.«   Die Waldläuferin rollte mit ihren Augen. Solange sie nicht alleine irgendwo herumstand war es keineswegs auffällig. Wie viele Möglichkeiten gab es, von einem weitergeführten Gespräch das eigentlich keinen Anfang hatte, von einer kleinen Reiberei. Kaelis konnte noch eine Menge von ihr lernen, wenn er denn wollte. Auffällig wäre es gewesen, wenn sie sich schleichend einen idealen Ort ausgesucht hätte, doch das musste sie ihm nicht unbedingt jetzt erklären. Denn gerade in diesem Augenblick trat Vol'jin gefolgt von einigen Truppen der Dunkelspeere durch die Tore der Herrschaftsfeste. Sie sammelten sich auf dem Vorplatz, allerdings sah eine Aufreihung der Truppen völlig anders aus. Die Trolle standen zerstreut als ein großer Haufen hinter ihrem Anführer.   Kaelis hob seinen Blick von der Schriftrolle, ohne seinen Kopf zu heben und sah an Zyraphen vorbei. Sie wartete geduldig ab und schon bald konnte sie die ungläubigen Worte des Kriegshäuptlings hören. »Was geht hier vor?«, donnerte er sichtlich erstaunt und wie sie erwartet hatte, nicht übermäßig begeistert über das Erscheinen des trollischen Verbündeten.   Da sie nur die Trolle und Vol'jin in einem perfekten Blickwinkel hatte, sah sie lediglich wie der Anführer der Dunkelspeere seinen Kopf hob und seine Augen leicht engte, ehe er mit seinen langen Beinen auf den Eingang der Herrschaftsfeste zuschritt. »Was macht Ihr hier, Vol'jin? Wollt Ihr nicht lieber auf Eurer Insel ein paar Frösche küssen?«, höhte währenddessen Garrosh. Die Waldläuferin runzelte ihre Stirn und hob ihren Blick zu dem Ork. Die abgespaltenen Hauer von Mannoroth ruhten auf den muskelreichen Schultern. Er sah den Troll herablassend an, während dieser weiterhin auf ihn zuschritt. Nun mussten weder sie, noch Kaelis sich irgendwelche Gedanken um ein unauffälliges Aufsehen machen, denn mit diesen Worten hatte sich der Kriegshäuptling sämtliche Blicke der Peons, Kor'kron und Goblins eingefangen, die in Hörreichweite waren.   Vol'jin schien alles andere als gelassen zu sein. Er wirkte angespannt und verärgert, doch zu Zyraphens Erstaunen, ließ er nichts davon in seine Worte mit einfließen, als er seine Stimme erhob. »Die Frage ist: Was machen WIR hier? Ihr tragt diesen Krieg in ein weiteres Land und ich will wissen, warum?« Die Sin'dorei wechselte einen kurzen Blick mit ihrem Berater. Bedeutete dies, dass Vol'jin im Unwissen darüber gelassen wurde, dass die Kriegsschiffe auf Pandaria nachgesetzt hatten? Die Waldläuferin rümpfte ihre Nase. Garrosh konnte kein solcher Narr sein und glauben, dass Vol'jin nicht erfahren würde, wenn der Kriegshäuptling selbst nach Pandaria übersetzte?   »Wegen mangelnder Voraussicht ist Euer Volk noch immer primitiv - und wegen Eurem Mangel an Loyalität, sind die Dunkelspeere nicht Teil dieser Mission.« Die Worte des Kriegshäuptlings klangen schneidend über den Vorplatz der Feste wie Peitschenhiebe. Die Trolle hinter Vol'jin steckten die Köpfe zusammen, doch was sie miteinander tuschelten, konnte Zyraphen nicht hören. Aber sie konnte es sich denken und sie glaubte kaum, dass die Kommentare auch nur in irgendeiner Weise positiv für den Kriegshäuptling gewesen wären. Ihr Blick war gebannt auf den Anführer der Dunkelspeere gerichtet, jede noch so kleine Reaktion von ihm abschätzend beobachtend. Doch er warf Garrosh nur einen wilden, misstrauischen Blick zu. »Seht Euch um Vol'jin.«, begann der Kriegshäuptling erneut und hob seine beiden tellergroßen Hände zu den Seiten. »Dieses Land ist reich an Rohstoffen. Holz, Stein, Eisen, Treibstoff - und Völker.«, fügte er mit einem Unterton hinzu, der bei Zyraphen einen bitteren Nachgeschmack hinterließ.   Wohl war sie nicht die einzige, den diese Worte getroffen hatte. Mehr Getuschel erhob sich, inzwischen nicht nur von den Trollen ausgehend, sondern aus den Ecken des Lagers. Doch egal, wen Zyraphen in ihren Blick fasste, um herauszufinden wer die Köpfe zusammengesteckt hatte, es waren keine Orks. »Eine Machtdemonstration an diesen Gestanden wird die Pandaren davon abschrecken, der Allianz beizutreten.«, endete Garrosh schließlich demonstrativ triumphierend seinen Satz.   »Das ganze Blutvergießen, wird sie eher davor abhalten, der Horde beizutreten.« Vol'jin hatte seine Stimme nicht unnötig erhoben. Er hatte es auch gar nicht nötig, denn seine Worte waren so wahr wie der Sonnenbrunnen rein war. Bisher hatte sich Zyraphen noch nie dabei erwischt, wie sie den Worten eines Trolls aufmerksam lauschte und ihnen zustimmte. Doch zuvor hatte sie auch noch nie Vol'jin persönlich sprechen hören können. Für sie war die Allianz mit den Dunkelspeeren etwas gewesen, was man auf die ganze Horde beziehen konnte. Eine Nutzallianz um zu überleben. Doch womöglich steckte in den Dunkelspeeren doch mehr Potential, als sie ihnen zugetraut hätte.   Garrosh funkelte den Anführer der Dunkelspeere feindselig an. Er hob einen Arm und deutete auf ihn. »Da liegt der Unterschied zwischen mir und Euch, Vol'jin. Ich werde mein Volk nicht in der Wüste verhungern lassen. Nichts, absolut gar nichts wird mich davon abhalten, eine glorreiche Zukunft für die Orks und alle, die an unserer Seite stehen, zu sichern.« Mit diesen Worten hatte Garrosh wieder die ungeteilte Aufmerksamkeit, allerdings im positiven Sinne. Auch wenn seine vorhergehenden Aussagen sehr gemischte Gefühle in allen Anwesenden ausgelöst hatte, nun tuschelte keiner mehr.   Auch Vol'jin blieb ruhig, obwohl der Kriegshäuptling ihn offensichtlich beleidigt hatte. Entweder erkannte er dies nicht, oder er teilte die Meinung in dieser Sache mit ihm. Garrosh engte seine Augen und sah Vol'jin weiterhin an. »Doch wenn Ihr mir bereits bereitwillig einige Eurer Männer unterstellt und selbst bereitwillig hierher gekommen seid, habe ich eine Aufgabe für Euch.« Er hob einen Mundwinkel und wandte sich von Vol'jin ab. Hinter ihm standen zwei seiner Berater, zwei Blutwachen mit denen er sich leise unterhielt. Zyraphen bezweifelte, dass selbst Vol'jin dies hören konnte. »Er plant etwas.«, drang die Stimme von Kaelis an ihre Ohren und erinnerte sie daran, dass er direkt neben ihr stand.   »Ich weiß.«, flüsterte sie leise zurück und bedachte ihn mit einem skeptischen Blick. »Und ich schätze es richtet sich gegen unseren trollischen Rebellen.« Der Archäologe erwiderte ihren Blick ernst und sie las seine Zustimmung darin. Doch es lag noch etwas anderes in seinem Blick. War es Erstaunen? Worüber?   Doch ihre Aufmerksamkeit wurde wieder auf Garrosh gelenkt, als dieser, gefolgt von einer seiner Blutwachen Vol'jin entgegen schritt. »Es gibt etwas, das Ihr tun könnt, um Euren Wert für die Horde zu beweisen, Troll. Eine Mission im Herzen dieses Kontinents. Die genauen Einzelheiten, besprechen wir am Besten unter vier Augen.«   Der Kriegshäuptling blieb genau vor Vol'jin stehen und dieser richtete sich zu seiner vollen Größe auf, wobei er fast noch einmal um zwei ganze Ellen größer wirkte als Garrosh. Herausfordernd sah dieser auf ihn hinab. »Ich werde gehen, aber nur als Zeuge meines Volkes. Irgendjemand muss Euch ja im Auge behalten.« Zyraphen engte ihre Augen nach den Worten des Trolls. Diese Worte kamen ihr so bekannt vor. So war es doch ihr Lordregent gewesen, der die selben Worte in den Mund genommen hatte in Bezug auf Garrosh.   Der Kriegshäuptling erwiderte den Blick des Trolls nur grimmig, ehe er sich abwandte und in die Herrschaftsfeste ging. Vol'jin sah über die Schulter und gab ein Kopfnicken, woraufhin sich zwei Trolle - dem Aussehen nach eine Schamanin und ein Schurke - aus der Menge lösten und ihrem Anführer in das Innere folgten. Die Hinterbliebenen Trolle wurden unterdessen von den Kor'kron aufgeteilt und Arbeiten wurden angeschafft. Zyraphen senkte ihren Bick wieder auf die Schriftrolle, die Kaelis nach wie vor in seinen Händen hielt. »Nette Zeichnung.«, sprach sie schließlich emotionslos, woraufhin der Blutelf sie skeptisch ansah.   »Ihr seht so aus, als wäre es Euch egal, welches Schicksal dem Anführer der Dunkelspeere auf seiner Mission erwartet.«, sprach der Archäologe sehr leise, während er nickte und die Schriftrolle langsam wieder zusammen rollte. Die Waldläuferin hob ihren Blick zu ihm und sah ihn ungeduldig an. »Und weiter?«   Kaelis engte seine Augen etwas. »Ihr habt einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, Waldläuferin Blutfalke. Ich würde erwarten, dass Euch die Vermutung über das was ihn erwartet interessiert? Schließlich ist er mitunter einer der Verbündeten der Horde.«   Zyraphen hob eine Augenbraue und betrachtete ihren Berater abschätzend. »Sein Schicksal interessiert mich ebenso wenig wie mich das der Tauren interessiert hat, als die Grimmtotem Donnerfels überrannten. Mich interessiert unser Schicksal und unsere Aufgabe hier. Meine Priorität liegt darin Euch und die Mitglieder der Archäologische Akademie zu beaufsichtigen und zu schützen.« Sie nickte ihm ernst zu und wandte sich von ihm ab während Kaelis ihr ernst nachsah. Sie lenkte ihre Schritte zu der Blutwache, die draußen auf dem Vorplatz geblieben war. Die Waldläuferin wollte nun endlich wissen, weshalb sie mit der Archäologischen Akademie hierher kommen musste. Sie war nicht hier nach Pandaria gekommen, um ihre Zeit mit Warten zu verschwenden und die eben entstandene Unruhe konnte sie bei einem Gespräch mit den Kor'kron zu ihrem Vorteil nutzen.           »Dlatego hatte die Idee, zusammen mit Mai in das Shado-Pan Kloster einzudringen. Sie waren über die Dächer geschlichen, um ungesehen so weit wie möglich vordringen zu können. Sie sind fast bis zum Zentrum vorgedrungen. Ban Bärenherz hat uns in der Zwischenzeit hinter die Felsen zu einem geheimen Eingang geführt. Aber man konnte ihn nur vom Inneren des Klosters öffnen.«, berichtete Emiress geduldig, während ihr Gilean aufmerksam zuhörte und zum widerholten Mal nickte. Sie war zusammen mit Ryfang, Dlatego und Fogon vor einer knappen Stunde am Schrein der Sieben Sterne angekommen und erzählte ihm gerade, was beim Shado-Pan Kloster vorgefallen war.   »Die junge Pandarin hat dann den Gang von innen öffnen können und so sind wir ebenfalls in das Innere des Klosters gekommen. Wir mussten uns durch Ausgeburten des Shas und einigen verdorbenen Wächtern kämpfen. Ich konnte sie glücklicherweise mit dem Licht reinigen, sodass sie keinen großen Schaden nehmen mussten. Als wir die Arena im Zentrum des Klosters erreichten, befreiten wir die eingesperrten Schüler und Wächter, die dem Sha nicht unterlagen und noch bei Sinnen waren. Sie berichteten uns, dass Taran Zhu selbst von dem Sha verdorben sei.«   »Als wir ihn schließlich fanden, haben Ryfang, Dlatego, Fogon, Mai und die anderen Shado-Pan ganze Arbeit geleistet um ihn zu schwächen und abzulenken, während ich das Sha immer effektiver aus ihm reinigte. Doch damit war die Sache leider noch keineswegs beendet. Nachdem das Sha der Gewalt seinen Körper verließ, wütete es weiter.« Die Priesterin hielt kurz inne und sah sich nach ihren Begleitern um. Ryfang und Dlatego waren allerdings bereits im Inneren des Schreins verschwunden und Fogon hatte sich in die goldenen Steppen des Tals der Ewigen Blüten hinausgeschlichen. Ein leises, nachdenkliches Seufzen entfloh ihren Lippen, während der warme Frühlingswind um die beiden wehte und ihre schwarzen Locken leicht in Bewegung brachte. Sie saß mit Gilean auf einer Bank auf der Terrasse und egal wie erschöpft sie wirken mochte, sie behielt weiterhin eine gerade Haltung.   »Konntet Ihr es läutern?«, fragte Gilean schließlich mit einem schnippenden Ohr nach.   Emiress blickte Gilean in die blauen Augen und nickte schließlich. »Ja, glücklicherweise. Das Licht war mir sehr dienlich und wohl gesonnen, aber es hätte nicht viel gefehlt, und es hätte schlecht für uns alle ausgehen können.«, sprach sie leise und sanft. Der Blick ihrer blauen Augen wanderte kurz zu ihren gefalteten Händen, ehe sie wieder Gilean in die Augen blickte. »Aber Taran Zhu ist nachdenklich geworden. Nachdem es ihm etwas besser ging, sagte er, dass er es sich noch einmal überlegen würde, ob er nicht doch mit uns zusammenarbeiten würde.«   Gilean drehte seine Ohren langsam zu Emiress. »Das sind wirklich gute Neuigkeiten. Möglicherweise ist dies der erste Schritt auf den weitere folgen werden um eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Shado-Pan zu gewährleisten.« Der Druide hatte die Priesterin und die anderen der Gruppe abgefangen, als sie wieder am Schrein der Sieben Sterne angekommen waren. Selbst Fogon war diesmal mit einem Gleiter der Pandaren gereist - vermutlich nicht ganz freiwillig. Emiress hatte sich die Zeit genommen, ihm zu erzählen was auf der Reise geschehen war und für das, war er ihr sehr dankbar. Das Blätterdach über ihnen raschelte sanft, während der warme Wind die Äste des Baumes hinter ihnen auf der Terrasse in Bewegung brachte. Der Worgen konnte sich vorstellen, dass sie sehr müde war.   »Und wie war Eure Reise, verehrter Freund?«, fragte Emiress und blickte ihn neugierig an. »Ihr hattet ebenfalls mit den Shado-Pan zu tun, am Tempel des Schwarzen Ochsen.«   Gilean nickte langsam. »In der Tonglong-Steppe waren die Shado-Pan mit einem Angriff der Mantis auf den Niuzaotempel beschäftigt, als wir eintrafen. Wir kamen noch rechtzeitig, um ihnen unsere Hilfe anzubieten.« Er hielt kurz inne, ehe er weiter erzählte. »Uns ist so etwas ähnliches passiert, wie Euch mit dem Sha der Gewalt. Wir fanden das Sha des Hasses in einer Höhle, direkt unter dem Tempel. Es konnte sich an dem Hass der Pandaren und den der Mantis laben und ist zu einer immensen Monstrosität herangewachsen. Wir schafften es nicht, das Sha zu läutern. Aber wir konnten es in der Höhle versiegeln. Taoshi, eine der Shado-Pan die dort gekämpft hatte und das Kommando dort leitete, versprach uns, dass sie sich bemühen würden, die Schlacht an einem anderen Ort weiter auszutragen.«   »Seltsam.«, murmelte Emiress in Gedanken vor sich hin und sah auf ihre zierlichen Hände hinab. »Wie konnte es so lange ungesehen bleiben? Wie konnte es so stark wachsen? Holora, Ace und Ihr seid keine unerfahrenen Kämpfer. Ihr solltet eigentlich mit einer Mutation des Shas fertig werden.«   Der Gilneer sah in den blauen Himmel hinauf und deutete den Sonnenlauf. Sie sank bereits, doch stand sie immer noch hoch genug um den Tag ausreichend nutzen zu können. »Ich weiß nicht, ob es von Belang ist, aber Ace sah einen Mantis in die Höhle gehen, bevor wir selbst eintraten. Dieses Insekt hatte ein Artefakt bei sich, welches wohl die Macht des Shas noch zusätzlich gestärkt hat. Der Mantis war tot, als wir dem Sha des Hasses gegenüberstanden, aber das Gefäß pulsierte weiterhin und hat eine merkwürdige Präsenz auf das Sha übertragen, die ihm sehr ähnlich war.«   Die Priesterin runzelte ihre Stirn. »Ein einzelner Mantis?«, fragte sie nach und Gilean nickte zustimmend. »Ja, ein einzelner Mantis. Wir fanden es auch verwunderlich und Ace glaubt, dass es einen Zusammenhang geben muss. Aber ich kann noch keinen erkennen.« Er seufzte leise und grunzte. »Vielleicht werde ich es erkennen, mit etwas mehr Zeit und mehr Wissen über das Sha.«   Der Druide war angespannt. Er fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis Marcina seine Nachricht lesen würde. Normalerweise kamen Abenteurer fast täglich am Schrein der Sieben Sterne vorbei, aber die Hexenmeisterin war ein besonderer Fall und deswegen konnte er sich nicht sicher sein, ob sie überhaupt am Schrein vorbeikommen würde. Er hoffte es und er hoffte auch, dass sie ihm helfen würde.   Emiress seufzte. »Es wirkt, als würde es mit jeder weiteren Mutation die wir zerschlagen, schwerer werden.«, murmelte sie leise. »Ich hoffe nur, dass die einzelnen Sha-Mutationen auch vernichtet bleiben, indem man sie läutert.«   »Was das angeht, habe ich schlechte Neuigkeiten auf der Versammlung zu berichten, fürchte ich.«, raunte Gilean und Emiress warf ihm einen besorgten Seitenblick zu. »Zumindest was das Sha des Hasses angeht. Laut Taoshi wurde es bereits schon einmal besiegt und geläutert. Doch es war zurückgekehrt und wie man unschwer sehen konnte, stärker als zuvor. Ich glaube auch, dass das Sha des Zweifels und der Verzweiflung irgendwann zurückkehren werden. Fast so, als würde es in ihrer Natur liegen.«   Die Priesterin sah wieder auf ihre Hände und einige schwarze Locken fielen ihr ins Gesicht. Sie ließ ihre Schultern hängen. »Das sind wirklich schlechte Neuigkeiten, mein Freund. Nun wirkt es fast so, als würden wir uns nur im Kreis drehen.« Sie seufzte abermals langgezogen und leise. »Wenn wir wüssten, welchen Ursprung das alles nur hat. Dann könnten wir genau dort angreifen. Sozusagen der Schlange den Kopf abschlagen.«   »Vorausgesetzt, es wachsen nicht zwei neue nach, wie bei einer Hydra.«, brummte Gilean.   »Ich denke nicht, dass es so ist, Gilean.«, erwiderte Emiress sanft und stand dann auch auf. Sie glättete ihre Robe mit einer Hand und nahm ihren Stab der gegen der Bank lehnte mit der anderen auf. »Möglicherweise habt Ihr Recht und es liegt einfach in der Natur des Shas wiederzukehren. Es hängt mit diesem Land zusammen, da bin ich mir sicher. Aber wir müssen es immerhin versuchen, nicht?« Sie blickte auf ihn mit einer ruhigen Entschlossenheit herab, als der Druide nickte. »Natürlich.«   »Ich werde mich nun etwas ausruhen. Die Reise war ansträngender, als ich angenommen hatte. Wir treffen uns später, oder bei der Gildenversammlung, Gilean.« Emiress neigte höflich ihren Kopf, ehe sie sich umdrehte und in das Zentrum des Schreines ging, um im Inneren der Gewölbe zu verschwinden. Der Worgen sah ihr nach, bis er sie zwischen einer Gruppe aus Menschen und Zwerge aus seinem Blick verloren hatte. Er hoffte, dass er mit seiner Vermutung nicht Recht behielt, aber ein ungutes Gefühl zog sich in ihm zusammen, als er an das Sha dachte. Er wusste einfach zu wenig und dieses Unwissen könnte sie alle in Schwierigkeiten bringen.   Aus den Augenwinkeln bemerkte er eine Gestalt, die ihm bekannt vorkam. Gilean sah genauer hin und erkannte einen kleinen, braunen Fuchs, der einem Nachtelfen hinterherlief. Er Schulterte einen Langbogen und seine blauen Haare hingen frei über seinen Schultern, während er direkt auf den Schrein zuging. »Weramor!«, rief Gilean ihm erfreut zu und der Nachtelf blieb ruckartig stehen. Seine goldenen Augen suchten seine Umgebung ab und blieben schließlich auf dem Worgen ruhen.   Der Gilneer beeilte sich zu ihm zu kommen. »Gut Euch wohlbehalten wiederzusehen. Wie war Eure Reise durch die Schreckensöde?«, fragte Gilean und musterte Weramor. Er blieb mit seinen Augen verwundert bei den Stiefeln des Nachtelfen hängen, die merkwürdigerweise sehr sauber aussahen. Auch seine Hose und sein Reiseumhang wirkten durch die Erkundung nicht in Mitleidenschaft gezogen, oder dreckig. Hatte sich der Jäger etwa gewaschen, ehe er zum Schrein zurückgekehrt war?   Weramor wirkte etwas überrumpelt den Druiden zu sehen. Er sah ihn zurückhaltend in die Augen. »Danke, sie war... Erkenntnisreich.«   Gilean hob eine Augenbraue. Bildete er sich das nur ein, oder versuchte Weramor etwas zu verstecken? »Wie schlimm ist der Befall des Shas in der Schreckensöde? Wie weit konntet Ihr vordringen?«, fragte er, doch der Nachtelf schüttelte seinen Kopf. »Er ist sehr weit fortgeschritten und der Befall ist sehr extrem. Ich bezweifle, dass man ihn irgendwie eingrenzen kann.«   »Wisst Ihr, woher die Ausbreitung stammt? Ist es weiter im Inneren noch schlimmer als nahe an der Mauer?«, fragte Gilean und seine Ohren drehten sich hoffnungsvoll. Vielleicht konnte er Weramor jetzt schon etwas mehr entlocken und musste nicht bis morgen zur Versammlung warten. Möglicherweise würde Weramor ihm etwas erzählen können, womit er das Puzzle in seinem Kopf vervollständigen und die fehlenden Zusammenhänge finden konnte.   Weramor senkte aber lediglich seinen Blick. »Die Schreckensöde ist groß und ich kam nur sehr langsam voran. Die Mantis sind beunruhigend aktiv und feindselig. Es blieb mir verwehrt, mich in jedem Winkel umzusehen. Ein Zentrum des Befalls konnte ich leider nicht feststellen.«   Der Worgen zog seine Augenbrauen zusammen, als er das hörte. Weramor war ein begnadeter Späher und ausgezeichneter Erkunder, der Beste, den er kannte. Dass es ihm nicht gelungen war, sich ausreichend in der Schreckensöde umzusehen, klang fast schon absurd. Gilean seufzte leise und enttäuscht, er hatte etwas anderes erwartet. »Schade, ich dachte, dass Ihr etwas über den Ursprung herausfinden konntet «.   Der Jäger schüttelte entschieden seinen Kopf. »Bedaure, nein.«, er wollte sich gerade abwenden, als er inne hielt und ein kurzer Augenblick verstrich. »Aber ich habe eine eigenartige Entdeckung gemacht.«, murmelte er leise und öffnete seine Tasche. Gilean beobachtete Weramor aufmerksam dabei, wie er einen Dolch herauszog. Er war mit getrocknetem Blut verschmiert und wirkte merkwürdigerweise zierlich und edel. Der Griff war mit Steinen verziert, die wie Bernsteine funkelten, ebenso wie die Blätter der Klinge. »Ich vermute, es ist ein Ritualdolch. Ich konnte leider nicht herausfinden, für welche Art von Magie er genutzt wurde, aber vielleicht könnt Ihr dies in Erfahrung bringen.«   Gilean hob seinen Kopf und sah Weramor fragend an. »Ich bin der Magie nicht sonderlich bewandert. Aber vielleicht kann Ace herausfinden, was es mit dem Dolch auf sich hat?«   »Ich hatte gehofft, dass Ihr den Dolch demjenigen geben würdet, der herausfinden kann, welche Art von Zauber mit dem Dolch gewirkt wurde, Gilean.«, sprach Weramor verbissen. »Ich habe ihn aus den toten Klauen eines Mantis geborgen. Scheinbar hat er mit einem anderen seiner Art gekämpft.«   Die Ohren des graumähnigen Worgen zuckten unbehaglich. »Ein Mantis? Gekämpft gegen einen anderen?«, fragte er ungläubig nach und sah auf den Dolch hinab. Nach einigen Herzschlägen nahm er ihn schließlich an sich. Konnte es möglich sein, dass Sha Energie im Spiel war? Ebenso, wie bei dem Mantiden unterhalb des Niuzaotempels und seinem sonderbaren Artefakt? Er würde wohl sichergehen müssen und dies herausfinden.   Weramor zuckte mit seinen Schultern. »Es sah für mich auf jeden Fall so aus. Vielleicht wird Euch der Dolch ein paar Informationen diesbezüglich liefern. Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich bin erschöpft von der langen Reise.«, sprach er und wollte sich bereits abwenden.   »Bitte wartet eben, Weramor.«, hielt Gilean ihn zurück und der Nachtelf blickte über seine Schulter zu ihm zurück. »Ist irgendetwas vorgefallen? Holora und auch mir ist aufgefallen, dass Ihr Euch immer mehr zurückzieht. Gibt es etwas, was wir für Euch tun können?«   Der Blick des Nachtelfen wurde kurz nachdenklich und einen Wimpernschlag später hart wie Stein. »Mit dieser Vermutung, seid Ihr nicht die einzigen.«, erwiderte er schnippisch.   Gilean legte seine Ohren an. »Holora macht sich große Sorgen um Euch und ich ebenso.«, setzte er an, doch Weramor fuhr ihm ins Wort. »Das müsst Ihr nicht!« Seine Gesichtszüge entspannten sich etwas, während er auch wieder ruhiger sprach. »Ihr müsst Euch keine Sorgen um mich machen und Holora sollte das ebenso wenig. Ich komme mit meinen Problemen alleine zurecht.«   Der Worgen sah Weramor zurückhaltend an, doch ehe er etwas weiteres sagen oder fragen konnte, setzte der Jäger seinen Weg zum Schrein fort. »Es gibt Dinge, die Ihr besser nicht versteht, alter Freund.«, sprach der Nachtelf über seine Schulter, ehe er wieder geradeaus blickte. Seine Füchsin folgte ihm und beide verschwanden im Inneren des Schreins, wie zuvor schon Emiress.   Gilean sah Weramor mit seinen blauen, wachsamen Augen nach. Jetzt verstand er langsam, was Holora damit meinte, dass er sich verändert hatte, doch warum? Warum wollte sich der Nachtelf nicht jemanden anvertrauen? Scheinbar war eine Wendung in das Leben des Jägers getreten, von der weder er, noch Holora, oder die restliche Mondsucht etwas wussten. Vielleicht hing es mit seiner Vergangenheit zusammen, oder mit etwas, was kürzlich geschehen war und Weramor belastete. Der Druide konnte diese Fragen nicht beantworten. Er konne sich nicht erklären, warum Weramor so reagierte, aber er hatte Recht. Es gab Dinge, die er nicht wissen musste und er war zuversichtlich, dass der Nachtelf mit seinen Problemen umgehen konnte, wie von ihm angekündigt.   Unweigerlich musste Gilean seufzen und sah hinauf in den Himmel über sich. Er hoffte nur, dass die Verschwiegenheit des Jägers kein möglicher Anfang für einen größeren Konflikt innerhalb der Gilde darstellte.           Je größer und eindrucksvoller der Schlangenrücken vor ihnen aufragte, desto unruhiger wurde die Stimmgabel in ihrer Klaue und sonderte ihre vibrationsartigen Schwingungen aus. Der Windschnitter flog mit Struana und Kovok auf dem Rücken über den gewundenen Stamm des Kyparis, welcher riesig über ihnen ragte. Es wirkte auf Struana so, als wäre der Baum mehrere tausend Jahre alt, ebenso wie die Getreuen selbst, nur dass sie die Zeit im Amber überdauert hatten. Die Worgen drückte den Kunchong fester an sich, damit er nicht aus Versehen ihren Klauen entglitt, doch merkwürdigerweise verhielt sich Kovok sehr ruhig. Fast schon, als wäre er angespannt und beobachtete die Landschaft, die sich unter ihm herzog.   So weit im Süden, fernab der zerstörten Narbe, in der die Energien des Sha nur so um sich schlugen, wirkte die Landschaft fast schon schön. Sah man mal von den sterbenden Bäumen, der ungesunden Färbung des Grases und dem öden Boden ab. Struanas Blick fiel auf einen See, über dem feine Nebelschleier hingen und ihm sogar etwas mystisches verlieh. »Da ist ein See.«, rief sie Kil'ruk gegen den Wind entgegen, der um ihr Fell blies.   Der Windschnitter zischte energisch. »Das sehe ich selbst, Dummkopf!«, knurrte er genervt, beruhigte sich allerdings schnell wieder. »Ich kann mir nicht sicher sein, aber ich gehe davon aus, dass die Saurok ein Lager am Sternensee errichtet haben.«   »Sternensee?«, fragte Struana und sah auf den nebelverhangenen See hinab. »Warum denn Sternensee?«, fragte sie interessiert. Was merkwürdig schöner Name für ein Gewässer, welches jenseits der Mauer lag. Andererseits war es auch ein absurder Name für einen See, welches in einem Gebiet ohne wirklichen Himmel lag.   »Zur Zeit meines Schwarms spiegelten sich bei Nacht die Sterne auf der Oberfläche und beleuchteten ihn.«, krächzte Kil'ruk und drehte bei. Er flog einen Bogen um den See, während sein Blick konzentriert auf den Boden unter sich gerichtet war.   »Oh.« Die Worgen legte ihre Ohren an. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass sich der Windschnitter auf alte Zeiten beziehen würde. Doch natürlich musste er dies, wahrscheinlich wusste er es einfach auch nicht anders. Er und alle anderen Getreuen stammten aus jeweils einem anderen Zeitalter, einer anderen Ära, anderen Generationen. Die drastische Veränderung der Schreckensöde musste für ihn ebenfalls sehr merkwürdig und vor allem gewöhnungsbedürftig sein.   Kil'ruk war angespannt, während er über die Zwitscherküste hinweg flog und den Sternensee in einem enormen Abstand zum Boden absuchte. Struana starrte auf die Stimmgabel. Sie vibrierte, doch konnte sie nichts ausmachen. »Ihr müsst tiefer fliegen, Kilruk.«, rief sie ihm zu. »Die Stimmgabel ist nutzlos wenn wir von der Höhe zu weit entfernt sind.«   Der Windschnitter zischte leise. »Ich hatte gehofft, mich nicht den Saurok zeigen zu müssen, bis wir den Getreuen orten können.« Er drehte seinen Kopf über die Schulter und sah sie mit einem seiner jadegrünen Augen an. »Ihr habt Eure Waffe in Klaxxi'vess gelassen, Erweckerin. Außerdem müsst Ihr auf den Kunchong aufpassen.«   Struana drehte ihre Ohren zu ihm. »Ich werde zurechtkommen, Kil'ruk. Dank Malik benötige ich nicht mehr unbedingt meine Waffe. Es sind immerhin nur Saurok. Außerdem...«, sie grinste und entblößte ihre mit Kyparit überzogenen Reißzähne. »Ihr seid in meiner Nähe. Schließlich müsst Ihr auf mich aufpassen.«   Der Windschnitter zischte laut und frustriert, doch die Kriegerin ignorierte ihn - immerhin war dies ihre kleine Rache für den 'Dummkopf gewesen - und beobachtete die Stimmgabel in ihrer Klaue, während er tiefer flog. Knappe zehn Fuß trennten sie noch von dem Boden und Struana sah sich aufmerksam um, während die Stimmgabel heftiger ausschlug.   Kil'ruk zischte, als unter ihm die brüllenden, kehligen Schreie laut wurden, welche die Saurok von sich gaben. Sie hatten ihn gesichtet. Natürlich, schließlich präsentierten sie sich wie auf dem Silbertablett, indem sie knapp über dem Lager vorbei flogen. Die Worgen versuchte sich zu konzentrieren, als ihr Blick auf ein Erdloch zu ihrer Rechten fiel. »Fliegt nach rechts!«, koordinierte sie den Windschnitter welcher - zu ihrer eigenen Erleichterung - ohne zu Zögern oder Mosern ihrem Wunsch nachkam.   Struana beugte sich gefährlich weit von seinem Rücken zur Seite und hielt die Stimmgabel weiter nach unten, wobei sie heftiger ausschlug, als Kil'ruk über dem Erdloch hinweg flog. »Ich glaube, der Getreue ist da drin!«, rief sie und erwartete bereits, dass der Windschnitter nach unten in das Erdloch stürzen würde. Erwartungsvoll spannte sich die Worgen an doch der Windschnitter schwebte auf einer Stelle in der Luft. Struana drehte ihre Ohren und sah von dem Loch auf und fasste die hellen, reptilienhaften Leiber der Saurok in ihren Blick. Sie sammelten sich direkt unter ihnen, brüllten und schrien ihnen entgegen.   »Sie sind auf einen Angriff vorbereitet. Sie erwarten, dass ich nach unten fliege.«, krächzte der Windschnitter und wich einem Speer geschickt zur Seite aus, der von einem der Saurok zu ihm in die Luft geschleudert wurde. Er zischte leise und klickte mit seinen Kieferzangen gegeneinander.   »Ja und? Schließlich müssen wir ja auch da runter.«, entgegnete Struana ungehalten. Sie fragte sich, warum er zögerte. Schließlich war er sonst auch so hitzig und impulsiv in seinen Handlungen.   Kil'ruk schüttelte seinen Kopf und klickte amüsiert mit seinen Kieferzangen. »Ich überrasche mich selbst.«, krächzte er leise, während er zur anderen Seite flog, um einem Haken auszuweichen, an dem ein Seil befestigt war. Er landete mit einem dumpfen Aufprall zurück auf den Boden neben einem Saurok. Dieser brüllte den Hakenwerfer erbost an, doch der Windschnitter schien dieses Spektakel weniger Beachtung zu schenken. »Macht Euch bereit, Erweckerin. Ich werde Euch direkt dort hinein schleudern.«   »Wa-?«, doch weiter kam die Worgen mit ihrem Wort nicht, denn plötzlich flog der Windschnitter ruckartig steil nach oben in die Luft. Sie versuchte sich krampfhaft an ihm festzuhalten während sie glaubte sich verhört zu haben. Er wollte sie direkt hinein schleudern? Sie war doch kein Wurfgeschoss! Der Wind riss an ihr, ebenso wie sie die Schwerkraft erbarmungslos hinunterzog. Sie kratzte mit ihren Klauen über Kil'ruks Chitinpanzer, während sie immer weiter von ihm hinunterrutschte. Panik stieg in ihr auf, als sie mit ihren Beinen den Halt verlor und von seinem Rücken glitt.   Struana drückte Kovok entsetzt an ihre Brust und ein verzweifeltes Jaulen verließ ihre Lefzen, während sie sich nur noch mit einem Arm um Kil'ruks wespenähnliche Tailie festhalten konnte. Sie würde abstürzen, ganz gleich was der Windschnitter vorhatte, er würde nicht so weit kommen. Die Luft pfiff um ihre Ohren und die schwindelnde Höhe in der sie sich gerade befand, jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken, während sie krampfhaft versuchte, sich festzuhalten.   Plötzlich drehte sich der Windschnitter ruckartig in der Luft, packte sie grob am Bein und zog sie von seinem Leib. Struana versteifte sich und kniff ihre Augen zusammen, während sie den Halt um Kil'ruk verlor. Sie fiel - nein - doch nicht? Etwas hielt sie. Das Herz klopfte der Worgen bis zum Hals, als sie einen kalten Druck spürte und etwas, das sie nahezu umarmte. Die Worgen öffnete ihre Augen wieder und erkannte die violette Schulterplatte des Windschnitters. Seine Vorderbeine waren ausgeklappt und drückten den unteren Teil ihres Körpers an sich, während seine Arme auf ihrem Rücken ruhten.   Struana blickte nach oben, doch sie erkannte nur die Kieferzangen, die leise gegeneinander schlugen, während sie zusammen mit Kovok gegen seine Brustplatte gedrückt wurde. »Ihr müsst den Wind fühlen, Erweckerin.«, krächzte Kil'ruk leise und neigte seinen Kopf zu ihr herab, sodass er sie mit seinen jadegrünen Augen ansehen konnte. Die Worgen hörte, wie das summende Geräusch seiner schlagenden Flügel leiser wurde. »Vertraut mir.«   Mit diesen Worten erstarb das Summen seiner Flügel gänzlich und Kil'ruk ließ sich mit Struana fallen. Sie hörte nur noch den Wind, der um ihre Ohren blies, während sie rasend schnell den Boden auf sich zukommen sah. Doch wundersamer weise empfand die Worgen keine Panik mehr oder gar Angst. Nur kribbelnde Aufregung und Adrenalin, welches ihr Körper ausschüttete, während sie immer tiefer stürzten.   Struana erkannte die Saurok, die sich mehrere Schritte vom Eingang entfernt, direkt unter ihnen versammelt hatten, immer größer werden. Sie warteten scheinbar darauf, dass der Mantid direkt in dem Boden aufschlagen würde, denn sie bildeten einen Kreis unter ihnen. Struanas Herz raste, während sie Kovok spürte, der sich das erste mal auch wieder knapp bewegte.   Dann schlug Kil'ruk wieder mit seinen Flügeln. Er spannte sie auf und Struana merkte, wie sie mit ihm vom Fall abgebremst wurde, während sie über den Köpfen der Saurok, wie eine Kanonenkugel, davonflogen. Der Windschnitter hatte den Schwung des Sturzes genommen, um nun mit einem aberwitzigen Tempo und im hohen Bogen, direkt zu der Öffnung des Erdlochs zuzufliegen. Seine Vorderbeine lösten sich von ihrem Körper, während er scharf in der Luft bremste und Struana vom Ruck hinein katapultiert wurde. Die Worgen flog mit den Füßen voraus in die Dunkelheit der unteririschen Höhle hinein und landete hart auf dem festgetretenen, erdigen Boden. Sie überschlug sich einige Male und verlor Kovok, ebenso wie die Stimmgabel, während ihr Körper an Schwung verlor und sie schließlich reglos liegen blieb.   Struana blinzelte benommen durch die Dunkelheit und hob ihren Kopf langsam an. Die Landung würde sie noch üben müssen, auch wenn sie hoffte, dass sie das nie wieder machen musste. Das Adrenalin wurde noch immer in ihrem Körper ausgeschüttet und sie fühlte sich beflügelt, als sie sich bereits langsam wieder aufrappelte. Ihre Knie waren weich, während sie Kil'ruks kriegerisches Kreischen und das Brüllen der Saurok vom Eingang der Höhle zu sich hallen hörte. Kovok lief zu ihren Beinen und kratzte mit seinen Sichelklauen sanft gegen ihre Fußfesseln. Die Worgen beugte sich kurz zu ihm hinab und strich ihm prüfend über den Chitinpanzer. Erleichtert atmete Struana auf. Dem Kleinen war glücklicherweise bei ihrer ungeschickten Landung nichts passiert.   Der Lärm des Kampfes riss sie aus ihren Gedanken und sie sah sich suchend in der Höhle um. Schließlich hatte sie das Wurfgeschoss nicht ganz freiwillig gespielt, sondern um einen Getreuen ausfindig zu machen. Die Kriegerin drehte ihre Ohren aufmerksam, während sie zu ihrer Rechten zur Wandseite starrte. In der Erde war ein großer Bernstein zur Hälfte ausgegraben worden. Er steckte einen knappen Meter über dem Boden in der Seite und der Decke der Höhle. Überdeckt wurde er von mehreren Wurzelkanälen der kleinen Bäume, welche an der Oberfläche wuchsen. Struana ging näher heran und untersuchte den Bernstein. Er war groß, es musste das Bernei eines Getreuen sein. Doch wie würde sie ihn aus dem Erdreich herausbekommen?   Die Stimmgabel! Die Worgen legte ihre Ohren an und tastete hektisch an sich herab. Sie hatte die Stimmgabel die ganze Zeit in den Klauen gehabt, auch noch als sie zusammen mit Kil'ruk gefallen war - was, wie sie jetzt zugeben musste unglaublich gewesen war - und dann-   Mit leuchtenden Nebelschleiern vor ihren Augen sah sich Struana auf dem Boden um. Bei dem ersten Aufprall hatte sie zusammen mit Kovok auch die Stimmgabel fallen gelassen. Sie musste fortgeschleudert worden sein, doch irgendwo hier musste sie ja herumliegen. Der Kunchong gab einen leisen, furchteinflößenden Laut von sich, während Struana eilig den Erdboden absuchte.   »Selbst im Schlaf höre ich ihre Angst.«   Die Worgen hielt inne und sah sich angespannt in der Höhle um. Sie war dunkel, doch ihre Umgebung bewegte sich nicht. Angestrengt lauschend versuchte sie etwas zu hören, doch außer dem Kampfeslärm von Kil'ruk und den Saurok die sich nach wie vor an der Oberfläche bekämpften, hörte sie nichts. Gerade hatte doch jemand gesprochen? Oder hatte sie sich das nur eingebildet? Vorsichtig blickte Struana wieder auf den Boden um sich und entdeckte die Stimmgabel. Sie bückte sich, um sie aufzuheben, als die geheimnisvolle Stimme ein weiteres mal an ihre Ohren drang.   »Ihr Verstand... Ihr Körper... Von solch unfassbarer Furcht erfüllt...« »Die Kaiserin ist nicht mehr in der Lage, das Reich zu regieren.«   Struana hielt inne und sah über die Schulter zu dem Bernstein, welcher von Erde und Wurzelwerk umschlossen war. Nein, sie bildete sich diese Stimme nicht ein. Sie kam von dem Bernei, oder viel mehr von dem Getreuen, welcher hinter der Schale schlummern sollte. Doch schien er nicht zu schlafen. Er war wach und sprach flüsternd zu sich selbst, oder etwa mit ihr? Wie war das möglich? War dieser getreue möglicherweise auch jemand, der in ihrem Kopf sprechen konnte und sie hörte die Stimme eigentlich nur in ihrem Kopf? Die Worgen ging langsam zu dem Bernstein und hob die Stimmgabel hoch, welche ohne Unterlass vibrierte und die bekannten, summende Klänge von sich gab.   »Eine Präsenz ist nahe! Jemand dort draußen kann mich hören!« Die geheimnisvolle Stimme wirkte fast schon euphorisch. Die klickenden und rasselnden Geräusche der Mantis, schwangen in seiner Stimme mit, als der Bernstein knackend Risse bekam. »Es... es ist jedoch kein Klaxxi.«   Ein erneugtes, lautes Knacken ertönte von dem Bern bei dem Struana fast erschrak. Es hörte sich fast so an, als wäre der Bernstein in der Mitte komplett durchgebrochen, doch keine Flüssige Substanz wollte aus dem Bernei hervortreten. Und das obwohl die Stimmgabel inzwischen so stark, wie noch nie zuvor vibrierte und die Töne sich zu einem lauten Brummen gehoben hatten. Die Worgen ging noch näher und hob eine ihrer Pranken um den Bernstein direkt zu berühren. Die Schale war nach wie vor hart und verflüssigte sich nicht. Doch warum nicht? Struana verengte ihre bernsteinfarbenen Augen. Irgendetwas lief anders als bei den anderen Getreuen. Warum-?   Doch dann spürte sie die harte Überfläche des Berneis etwas weicher werden. Warum dauerte das nur so lange? Der Getreue war bereits wach. Er musste doch atmen wollen! Struana nahm die Stimmgabel zwischen ihre Kiefer, während sie mit ihren Klauen in den Riss hineingriff und versuchte die einzelnen Bernplatten herauszuziehen. Sie stemmte sich dagegen, während das Artefakt immer noch heftig schwang und ihren Kopf durchschüttelte. Plötzlich ließ der Wiederstand nach und die äußere Hülle sprang auf. Struana erkannte zu spät, dass eine zweite Schicht, welche direkt unter der ersten lag, die Flüssigkeit beisammen hielt. Sie sprang unter den Tönen des Artefaktes auf und die Worgen wurde mit der klebrigen und noch immer dickflüssigen Substanz überschüttet, ehe ihr der schwere Leib des Getreuen entgegen schwappte und sie unter sich begrub.   Im ersten Augenblick war es der Worgen nicht möglich zu atmen, doch nach und nach verflüssigte die dickflüssige, harzige Masse immer mehr und floss an ihr herab. Es verklebte Struanas Fell gänzlich und sie schnappte japsend nach Luft. Sie stemmte ihre Arme in den Boden und versuchte aufzustehen, aber etwas schweres lag quer über ihrem Rücken und hinderte sie daran. Die Worgen hob ihren Kopf und sah über ihre Schulter. Der Getreue war direkt auf sie drauf gefallen - nun gut, eigentlich zusammen mit der Ambermasse geschwappt. Er zitterte mit seinen Fühlern und atmete erschöpft und röchelnd. Der Getreue trug keinen Helm und so konnte Struana erkennen, wie er müde blinzelte. »Endlich ist... meine Zeit gekommen.«, krächzte er kehlig.   Struana legte ihre Ohren an und unternahm einen weiteren Versuch, sich unter dem großen Mantis herauszugraben. Denn sie wusste, was als nächstes folgen würde. Eine Reaktion, die gezwungenermaßen jeder neu erweckte Getreue von sich gab.   Der Getreue schien sie endlich auch bemerkt zu haben, denn er versuchte sich etwas aufzurichten. Die Worgen kroch schnell unter ihm heraus, ehe er sich würgend und zitternd verkrampfte und die flüssige Bernsubstanz erbrach. Die Worgen setzte sich auf und seufzte erleichtert, während der Getreue hustete, erneut würgte und einen weiteren Schwall der Substanz ausspuckte. Immerhin war sie vor diesem Sekret am heutigen Tag verschont geblieben. Schlamm, Salzwasser, Dreck, Amber... Das hatte sie sich sparen können.   Struana betrachtete den Mantiden nun etwas genauer. Er trug so gut wie keinen Schmuck, nur Ringe zierten je einen seiner Beine, ebenso wie kleine, fast unscheinbare Schulterplatten in der selben Färbung wie sie der Windschnitter trug. An den violetten und perlmuttfarbenen Schulterplatten hingen noch ein paar Tropfen der ablaufenden Flüssigkeit, welche langsam hinunterrannte. Der Getreue hatte weder herauswachsende Sicheln aus seinen Unterarmen, noch Flügel. Dafür war seine Statur sehr kräftig und groß. Seiner breiten Statur zum Trotz wirkte er dennoch irgendwie unscheinbar, wenn sich Struana die vorhergehenden Getreuen in ihr Gedächtnis rief.   Die Worgen drehte ihre Ohren, während Kovok sie in die Seite pikste und furchteinflößende Laute von sich gab. Der Getreue hatte zu ihr gesprochen, das konnte sie sich nicht eingebildet haben. Er war die ganze Zeit wach und er hatte etwas über die Kaiserin gesagt. Doch wie war das möglich gewesen? Kann es sein, dass er kurze Zeit vorher erwacht war?   Der Getreue richtete sich langsam und wackelig auf seine Beine, wobei seine angewinkelten Vorderbeine vorschnellten und ihm zusätzlichen Halt verschafften. Auch Struana stand auf und beobachtete ihn verwundert, während sie die Stimmgabel vom Boden aufhob und in ihre Gürteltasche gleiten ließ. Der Mantis beobachtete sie auch seinerseits, doch zu ihrem Verblüffen nicht entsetzt oder feindselig, sondern interessiert. Seine langen Fühler zuckten träge, während sein Blick ihrer Klaue gefolgt war und schließlich bei ihrer Gürteltasche hängen blieb, als sie das Artefakt verstaut hatte. Er wirkte unglaublich ruhig, im Gegensatz zu den anderen Getreuen, die sie erweckt hatte. Selbst Malik war bei seinem Erwachen nicht ganz so ruhig geblieben. »Ich habe sehr lange geschlafen, Erweckerin. Viel länger, als ich es für möglich gehalten hätte.«, drang seine Stimme rasselnd und sehr tief aus seinem Brustkorb heraus. Struana war fasziniert von der Neutralität, die er ausstrahlte. Er erkannte, dass sie die Erweckerin war und dennoch, sprach er sie nicht darauf an, was sie war? Er blinzelte sie mit seinen jadegrünen Augen abwechselnd an, während seine Kieferzangen sanft gegeneinander schlugen. »Der Amber hat mich am Leben gehalten, während ich schlief. Aber über die Jahre spürte ich, wie seine Kräfte nachließen. Hättet Ihr mich nicht rechtzeitig geweckt, dann wäre ich in den ewigen Schlaf gesunken.« Er neigte seinen Kopf leicht zur Seite und blinzelte abermals, als er sie musterte. »Was für eine merkwürdige Kreatur Ihr seid.«   Struana drehte ihre Ohren leicht, während der Getreue sachte zu ihr sprach. Seine tiefe Stimme wirkte respekteinflößend auf sie und sie fühlte sich in seiner Gegenwart fast mickrig. Er hatte sie nicht beleidigt, noch versuchte er sie angriffslustig zu vertreiben, sondern schien zu akzeptieren, dass sie - eine merkwürdige Kreatur - seine Erweckerin war. Die Kriegerin konnte es kaum fassen, während er sie erwartungsvoll anblinzelte. Sie starrte zurück, geradewegs in seine Augen. Sie wirkten sehr weise und gemeinsam mit seiner disziplinierten Art beschlich sie das Gefühl, dass dieser Mantis alles wissen musste.   »Ich-«, begann sie doch sie musste Schlucken. Ihr war die Stimme versagt und sie schob es auf die Anspannung. Doch weshalb empfand sie eine solche Anspannung und vor allen Dingen einen solchen Respekt diesem Getreuen gegenüber? »Ich bin eigentlich ein Mensch. Meine Nation wurde von einem uralten Fluch heimgesucht, deswegen teile ich die Gestalt eines Tieres. Eines Worgen.«   »Das ist... verwunderlich.«, murmelte der Getreue brummend, während er versuchte sein Gewicht von einem Bein auf das andere zu verlagern. Struana beschlich das Gefühl, dass er ihr nicht folgen konnte, denn er betrachtete seine Umgebung, oder viel eher den Boden unter seinen Füßen, als wolle er sichergehen, dass er ihn kannte. »Wer seid Ihr?«, fragte sie, während der Mantis seinen Blick langsam wieder zu ihr hob. Doch anstatt sie anzusehen, sah er über Struana hinweg.   »Erster? Korven?«, fragte Kil'ruk ungläubig krächzend vom Höhleneingang aus und stieg zu den Beiden unter die Erde. An seinen Dolchen, sowie auch an seinen Vorderbeinen klebte frisches Blut, welches von den Saurok stammen musste, die er vor dem Höhleneingang getötet hatte. Er bewegte sich langsam auf den Getreuen zu, während er ihn ungläubig musterte. Struana beobachtete Kil'ruk mit gerunzelter Stirn. Er wirkte fast schon ehrfürchtig, während er an ihr vorbei ging und vor ihm hielt. Mehrere schweigsame Augenblicke verstrichen, ehe der Windschnitter ihm seine Hilfe anbot.   Korven ließ sich bereitwillig helfen und umfasste mit seiner klauenartigen Hand einen Stachel der Schulterplatten des Windschnitters, während dieser ihm unter dem Arm griff. »Der und kein anderer.«, raunte Korven und stützte sich an Kil'ruk ab. »Und mit wem habe ich die Ehre?«   Der Windschnitter betrachtete den Ersten fasziniert, der weder eine besondere Rüstung, noch ausgefallenen Schmuck, geschweige denn Flügel besaß. »Kil'ruk der Windschnitter.«, krächzte er und folgte Korvens Blick, der wieder Struana betrachtete. Scheinbar versuchte er sich einen Reim darauf zu machen, wie ihr die Rolle der Erweckerin zuteil gekommen war. »Ihr müsst diese unwissende, dumme, Niedere entschuldigen, Erster. Dass sie die Erweckerin ist, ließen die vorhergehenden Umstände nicht anders zu.«   Die Worgen verdrehte genervt ihre Augen und wandte sich von ihnen ab. Musste Kil'ruk immer mit Beleidigungen ihrer Person betreffend so weit ausholen? Wenn es der erweckte Getreue nicht tat, musste er es auch nicht. »Wir haben nicht damit gerechnet einen weiteren Getreuen zu finden, aber es ist eine Ehre, gerade Euch aus dem Schlaf erweckt zu haben, Erster.«   Korven zischte langgezogen. Rau und kehlig klang seine Stimme, während er sprach. »Ich kann kaum stehen, Windschnitter. Ich muss essen.« Erst jetzt bemerkte Struana, dass sogar Kil'ruk etwas in die Knie gegangen war, aufgrund des zusätzlichen Gewichtes, welches er stemmte. »Ihr habt nicht an flüssiges Amber gedacht, nehme ich an?« Struana engte ihre Augen ein wenig, während ihr Blick auf dem Ersten lag. Noch Momente zuvor hatte er mit ihr in einem völlig anderen Ton gesprochen. Nun wirkte es, als würde Korven Kil'ruk wie einen Niederen ansprechen, oder bildete sie sich das nur ein?   Der Windschnitter schüttelte seinen Kopf, während er auf Korven zu seiner Seite herabblickte. Im Grunde genommen war Korven etwas größer, aber wegen der Schwäche des Ersten wirkte er kleiner und in sich zusammengesunken. »Dann müssen wir improvisieren.«, knurrte Korven. »Bringt mich raus aus diesem Loch. Ich war zu lange im Erdreich. Ich möchte die Musik von tausend Flügeln über mir singen hören.«   Kil'ruk zögerte ein wenig, ehe er sich zu dem Ausgang der Höhle bewegte. »Ich denke Ihr werdet enttäuscht sein, Erster. Vieles hat sich verändert.«   »Davon gehe ich aus.«, brummte Korven und bewegte sich langsam, aber erhaben, während der Windschnitter ihn führte.   Struana blickte auf Kovok zu ihren Füßen hinab, ehe sie den beiden nach draußen folgte. Kil'ruk wirkte fast wie ausgewechselt. Es musste einen Grund hinter seinen zuvorkommenden Art dem Ersten gegenüber geben. Dem Manipulator war er impulsiv und ignorant gegenübergetreten. Korven allerdings schien seine volle Aufmerksamkeit zu genießen und dabei sprach er ihn in einem Befehlshabenden Ton an. Es musste an dem Ersten liegen, daran bestand kein Zweifel. Irgendetwas war besonders an ihm, und zwar so besonders, dass der Windschnitter eine große Ehrfurcht ihm gegenüber verspürte. Sie musste unbedingt mehr über den Ersten herausfinden.   Kovok folgte Struana, während sie aus dem Erdunterschlupf trat. Korven zog die Luft scharf ein, während er sich seine Umgebung genau ansah. Seine Augen waren nachdenklich zur Hälfte verschlossen und er wirkte fast schon enttäuscht, während er über die mit toten Gras bewachsenen Hügel und in den schwarzen Himmel über sich blickte. Seine Fühler zuckten angestrengt, als würde er versuchen sich zu konzentrieren, dennoch blieb er ruhig, während Kil'ruk ihn über die toten Leiber der Saurok führte. Struana versuchte auf keinen der leblosen Körper zu treten, die vor dem Eingang verstreut lagen. Sie rümpfte ihre Nase, während sie die Wunden betrachtete, aus denen immer noch Blut floss und in kleinen Rinnsalen in den See lief. Ihre empfindliche Nase nahm den Gestank auf und ihr glaubte beinahe schlecht zu werden. Gut, dass der Windschnitter den Getreuen weiter weg von den toten Saurok führte.   Korven ließ den Windschnitter nach weiteren Schritten schließlich los und kauerte sich auf den Boden. Sein Kopf war nach unten geneigt, als würde er die kleinen Wasserrinnsale beobachten, die von den unscheinbaren Wellen des Sternensees herangespült wurden. »Ich muss essen. Und ich brauche Amber.«, zischte er gereizt und Struana legte seine Ohren an, während der Windschnitter zu ihm herabsah. Sie erkannte, wie entkräftet der Getreue wirklich war. Er war kaum in der Lage sich zu bewegen. »In dem See verlief zu meiner Zeit eine Amberader. Vermutlich ist sie mit der Zeit geschrumpft, aber es sollten noch Reste fossilisierten Ambers übrig sein.« Sein Blick fiel auf die Worgen und sie spürte ein merkwürdiges Kribbeln in sich aufsteigen.   Kil'ruk zischte frustriert, während er über die Nebelverhangene Oberfläche des Sees starrte. Dann sah er sich nach Struana um. »Ihr werdet auf den Grund tauchen und die Fossilien bergen.«, krächzte er. Die Kriegerin zuckte mit ihren Ohren, während sie ihre Kapuze nach hinten von ihrem Kopf strich. Kurz wollte sie den Windschnitter herausfordern, da sie sich fast sicher war, dass er noch nicht einmal schwimmen konnte. Schließlich ähnelte der Körper eines Mantis doch mehr einem Insekt, auch wenn das Volk fast menschlich wirkte, doch sie schluckte ihren bissigen Kommentar hinunter. Sie hatte ohnehin vorgehabt, sich das klebrige Harz aus dem Fell zu waschen, ehe sie zurück nach Klaxxi'vess kehren würde. Eine ihr übertragene Aufgabe mit dem Eigennutz verbinden. Aus diesem Grund nickte sie nur stumm.   Die Worgen neigte ihren Kopf zu Kovok. »Du bleibst hier und passt auf den Getreuen auf.«, murmelte sie ihm zu und der Kunchong hob seine Sichelklauen in die Luft, wobei er einen leisen, furchterregenden Laut von sich gab. Sie schmunzelte zufrieden und ohne weitere Zeit zu verschwenden - in der sie wieder Ziel von Kil'ruks Beleidigungen werden konnte, watete sie in das Wasser hinein.   Das Wasser des Sees war kalt und eine Gänsehaut bildete sich auf der Haut unter ihrem Fell, als dieses aufweichte. Das Wasser stand ihr inzwischen bis zur Hüfte und plötzlich verlor sie den Halt unter ihren Pfoten. Sie gab ein erschrockenes Zischen von sich - bei Graumähne war das kalt! - und begann zu schwimmen. Als sie glaubte weit genug geschwommen zu sein - zumindest war der See nun um einiges tiefer - holte sie tief Luft und tauchte unter.   Die Wassermassen verschlangen die Worgen gänzlich, während sie mit der Stille des Sees verschmolz. Sie tauchte zu dem Grund des Sees und versuchte blinzelnd etwas zu sehen, doch nur verschwommene Umrisse konnte sie ausmachen. Natürlich hatte sie nichts anderes erwartet, aber sie hatte zumindest gehofft, wenigstens etwas sehen zu können. Das fossile Amber schien sich auch nicht von normalen Steinen irgendwie hervorheben zu wollen, weswegen sie gezwungen war, nach einer bestimmten Zeit wieder an die Wasseroberfläche zu schwimmen. Struana schnappte nach Luft, als sie die Oberfläche durchbrach und blinzelte sich das Wasser aus den Augen. Sie sah sich in der Mitte des Sees um, während sie von dem Nebel direkt über sich förmlich eingeschlossen war.   Ihr Blick fiel auf einen unscheinbaren, orangenen Punkt, welcher durch die Wasseroberfläche leicht schillerte und etwas besser zu erkennen war. Sofort holte sie tief Luft und tauchte erneut zu diesem Punkt. Vielleicht würde sie beim zweiten Mal mehr Glück haben, in dem sich die angenehme Stille des Wassers um sie herum ausbreitete. Die Kriegerin schwamm zu der Stelle und erkannte den verschwommenen, orangefarbenen Punkt unter sich. Sie tastete danach und bekam einen Ellengroßen, mit Moos bewachsenen Stein zu fassen. Struana stemmte ihre Beine in den schlammigen Grund des Sees, während sie an dem Stein zog und schaffte es auch ihn frei zu bekommen. Doch der Stein oder das Amber - so hoffte sie zumindest - wirkte sich schwerer aus und zog an ihrer Gestalt, die durch das Wasser versuchte wieder nach oben zu schwimmen.   Die Worgen stieß die Luft aus, was große, bizarre Blasen erzeugte, während sie sich kraftvoll vom Grund des Sees stemmte und versuchte so mit Schwung an die Oberfläche zu kommen. Sie schaffte es auch, aber nur mit großer Anstrengung ihrer Beine. Sie strampelte kraftvoll und abwechselnd mit ihnen und streckte ihre Schnauze über die Wasseroberfläche, als sie diese erreichte. Gierig schnappte sie nach Luft, ehe sie wieder genügend Luft bekam und unterhalb der Wasseroberfläche zurück zum Rand des Sternensees schwamm.   Die Kriegerin keuchte angestrengt, während sie wieder Fuß im flachen Gewässer fasste und den Stein nun trug. Im ersten Augenblick ging sie wieder in die Knie, dass sie mit dem Oberkörper unter Wasser war. Sie hob eine ihrer Lefzen und schnippte mit einem Ohr Wasser weg. Sie hatte sich so an die Schwerelosigkeit des Wassers gewöhnt, dass sie der erste Schritt mit ihrer vollgesogenen Kleidung und dem Stein als zusätzliche Last, wieder zurückgeworfen hatte. Struana setze erneut an und hievte sich weitere Schritte näher an den Rand des Sees und hob dann den Stein in die Höhe, um ihn besser betrachten zu können. Sie erkannte die orange Stelle zwischen der harten Kruste aus blankem Stein. Es konnte einfach nur ein Bernstein sein. Doch Korven würde es bestimmt besser erkennen können.   Mit ihrer Ausbeute watete Struana zurück durch die nebelartige Oberfläche an Land, dort wo Korven zurückgeblieben war. Als sich der Nebel soweit gelichtet hatte, dass sie den Rand des Sees ohne Probleme erkennen konnte, weitete sie vor Erstaunen ihre Augen. Der Erste kauerte nach wie vor am Rand des Sees und starrte Kovok an. Dieser flog ungefähr einen halben Meter über dem Boden und gab quietsch vergnügte Laute von sich, die in einer dunklen Höhle bestimmt gruselig gewirkt hätten. Wie hatte es der kleine Käfer überhaupt geschafft zu fliegen?   Korven hob seinen Kopf, als die Worgen triefend und tröpfelnd über die Steine direkt auf ihn zukam. Sie beugte sich zu ihm herab und zeigte ihm das fossile Amber. »Ich hoffe das genügt vorerst für Eure Kräfte.«, murmelte sie, ehe sie den Stein vor ihm ablegte. Anschießend ging sie an ihm vorbei, bis sie einen gewissen Abstand zwischen sich gebracht hatte, warf sich auf ihre Klauen und schüttelte sich das Wasser gründlich vom Körper. Zugegeben, in diesem Augenblick wirkte sie wirklich wie ein Hund, doch ihre Bewegung erzielte das gewünschte Ergebnis. Auch wenn ihre Lederrüstung noch immer Feucht war und ihr Fell an ihrer Haut klebte, hatte sie das gröbste einfach so von ihrem Körper geschleudert. Mit einem prüfenden Blick auf sich herab seufzte sie erleichtert aus. Die Wunde war nicht wieder aufgerissen und die klebrige Bernsubstanz hatte sie mit ihrem kleinen Tauchgang ebenfalls abwaschen können.   Korven hatte in der Zwischenzeit den Stein weiter von dem Amber abgeschlagen und zerstörte ihn mit seinen Kieferzangen. Mit einem knackenden Geräusch fielen einzelne Splitter in den Kies die er nacheinander aufhob um sie mit seinen starken Kiefern soweit zu bearbeiten, bis er sie fressen konnte. Struana sah skeptisch auf ihn herab, während der Getreue gierig das Amber verschlang. Diese Kieferzangen waren wirklich reine Tötungswerkzeuge.   Es knirschte, während Korven vermutlich kaute, ehe er zu der Worgen aufblickte. »Danke für Eure Mühen, Erweckerin. Den Geschmack von Amber vergisst man nicht.«, brummte er, ehe er ein weiteres mal seine Kieferzangen in das Amber schlug um ihn zum splittern zu bringen.   Mit einem mulmigen Gefühl und einem weiterhin skeptischem Blick, drehte Struana langsam ihre Ohren in seine Richtung und setzte sich schließlich ihm gegenüber in den Kies. Sie atmete langsam durch und beugte sich streckend vor, doch den Ersten ließ sie nicht aus den Augen. Bildete sie sich dies nur ein, oder hatte Korven seine Gesinnung geändert? Bevor sie in den See gestiegen war, war er noch sehr barsch Kil'ruk gegenüber gewesen und nun wirkte er wieder, wie zuvor in der Höhle. Freundlich war nicht das treffende Wort um sein Verhalten zu beschreiben. Korven drückte sich distanziert aus, was sehr höflich auf sie wirkte.   Struana hob ihren Kopf von ihren Knien und sah sich aufmerksam in ihrer Umgebung um. Apropos, wo war Kil'ruk eigentlich schon wieder? Wollte er nicht bei dem noch geschwächten Getreuen bleiben, weil er nicht schwimmen konnte? Ihr Blick schweifte über die fernen Hügel und schließlich über den Horizont um einen Punkt irgendwo ausmachen zu können. »Der Windschnitter ist für mich auf der Jagd.«, sprach der Getreue rau, während er knirschend weitere Splitter des Ambers verschlng.   »Gut.«, raunte Struana und senkte ihren Blick zu Korven. »Dann muss ich ihn nicht fragen.«, sprach sie, wobei sie sich fast sicher war, dass Kil'ruk ihr ohnehin nicht geantwortet hätte, ohne sie wieder zu beleidigen. »Wer seid Ihr genau, Korven? Ich habe den Windchnitter noch nie so respektvoll gegenüber anderen Getreuen gesehen.«   Der Erste hob seinen Kopf von dem Amber - von dem nicht mehr viel übrig war - und sah de Worgen ruhig an. »Es wurden noch mehr Getreue erweckt? Wie viele?«   Struana legte ihren Kopf leicht schräg. Sie mochte diese Taktik nicht, dass sie Mantis ihre Fragen beantwortete, selbst aber keine beantwortet bekam. Doch war es nur natürlich, dass er Fragen hatte. Immerhin war er ihr gegenüber nicht vollauf misstrauisch und feindselig gestimmt. Also antwortete sie nachdenklich: »Ihr seid nun der vierte Getreue, den ich erweckt habe.« Kurz hielt sie inne, ehe sie wieder ansetzte. »Kennt Ihr den Todesrufer? Er wurde von dem Sha überwältigt und verfiel dem Wahnsinn. Wäre er noch am Leben, wären es bereits fünf Getreue.«   Korven blinzelte Struana ruhig an, ehe er in den Himmel über sich starrte und für eine Weile still war. »Ich kannte ihn nicht. Ich kenne keine anderen Getreuen.«   Die Worgen beugte sich zu ihm vor und sah ihn fragend an. »Warum nicht? Einen oder zwei werdet Ihr doch bestimmt kennen. Schließlich sind sie doch so etwas wie Kriegshelden in Eurer Kultur, nicht?«   Korven klickte mit seinen Kieferzangen amüsiert aufeinander. Er wirkte wegen dem Amber schon wieder viel kräftiger und die Stärke in seiner Stimme kehrte ebenfalls zurück. »Ihr seid kein Mantis und doch scheint es, als ob Ihr mehr über uns wisst, als je eine Außenseiterin gewusst hat.« Struana runzelte ihre Stirn, doch sie kam nicht dazu etwas zu erwidern, denn der Getreue setzte sogleich wieder an: »Ich war es, der vorschlug unsere größten Krieger in Amber schlafen zu legen, damit sie zur Zeit der größten Not unseres Schwarms erweckt werden können. Es war der Schlaf, von dem niemand je erwachen konnte. Ein großes Risiko und ein großes Opfer. Doch es war notwendig.«   Struana neigte ihren Kopf leicht und drehte ihre Ohren aufmerksam, während Kovok summend zu ihrer Seite flog und sich neben ihr niederließ. Er zupfte an ihrer Hose, doch die schimmernden Augen der Worgen ruhten weiterhin fasziniert auf dem Getreuen. »Ihr-«, begann sie doch konnte sie den Satz nicht zu Ende formulieren. »Wie lange habt Ihr genau geschlafen?«   Korven streckte seine Schultern, wobei nun seine breite Statur wirklich kräftig und massig wirkte. Sein Blick schweifte langsam über die Ferne der Hügel. »Ich kann Euch diese Frage nicht beantworten, Erweckerin. Doch damals, als die Welt noch jung war, blühten die ersten Kypari. Von den Bäumen floss der Bern und nährte uns. Amber, so nannten wir ihn, das Lebensblut der Erde. Er heilte unsere Wunden und machte uns kühn. Er schmeckte nach Süße und Feuer und gab uns Kraft, all die niederen Völker zu erobern.« Struana beobachtete den Getreuen, während er erzählte und hatte merkwürdigerweise das Bild einer völlig anderen Schreckensöde im Kopf. Noch nicht einmal die benachbarte Tonlong-Steppe kam ihr in den Sinn. Ein Ort, der viel schöner war, heller, bizarrer und unverdorben, während sich die Kypari in den Himmel wanden und ihre Äste über das Land erstreckten. Sie wusste nicht wieso sie diese Bilder im Kopf hatte, doch es kam ihr so vor, als hätte sie keine Probleme damit, sich die damalige Landschaft sehr genau vorzustellen. Damals, als die Welt noch jung war.   »Zahlreiche Gefahren bedrohten unser Volk, als die Usurpatoren die Welt umgestaltet hatten. Unser Weg war schmal.«   »Ursu-... Was?« Die Worgen sah Korven unverständlich an, wobei er nur sanft mit seinen Kieferzangen klickte. »Die Eindringlinge, Erweckerin. Mächtige Niedere Kreaturen aus Stein. Sie erschienen wie aus dem Nichts und sie veränderten gewaltsam die Welt um sie neu zu formen. Doch wir haben überlebt.«   Die Worgen versuchte Korven zu folgen doch sie verstand nicht gänzlich, was er sagte. Auch wenn sie es sehr freundlich fand, dass er versuchte es ihr zu erkläre, anstatt sie einfach nur als dumm abzustempeln. Aber, als die Welt noch jung war? Sie kannte diese Welt seit drei Monaten und sie war froh, überhaupt etwas von Azeroths Entstehung zu wissen. Soweit wie sie von Sevias erfahren hatte, war Azeroth einmal ein kompletter Kontinent gewesen, ehe die Mächte des Malstroms die Kontinente zerrissen hatten. Von einer Invasion irgendwelcher Kreaturen, hatte sie noch nie etwas gehört. Außer die der Brennenden Legion, aber die hatte nie wirklich einen Fuß auf Azeroth setzen können.   Korven riss sie aus ihren Gedanken, als er ein leises zischeln von sich gab. »Ich wurde zu dem ersten Getreuen meines Volkes. Darum bin ich der Erste. Und nun rufen uns die Klaxxi zum Kampf. Jetzt endlich bin ich erweckt worden.«   »Ihr habt die Spaltung der Kontinente miterlebt?«, fragte Struana staunend und sah fast ungläubig aus. Dieser Bernschlummer konnte tatsächlich nicht nur mehrere tausend Jahre überdauern, sondern zahntausende von Jahren. Sie war wahrhaft beeindruckt.   Korven zuckte mit seinen Fühlern, als hätte sie ihn mit ihrer Frage aus einer Überlegung heraus gerissen. »Ihr missversteht mich, Erweckerin.«, brummte er Getreue schließlich und sah sie streng an. »Ich habe eine Spaltung der Welt nie miterlebt. Zu dieser Zeit, habe ich bereits geschlafen. Als ich wandelte, hat die Welt, so wie Ihr sie jetzt kennen mögt, noch nicht existiert. Sie war ein ganzes.«   Struana konnte nicht verhindern, dass sie Korven ungläubig anstarrte. Vor der Zeit der Spaltung der Kontinente? Als die Welt noch ein ganzes war und sie noch nicht existierte, wie sie diese kannte? Sevias hatte nur kurz einmal erwähnt, wie die Kontinente entstanden waren doch sogar darüber hinaus? Dann waren die Mantis sogar noch älter, als die Nachtelfen, die als unsterblich galten? Struana erinnerte sich an ihre erste Begegnung mit Kil'ruk zurück, als dieser ihr klar machte, dass ihre Existenz in seinen Augen keine Bedeutung hatte. Sie war ein winziger Tropfen in einem reißenden, nicht enden wollendem Fluss, den die Mantis darstellten. Damals hatte sie geglaubt er war verrückt, ein Insekt das wirres Zeug von sich gab. Doch sie glaubte mit den Worten des Ersten zu verstehen, was Kil'ruk damals gemeint haben könnte.   So gerne hätte die Korven noch mehr Fragen stellen wollen, noch mehr über ihn und die Welt, wie sie früher war, in Erfahrung bringen. Doch wurde ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes gezogen. Sie hörte wie etwas schweres über den Kies geschliffen wurde und nach einigen Atemzügen entdeckte sie auch bereits den Windschnitter. Er zog den Kadaver eines Krokolisken hinter sich her, während er sich den beiden näherte. Kovok brüllte spitz auf und rannte zu dem Leib des toten Tieres, doch Kil'ruk zischte ihn wütend an, woraufhin der Kunchong wieder zu Struanas Seite rannte und seine sichelähnlichen Klauen über das Leder ihrer Hose wetzte. Sie blinzelte ihn verwundert an und strich über seinen harten Panzer. Wie um alles bei Goldrinn konnte er jetzt schon wieder hungrig sein? Er hatte doch vor knapp zwei Stunden eine ganze Drachenschildkröte verspeist.   Kil'ruk legte den Kadaver unterdessen vor dem Ersten ab, ehe er sich wieder zu seiner vollen Größe aufrichtete und seine Flügel durchstreckte. »Ihr seht schon wieder besser aus, Erster.«, krächzte er und betrachtete ihn lange und eindringlich.   Korven zuckte abwechselnd mit seinen Fühlern und nickte dann langsam, ehe er seine Position veränderte, um sich vor den Leib des Tieres zu beugen. »Ich habe schon besser ausgesehen, aber unsere Erweckerin hat ihre Arbeit mit dem Amber gut gemacht.«, murmelte er, ehe er seinen Kopf hinab beugte. Er riss durch das feste Leder des Krokolisken um an das blutige Fleisch darunter zu gelangen.   Struana sah weg, während er fraß und betrachtete stattdessen Kovok, der allerdings seinerseits die Augen nicht von dem Ersten lösen konnte, der sich an seinem Mahl stärkte. Die Worgen hörte, wie Knochen brachen und Fleisch riss, ehe sie ein verächtliches Zischen von Kil'ruk hörte. Struana sah zu dem Windschnitter auf, der sie verständnislos in seinen Blick gefasst hatte. Sie erwiderte seinen Blick für ein paar Sekunden, ehe sie sich abwandte. Sie hatte keine Lust von ihm belehrt zu werden, wie verschwenderisch sie war, nur weil sie gebratenes Fleisch bevorzugte. Das hatte sie sich schon bei der Drachenschildkröte anhören müssen.   Seitdem sie die Fesseln los geworden war, hatte sie zum Glück kein rohes Fleisch mehr essen müssen. Es schmeckte bitter und von der Konsistenz her war es widerlich. Allein der Gedanke daran jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Es war als würde sie damit etwas verbinden, das in ihrer Vergangenheit lag, woran sie sich jedoch nicht erinnern konnte - und vermutlich auch nicht wollte.   »Der Kunchong scheint zahm zu sein.«, sprach Korven und Struana sah zu ihm. Blut hing an seinen Kieferzangen und um seinen Schlund, während er Kovok beobachtete, der nicht von Struanas Seite weichen wollte. »Er gehört dem Manipulator, einem weiteren Getreuen. Ihr werdet ihn bestimmt noch kennen lernen.«, antwortete Struana nach kurzer Zeit.   Kil'ruk zischte langgezogen. »Sobald wir in Klaxxi'vess sind.«, murmelte er und klickte mit seinen Kieferzangen hart gegeneinander.   »Er kann auch fressen.«, brummte der Erste, ehe er sich wieder vorbeugte und sein Gesicht für Struana verschwand, während die schaurigen Geräusche von knackenden Knorpeln und reißendem Fleisch wieder einsetzten. Sie blickte Kovok an, der sich allerdings nicht rühren wollte. Hatte er den Ersten vielleicht nicht verstanden? Sie nickte mit ihrem Kopf in Richtung des toten Tieres und gab ihm somit ein Zeichen. Kurz zögerte der Kunchong, doch dann stürmte er mit einem erfreuten Zischen vor und schlug seine Sicheln in das Fleisch des Kadavers, um sich selbst etwas herauszureißen.   »Sobald Ihr fertig seid, sollten wir nach Klaxxi'vess aufbrechen.«, krächzte der Windschnitter und zuckte ungeduldig mit seinen Fühlern. »Die Klaxxi werden wissen, was unsere nächsten Schritte sein werden.«   Korven erhob sich erhaben und klickte mit seinen Kieferzangen sanft gegeneinander, während er noch kaute. »Ja, das sollten wir.«, brummte er und schritt zum Ufer, nur um sich erneut vorzubeugen und vom Wasser zu trinken. Struana bemerkte auch, dass er sich das Blut abwusch, mit dem er sich besudelt hatte. Scheinbar war doch eines bei jedem Getreuen immer gleich. Die Treue zu den Klaxxi. Sie kamen an erster Stelle und die Kaiserin spielte keine Rolle mehr.   Die Worgen hielt kurz inne. Hatte Korven nicht während seines Bernschlummers gesprochen? Sie wollte ihn noch fragen, ob er überhaupt geschlafen hatte und zwischendurch einfach aufgewacht war. Schließlich meinte der Erste, dass er sehr lange - und wie sich herausgestellt hatte wirklich sehr lange - geschlafen hatte. Er hatte über die Kaiserin gesprochen und gesagt, dass sie zu verwirrt war, um ihr Volk zu lenken. Doch wie konnte Korven an diese Informationen gelangen?   Der Erste richtete sich auf und zuckte mit seinen Vorderbeinen vor, ehe er sie wieder unter seinen Unterleib schob. Sein Blick schweifte über die Landschaft zu seiner Linken und er hielt kurz inne. Er starrte den großen, gewundenen Kypari für mehrere Herzschläge an, ehe er sich zu Kil'ruk umwandte. »Ist dies etwa Kypari'Zar?«, fragte er.   Der Windschnitter folgte seinem Blick und sagte für mehrere Herzschläge nichts. »Ich kann es Euch nicht sagen Erster. Dies war nicht meine Zeit.« Beide Getreuen verstummten und Struana richtete sich ebenfalls auf.   »Wir sollten zurückkehren.«, krächzte Kil'ruk knapp. »Wenn wir jetzt aufbrechen, sollten wir Klaxxi'vess zum Morgengrauen erreichen.«   Die Worgen sah sich nach Kovok um, doch dieser hatte wohl auch endlich keinen Hunger mehr. Er stand neben ihr und bewegte sehr langsam seine Sichelklauen, indem er sie ausklappte und wieder einschnappen ließ. Sie beugte sich vor, um ihn hochzuheben und bemerkte, wie wenig er sich dagegen wehrte. Der Kunchong war völlig erschöpft von der langen Reise an seinem ersten Tag nach der Erweckung. Struana drückte ihn an sich, wobei er mit seinen Sichelklauen weiter nach oben kletterte und sich über ihre Schulterstücke zog. Er drehte sich in ihrer Kapuze, die nach wie vor um ihre Schultern lag und schlang seine scharfen Klauen um ihren Hals, wobei er sie allerdings nicht verletzte. Der Windschnitter betrachtete sie nur skeptisch und gab ein gereiztes Zischen von sich. »Ist schon in Ordnung, Kil'ruk. Er ist nur erschöpft. Er verletzt mich nicht.«   »Tse... Wenn Ihr meint.«, murrte er und Schritt voraus. Wenn Struana ehrlich war, hatte sie den Windschnitter noch nie wirklich gehen sehen, außer kurze Strecken über die Plattform von Klaxxi'vess oder, wenn er aus den Hallen hinter dem Kypari trat. Seine Bedenken wegen Kovok waren auch nachvollziehbar, schließlich hatte der Kunchong noch vor der Fütterung versucht ihre Zehen anzuknabbern. Aber es war genauso, wie Kaz'tik vorausgesagt hatte. 'Gebt ihm zu fressen, akzeptiert seine Stärke und Intelligenz und Ihr gewinnt sein Vertrauen.'   Korven warf noch einmal einen letzten Blick über seine Schulter zu dem Kypari und gab ein leises Rasseln von sich, ehe er dem Windschnitter folgte. Struana fragte sich, was das wohl für ein Gefühl sein musste. Nach einem langen Schlaf aufzuwachen und eine völlig andere Welt vorzufinden, als jene, bevor man schlafen gegangen war. Wenn sich die Welt zu dem veränderte, was die Schreckensöde nun darstellte, musste das Erwachen schlimmer sein, als jeder Alptraum des Shas.           Holora schnaubte ungeduldig, während sie dem Vortrag von Dlatego und Emiress lauschte, wie sie das Sha der Gewalt geläutert hatten. Jeder einzelne der Mondsucht hörte ruhig und interessiert zu, doch ihre Augen waren nur auf den Nachtelfen gerichtet, der gedankenverloren das Fell seiner Füchsin streichelte und nicht wirklich zuhörte. Die Versammlung fand heute Morgen auf einem der großen Balkone der Flügel des Schreins der Sieben Sterne statt. Weramor saß mit dem Rücken zu dem azurblauen, schweren Vorhang, der vor dem Ausgang gespannt war. Holora hatte das Gefühl, dass er sich mit Absicht genau diesen Platz gesucht hatte, um möglichst schnell gehen zu können, sollte sich die Versammlung dem Ende neigen.   Bis jetzt hatte nur Gilean ihr Abenteuer mit dem Sha des Hasses auf der Versammlung geschildert, ebenso die Tatsache erwähnt, dass es bereits schon einmal gewütet hatte und nun durch den Krieg der Shado-Pan mit den Mantis wieder auflebte. Aber weshalb war Weramor an der Verhüllten Treppe gewesen?   Die Draenei biss sich auf ihre Unterlippe und beobachtete weiterhin den Nachtelfen. Er sah ungewöhnlich sauber aus, als hätte er sich nach seinem Ausflug direkt erst einmal gewaschen. Normalerweise legte Weramor nicht viel Wert darauf, dass seine Rüstung halbwegs sauber und auch ordentlich aussah. Lediglich seine blauen Haare waren stets seidig und glänzend, aber das hatte wohl etwas mit Nachtelfen an sich zu tun. Wie um alles auf Azeroth hatte er es geschafft in kurzer Zeit die Schreckensöde auszuspähen? Die Ungeduld der Schamanin kribbelte unter ihrer Haut. Sie war sehr gespannt, was Weramor bei seinem Bericht erwähnen würde. Sie bemerkte noch nicht einmal, dass Gilean sie anstieß, bis er mit einer seiner Klauen in ihre Seite piekte.   Holora warf dem Worgen einen verwirrten Blick zu, doch dieser knurrte leise aus seiner Brust heraus und deutete mit einem Kopfnicken auf Dlatego. Sie verdrehte ihre Augen und wandte ihren Blick von dem Jäger, zu dem Mann der mit seinem gesunden Auge in die Runde blickte. »Der Goldene Lotus ist an einer gemeinsamen Arbeit mit uns leider nicht interessiert. Sie dienen ausschließlich dem Tal der Ewigen Blüten und dessen Bewohner. Sie gegen die einfallenden Mantis und die Mogu zu schützen, ist ihre höchste Priorität und sie haben alle Hände voll damit zu tun, sodass sie-«   Die Draenei schnaubte wieder ungeduldig auf. Dass der Goldene Lotus mit ihnen nicht zusammenarbeiten wollte - oder vielmehr konnte - hatte sie schon geahnt. Es war noch nicht einmal verwunderlich. Warum sollten sie ihre Position auf der Mauer verlassen, wenn die Mantis sie bedrängten?   »Wir sollten den Schwarm im Auge behalten.«, murrte der Druide neben ihr leise. Holora warf ihm einen Seitenblick zu und blinzelte verwundert. »Möglicherweise sind die Mantis irgendwie mit dem massiven Befall des Shas verbunden. Doch ich kann noch nicht sagen wie.«   Die Draenei neigte ihren Kopf leicht zu Gilean. »Ihr spielt auf den Mantiden in der Höhle an, oder? Der mit dem Artefakt?« Der Druide drehte seinen Kopf etwas zu Holora. »Einerseits ja, andererseits gab es da noch einen Vorfall von dem mir Weramor berichtete. Ich muss jedoch zunächst einmal weiter forschen, ehe ich Beweise liefern kann.« Die Schamanin engte ihre Augen und musterte ihren Freund. Weramor hatte von einem Ereignis erzählt? Von etwas wonach Gilean forschen musste? Langsam legte sie ihren Blick wieder nach vorne zu Veoran, der gerade die Berichte zusammenfasste und versuchte Zusammenhänge zu ergründen. Sie wusste nicht, was sie von dem einzelnen Mantis halten sollte, noch von dem Vorfall, von dem Gilean erzählt hatte. Natürlich war es merkwürdig gewesen doch andererseits wieder nicht, aber sie konnte sich nicht erklären, warum sie dieses Gefühl beschlich. Vielleicht lag es daran, weil die Schreckensöde - die Heimat der Mantis - von den Schrecken des Shas am meisten befallen war. Irgendwie mussten beide Komponente in Verbindung stehen.   »Weramor, tragt bitte Euren Bericht über die Schreckensöde vor.«   Holora starrte umgehend wieder den Jäger an und ihre Gedanken rückten weit in den Hintergrund. Sie konzentrierte sich voll und ganz auf das hier und jetzt und eine innere Unruhe machte sich in ihr breit. Der Jäger hob seinen Blick von dem Fell seiner Füchsin und blickte zu Veoran, der in der Mitte des kleinen Balkons stand. Der Vorhang hinter ihm raschelte, als er sich scheinbar schwerfällig erhob und zu dem Paladin ging. Die Draenei biss sich wieder auf die Unterlippe. Vielleicht würde jetzt aufgeklärt werden, was er an der Verhüllten Treppe gemacht hatte.   Der Jäger sah jedes einzelne Mitglied der Mondsucht mit seinen goldenen Augen, die sanft durch den abgeschirmten Raum leuchteten, schweigend an. »Die Schreckensöde ist groß und der Befall gravierend. Die Essenz des Shas sickert aus dem Boden und scheint sich in einer narbenförmigen Schneise zu entladen, welche auch die Mantis nutzen, um den Wall anzugreifen. Die Bäume sterben und die Erde ist tot.« Er unterbrach sich selbst um eine kurze Kunstpause einzulegen. »Es wird viele Druiden benötigen und viel Geduld und Zeit benötigen, um diesen Schaden wieder beheben zu können.«   »Und das Sha?« Es war Ace, der mit entschlossener Stimme und herausforderndem Ton die Frage stellte. Seine Gesichtszüge wurden wie immer von den Schatten seiner Kapuze versteckt gehalten, doch die Felmagieschleier leuchteten kontinuierlich vor seinen Augen. »Konntet Ihr eine Manifestation lokalisieren?«   Weramor sah ihn lange an, ehe er seine Stimme erneut erhob. »Nein.« Der Anführer der Mondsucht zog seine Augenbrauen verwundert und argwöhnisch zusammen, als der Jäger weiter sprach. »Die Mantis sind zu aktiv. Es war mir nicht möglich, weit in das Innere der Schreckensöde vorzudringen. Je weiter man in die Schreckensöde eindringt, desto größer wird diese Narbe in der sich die Energien des Sha sammeln. Aber die Mantis werden auch aktiver und mehren sich zu tausenden.«   Holora verengte ihre Augen und spannte sich unweigerlich an. Sie hatte etwas anderes erwartet. Irgendetwas, doch dieser Bericht war mager und klärte in keinster Weise auf, weshalb sich Weramor an der Verhüllten Treppe aufgehalten hatte. Holora beschlich das Gefühl, dass der Jäger ein Geheimnis hatte, weswegen er nicht weit in die Schreckensöde vordringen konnte. 'Er konnte die Schreckensöde nicht wirklich erkunden, weil er nicht lange dort gewesen war.'   Dieser Bericht den Weramor hier bei der Versammlung präsentierte, war nichts neues. Nichts, was sie nicht ohnehin schon gewusst hätte und es vermittelte den Eindruck, als hätte er sich nicht genug Mühe gegeben. Als hätte er das Interesse an der Initiative der Mondsucht verloren. Anscheinend ging es nicht nur ihr so, es schien als hätte sich die komplette Stimmung in dem abgetrennten Raum verändert. Sie spähte über Ryfang zu Emiress. Sie waren enttäuscht. Selbst Fogon konnte man es anhand seines gesträubten Felles ansehen.   »Habt Ihr die Worgen gefunden?«, fragte Dlatego und die Draenei drehte ihren Kopf erstaunt zu ihm. Auch einige andere sahen ihn fragend an. »Welche Worgen?«, fragte der Paladin und sah abwechselnd den Jäger und den Schurken abwartend an.   Der Jäger schüttelte seinen Kopf. »Ihre Spuren sind auf einmal verschwunden. Ich fand nur noch ihre Waffe. Ich habe sie Tensho zukommen lassen.«   Der Gildenmeister der Mondsucht zog seine Augenbrauen noch mehr zusammen, sodass sie fast eine Linie bildeten. Dlatego entgegnete dem strengen Blick. »Eine Worgen kämpfte für den Goldenen Lotus. Doch sie ist hinter der Mauer verschwunden, als sie auf der Suche nach einem Schützen war, der in einem Gefecht von der Mauer stürzte.« Der einäugige Mann neigte seinen Kopf leicht, ehe er wieder zu Weramor spähte. »Könnten es die Mantis gewesen sein?«   Holora hob eine Augenbraue, als Weramor mit den Schultern zuckte. »Es sah nicht so aus, als ob sie geflohen wäre. Wenn dann-«   »Ihr solltet den Ursprung des Sha lokalisieren nicht das Verschwinden einer Worgen aufdecken.«, murrte Veoran und sah den Jäger aus geschmälten Augen heraus an. »Was dieser Worgen zugestoßen ist, mag bedauerlich sein, aber es war ihre eigene Entscheidung alleine in die Schreckensöde zu gehen. Sie wird gewusst haben, auf was sie sich einlässt.« Der Paladin wirkte gereizt, während Weramor seinen Kopf langsam senkte. »Wenn das Euer ganzer Bericht gewesen ist, frage ich mich, ob Eure Fähigkeiten als Späher Eurem Ruf nachkommen, Weramor.«   Der Jäger hielt dem Blick des blonden Mannes stand doch in seinem Gesichtsausdruck war kein zurückgehaltenes Wort, keine Verachtung zu sehen. Stattdessen antwortete er ruhig: »Ich habe mein Bestes gegeben, doch mehr konnte ich nicht herausfinden. Die Energien des Sha und die Mantis erschweren das Vorankommen. Ich musste meine Deckung zu jeder Zeit wahren.«   Veoran nickte enttäuscht. »Gut, vielleicht waren fünf Tage einfach zu wenig.« Er funkelte den Jäger weiterhin streng an, bis dieser zur Seite sah und den Blickkontakt unterbrach. Stattdessen blickte er über die Gildenmitglieder der Mondsucht, aber niemanden direkt an. »Wir müssen mehr über die Schreckensöde erfahren, mehr herausfinden. Ich und auch unsere Kooperationsgilden sind sich ziemlich sicher, dass sich dort eine Manifestation des Sha aufhalten muss. Wir werden noch einmal ausrücken müssen.«   Holora sah langsam von Weramor zu dem Paladin und atmete aus. Sie hatte den Jäger die ganze Zeit über beobachtet und jetzt sah es so aus, als würde er einfach nur verschwinden wollen - genau wie sie erwartet hatte. Es schmerzte sie etwas, doch nicht genug. Sie hatte sich damit abgefunden, dass sie wohl keine guten Freunde mehr waren. Ihre Aufmerksamkeit lag nun wieder auf Veoran, der Ace für einige Momente länger betrachtete. Der Hexenmeister erwiderte den Blick seines Gildenmeisters und es wirkte, als würden sie ein stummes Abkommen treffen.   »Es wird zwei Gruppen geben. Ich möchte, dass ihr noch einmal in die Schreckensöde geht und euch von zwei verschiedenen Seiten in das Landesinnere vorarbeitet. Aber haltet euch von den Mantis fern und versucht Begegnungen mit ihnen soweit es euch möglich ist, zu vermeiden. Es wäre sinnlos gegen eine derartige Armee ohne Grund anzukämpfen. Das Sha ist das, was wir wollen.« Der Paladin sprach den letzten Satz mit Nachdruck aus, wobei Holora einen Blick mit Gilean austauschte. Die Draenei musste fast schmunzeln. Vermutlich dachte ihr worgischer Freund das selbe wie sie, dass sich die ein oder andere Begegnung mit diesen Kreaturen nicht vermeiden lassen würde, wenn sie deren Land erforschen.   »Ace wird nicht in die Schreckensöde gehen.« Die Schamanin sah diesmal verwundert zu dem Hexenmeister, als Veoran weiter sprach. Zu ihrer Verwunderung blickte dieser nicht mehr zu dem Gildenmeister, sondern direkt zu ihr. »Er geht in die Scherbenwelt, um dort etwas zu erledigen. Er ist der Überzeugung, dass es eine sehr hohe Dringlichkeit hat und nicht warten kann. Wir akzeptieren seinen Wunsch.«   Der vermummte Mann nickte nur. »Ich werde nicht lange brauchen, aber diese Sache erlaubt keinen Aufschub.« Er sah von Holora zu den anderen Mitgliedern und sie fühlte sich erneut ertappt. Ace hatte ihr schon einmal gesagt, dass sie nicht zu lange warten dürfte. Doch sie konnte im Moment nicht in die Krasarangwildnis. Das Sha und dessen Läuterung nahmen sie fast vollständig ein. Die kurzen Ruhepausen am Schrein der Sieben Sterne waren kurz und diese brauchte sie wirklich um zu rasten und zu Kräften zu kommen. Doch hatte Ace ihr nicht gerade vorgemacht, wie einfach es war, sich für einige Zeit von der Mission und von dem Sha abzusetzen? Was hatte der Hexenmeister wohl wichtiges zu erledigen?   Der Gildenmeister nickte und fuhr fort. »Zu den einzuteilenden Gruppen.-«   »Mit Eurer Erlaubnis, Veoran.«, fuhr Gilean ihm in das Wort und richtete sich neben Holora etwas auf. Sie sah mit gerunzelter Stirn zu ihm auf. Was machte Gilean denn jetzt? »Ich würde gerne hier am Schrein der Sieben Sterne bleiben.«   »Mit welcher Begründung?«, fragte der Paladin und sah ungeduldig auf den Druiden. Scheinbar war er es nicht gewohnt so oft unterbrochen zu werden. Die Schamanin biss sich auf die Unterlippe. »Ich erwarte eine Antwort von er Hexenmeisterin, die uns bereits im Tempel der Jadeschlange gegen das Sha des Zweifels unterstützt hat. Sie kann uns auch für diese Angelegenheit und für die Zukunft wertvolle Informationen über das Sha geben. Informationen die wichtig sind und uns fehlen.«   Der Gildenmeister sah den graumähnigen Worgen lange an, ehe er langsam nickte. »Das klingt sinnvoll. Ihr habt meine Erlaubnis, Gilean.«, sprach er.   Holora seufzte sehr leise, zu leise, als dass es jemand anderes als Gilean hören konnte. Sie wollte nicht ohne ihren Freund und zuverlässigen Heiler in die Schreckensöde gehen, doch hatte sie jetzt noch eine Wahl? Schließlich blieben nun nicht mehr sehr viele Mitglieder der Mondsucht übrig und zu klein sollten die Gruppen auch nicht sein, wenn die Schreckensöde so schwer zu durchqueren war, wie Weramor behauptet hatte - falls er denn überhaupt die Wahrheit gesprochen hatte.   »Emiress, Dlatego und Fogon, Ihr werdet von der Tonlong-steppe in die Schreckensöde gehen und Euch vom Norden vorarbeiten. Ich hörte von einer Gruppe Pandaren, die ohnehin auf dem Weg dorthin ist. Möglicherweise könnt Ihr Euch dieser Gruppe anschließen.« Die drei Angesprochenen nickten, wobei Fogon in seiner Katzengestallt zur Zustimmung mit den Ohren schnippte.   »Ryfang, Holora und Weramor, ich möchte, dass ihr euch von der Südseite der Küste in das Landesinnere vorschlagt.«   »Wird gemacht.«, sprach Ryfang und grinste vielzahng. Holora rang sich ein zustimmendes Lächeln ab, doch musste sich ein verzweifeltes Seufzen verkneifen. Sie hatte keine große Lust mit Weramor zu reisen und irgendetwas sagte ihr, dass sie sich auf ihn nicht verlassen konnte. Sie beobachtete den Jäger, der sich inzwischen wieder in die Ecke zu seiner Füchsin gekauert hatte und ihr über das Fell strich. Wieder schien er das Ende der Versammlung herbeizusehnen um gehen zu können - wohin auch immer das sein mag.   »Ihr werdet in zwei Tagen aufbrechen. Ich möchte, dass ihr alle ausgeruht und vorbereitet in die Schreckensöde geht.« Veoran sah die Mitglieder der Reihe nach ernst an. Holora spürte seinen forschenden Blick auf sich, doch sie blieb unberührt. Ihre Augen ruhten auf dem Jäger, der angespannt in der Ecke hockte. »Dann erkläre ich die Gildenversammlung für beendet.«, verkündete der Paladin.   Weramor sprang auf, ebenso wie die Schamanin, die dies bereits vorausgesehen hatte. Er eilte sogar noch vor Veoran aus dem abgetrennten Raum. Die Vorhänge wehten, als er den Balkon verließ. Holora folgte ihm mit schnellen Schritten. Sie wusste, dass Gilean ihr fragend nachsah. Sie würde später mit ihm sprechen, jetzt musste sie Weramor erwischen, bevor er sich aus dem Staub machen konnte. Die Draenei warf den Vorhang zur Seite und sah sich suchend nach dem Nachtelfen um. Sie musste ihn zu Rede stellen. Sie wollte erfahren, was Weramor an der Verhüllten Treppe getan hatte.   Holora erhaschte einen Blick auf die wallenden Haare, welche gerade die Rampe des Schreines herabstiegen und hinter dem Geländer verschwanden. Sie folgte ihm, sie musste ihn einholen. Es verwunderte sie nicht, dass Weramor direkt nach draußen ging. Er eilte nicht wirklich, doch waren seine Schritte groß, sodass er ein zügiges Tempo halten konnte. Holora biss sich auf die Unterlippe, während sie die Rampe zur Seite einen halben Meter nach unten sprang. Sie schloss ihre Augen und ein spektraler Nebel umwob ihren Körper, während sie auf vier Pfoten landete und loslief.   Innerhalb eines Wimpernschlags, hatte sie mit der Hilfe der Elemente die Gestalt eines Wildgeistes, eines Geisterwolfes angenommen und rannte durch die Hallen des Schreines. Vor lauter Hektik stieß sie eine Frau zur Seite die ihr zwar noch ausweichen wollte, es allerdings nicht geschafft hatte und von der Wucht fast auf den Boden fiel. Aber Holora zügelte ihr Tempo nicht, noch sah sie sich nach der armen Frau um. Schnell rannte sie die den zweiten Schreinausgang hinaus auf den Hof, der vom morgendlichen Licht der aufgehenden Sonne durchflutet wurde und sprintete zu der Flugmeisterin. Sie erkannte Weramor, der noch einige Meter von ihr entfernt stand, doch sie hatte Recht behalten dass er sie aufsuchen wollte um, wieder irgendwohin zu verschwinden. Holora wusste nicht, was das zu bedeuten hatte, oder was der Nachtelf vorhatte, doch sie musste es herausfinden.   Knapp einen Meter vor den Stufen nahm sie wieder ihre wahre Gestalt an und stellte sich dem Jäger demonstrativ in den Weg, der verwundert und herausfordernd eine Augenbraue hob, als er sie erkannte und stehen blieb. Sein Blick war hart, als er sie betrachtete. »Spioniert Ihr mir nach, Holora?«   Die Schamanin verengte ihre Augen kaum merklich. »Ich wollte mit Euch noch sprechen. Aber Ihr schafft es ja immer wieder mir auszuweichen.«   »Sprechen? Worüber?«, fragte Weramor und verschränkte die Arme vor seiner Brust ineinander. »Ich habe wenig Zeit.«   Holora rümpfte ihre Nase. »Die werdet Ihr Euch wohl nehmen müssen, Weramor. Ihr solltet Euch zusammenreißen und Euch mit uns auf die bevorstehende Mission vorbereiten. Ihr wart sehr unkonzentriert in letzter Zeit.«   Der Nachtelf hob seine Mundwinkel und lachte sie freudlos an. »Ach, wollt Ihr mir etwa auch sagen, dass Ihr Euch Sorgen machen würdet? Verschont mich bitte, Holora. Gilean hat mich bereits darauf angesprochen.« Die Draenei sah ihn verwundert an, als er fortfuhr. »Ihr müsst nicht alles wissen.«   »Stimmt das muss ich nicht und glaubt mir, ich will es noch nicht einmal.«, raunte sie und sah den Jäger ernst an. »Und doch weiß ich, dass Ihr nicht in der Schreckensöde gewesen seid.«   Die Gesichtszüge des Jägers entglitten ihm für den Bruchteil einer Sekunde. Holora hatte es genau bemerkt, das Erstaunen, welches in seinem Gesicht gelegen hatte, ehe seine Mimik hart wie Stein wurde. »Was redet Ihr da?«   »Ich habe Euch mit dieser Nachtelfe auf der Verhüllten Treppe gesehen, Weramor. Ihr müsst mich nicht anlügen.« Holora verengte ihre Augen und funkelte den Nachtelfen wütend an. Warum versuchte dieser Narr überhaupt sie anzulügen? Er hatte sich bereis selbst verraten, noch ehe sie ihre Worte erläutert hatte.   Der Jäger sog die Luft hörbar durch seine Nasenlöcher ein, doch Holora winkte ab. »Wisst Ihr, mir ist es egal, was Ihr treibt. Aber ich bitte Euch das schnell zu erledigen, damit die Mondsucht nicht länger darunter leiden muss. Ihr wisst vermutlich selbst, wie miserabel Euer Bericht über die Schreckensöde war.«, fuhr sie fort, nachdem der Jäger nicht so aussah, als würde er etwas antworten wollen. »Wir brauchen Euch hier.«   Weramor sah mit seinen goldenen glänzenden Augen ruhig zu Holora. »Das bezweifle ich.«, sprach er monoton und hart und ging an ihr vorbei zu der Flugmeisterin. Er würdigte sie noch nicht einmal mehr eines Blickes und die Schamanin drehte sich zu ihm um.   »Wo wollt Ihr hin Weramor?«, fragte sie und sah ihm nach.   Der Nachtelf hielt zunächst inne, ehe er über seine Schulter zu ihr zurückblickte. »Dinge schnell erledigen.«, murrte er und stieg ohne ein weiteres Wort auf einen bereitgestellten Fluggleiter.   Holora sah ihm epört nach, als der Gleiter abhob und mit ihm verschwand. Sie konnte nicht erkennen, wohin der Fluggleiter flog, aber vermutlich würde er ohnehn die Richtung an einem anderen Punkt ändern. Weramor verschwand in der Ferne, während sie ihm nachsah. Die Anspannung in ihr fiel mit einem Schlag und sie fühlte sich kraftlos. Warum konnte Weramor nicht mehr mit ihr reden?   Die Schamanin starrte frustriert in den Himmel über sich, an dem die Sonne langsam weiter hinaufkletterte. Der Wind umspielte ihre Haare und Tentakel und brachte den Geruch von den Steppen des Kun-Lai mit sich. Sie würde wohl nichts daran ändern können, selbst wenn sie es weiterhin versuchte. Doch Holora fragte sich inzwischen, ob es eine gute Idee gewesen war, Weramor direkt zu konfrontieren. Was hatte sie sich nur erhofft? Dass der Jäger auf einmal mit ihr sprechen würde? Ihr verraten würde, was er tat? Was ihn störte, dass er sich so distanzierte? Sie hatte das Gefühl, als wäre der Riss zwischen ihr und dem Jäger noch mehr ausgebreitet und Weramor hätte sich nun vollends von ihr abgewandt.   Ihr entwich ein leises Seufzen, welches unter dem belebten Treiben der Abenteurer um sie herum unter ging. Sie fühlte sich schwer und mit einem Schlag sehr alleine. Frustration fraß sich durch ihre Gedanken, die Wut war verpufft.   Plötzlich legte jemand seine Hand auf ihre Schulter und die Schamanin zuckte zusammen. Sie drehte sich schnell herum und sah in das schadenfrohe Gesicht von Ace, der sie aus den Schatten seiner Gugel dreckig angrinste. »Ich wusste gar nicht, dass du so schreckhaft bist.«   »Idiot!«, fuhr Holora ihn an und rümpfte ihre Nase. »Warum musst du dich auch immer an mich heranschleichen?« Innerhalb von einem Augenblick bereute sie es ihn angefahren zu haben. »Tut mir leid.«, murmelte sie leise und sah zur Seite als hätte sie etwas interessantes auf dem Boden entdeckt.   »Schon in Ordnung.«, murmelte der Hexenmeister auch wenn er nicht wirklich überzeugt klang. »Ich habe noch etwas für dich, bevor ich aufbreche.« Der Mann hielt Holora drei Phiolen entgegen, in denen die bekannte Flüssigkeit schwappte. »Die sollten ausreichen, bis du in die Krasarangwildnis gehen kannst. Ich hoffe, ich kann mich auf das verlassen, was du mir versprochen hast?«   Die Schamanin nahm die Phiolen entgegen und nickte ihm dankbar zu. »Danke. Ja, ich denke das sollte ausreichen.«, murmelte sie und rechnete in ihrem Kopf durch, wie lange sie mit diesen Tränken auskommen konnte. »Wohin gehst du eigentlich? Und vor allem, warum gerade jetzt?«   Ace grinste Holora vergnügt lächelnd an. »Dinge, die ich nicht aufschieben möchte und die fatale Folgen mit sich ziehen könnten.« Die Draenei sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue skeptisch an, woraufhin Ace seinen Kopf leicht schüttelte. »Sagen wir es so: Ich sah etwas in der Vision, das mir nicht gefallen hat und ich möchte vorbeugen, dass dies jemals geschehen wird.«   Holora zog ihre Augenbrauen zusammen. Sie erinnerte sich daran, wie erleichtert Ace gewesen war, nachdem sie die Sha vertrieben hatte und sich seine Vision nicht als real herausgestellt hatte. Er war blass gewesen, als hätte er etwas furchtbares gesehen. »Ich schätze, du wirst mir nicht sagen, was genau du machen wirst, oder?«   Der Hexenmeister schüttelte seinen Kopf. »Ich bin ein Mann voller Geheimnisse. Die werde ich nicht so einfach preisgeben.«, grinste er vielsagend.   Holora seufzte und winkte mit einer Hand ab. »Ist schon gut. Ich wünsche dir eine gute Reise. Hoffentlich kommst du bald wieder.«   »Danke.« Ace neigte leicht seinen Kopf. »Pass auf alle auf, während ihr dort drüben auf der anderen Seite der Mauer seid.«   »Natürlich.«, Holora grinste breit und ausgelassen. »Du kennst mich doch.«   »Nur zu gut.«, murmelte Ace und nickte zu sich. »Auf bald.« Mit diesen Worten drehte er sich um und ging langsam zurück in das Innere des Schreins. Vermutlich würde er zu den Portalen gehen, die sich im linken Flügel befanden um direkt nach Shattrath reisen zu können. Die Schamanin sah ihm für mehrere Augenblicke nach, sogar immer noch, als er gar nicht mehr zu sehen war, ehe sie ihren Blick in den Himmel hob. Warum erschien ihr alles nur um so viel komplizierter, als es Anfangs gewesen war?           Kil'ruk ließ ein erleichtertes, rasselndes Geräusch von sich hören, als er den großen, gewundenen Kypari über Klaxxi'vess erblickte. Der Erste, sowie die Erweckerin kletterten gerade hinter ihm über einen Vorsprung von der Narbe hinauf, während er diesen fliegend überwunden hatte. Der Marsch war ihm sehr zäh vorgekommen, doch natürlich nur weil er selbst hatte laufen müssen. Er hätte schon vor einigen Stunden wieder in Klaxxi'vess sein können, doch wollte er den Ersten nicht alleine zurücklassen und sein wachsames Auge auf der Erweckerin behalten. So musste er sich damit zufrieden geben, dass sie den Morgen über nichts sinnvolles getan hatten, als über die Hügel der Schreckensöde zu klettern um wieder zurückzukehren.   Der Erste war merkwürdig ruhig und zuckte nur gelegentlich mit seinen Fühlern, oder zischte leise vor sich hin. Er war alt und diese Welt hatte er so, wie sie nun war, noch nie gesehen. Natürlich hatte Kil'ruk sich zunächst auch mit den neuen Gegebenheiten abfinden müssen - er musste es teilweise immer noch - aber der Erste hatte zu einer Zeit gelebt, in der sie noch eins gewesen war. Malik hatte davon gesprochen, wie die Welt zerrissen wurde, wie die dummen, Niederen Kreaturen sie fast zerstört hätten. Die Eindringlinge hatten nur Unheil gebracht.   Die Erweckerin ging hinter dem Getreuen, wobei der Kunchong immer noch auf ihrer Schulter saß. Ungeduldig rieb Kil'ruk seine Vorderbeine gegeneinander, während er sie betrachtete. Sein Zorn über ihre Dummheit war noch nicht versiegt. Sie war doch sonst so stur, warum also war sie Kor'ik einfach gefolgt? Warum hatte der Ingenieur sie überhaupt mitgenommen?   Sie fing seinen Blick auf und zuckte mit einem ihrer merkwürdigen, pelzigen Ohren. »Ihr könnt ruhig vorausfliegen Kil'ruk. Den Rest des Weges schaffen wir auch ohne Euch.«   »Geht weiter.«, zischte er und klickte mit seien Kieferzangen hart gegeneinander. »Ihr verschwendet meine Zeit.« Die Erweckerin schnaubte kurz und richtete ihre bernsteinfarbenen Augen wieder auf ihren Weg, der vor ihr lag. Fast schon trotzig ging sie dem Ersten hinterher und an Kil'ruk vorbei. Sie war so naiv, so einfach. Wann würden ihre Dienste als Erweckerin nicht mehr gebraucht werden?   Die Überlegung streifte den Windschnitter wie ein kalter Windzug. Wenn sie nicht mehr als Erweckerin gebraucht werden würde, dann würde sie an den Schwarm verfüttert werden. Möglicherweise auch an diese neue Kaiserin, die Shek'zeer ersetzen soll. Sie war noch jung und unerfahren, aber reif. Shek'zeer musste nur gestürzt werden, damit sie ihren Platz bis zum nächsten Zyklus einnehmen konnte.   Kil'ruk wartete bis der Erste und die Erweckerin die riesenhaften Findlinge erreichten, die Klaxxi'vess vom Rest der Welt abschirmten, ehe er seine großen Flügel streckte. Sie vibrierten und er erhob sich in die Luft um schnell über ihre Köpfe hinweg zu fliegen. Das Gefühl, wie der Wind gegen seinen Körper blies und er durch die Luft glitt war gut. Doch es hielt nicht lange an, als er schon wieder landete und sich aufmerksam auf der Plattform umsah. Der süße Geruch von frischem Amber lag in der Luft, welcher von dem Kypari stammen musste. Einer von wenigen Kypari in diesem Land, die noch lebten und es produzierten.   »Ich sagte, Ihr sollt ihn füttern! Keine Abenteuer mit ihm bestreiten!«, fauchte eine Stimme in der das Zischeln und Klicken seiner Sprache mitschwang. Der Manipulator flog langsam auf die Erweckerin und den Getreuen zu, ehe er vor ihnen landete. Er funkelte sie mit seinen facettierten Augen an. Kil'ruk neigte den Kopf etwas zur Seite, während er den Manipulator beobachtete. Der Windschnitter schätzte ihn als verschlagen und durchtrieben ein, und er mochte ihn nicht. Im Salzigen Schlick war es ihm so vorgekommen, als sei der Manipulator in seinen Geist hineingekrochen. Als könnte er jeden seiner Gedankengänge erahnen und voraussehen. Ein überaus unangenehmes Gefühl.   »Ihm geht es gut, Kaz'tik. Kovok ist nichts passiert.«, versuchte die Erweckerin dem Getreuen verständlich klar zu machen, doch dieser erwiderte noch nicht einmal etwas dazu, sondern zischelte nur leise. »Natürlich hat er genug gefressen.«, sprach die Erweckerin, als hätte er ihr eine Frage gestellt, doch kein Wort hat die Kiefer des Manipulators verlassen. »Ja, sogar zwei.« Es kam Kil'ruk so vor, als würde er nur die Hälfte einer Konversation mithören.   Der Kunchong, der eben noch auf der Schulter der Erweckerin geruht hatte, gab einen grunzenden Laut von sich und flog auf den Boden direkt vor den Manipulator. Dieser betrachtete Kovok ungläubig. »Er fliegt? Aber wie ist das möglich? Er ist noch zu jung, zu-« Er unterbrach sich selbst und beobachtete den Kunchong prüfend. Es wirkte fast so, als wollte der Manipulator irgendeinen Fehler an dem Käfer feststellen und doch fand er keinen.   »Das ist doch gut, oder nicht?«, fragte die Erweckerin unsicher und der Manipulator nickte langsam. »Gut, ja. Aber unnormal.«   Der Erste schälte sich von den beiden ab und ging direkt auf Kil'ruk zu. Dem Windschnitter wäre es kaum aufgefallen, und das obwohl er direkt in seine Richtung sah. Er heftete seinen Blick auf den Getreuen, welcher neben ihm stehen blieb und über die Plattform zum Signalgeber spähte. »Sind das die Klaxxi'va?«, fragte er mit einem rauen Unterton.   Der Windschnitter folgte seinem Blick und musterte die ehrwürdigen Priester, welche um dem Signalgeber standen und vorsichtig Ambermagie in das Gefäß leiteten. Nur langsam glitt sein Blick wieder zurück zu dem Ersten, als hätte er die Frage nicht ernst meinen können. »Natürlich. Ihr müsstet sie doch hören.« Der Erste antwortete zunächst nicht, dann klickte er ganz leise mit seinen kurzen Kieferzangen gegeneinander. »Ich wollte sichergehen, Windschnitter. Vieles hat sich geändert.« Mit diesen Worten ging er an ihm vorbei, direkt auf Klaxxi'va Ik, dem größten der Klaxxi'va zu. Der Windschnitter sah ihm mit zuckenden Fühlern nach, während die Stimmen der Priester in seinem Kopf zu einem Flüstern anstiegen.   »Ein weiterer Getreuer ist hier.« »Es ist der Erste.« »Ein denkwürdiger Augenblick...«   Der Blick des Windschnitters heftete sich auf den Signalgeber. Vielleicht konnte er aufgrund seiner Nähe die Klaxxi'va so deutlich hören. Umso mehr verstand er de Logik hinter den Worten des Ersten nicht, erst recht nicht, wenn es tatsächlich eine Frage gewesen war. Ja, es stimmte, vieles hatte sich geändert, aber die Klaxxi nicht. Ihr Wille war ewig. Er beobachtete den Ersten noch für einige Zeit skeptisch.   Kil'ruk schlug mit den Kieferzangen hart gegeneinander, als er zwei kleine Mantis am Rand des Lagers bemerkte. Er zischte leise, als er den kurzen Weg zu ihnen im Flug hinter sich brachte und kaum drei Schritte entfernt von Kor'ik landete. Er stand mit dem Rücken zu ihm, während er einen weiteren Ingenieur anfauchte. »Närrischer Schwachkopf! Warum wurden die Mikrosonarwellen während meiner Abwesenheit unterbrochen? Ihr hattet die Aufgabe sie aufrechtzuerhalten, nicht sie abzuschalten!«   Der Mantis war eigentlich etwas größer als Kor'ik, wirkte aber in diesem Augenblick selbst im Gegensatz zu diesem winzig. »Aber die Sonarwellen haben ein falsches Signal gesendet, ich dachte-«   »Ihr sollt nicht denken, wenn Ihr dazu nicht in der Lage seid, Madenhirn! Diese Mikrosonarwellen waren so ausgerichtet, dass sie weitere Getreue finden sollten! Jetzt muss ich ihn wieder neu ausrichten!«, zischte der Ingenieur aufgebracht und schnaubend vor Wut.   »Ihr seid mir eine Erklärung schuldig, Kor'ik.«, krächzte Kil'ruk und stampfte mit klappernder Rüstung auf ihn zu. Der kleine Ingenieur drehte seinen Kopf zu ihm um. Seine Fühler zuckten unablässig und der grimmige Gesichtsausdruck wich zunächst nicht, lediglich seine Augen verengten sich leicht. Dass er den Windschnitter nicht erkannte war ausgeschlossen, dennoch maßte er sich einen respektlosen Ton an: »Was?«   »Die Befehle der Klaxxi sind Euch bekannt. Warum glaubt Ihr der Erweckerin Aufgaben erteilen zu können?« Kil'ruk war über sich selbst erstaunt, wie ruhig er noch sprach. Noch vor ein paar Stunden hätte er der Erweckerin deswegen am liebsten ein Bein ausgerissen, damit sie in Zukunft nichts dummes mehr anstellen konnte. Damit war hauptsächlich natürlich gemeint, dass sie nicht mehr eigenmächtig weglaufen konnte.   Kor'ik duckte sich leicht und zischelte leise. »Der Signalgeber war wichtig für die Augen der Klaxxi. Und letztendlich hat er zu einem weiteren Getreuen geführt.«   »Das ist nicht der Punkt.«, krächzte Kil'ruk und verengte seine Augen. Es waren fast die selben Worte gewesen, welche auch die Erweckerin ihm gegenüber gesagt hatte. »Der Erweckerin darf nichts zustoßen, bis ihre Dienste nicht mehr benötigt werden. Die Stimmgabel ist nur auf sie geprägt.« Er rieb ungeduldig seine Vorderbeine gegeneinander, ehe diese wieder an seinen Unterleib zurückfanden. »Ihr müsst Aufgaben vorher mit mir absprechen. Sie hätte nie alleine unterwegs sein dürfen!«   Kor'ik zischte langgezogen. »Seit wann nehmt Ihr Eure Aufgabe, auf die Erweckerin acht zu geben so ernst, Windschnitter? Si-«   Kil'ruk zischte aufgebracht und schnitt dem Ingenieur so jedes weitere Wort und somit auch jeden weiteren Gedanken ab. »Ich diene dem Willen der Klaxxi und führe ihre Befehle aus. Etwas, was Ihr lieber auch tätet, wenn Ihr in ihren Reihen verweilen wollt, Kor'ik!«   Der kleine Ingenieur duckte sich weiter, während seine Fühler nur noch wilder zuckten. Der Windschnitter hingegen schmälte seine Augen hinter seinem Helm und sah herausfordernd zu ihm hinab. Schließlich schnellten seine Vorderbeine wieder vor und bohrten sich durch den Panzer des kleinen Ingenieurs. Blut quoll aus der gesprungenen Schulter und Kor'ik krümmte sich vornüber zusammen, während das Vorderbein wieder an seinen Platz fand. Was dachte sich diese kleine Made nur, ihn, den Windschnitter, herauszufordern! Als wenn er sich um die Erweckerin sorgen würde, einer Niederen? Einem Nichts? Kor'ik hatte hier seine Kompetenzen weit überschritten. »Ich muss nicht wissen was sie macht, oder wo sie steckt, solange sie nicht alleine an das andere Ende der Welt rennt! Also versucht mich nie wieder herauszufordern.«, zischte der Windschnitter ebenso leise wie auch drohend.   Kor'ik nicke hektisch und zischelte leise, als Kil'ruk seinen Blick hob und schnell in die Luft entschwand. Als würde er seine Aufgabe 'auf einmal' ernst nehmen, pah! Die Erweckerin musste leben, solange sie noch gebraucht wurde. Er führte lediglich die Befehle der Klaxxi aus. Es war nicht seine Schuld, dass Klaxxi'va Vor ihm die Aufgabe gegeben hatte, auf die Erweckerin aufzupassen. Er sollte dafür sorgen, dass sie keinen Unfug anstellte, oder sie vorzeitig durch eine ihrer Dummheiten starb.   Der Windschnitter klickte hart mit seinen Kieferzangen gegeneinander, während er rastlos um Klaxxi'vess kreiste. Der Wind, den er zwischen seinen schnell schlagenden Flügeln spüren konnte, ebenso wie auf seinem Panzer, beruhigte ihn ein wenig. Sein Blick schweifte über die verdorbene Erde, die sich durch die Schreckensöde wie eine Narbe zog. Was für ein Unfug. Die Erweckerin musste in erster Linie vor sich selbst geschützt werden. Niedere Kreaturen - und sie im Besonderen! - hatten ein Talent dafür in gefährliche Situationen zu geraten - wie er zweifelsfrei gesehen hatte. Er sorgte sich nicht um sie. Was für ein Blödsinn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)