Rise of the Titans von Raija ================================================================================ Kapitel 27: Foxtrot Uniform November Kilo ----------------------------------------- Kapitel 28 – Foxtrot Uniform November Kilo Als ich aus der Sauna kam, fühlte ich mich so müde wie noch nie zuvor, was allerdings kein Wunder war. Ich überlegte, wie lange ich nicht geschlafen hatte. Ungefähr 27 Stunden? Mein Blick glitt über den See, dessen Oberfläche leichte Wellen schlug. Sanft strich mir eine Brise über den Nacken und ließ die Bäume gemütlich hin und her wiegen. Es sah so friedlich aus, dass das Grauen, das wir vor kurzem erlebt hatten, so unwirklich wirkte. Die Bilder der vergangenen Stunden schossen durch meinen Kopf. Bei dem Gedanken an den abgestürzten Helikopter sträubten sich meine Nackenhaare. Ebenso begannen meine Augen verräterisch zu brennen. Im Moment war ich emotional nicht auf dem Höhepunkt. Ich sollte am Besten nicht an so etwas denken, sonst würde ich noch zur Heulsuse mutieren. Eiligen Schrittes ging ich zurück ins Haus. Dort erwartete mich ein anscheinend schlafender Levi auf dem Sofa. Er hatte mir den Rücken zugewandt, weswegen ich nicht genau sagen konnte, ob er wach war oder nicht. Für einen Augenblick betrachtete ich ihn und empfand Mitleid für ihn. Er würde sicher schreckliche Rückenschmerzen haben von dem Nickerchen auf der Couch. Dann auch noch die Ungewissheit, ob Erwin sich wirklich in dem Hubschrauber befand. Zwar hatte ich keine Ahnung von ihrem Verhältnis zueinander, aber ich schätzte, dass Erwin und Levi sich nahe standen. Plötzlich drehte er sich auf den Rücken und sah mich an. „Wie lange willst du noch da stehen und mich anglotzen?", fragte er murrend. „Ich genieße die Genugtuung, dass du auf dem Sofa schlafen musst", gab ich genauso genervt zurück. Levi setzte sich auf und fuhr sich durch die leicht zerzausten Haare. Ich musste zugeben, er sah in diesem Moment verdammt sexy aus, was mein Herz automatisch höher schlagen ließ. „Können wir uns nicht einfach vertragen, bis wir in Sicherheit sind und dann getrennte Wege gehen?", wollte er nun wissen. Verächtlich stieß ich die Luft aus, ehe ich an ihm vorbei die Treppe hoch in mein Zimmer stampfte. Dort ließ ich mich rücklings auf mein Bett fallen. Der Kater, aufgeschreckt durch mein plötzliches auftauchen, machte einen Buckel und fauchte mich an. Gereizt durch Levis zweite Frage, schubste ich das grantige Vieh vom Bett. Sollte er sich doch auf dem Sofa bei dem anderen Stänkerer breit machen, wenn ihm meine Anwesenheit nicht passte. Knurrend verschwand er durch den Türspalt aus dem Raum. Genau zu diesem Zeitpunkt wurde mir mein Verhalten bewusst. Ich legte die Hände vor das Gesicht. Gott, ich war doch sonst nicht so schlimm! Um mich von meinem schlechten Gewissen abzulenken, stand ich wieder auf und wühlte im Schrank nach etwas zum Anziehen. Ich brauchte dringend Schlaf, sonst würde ich wahrscheinlich noch unausstehlicher werden. Kaum lag ich im Bett, lösten sich alle Gedanken auf und machten wirren Traumbildern platz. • Ein schepperndes Geräusch ließ mich aus meinem Schlaf hochfahren. Mit pochendem Herzen lauschte ich, vernahm jedoch keinen Laut. Müde rieb ich mir die Augen, als ich das Katerchen bemerkte, das sich auf meinen Beinen genüsslich reckte. Lächelnd kraulte ich seine Brust und ließ meine Finger durch sein langes, samtweiches Fell gleiten. „Na Schlafmütze, hast du mir verziehen?" Friedliches Schnurren war von ihm zu vernehmen. „Das freut mich." Ich ließ mich zurück in die Kissen sinken, da hörte ich Levis Stimme aus dem unteren Stockwerk, jedoch verstand ich keines seiner Worte. Unterhielt er sich mit jemanden? Angestrengt spitzte ich die Ohren. Nein, aber was redete er da? Von Neugierde gepackt schwang ich die Beine aus dem Bett und tapste Barfuß zur Tür. Geräuschlos öffnete ich diese und lauschte erneut. „One Zero Three Seven Echo Romeo Whiskey India November von Seven Five Nine Zero Lima Echo Victor India, kommen." Ich hatte absolut keine Ahnung, was er da erzählte. Leise stieg ich die Treppe hinab, ging in die Küche und schaute in den Kühlschrank, wobei ich ihm ganz rein zufällig zuhören konnte. „One Zero Three Seven Echo Romeo Whiskey India November von Seven Five Nine Zero Lima Echo Victor India, kommen." Was hatte das zu bedeuten? „Du brauchst nicht so zu tun, als würdest du etwas suchen. Ich weiß, dass du lauschst. Erklär mich nicht für dumm!" Empört schnappte ich nach Luft, um ihm einen deftigen Kommentar an den Kopf zu knallen, besann mich dann eines besseren und schloss den Mund wieder. „Was machst du da?", fragte ich stattdessen, wobei ich mich an die geschlossene Tür des Kühlschranks lehnte. „Ich versuche Erwin zu kontaktieren", antwortete er und lehnte sich ebenfalls auf dem Sofa, auf dem er saß, zurück. Vor ihm auf dem Couchtisch stand ein uraltes Funkgerät. Echo Romeo Whiskey India November Erwin. Na klar, jetzt ergaben seine Worte einen Sinn. „Wo hast du das her?" Ich deutete auf das Gerät, das aussah, als hätte es schon zu Zeiten des zweiten Weltkriegs gelebt. „Aus dem Saustall oben." Wir schwiegen. Levi setze sich wieder vor auf die Kante und nahm das Mikro zur Hand. „One Zero Three Seven Echo Romeo Whiskey India November von Seven Five Nine Zero Lima Echo Victor India, kommen", sprach er hinein und wartete auf eine Antwort. Doch war nur Rauschen zu vernehmen. Er versuchte es erneut, während ich einen Blick auf die digitale Zeitanzeige der Mikrowelle schaute. Es war 2 Uhr in der Früh. Kaum zu glauben, denn draußen war es taghell. Diese Mitternachtssonne, die für Lappland üblich war, konnte einen ganz schön aus dem Rhythmus bringen. Ich sah zu Levi, erkannte die dunklen Ringe unter seinen Augen und fragte mich erneut, wie viel Schlaf er die letzten Tage bekommen hatte. Auf jeden Fall weniger als ich. „Vielleicht solltest du es später noch einmal versuchen. Es ist schließlich mitten in der Nacht", gab ich zu bedenken. „Das Bett oben ist frei. Eine Mütze voll Schlaf würde dir sicherlich gut tun." Dabei vermied ich es ihn anzusehen und wendete einen Magneten, den ich zuvor von der Tür des Kühlgeräts gepickt hatte, in meiner Hand hin und her. Als ich schließlich doch zu ihm aufsah, traf mich die Intensität seines Blickes so heftig, dass ich nach Luft schnappte. „Hast du dich wieder eingekriegt?", fragte er, während er mich skeptisch musterte. „Ein wenig vielleicht", gab ich zu. Für einen weiteren Atemzug hielt ich seiner Musterung stand, dann richtete er sich ohne ein weiteres Wort auf und verschwand nach oben. Ich hingegen machte mich auf die Suche nach etwas essbarem. Später stand ich vor dem Bücherregal und suchte nach einem Buch, das weder Krimi, Psychothriller oder Horrorgeschichte war. Dafür war mein Leben schon genügend abenteuerlich. Da stach mir ein Exemplar ins Auge. „Oh hallo Mr. Grey", raunte ich, als ich es zur Hand nahm. Eine komplizierte Liebesgeschichte mit viel Anfassen würde mich sicher gut von meiner ablenken. Ich schlug die ersten Seiten auf und begann zu lesen, während ich mich langsam auf das Sofa zu bewegte. Als ich mich darauf sinken ließ und gegen die Kissen lehnte, strömte mir Levis Duft entgegen. Es roch nach Seife, frisch gewaschener Wäsche und ein Hauch von Moschus. Mit geschlossenen Augen atmete ich tief ein und dachte an die Zeit zurück, in der Levi mein Mr. Unglaublich war. Wie eine Katze, rollte ich mich zusammen und bei dem Gedanken an zarte Küsse und sanfte Liebkosungen döste ich glatt ein. • Während ich von vergangenen Tagen träumte, senkte sich die Sitzfläche neben mir und Finger strichen mir einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Schlagartig öffnete ich die Augen. Neben mir saß Levi, der mich beobachtete. „Ich wollte dich nicht wecken", sagte er fast schon entschuldigend. „Schon gut", krächzte ich und richtete mich auf. Ich fühlte mich in Gegensatz zu vor meinem Nickerchen wie von einem LKW überrollt. „Kann man sich auch müde schlafen?", fragte ich mit quengelnder Stimme. „Dein Körper braucht den Schlaf. Du bist die ganze Aufregung nicht gewohnt", erklärte Levi schlicht. Dabei werkelte er wieder an dem Funkgerät, drehte an Reglern, drückte Knöpfe und legte Schalter um. „One Zero Three Seven Echo Romeo Whiskey India November von Seven Five Nine Zero Lima Echo Victor India, kommen." Kurz sah ich ihm dabei zu, schnappte mir dann aber wieder das Buch und las weiter. „50 Shades of Grey? Solchen Mist liest du?", fragte er, als würde er an meinem Verstand zweifeln. Ich gab ein bestätigendes Geräusch von mir, ging aber nicht weiter auf ihn ein, weswegen er sich dem Gerät vor ihm wieder zu wandte. „Was ist, wenn Erwin sich meldet?", durchbrach ich die Stille nach einiger Zeit. „Was wohl Dummerchen? Wir lassen uns abholen." „Und wenn du ihn nicht erreichst?" „Dann müssen wir uns auf eigene Faust durchschlagen." Ich dachte über seine Worte nach. Dann sprang ich ruckartig vom Sofa auf und ging zum Bücherregal, wo ich einen Atlas zwischen den Büchern hervor zog. Suchend blätterte ich darin umher, bis ich schließlich eine Finnlandkarte auf den Küchentisch legte. Levi erhob sich ebenfalls und trat neben mich. „Wir sind jetzt hier", ich deutete auf eine Stelle nahe der schwedischen Grenze, „wo stehen diese Mauern?" Er blätterte einige Seiten um, bis er die entsprechende gefunden hatte. „Hier", sagte er und zeigte auf ein Gebiet in Süddeutschland. „So weit weg?", rief ich ungläubig aus. „Falls ich keinen Kontakt zu Erwin herstellen kann", er blätterte zurück zur Finnlandkarte, „besorgen wir uns ein Auto, fahren nach Helsinki und setzen dort mit der Fähre über." Mit dem Zeigefinger zeichnete er die Strecke nach, schlug die Deutschlandkarte auf und zeigte auf den Punkt, wo anscheinend die Fähre ankommen würde. „Dann ist es nicht mehr all zu weit. Ich schätze, wir brauchen drei Tage." Konzentriert betrachtete ich die Karte. „Ich denke, wir sollten über Schweden fahren", warf ich schließlich ein. „Das wäre ein großer Umweg", gab Levi zu bedenken. „Ja, aber schau mal", ich öffnete die Schwedenkarte, „von Schweden aus haben wir mehr Möglichkeiten nach Deutschland überzusetzen. Stell dir mal vor, die Fähre von Helsinki aus fährt nicht. Was bleibt uns dann noch?" Ich zeigte auf Trelleborg, südlich in Schweden. „Von hier geht eine Fähre." Nun deutete ich auf Helsingborg, südwestlich in Schweden. „Hier ebenfalls." Als nächstes auf Malmö, südlich von Helsingborg. „So wie von hier. Außerdem gibt es noch zwei Brücken: Die Öresund und die Storebaelt, die von Schweden nach Dänemark führen." Abermals gab ich die entsprechenden Stellen auf der Karte an. Levi, der mich nicht ein einziges Mal unterbrochen hatte, sah mich an und ich glaubte, so etwas wie leichte Anerkennung in seinem Blick lesen zu können. „Gut", lobte er, „nicht schlecht für einen Dummkopf." Meine Augen verengten sich zu Schlitzen. Doch ehe ich etwas erwidern konnte, knackte das Funkgerät und eine Stimme ertönte. „Seven Five Nine Zero Lima Echo Victor India von Four Seven One Nine Mike India Kilo Echo, kommen." Levi stürmte zurück zum Couchtisch und riss das Mikro aus seiner Halterung. Er drückte einen Kopf und sprach: „Hier Seven Five Nine Zero Lima Echo Victor India, kommen." „Hey Levi, wo steckst du?" „Nahe dem Ausgangspunkt", antwortete er. „Scheiße", vernahm man Mikes Fluchen. „Allein?" „Ivory ist bei mir. Hast du etwas von Erwin oder meinen Leuten gehört?" „Von deinem Team weiß ich nichts und zu Erwin habe ich den Kontakt verloren. Sein letzter Funkspruch lautete: worst case. Du weißt was das heißt." „Schlimmster Fall - Jeder auf sich gestellt", sprach Levi die Bedeutung von Erwins letzten Worten aus. Entsetzt legte ich die Hände vor den Mund. Ich hatte das Gefühl mir würde es den Boden unter den Füßen wegzerren. Auch Levi wirkte angespannt. „Hör mal, ich bin mit einer Gruppe Zivilisten unterwegs. Wir sollten spätestens morgen ankommen. Ich tue was ich kann, um euch da raus zu holen", sagte Mike in die Stille, die entstanden war. „Komm erstmal selbst heil an. Ende." „Viel Glück, Mann", verabschiedete er sich. Levi steckte das Mikro zurück in seine Halterung. Als er den Blick hob und mir in die Augen sah, realisierte ich, dass alles, was wir die letzten Tage erlebt hatten, nur der Anfang war. Der Anfang vom Ende der Menschheit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)