Rise of the Titans von Raija ================================================================================ Prolog: 1995 ------------ Prolog - 1995 „Maamaaaaa!“, verlangte ich nach der Aufmerksamkeit meiner Mutter. Schon seit einer Ewigkeit latschten wir durch die Gegend mit all diesen fremden Menschen und ein Mann sprach die ganze Zeit eine Sprache, die ich nicht verstand. Außerdem waren wir nun schon an der dritten Eisdiele vorbei gelaufen ohne ein Eis zu kaufen. Schmollend zog ich meinen Plüschhasen, der auf der Erde schleifte, hinter mir her. „Mama!“, versuchte ich es diesmal lauter. Doch wieder wurde ich nicht erhört. Jetzt sprach meine Mutter auch diesen Kauderwelsch mit dem komischen Mann. „Menno, Papa!“, war mein nächster Versuch. Er schenkte mir sofort seine ungeteilte Aufmerksamkeit. „Was ist los, Prinzessin?“ „Ihr habt versprochen, dass wir Eis essen gehen!“, beschwerte ich mich. „Und dieses Versprechen halte ich.“, versicherte mir mein Vater. „Wann?“, wollte ich wissen. „Später mein Schatz. Deine Mutter und ich wollen uns erst noch diese Altstadt anschauen. Diese Häuser hier sind schon viele viele Jahre alt. Älter als deine Großmutter.“ „Ja und? Ich will mein Eis!“, quengelte ich weiter. Dabei übersah ich eine Kante in dem unebenen Kopfsteinpflaster und drohte hinzufallen. Mein Vater, der Held meiner Kindheit, fing mich noch rechtzeitig auf. Er nahm mich auf den Arm und sah mich belustigt an. „Ständig muss man auf dich aufpassen!“, lachte er. Ich hingegen, drückte meinen Hasi enger an mich und schaute beleidigt in die entgegengesetzte Richtung. Noch immer schmunzelnd setzte er mich auf dem Rand einer diesen Brunnen ab, in diese die Leute immer Münzen warfen und hübsche Engelchen Wasser spien. Ich strafte ihn weiterhin mit all der Nichtachtung, die nur ein Kind aufbringen kann. „Ganz schön heiß hier.“, nuschelte mein Vater mehr zu sich selbst, während er sich den Schweiß von der Stirn wischte und sich dem Laberfritzen wieder zu wandte. Schön, dass er das nun auch mal bemerkte. Genau aus diesem Grund wollte ich ja auch mein Eis! Trotzig setzte ich Hasi etwas unvorsichtig neben mich. Natürlich hatte das Plüschtier keinerlei Körperspannung und fiel deshalb nach hinten um ins Wasser. Die Wellen, die durch die Wasserstrahlen aus den Wasserspeiern entstanden, zogen meinen Kuschelfreund immer weiter in die Brunnenmitte. Ich versuchte ihn noch zu erreichen, griff aber nur ins Wasser. Blitzschnell zog ich meine Hand zurück. Tränen schossen mir in die Augen. Nicht nur, weil grade mein Hasi seelenruhig davon schwamm, sondern weil das Wasser so brühend heiß war und ich mir die Hand verbrannt hatte. Jetzt sah ich auch, dass Dampf vom Wasser aufstieg. Die großen ruhigen Wellen waren nun klein und zittrig und man könnte meinen, die Münzen würden auf dem Brunnenboden entlang krabbeln. Ein Vibrieren ging von dem breiten Rand, auf dem ich kniete aus. Fragend sah ich zu meinen Eltern, doch die waren in das Gerede von dem Mann vertieft. Also blickte ich wieder zu meinem Plüschtier, dass nun unerreichbar schien. Und da viel es mir auf: Ein kleiner Riss zog sich über den Boden zu einer Säule hin. Je länger er wurde, desto breiter wurde er in der Mitte. Er schlängelte sich die Säule hinauf und fraß sich haarfein über den Engel, aus dessen Pfeilspitze Wasser floss. Das Wasser stoppte. Und jetzt? Mit einem lauten Knacken zersprang die Engelsfigur. Alle umstehenden Menschen blickten geschockt zu dem zerstörten Wasserspeier, manche schrien sogar kurz auf. Plötzlich spürte ich Hände unter meinen Achseln, die mich hochhoben und wegzogen. Ein tiefes Grollen war zu vernehmen und der Riss im Boden wurde in Sekundenbruchteilen riesig groß. Es knallte abermals und die eine Seite von dem Riss senkte sich, während die andere empor stieg. Die Menschen schrien wirr durcheinander und rannten wie aufgeschreckte Hühner in alle Himmelsrichtungen. Mein Vater hatte mich über seine Schulter gelegt und eilte zu meiner Mutter. Mittlerweile hatte sich dort, wo der Brunnen war, ein tiefes Loch aufgetan, das sich immer weiter vergrößerte. Selbst auf dem Arm meines Vaters spürte ich, wie stark die Erde bebte. Was war los? Was passierte hier? Meine Mutter tauchte in meinem Blickfeld auf. Sie rannte, genauso wie mein Vater. Die Sonne blendete mich und ich kniff die Augen zusammen, um sie besser sehen zu können. „Es wird alles gut, Liebling!“, sagte sie aufmunternd. Doch in ihrem Gesicht konnte ich nur das Gegenteil ablesen. Sie wirkte gehetzt und panisch. Ich bekam Angst. „Mama..“, wimmerte ich leise. Sie lächelte mir zu. Als sie erneut zum Sprechen ansetzte, wurde sie angerempelt, wodurch sie hinfiel. Ihr Fuß stand unnatürlich von ihrem Bein ab. Das Erdloch vergrößerte sich weiterhin und drohte sie in die Tiefe zu reißen. „Mama!“, wiederholte ich diesmal lauter. Mein Vater stoppte abrupt und sah sich nach seiner Frau um. „Carla!“, rief er entsetzt als er sie entdeckte. Ich drehte mich in seinen Armen, damit ich meine Mutter sah. Sie lag dem Abgrund sehr nahe. Plötzlich kam etwas aus der Tiefe. Ich kniff wieder die Augen zusammen. Es sah aus wie eine riesige Hand, der ein ebenso riesiger Körper folgte. Ich schirmte meine Augen mit der Hand und versuchte den Blick scharf zu stellen. Der Riese nahm meine Mutter in de Hand und hob sie hoch. Sah ich das wirklich? Urplötzlich fuhr ein Ruck durch meines Vaters Körper. Ein Mann zog an ihm und brachte uns aus der Gefahrenzone. Ich schaute zurück zu meiner Mutter, doch ich sah sie nicht mehr. Gestalten in weißer Kleidung mit grünen Umhängen flogen über unsere Köpfe Richtung Erdloch. Ich blickte ihnen hinterher. Auf ihren Rücken waren zwei große Flügel abgebildet. Waren das Schutzengel, die uns beschützen? Kapitel 1: 19 Jahre später -------------------------- Kapitel 1 – 19 Jahre später „Gee!“, gab ich das Kommando. Sofort bogen meine Leithunde rechts ab. Nur noch wenige Kilometer und wir waren wieder zu Hause. Wir hatten schon knappe 80 Kilometer hinter uns und nun begann der Akku meiner Stirnlampe zu schwächeln. Da die Sonne zu dieser Jahreszeit nur ganz kurz schien, war ich auf dieses Ding angewiesen. Die letzten 6 Stunden war sie mit voller Leistung in Betrieb gewesen. Ich leuchtete in die Ferne. Vor uns lag nur noch eine offene Stelle und schon waren wir zu Hause. „Haw!“, rief ich nun meinen Hunden zu, damit sie links in die Einfahrt bogen. Wir hielten in dem großen Freilauf, der auf zwei Seiten von Zwingern umgeben war, und ich sicherte mittels Schneeanker den Schlitten. Schon hörte ich die Haustür zuknallen und Sarah, meine Angestellte, eilte zu mir. Sie schloss das Tor hinter uns und half mir den zwölf Hunden die Zuggeschirre und Booties auszuziehen. Sarah wusste, dass ich bei dieser Tätigkeit mich immer voll und ganz auf die Hunde konzentrieren möchte, weshalb sie schwieg, doch ich konnte es an ihrer zappeligen Art ablesen, wie sehr sie mir etwas sagen wollte. „Na los, spuck' es aus.“, forderte ich sie auf, während ich mich in den Schnee neben das Gespann setzte. „Willst du nicht erst die Hunde aus schirren?“, fragte sie unsicher nach. „Die sind müde und können warten.“, gab ich zurück. Wie aufs Kommando kam Olaf, ein großer grau-weißer Alaskan Husky mit strahlend blauen Augen, zu mir und schleckte mir auffordernd über das Gesicht. Sanft schob ich seinen Kopf weg und begann ihn am Schwanzansatz zu kraulen. Rüden lieben das! „A-also die Polizei hat angerufen. Dein Vater ist im Gefängnis. Mehr haben sie mir nicht gesagt!“ „Hast du dir eine Telefonnummer geben lassen?“ „Ja! Sie hängt an der Pinnwand neben dem Telefon.“, bestätigte Sarah. „Kannst du dich bitte um die Hunde kümmern? Ich ruf sofort zurück.“, bat ich sie und verschwand kurz darauf im Haus. Drei Tage später war ich viele tausende Kilometer von meinem Haus entfernt und stand in einem fensterlosen Warteraum. Nachdem ich eine saftige Kaution bezahlt hatte, wartete ich nun auf meinem Vater. Verärgert lief ich auf und ab, wobei die Keilabsätze meiner Schuhe laut klackerten. Die metallene Gittertür, die als Durchgang zu den Zellen diente, wurde mittels Schlüssel geöffnet und mein Vater, begleitet von zwei bulligen Wachmännern, wurde in den Raum geführt. Nachdem die Polizisten uns alleine gelassen hatten, lachte mein Vater mir entgegen. „Na, Kleine?“ „Für was ziehe ich diese nuttigen Hacken an, wenn du mich noch immer als klein bezeichnest?“, fauchte ich ihn an und deutete dabei auf meine Schuhe mit hohem Absatz. Ich war wirklich nicht die Größte und versuchte das in der Öffentlichkeit mit hohen Schuhen zu kaschieren. Mein Vater lächelte weiterhin zu mir hinab. „Das nächste Mal hol ich dich nicht hier raus!“, drohte ich ihm mit dem Finger. Ich machte auf dem Absatz kehrt und verließ gefolgt von ihm das Gebäude. „Was denkst du dir eigentlich?“, fragte ich ihn lautstark, als wir hinaus auf die Straße traten. „Was glaubst du, wie ich mich dabei fühle?“ „Ich habe nach deiner Mutter gesucht.“, war die schlichte Antwort. Ich blieb stehen. Auf einmal fühlte ich mich so müde und eine tiefe Trauer drohte mich hinab zu ziehen. „Ivory, das war kein normales Erdbeben!“, setzte mein Vater an. „Doch das war es!“, unterbrach ich ihn. „Du hast diesen Riesen doch auch gesehen!“ „Ich war 5! Ich weiß nicht was ich gesehen habe.“, fuhr ich ihn an. Ich war den Tränen nahe. Er war immer noch von dieser Verschwörungstheorie überzeugt. „So was wie menschenfressende Riesen, die unter der Erde leben, gibt es nicht. Also-“ „Es gibt sie!“, wurde ich unterbrochen. Neben uns stand ein braunhaariger Junge. Mit ernstem Blick schaute er uns abwechselnd an. „Ich habe sie auch gesehen!“ „Eren.“ Ein Mädchen zog ihn mit sich, gefolgt von einem anderem Jungen. Ungläubig schauten wir ihnen hinterher. „Siehst du! Er hat sie auch gesehen. Ich muss dort noch mal runter.“, sagte mein Vater. „Ich habe nicht all diese Stunden bei einem Psychotherapeuten verbracht, um mich nun wieder diesem Terror auszusetzen!“, explodierte ich. „Ich weiß nicht was damals passiert ist und ich weiß nicht was ich gesehen habe, aber eins weiß ich: Meine Mutter ist tot und sie wird nicht wieder kommen! Mensch Papa, ich bitte dich. Wir haben doch nur noch uns. Komm mit mir nach Hause.“ „Nur noch ein Mal möchte ich dorthin.“, gab mir mein Vater zu verstehen. Ein tiefer Seufzer entglitt meiner Kehle. Gedanklich ging ich mehrere Szenarien durch. „Ok, ein letztes Mal, aber dann kommst du mit mir!“ „Versprochen.“, willigte er ein. Noch in der selben Nacht schlüpften wir durch ein Loch im Zaun in das abgegrenzte Gebiet. Im Prinzip hatten sie die ganze Stadt von der Außenwelt abgeschirmt. Offiziell hieß es, dass das Erdbeben 1995 große unterirdische Tunnel geschaffen hatte und deswegen große Teile der Stadt einsturz gefährdet sei. Wir liefen schon eine Weile durch die verlassenen Straßen. Im Strahl der Taschenlampe sahen die verfallenen Häuser ganz schön gruselig aus. Ein lautes Klirrend war aus einer dunklen Seitengasse zu vernehmen. Ich leuchtete in die Richtung aus der ich das Geräusch vermutete. Dort schepperte ein Deckel von einem Blecheimer auf dem Boden und eine Katze huschte in die Dunkelheit. Das Tiere hier noch lebten war für mich unbegreiflich. „Du bist zu laut.“, sagte mein Vater im Flüsterton. Stumm gestikulierte ich wild vor mich her, womit ich ihm klar machen wollte, dass ich dafür nichts konnte. Er deutete jedoch nur auf meine Stiefel. „Was soll ich denn machen? Etwa ausziehen?“ „Ja, der Boden ist warm.“ Kritisch betrachtete ich meinen Vater, ging dann jedoch in die Hocke und legte eine Hand auf den alten Asphalt. Er war tatsächlich warm! „Das kommt von den Riesen.“, erklärte er mir. Ich erhob mich wieder. Auffordernd blickte mein Schöpfer auf meine Schuhe. Etwas missgestimmt zog ich sie mir von den Füßen und stand dafür jetzt in barfuß da. Unglaublich! Ich hatte eine Jeans und eine Daunenjacke an, aber keine Schuhe. Der alte Herr war mir echt was schuldig. Wir setzten unseren Weg fort. Nach einer schier endlosen Wanderung hatten wir die Altstadt erreicht. Zerstörte Gebäude und einstige Sehenswürdigkeiten ragten in die Höhe. Überall lagen Schutt und Trümmer. Das alte Kopfsteinpflaster schien wärmer zu werden. Es dauerte noch etwas, dann hatten wir die Stelle erreicht, an der mir von 19 Jahren meine Mutter genommen wurde. Mein Vater lief schnurstracks auf dieses Loch zu. Ich jedoch blieb stehen und versuchte den Kloß in meinem Hals runter zu schlucken. Dabei bemerkte ich, wie der von Wolken bedeckte Himmel heller wurde. Anscheinend ging die Sonne auf. Waren wir etwa die ganze Nacht durchgelaufen? „Das musst du dir ansehen!“, riss mich mein Vater aus meinen Gedanken. Schnell eilte ich zu ihm. Er deutete in das unglaublich große Loch im Boden vor uns. Ich legte Schuhe und Taschenlampe ab und ging noch wenige Schritte weiter. Es war so warm geworden, dass ich den Reißverschluss meiner Jacke öffnete. In dem Krater meinte ich etwas erkennen zu können. Die Wolken zogen weiter und gaben endlich die Sonne, die mehr und mehr Licht spendete, frei. Und jetzt sah auch ich was dort unten lauerte. Eine abnormal große Gestalt saß da und schien zu schlafen. Sie war nackt und irgendwie glich die Anatomie nicht ganz der menschlichen. Derweil waren die Wolken vollends verschwunden und die Sonne leuchtete die Tiefe vor mir aus. Ich trat noch einen Schritt nach vorne. Plötzlich schlug die Gestalt die Augen auf und blickte mich direkt an. Kapitel 2: Schutzengel ---------------------- Kapitel 2 – Schutzengel Eine große Angstblase bildete sich in meiner Brust und nahm mir die Luft zum Atmen. Die feinen Härchen an Unterarmen und Nacken richteten sich auf. Trotz dieser Hitze, für die dieses Ding anscheinend verantwortlich war, und meiner Daunenjacke fror ich. Der Riese hatte seinen Blick noch immer auf mich gerichtet, während es nicht langsam erhob. Gleichzeitig ging ich einige Schritte rückwärts. Als es sich zu seiner vollen Körpergröße aufgerichtet hatte, ragten Kopf und Schultern aus dem Krater. Wieder musste ich schlucken. Sah ich das wirklich? War das real? Mir wurde schlecht und meine Beine drohten nachzugeben. „Ha, ich hab's doch gesagt!“, lachte mein Vater. „Das ist glaube ich kein Grund zur Freude.“, antwortete ich schwach. Wo waren wir da nur hinein geraten? Dieses riesige Ding starrte mich weiterhin wie ein Stück Fleisch an. Derweil lief ich weiter langsam rückwärts. Plötzlich beugte es sich vor über und war mir mit seinem Gesicht ganz nahe. „Papa!“, wimmerte ich leise und ich konnte die Tränen kaum noch zurück halten. Mein Vater wollte zu mir eilen, doch das Monster legte sie Arme so auf den Boden, dass ich eingekesselt und wir voneinander abgeschnitten waren. An Flucht war nun nicht mehr zu denken. Von Vorne wurde ich durch den Schädel und Hinten von den großen Händen bedroht. Ich bekam keine Luft mehr! Vor Angst hyperventilierte ich fast. Mein Vater rief mir irgendetwas zu doch außer meinem Schluchzen hörte ich nichts. Unvermittelt öffnete das Etwas seinen Mund und schnappte nach mir. Mit einem Sprung zur Seite konnte ich mich grade noch retten, aber schon griffen monströse Hände nach mir. Ich rannte, stolperte, fing mich auf, schlug Haken und versuchte aus der Reichweite des Riesen zu kommen, jedoch erfasste mich seine Hand. Er hob mich hoch. Ich schluchzte und wimmerte, gleichzeitig petzte ich heulend die Augen zusammen. Gott, das war mein Ende! Unerwartet hatte ich das Gefühl als würde ich fallen. Schlagartig öffnete ich die Augen und tatsächlich entfernte sich das Gesicht des Monsters immer weiter. Ich fiel wirklich! Aus dem Augenwinkel bemerkte ich eine Bewegung. Ich erkannte in Weiß gekleidete Personen mir grünen Umhängen, auf denen Flügel abgebildet waren. „Schutzengel!“, erinnerte ich mich damals gedacht zu haben. Ein Ruck ging durch meinen Körper und ich wurde wieder nach oben befördert. Jemand hatte mich aufgefangen und schwang sich mit mir durch die Lüfte. Man hatte mich über die Schulter gelegt und außer dem grüßen Umhang, erkannte ich nur einen schwarzhaarigen Hinterkopf. Mein Blick richtete sich nun wieder zu dem Ungeheuer. Es machte mittlerweile Anstalten sein Loch zu verlassen, wobei mehrere dieser Schutzengel es umzingelten. Als ich auf sicherem Boden abgesetzt wurde, eilten mehrere Personen auf mich zu. Sie waren ebenfalls in weiß gekleidet und trugen braune Jacken, auf denen jedoch Rosen abgebildet waren. Der Mann, der mich aufgefangen hatte, schenkte mir einen desinteressierten Blick und verschwand mit zwei gezückten Schwertern sofort wieder. Was hatte er vor? Er flog durch die frische Morgenluft, als wäre es das natürlichste der Welt. Wie machte er das? Noch bevor ich sehen konnte was er bei dem Riesen anstellte, wurden mir Handschellen angelegt und ich wurde in einen schwarzen Van mit getönten Scheiben geschubst. „Hey! Was soll das?“, protestierte ich. Keine Antwort. Stattdessen wurde ich angeschnallt. „Wo ist mein Vater?“, versuchte ich es weiter. Das Auto startete und fuhr los. „In Sicherheit.“, war die monotone Antwort einer der Männer. Gesprächig waren sie nicht gerade. Ich presste mein Gesicht an die kalte Fensterscheibe. Nochmals wollte ich den Riesen sehen, um sicher zu gehen, dass ich mir das alles nicht eingebildet hatte. Ich sah gerade noch wie er zu Boden ging. Dann gab es einen gewaltigen Knall und der Van, in dem wir saßen, flog durch die Luft. Das Nächste, was ich mitbekam, war, dass ich auf dem Kopf stand. Mit Verzögerung realisierte ich was passiert war. Der Waagen war wohl auf dem Dach gelandet. Die Glasscheiben waren zersprungen und überall lagen Scherben. Ich sah mich nach den anderen Insassen um. Der Fahrer hing schlaff in seinem Gurt, während der Mann neben mir sich abschnallte und aus dem Wagen stieg. Noch immer etwas benommen, versuchte ich es ihm gleich zu tun. Auf der Suche nach Halt, trieb ich mir die Scherben in die Hände. Wegen diesen verdammten Handschellen wusste ich nicht wie ich mich abstützen und gleichzeitig den Sicherheitsgurt öffnen sollte. Panik keimte in mir auf. Ich musste hier raus! Verzweifelt versuchte ich den Gurt zu öffnen, doch ein Geräusch ließ mich innehalten. Einem kehligen Schrei folgte ein Knirschen, danach vernahm ich einen dumpfen Aufprall. Aus Angst vor dem was ich nun sehen würde, drehte ich zögernd langsam meinen Kopf in diese Richtung. Der Mann, der Minuten zuvor noch neben mir gesessen hatte, zumindest ging ich davon aus, dass er es war, lag geköpft wenige Meter vom Auto entfernt. Mir war übel und dachte mich übergeben zu müssen. Plötzlich tauchte ein abnormal großes Gesicht neben dem Wagen auf und starrte in meine Richtung. Nun konnte ich die Panik nicht mehr unterdrücken. Ich schrie was meine Stimmbänder hergaben. Dabei zerrte ich weiter an dem Sicherheitsgurt, gleichzeitig trat ich mit den Beinen wild umher. Das Monster schien Gefallen daran zu finden mich durch zu schütteln, denn es stupste das Fahrzeug immer wieder an. Ein Schatten flog auf der anderen Seite an mir vorbei. Plötzlich tauchte das Gesicht des Mannes von vorher neben mir auf. Vor Schreck schrie ich erneut auf, doch er dämpfe meinen Schrei, indem er seine Hand auf meinen Mund legte. Er gab mir einen Moment, um mich zu beruhigen. Als ich nur noch heftig durch die Nase atmete, nahm er die Hand zurück. „Stütz' dich mit den Händen ab.“, befahl er schroff. Ich tat wie mir geheißen und stemmte die gefesselten Hände gegen das Autodach. Er hielt mich an der Hüfte fest und löste im selben Moment meinen Gurt. Bevor ich fallen konnte, zog er mich auch schon aus dem Wagen. Ich stand noch nicht richtig, da zog er mich in seine Arme. Als sich mein Körper an seinen schmiegte, schien die Welt stehen zu bleiben. Er blickte mir in die Augen und es war, als würde er mir in die Seele schauen. Ich kannte diesen Mann nicht und er raubte mir den Atem. Sein Arm legte sich um meine Taille, während ich meine Finger in sein Hemd krallte. Nur beiläufig bemerkte ich, dass er mit der anderen Hand ein Kurzschwert zückte. Es gab einen Ruck und wir hoben vom Boden ab. Noch immer sahen wir uns unverwandt an. „Schutzengel“, schoss es mir erneut durch den Kopf. Mir wurde bewusst, dass ich tatsächlich die Luft angehalten hatte und sog gierig Sauerstoff in meine Lungen. Von da an schien die Zeit wieder normal zu laufen. Nun bemerkte ich auch, dass der Riese, der mich im Auto bedroht hatte, dampfend und anscheinend tot auf dem Bauch lag. Dafür marschierte ein anderer auf uns zu. Mein Retter setzte mich auf einem der alten Dächer ab. Kaum saß ich, schwang er sich schon davon und auf das nächste Monster zu. Dabei beobachte ich jede seiner Bewegungen. Während er sich umher schleuderte, als hätte er sein Leben lang nichts anderes gemacht, versprühte er solch ene Anmut und Eleganz. Ich war fasziniert und vergaß mein Umfeld total. So hatte ich keine Ahnung, dass ein weiterer, wenn auch recht kleiner Riese, versuchte mich zu erreichen. Erst als es zu meinen Füßen schepperte und große Hände nach mir griffen, verstand ich meine Lage. Auch dieses Mal konnte ich einen Aufschrei nicht unterdrücken. Hektisch drehte ich mich um und versuchte auf allen Vieren die rutschigen Ziegel weiter empor zu klettern. Das Ding bekam meine Kapuze zu packen und zog mich daran zu sich. Schnell öffnete ich den Reißverschluss und schälte mich aus meiner Jacke. Ich wiegte mich schon fast in Sicherheit, da begriff ich, dass meine Hände noch immer durch die Handschellen gefesselt waren. Mit meiner Aktion hatte ich mir die Jacke über den Kopf gestülpt, war aber weiterhin in ihr gefangen. Mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, riss ich an dem Kleidungsstück. Das Glück war mir anscheinend wohl gesonnen, denn die Druckknöpfe der Kapuze lösten sich. Das Monster hatte nun nur diese zwischen den Fingern, derweil landete ich unsanft auf dem Rücken und rutschte ein Stücken dem Dach hinab. Schon folgte die nächste Attacke. Der Kopf dieses Monsters schnellte zu mir hinab und aus Reflex schlug ich danach. Wieder einmal hatte ich Glück, denn es hatte nur meine übergestülpte Daunenjacke zwischen die Zähne bekommen. Kurz atmete ich auf, worauf aber sogleich ein Schrei meinerseits folgte. Ich wurde hochgezogen, indem der Riese sich aufrichtete. Diesmal konnte ich nicht darauf hoffen, dass irgendwelche Knöpfe sich lösten. Gerade als ich mich einmal mehr für diesen, bis jetzt recht frühen, Morgen mit meinem Schicksal abfinden wollte, klappte das Ding einfach zusammen. Abermals landete ich krachend auf meinem Rücken. Dennoch hatte ich schon wieder Glück im Unglück, denn der Riese landete nur knapp neben mir. Lange konnte ich mir keine Gedanken darüber machen, denn schon wurde ich wieder auf die nackten Füße gezogen. Vor mir stand wieder mein Schutzengel. „Ständig muss man auf dich aufpassen.“, beschwerte er sich. Kapitel 3: Titanen ------------------ Kapitel 3 – Titanen „Wie oft soll ich Ihnen das denn noch erzählen?“, fragte ich den hochgewachsenen Mann mit leicht gereiztem Unterton. Wenn es nach ihm ging, war das wohl erst der Anfang. Das konnte ich von seinem Gesicht ablesen. „Soll ich ganz von vorne anfangen?“, kam es bissiger als gewollt über meine Lippen. Auf der anderen Seite der verspiegelten Glasscheibe stand Captain Levi Ackerman und lauschte meinen Erzählungen. Er versuchte nachzuvollziehen was zwei ahnungslose Passanten dazu trieb, in ein titanenverseuchtes Gebiet einzubrechen und dieses dann auch noch so auf zumischen. Squad Leader Hanji Zoe betrat den Raum, wobei sie unverwandt auf einige Papiere sah. „Wir haben die Zwei durch den Computer gejagt.“, sagte sie als sie neben ihm zum Stehen kam. Sie richtete ihre Brille und hielt die dünne Mappe dem Ranghöherem entgegen. Da er nicht reagierte und weiterhin durch die Scheibe blickte, sprach sie einfach weiter. „Dr. David Hunter mit seiner Tochter Ivory Hunter. Beide waren 95 anwesend, als der kolossale Titan durch die Erde brach, wobei Carla Hunter, Ivorys Mutter, ums Leben kam. Ivory absolvierte eine Psychotherapie und knüpfte an ein normales Leben an – wuchs bei der Großmutter aus, beendete die Schule und so weiter - während ihr Vater den Tod der Mutter anzweifelte und wurde deswegen mehrmals in dem abgesperrten Gebiet aufgegriffen.“ Hanji blickte Levi aus dem Augenwinkel an. Da er noch immer geradeaus sah, seufzte sie und fuhr fort. „Er durfte jedes Mal nach einer dicken Kaution gehen, die übrigens von seiner Tochter bezahlt wurde. Er ist in der Ethologie tätig gewesen, Ivory hingegen machte sich selbstständig. Wenn du magst, kann ich dir den Link zu ihrer Facebookseite geben.“, endete sie schelmisch grinsend. Levi gab nur einen kurzen Laut von sich, der verdeutlichte, dass er zugehört hatte, wendete den Blick aber nicht von dem Geschehen im Nachbarzimmer. Ich saß, mittlerweile den Kopf in den Nacken geworfen, da und bekam eine Predigt über mein verantwortungsloses und kriminelles Verhalten gehalten. Dabei war der werte Herr nicht gerade leise. „Entschuldigung, aber könnten Sie bitte nicht so schreien? Wir sind erwachsende Leute und können das in einem normalen Tonfall klären.“, drang meine Stimme über die Lautsprecher in den Nebenraum. Hanji lachte los und auch Levi, obwohl man ihm äußerlich gar nichts ansah, musste etwas schmunzeln. Seinem Kollegen hingegen fiel alles aus dem Gesicht. Erneut öffnete sich die Tür zu Levis Linken und Petra Ral stand im Türrahmen. „Commander Erwin Smith und Mr. Hunter haben ihr Gespräch beendet. Sie bitten Sie Ivory zu Ihnen zu bringen.“, erklärte sie. Der Herr vor mir rang noch mit deiner Fassung, als sich die Tür hinter ihm öffnete. Ich konnte durch seinen massigen Körper nicht erkennen wer den Raum betrat, doch die Stimme erkannte ich sofort wieder. „Es reicht. Erwin will sie sehen.“, hörte ich meinen Schutzengel sagen. Als ich ihn dann endlich erblickte, machte mein Herz einen gewaltigen Satz gegen meinen Brustkorb, sodass ich beinahe von dem Stuhl, auf dem ich saß, aufgesprungen wäre. Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen. Was ist denn mit dir los, fragte ich mich im Stillen und versuchte mein rasendes Herz zu beruhigen. Mit neuer Gelassenheit blickte ich wieder zu ihm auf. Er sah mich direkt an. Bei der Intensität seines Blickes stockte mir erneut der Atem. Er hatte eine seiner feinen Augenbrauen leicht hochgezogen, was seinem Gesicht einen fragenden Ausdruck verlieh. Oh mein Gott, hatte er mich angesprochen und ich hatte es nicht mitbekommen? „Äh... eh...“, begann ich zu stottern. Ich blickte auf meine Hände, die sich in meine Jeans krallten. Wie peinlich war das denn? „Erwin möchte dich sehen, also folge mir.“, wiederholte er grantig. Ich nickte scheu und holte tief Luft. „Darf ich ein paar Schuhe haben?“, fragte ich kleinlaut. Nun stand ihm ein dickes Fragezeichen ins Gesicht geschrieben. „Ich habe kalte Füße.“, erklärte ich daraufhin. Sein Blick wanderte nun zu meinen nackten Füßen. Mein Füße sind wahrlich nicht die Schönsten und auch die unlackierten Nägel mussten bald mal wieder geschnitten werden. Peinlich berührt zog ich sie weiter unter mich. „Petra, hol ihr ein Paar Schuhe.“, befahl er der jungen Frau, die noch im Türrahmen stand. „Jawohl, Sir!“, ließ sie noch verlauten, ehe sie verschwand. Auch der Mann, der mich vernommen hatte, verließ den Raum. Jetzt waren wir alleine. Ich schaute zu ihm auf und auch er sah mich unverwandt an. Wieder begann mein Herz zu rasen und das Blut rauschte in meinen Ohren. Reiß dich zusammen, Ivory, schalt ich mich gedanklich. „Danke für die Hilfe!“, sagte ich mit nun wieder fester Stimme. Er nickte. „Ich heiße Ivory!“, stellte ich mich vor. „Levi.“, gab er preis. Noch immer ruhte seine Aufmerksamkeit auf mir. Auch wenn er desinteressiert und übellaunig wirkte, erinnerte er mich irgendwie an einen Wachhund. Ich erkannte eine gewisse Wachsamkeit und Konzentration in seinen Augen, als würde er etwas hüten. Bevor es überhaupt zu einer Unterhaltung kommen konnte, betrat die junge Frau, Petra, den Raum und brachte mir ein Paar Stiefel, die hier wohl jeder trug. Ich schlupfte in sie hinein und schon ging es los. Wir verließen den Raum und gingen schweigend durch die Flure. Levi vorneweg, Petra neben mir. Er öffnete eine schwere Sicherheitstür und vor uns lag eine große Halle. Nachdem wir eingetreten waren, ging Levi auf dem Metallgitter, das einige Meter über dem Boden wie eine Art Brücke entlangführte, voran. Ich folgte ihm. Nach einigen Schritten sah ich, was sich unter uns befand. Zwei Riesen saßen dort mit dicken Stahlseilen gefesselt. Drumherum standen viele bewaffnete Männer. Ich lehnte mich über das Geländer und schaute zu ihnen hinab. „Was sind das für Viecher?“, fragte ich. „Titanen.“, antwortete Levi knapp. Ich wartete auf weitere Erklärungen und sah Levi erwartungsvoll an. Doch er schwieg und blickte auch zu den Titanen. „Ein Phänomen, was wir zur Zeit erforschen.“, erklärte Petra. Ich wandte mich ihr zu. „Wir wissen noch nichts genaues, jedoch tauchen diese Titanen auf, zerstören und fressen, anscheinend aus purem Gefallen daran, Menschen.“, sagte sie. „Diese Zwei haben wir kürzlich gefangen genommen und erhoffen uns nun durch sie schlauer zu werden. Noch halten wir alles vor der Öffentlichkeit geheim, weil es sonst eine zu große Panik geben könnte.“ Ich blickte stumm wieder nach unten. Was für grausame Geschöpfe. Ich musterte einen der Titanen, als eben dieser seinen Kopf mir zu wandte. Aus Reflex richtete ich mich auf und ging einen Schritt rückwärts. Noch immer ruhte der Blick des Monsters auf mir. „Sie ist wohl ein ganz schöner Titanenmagnet, was?“, ertönte es von unten. Eine Frau stand nicht weit von den Titanen entfernt. „Das ist Squad Leader Hanji Zoe.“, klärte Petra mich auf. Der zweite Titan beugte sich vor und schnappte nach Hanji, welche zurückwich. „Das war knapp!“, lachte sie. Mir wäre nicht zu lachen zu mute, dachte ich und blickte zu dem anderen Titan, der mich noch immer anstarrte. Er machte Anstalten nach mir zu greifen, wobei er von den Fesseln zurück gehalten wurde. Er zappelte immer mehr und riss an den Stahlseilen. Plötzlich gab eines an seinem rechten Arm nach, wodurch er diesen in die Höhe recken konnte. Levi zog mich hinter sich und auch die anderen Männer machten sich kampfbereit. „Verdeckt die Fenster!“, befahl Levi den Männern und sofort wurde das Sonnenlicht durch dicke blickdichte Vorhänge bedeckt. Das einzige Licht was ich durch die eingetretene Dunkelheit noch wahrnahm, war das der Notausgangsleuchten. Ich streckte meinen Arm in die Richtung aus, in der ich das Geländer vermutete und atmete erleichtert aus, als meine Hand das kühle Metall umschloss. Nach und nach gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit und ich konnte Levi vor mir erkennen. „Titanen bewegen sich nicht ohne Sonnenlicht.“, erklärte er. Ich spürte seine Hand an meinem Oberarm. Sie war warm und übte einen angenehmen Druck auf meinen Arm aus. Meine Haut begann zu prickeln, was eine Gänsehaut bei mir auslöste. „Komm.“, forderte er mich auf und führte mich auf der Brücke weiter Richtung Ausgang. „Sie macht Ben und Jerry total verrückt!“, hörte ich Hanji noch lachen, bevor die schwere Metalltür hinter uns zukrachte. Kapitel 4: Angebot ------------------ Kapitel 4 - Angebot Durch all die Flure und Türen hatte ich mittlerweile komplett die Orientierung verloren. Würde Levi mich hier stehen lassen, wäre ich verloren. Eine weitere Tür wurde geöffnet und Levi schob mich hinein. Das Erste was ich erblickte war mein Vater, dem ich sofort um den Hals fiel. "Keine Sorge Kleine. Schlechten Menschen geht es immer gut.", versicherte er mir. Wortlos boxte ich ihn gegen die Schulter und wischte mir über die Augen. Mein Vater lächelte. Dann drehte er mich so, dass ich den anderen Mann wahrnahm, der noch im Raum stand. "Das ist Commander Erwin Smith. Er hat hier das Sagen.", stellte mein Vater mir vor. Der Commander lächelte charmant. "Freut mich. " Ich erwiderte den Gruß. "Ihr Vater und ich haben uns ein wenig unterhalten. Ich habe ihm das Angebot gemacht uns bei unseren Forschungen zu unterstützen." "Ernsthaft?" Skeptisch schaute ich zu meinem Vater. Dieser lächelte mal wieder. "Das ist eine einmalige Gelegenheit für mich. Endlich muss ich nicht mehr nach dem Grund für das Ableben deiner Mutter suchen und kann ihn sogar erforschen." "Dir hat es also nicht gereicht was heute Morgen passiert ist?", unterbrach ich ihn forsch. "Wieso? Ging doch alles gut aus.", sagte er unbeschwert. "Du siehst schon meine zerschnittenen Hände und die Platzwunde an meinem Kopf?", fragte ich nach. Tatsächlich wurde ich als erstes in ein Krankenzimmer gelotst, wo meine Wunden versorgt wurden. Die Glasscherben im Auto hatten einige Schnittwunden an meinen Händen hinterlassen, die aber nur ein paar Tage weh tun würden. Anscheinend war ich, als sich das Fahrzeug überschlug, mit dem Kopf gegen die Scheibe geschlagen, denn meine Schläfe zierte nun eine Verletzung, die mit 4 Stichen genäht werden musste. Jedoch meinte der Arzt, dass ich außer eventuelle Kopfschmerzen keine weitere Schäden davon getragen hätte. "Na sie hätten dir den Schädel auch spalten können.", lachte mein Vater. Entsetzt öffnete und schloss ich den Mund wie ein Fisch unter Wasser, da mir die Worte fehlten. Ich entschloss mich schließlich dazu nichts zu sagen und biss mir auf die Unterlippe. Mit hochgezogenen Augenbrauen blickte ich zu Levi und Commander Smith. "Und weiter?" Mein Blick wanderte dabei wieder zu Levi, der mich direkt ansah. Mir wurde warm. Ich zwang mich wieder weg zu schauen, bevor ich wirklich noch rot anlief. "Ihnen könnte ich auch eine Aufgabe zuteilen.", eröffnete Smith. "Nein!", sagte ich bestimmt und verschränkte zur Untermalung die Arme vor der Brust. "Sie braucht bestimmt nur ein bisschen Zeit, um den Schock zu verdauen und darüber nach zu denken.", warf mein Vater hastig ein, wobei er seine Hände auf meinen Schultern ablegte und diese leicht massierte. "Ich brauch keine - Autsch!" Da hatte mein Vater doch tatsächlich so fest zugedrückt, dass es schmerzte. Vorwurfsvoll sah ich zu ihm auf. "Nun, ich würde Sie zumindest bitten das Gelände vorerst nicht zu verlassen. Es wird jemand Ihnen Ihre vorübergehende Unterkünfte zeigen.", verabschiedete sich der Commander und verließ von Levi gefolgt den Raum. Augenblicklich erschien ein junger Mann, dessen Namen ich nicht verstanden hatte, und brachte uns in unsere Zimmer. Es war ein mittelgroßer Raum, der recht spartanisch eingerichtet war, an dem ein kleines Bad angrenzte. Mein Zimmer beinhaltete ein Bett mit Nachttisch, einen Schreibtisch, der unter einem Fenster stand, ein kleines Bücherregal und ein Kleiderschrank. Im Bad schluckte ich eine von den Schmerztabletten, die mir der Arzt gegeben hatte und trank einen Schluck aus dem Wasserhahn nach. Danach ging ich wieder ins Nebenzimmer und ließ mich auf die Bettkante nieder. Da weder Bilder an der Wand hingen, noch Bücher in dem Regal eingeordnet waren, wirkte der Raum so unpersönlich und trostlos. Resigniert seufzend fingerte ich mein Smartphone aus der Hosentasche. Titanen also, dachte ich, während ich auf das Display starrte. Schnell hatte ich den Internetbrowser geöffnet und gab den Begriff in eine Suchmaschine ein. Wie nicht anders zu erwarten wurde mir sehr viel Mist angezeigt. Links um Filme zu streamen, Forenbeiträge, Videos auf YouTube und Personenprofile. Ich stöhnte genervt. Was hatte ich auch erwartet? Ein Eintrag machte mich dann doch stutzig. Also klickte ich ihn an. Ich wurde auf eine Seite weitergeleitet, auf der sich eine kleine Gemeinschaft über Titanen austauschte und Verschwörungstheorien ausstellte. Einige von ihnen behaupteten schon einmal einen Titan gesehen zu haben und diverse Skizzen von den Riesen waren eingestellt. Eine Person schrieb sogar von dem Vorfall von 95, der offiziell als Erdbeben abgetan wurde. Eine weitere Person erwähnte Gerüchte über eine Stadt hinter Mauern gehört zu haben, die im Notfall als Rückzugsmöglichkeit für die Menschheit dienen soll. Da darüber aber nichts weiter bekannt war, gaben sie ihr den Namen 'City of Hope'. "City of Hope?", wiederholte ich skeptisch. "Ernsthaft?" Manche Menschen hatten wirklich zu viel Zeit, um sich solch einen Blödsinn aus zu denken. Doch waren sie näher an der Wahrheit als sie sich denken konnten. Ich sperrte den Bildschirm meines Handys und legte es zur Seite. Eine starke Müdigkeit übermannte mich und die Schmerzmittel vernebelten mit die Sinne. Ich ließ mich zurück fallen und schloss die Augen. Wie lange hatte ich nicht geschlafen? 30 Stunden? Mehr? Weniger? Ich hatte absolut keine Ahnung. Meine Gedanken schweiften ab. Ich dachte an zu Hause, an meine Hunde. Ob es ihnen gut ging? Wie viel Schnee wohl noch lag? Ich bildete mir ein, ich könnte den sanften Fahrtwind in meinem Gesicht spüren und hörte das gleichmäßige Hecheln der Hunde. Der Schnee knarzte unter den Kufen meines Schlittens und eine innere Ruhe breitete sich in mir aus, während die skandinavische Winterlandschaft an meinem inneren Auge vorbeizog. Ich atmete tief durch und entspannte mich. Angenehme Träumereien ließen mich in den Schlaf gleiten. Plötzlich jedoch tauchte das Gesicht eines Titans vor mir auf. Erschrocken öffnete ich die Augen und richtete mich auf. Anscheinend zu schnell, denn kurzzeitig war mir schwindelig und ich fürchtete mich übergeben zu müssen. Hatte ich vor diesen Mistdingern denn jetzt keine Ruhe mehr? Hanjis Worte hallten in meinem Kopf nach: „Sie ist wohl ein ganz schöner Titanenmagnet, was?“ Als sich die Übelkeit gelegt hatte, zog ich Jeans und Schuhe aus und legte mich zurück ins Bett, in der Hoffnung wieder einschlafen zu können. Immer wieder hatte ich Bilder von den Geschehnissen des Tages vor Augen, welche mich abermals aus dem Schlaf rissen. Alles was ich wollte war ein erholsamer Schlaf. War das zu viel verlangt? Ich musste auf einmal an Levi denken, wie er mich vor den Titanen beschützt hatte. Schutzengel, kam es mir wieder in den Sinn. Bei dem Gedanken musste ich kichern. Wie albern von mir. Aber ich musste zugeben, dass es ein beruhigender Gedanke war. „Mein Schutzengel passt auf mich auf.“, murmelte ich noch, bevor ich in einen traumlosen Schlaf fiel. Kapitel 5: Training ------------------- Kapitel 5 – Training Das Klopfen an meiner Tür weckte mich. Müde und schlaftrunken schlurfte ich zur Tür und öffnete, während ich mir den Schlaf aus den Augen rieb. Es dauerte einen Moment bis ich realisierte wer dort vor mir stand: Levi. Was musste ich nur für ein Bild für ihn abgeben? Ich stand da, in Unterhose und T-Shirt, mit zerzausten Haaren und bei meinem Glück bestimmt mit Sabber im Mundwinkel. Unauffällig versuchte ich mich mit der Tür zu verdecken. "Morgen.", nuschelte ich verlegen. Levi schien wenig beeindruckt. Erst jetzt bemerkte ich was er bei sich hatte. "Ist das mein Koffer?", fragte ich nach. "Erwin hat ihn aus dem Hotel kommen lassen.", antworte er und schob sich an mir vorbei ins Zimmer. Er hievte mein Gepäck auf den Schreibtisch und wandte sich dann zu mir um. Kurz blieb sein Blick an dem ungemachten Bett hängen, danach sah er mich wieder mit diesem Ausdruck an, der mir einen angenehmen Schauer über den Rücken jagte. Ich spürte regelrecht wie mit das Blut in den Kopf stieg. Für einen Augenblick machte Levi den Anschein als wollte er etwas sagen, doch schloss er den Mund sofort wieder. Seine Aufmerksamkeit lag auf der noch immer geöffneten Tür. Ich drehte mich um und sah meinen Vater dort, der frech grinste. "Guten Morgen Prinzessin! Guten Morgen Captain!", sagte er gut gelaunt. Levi nickte meinem Vater zu und ging an ihm vorbei. Er hielt kurz inne, um uns mit zu teilen wo wir etwas zu Essen finden würden. Danach verschwand er auf dem Flur. "Sag mal, schämst du dich nicht?", fragte mein Vater im Spaß und lachte laut los als ich tatsächlich knallrot anlief. "Geh duschen, ich hol dich dann ab und wir gehen frühstücken.", sagte er noch immer amüsiert. Ich huschte ins Bad, wo ich mich entkleidete und unter die Dusche stellte. Das warme Wasser entspannte meine Muskeln, jedoch nicht meine Gedanken. Meine Güte war mir das peinlich gewesen. Was musste der Kerl so früh hier unangekündigt auftauchen? Ich seufzte. Es war mir nicht entgangen, wie sein Blick einen Moment zu lange auf meinem unordentlichen Bett geruht hatte. Wieso wohl? Hatte er etwa schmutzige Gedanken? Ich lachte über mich selbst. Wohl kaum. Als ich endlich frisch war, stieg ich aus der Dusche. Abgetrocknet und in ein Handtuch eingewickelt tapste ich nach nebenan und suchte saubere Kleidung aus meinem Koffer, welche ich sogleich anzog. Ebenso kramte ich den kleinen Reiseföhn hervor und trocknete mir damit die Haare. Ich betrachtete mich im Spiegel. Man sah mir den Schlafmangel und die Strapazen des Vortages noch immer an und ich hatte das Gefühl meine hellblonden Haare würden in alle Richtungen abstehen. Auch die kleine Naht stach mir total ins Auge. Schlecht gelaunt begann ich damit meine Zähne zu putzen, während ich gleichzeitig nach einem Haarband in meinem Kulturbeutel suchte. Ich steckte mir gerade die Haare zu einem unordentlichen Knoten zusammen, als es wieder an der Tür klopfte. Diesmal bin ich vorbereitet, dachte ich mir und öffnete. Vor mit stand mein Vater. Zusammen machten wie uns auf den Weg zur Kantine, um endlich etwas zu essen. Mit unserem Frühstück setzen wir uns an einen freien Tisch. Schweigen begannen wir zu essen. Mein Blick schweifte durch den großen Raum und blieb wie nicht anders zu erwarten an Levi hängen. Er unterhielt sich mit ein paar Kollegen, unter denen ich auch Petra wiedererkannte. Als würde er bemerken, dass ich ihn beobachtete, schaute er zu mir herüber. Ich konnte nicht umhin zu schmunzeln. Verlegen schaute ich auf meinen Teller. Doch ich konnte einfach nicht lange wegschauen, weshalb ich erneut den Blick hob. "Der Captain also. Interessant.", hörte ich meinen Vater sagen. Nun galt meine Aufmerksamkeit ihm. Verblüfft starrte ich ihn an, er wiederum lachte. "Ich bin nicht blind, Ivory. Ich war auch einmal jung und verliebt." "Verliebt?", wiederholte ich. "Da hast du aber einen ganz schönen Knick in der Optik.", sagte ich hastig ohne groß darüber nachzudenken. Mein Vater setzte zum Sprechen an, wurde jedoch von Hanji Zoe unterbrochen, die plötzlich an unserem Tisch auftauchte. "Dr. Hunter, ich bitte Sie mir zu folgen. Ich möchte Sie in unsere Arbeit einweisen.", sprach sie freundlich. "Dann bis später Kleine. Sei anständig.", zwinkerte mein Vater mir zu und verließ mit Hanji den Speisesaal. Ein wenig betrübt schaute ich durch die Gegend. Was sollte ich nun machen? Überrascht stellte ich fest, dass Levi nicht mehr an seinem Tisch saß. Als er aus heiterem Himmel neben mich trat, wäre ich vor Schreck beinahe hintenüber von der Sitzbank gefallen. Vorwurfsvoll schaute ich ihn an, bevor ich tief durchatmete, um mein rasendes Herz zu beruhigen. "Komm mit, ich möchte dir was zeigen.", sagte er ungerührt von meinem stummen Gemecker. "Was denn?", fragte ich neugierig, während ich mich erhob und ihm folgte. „Erwin möchte, dass du dich zu verteidigen weißt.“, war seine schlichte Antwort. Mittlerweile hatten wir das Gebäude verlassen und waren auf eine Art Trainingsfeld getreten. Er stellte mir seinen Trupp vor, mit dem ich ihn vorher in der Kantine hatte essen sehen. Nach etwas Hände schütteln und einigen Höflichkeitsfloskeln war ich nun mit Erd Gin, Auruo Bosshard, Gunther Schulz und Petra Ral, die zuvor schon getroffen hatte, bekannt. „Wir möchten ein paar Grundtechniken mit dir üben, die wir in unserer Ausbildung lernen.“, erklärte Petra. „Man fühlt sich sicherer, wenn man sich wehren kann.“ Ich war mir nicht ganz im Klaren darüber, wie mir Selbstverteidigung die Angst vor Titanen nehmen sollte. Skeptisch betrachtete ich die Gruppe. „Ich denke nicht, dass das notwendig ist.“, gab ich meine Meinung preis. Auruo stemmte die Hände in die Hüfte. „Und woher willst du Gör das wissen?“, fragte er mich verärgert. Takt war wohl nicht seine Stärke. Beleidigt schob ich die Unterlippe vor. „Weil ich mich verteidigen kann.“, zickte ich zurück. „Das werden wir ja sehen.“, sagte er noch, bevor er auf mich losstürmte. Für einen kürzen Moment war ich wie gelähmt, doch mein Körper übernahm nun die Kontrolle und handelte automatisch. Ich duckte mich unter seinen Armen weg, dann richtete ich mich ruckartig auf und rammte ihm somit meinen Kopf gegen sein Kinn. Im nächsten Moment trat ich ihn dorthin, wo Männer am empfindlichsten sind, wodurch er sich vornüber beugte. Mit dem Ellenbogen schlug ich zwischen seine Schultern und schon lag er am Boden. Sofort war ich neben ihn. „Entschuldigung! Tut es sehr weh?“, fragte ich mitfühlend. Erd und Gunther lachten auf. „Ich hab mir auf die Zunge gebissen!“, jaulte Auruo. „Das kommt davon, wenn man so großkotzig ist!“, schimpfte Petra, die sich neben ihn hockte. „Gut gemacht.“, sagte sie dann an mich gewandt. Levi trat zu mir, was mich aufblicken ließ. Er hielt mir seine Hand entgegen. „Gut, dann können wir gleich mit dem 3DMG weitermachen.“ Ich ergriff seine Hand. Sie war warm und sein Griff war fest. Ein Prickeln zog sich über meinem Unterarm zum Rücken hin. Mit Leichtigkeit zerrte er mich auf die Beine und einen kurzen Moment dachte ich daran zurück, wie er mich am Vortag aus dem Auto in seine Arme gezogen hatte, was mir Herzklopfen bescherte. „W-Was?“, stotterte ich, als ich aufrecht stand und aus meinem Tagtraum aufgewacht war. „Du wirst den Umgang mit dem 3D-Manöver-Apparat lernen.“ Kapitel 6: 3DMG --------------- Kapitel 6 - 3DMG Es hatte eine Ewigkeit gedauert, bis Petra mir das Harness angelegt und ich verstanden hatte, wie ich was miteinander verbinden musste. Zusammen verließen wir den Umkleideraum und gingen wieder zum Rest von Trupp Levi. Auf einem Tisch lagen die Einzelteile des 3DMG. Levi erklärte mir welche Teile für was zuständig waren und wie ich sie an meinem Gurt zu befestigen hatte. Nachdem ich alles verstanden hatte, ging es weiter zum Eignungstest. Man sagte mir, dass jeder vorher getestet wurde, ob er sein Gleichgewicht halten konnte. Denn wenn nicht, war man für die Ausbildung am 3DMG ungeeignet. Kurz darauf stand ich mitten in einem Gestell, von dem Seile zu mir herunter hingen. Levi schob mich an die passende Stelle und fixierte die Seile an meinem Gurt. "Versuch dich einfach aufrecht zu halten.", sagte er, während er die Verbindungen noch einmal checkte. Ich nickte. Mittlerweile war mir ein wenig mulmig zu Mute. Hoffentlich schaffte ich es mein Gleichgewicht zu halten, sonst würde ich mir hier vor versammelter Mannschaft die Zähne ausschlagen. Mein Blick folgte den Seilen nach oben. Über den Gestell strahlte der Himmel in einem wunderschönem Blau und die weißen Wolken zogen gemütlich an uns vorbei. Für einen Moment verlor ich mich in dem Anblick. Nur am Rande bekam ich mit, wie Levi den Befehl gab mich hoch zu ziehen. Als ich plötzlich den Erdboden unter den Füßen verlor und aus meiner Träumerei erwachte, griff ich, während ich vornüber fiel, Halt suchend nach dem erst Besten, was ich zu greifen bekam – Levis Schultern. Er hielt mich an der Taille fest. „Ich hab dich.“, sagte er ruhig und sog mich mit seinem Blick in seinen Bann. Mein Griff lockerte sich und ich entspannte mich. Vorsichtig richtete ich mich auf, wobei Levi mich noch immer hielt. Ich blickte ihm weiterhin konzentriert in die Augen. Nach kurzer Zeit entfernte er sich Schritt für Schritt von mir. „Gut so.“, lobte er. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er mich losgelassen hatte. Ein unsicheres Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Eine starke Entschlossenheit packte mich. Ich wollte diese Ausbildung absolvieren. Ich wollte keine Angst mehr vor diesen Riesen haben. Ich wollte mich und die, die ich liebte, schützen können! „Weiter so, Ivory!“, rief Petra mir zu. Noch ein wenig unsicher wandte ich mich zu ihr um und zeigte mit dem Daumen nach oben. Ein breites Grinsen zog sich von einem Ohr zum anderen. „Na da kann ich bald wohl ein paar ordentliche Arschtritte unter den Titanen verteilen.“, sagte ich stolz, woraufhin ein Lachen durch die Runde ging. „Wenn du genauso mit ihnen umgehst wie mit Auruo, wirst du nach Levi der nächste Titanenschreck.“, witzelte Erd, wovon Auruo nicht so begeistert war und direkt los meckerte. Levi holte mich auf den Erdboden zurück und half mir die Seile zu entfernen. „Dann können wir mit den nächsten Übungen fortfahren.“, gab er zu verstehen. Ich legte das 3DMG an und damit machten wir einige Trockenübungen. Zum Einen musste ich mich bei all meinen Bewegungen an das Gerät und dessen Gewicht gewöhnen. Also liefen wir einige Runden auf dem Platz, machten Hampelmann und kämpften ein wenig. Viel zu schnell war ich außer Puste. „Du musst fitter werden.“, stellte Levi trocken fest. Ach was du nicht sagst, dachte ich sarkastisch, behielt es aber für mich. Stattdessen entledigte ich mich meiner Jacke. „Weiter!“, forderte ich ihn auf und er jagte mich weiter über das Trainingsfeld. Meine Muskeln brannten und meine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding, doch ich wollte nicht aufhören. Ich war wie besessen von dem Training, das Levi dann aber beendete. Dafür begannen wir den Umgang mit dem 3DMG zu üben. Wir begannen ganz einfach damit den Controller zu bedienen. Das hieß Anker auswerfen und einholen, sowie Schwertklinge ein- und ausklinken. Zwischendurch stellte ich mich echt blöd an und es wunderte mich, dass Levi dabei so ruhig blieb. An seiner statt hatte aber Auruo einiges zu meckern, biss sich jedoch auf die Zunge und bekam deswegen wieder von Petra geschimpft. „Ich denke, du bist nun soweit.“, sagte Levi irgendwann. „Wofür?“, fragte ich überrascht. „Jetzt wirst du das 3DMG benutzen.“, war die schlichte Antwort. Einige Augenblicke später befand ich mich in einem Wald mit riesigen Bäumen wider. Ich stand auf einem der Bäume, unter mir war zwischen ihnen ein Netz gespannt und Levi stand zu meiner Rechten. „Du wirst dich jetzt zu diesem Baum schwingen.“, forderte dieser mich auf und deutete dabei auf das erwähnte Objekt. „Mach es so wie ich dir erklärt habe.“ Ich schluckte schwer. Jetzt wo ich hier oben stand wurde mir ein wenig anders und ich war nicht mehr ganz so entschlossen. Mir war natürlich klar, dass das Netz einen schmerzhaften Aufprall auf den Waldboden verhindern würde. Auch war mir bewusst, dass Petra und die anderen, die auf den Ästen um uns standen, da wären, um mich aufzufangen, jedoch musste ich zugeben, ich hatte ein wenig Schiss. „Wird's bald?“, ertönte es neben mir. Mit leicht zittriger Hand griff ich nach den Controllern und schoss die Anker in den entsprechenden Baum. Jetzt musste ich mich nur noch von dem Ast abstoßen und der Antrieb würde den Rest erledigen und mich zum Ziel bringen. Doch war ich zur Salzsäule erstarrt. Ich spürte Levis Hand zwischen meinen Schulterblätter. „Angsthase.“, hörte ich Levi noch murren, bevor er mir einen Schubs gab und ich vom Baum fiel. „Scheiße!“, schrie ich erschrocken aus Leibeskräften. Mein Verstand setzte aus und mein Körper agierte von selbst, so wie wir es den ganzen Tag geübt hatten. Mein Herz raste und pumpte Adrenalin durch meine Blutbahnen. Kurz hatte ich das Gefühl meine Blase könnte sich vor Aufregung unkontrolliert entleeren, doch wurde ich von dieser Peinlichkeit verschont. Zärtlich strich der Wind über meine Haut und durch meine Haare. Ein Hochgefühl ergriff mich und zauberte ein Lächeln in mein Gesicht. Als ich auf wackeligen Beinen landete, atmete ich erleichtert aus. Sofort drehte ich mich zu Levi um, der ungerührt an meinem Ausgangspunkt stand. Anklagend deutete ich auf ihn. „Hast du noch alle Latten am Zaun? Ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen!“, motze ich ihn an. Sekunden später stand er vor mir. „Von alleine wärst du nie gesprungen.“ Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Er hatte zwar Recht, jedoch hätte er nicht so drastisch vorgehen müssen. Bevor ich ihn weiter anzicken konnte, drehte er mich so, dass ich mit dem Rücken zu ihm stand. Seine Hände ruhten auf meinen Schultern und ich spürte seinen warmen Atem in meinem Nacken. „Nun mal etwas anspruchsvolleres. Siehst du den Baum dort?“ Er deutete in die Ferne. Ich nickte. „Na dann los.“ Schon schwang er sich davon. Sollte das etwa eine Herausforderung sein? Auch ich machte mich auf den Weg. Das breite Grinsen war nicht mehr aus meinem Gesicht zu wischen. „Wenn du so weiter grinst, hast du nachher noch Fliegen auf den Zähnen.“, sagte Auruo, als ich bei ihm ankam. Ich lachte und setzte Levi weiter hinterher. Umso länger ich mich durch die Lüfte schwang, desto mehr gefiel es mir. Ich war bei weitem nicht so gut wie die Mitglieder von Trupp Levi, doch gab ich mein Bestes. Die Zeit flog im wahrsten Sinne des Wortes an mir vorbei und es wurde mittlerweile Abend. „Es wird Zeit etwas essen zu gehen.“, erinnerte Gunther uns. „Och ernsthaft?“, fragte ich. „Ich hab doch grade den Dreh raus.“ „Morgen ist auch noch ein Tag.“, sagte Petra an mich gewandt. Ich zog einen Schmollmund. „Ihr könnt vorgehen. Wir kommen nach.“, schlug Levi vor. Erstaunt blickte ich ihn an. „Wirklich?“, wollte ich erfreut wissen. Levi sprach zu seinen Leuten: „Geht.“ Dann wandte er sich um und sprang von dem Ast, auf dem wir alle standen. Das war für mich die stumme Aufforderung ihm zu folgen, welcher ich kichernd nachkam. Es war mein erster Tag des Trainings, doch schon jetzt liebte das 3DMG. Bei der Nutzung fühlte ich mich so frei und schwerelos, als würde ich fliegen können wie ein Vogel. Lächelnd sah ich zu Levi, der sich gerade mehrere Meter vor mir von einem Stamm abstieß. Wenn ich nur so erfahren wie er sein könnte. So müsste es noch viel atemberaubender sein. Die Bäume wurden lichter und mehr und mehr Licht drang durch ihre Blätter. Levi stoppte und ich landete neben ihm. Wir waren am Waldrand angekommen. Vor uns lag ein offenes Feld, hinter dem ein schier unendlicher See auszumachen war. Es sah aus, als würde die große Sonne in dem Wasser eintauchen, wobei sie den Himmel und die kleinen Wellen auf dem See in allen wunderschönen Rottönen färbte. Es sah traumhaft aus! Kapitel 7: Familiendrama ------------------------ Kapitel 7 - Familiendrama Levi und ich saßen zusammen auf dem breiten Ast und beobachteten den prachtvollen Sonnenuntergang vor uns. Die Sonne schien in dem großen See zu versinken und das Wasser löschte allmählich das Licht des Tages. "Sag mir, Ivory", begann Levi, "wie kam es dazu, dass du und dein Vater hier seid?" Er saß lässig an den massiven Stamm gelehnt und hatte ein Bein angewinkelt. Dabei lag sein Augenmerk auf mir. "Mein Vater ist ein störrischer Esel und hat mich diesmal mit seinem Blödsinn angesteckt.", antwortete ich, wobei es mehr wie eine Frage klang. "Ich meine die ganze Geschichte.", gab er mir zu verstehen. "Du willst wirklich das ganze Familiendrama hören?", fragte ich ungläubig. Er bestätigte durch ein simples Nicken. Ich seufzte. "Na gut.", gab ich mich geschlagen und schloss die Augen, um mich besser erinnern zu können. "Wir waren 95 schon mal zum Urlaub hier gewesen. Ich kann mich nicht mehr so gut daran erinnern, aber ich weiß noch ganz genau, wie die Erde bebte und ein riesiges Loch entstand. Wir sind weggelaufen und meine Mutter war gefallen. Plötzlich war sie weg. Dann waren da diese Männer mit den Flügeln auf den Umhängen, so wie eure. Ich dachte damals, dass es Schutzengel waren." Kurz lachte ich auf, denn mittlerweile fand ich den Gedanken doch recht kindisch, wenn ich ihn so offen aussprach. Mein Blick glitt nun in die Ferne. Wind zog auf und ließ die Blätter um uns herum tanzen. Er spielte mit meinen Haaren und zog feine Strähnen aus dem Zopf. "Ich glaube mich an eine große Gestalt zu erinnern.", gab ich kleinlaut zu. Dabei sah ich auf meine Füße, die so weit über den Boden baumelten, und strich mir eine Haarsträhne hinter das Ohr. "Nach den ganzen Geschehnissen wurde ich so viele Sachen gefragt und immer wieder wurde mir eingeredet, dass es ein ganz normales Erdbeben gewesen sei. Sie wiederholten ständig, meine Mutter sei einfach gestürzt und wurde unter den Trümmern vergraben. Komischerweise wurde ihre Leiche nie gefunden. Jahre lang war ich in Therapie deswegen, denn ich hatte solch schreckliche Albträume.“ Wieder schaute ich zur Sonne. Sie war bereits zur Hälfte untergegangen. „Es sind keine konkreten Bilder, die mich heimsuchen, denn was damals passiert ist sehe ich nur verschwommen. Es ist das Grollen unter meinen Füßen, das ich manchmal noch vernehme und die Hitze, die mir die Haut zu verbrennen scheint.“ Ich setzte eine Pause ein, wobei ich auf meiner Unterlippe kaute. Levi gab mir die Zeit, die ich benötigte. „An dem Tag habe ich nicht nur meine Mutter verloren.“, setzte ich fort. „Auch ein Teil meines Vaters verschwand. Er war wie besessen von den Titanen. Deswegen hatte meine Großmutter mich zu sich geholt.“ Bei dem Gedanken an meine Großmutter musste ich lächeln. „Sie war eine klasse Frau. Sei meinte, ein Mädchen müsse sich zu verteidigen wissen und hat es mir beigebracht. Deswegen konnte ich Auruo vorhin einfach so auf's Kreuz legen. Als aber auch sie irgendwann starb, wartete ich bis nach meinem Schulabschluss und bin dann von Zuhause abgehauen. Ich dachte, ich könnte vor meinen Problemen und meiner Trauer davonlaufen. Doch in Wirklichkeit hatte ich es nur schlimmer gemacht. Während ich durch die Welt tingelte, verlor mein Vater sich in seinen Verschwörungstheorien. Irgendwann traf mich diese Erkenntnis und ich realisierte, dass es manchmal nur einen Herzschlag lang dauert und man hat alles verloren.“ Ich sah Levi in die Augen während ich dies sagte. Jedoch wandte ich den Blick schnell ab, als meine Augen verräterisch zu brennen begannen. „Also versuchte ich ihn aus diesem Loch zu ziehen. Ich redete auf ihn ein, wie die Männer damals auf mich. Ich wiederholte ihre Worte, weil ich selbst daran festhalten wollte. Ich wollte nicht an sowas wie Titanen glauben. Naja, auf jeden Fall ist er immer wieder hierher zurückgekehrt und ich durfte jedes Mal seinen Arsch retten, wenn er mal wieder was angestellt hatte. Und so kamen wir hierher.“, endete ich mit einem Seuftzer. Levi musterte mich stumm. Eine wohlige Gänsehaut zog sich über meinen gesamten Körper, als unsere Blicke sich trafen. „Warum bist du dann noch hier, wenn du nicht an das hier glauben magst?“, wollte er schließlich wissen. Ich lachte traurig. „Meinst du ich bekomme meinen alten Herren hier noch mal weg? Jetzt wo er in seinem Wahnsinn bestätigt wurde.“, witzelte ich. Levi erwiderte darauf nichts. „Zum Weglaufen ist es zu spät.“, sagte ich ernster. „Ich habe zwar selbst meine Gedanken noch nicht ganz ordnen können, aber ab jetzt werde ich für das kämpfen was mir am Herzen liegt.“ Entschlossen sah ich zu ihm. Ein angedeutetes zufriedenes Lächeln lag auf seinen Lippen, welches mein Herz höher schlagen ließ. „Gut so.“, sagte er und erhob sich. „Es ist immer lobenswert ein Ziel vor Augen zu haben und zu wissen für was man kämpft.“ Er schien keinen bestimmten Punkt in der Ferne zu fixieren, sondern in eigenen Gedanken zu versinken. Die Sonne war mittlerweile fast verschwunden und Dunkelheit legte sich stumm über das Land. „Wir sollten aufbrechen, bevor wir gar nichts mehr sehen.“, beschloss Levi. Dabei reichte er mir seine Hand. Ich nahm sie lächelnd an und ließ mich von ihm auf die Beine ziehen. Noch einmal sah ich zu dem See, der nun die letzten Sonnenstrahlen verschlang, bevor ich Levi folgte. Wie Schatten flogen wir durch die kühle Nachtluft. Meine Hände waren kalt und ich hatte das Gefühl den Controller nicht richtig bedienen zu können. Irgendwie ging alles schwerer, so wie bei einer Fernbedienung mit schwachen Batterien. Levi war schon einige Meter voraus und ich hatte Mühe ihn in der Dunkelheit zu erkennen. Ich wollte einen Zahn zulegen, doch musste ich erschrocken feststellen, dass sich meine Anker nicht mehr auswerfen ließen. Haltlos schwebte ich in der Luft, während die Zeit stehen zu bleiben schien. Verzweifelt drückte in an den Controllern, doch nichts tat sich. Ein schriller Schrei entglitt meiner Kehle, als die Schwerkraft mich nach unten zog. Entsetzt sah ich mich nach dem Auffangnetz um, doch waren wir nicht in dem Gebiet, in dem es gespannt war. Vereinzelte dünne Äste krachen unter meinem Körpergewicht, als ich auf sie fiel. Panisch suchte ich nach Halt, fand allerdings keinen und näherte mich dem Erdboden immer weiter. Plötzlich legte sich ein Arm um meine Taille und mein Sturz wurde abgebremst. Levi war neben mir aufgetaucht und hielt mich fest. Erleichtert atmete ich aus, wobei ich meine Stirn auf seiner Schulter ablegte. „Ständig muss man auf dich aufpassen.“, warf er mir vor. Ich war zu schwach zum Kontern, denn mir war übel geworden. Trotz dass er uns sanft auf dem Erdboden absetzte, krallte ich mich weiterhin an ihn. Sachte schob er mich von sich und begutachtete mich skeptisch. „Wehe du kotzt jetzt.“, warnte er mich, als ich eine Hand vor meinen Mund legte. Aus Angst wirklich erbrechen zu müssen, schüttelte ich nur mit dem Kopf. In Gedanken zählte ich langsam bis Zehn und atmete dabei tief durch die Nase. Die Übelkeit verschwand allmählich. Nachdem Levi sich sicher war, dass ich ihn nicht mit meinen Essensresten bespucken würde, ging er vor mir auf die Knie und checkte meine Ausrüstung. Genervt atmete er durch. „Dir ist das Gas ausgegangen.“, erklärte er nicht gerade erfreut. „Wir müssen zu Fuß weiter.“ Es dauerte gefühlt eine Ewigkeit, bis wir zurück auf dem Gelände der Survey Corps waren. Wir steuerten direkt die Kantine an, denn beide waren wir unglaublich hungrig. Nachdem wir den Raum betreten hatten, kam es mir so vor, dass jeder uns anschaute. Neugierige Augenpaare begutachteten uns, derweil wurde auch fleißig getuschelt. „Was gucken die denn so?“, flüsterte ich, wobei ich mich etwas hinter Levi zu verstecken versuchte. „Sollen sie doch gaffen bis ihnen die Augen ausfallen.“, sagte dieser nur und ging voran. Kaum saß ich mit Levi am Tisch, setzte sich mein Vater neben mich und stellte ein Teller mit köstlich riechendem Essen vor mir ab. Aufgeregt erzählte er von seinem Tag, dabei ließ er weder mir noch Levi eine Chance auf Einwendungen. Zwar war es ganz schön anstrengend seinen Erzählungen zu folgen, dennoch hatte ich ihn schon lange nicht mehr mit diesem Leuchten in den Augen gesehen, so dass nicht anders konnte als ihm meine Aufmerksamkeit zu schenken. Kapitel 8: Einsatz ------------------ Kapitel 8 - Einsatz Nervtötendes Piepen weckte mich. Grummelnd deaktiviere ich meinen Handywecker und ließ mich noch einmal in die Kissen fallen. Mein ganzer Körper schmerzte, vor allem der Rücken. Stöhnend richtete ich mich auf und blickte zu dem Fenster. Helle Sonnenstrahlen fielen dadurch ins Zimmer. Direkt musste ich an das 3DMG-Training denken und hoffte, dass wir bei diesem schönen Wetter heute das Training wieder aufnehmen würden. Dabei kam mir Levi in den Sinn. Hastig sprang ich aus dem Bett. Ich sollte mich schnell duschen und anziehen, nicht das er wieder hereinplatzte. Bevor ich im Bad verschwand öffnete in die Zimmertür einen Spalt breit. Mit meinem Vater hatte ich am Vortag ausgemacht, dass ich die Tür anlehnen würde, damit er eintreten konnte, falls ich verhindert war. Pfeifend ging ich ins angrenzende Bad und hüpfte unter die Dusche. Kaum hatte ich das Wasser abgedreht, wurde an meine Zimmertür geklopft. Mein Vater war wohl gekommen, um mich zum Frühstück ab zu holen. "Du kannst reinkommen. Ich bin auch gleich fertig.", informierte ich ihn. Schnell rubbelte ich meine Haut trocken und schlüpfte in frische Unterwäsche und Jeans, die ich mit ins Bad genommen hatte. "Du musst mir unbedingt den Rücken mit Schmerzgel einschmieren, ich fühle mich wie eine alte Schachtel.", rief ich nach nebenan, während ich mir die nassen Haare kämmte und hochsteckte. Nun schnappte ich mir das Handtuch und trocknete meine Schultern und Nacken, wobei ich ins Nebenzimmer ging. Abrupt blieb ich stehen, als ich sah, dass nicht wie erwartet mein Vater, sondern Levi vor mir stand. Mit dem Handtuch verdeckte ich meinen BH und sah anklagend zu Levi. "Dir gefällt es wohl mich halbnackt zu sehen.", stellte ich trocken fest. "Und dir gefällt es anscheinend mich so freizügig in Empfang zu nehmen.", konterte er. "Wenn ich wüsste, wann du hier reinplatzt, würde ich mich auch entsprechend kleiden.", gab ich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und plusterte die Wangen auf. Der Captain verdrehte die Augen. "Wo ist die Salbe?", fragte er urplötzlich. Verwundert schaute ich ihn an, denn für einen kurzen Moment wusste ich nicht was er von mir wollte. Anscheinend konnte er es aus meinem Gesicht ablesen. "Du hast Rückenschmerzen und ich soll dich einschmieren.", half er mir auf die Sprünge. "A-Achso. Das musst du nicht. Ich dachte du-", stammelte ich. "Gib sie mir und leg dich hin.", unterbrach er mich. Ich schloss den geöffneten Mund. Mit einem Griff in meinen Koffer hatte ich das Gel in der Hand, das die Schmerzen lindern sollte, und überreichte es Levi. Dieser schraubte die Tube auf, während ich mit dem Rücken zu ihm vor dem Bett stand und den Verschluss meines BHs öffnete. Ich legte mich bäuchlings auf das Bett und vergrub das Gesicht in den Kissen. Was er wohl über mich dachte? Hoffentlich hielt er mich nicht für eine Aufmerksamkeitssüchtige mit nudistischer Veranlagung. Bevor ich in weitere Grübeleien versinken konnte, spürte ich zwei Hände über meinen Rücken streichen. Kurz zuckte ich zusammen, denn das Gel fühlte sich kalt auf der Haut an. Mit großen kreisenden Bewegungen verteilte Levi es über dem gesamten Rücken. Danach begann er vom Nacken abwärts die Muskelstränge der Wirbelsäule entlang zu massieren. Erleichtert stöhnte ich in die Kissen, als sich die Verspannungen zu lösen begannen und somit die Schmerzen nachließen. Nur am Rande bekam ich mit, dass draußen auf dem Hof großer Trubel herrschte. Mittlerweile hatte Levi sich den Brustwirbeln zugewandt. Durch leichtes hin- und herbewegen sprangen sie zurück in ihre natürliche Position, wobei manche ein knackendes Geräusch verursachten. An manchen Stellen war es recht schmerzhaft und ich spannte automatisch die Muskeln an. "Entspann dich!", forderte Levi. Ich versuchte zu gehorchen. Nun waren meine Schultern an der Reihe. Er setzte seine warmen Finger an einen Punkt an und übte leichten Drück aus. "Atme jetzt gegen meine Finger.", sagte er und erhöhte den Druck. Es fühlte sich an, als hätte er mir ein Messer ins Fleisch gejagt. Erschrocken quietschte ich auf und krallte meine Hände ins Laken. Gleichzeitig versuchte ich meinen Körper unter Levis Berührung weg zu ziehen. Dieser nahm seine Finger von mir. "Das reicht fürs erste.", sagte er und richtete sich auf. Auch ich setzte mich hin, bedacht darauf meine Blöße zu bedecken. Schnell hatte ich meinen Büstenhalter umgelegt und mir ein Oberteil über gezogen. Levi stand am Fenster und schaute auf das Treiben außerhalb. Ich schritt an seine Seite, wodurch er nun wieder zu mir blickte. "Hier. " Er schob einige Bücher und Ordner auf der Tischplatte zu mir herüber. Den obersten Hefter nahm ich zur Hand. "Erkenntnisse und Vermutungen über Körperfunktion, sowie Verhalten der Titanen.", las ich laut vom Deckblatt ab. Skeptisch sah ich zu Levi, ehe ich mich einem kleinen Handbuch zuwendete. "Ist 'Titanentöten leicht gemacht' auch dabei?", fragte ich belustigt, während ich durchblätterte. Er zuckte mit einer Augenbraue. Anscheinend wollte er ernst bleiben und nicht auf meinen Witz eingehen. "Da du schon weißt wofür du dich einsetzt, solltest du nun wissen wogegen du kämpfst.", gab er mir zu verstehen. Ich blickte weiter die Ordner durch. Das war ganz schön viel Stoff zum Lesen. "Wir haben einen Einsatz.", wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. "Wir werden ein paar Tage unterwegs sein." Sofort stieg Sorge in mir auf. "Ist es was sehr schlimmes?" "Nur ein Routineeinsatz." Sollte mich das beruhigen? Ich wusste ja noch nicht mal was unter einem Routineeinsatz zu verstehen war. "Stell nichts dummes an." Damit wandte er sich zum Gehen. War das jetzt ein Abschied? "Komm heil wieder zurück.", sagte ich, bevor er die Tür erreicht hatte. Er drehte sich zu mir um und sah mich mit einem undefinierbarem Ausdruck an. Seine Augen musterten mich. "Mach dir da mal keine Sorgen.", sprach er. Dabei schlug er den Weg nach draußen ein und verschwand kurz darauf durch die Tür. Ich hoffte inständig, dass er recht behielt. Als ich später die Kantine betrat, war sie so gut wie ausgestorben. Eine Hand voll Männer saß an den Tischen verteilt, aßen etwas oder tranken ihren Kaffee. Von meinem Vater war keine Spur. Genervt atmete ich aus. Wo war er nur? Der Appetit war mir mittlerweile vergangen, denn ich hatte schreckliche Bilder von Levi und den Titanen in meinem Kopf. Hoffentlich blieben sie nur Schreckensbilder und wurden nicht zur Realität. Nachdem ich mir einen Tee zubereitet hatte, verschwand ich mit diesem auf meinem Zimmer. Ich schnappte mir das oberste Buch von dem Stapel, den Levi zuvor vorbei gebracht hatte und blickte auf den Titel. „Historische Ereignisse unter Einfluss der Titanen“, las ich laut vor. Den Tee stellte ich auf dem kleinen Nachttisch ab und schmiss mich auf das Bett. Kurz ruschelte ich hin und her, bis ich eine angenehme Position gefunden hatte, und schlug eine Seite mitten im Buch auf. Noch recht gelangweilt überflog ich die Zeilen, bis mein Hirn realisierte was ich da eigentlich las. Als die entsprechenden Verbindungen gemacht waren, setzte ich mich ruckartig auf und starrte ungläubig auf die abgenutzten Seiten. Ich las die Sätze von Neuem und dennoch konnte ich nicht glauben was dort geschrieben stand. Es handelte von der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl, bei der 1986 eine Simulation eines totalen Stromausfall durchgeführt wurde. Dabei kam es in dem Reaktor zu einem unkontrollierten Leistungsanstieg, was diesen explodieren ließ. Das war die offizielle Version. In diesem Buch stand, dass die Titanen für eben diesen Leistungsanstieg verantwortlich waren und die Explosion verursacht hatten. Entsetzt legte ich das Buch zur Seite. Wie viel wurde uns tatsächlich verheimlicht? Kapitel 9: Retter der Erde -------------------------- Kapitel 9– Retter der Erde Murrend drehte ich mich vom Rücken auf den Bauch. Meine Augen ließen sich nur schwerfällig öffnen. Den ganzen letzten Tag bis in die Nacht hinein hatte ich über den Büchern gehangen und mich über die Titanen belesen. Dementsprechend brummte mein Schädel nun. Müde richtete ich mich auf. Auf dem Bett lagen noch einige Bücher und Hefter verteilt, die vorsichtig zur Seite schob. Gähnend streckte ich meine steifen Glieder. Da Levi unterwegs war, bestand keine Gefahr das er hereinplatzte. Also ließ ich mir an diesem Morgen besonders viel Zeit. In der Kantine war nicht mehr los als am Vortag und wieder blieb mein Vater unauffindbar. Deshalb beschloss ich ihn nach dem Frühstück suchen zu gehen. Später irrte ich durch die Gänge und versuchte mich daran zu erinnern wo das Forschungslabor war. Vor einer schweren Metalltür blieb ich stehen. Ich wusste genau was sich dahinter befand. Nervös spielte ich mit einer Strähne meiner hellen Haare, dabei rang ich mit mir, ob ich wirklich durch diese Tür gehen sollte. Das letzte Mal als ich in diesem Raum war, wollte ein Titan nach mir greifen und, wenn man all den Schriften glauben konnte, mich verspeisen. Ich straffte die Schultern und ballte die Hände zu Fäusten. Ich konnte doch nicht bei Trupp Levi große Sprüche klopfen und mir jetzt fast ins Höschen machen. Etwas unsicher drückte ich die Klinke runter und stemmte die massive Tür auf. Wie einige Tage zuvor bildete eine Brücke aus Metallgitter den einzigen Weg auf de gegenüberliegende Seite, abgesehen vom Erdboden einige Meter unter mir. Krachend flog die Tür hinter mir ins Schloss, was mich aufschrecken ließ. Noch einmal schluckte ich den Klos im Hals hinunter und setzte etwas zittrig einen Fuß vor den anderen. Noch immer saßen die zwei Titanen gefesselt und bewegungsunfähig auf ihren Plätzen, bewacht von mehreren Männer. Sie versuchten sich soweit gegen die Fesseln zu lehnen wie sie konnten, um mit ihren riesigen Mäulern vielleicht doch einen der Leute zwischen die Zähe zu bekommen. Einer der Forscher näherte sich den Riesen und da erkannte ich auch, wer in dem weißen Kittel steckte. „Oi!“, rief ich nach unten, dabei lehnte ich mich leicht über das Geländer. Mein Vater blickte in meine Richtung und winkte lächelnd. Doch hatte ich nicht nur die Aufmerksamkeit meines Vaters auf mich gelenkt. Auch die Titanen hatten ihr Tun unterbrochen und sahen zu mir hinauf. Mir wurde mulmig. Der kleinere der Beiden blickte mir griesgrämig entgegen, während dem anderen ein dümmliches Grinsen im Gesicht klebte. Plötzlich, ohne jegliche Vorwarnung, riss er sein breites Maul auf und schrie. Es war ein fürchterlicher animalischer Laut, der einem durch Mark und Bein ging. Meine Hände legte ich schützend auf die Ohren, denn die Lautstärke war untragbar. Ich sah noch, wie uniformierte Schutzmänner die Forscher außer Reichweite der Titanen brachten, dann wurde wieder alles dunkel und nur die Notausgangsleuchten spendeten den einzigen visuellen Anhaltspunkt in der Dunkelheit. Das Gebrüll erstarb allmählich. Ich tastete nach dem Geländer und tapste vorsichtig auf eine der Leuchten zu, um diese Halle wieder zu verlassen. Als ich zurück auf den Flur trat, eilte ich zur nächsten Treppe, welche ich direkt hinab stieg. Am Fuße dieser stand bereits mein Vater. Er lachte, als hätte ich einen Witz erzählt. Verdutzt musterte ich ihn. „Habe ich was nicht mitbekommen?“ „Hanji hatte Recht“, begann mein Vater und wischte sich den Augenwinkel trocken, „Die Zwei stehen ja total auf dich.“ Beleidigt schob ich die Unterlippe vor. „Ist das dein Ernst? Ich sehe das nicht unbedingt als Kompliment.“ „Wieso? Ich denke, ihr Mädels fühlt euch geehrt, wenn die Männer euch hinterher sabbern?“ „Ja, aber diese Monster verstehen unter vernaschen etwas anderes als die üblichen Verehrer.“ Erneut lachte mein Vater auf. „Komm, lass uns einen Kaffee trinken gehen“, schlug er vor. So vergingen die Tage. Wenn ich nicht über den dicken Wälzern brühtete, war ich bei meinem Vater, der mir sogleich all seine neuen Erkenntnisse und Vermutungen mitteilte. Jedoch konnten wir uns nie lange in der Forschungshalle aufhalten, denn die Grinsebacke der zwei Titanen drehte am Rad, sobald er mich erblickte. Um meinem Kopf etwas Ruhe am Tag zu gönnen, begann ich mit dem Laufen. Levi hatte mir geraten an meiner Fitness zu arbeiten und da ich nicht viel zu tun hatte, nahm ich mir seinen Rat zu Herzen. Schon früher war das Laufen mein Sport gewesen. Ich liebte es kilometerweit über Stock und Stein durch die Natur zu rennen, wobei ich all die überschüssige Energie loswerden und meinen Kopf freibekommen konnte. Leider hatte ich es in letzter Zeit viel zu sehr vernachlässigt und dementsprechend keuchte ich nach nur wenigen Kilometern. Zusätzlich trainierte ich mit Eigengewicht, so wie Levi es mir gezeigt hatte. Eines Nachmittags hatte ich meine Runden gedreht und nach einer ausgiebigen Dusche beschlossen, mich an der frischen Luft noch ein wenig zu belesen, da mir drinnen die Decke auf den Kopf fiel. Ich schnappte mir eines der vielen Bücher und eine warme Wolldecke, verließ das Gebäude und steuerte auf den Wald zu, wo wir mit dem 3DMG trainiert hatten. Unter einem der gigantischen Bäume ließ ich mich nieder, wickelte Gesäß und Beine in die Decke ein, während ich in dem Buch nach der Stelle suchte, die ich zuletzt gelesen hatte. Das neue Kapitel handelte von dem Erdbeben vor der indonesischen Insel Sumatra Weihnachten 2004. Damals hatte sich die Indisch-Australische Platte unter die eurasische Platte geschoben. Ein sehr hoher Druck hatte sich durch das Unterwandern der Plattengrenzen gebildet und schlagartig entladen. Es ist das drittstärkste Erdbeben, das jemals gemessen wurde, und löste verheerende Tsunamis aus. 230.000 Menschen starben. In diesem Buch stand allerdings geschrieben, dass nach dem Beben Titanen aufgetaucht waren, welche in den überschwemmten Gebieten wüteten. Man spekuliert, ob die Titanen eventuell für das Wandern der tektonischen Platten verantwortlich seien und dieses Beben verursacht hatten. Dabei kamen mir Hanjis Worte wieder in den Sinn. Vor ein paar Tagen hatten wir uns über ein ähnliches Thema unterhalten. Sie war der Meinung, dass die Titanen eine Laune der Natur seien, die uns in unsere Schranken weißen sollen. „Wir Menschen sind eine zerstörerische Rasse. Kein anderes Lebewesen vernichtet so aktiv und bewusst seinen Lebensraum, wie wir. Wir vermehren uns immer unkontrollierter, brauchen mehr und mehr Ressourcen zum Leben, die sich bald nicht mehr bei unserem Verbrauch erholen können. Stell dir mal vor: Seit Jahren reden wir von der Überfischung der Weltmeere und dann wirft eine Nahrungsmittelfirma tonnenweise Fisch in den Müll, nur weil das Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist und sie es nicht mehr verkaufen können. Da ist es nur logisch, dass die Natur irgendwann eingreift. Früher waren es die Pest oder andere Seuchen, die die Anzahl der Menschen verringerte. Heute scheinen es die Titanen zu sein.“ Sie hatte Recht, dennoch war es ein gruseliger Gedanke, dass diese Wesen die 'Retter der Erde' sein sollten. Ich war so in die Aufzeichnungen vertieft, dass ich gar nicht merkte, wie sich mir etwas näherte. Erst als etwas in meinem Blickfeld auftauchte, hob ich den Kopf. Levi stand vor mir und hielt mir eine Tasse mit dampfenden und wohlduftenden Tee entgegen. Ich lächelte, legte das Buch beiseite und nahm ihm die Tasse ab. Gleichzeitig machte ich auf der Decke ein wenig Platz, damit er sich ebenfalls setzen konnte, was er auch sogleich tat. Ich legte die restliche Decke über unsere Beine und wandte mich ihm zu. „Du bist wieder da“, stelle ich erfreut fest. „Und du scheinst keinen Unfug gemacht zu haben“, gab er zurück, was mich noch breiter grinsen ließ. Er nippte an seiner Tasse, dabei musterte ich sein Profil und entdeckte eine kleine Verletzung. Ein haarfeiner Kratzer zog sich unterhalb des Auges zu seinem Ohr entlang. Vorsichtig fuhr ich mit den Kuppen von Zeige- und Mittelfinger darüber. „Du hattest versprochen heil zurück zu kommen“, sagte ich gespielt vorwurfsvoll. Daraufhin drehte er mir sein Gesicht zu. Stumm blickte er mich aus seinen dunklen Augen an, in denen ich mich zu verlieren drohte. Nun wurde mir unsere körperliche Nähe zueinander bewusst, woraufhin mein Herz wieder heftig klopfte. Kalter Frühjahreswind blies mir von hinten in den Nacken und spielte mit meinen Haaren, dennoch fröstelte ich nicht. Im Gegenteil - mir war warm. Levi beugte sich zu mir vor, unsere Gesichter waren sich so nah wie noch nie zuvor. Mit seiner freien Hand griff er nach einer Haarsträhne, die vor meinem Auge in der Briese tanzte und strich sie zärtlich hinters Ohr. Kapitel 10: Dreckspatz ---------------------- Kapitel 10 - Dreckspatz Ein prachtvoller Sonnenuntergang, der den Himmel in verschiedensten Rottönen färbte, bot sich der Menschheit, während eine kühle Brise altes Laub aufwehte und verspielt in der der Luft tanzen ließ. Zudem waren die ersten Zugvögel zurückgekehrt und erzählten munter ihre Geschichten von der langen Reise. All das nahm ich nicht wahr. Umso intensiver spürte ich, wie Levi mir eine Strähne meines Haares hinter das Ohr strich. Wie seine warme Hand mein Ohrläppchen berührte, seine Fingerkuppen den Konturen meines Unterkieferknochens folgen und an meinem Kinn stoppten. Dabei blickte er mir aus seinen dunklen Augen entgegen. Mein Herz raste, meine Gedanken hingegen waren komplett verstummt. In diesem Moment, in dem so viel um uns herum passierte, gab es nur ihn und mich, die Wärme, die er ausstrahlte und seine leichte Bewegung mir entgegen. Es gab keine Titanen, die Familien auseinander rissen und deren Zuhause zerstörten. Keinen Kampf gegen sie. Keinen Schmerz, kein Leiden, keinen Tod. Nur sein Atem auf meinem Gesicht. Ein schrecklich schriller Ton beförderte weckte uns aus unserer friedlichen Welt. Levi erhob sich und fingerte sein Mobiltelefon aus der Hosentasche. „Erwin?“, meldete er sich am Handy. Ungläubig verharre ich noch kurz in meiner Pose, ehe ich missgestimmt die Arme vor der Brust verschränkte. „Ich bin gleich bei dir", sagte er, wobei er auf irgendeinen Punkt vor seinen Füßen schaute. Dann hob er plötzlich den Kopf und sah in die Richtung wo die Kommandozentrale liegen müsste. Ich folgte seinem Blick und bemerkte den schwarzen Geländewagen auf uns zukommen. „Verstanden", knurrte er ins Telefon, legte auf und ließ es wieder in der Tasche verschwinden. „Außerplanmäßiger Einsatz", erklärte er mir wenig erfreut. „Wie lange diesmal?", fragte ich und schaute weiter auf das sich nähende Fahrzeug. „Das kann ich dir nicht sagen." Ein Seufzen verließ meine Kehle und als ich mich zu ihm wandte, konnte ich meine Enttäuschung nicht verbergen. Er war doch gerade erst zurückgekehrt. Wieso musste er schon wieder los? Der Jeep hielt nun auf unserer Höhe. Ich erkannte Erwin am Steuer. „Lass uns etwas essen gehen, wenn ich zurück bin." Erneut sah ich zu ihm auf. „Gerne." Ein breites Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Levi nickte, ging um das Auto herum und schwang sich auf den Beifahrersitz. Erwin warf mir noch einen Blick zu, ehe er weiterfuhr. Skeptisch folgte ich dem Geländewagen mit meinen Augen. Meine Freude über Levis Einladung war gedämpft, denn Erwins Blick stimmte mich misstrauisch. Irgendwas stimmte mit diesem Mann nicht, doch konnte ich nicht sagen was es war. Trotz der netten Worte und dem geschauspielertem Lächeln in seinem Büro versprühte er eine unheimliche Aura. Ich schätze ihn als kalt, berechnend und skrupellos ein. Er würde für seine Ziele alles opfern, da war ich mir sicher. Nur war ich mir meiner Rolle in diesem Spiel noch nicht sicher. Bei meinem Vater war es klar, aber bei mir? Er veranstaltete das ganze Theater mit der Ausbildung im Schnelldurchlauf doch nicht ohne Grund. Selbst Tage später fand ich keine Antwort auf diese Frage. Ich würde mich wohl überraschen lassen. Ich empfand es als nervig und störend, nicht zu wissen was auf mich zu kam. Außerdem war ich mittlerweile mit meiner Geduld am Ende. Levi hatte mich zum Essen eingeladen, kam aber nicht von seinem Einsatz zurück. Wie lange sollte das denn noch dauern. Inzwischen war schon über eine Woche vergangen. Ich schnaubte genervt, während meine Füße ihren Rhythmus weiter fortsetzten. Wie fast jeden Nachmittag war ich laufen. Es nahm mir die überschüssige Energie und befreite meinen Kopf. Ein Blick auf die Ihr verriet mir, dass ich schon über einer halben Stunde unterwegs war. Ich beschloss langsam umzudrehen, als mein Smartphone meinen Powersong abspielte. Seid ihr das Essen? Nein, wir sind die Jäger Wie immer konnte ich mir bei diesem Satz ein Schmunzeln nicht verkneifen. Statt umzudrehen, bog ich in den Wald links von mir ab und rannte durch das Unterholz. Während ich die Lautstärke der Kopfhörer in meinen Ohren erhöhte, steigerte ich auch mein Tempo. Our names won't be remembered if we die like trampled flowers I refuse to be forgotten written off as less than worthless Ich spürte wie sich die langen Oberschenkelmuskeln anspannten und wieder lockerten, bei jedem Schritt, den ich auf den Waldboden setzte. Altes Laub wirbelte hinter mir auf und ich sprang über große Steine und umgefallene Baumstämme. Scream and cry but none will hear you plead and beg but none will help you You no longer live as cattle will you rise and join the battle? Der Wald wurde zu einem Parcours. Ich rannte Slalom durch die eng beieinander stehenden Bäume, überwand im Weg liegende Hindernisse, überquerte einen überschwemmten Bach auf einem darüber liegenden morschen und mit Moos bedeckten Baum. There are beings that live off our fears and their words are like knifes as they play with our lives They'll try to control you as if they own you will you let them steal your freedom? Zwar war ich total aus der Puste, doch fühlte ich mich so befreit und wollte einfach nicht aufhören zu laufen, so wie ein Kind auf einem Abenteuerspielplatz. Doch das Ende des Liedes nahte. Zum krönenden Abschluss legte ich einen Sprint hin. Channel the anger swelling inside you fighting the boundary 'till you break through deep in your soul there's no hesitation so make yourself the one they all fear There is a wild fire inside you burning desire you can't extinguish Your crimson arrow Rips through the twilight This is the moment for war Vor mir entdeckte ich abermals einen umgekippten Baum, welcher zwischen sich und dem Boden einige Zentimeter Platz hielt. Mit einem Mal schmiss ich mich auf die Seite und schlitterte unter diesem Baum durch, sprang zurück auf die Füße und gab mit einem kleinen Hüpfer einem Ast über meinem Kopf ein High Five. Exakt in dieser Sekunde endete mein Powersong. In der Stille zwischen den Liedern vernahm ich träges Klatschen. Erschrocken riss ich mir die Kopfhörer aus den Ohren und drehte mich um. Nach kurzer Suche sah ich Levi über mir auf einem Ast stehen. Lässig an den Stamm gelehnt, blickte er zu mir und applaudierte. Er hatte mich doch nicht beobachtet, oder? Wie peinlich war das denn? Ich schlug die Hände vors Gesicht. „Du hast doch nicht etwa zugesehen?", brachte ich zwischen den Fingern hervor. „Wie ich sehe, hast du meinen Rat befolgt und etwas Sport getrieben. Vielleicht wird ja doch noch mal was aus dir." Für diese Antwort hätte ich ihm am liebsten etwas gegen den Kopf geworfen. Doch war ich mir sicher, selbst wenn ich etwas passendes dafür gefunden hätte, würde ich mein Ziel um Längen verfehlen. Also ließ ich es am Besten gleich bleiben, bevor ich ihm noch mehr Grund gab mich zu ärgern. Geschmeidig seilte er sich zu mir ab. „Auch wenn du eine ganz schön große Klappe hast, ist es schön dich zu sehen", sagte ich, sobald er vor mir zum Stehen kam. Ohne darüber nachzudenken fiel ich ihm um den Hals. Levi hingegen atmete hörbar angesäuert durch. „Muss das sein?" Ich war zutiefst verletzt, woraufhin ich mich sofort von ihm löste. War ihm meine Geste wirklich so unangenehm? Allerdings bemerkte ich, als ich einen Schritt zurückgetreten war, was er meinte. Dreck und Blätter klebten an seiner weißen Kleidung. Ein prüfender Blick auf mein Pullover und Dreiviertelhose bestätigte, dass ich durch meine Schlitteraktion mich tierisch besudelt hatte und nun meinen Schmutz an Levi übertragen hatte. „Dreckspatz“, schimpfte er mich. „Sorry, das tut mir echt leid", sagte ich, während ich möglichst schuldbewusst dreinschaute. Ich versuchte den Dreck von seinem Hemd zu klopfen, wobei ich kläglich scheiterte. Levi stoppte mich, indem er meine Handgelenke packte. Nicht grob, jedoch fest. Unsicher sah ich erst zu meinen Händen, dann in seine Augen. Er seufzte. „Was machst du Freitag?", fragte er schließlich. Kurzzeitig machte sich Verwirrung in mir breit, ehe ich mich an seine Einladung erinnerte. „Mit dir essen gehen?“, antwortete ich gespielt unwissend. Er schenkte mir ein zufriedenes Grinsen. „Richtig so.“ Langsam gab er meine Hände wieder frei. Nachdem er einen Schritt zurück getreten war, schaute er in die Richtung, aus der wir gekommen waren. „Nun gut, wer als Erstes zurück ist“, setzte Levi an. „Bekommt Freitag doppelten Nachtisch!“, ergänzte ich und war schon längst los gerannt. • Song https://www.youtube.com/watch?v=lTGElV-2GQk Kapitel 11: Freitagabend ------------------------ Kapitel 11 - Freitagabend Am Freitagabend wuselte ich halb nackt durch meinem Zimmer und stand vor der großen Frage, die so gut wie jede Frau des öfteren beschäftigt: Was ziehe ich an? Sicherheitshalber hatte ich die Tür von innen verschlossen, nicht das Levi mal wieder unerwartet reinplatzte. Obwohl, mittlerweile rechnete ich schon fast damit. Jedenfalls hatte ich all meine Kleidung auf dem Bett verteilt und stand selbst nur in Unterwäsche davor, die Finger nachdenklich an das Kinn gelegt und grübelte vor mich hin. Es musste doch irgendwas dabei sein, in dem ich nicht aussah wie der letzte Dreck und auch nicht zu overdressed wirkte. „Gott, als hätte ich keine anderen Probleme", rief ich aus, während ich wahllos Klamotten aus dem Haufen zog. Zum Vorschein kamen eine dunkle Jeans, ein blaues locker geschnittenes Shirt mit Fledermausärmeln und ein grauer Loopschal. Bevor ich es mir anders überlegen konnte, zog ich die Teile über, schlüpfte in ein paar dunkelgraue Stiefeletten und dackelte ins Bad. Dort war ich wesentlich schneller fertig, denn es gab nicht viel zu tun. Ich hatte keines der Puppengesichter, die mit viel Make-up gut aussahen. Lediglich meine Augen betonte ich etwas, indem ich die Wimpern tuschte. Noch ein Spritzer von dem fruchtig riechendem Parfüm und ich war zufrieden mit mir selbst. Dümmlich grinste ich der jungen Frau im Spiegel entgegen. Es tat gut, nach der Zeit in zerrissenen Jeans und mit Schmutz an den Händen, sich mal wieder ein wenig zurecht zu machen, denn jede Frau fühlte sich gerne hübsch und begehrenswert. Besonders, wenn sie zum Essen eingeladen wurde. Ich zog mir noch meinen Parka über und trat dann hinaus auf den Flur, welchen ich eilig entlang schritt. Das Geräusch meiner Absätze verfolgte mich, sowie die Blicke einiger Männer. Wenn sie so schauten, hatte ich mein Ziel etwas attraktiver auszusehen als sonst wohl erreicht. Mit gehobenem Kinn verließ ich das Gebäude und begab mich auf den Hof. Ein frischer Wind, der daran erinnerte, dass der Winter noch nicht vollends vorbei war schlug mir entgegen. An der gegenüberliegenden Wand entdeckte ich Levi, der lässig an dieser lehnte und zu mir rüber schaute. Er sah gut aus. Statt dem üblichen Weiß war er dunkel gekleidet, was ihm auch sehr gut stand. Wieder stahl sich ein Lächeln auf mein Gesicht. So elegant ich konnte ging ich auf ihn zu, er kam mir ebenfalls entgegen. Es trennten uns nur noch wenige Meter, als Hanji plötzlich neben mir auftauchte. „Wow, ihr habt euch aber schick gemacht", stellte sie anerkennend fest. Dabei glitt ihr Blick von Levi zu mir und wieder zurück. „Ihr geht aus?" „Sieht wohl ganz danach aus, Brillenschlange", knurrte Levi. „Schön, denn wir wollen auch was unternehmen." Wie aufs Stichwort bog ein schwarzer Van um die Ecke und hielt direkt neben uns an. Erd öffnete die Schiebetür von innen. „Na wie sieht's aus?" Ich erkannte Gunther am Steuer und Petra saß mit Auruo auf der Rückbank. „Hey Ivory", lächelte sie mir entgegen, was ich unsicher erwiderte. „Eigentlich wollten wir etwas essen gehen", sagte ich zögernd, wobei ich Hilfesuchend zu Levi blickte. Dieser bekam nicht mal die Chance irgendetwas zu erklären, denn Hanji schnitt ihm direkt das Wort ab. „Das könnt ihr doch auch mit uns." Super. Wie sollte ich ihnen klar machen, dass ich am Liebsten mit Levi allein gehen wollte. Allerdings konnte man diese erwartungsvollen Ausdrücken in ihren Gesichtern schlecht Enttäuschung entgegenbringen. „Naja", begann ich, „wird vielleicht ganz lustig." Es klang mehr wie eine Frage, als wie eine Aussage. „Lustig ganz bestimmt", rief Petra vom Rücksitz. Abwartend schaute ich zu Levi. Dieser zuckte nur mit den Schultern. „Wie du willst", sagte er recht unbegeistert. Nun hatte ich das Gefühl, als hätte ich ihn enttäuscht. Geknickt ließ ich mich neben Erd auf der mittleren Sitzreihe des Neunsitzers nieder. Kurz darauf rollte der Wagen an und außer dem plapperndem Radio im Hintergrund war es ruhig. Ich empfand die Stille als äußerst unangenehm, was mich auf meinem Sitz hin und her rutschen ließ. Immer wieder huschte mein Augenmerk nach vorne auf den Beifahrersitz, wo Levi saß, der aus dem Fenster auf die beleuchtete Straße sah. Wir hatten das Gelände der Survey Corps verlassen und waren in die nächstgelegene Stadt gefahren. Straßenlaternen huschten an den Fenstern vorbei und bunte Leuchtschilder der unterschiedlichen Geschäfte und Bars erhellten die Dunkelheit, die sich bereits über das Land gelegt hatte. Auch ich blickte nach draußen, während sich meine Finger immer wieder ineinander verflochten und lösten. Plötzlich tauchte Hanjis Kopf von hinten zwischen Erd und mir auf. „Na, aufgeregt wegen dem Date mit Levi?“ Erschrocken drehte ich mich zu ihr um. „Hanji, frag doch nicht so was!“, brachte ich beschämt hervor. Fast alle im Auto lachten laut los. Alle, außer Levi und mir. Ich war froh, dass der Innenraum nicht beleuchtet war, denn so wie mein Gesicht brannte musste ich puder rot angelaufen sein. „Ach sei doch nicht so schüchtern“, setzte Hanji erneut an, nachdem sie sich beruhigt hatte. „Wir freuen uns doch nur, wenn unser Captain auch mal 'ne Freundin hat.“ Levi unterband das Gespräch, indem er das Radio einfach lauter drehte. Musik dröhnte aus den Lautsprechern und ich erkannte das Lied sofort. Hanji versuchte sich über die Lautstärke verständlich zu machen, doch ich schaute starr grade aus auf die Straße und sang einfach mit. When the days are cold And the cards all fold And the saints we see Are all made of gold Levi drehte sich zu mir um und musterte mich. Ich hingegen senkte den Blick und schaute auf meine Hände, hörte jedoch nicht auf, denn Hanji sah mich noch immer erwartungsvoll an, so als hoffte sie, dass ich ihr noch einige Details berichten würde. When your dreams all fail And the ones we hail Are the worst of all And the blood's run stale Zu meiner Verwunderung hörte ich, wie Gunther nun auch mit sang. Im Rückspiegel sah ich, wie er mir zuzwinkerte, was mich lächeln ließ. I wanna hide the truth I wanna shelter you But with the beast inside There's nowhere we can hide Nun hatte Hanji endlich aufgegeben. Sie lehnte sich in ihrem Sitz zurück. Mit einem verschwörerischen Blick in Richtung Petra, die diesen erwiderte, trällerte sie ebenfalls los. No matter what we breed We still are made of greed This is my kingdom come This is my kingdom come Jetzt gab es kein Halten mehr. Alle, Levi ausgeschlossen, mussten einfach mitsingen, denn dieses Lied lud geradezu dazu ein. Jeder legte seine individuelle Performance hin. Wir sangen schief, fuchtelten mit den Armen und lachten, als gäbe es kein Morgen. When you feel my heat Look into my eyes It's where my demons hide It's where my demons hide Don't get too close It's dark inside It's where my demons hide It's where my demons hide Levi begutachtete jeden von uns, drehte sich auf seinen Sitz nach vorne und schüttelte den Kopf. Auch wenn wir seiner Meinung nach nicht alle Latten am Zaun hatten, genoss er es heimlich doch genauso sehr wie wir. Song https://www.youtube.com/watch?v=LqI78S14Wgg Kapitel 12: Feuerwerk --------------------- Kapitel 12 – Feuerwerk Am frühen Abend steuerte Gunther den schwarzen Van auf einen recht gut ausgebuchten Parkplatz und stellte das Auto ab. „So Leute, wir sind da“, verkündete er. Während wir ausstiegen sah ich mich um. Menschen strömten alle von ihren Fahrzeugen in die selbe Richtung. Aus der Ferne ertönte Musik. „Was machen wir denn eigentlich?“, fragte ich Petra, die neben mir in ihren Mantel schlüpfte. Gleichzeitig hielt ich weiter Ausschau nach dem Objekt, das die Menschenmassen anzog. Dann fiel mir das bunt beleuchtete Riesenrad ins Auge. „Wow“, entfuhr es mir. „Das erklärt alles, oder?“, fragte Petra und lächelte. Ich nickte lediglich. Als alle bereit waren, folgten wir den restlichen Besuchern dieses Rummels. Es wurde, je näher wir kamen, lauter und voller. Augenblicklich kamen die ersten Stände in Sicht. Das Angebot dort war riesig: Von Kunstwerken zu Spielzeugen über Kleidung, Süßigkeiten, Essen und Trinken, Schmuck und vielem mehr. Petra hackte sich bei mir unter und zog mich zu einem Ständchen mit hübschen selbstgestrickten Schals, Socken und Mützen. Während sie sich mit dem Verkäufer unterhielt, sah ich mich nach Levi um. Ich fand ihn zusammen mit Gunther und Erd an einem Stehtisch, wo sie etwas tranken. Wie immer, wenn ich ihn anstarrte, bemerkte er mich und blickte zu mir hinüber. Automatisch grinste ich und strich mir Haare hinter das Ohr. Plötzlich wedelte einer Hand vor meinen Augen hin und her. Ich schreckte auf und richtete meine Aufmerksamkeit zurück auf Petra, die belustig wirkte. Ich half ihr bei der Farbauswahl und nachdem sie gezahlt hatte, schlenderten wir weiter. Wir erbeuteten jeweils eine Tüte mit gebrannten Mandeln, die wir genüsslich verspeisten, dabei plauderten wir munter über Gott und die Welt, als gäbe es nichts böses auf dieser Welt. Bei einem Wagen, der mit Schokolade überzogene Früchte anbot, konnte ich ebenfalls nichts vorbeigehen. Natürlich bestellte ich den größten Spieß, mit der meisten Schokolade drauf. „Ivory, du wirst noch Diabetes bekommen“, mahnte Petra. Ich zuckte mit den Schultern. „Wer süß sein will, muss viel Süßes essen.“ Petra schüttelte lachend den Kopf, während ich freudig in mein Essen biss. Kurz darauf liefen wir an einem Tisch mit verschiedenen Tüchern vorbei. Ruckartig blieb ich stehen und betrachtete die Auswahl. Fragend legte Petra den Kopf schief. „Partnertuch für Levi und dich?“, scherzte sie, als ich eines der Halstücher in die Hand nahm. „Nein“, lachte ich, „Levi wirft mir vor, ich hätte seins so eingesudelt, dass die Flecken nicht mehr raus gehen.“ „Ich frage jetzt nicht was ihr gemacht habt.“ „Petra!“ Ich spürte wie meine Wangen wieder anfingen zu glühen. „Ich hab ihn lediglich umarmt und war ein wenig schmutzig“, erklärte ich ohne sie anzusehen. Sie zwickte mir in den Oberarm. „Lass dich doch nicht ärgern.“ Entwaffnend lächelte sie mir entgegen. „Ich denke, er wird sich freuen“, gab sie ihre Gedanken preis. „Ich denke auch“, schloss ich mich ihrer Meinung an. Nachdem ich gezahlt hatte, schubste mich Petra in die Richtung, in der die Männer standen. „Na los, gib es ihm“, forderte sie ganz aufgeregt. „Ja, ich mach ja schon“, beschwichtige ich sie und lief langsam auf den Stehtisch zu. Ich war nur noch wenige Schritte von ihrem Tisch entfernt, da erblickte Erd mich. Er stupste Gunther mit dem Ellenbogen an und nickte in meine Richtung. Sie sagten etwas, was ich nicht verstand, da es zu viel Geplapper um uns herum war, zu ihrem Hauptmann und liefen mir entgegen. Gunther zwinkerte mir zu, während Erd auf mich deutete und sich dann am Mundwinkel kratzte. Hatte ich dort etwa noch Schokolade kleben? Hastig wischte ich mir mit dem Jackenärmel über den Mund. Erd zeigte mit beiden Daumen nach oben, ehe er vorbeigegangen war. Bei Levi angekommen wurde mir bewusst, dass ich keine Ahnung hatte, was ich sagen sollte, denn ich war wirklich nicht gut in solchen Dingen. „Ähm“, setzte ich an. Super Einstieg.. Levi sah mich mit hochgezogener Augenbraue an, was mich noch mehr aus dem Konzept brachte. „Ich dachte, ich schulde dir noch was“, sagte ich, wobei ich auf die kleine Plastiktüte in meinen Händen schaute. Unsicher zog ich das Stück Stoff heraus und stopfte die Tüte in meine Jackentasche. Ich trat einen Schritt vor und legte es ihm um den Hals, wobei ich beide Enden weiter festhielt. „Ich kann es leider nicht so schön binden wie du“, gab ich zu. Wir sahen uns in die Augen und wieder hätte ich in ihnen versinken können. Eine Stimme in mir schrie mich an, ich solle Levi an dem Tuch zu mir ziehen und ihn küssen, doch bewegte ich mich keinen Millimeter. Levi bedankte sich, wobei mir seine tiefe Stimme eine angenehme Gänsehaut bereitete. Er nahm meine Hände in seine und ich war der Meinung, selbst er könnte meine innere Stimme hören. Unser magischer Moment wurde schließlich erneut zerstört, denn Hanji rief nach mir. „Ivory, das Feuerwerk fängt gleich an!“ „Wir wollen uns noch einen guten Platz suchen“, ergänzte Auruo eher unbeeindruckt. Jedoch gingen sie, ohne auf Levi und mich zu warten. „Diese Kotzbrocken“, murrte Levi und ich musste lachen. Mit einigem Abstand folgten wir ihnen und wurden von den Menschenmassen immer weiter ins Zentrum der Veranstaltung getrieben. „Können die sich nicht alle mal ein bisschen kleiner machen? Ich sehe nichts“, motzte ich irgendwann. Levi nahm mich plötzlich bei der Hand. „Komm mit.“ Er bahnte uns einen Weg durch all die Leute, bis er vor dem Riesenrad zum Stehen kam. „Ich denke, von hier aus sollten wir genug sehen“, sagte er. Mir hingegen blieb nur der Mund stehen. Levi besorgte uns zwei Tickets und wir ließen uns auf die Sitzbank nieder. Kaum saßen wir, setzte sich das Riesenrad in Bewegung. Kurz vor dem höhsten Punkt stoppte es und die Beleuchtung auf fast dem gesamtem Platz erlosch. Anscheinend war das Feuerwerk nun soweit. Abwartend musterte ich die Umgebung, als mich ein kühler Wind frösteln ließ. „Ist dir kalt?“, fragte Levi. „Ein bisschen.“ Ich schloss den Reißverschluss meines Parkas, als sich Levis Arm um meine Schultern legte und mich somit näher zu sich zog. Ohne jede Vorwarnung schoss die erste Rakete empor und erleuchtete den Himmel, indem sie lautstark explodierte und rote Funken versprühte. Es sah aus, als würden Sterne vom Himmel regnen. Schon wurde die Nächste abgefeuert, der noch weitere folgten. Wir hatten wirklich den perfekten Platz für dieses Schauspiel. „Danke“, wandte ich mich an Levi. Verlegen stellte ich fest, wie nah wir uns doch waren. Sein warmer Atmen strich über mein Gesicht und abermals drohte ich mich in seinen Augen zu verlieren. Meine innere Stimme schrie lauter als zuvor und diesmal wollte ich sie nicht einfach ignorieren. Allerdings kam ich nicht dazu mein Vorhaben in die Tat umzusetzen, denn Levi kam mir zuvor. Seine weichen Lippen legten sich auf die meinen. Es fühlte sich an, als würde nun auch ein Feuerwerk in meinem Inneren losgehen. Kleine Explosionen gingen von meinen Lippen aus, während mein Herz heftig gegen meinen Brustkorb hämmerte, sodass ich befürchtete, es würde hinausspringen und sich vom Riesenrad stürzen. Der Kuss war unsicher und scheu, so wie jeder erste Kuss, dennoch war er magisch und atemberaubend. Zögernd lösten wir uns voneinander. Ich atmete tief durch. „Wow war das kitschig“, witzelte ich. Levi verdrehte die Augen. „Halt einfach den Schnabel.“ Damit griff er in meinen Nacken und küsste mich erneut. Das Riesenrad drehte sich weiter und wir wurden unten auf dem Erdboden abgesetzt. Hand in Hand stiegen wir aus, da stand der Rest unserer Gruppe schon vor uns. „Wir sollten nach Hause, morgen müssen wir wieder früh raus“, gab Gunther zu verstehen. Also begaben wir uns zurück zum Auto und machten uns auf dem Rückweg. Die Fahrt verlief größtenteils schweigend, nur war es diesmal ein angenehmes Schweigen, das die Zufriedenheit der einzelnen Personen wiedergab. Überraschend streckten Hanji und Petra jeweils links und rechts von mir ihren Kopf nach vorne. Ich erschrak heftig und hielt eine Hand an die Brust, um mein wild schlagendes Herz zu beruhigen, das sich von Levis Küssen noch immer nicht eingekriegt hatte. „Habt ihr einen Vogel?“, ging ich die Beiden an. Petra legte den Zeigefinger auf ihre Lippen. „Wie war's?“, fragte Hanji flüsternd, was mich dazu veranlasste, mich zu ihr umzudrehen. „Wie war was?“, stellte ich genauso leise die Gegenfrage. „Der Kuss mit Levi“, warf Petra ein. „Ihr habt uns gesehen?“, wollte ich von den Zweien wissen. „Wer das nicht gesehen hat ist blind auf beiden Augen“, mischte sich nun Erd neben mir ein. Fassungslos starrte ich sie nacheinander an. Auch Auruo grinste verdächtig. Offensichtlich haben sie wirklich alles mitbekommen. Ohne ein Wort sank ich tiefer in meinen Sitz und vergrub Mund und Nase in meinem Schal. „Na los, erzähl schon“, drängte Hanji. Levi bekam den Trubel mit. „Was gackert ihr dahinten schon wieder rum? Das geht einem tierisch auf den Zeiger.“ Hanji und Petra setzten sich zurück und Stille legte sich über uns. Erleichtert atmete ich aus, während ich für den Rest der Fahrt aus dem Fenster blickte. Später auf dem Gelände des Corps, setzte Gunther mich vor dem Wohngebäude, in dem sich mein Zimmer befand, ab. Ich bedankte mich, während ich ausstieg. Verunsichert sah ich zu Levi. „Gute Nacht“, nuschelte ich, blieb für eine Sekunde noch stehen, denn ich wusste nicht, wie ich mich Levi den anderen gegenüber verhalten sollte, ehe ich auf dem Absatz kehrt machte und das Gebäude betrat. Schleunig eilte ich zu meinem Zimmer. Dort angekommen, öffnete ich die Tür und stellte verwundert fest, dass Licht noch brannte. Verwirrt legte ich den Kopf schief, bevor mein Vater in schallendes Gelächter ausbrach. Noch irritierter sah ich zu ihm, wie er gemütlich auf meinem Bett saß. „Was machst du denn hier?“ Meine Verblüffung war mir deutlich anzuhören. „Darf ich mich denn nicht um meine Tochter sorgen?“, entgegnete er mir mit einem breiten Grinsen. Ich stemmte die Hände in die Hüften. „Ich kann schon ganz gut auf mich alleine aufpassen“, sagte ich mit gespielter Empörung. Mein Vater klopfte auf den Platz neben sich und ich ließ mich neben ihm nieder. Er legte einen Arm um meine Schultern. „Ich habe mich noch gar nicht richtig bei dir bedankt“, fing er an. „Für was?“, fragte ich nach. „Dafür, dass du hier bei mir bist und mir diese letzte Chance gegeben hast.“ Nachdenklich sah ich auf den Boden. „Du musst dich nicht bedanken, dafür ist eine Familie doch da.“ Levi wurde ebenfalls vor seinem Wohngebäude abgesetzt. Jedoch begab er sich nicht in seine Wohnung, sondern wartete bis der Van um die nächste Ecke gebogen war und machte sich auf den Weg zu mir. Er wollte den Abend nicht so enden lassen. Berauscht von den Küssen wollte noch weitere Stunden mit mir verbringen und Zärtlichkeiten austauschen. Auf dem Flur, kurz vor meiner Türe, wunderte er sich, dass sie einen Spalt breit offen stand und Licht durch diesen auf den Flur fiel. Von innen vernahm er nicht nur meine Stimme, was ihn innehalten ließ. „Weißt du, Ivory, deine Mutter wäre bestimmt sehr stolz auf dich. Niemand hat so eine Geduld mit mir wie du“, sprach mein Vater, wobei er leise lachte. „Wir hatten zwar ein ganz anderes Leben für dich geplant, aber ich sehe, du gehst deinen eigenen Weg und lässt dich nicht unterkriegen. Das macht mich auch sehr stolz. Egal was passieren mag, ich werde immer hinter dir stehen.“ Noch immer hielt ich den Kopf gesenkt, wodurch Haare mein Gesicht verdeckten. „Hörst du mir überhaupt zu oder bist du eingeschlafen?“, hackte mein Vater nach. Ein Schluchzen meinerseits ließ ihn zurückfahren. Ich hob den Kopf und sah ihm aus verheulten Augen entgegen. Mit einem Mal umarmte ich ihn. Mein Vater erwiderte die Umarmung und drückte mich fest an sich. „Ich hab dich lieb, meine Kleine.“ Kapitel 13: as daylight dies ---------------------------- Kapitel 13 - as daylight dies Es wäre eigentlich einer dieser Morgen gewesen, an denen ich üblicherweise mies gelaunt den Wecker gegen die Wand schmiss und mich danach ärgerte, weil der Wecker in meinem Smartphone intrigiert war und ich somit ein neues Handy benötigte, denn ich war bis spät in die Nacht aufgeblieben und hatte mich mit meinem Vater unterhalten. Doch dieser Morgen war anders. Als der Wecker ertönte, schaltete ich ihn aus und sank grinsend zurück in die Kissen. Mit zwei Fingern der rechten Hand strich ich über den Mund und es war mir, als könnte ich noch immer Levis Lippen auf meinen spüren. Ich grinste über beide Ohren, schlug die Bettdecke beiseite und schwang die Beine aus dem Bett. Wäre mein Leben ein Film, so wäre ich zu Pharrel Williams 'Happy' durch das Zimmer getanzt. Als ich später frisch geduscht und noch immer gut gelaunt das Bad verließ, erreichte mich eine Nachricht via Whatsapp. Sarah, meine Angestellte, die ich bei meinen Hunden zurückgelassen hatte, hatte mir geschrieben. "Hey Ivory, bei uns ist alles gut und den Hunden geht es auch super. Der Nachbar hilf fleißig mit sie zu versorgen. Das Futter neigt sich dem Ende. Kannst du welches bestellen, denn ich weiß nicht wie und wo? Wann kommst du denn wieder? Hoffe es geht dir gut. Liebe Grüße Sarah" Ich antwortete ihr, dass es mir gut ginge und Hundefutter bestellen würde. Ebenfalls textete ich, dass ich wegen einer Erkrankung meines Vaters noch ein wenig fern bleiben würde. Es gefiel mir nicht sie anzulügen, jedoch brauchte ich eine Ausrede. Kurz darauf wählte ich schon die Nummer des Futterlieferanten, während ich mich auf dem Weg zur Zimmertür machte. Für diesen Tag war Training mit dem 3DMG angesagt und natürlich wollte ich nicht zu spät zu einer Verabredung mit Levi kommen. Am Telefon gab ich die Bestellung durch, gleichzeitig öffnete ich die Tür, um auf den Flur zu treten. In diesem Moment betrat Levi den Raum, fing mich auf und schob mich zurück ins Zimmer, wo er die Tür hinter sich schloss. Er beugte sich vor, um mich zu küssen, doch ich hielt ihn zurück, indem ich ihm einen Finger auf die Lippen legte, denn noch immer telefonierte ich. Auf Finnisch gab ich meine Kundennummer am Telefon durch, wobei Levi mich fragend ansah. Am anderen Ende wurde diese wiederholt und meine Bestellung noch ein mal wiedergegeben. "Kiitos! Hej hej", beendete ich das Gespräch und wandte mich an Levi. "Ich hatte noch was zu Hause zu klären." "Alles in Ordnung bei dir?", erkundigte er sich. "Mhm", nickte ich und schmiegte mich näher an ihn. Scheu, aber auch erwartungsvoll, blickte ich zu ihm auf. Quälend langsam beugte er sich vor, sodass ich vor Vorfreude beinahe platzte. Wir küssten uns und abermals elektrisierte es mich. Meine Lippen prickelten und die feinen Härchen in meinem Nacken richteten sich auf. Ich schmeckte den fruchtigen Tee, den er anscheinend getrunken hatte und die Süße seiner waren Lippen. Nie mehr wollte ich mich von ihm lösen, so berauscht war ich, doch schrie meine Lunge nach Sauerstoff. "Wolltest du nicht mit dem 3DMG trainieren?", fragte Levi keck, als ich ihn erneut zu mir zog. "Später", gab ich zur Antworte, ehe ich seine Lippen mit den meinen versiegelte. "Ich habe nachher ein Meeting mit Erwin. Wenn du üben möchtest, dann jetzt." Missgestimmt sah ich ihn an. "Du bist voll der Romantiker, was?" "Und du hast nur Blödsinn im Kopf", stellte er ebenso trocken fest. "Aye Captain", rief ich aus, während ich salutierte. Jedoch konnte ich mir das Lachen kaum verkneifen. Levi zwickte mir in den Hintern. "Los jetzt." Nachdem ich die Ausrüstung in der Umkleide angelegt hatte, machten wir uns auf den Weg zum Trainingsgelände. Unterwegs trafen wir meinen Vater, der uns freudig entgegen strahlte. Er gab mir einen Kuss auf den Haaransatz. "Wir sehen uns später beim Mittagessen, dann reden wir über unseren Urlaub", versprach er, ehe er im nächsten Gebäude verschwand. In der Nacht kamen wir auf die Idee einen schönen Vater-Tochter-Urlaub zu buchen, jedoch hatten wir uns auf noch kein Ziel geeinigt. Im Wald übte Levi mit mir wie man schnelle Richtungswechsel und Kehrtwenden ausführte. Ich landete ein paar Mal im Auffangnetz und ein Mal währe ich beinahe in einen Baum gekracht, hätte Levi mich nicht abgefangen. Mittlerweile hatte ich den Dreh einigermaßen raus und nun setzte Levi vorweg und ich versuchte zu folgen. Sonnenstrahlen fielen vereinzelt durch das dichte Blätterdach und ein leichter Wind wiegte Blätter sowie dünne Äste. Noch immer kann ich nicht beantworten was mich dazu trieb, das Schicksal, ein Instinkt oder irgendwas anderes, aber ich musste unbedingt nach oben und über die Bäume hinweg schauen. Ich kletterte in eine Baumkrone, von wo aus sich eine umwerfende Aussicht bot, schirmte die Augen mit den Händen ab, weil die Sonne mich blendete, und atmete tief durch. Dabei nahm ich den Geruch von Rauch wahr. Hektisch drehte ich den Kopf in alle Richtungen, um zu orten woher er kam. Im Osten sah ich ihn schwarz und dicht aufsteigen. Trotz der Frühlingssonne, die wärmere Tage ankündigte, gefror mir das Blut in den Adern. Es rauchte aus der Richtung, aus der wir kamen. Schnell war ich wieder nach unten geklettert. "Levi!", rief ich aufgebracht nach ihm. Man sah und hörte ihn nicht. Ich versuchte es erneut, lauter diesmal. Wieder kein Zeichen von ihm. Hin und her gerissen, ob ich nun erst Levi suchen oder mich gleich zurückbegeben sollte, entschied mich mich, umgehend den Rückweg einzuschlagen. Unbewusst setzte ich all mein Können, das ich mir bis zu diesem Zeitpunkt angeeignet hatte, ein, um schnellstmöglich den Zielpunkt zu erreichen. Dabei quälten mich schreckliche Gedanken, die ich zu ignorieren versuchte. Der Qualm drang nun bis zwischen die Bäume und ich konnte das Feuer auf der Zunge schmecken. Atemlos hechtete ich durch die Kaserne. Mittlerweile konnte ich die Rufe und gebrüllten Befehle deutlich hören. An umso mehr Gebäuden ich vorbei rannte, desto lautet wurde eine böse Vorahnung in meinem Kopf. Um schneller voran zu kommen, setze ich das 3DMG ein, womit ich mich zwischen den Häuser und Hallen umher schleuderte. Männer schlugen den selben Weg ein wie ich, ausgerüstet und für den Kampf bereit. Ein Klos hatte sich in meinem Hals festgesetzt, ebenso wie die Angst mein Herz schnell und unruhig schlagen ließ. Ich preschte gerade an einigen hohen Gebäuden vorbei, als zwischen diesen ein abnormal großes Gesicht auftauchte und mich mit seinen Augen fixierte. Erschrocken schrie ich auf, denn eine riesige Pranke versuchte mich zu fassen zu bekommen, wobei sie daneben griff und Steinbrocken aus einem Gebäude schlug. In diesem Moment wusste ich nicht was ich tun sollte. Als Übergangshandlung begann ich zu fluchen, während ich verängstigt in meiner Umgebung nach einer Lösung suchte. Kurzerhand seilte ich mich auf den Boden ab und rannte in den nächstgelegenen Hauseingang. Hektisch riss ich die Tür auf, wäre in meiner Eile beinahe gegen diese gelaufen, und rannte zum Hintereingang. Von draußen donnerte und schepperte es, anscheinend wollte der Titan mich holen. Durch diese Begegnung wurde mir eins jedoch deutlich bewusst: die Titanen aus dem Forschungszentrum waren ausgebrochen und liefen nun Amok. Panik machte sich in mir breit, schien mein Herz zu lähmen und kurzzeitig hatte ich das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Du darfst jetzt nicht ausrasten, erinnerte ich mich selbst. Ich stemmte die Hintertür auf und trat ins freie. Jetzt musste ich als erstes meinen Vater finden. Als ich bei der Forschungshalle eintraf, dachte ich, ich sei für alles gewappnet, doch blieb ich vor Entsetzen einen Moment stehen, sobald ich das Chaos erblickte. Die Halle brannte, tote und verstümmelte Körper lagen überall verteilt. Für einen Augenblick befürchtete mich übergeben zu müssen, allerdings war selbst dazu der Schock zu groß. „Papa!“, rief ich total außer mir. Nirgends konnte ich ihn ausfindig machen. Wieder rannte ich los und suchte nach ihm. Nach schier endloser Suche fand ich ihn. Von weitem sah er unversehrt aus. Erneut rief ich nach ihm und so entdeckte er auch mich. Der zweite der Titanen tauchte hinter dem Haus, unter dessen Vordach mein Vater stand und einem verletzten Mann erste Hilfe leistete, auf. Er griff nach einem Soldat auf dem Dach, wobei er einige Ziegel löste, die der Schwerkraft nach unten folgten. „Oh mein Gott!“, stieß ich fassungslos aus, da ich begriff, wo die Ziegel landen würden. Mit einem lauten Rums begruben sie meinen Vater unter sich. Tränen bahnten sich ihren Weg über meine schmutzigen Wangen. Der Titan wühlte im Schutt und brachte meinen Vater zum Vorschein. Als der Titan meinen regungslosen Vater hochhob und genauer betrachtete, schien die Welt still zu sehen. Ich spürte weder den Wind, noch die sengende Hitze durch die Feuer, die sich immer weiter ausbreiteten und gierig alles verschlangen, so wie es die Titanen mit den Menschen um mich herum taten. Der Titan führte den Körper meines Vaters zum Mund. Ich hielt die Luft an. Und.er.bis.zu. Ein schriller Laut war zu vernehmen, der sich in die Länge zog und immer kehliger und animalischer klang. Erst als sich eine Hand auf meinen Mund legte und dieser Schrei nur noch gedämpft zu mir vordrang, realisierte ich, dass ich der Verursacher dieses Geräusches war. Mein Kopf wurde unsanft zur Seite gedreht und Levis Gesicht tauchte nun in meinem Blickfeld auf. „Ständig muss man auf dich aufpassen, Dummkopf!“, keifte er mich an, während er mich mit sich mit zog. Wir entfernten uns von dem Titan, da begann ein Verstand zu arbeiten. Ruckartig blieb ich stehen, entriss Levi meine Hand und steuerte auf den Titan zu. Arme legten sich von hinten um meine Taille, hoben mich hoch und drehten mich weg. Ich brüllte, schlug auf Levis fesselnden Griff ein. Plötzlich wurde ich auf den Boden befördert. Levi hockte über mir, hielt mich eisern fest, während ich weiter wie wild geworden um mich trat und schlug. Ich spürte noch Levis Finger einen Druck auf meine Halsschlagader ausüben, ehe mein Blick unscharf wurde und ich in endloser Dunkelheit versank. Kapitel 14: Emotionslos ----------------------- Kapitel 14 – Emotionslos Teilnahmslos lag ich in meinem Bett und starrte auf die verschmutzte Glasscheibe des Fensters. Rus haftete noch an ihr, weshalb das Sonnenlicht von außerhalb nur abgedunkelt eintrat. Ich vernahm Rufe und Maschinengeräusche vom Hof, wo die Aufräumungsarbeiten im vollen Gang war. Man hatte die Verletzten ins Krankenhaus gebracht, die Toten verbrannt und nun wurden die Trümmer beseitigt. Relativ kurz nach meinem Ausraster hatte man die Titanen erledigt und sogleich mit dem 'Aufräumen' begonnen. Mein Blick glitt zu dem Umzugskarton, in dem jemand die persönlichen Sachen meines Vaters vorbei gebracht hatte. Die Ecke eines eingerahmten Fotos lugte hinaus. Mir reichte es nur diese eine Ecke zu sehen, um zu wissen, dass es eine Aufnahme von ihm und mir war. Bevor ich mir überhaupt Gedanken darüber machen konnte, drehte ich der Kiste den Rücken zu. Nun starrte ich auf die nackte Wand. Kurz überlegte ich, ob ich eine der kleinen Pillen nehmen sollte, die mir Schlaf ermöglichten, doch hatte ich überhaupt keine Lust ins Bad zu tapsen, wo das Diazepam lag. Unerwartet hörte ich, wie sich meine Zimmertür öffnete und wieder schloss. "Ivory", verlangte Petras klare Stimme nach meiner Aufmerksamkeit, die ich ihr jedoch verwehrte. Die Matratze senkte sich neben mir und eine Hand legte sich auf meine Schulter. "Ivory", versuchte sie es erneut, "wir sollten uns fertig machen." War es wirklich schon soweit? Waren die Tage tatsächlich vorbei gegangen? Ich hatte gar nicht bemerkt, dass so viel Zeit verstrichen war. Aber die denn auch? Wenn ich nicht durch Medikamente ruhig gestellt war, starrte ich nur vor mich hin. Im Schlaf quälten mich die Bilder von diesem Tag und während der Wachphasen kämpfte ich mit der Realität. Ich fühlte mich stumpf. Für mich gab es keine Farbe mehr in dieser Welt, alles war schwarz oder weiß. Ich sprach nicht, aß nicht und verließ auch nicht mein Zimmer. Wozu auch? Weder die Sonne, noch die singenden Vögel oder sonst irgendwas konnte mir noch Freude bereiten. Levi war, sobald es seine Zeit zuließ, mehrfach bei mir gewesen, versuchte mit mir zu sprechen, mich zum Essen zu bringen. Jedoch ohne Erfolg. Nach seiner Begrüßung, welche sich die letzten Male eher in einer Kundgebung seines Missfallens ausdrückte, brach das Gespräch ab. Vor wenigen Tagen, so kam es mir zumindest vor, hatte er mich aus dem Bett gezerrt und auf die Krankenstation geschliffen. Dort wurde mir ein venöser Zugang gelegt und literweise Infusion in meinen Körper gepumpt. Irgendwann durfte ich wieder gehen, mit dem Rat endlich wieder Nahrung aufzunehmen. Den Venenzugang ließen sie in meinem Arm, um mir erneut Infusionen zuführen zu können, doch entfernte ich ihn, sobald ich in meinem Zimmer alleine war. Jetzt war es nun soweit. Die Beerdigung meines Vaters stand an. Zögernd, als könnte ich so die Beisetzung hinauszögern, erhob ich mich aus dem Bett. Petra hielt mir ein schlichtes schwarzes Kleid entgegen. Ich fragte nicht, woher sie es hatte, sondern entledigte mich meiner Kleidung und schlüpfte hinein. Es war knielang und die Ärmel reichten bis zum Ellenbogen. Zärtlich schmiegte es sich an meinen Körper, als wäre es nur für mich gemacht. Ich drehte Petra den Rücken zu und forderte sie somit stumm auf, mir mit dem Reißverschluss zu helfen. Sie zog ihn hoch. Im Bad kämmte ich mir das Haar, um es anschließend hochzustecken. Mein einst so schönes Haar war glanzlos und erinnerte mehr an Stroh. Auch meine Augen hatten jeglichen Glanz und Ausdruck verloren. Sie waren gerötet und von dunklen Rändern untermalt. Die Wangen waren eingefallen und meine Lippen spröde. Ich verließ das Bad. Im Zimmer wartete Petra und überreichte mir einen schwarzen Mantel, dessen Kapuze ein ebenso schwarzes Fell zierte. "Den wirst du brauchen, es zieht sich langsam zu." Später, als ich nach draußen trat, stellte ich fest, dass sie Recht hatte. Dunkle Wolken bedeckten den Himmel und ein frischer Wind wehte. Emotionslos schaute ich den dicken Wolken zu, wie sie vorbeizogen. Das Fell des Mantels wiegte sich im Wind und kitzelte an meinen Wangen. Plötzlich war Petra wieder an meiner Seite. Sie hackte sich bei mir unter und führte mich durch die zerstörten Straßen. Bei einer kleinen Kapelle blieb sie kurz stehen. Von außen konnte ich schon die Orgel spielen hören und die Glockenschläge donnerten über den Platz. Innen nickte mir ein Pfarrer ergriffen zu, als ich eintrat. Ich erwiderte den Gruß und wandte den Blick geradeaus. Vor dem Altar stand die Urne, sowie ein großes Bild von meinem Vater, umgeben von zahllosen Kerzen. Langsam schritt ich darauf zu, in dem Bewusstsein, dass das Augenmerk Jedermanns auf mir lag. Jedoch kümmerte es mich nicht. Ich musterte die Urne, nachdem ich vor ihr zum Stehen kam. Sie war schön. Sie war in einem Sonnenuntergangsorange und auf ihr war der Schatten eines Baumes abgebildet. Nun glitt mein Blick zu dem Foto. Es war eine heitere Aufnahme, die seine natürliche Freude und Gelassenheit ausstrahlte. Eine Hand legte sich behutsam auf meine Schulter. Der Pfarrer war neben mir aufgetaucht und bot mir einen Platz in der vordersten Reihe an. Ich nickte dankend und setze mich auf die hölzerne Bank. Kälte stieg von dem steinernen Boden auf und schlängelte sich meine Beine hinauf. Eine Gänsehaut zog sich über meinen gesamten Körper und ließ mich frösteln. Die Messe war bewegend und der Pfarrer hatte angemessene Worte für das Schreckliche gefunden, jedoch vermochte ich nichts als diese Kälte und Stumpfheit zu verspürten. Der Gottesdienst endete und die Menschen verließen die Kirche. Ich blieb noch für unbestimmte Zeit vor dem Bild meines Vaters stehen. Mit ausdruckslosem Gesicht trat ich nach draußen, wo es mittlerweile wie aus Eimern schüttete. Erwin Smith und Levi warteten dort, beide einen Regenschirm über dem Kopf haltend. Erwin trat auf mich zu. "Mein aufrichtiges Beileid, Ivory. Dein Verlust ist tragisch." Regen tropfte mir ins Gesicht und durchnässte Haar und Kleidung. Gentlemanlike hielt Erwin seinen Schirm über meinen Kopf. Ich blickte in seine blauen Augen. Er konnte erzählen was er wollte, aufrichtig war er nicht und Leid tat es ihm ebenso wenig. Seine Hand hatte er mir entgegengestreckt, doch ich beachtete sie erst gar nicht. Mit einem letzten Blick in sein verlogenes Gesicht drehte ich ihm langsam den Rücken zu und ging davon. Später, zurück in meinem Zimmer, ließ ich mich einfach rücklings auf das Bett fallen. Ich hatte keine Lust die nasse Kleidung abzulegen, zumal ich den Reißverschluss von dem Kleid nicht ohne Hilfe öffnen konnte. Ohne wirklich etwas wahrzunehmen, starrte ich vor mich hin, ehe die Tür aufgerissen wurde, so dass jeder andere befürchtet hätte, sie würde aus den Angeln fliegen. „Du bist verdammt unhöflich! Hörst du, Göre?“, ertönte Levis Stimme. Ich warf ihm einen uninteressierten Blick zu, ehe ich wieder die Zimmerdecke betrachtete. „Wenn du nicht bald mal dein Maul aufmachst und wieder etwas isst, sperren sie dich noch in die Klapse.“ Er war um das Bett gegangen und stand nun direkt vor mir. „Und das hier“, er nahm das Döschen mit den Beruhigungstabletten entgegen, welchen auf meinem Bauch abprallte und von mir unbeachtet irgendwo auf das Bett fiel, „hilft erst recht nicht.“ Levi lehnte sich an die Wand an, verschränkte die Arme vor der Brust und wartete auf irgendeine Reaktion meinerseits. In diesem Moment ähnelte sein Blick dem einer Katze, der man die Maus, die sie grade zu tote spielte, wegnahm. Er atmete hörbar angesäuert aus, ehe er sich von der Wand abstieß und auf die Tür zusteuerte. „Du solltest mit deinem scheiß Selbstmitleid aufhören, das bringt deinen Vater auch nicht wieder zurück. Er würde sich im Grabe rumdrehen, wenn er dich Häufchen Elend so sehen würde.“ Guter Spruch für den Tag, an dem die Urne meines Vaters beigesetzt wurde. Klasse, Levi! „Du bist ein Dummkopf, wenn du denkst, niemand hier könnte nachempfinden, was du fühlst. Andere haben auch schwere Verluste erleiden müssen und ihre Liebsten verloren.“ Er öffnete die Tür und trat den ersten Schritt hinaus auf den Flur. „Levi“, hielt ich ihn auf. Meine Stimme war heißer und kratzig. Knurrend kehrte er zurück und sah mich mit seinem allzeit missgestimmten Gesichtsausdruck an. Ich hob den Blick und fixierte seine dunklen Augen. „Hilfst du mir mit dem Reißverschluss?“ Kapitel 15: end of days ----------------------- Kapitel 15 – end of days Skeptisch betrachtete Levi mich, ehe er mir auf die Beine half, um anschließend den Reißverschluss meines Kleides zu öffnen. Seine warmen Finger strichen über die nackte Haut, der er freigelegt hatte. „So ein Reißverschluss hat schon was für sich“, stellte Levi fest. Ich wusste, dass er in diesem Moment mich nur von meinen trüben Gedanken ablenken wollte und es gut meinte, doch war ich nicht zum Scherzen aufgelegt. „Hilf mir einfach aus dem bescheuerten Teil“, sagte ich daher monoton. „Sei nicht so undankbar. Es hat mich einen verdammten Nachmittag gekostet es aufzutreiben", grummelte er hinter mir. Das hätte ich nun nicht erwartet. Dementsprechend überrascht wandte ich mich ihm zu. „Du hast es gekauft?" „Wer denn sonst?", stellte er genervt die Gegenfrage. Ich senkte den Blick, während ich mit den Schultern zuckte. Levi trat einen Schritt vor, strich mir die Haare aus dem Gesicht, weshalb ich den Blick wieder hob. „Ich erwarte dich in einer halben Stunde in der Kantine, sonst zerr ich dich an den Haaren dort hin." Ohne ein Widerwort verschwand ich im Bad, wo ich mich bei einer heißen Dusche wieder aufwärmte, denn die nasse Kleidung hatte meinen ohnehin ausgemergelten Körper doch stark ausgekühlt. Levis Worte kamen mir wieder in den Sinn und ich begann darüber nachzudenken. Er meinte, ich wäre nicht die Einzige, die einen geliebten Menschen auf diese grausame Art und Weise verloren hatte. Wollte er damit etwas bestimmtes andeuten? Erging es ihm genauso? Wen hatte er verloren? Familie, Freunde? Was hatte er erlebt? In diesem Moment realisierte ich, wie wenig ich eigentlich von ihm wusste. Ich hob den Kopf in den Nacken, sodass der Wasserstrahl direkt in mein Gedicht zielte. Die letzte Zeit, seit diesem einen schrecklichen Vorfall, war einfach nur ein mir vorbei gegangen, ohne dass ich mir Gedanken zu irgendwas gemacht hatte. Nun explodierte mein Kopf beinahe vor Fragen und Gedankengänge. Allerdings gestattete ich mir nicht ihnen nachzugehen, denn ich wollte Levi nicht dazu bringen seine Drohung wahr werden zu lassen. Tatsächlich betrat ich wenig später den Speißesaal, was mir die Aufmerksamkeit aller sich darin befindenden Menschen bescherte. Sie drehten sich in meine Richtung, brachen ihr Unterhaltungen ab und gafften mich an. Einigen Personen warf ich einen bösen Blick entgegen, während ich an ihnen vorbeiging, den meisten schenkte ich jedoch keine Beachtung. Zielstrebig steuerte ich auf den Tisch zu, an dem Levi mit seinem Trupp saß. Dieser stoppte ebenso das Gespräch, als ich mich neben Levi auf einen Stuhl fallen ließ. Fast schon fassungslos starrten sie mich an, denn sie hätten nicht erwartet mich in der Runde begrüßen zu dürfen. Während es um uns herum wieder lauter wurde, herrsche an unserem Tisch weiterhin unangenehme Stille. „Wenn ihr weiter so guckt, fallen euch noch die Augen aus", bemerkte ich, wobei ich die Arme schützend von der Brust verschränkte und auf dem Stuhl hin und her rutschte. „Nimm es uns nicht übel, aber wir hatten nicht mit dir gerechnet", erklärte Erd. Petra, die zu meiner Rechten saß, knuffte mir in den Oberarm. „Schön, dass du gekommen bist." „Ich hatte ja keine andere Wahl", murrte ich leise, dabei warf ich Levi einen Seitenblick zu, den er nicht zu beachten schien. „Jetzt hol ich dir erst mal was zu Essen." Schon war Petra aufgesprungen. „Das Mädel braucht 'nen Cheeseburger", rief Auruo ihr hinterher. Allgemeines Gelächter, Levi und mich ausgeschlossen, ging durch die Runde. Ich hingegen schnitt eine Grimasse. Petra meinte es wie immer viel zu gut mit mir. Sie brachte vom Salat über Pasta und Pudding alle möglichen Leckereien zu mir. Ich fragte mich, wie sie das überfüllte Tablett überhaupt tragen konnte. Ich wollte schon dankend ablehnen, als mir das Stück Schokotorte ins Auge fiel. Einen Moment haperte ich mit mir, ehe ich den Teller zu mir zog und mir mit der Gabel einen Bissen in den Mund schob. Den Kommentar, ob ich nicht lieber etwas nahrhafteres verspeisen sollte, verkniff man sich. Stattdessen wurde das vorherige Gesprächsthema wieder aufgenommen. Ich beteiligte mich kaum. Mal hörte ich zu, dann schaute ich durch die Gegend und hin und wieder naschte ich etwas von den Speisen, die Petra vor mich gestellt hatte. Plötzlich tauchte ein junger Mann an unserem Tisch auf, der mir einen Umschlag entgegenstreckte. Ohne ein Wort des Dankes nahm ich den DinA 4 großen Umschlag entgegen, denn ich fragte mich, wer mir schreiben sollte, und schaute auf den Absender, allerdings war keiner vorhanden. Nur mein Name und die hiesige Adresse stand darauf. Irritiert blickte ich zu Levi, ehe ich den Brief öffnete. Zum Vorschein kam ein Reiseführer für die kanarischen Inseln, Flugtickets für zwei Erwachsene und ein von Hand geschriebener Brief. Ich schluckte, als ich die unordentliche Handschrift meines Vaters erkannte. Liebe Ivory, Ich weiß es ist noch viel zu früh für ein Geburtstagsgeschenk, aber du kennst mich ja, ich kann einfach nicht warten. Wir haben für uns einen gemeinsamen Urlaub geplant, allerdings dachte ich mir, du möchtest ein wenig mehr Zeit mit dem Captain verbringen und hier hast du sie. Zwei Wochen Teneriffa für dich und deinen Liebsten. Warum Teneriffa? Wusstest du, dass ich deine Mutter dort kennengelernt habe? Vielleicht funkt es dort auch bei euch. Wir gerne wäre ich noch mal mit ihr dort, mit euch beiden. Ich vermisse sie so sehr. Traurig ließ ich den Brief sinken. Mir wurde bewusst, dass mir beide Elternteile genommen wurden. Ohne etwas bestimmtest zu suchen blickte ich umher. Die Taubheit, die mich die letzten Tage schon begleitet hat, versuchte erneut Besitz von mir zu nehmen. This is the last of a millions things we have said promise to be around no matter what it will take This is the last of a million memories I've kept those little things that seemed so like nothing of all that's left And I can't forget your warm smile and this infinite cold This is Levi sprach mich an, doch hörte ich nicht. Durch ihren Tod wurde nicht nur ihnen ihre Zukunft genommen, sondern auch mir wurde eine gewisse Möglichkeiten verwehrt. Ein stechender Schmerz hatte sich in meiner Brust festgesetzt und begann sich auszubreiten. Er nahm mir die Luft zum Atmen und die Fähigkeit zu denken. Als meine Augen begannen zu brennen, erhob ich mich plötzlich und steuerte den Ausgang an. Ich musste raus! the end of days The end of all dreams we had The end of all times times that we wished would last Hastig trat ich auf den dunklen Flur, welcher nur durch die Notausgangslampen beleuchtet wurde. Kraftlos lehnte ich mich an die kalte Steinwand, während in meinem Kopf ein Film in rasender Geschwindigkeit ablief. Niemals würde ich mir Rat von meiner Mutter wegen meiner Kinder, die ich mir so sehr wünschte, holen. Ich bekam nie wieder die Möglichkeit meinem Vater zu sagen, wie sehr er doch mit allem Recht hatte. Es war mir verwehrt mich für all meine vergangenen Fehler zu entschuldigen. Nichts konnte ich mehr gut machen. Ich war allein! Eine Tür fiel geräuschvoll ins Schloss und mein Name wurde gerufen, während sich Schritte näherten. Ich wollte niemanden sehen. Nicht jetzt. Ich rannte den Flur entlang, stemmte eine große Doppeltür auf und trat hinaus. Der Regen klatschte mir erbarmungslos und kalt ins Gesicht, tränkte mein Haar und die Kleidung, schien mich mit aller Kraft aufhalten zu wollen. Doch ich rannte einfach weiter. Ich wusste nicht wohin, denn meine Sicht war verschwommen. Tränen flossen über meine Wangen und vermischten sich mit dem Regen. Plötzlich stieß ich mit dem Fuß gegen etwas, stolperte und fiel ausgestreckt auf den nassen Boden. Handflächen und Knie waren aufgeschürft, doch ich nahm es nicht war. Der Schmerz in meiner Brust überlagerte alles. Leicht hob ich den Kopf an und blickte in mein Spiegelbild, welches mir aus der Pfütze direkt vor mir entgegen schaute. Ich erkannte immer mehr Merkmale, die ich von meinen Eltern hatte: die Nase meiner Mutter, die Augen meines Vaters. This is the first of all the minutes without you The moment you let it go Everything I've held on to Mit der flachen Hand schlug ich auf das Bild ein, Wasser spritze mir ins Gesicht, während Schluchzer meinen Körper beben ließen. All meine Selbstbeherrschung war dahin, die Tränen waren unaufhaltsam. Erneut holte ich zum Schlag aus, als ohne jede Vorwarnung Jemand meinen Arm packte und mich hochzog. Ehe ich mich versah fand ich mich in einer Umarmung wieder. Ich erstarrte für einen Augenblick, bis ich erkannte, wer da mit mir im Regen saß. Ich löste mich aus meiner Starre, legte meine Arme um seinen durchnässten Körper und vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge. „Du hast einen Hang zum Dramatischen, was?“, murrte Levi in mein Ohr. Ein kurzes trauriges Lachen verließ meine Lippen, woraufhin er mich musterte, ehe er mich fester an sich zog. This is the last of all my hopeless tears The realiztion running down my cheek at the end END OF DAYS Kapitel 16: Levis Wohnung ------------------------- Kapitel 16 - Levis Wohnung Warme Sonnenstrahlen fielen durch das gekippte Fenster auf mein Antlitz und kitzelten meine Nase. Träge öffnete ich die Augen, nur um sie kurz darauf wieder zu schließen. Ich tastete nach meinem Handy, das irgendwo auf dem kleinen Abstelltisch neben dem Bett liegen müsste, griff allerdings in Leere. Verwirrt hob ich den Kopf und sah auf die Stelle, wo das Nachtschränkchen eigentlich stehen sollte. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich gar nicht in meinem Zimmer war. Prüfend ließ ich den Blick durch den Raum gleiten. Alles war so sauber und aufgeräumt, fast schon steril, das konnte wirklich nicht mein Zimmer sein, und die strahlend weiße Bettwäsche, die so wunderbar duftete, würde bei mir auch keine Woche lang so aussehen. Es dauerte einen Augenblick, ehe es klick machte, und ich mir mit der Hand mit voller Wucht gegen die Stirn klatsche. Über meine eigene Blödheit entrüstet, ließ ich mich zurück in die Kissen sinken. Nun nahm ich auch das leise Rauschen aus dem Nebenraum war, anscheinend kam das Geräusch aus dem Badezimmer. Ich war natürlich in Levis Wohnung. Nach meinem Heulkrampf hatte er mich hierher gebracht. Müde schloss ich die Augen. Zwar hatte ich geschlafen wie ein Stein, dennoch fühlte ich mich kraftlos und ausgelaugt, die Folgen der letzten Tage. Levis Duft hing in der Bettwäsche und ließ mich an den vergangen Abend zurückdenken. Wie er mich in seine Arme nahm, die Wärme seines Körpers auf meiner kalten Haut, den Trost, den er mir allein durch seine Nähe schenkte. Plötzlich spürte ich etwas in meiner Wange. Schlagartig riss ich die Augen auf und starrte mit wild schlagendem Herz Levi entgegen. Sein Haar war feucht vom Duschen und hing ihm im Gesicht. Er musterte mich aufmerksam, ehe er sich zu mir runter beugte und auf die Stirn küsste, was mir unweigerlich ein Lächeln auf die Lippen zauberte. „Du scheinst gut geschlafen zu haben“, stelle er fest. „Ja“, bestätigte ich und streckte die müden Glieder, jedoch noch immer nicht gewillt, das warme Bett zu verlassen. „Ich muss los“, informierte Levi mich und erhob sich. Er ging um das Bett herum zu seinem Kleiderschrank, um diesen zu öffnen. „Wohin?“, wollte ich von ihm wissen. Dabei hob ich den Kopf an, damit ich ihn besser sehen konnte, nur um festzustellen, dass Levi nackt mit dem Rücken zu mir stand. Augenblicklich fühlten sich meine Wangen heiß an und ich glaubte für einen Moment, mir würden die Augen ausfallen, während ich auf seinen knackigen Hintern starrte und seine Antwort total überhörte. Bevor er sich zu mir umdrehte, ließ ich mich zurück fallen und zog mir die Bettdecke über den Kopf. Höchstwahrscheinlich konnte man meinen roten Kopf durch die Decke hindurch leuchten sehen. Mit aller Selbstbeherrschung, die ich bieten konnte, unterdrückte ich kindliches Gekicher, sowie Fangirltypisches Gekreische und unkontrolliertes Strampeln mit den Beinen. „Was machst du denn schon wieder für einen Blödsinn?“, hörte ich ihn fragen. Die stumme Frage, ob ich noch alle Tassen im Schrank hatte, war nicht zu überhören. „N-Nichts!“ Aus heiterem Himmel wurde mir die Bettdecke weggerissen. Erschrocken quiekte ich auf und versuchte sie zu fassen zu bekommen, doch Levi hatte sie schon außer meiner Reichweite gebracht. Nun lag ich vor ihm, mit nichts weiter an, als eines seiner Hemden, und schaute zu ihm auf. Mittlerweile hatte er zumindest untenrum etwas an, jedoch sein Oberkörper lag frei. Mein Blick schweifte über seine starke Brust, zu seinen definierten Bauchmuskeln und wieder zurück zu seinen Augen. Auch er musterte mich, schaute auf meine nackten Beine. Mit einem Mal schoss mir die Frage in den Kopf, wann ich sie das letzte Mal rasiert hatte und zog sie automatisch näher an mich ran. Langsam richtete Levi sich wieder auf. „Ich bin heute Abend wieder da. Mach in der Zwischenzeit nicht all zu viel Unordnung“, sagte er, während er sich weiter ankleidete. „Ich versuch's.“ Kaum war er gegangen, drohte die Stille in der Wohnung mich zu erdrücken. Mit einem Schlag fühlte mich einsam und verlassen. Melancholie befiel mich für einen kurzen Moment, bevor ich mein Spiegelbild am Wandschrank entdeckte. Mein Outfit und die ungemachten Haaren, die in alle Himmelsrichtungen ab standen, ungeachtet, sah ich irgendwie anders aus. Ich erhob mich vom Bett und schritt dem Spiegel entgegen. Währenddessen betrachtete ich mein Ebenbild genauer. Ich sah nicht mehr ganz so mitgenommen aus und da war noch etwas, das ich nicht wirklich benennen konnte. Levi tat mir gut, das konnte ich ganz sicher sagen, und die Tatsache, dass ich langsam mit mir selbst wieder ins Reine kam, hatte auch seine Auswirkungen. Natürlich war es tragisch, dass ich das letzte bisschen Familie, das ich noch übrig gewesen war, verloren hatte, doch konnte ich mich nicht so gehen lassen. Damit sollte nun Schluss sein. Ich musste nach vorne sehen. Mit einer neu gewonnenen Entschlossenheit stakste ich ins Bad und bereitete mich auf den Tag vor. Den ganzen Tag über befasste ich mich mit all der unausweichliches Bürokratie, die uns unser ganzes Leben lang begleitete und die das Ableben eines Mensches mit sich brachte. Am Abend saß ich am Küchentisch und schrieb eine E-Mail, während Levi, nachdem er nach Hause gekommen war, uns etwas zu essen zubereitete. Anders als mein Zimmer besaß Levis Wohnstätte eine eigene Küche. Gerade als ich die Mail versandt hatte, trat Levi mit zwei Tellern in der Hand neben mich. Mit nach unten gezogenen Mundwinkeln betrachtete ich den Berg Spaghetti mit Tomatensoße, auf dessen Spitze Fleischbällchen thronten. Nach all dem unerfreulichen Papierkram war mir der Appetit komplett vergangen und meine Laune war im Keller. Es fiel mir schwer an der Entschlossenheit, die mich am Vormittag noch erfüllt hatte, festzuhalten. „Ich hab keinen Hunger“, sagte ich und wandte mich wieder meinem Laptop zu. Innerlich wappnete ich mich auf einen beißenden Kommentar von Levi, jedoch blieb dieser aus. Stattdessen kippte er mir den Teller über dem Kopf aus. Empört holte ich tief Luft, um ihm wüste Verwünschungen an den Kopf zu knallen, während die Soße meine Haare tränkte und auf meine Kleidung tropfte. Angefressen sah ich Levi ins Gesicht, welches keinerlei Emotion zeigte. Kurzerhand schlug ich von unten gegen den anderen Teller in seiner Hand, sodass der Inhalt von diesem auf seinem weißem Hemd landete. Nun weiteten sich eine Augen entsetzt, wobei er auf sein ruiniertes Oberteil starrte, ehe er mich wieder ansah. Für einen Moment stierten wir uns an, beide mit Mordlust in den Augen. Allerdings konnte ich nicht lange so ernst bleiben. Mein Ärger verflog bei seinem Anblick und ich begann lauthals zu lachen. Auch Levi entspannte ich. Dennoch schüttelte er entrüstet mit dem Kopf, zeitgleich knöpfte er sein Hemd auf, um es gleich darauf auszuwaschen. „Komm schon, du hast angefangen“, lachte ich und zog mir eine Hand voll Nudeln aus dem Haar. Er grummelte hingegen etwas unverständliches. Angesäuert schickte er mich ins Bad, damit ich nicht noch mehr Dreck verursachte, und kümmerte sich dann um das Chaos in der Küche. Kapitel 17: Verlangen --------------------- Kapitel 17 – Verlangen Wirre träume weckten mich am nächsten Morgen zu einer unchristlichen Uhrzeit. Ich lag auf dem Rücken und versuchte meine Gedanken zu ordnen, Traum von der Realität zu unterscheiden, als leises Schnarchen plötzlich meine Aufmerksamkeit an sich riss. Ich blickte Levi, der mit dem Rücken zu mir auf der Seite lag, aus dem Augenwinkel an. Es war das erste Mal, dass ich ihn schnarchen hörte. Vorsichtig richtete ich mich auf und betrachete ihn, sein unordentliches Haar, seine entspannten Gesichtszüge. Er wurde als stärkster Soldat der Menschheit bezeichnet und tatsächlich vollbrachte er immer wieder Unglaubliches, wovon allerdings der Großteil der Weltbevölkerung gar keine Vorstellung hatte. Nur dieser vergleichsweise kleine Haufen Menschen wusste von seinen Taten. Nun, wo er so friedlich neben mir lag, schien all dies so surreal und ganz weit weg. Behutsam rückte ich näher an ihn ran, schmiegte mich an seinen Körper und legte meine Stirn an seine Schulter. Das Schnarchen verstummte augenblicklich, Stille folgte. Mit angehaltenem Atem spitze ich die Ohren, befürchtete ihn aus dem Schlaf gerissen zu haben. Grummelnd drehte Levi sich auf den Rücken und sah mich aus müden Augen an. „Habe ich dich geweckt?“, fragte ich das Offensichtliche. Er antwortete nicht, zog mich in seine Arme und schloss die Augen wieder. Meinen Kopf platzierte ich auf seiner Brust, wo ich seinem ruhigen Herzschlag lauschte. Anscheinend waren wir noch einmal eingeschlafen, denn als ich das nächste Mal die Augen aufschlug, dämmerte es draußen bereits und mein Kopfkissen begann munter zu werden. Gemächlich hob ich den Kopf und lugte zu Levi, der nicht mehr all zu zerknirscht aussah. Er umfasste meine Wangen mit seinen Händen, zog mich zu sich, bis sich unsere Gesichter so nah waren, dass ich die wärme seiner Haut und seinen Atem auf meinem spüren konnte. Für einen Wimpernschlag verweilten wir in dieser Position, ehe er das letzte bisschen Distanz überbrückte und seine Lippen sanft auf meine legte. Am Anfang war der Kuss zart und zurückhaltend, wurde allerdings schnell intensiver und leidenschaftlicher. Mein Herz schlug wild vor Aufregung. Als er mit seiner Zunge über meine Unterlippe fuhr, um Einlass zu erbitten, den ich ihm nur all zu gerne gewährte, glaubte ich dahin zu schmelzen. Seine Hände strichen meinem Rücken hinab zu meinem Hintern, den er plötzlich fest umpackte. Erregt krallte ich mich in seinen Nacken und rückte näher an ihn ran. Mit einem Mal drehte er uns, so dass nun ich diejenige war, die auf dem Rücken lag. Mit dem Knie spreizte er meine Beine und schob sich zwischen diese. Zärtlich biss ich auf seine Unterlippe, als er begann den ersten Hemdknopf zu lösen. „Luder“, raunte er gegen meine Lippen, ehe er mich wieder in einen feurigen Zungenkuss verwickelte. Wie von allein fuhren meine Finger über seine nackte Brust über seinen Bauch weiter hinunter. Gerade als ich bei seinem Hosenbund ankam ertönte lautstark ein Klingelton, was uns beide kurzzeitig erstarrten ließ. Für einen Moment versuchte Levi das störende Geräusch zu ignorieren, jedoch gelang es ihm nicht, dafür war er zu pflichtbewusst. Murrend löste er sich von mir und schnappte sich sein Handy. Er schaute auf das Display und nachdem er den Anrufer erkannt hatte verzog er übellaunig das Gesicht. „Was willst du Vierauge?“, knurrte er in das Mobiltelefon. „Guten Morgen Kurzer“, hörte sogar ich Hanji am anderen Ende der Leitung, „wir haben ein Notfallmeeting.“ „Warum sagt mir das Erwin nicht selbst?“ „Er tippt schon ganz wild auf seinem Handy, solltest gleich eine Nachricht von ihm bekommen“, gab Hanji von sich. Just in diesem Moment ertönte das Signal einer eingehenden Nachricht. Levi schnalzte genervt mit der Zunge. „Es ist wichtig“, setzte sie noch hinterher. „Geh mir nicht auf den Zeiger“, pflaumte Levi sie an, ehe er die Verbindung abbrach. Er schaltete das Telefon auf stumm und legte es zurück. Schon war er wieder über mir und küsste mich stürmisch. Ich erwiderte den Kuss jedoch nicht so, wie er es gerne hätte. „Was ist?“, fragte er daher etwas angesäuert. „Solltest du da nicht hingehen?“ Keinesfalls wollte ich, dass er Ärger bekam. Schon gar nicht wegen mir. „Die können warten“, erklärte er und begann meinen Hals zu liebkosen. Es fühlte sich so beflügelnd an und es fiel mir wirklich schwer ihn nicht einfach weiter machen zu lassen. Mit sanfter Gewalt schob ich ihn von mir. „Ich will danach aber nicht wie ein Stück Fleisch liegen gelassen werden“, machte ich meinen Standpunkt klar. Levi schnalzte abermals mit der Zunge. „Ganz wie du willst“, sagte er, während er sich erhob, um sich für das Meeting fertig zu machen. Die Tür fiel ins Schloss, ich griff nach einem Kissen, drückte es mir ins Gesicht und schrie vor Freude los. Während Levi abwesend war, beschloss ich eine Runde zu laufen. Es machte meinen Kopf frei und lenkte mich von dem kribbelnden Gefühl zwischen meinen Schenkeln, das sich seit unseren Küssen verspürte, ab. Als ich später zurück kam, war er noch immer unterwegs. Also schaltete ich das Küchenradio an, drehte die Musik laut und verschwand unter der Dusche, wo ich summend meinen Körper reinigte. Danach schlenderte ich in ein Handtuch gewickelt ins Schlafzimmer, um mir frische Kleidung anzuziehen, als ich unvorhergesehen am Arm gepackt und umgedreht wurde. Schon wurde mein Mund durch einen Kuss verschlossen. In der ersten Schrecksekunde wollte ich um mich schlagen, bis ich Levi erkannte. Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie er zurückgekehrt war. Wahrscheinlich hatte ich die Musik dafür einen Tick zu laut gedreht. Er legte eine Hand in meinen Nacken, während er mich mir der anderen an der Taille näher zu sich zog. Der Kuss war heiß und ungestüm, machte das unterdrückte Verlangen deutlich. Ohne große Umschweife bat seine Zunge um Einlass, den ich ihm nicht verwehren wollte. Erneut flammte das Kribbeln in meiner Körpermitte auf und ich begann mit zittrigen Fingern seine Hemdknöpfe zu öffnen. Es war gar nicht so einfach, wenn man nicht hinsah. Am liebsten hätte ich es ihm vom Leib gerissen. Scheiß auf die Knöpfe. Kaum hatte ich den letzten Knopf geöffnet, landete das Hemd auch schon auf dem Boden. Behutsam schob Levi mich in Richtung des Bettes. Als ich plötzlich die Bettkante in den Kniekehlen spürte, ließ ich mich darauf sinken. Levi drückte mich sanft auf die Laken, platzierte sich zwischen meinen Beinen, küsste sich meinem Kiefer hinab und meinem Hals entlang. Seine Lippen auf meiner Haut hinterließen eine brennende Spur von Begierde, die er hinunter über mein Dekolleté zog, bis das Handtuch seinen Weg abschnitt. Leise keuchte ich auf, als er mit der Zunge unter dem Rand des Baumwollstoffes entlang fuhr. Er packte den Stoff und zog ihn mir vom Körper. Einen Augenblick betrachtete er meine völlig entkleidete Gestalt, bevor ich sein Gesicht umfasste und ihn heißblütig küsste. Dabei fuhr ich durch sein Haar, über Schultern und Brust. Auch seine Hände gingen auf Entdeckungstour. Mit den Fingerspitzen fuhr er meinen Seiten hinab, über meinen Bauch wieder hoch zu meinen Brüsten. Er umfasste sie mit leichten Druck und knetete sie. Lustvoll hauchte ich in den Kuss, den Levi kurz darauf löste. Mit der Zunge strich er über mein Schlüsselbein, bevor er sich einer Brustwarze zu wandte. Er leckte und knabberte erst an der einen, dann an der anderen Knospe. Damit brachte er mein Blut noch mehr in Wallung und meine Sehnsucht nach ihm stieg ins Unermessliche. Noch mehr stachelte er mein Begehren an, indem eine seiner Hände sich langsam meiner Körpermitte näherte. Er streichelte meinen Unterbauch, fuhr den Innenseiten meiner Schenkel entlang. Mein Körper zuckte vor Passion zusammen, da er nun über meine feuchte Scham strich. Erst vorsichtig, dann immer impulsiver, wodurch er mir weitere Laute der Lust entlockte. „Bitte“, flehte ich. Levi ließ sich nicht zweimal bitten. Schnell hatte er sich seiner Hose entledigt und brachte sich in Position. Erneut fanden unsere Lippen zueinander, als er mit seinem steifen Glied über meine Schamlippen strich. Als er endlich in mich eindrang, stöhnten wir beide genüsslich auf. Er verharrte einen Moment, ehe er sich langsam zurück zog, nur um wieder zu zu stoßen. Meine Beine schlang ich um sein Gesäß, drückte mit der Ferse gegen seinen Steiß, verdeutlichte ihm damit bloß nicht aufzuhören. Seine Bewegungen wurden schneller, intensiver. Mein Körper bebte unter seinem. Ich küsste seine Halsbeuge, knabberte an seinem Ohrläppchen, was ihn weiter anfeuerte. Urplötzlich drehte er uns, sodass ich auf ihm saß. Er widmete sich mit dem Mund meinem Brüsten, packte mich an den Hüften, während ich diese bewegte. Mit jeder Bewegung stieg die Hitze in mir und ich fühlte, wie ich meinem Höhepunkt immer näher kam. Eine Spannung baute sich in meinem Körper auf, die nur darauf wartete, entladen zu werden. Unbewusst spannte ich den Beckenboden an, was auch Levi zu spüren bekam. „Levi“, hauchte ich und küsste ihn. „Hör nicht auf“, raunte er. Eine Gänsehaut überzog meine Haut und ließ die feinen Härchen zu Berge stehen. Sein Griff um meine Hüften wurde fester und er schien mich noch näher an sich drücken zu wollen. Einige Herzschläge später brach das Feuerwerk in meinem Körper aus, ein ekstatisches Glücksgefühl stieg in mir auf. Levi kam zum selben Zeitpunkt zu seinem Orgasmus. Schwer atmend und schweißgebadet lagen wir fest umklammert da, unfähig zu sprechen. Der Augenblick verstrich und unsere heftig schlagenden Herzen beruhigten sich allmählich. Erschöpft hob ich meinen Kopf, der bis dato auf seiner Brust geruht hat, an und sah Levi in die Augen. Liebevoll strich er mir die Haare aus der Stirn. Lächelnd beugte ich mich zu ihm und küsste ihn gefühlvoll auf den Mund. Auch auf seinen Lippen bildete sich ein Lächeln. Sorgsam wickelte er uns in die Bettdecke ein und schloss mich in seine Arme. Kapitel 18: guardians at the gate --------------------------------- Kapitel 18 – guardians at the gate Der Sommer nahte, das merkte man gerade allzu deutlich. Die Sonne schien, Blumen blühten und die Menschen verließen ihre muffigen Wohnungen, um endlich wieder etwas an der frischen Luft zu unternehmen. Der Morgen war meist noch kühl, doch zur Mittagszeit herrschten bereits angenehme Temperaturen. Bald würde die Zeit kommen, in der die Röcke kürzer und die Ausschnitte tiefer wurden. „Ivory du träumst schon wieder!" Aus meinen Gedanken gerissen sah ich zu Petra, die mit vor der Brust verschränkten Armen mir gegenüber saß. „Entschuldige, was hast du gesagt?" „Wenn du deinen Kaffee nicht langsam mal trinkst, wird er noch zu Eiskaffee", wiederholte sie kopfschüttelnd. Es war ihr freier Tag und sie hatte mich dazu überredet mit ihr in die nächste Stadt zu fahren. Und nun saßen wir zusammen vor einem kleinen Straßencafe, aßen Kuchen und plauderten seit langem mal wieder, wenn ich nicht gerade total geistesabwesend war. „Was beschäftigt denn so?", fragte sie. „Doch nicht etwa Levi?" Verschmitzt grinste sie. „Nein", antwortete ich und setzte die Sonnenbrille ab, „diesmal nicht." „Jetzt mach es mal nicht so spannend. Erzähl schon", forderte sie ungeduldig. „Titten und Ärsche", sagte ich grade hinaus. „Was?" Petra blinzelte verwirrt. „Es wird Sommer, da muss man zeigen was man hat", erklärte ich, wobei ich über ihren Gesichtsausdruck schmunzeln musste. „Das muss ich jetzt nicht verstehen", stellte sie korrekt fest. „Nein, das musst du nicht." „Ich habe gehört, du begleitest uns beim nächsten Einsatz", wechselte sie das Thema. „Ja, Erwin will wohl es so", bestätigte ich. Noch immer war ich nicht wirklich begeistert von dem Mann. In meiner Phase der Trauer brauchte ich noch jemanden, dem ich die Schuld für alles zuschieben konnte und Erwin hatte nun mal das Glück diese Arschlochkarte von mir untergeschoben zu bekommen. „Bist du schon aufgeregt?", wollte Petra wissen. „Ich will gar nicht drüber nachdenken, sonst scheiß ich mir jetzt schon ein." „Ich kenne wirklich keinen, der so wortgewandt ist, wie du", lachte sie auf. „Natürlich kennst du noch jemanden! Er ist sogar um einiges schlimmer als ich", korrigierte ich sie. „Ha, Levi zählt nicht." Wir lachten ausgiebig. Breit grinsend griff ich nach der Tasse mit dem kalten Kaffee. „Wie läuft es eigentlich mit euch?", fragte Petra. Zuallererst musste ich an die körperliche Nähe denken, die wir für uns entdeckt hatten. Fast keine Nacht konnten wir die Finger von einander lassen. Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg und meine Wangen zu brennen begannen. Hastig führte ich die Tasse zu den Lippen und nahm einen großen Schluck. Petra, die mich genauestens beobachtet hatte, formte die Augen zu engen Schlitzen. Dann bildete sich ein vielsagendes Grinsen auf ihrem Gesicht. Es war, als könnte sie meine Gedanken lesen. „So ist das also." Um mich nicht weiter in Verlegenheit zu bringen, winkte sie dem Kellner, damit wir zahlen konnten. Danach schlenderten wir durch die Einkaufsstraße zur Bahnstation. Ich hakte mich bei Petra unter. „Wie sieht es denn mit dir aus? Kein Prinz in Sicht?" „Nein", sagte sie, wobei sie die Mundwinkel nach unten zog, „und selbst wenn, würde ich eher noch das Pferd nehmen." Laut lachte ich auf. „Wieso?", fragte ich, als ich mich wieder beruhigt hatte. „Na der Prinz würde sofort abhauen, wenn er von meinem Beruf erfährt." „Du meinst, wenn er von deiner geheimen Identität Wind bekommt? Petra der Titanenmetzger.“ „Mach dich nur über mich lustig, Ivory!“ Zu diesem Zeitpunkt war die Welt in Ordnung. Schmerz und Leid waren so weit entfernt, Glück und Freude schirmten uns von all der Grausamkeit, die auf der Erde existierte, ab. Doch manchmal kann sich innerhalb eines Herzschlages alles ändern. Einige Tage später war es nun soweit. Ich durfte auf meinen ersten Einsatz. Jedoch verlief er ganz anders, als ich gedacht hätte. Hanji hatte eine Ansammlung von Titanen ausfindig gemacht, ein sogenanntes Nest. Mission war es ein paar Titanen gefangen zu nehmen, während der Rest eliminiert werden sollte. Auch die neuen Rekruten nahmen das erste Mal an so einem Einsatz teil. Tja und ich? Ich stand im sicheren Abstand mit Auruo an einem Auto und beobachtete das ganze Spektakel. Sicherheitshalber hatten wir das 3D-Manöver-Set angelegt, in der Hoffnung, es nicht gebrauchen zu müssen. „Ernsthaft?", schnaubte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Kann ich wirklich nichts machen?" „Nein, Levi will es so und jetzt hör auf herumzuzicken", motze Auruo. Er war ebenso nicht erfreut den Babysitter für mich spielen zu müssen. Beleidigt schob ich die Unterlippe vor, gab jedoch vorerst Ruhe. Mein Unterkiefer mahlte, während ich den anderen zuschaute. Sie hatten bereits die Titanen aus ihrem Nest gelockt, nun galt es sie zu trennen, so dass einige in die ausgelegten Fallen traten. Manche der Neuen stellten sich besonders blöd an, was sich von meiner Position aus recht einfach sagen ließ. Wahrscheinlich hatten sie den Schrecken von dem Amoklauf noch nicht ganz verdaut und nun hatten sie so engen Kontakt zu den Wesen, die die pure Angst verkörperten. Dennoch wollte ich nicht einfach untätig rumstehen und zusehen. „Denkst du nicht wir könnten helfen?“, versuchte ich es erneut. „Hör mal zu Mädchen: Sei froh, dass du dir das alles erst mal aus der Ferne anschauen kannst und nicht gleich vor so einem Ding stehst. Ich wette, die Meisten da drüben haben sich bereits bepisst vor Angst. Guck sie dir doch mal an.“ Ich schaute genauer hin. Die Ranghöheren brüllten Befehle, welche die Rekruten versuchten umzusetzen, was nicht unbedingt gelang, wodurch die erfahrenen Soldaten eingreifen mussten. Es war das reinste Durcheinander. „Schieße ihm ins Knie“, dröhnte der Befehl zu uns rüber. Ein Rekrut brachte das Gewehr in Anschlag, zitterte dabei wie Espenlaub, und drückte ab. Jedoch hatte er gezögert, nur einen Herzschlag lang, und der Titan hatte sich genau in diesem Moment bewegt, machte einen Schritt zur Seite, weshalb die Kugel nicht wie geplant dessen Kniescheibe zertrümmerte, sondern sprengte ein Loch in den Kopf eines anderen jungen Mannes. Ein Aufschrei ging durch die Menge. Geschockt sog ich scharf die Luft ein. Der junge Rekrut war wie erstarrt. Er blickte auf seinen Kollegen, den er soeben niedergeschossen hatte. Unbeabsichtigt, keine Frage, dennoch hatte er ein Leben beendet. Mit dieser Schuld konnte und wollte er nicht leben. Er setzte den Lauf an der weichen Haut zwischen den Unterkiefern an und drückte ab. Entsetzte schreie erklangen, Leute rannten wirr umher, Chaos brach aus. „Oh Gott“, brachte ich hervor und legte beide Hände auf den Mund. Auch Auruo fluchte. „Flipp jetzt bloß nicht aus“, warnte er mich. Währenddessen marschierten die Titanen munter umher und schnappten sich zwischendurch immer mal wieder einen menschlichen Snack. Wäre Levi und der Rest seines Trupps doch bloß hier, schoss es mir durch den Kopf. Doch waren sie bei den Fallen stationiert worden. Ich beobachtete die Titanen. „Sag mal, laufen die nicht in die falsche Richtung?“, fragte ich Auruo. Erst blickte er mich fragend an, bevor er wieder zu den Titanen sah. „Scheiße“, rief er aus, „die laufen direkt in die Stadt!“ Hastig ging er ums Auto und riss die Fahrertür auf. „Da ist eine Stadt?“, fragte ich fassungslos. Auruo beachtete mich gar nicht. Er holte ein Funkgerät hervor und versuchte Kontakt zu Levi und Erwin aufzunehmen. Anscheinend erfolglos. Ich schaute wieder du den anderen. Die Formation war völlig auseinander gebrochen, jeder kämpfte um sein überleben. Wenn ich doch nur etwas machen könnte. Auruo und ich konnten schlecht alle Titanen im Alleingang erledigen, wenn es schon der Trupp vor uns nicht geschafft hatte. Zumal hatte ich selbst noch nie einen Titanen beseitigt. Da kam mir der Einfall und schon setzte ich einen Fuß vor den anderen. Ich rannte auf das offene Feld, so dass ich gut sichtbar war. Wenn Hanji recht hatte und ich wirklich ein Magnet für diese Kreaturen war, dann musste ich sie nur auf mich aufmerksam machen und zu Levi locken, dieser würde sich mit den restlichen Leuten um alles kümmern. Mit einem mulmigen Gefühl blieb ich stehen und sah zu den Titanen, die allerdings keine Notiz von mir nahmen. Ich holte tief Luft, sammelte all meinen Mut und brüllte. „Hey!“ Urplötzlich drehten sich viele der Köpfe zu mir, ich hatte ihre Aufmerksamkeit erlangt. Dennoch kein Grund zur Freunde, denn ich erkannte, welch großen Fehler ich gemacht hatte, als sich die ersten Titanen auf mich zu bewegten. Ich machte auf dem Absatz kehrt, nahm die Beine in die Hand und rannte um mein Leben. Für einen kurzen Moment schien es, als wäre die Welt stehen geblieben. Ich fühlte, wie mein Herz heftig in meiner Brust schlug, hörte das Blut in meinen Ohren rauschen. Deutlich spürte ich, wie sich die Muskeln in meinen Beinen anspannten, wie sich meine Füße in den weichen Erdboden eingruben, das Beben unter ihnen, das durch die Schritte der Titanen ausgelöst wurde. Auruo rief mir noch irgendwas zu, doch verstand ich nicht was, was mir in diesem Moment auch herzlich egal war. Nun galt es so schnell wie möglich zu Levi zu gelangen. Als ich nah genug an den ersten Bäumen des großen Waldes vor mir war, fummelte ich die Controller aus den Holstern und wechselte auf das 3DMG. Die Erde hinter mir bebte, Bäume wurden umgestoßen und fielen krachend in andere. Fluchend schwang ich mich voran, wich gierigen Mäulern und großen Händen aus. Mein Körper handelte automatisch, mein Kopf war nur von dem Gedanken erfüllt heil bei Levi anzukommen. Nach einiger Zeit, ich schwang mich gerade um eine große Birke, da erblickte ich Levi schon. Überraschung spiegelte sich in seinem Gesicht wider. Mein Herz machte einen Hüpfer vor Erleichterung. Doch ehe ich mich freuen konnte, entdeckte ich einen Titanen, der von der Seite auf mich zuraste. Ich schlug einen Haken und in diesem Moment passierte es. Einer der Titanen bekam nicht zu fassen. Zwar streiften mich nur seine Fingerspitzen, jedoch reichte es aus, um eine persönliche Katastrophe auszulösen. Seine Berührung war einem Schlag nach einem Insekt gleich. Wie eine getroffene Fliege, sauste ich Richtung Erdboden, wo ich wie ein Flummi abprallte. Ich bekam keine Luft und hatte das Gefühl, als würden Tausende Glassplitter in meinem Brustkorb tanzen. Kurzzeitig war ich wie erstarrt, bis ich das zweite Mal auf dem Boden knallte. Erneut beförderte mich der Schwung wieder in die Luft, was meinen Kopf jedoch wieder klar werden ließ. Ich versuchte den Sturz abzufangen, landete sogar auf den Füßen und rannte ein paar Schritte, doch war ich zu schnell, stolperte und landete mit einem Purzelbaum wieder auf der Erde, wo ich noch weiter rollte, bis ein Busch meinen Körper stoppte. Das war der Zeitpunkt, als eine undurchdringliche Schwärze mich von meinen Schmerzen erlöste. Kapitel 19: Kill 'em all ------------------------ Kapitel 20 – Kill 'em all Langsam löste sich der dichte Nebel in meinem Kopf auf. Ich öffnete die Augen einen Spalt breit, doch fielen sie mir direkt wieder zu und mein Bewusstsein schwand erneut. Ein weiterer Versuch. Zum zweiten Mal schlug ich die Augen auf, erkannte durch einen Schleier Bäume, die an mir vorbei flogen, spürte den Wind in meinem Gesicht, ehe ich sie wieder schloss. Höllische Schmerzen pulsierten in meinem Kopf und ich klammerte mich fest an diese, um nicht wieder in der Dunkelheit zu versinken. Abermals öffnete ich die Lider. Mein Blick war unscharf. Nun bemerkte ich, dass ich getragen wurde. Levi hatte mich auf seinen Rücken platziert und schwang sich durch den alten Wald. Kraftlos hob ich den Kopf an und blickte nach hinten. Titanen verfolgten uns, waren sogar recht nah. In diesem Moment vollführte Levi ein schnelles Ausweichmanöver, was uns ordentlich durchschüttelte. Mir war speiübel und ich befürchtete mich übergeben zu müssen. Als ich eine Hand vor meinen Mund legen wollte, entdeckte ich, dass ich etwas in den Händen hielt. Meine Finger umschlossen noch immer die Controller für das 3DMG. Erstaunt betrachtete ich sie, stellte dann fest, dass sie das Einzige waren, was von meiner Ausrüstung übrig geblieben war. Mit einem Schlag war ich hellwach und bei vollem Verstand. Noch einmal musterte ich meine Umgebung, diesmal genauer. Levi trug mich Huckepack, während wir von drei Titanen verfolgt wurden, die immer näher kamen. Anscheinend waren wir zu schwer, weshalb wir nicht schnell genug voran kamen. Es würde nicht mehr lange dauern, da würden uns diese Biester einholen. Entlasten konnte ich Levi nicht, da ich bis auf die Controller nichts mehr hatte, um zu fliehen. Der Kampf war unausweichlich, es sei denn... Ich blickte nach unten und schätze die Distanz zum Erdboden hab. Mein Herz klopfte wild, denn ich realisierte, dass es schmerzhaft für mich werden würde. Doch ich musste etwas tun. Ich konnte nicht untätig bleiben. Entschlossen atmete ich tief durch, umklammerte die Controller. Bevor ich doch den Mut verlieren konnte, nahm ich die Controller und koppelte zwei von Levis Schwertklingen an. Als ich sie aus der Scheide zog, wandte Levi mir den Kopf zu. „Was hast du vor?“ Sein Tonfall war ernst, sein Blick warnend. Ich gab ihm keine Antwort, blickte ihn nur an. Jedes einzelne Detail seines Gesichtes prägte ich mir ein und erkannte, dass auch er Wunden davongetragen hatte. Anscheinend zu der Zeit, in der ich bewusstlos war. Dann, ohne Vorwarnung, löste ich mich von ihm und fiel. Kurz betrachtete ich das dichte Blätterdach, das sich mit dem Wind bewegte und stellenweise etwas blauen Himmel durchscheinen ließ. Meine Haare streichelten sanft mein Gesicht und ich sah, wie ein einzelner Blutstropfen nach oben stieg. Ich schloss die Augen und gestattete mir den Gedanken, dass wenn ich einfach auf dem Boden aufschlagen würde, wäre all mein Kummer vorbei, denn mein Kopf würde wahrscheinlich aufplatzen wie eine Melone. Doch wollte ich nicht kampflos aufgeben. Energisch schlug ich die Augen auf, begann meinen Körper zu drehen. Genau zum richtigen Zeitpunkt, denn eine riesige Hand griff nach mir. Allerdings trennte ich eben diese Hand vom Körper, ehe die wurstigen Finger mich umschließen konnten. Gleich danach landete ich auf dem Erdboden. Glücklicherweise war ich auf meinen Füßen gelandet, doch durchzuckte mich ein heftiger Schmerz, sodass ich die Zähne zusammen biss, um nicht aufzuschreien. Tränen stiegen mir in die Augen, welche ich hastig wegblinzelte. Es blieb keine Zeit, um rum zuheulen, denn schon wieder wurde nach mir gegriffen. Ich duckte mich unter der Hand weg, machte einen Purzelbaum, sprang wieder auf die Füße und schnitt dem Titan in die Kniekehlen, sobald ich zwischen seinen Beinen hindurch gerannt war. Dieser fiel vorn über, was mir die Chance gab, an ihm hochzuklettern. Meine Hände zitterten, als ich die Griffe der Schwerter fester umklammerte. Als ich bemerkte, dass der Titan versuchte nach mir zu greifen, holte ich zum Schlag aus und schnitt ihm ein Stück aus dem Nacken. Augenblicklich klappte er zusammen und Dampf stieg von ihm auf. Schnell drehte ich mich um, bereit dem nächsten Titan entgegen zu treten, da sah ich schon ein riesiges Maul auf mich zukommen. Im nächsten Moment sauste etwas hinter ihm entlang und schon ging auch dieser Titan zu Boden. Levi landete auf dem nächstgelegenen Ast und blickte vorwurfsvoll zu mir hinab. Er setzte zum Sprechen an, als Nummer Drei unserer Verfolger auf der Matte stand. Dieser hatte Levi fixiert und steuerte auf ihn zu. Ich holte erneut mit dem Schwert aus und warf es dem Titan direkt ins Auge. Nun lag seine Aufmerksamkeit auf mir, wodurch Levi sich unbemerkt dem Monster nähern und es ausschalten konnte. Kaum war der Titan zu Boden gegangen, stand Levi auch schon neben mir. Er verstaute die Schwertklingen, während ich den dampfenden Titanen betrachtete. Mein Kopf versuchte die Ereignisse zu verarbeiten, wobei die Bilder der letzten Stunden vor meinem inneren Augen vorbei zogen. Starke Kopfschmerzen machten sich bemerkbar, sowie ein massiver Druck auf meinem rechten Auge, so dass ich befürchtete, es würde jeden Moment ausploppen. „Sag mal, bist du völlig bescheuert?“, knurrte Levi plötzlich. Ich atmete tief durch. „Es ist doch alles gut gegangen“, sagte ich ruhig und blickte weiter geradeaus. „Was hast du dir dabei gedacht? Du könntest tot sein.“ Er war stinksauer, nachvollziehbar. „Ich wollte euch doch nur helfen.“ Mir war klar, dass ich nicht einfach so eigenständig hätte handeln sollen, aber was hätte ich sonst machen sollen? Dastehen und zusehen? Ganz bestimmt nicht! Levi verschränkte die Arme vor der Brust. Anscheinend war ihm das noch nicht Antwort genug. „Es ging alles drunter und drüber. Ein Junge hat sich erschossen!“ Ich wandte mich ihm zu. Mein Blick war unscharf und schwarze Punkte tanzen vor meinen Augen. „Ich konnte nicht noch mehr Menschen sterben lassen“, redete ich weiter, um mich auf etwas zu konzentrieren. Mit dem Handrücken wischte ich mir unter der Nase entlang, da ich das Gefühl hatte, sie würde laufen. Beunruhigt stellte ich fest, dass Blut an meiner Hand klebte, also versteckte ich sie vor Levi hinter meinem Rücken. „Was hätte ich denn tun sollen?“, fragte ich ihn. „Auf jeden Fall nicht so leichtfertig mit deinem Leben umgehen, Idiot“, maulte er. Natürlich sorgte er sich um mich, berechtigt, und er meinte es nur gut, doch war ich im Moment alles andere als gewillt, mir soetwas anzuhören. Ich hatte Schmerzen und mir war kotzübel. Erneut fuhr ich mir unter der Nase entlang. „Auruo hat versucht dich und Erwin zu erreichen, konnte aber keinen Kontakt herstellen. Es war das reinste Chaos. Vor meinen Augen sind so viele gestorben, da“, wollte ich erklären, stoppte jedoch, als ich vor Übelkeit nicht weitersprechen konnte. Gerade noch rechtzeitig drehte ich mich um und erbrach. Mein Körper verkrampfte sich so sehr, dass ich auf die Knie ging. Im nächsten Augenblick war Levi bei mir und legte einen Arm um mich. „Sieh mich an“, forderte er, doch ich konnte nicht. Entsetzt starrte ich auf die Blutlache vor mir, die eben meinen Körper verlassen hatte. In dieser Sekunde begriff ich, dass doch nicht alles so gut gegangen war, wie ich es kurz vorher behauptet hatte. Panik keimte angesichts des Blutes in mir auf. „Ivory, sieh mich an!“ Heulend hob ich den Kopf und blickte Levi direkt in die Augen. Dieser stellte fest, dass meine Pupillen unterschiedlich groß waren. Ein Anzeichen auf eine Hirnblutung. „Scheiße“, fluchte er. Kapitel 20: Entschuldigung -------------------------- Kapitel 21 - Entschuldigung „War das alles für heute?“ Levi tippte ungeduldig mit der Spitze des Kugelschreibers in seiner Hand auf dem Blatt Papier vor sich. Seit Stunden saß er in diesem stickigen Konferenzraum, dessen Klimaanlage mal wieder beschlossen hatte den Geist aufzugeben, weshalb die Raumtemperatur der einer Sauna glich. Zwar waren die Jalousien herunter gelassen, doch schien zu dieser Tageszeit die Sonne direkt auf diese Hausseite, was den Raum noch mehr aufheizte. Die Luft roch nach den verschwitzen Körpern, was ihm Kopfschmerzen bereitete und den Wunsch hervor rief, selbst, auch wenn er nicht so schwitze, eine lange und vor allem kalte Dusche zu nehmen. „Soweit sind wir durch“, bestätigte Erwin. Darauf erhoben sich alle und verließen schnellstmöglich den Raum. Auch Levi schob den Stuhl zurück, stand auf und sah zu, dass er aus dem Gebäude kam. Als er auf den Hof trat, atmete er tief durch. Wie sehr er diese ewigen Besprechungen in den miefigen Räumen doch hasste. Es war ein sonniger Frühlingstag, der für seine Verhältnisse erstaunlich warm war. Man konnte ihn fast schon als sommerlich beschreiben. Mit eiligen Schritten steuerte er auf sein Wohngebäude zu. Er musste aus diesen Klamotten raus. Schon auf dem Flur vor seiner Tür hörte er, dass Leben in seiner Wohnung herrschte. Es war noch immer ungewohnt für ihn, aber keineswegs unangenehm. Seit ich bei ihm war, war immer etwas los. Manchmal fürchtete er, ich würde seine Bude total auf den Kopf stellen oder sogar in Brand stecken und er sehnte sich gelegentlich nach der Ruhe, die ihn vorher immer empfing, dennoch wollte er mit niemanden tauschen. Dafür gefiel ihm alles zu sehr. Für ihn war es ein Genuss, wenn er mich bei alltäglichen Sachen beobachten konnte. Mit am Besten gefiel es ihm, wenn ich vor dem Fernsehn saß, nebenbei strickte und vor lauter Konzentration Grimassen schnitt. Levis Mundwinkel zuckten nach oben, als er die Tür aufschloss und seine Wohnung betrat. Den Schlüssel legte er auf der kleinen Kommode im Eingangsbereich ab, während er die Schuhe von den Füßen streifte. Er ging Richtung Küche, woher die Geräusche stammten, gleichzeitig zog er die Jacke aus. Ich stand in der Küche, das Radio mal wieder viel zu laut, und backte einen Kuchen. Mit dem Handrührgerät schlug ich gerade die Sahne steif, als sich eine Hand auf meinen Rücken legte. Erschrocken fuhr ich herum, wobei ich das Rührgerät hoch riss und weiter laufen ließ. Die Sahne spritze umher, versaute alles in der näheren Umgebung, sowie Levi und mich. Da ich Levi, mit Sahne im Gesicht, vor mir stehen sah, schaltete ich das Gerät aus und legte es auf der Arbeitsplatte ab. Sein Gesichtsausdruck war alles andere als erfreut und ich sah, dass er gerade mit sich selbst kämpfte, um nicht vollkommen auszurasten. Als Übergangshandlung zog er den Stecker vom Radio, so dass Stille uns umgab. Schuldbewusst kaute ich auf meiner Unterlippe, während ich einen Dackelblick vom Feinsten aufsetzte. „Entschuldigung“, sagte ich kleinlaut. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und er schnaubte wie ein wilder Stier. Vorsichtig hob ich die Hand, fuhr mit dem Zeigefinger unter seinem linken Auge entlang, entfernte so Sahne aus seinem Gesicht und steckte mir den Finger in den Mund. Levi zog skeptisch eine Augenbraue in die Höhe. Ich erfasste sein Hemd und zog ihn daran näher zu mir. Eng an ihn geschmiegt stellte ich mich auf die Zehenspitzen und küsste ihm die Sahne von der Oberlippe. Levi zeigte keine Reaktion, schmollte weiter vor sich hin. So küsste ich ihn auf die Wange, sein Ohr, zog ihm dabei sein Tuch vom Hals. Ich hauchte Küsse auf seinen Hals, öffnete sein Hemd und strich über seine glatte Brust. Langsam wanderte meine Hand tiefer, fuhr seinem Hosenbund entlang, ehe sie in seiner Hose verschwand. Impulsiv umfasste ich sein Glied, welches sogleich sich verhärtete. Plötzlich packte Levi mich im Nacken und küsste mich ungestüm. Als er sich von mir löste, blickte ich in seine dunklen Augen, in denen ungezügeltes Verlangen aufflammte. Sein Blick lag auf meinen Lippen, während er sich zu mir vorbeugte. „Bist du noch sauer?“, fragte ich, ehe seine Lippen erneut meine berührten. Dabei massierte ich weiter seinen Schwengel und sah ihn erwartungsvoll an. Statt einer Antwort, küsste er mich, zog meine Hand aus seiner Hose und legte sie in seinen Nacken, was mich leicht verunsicherte. Doch dann spürte ich seine Hände über meinen Hintern streichen, bevor er zupackte und mich hochhob. Überrascht quiekte ich auf und schlang meine Beine um seine Hüften. Er trug mich ins Schlafzimmer, wo er sich rücklings auf das Bett fallen ließ. Lachend beugte ich zu ihm runter, um ihn in einen heißen Zungenkuss zu verwickeln. Schneller als gedacht, hatte Levi mir die Klamotten vom Leib gestreift und auch seine lagen kurz darauf irgendwo auf dem Zimmerboden. Ungeduldig hob er mein Becken an, brachte seinen Prügel in Position und drückte mich an den Hüften nach unten, sodass er in mich eindrang. Leise seufzte ich auf, gleichzeitig krallte ich meine Finger in seinen Nacken. Ich genoss das Gefühl ihn so intensiv zu spüren und schloss für den Moment die Augen. Auf einmal bekam ich einen Klaps auf den Po. Ich schreckte auf. „Au“, beklagte ich mich und sah Levi vorwurfsvoll an. Dieser gab mir abermals einen Klaps. „Ich denke du willst dich entschuldigen, also tu etwas“, meinte er nur. „Ist es so genehm, dem Herr?“, fragte ich, während ich langsam mein Becken vor und zurück bewegte. Ich hörte keine Antwort, sondern nur ein sinnliches Stöhnen seinerseits, was Bestätigung genug war. Er legte den Kopf in den Nacken und schloss genussfreudig die Augen. Zufrieden schmunzelte ich, presste mich weiter an ihn und bewegte mich reizvoll. Levis Hände umfassten meine Beckenknochen fest, ehe er seinen Griff lockerte und sanft meinen Seiten hoch zu meinen Brüsten strich, welche er sogleich anfing zu kneten. Erregt keuche ich, fuhr mit den Fingernägeln über seine Brust, wo ich rote Striemen hinterließ. Es dauerte nicht lange und unser heißes Liebesspiel fand ein befriedigendes Ende. „Und?“ „Was?“ „Entschuldigung angenommen?“, fragte ich, während ich sachte mit der Fingerkuppe den Kratzspuren entlang strich. „Du hättest dir schon ein bisschen mehr Mühe geben können“, sagte Levi todernst, jedoch mit einem belustigten Ausdruck in den Augen. „Du Lümmel!“, schimpfte ich ihn, ehe ich mich auf ihn stürzte. Ein spielerischer Kampf brach zwischen uns aus, der allerdings nicht lange anhielt. Schnell hatte Levi mich unter sich festgenagelt und blickte mir triumphierend entgegen. „Mach einfach wieder alles sauber, dann ist es ok“, erklärte er, bevor er mich küsste. Kapitel 21: Überraschung ------------------------ Kapitel 22 - Überraschung Müde rieb ich mir die geröteten Augen. Sobald ich schlief, brachen Erinnerungen, schöne wie schlechte, auf mich ein. So wie der letzte Traum, von meinem gescheitertem Versuch einen Kuchen zu backen. Trotz der Hirnblutung, die ich durch meinen Sturz erlitten hatte, hatte mein Kopf keine weiteren Schäden, abgesehen von Schürfwunden und blauen Flecken, abbekommen. Doch träumte ich seitdem sehr intensiv. An manchen Tagen hatte ich nach dem Aufwachen Probleme zu unterscheiden, ob ich vorher geträumt hatte oder doch in diesem Moment träumte. Glücklicherweise fiel es mir mit jedem Mal leichter die Realität zu erkennen. Noch immer dröhne mein Kopf, wie nach einem 4 Tage Festival. Genervt tastete ich nach den Krücken neben meinem Bett. Mit diesen hinkte ich ins Bad, wo ich mich auf einen Hocker vor dem Waschbecken plumpsen ließ. Nun schmerzte mein gebrochenes Bein zusätzlich zu meinem Kopf. Ich griff nach dem Döschen mit dem Analgetikum, schüttelte zwei Tabletten hinaus und schluckte sie. Langsam hievte ich mich auf, um einen Schluck nach zutrinken. Während ich auf die Wirkung der Tabletten wartete, musterte ich mein Spiegelbild. Das blaue Auge in meinem blassen Gesicht war nicht das auffälligste Merkmal. Am Meisten stach die rasierte Fläche an meiner linken Kopfseite, welche durch eine lange, gerötete Wundnaht geziert wurde. Vorsichtig berührte ich diese mit den Fingerspitzen, was höllisch schmerzte. Ich ließ die Hand sinken und schob die Unterlippe vor. Die Schmerzen waren nicht mal das Schlimmste, sondern trauerte ich mehr um meine langen Haare, die wegrasiert waren, raus. Ich ließ mich wieder auf den Hocker fallen und verdrückte ein paar Tränen, als plötzlich die Zimmertür geöffnet wurde. „Ivory?“ „Im Bad“, informierte ich meinen Besucher. Petra steckte ihren Kopf ins Badezimmer und lächelte mich an. Allerdings verblasste ihr Lächeln schnell, als sie mich sah. „Du siehst ja aus wie ein Häufchen Elend“, stellte sie fest, während sie sich in den Raum schob. Sie machte einen großen Schritt, hockte sich neben mich und nahm mich in den Arm. „Was ist denn los?“ „Meine Haare“, jammerte ich. „Ist das dein Ernst?“ Sie blickte mich ungläubig an. „Ivory, du hast ein dreifach gebrochenes Bein und wie viele gebrochene Rippen?“ „Zwei.“ „Und zwei gebrochene Rippen, abgesehen von der Hirnblutung, die du hattest. Hast du keine anderen Probleme als deine Haare?“ Ich legte das Gesicht in die Hände. Petra hatte ja Recht, doch war ich mit der Situation überfordert und total aufgewühlt. Eine warme Hand strich mir sanft über den Rücken. Müde hob ich den Kopf und sah Petra in die Augen. „Wie wäre es mit einer modischen Kurzhaarfrisur?“, fragte sie, wobei sie nicht mehr so streng dreinschaute, wie bei meinem Anschiss. Irritiert fuhr ich mir durch die Haare. „Ich weiß nicht.“ „Na komm schon, das sieht bestimmt gut aus“, versuchte sie es aufmunternd. Noch zweifelte ich, was Petra bemerkte, jedoch ließ sie mir keine Zeit für Bedenken. „Ich schneide sie dir jetzt“, beschloss sie ganz einfach und kramte eine Schere hervor. Ich machte mir erst gar nicht die Mühe ihr zu widersprechen, denn sie würde sowieso ihren Kopf durchsetzen. Also ergab ich mich meinem Schicksal und blinzelte die Tränen weg, als die ersten langen Strähnen auf dem Boden landeten. Einige Zeit später stand ich vor dem Spiegel und betrachtete meine neue Frisur. Am Hinterkopf war sie recht kurz gehalten, wurde nach vorne hin länger. Der Pony reichte mir ungefähr bis zum Kinn. Petra hatte mir eine fesche Kurzhaarfrisur hingezaubert, bei der die ausrasierte Stelle wie ein etwas großzügig geschnittener Sidecut aussah, sobald der erste Flaum sich bilden würde. „Da wird Levi aber Augen machen, wenn er dich das nächste Mal besucht“, meinte Petra breit grinsend. Mein Gesichtsausdruck verfinstere sich. Es dauerte einen Augenblick bis Petra verstand. „Oh nein, er war noch gar nicht bei dir?“ Leicht nickte ich, wobei ich den Kopf von ihr abwandte. Tröstend strich Petra mir über den Rücken. Die Stille zwischen uns war erdrückend. Bevor ich wieder zu heulen begann, griff ich nach meinen Krücken und begab ich ins Nebenzimmer. Petra half mir zurück ins Bett, zog sich einen Stuhl an dessen Seite und nahm Platz. „Er ist bestimmt beschäftigt“, nuschelte ich in meinen nicht vorhandenen Bart. Petra, die es besser wusste als ich, nahm meine Hände in ihre und drückte diese sanft. Sie setzte zum Sprechen an, da wurde unangekündigt die Tür aufgerissen. Im Türrahmen stand Levi. Mein Herz machte einen gewaltigen Hüpfer und ein riesiger Stein fiel davon ab. Er betrat das Zimmer und ich konnte seine Überraschung über mein Äußeres deutlich erkennen, weshalb ich verlegen an meinen Hinterkopf fasste. Jedoch hatte er sich schnell wieder gefangen und stellte sich an das Fußende meines Bettes. Mit freudiger Erwartung sah ich ihm entgegen, bis ich den neuen Ausdruck in seinen Augen wahrnahm. All die Liebe war aus ihnen verschwunden. Es war, als wäre ich eine Fremde für ihn. Eine furchtbare Vorahnung ergriff mich und abermals brannten meine Augen verräterisch. Levi schenkte Petra einen kurzen Seitenblick, ehe er sprach. „Erwin hat deinen Antrag auf deine Rückkehr nach Hause genehmigt“, sagte er monoton. Verwirrt sah ich ihn an. „Aber ich habe doch gar keinen Antrag gestellt.“ Noch immer zeigte Levi keine Gefühlsregung, während er mich unentwegt anstarrte. Tränen sammelten sich in meinen Augen und drohten überzulaufen. „Sobald du reisefähig bist, geht es los.“ Ungläubig ließ ich den Mund offen stehen. Wie konnte er das nur? War ich ihm so egal? Wieso tat er das? Wollte er mich los werden? Anders konnte ich es mir nicht erklären. „Du schickst mich weg“, sprach ich meine Gedanken laut aus. Petra übte erneut leichten Druck auf meine Hände aus, anscheinen wollte sie mich beruhigen. Ich befreite meine Hände aus ihrem Griff. „Willst du mich denn los werden?“, fragte ich ihn gerade heraus ins Gesicht. Mein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen, als er mir nicht antwortete. Vor Zorn und Enttäuschung zitterte mein gesamter Körper und die Tränen rannTen nun unablässig über meine Wangen. Vorsichtig legte Petra eine Hand auf meine Schulter. Damit Levi nicht weiter meine Tränen sah, blickte ich aus dem Fenster. „Petra, ab auf`s Trainingsfeld“, befahl Levi, während er sich auf die Tür zubewegte. „Einen Moment noch“, sagte sie und wandte sich mir zu. „Sofort“, gab er ihr zu verstehen. „Jawohl, Sir“, bestätigte sie, ehe sie mir noch einmal über den Kopf strich und das Zimmer verließ. Levi stand noch einen Augenblick im Türrahmen und sah zu mir herüber. Er atmete noch einmal schwer durch, ehe er den Raum verließ. Seit dem sah ich ihn nicht noch ein Mal. Einige Wochen später war es soweit. Die Ärzte erklärten meinen Zustand als stabil und meinten, dass ich keine bleibenden Schäden davongetragen hätte. Lediglich mein Bein musste noch verheilen. Nach einigem Papierkram und einem Gespräch mit Erwin, der mich ausdrücklich an meine Schweigepflicht erinnerte, wurde ich, von einem Team begleitet, nach Hause gebracht. Dieses Team war kein anderes als Team Levi. Am Vortag waren wir mit dem Flugzeug in Helsinki gelandet. Heute ging es mit einem Helikopter 300km über den Polarkreis zu meinem Heim. Während dem Flug blickte ich aus dem Fenster, besah mir die Landschaft unter uns. Zwischen den großen alten Bäumen lagen immer wieder riesige Seen, deren Oberfläche in der Sonne glitzerten. Nun, da ich das Land aus der Luft sah, verstand ich, warum Finnland das Land der Seen genannt wurde. Es war erstaunlich, wie sehr sich die Landschaft verändert hatte, seit ich das letzte Mal zu Hause war. Als ich abgereist war, um meinen Vater aus der Haft zu holen, lag haufenweise Schnee und es war bitterkalt. Nun war der Sommer eingezogen, alles war grün und blühte. Neben den Blumen waren ebenso die Moskitos zurückgekehrt. „Wir setzen bald zu Landung an“, erklang die Stimme von Erd, welcher den Helikopter steuerte, durch das Headset. Ich richtete meinen Blick nach vorne, wo er an Levi, der mir gegenüber saß, hängen blieb. Nüchtern sahen wir uns an, ehe ich wieder aus dem Fenster sah. Wir landeten nicht weit von meinem Haus entfernt. Noch immer auf Krücken gestützt hinkte ich auf dieses zu. Dabei begleitete mich das Bellen meiner Hunde, die sich zum Einen freuten mich zu sehen, zum Anderen durch die Geräusche des Helikopters verunsichert waren. Levi folgte mir und trug meinen Koffer für mich. Kurz bevor ich die Veranda erreicht hatte, schwang die Haustür auf. Sarah, die ich bei meinen Hunden zurückgelassen hatte, trat hinaus. Ich hatte sie informiert, dass ich an diesem Tag ankommen würde, hatte jedoch keinen Grund für meine Rückkehr genannt. In ihren Händen hielt sie eine Torte, auf der einige Kerzen brannten. „Herzlichen Glückwunsch zum Gebur-“, sie unterbrach sich, als sie mich auf Krücken sah. Levi neben mir entglitten alle Gesichtszüge. Geschockt sah er mich an, woraufhin ich das Kinn in die Höhe reckte. Ja Levi, du hast dir einen guten Tag ausgesucht, um mich abzuservieren. Ich mühte mich die Treppen hinauf. Neben Sarah blieb ich stehen und sah auf meine Geburtstagstorte. „Danke Sarah. Gib dem Captain doch den Kuchen, vielleicht erstickt er ja dran“, sagte ich kühl, ehe ich weiter zur Haustür humpelte. Irritiert sah meine Angestellte zwischen Levi und mir hin und her. Dieser gab ein Geräusch der Verachtung von sich. „Pass auf, dass du deine Worte später einmal nicht bereust“, knurrte er, machte auf dem Absatz kehrt und ging zurück zu seinem Trupp. Im Hausflur angekommen hörte ich, wie der Helikopter gestartet wurde. Sarah hatte meinen Koffer hineingebracht und schloss die Tür hinter mir, als eine meiner Krücken lautstark auf den Boden knallte. Erschrocken fuhr sie herum. „Ivory?“, fragte sie unsicher. Ich hatte mir eine Hand vor den Mund gelegt, um die Schluchzer, die meinen Körper schüttelten, zu unterdrücken, während die Tränen unaufhaltsam über meine Wangen kullerten. Kapitel 22: 2016 ---------------- Kapitel 23 – 2016 Mit einer Tasse Kaffee in der Hand trat ich hinaus auf die Veranda, legte die Unterarme auf das Geländer und ließ den Blick über meinen Hof schweifen. Ich nahm einen Schluck von dem bitteren Gebräu, als plötzlich mein Kater neben mir auf das Geländer hopste. Der fluffige grau getigerte Kerl war mir kurz nach meiner Ankunft zugelaufen. Er sah damals ausgehungert und total räudig aus. Aus Mitleid hatte ich ihm etwas zu Fressen gegeben und nun wurde ich ihn nicht mehr los. In der Zeit, in der meine Verletzungen, körperliche, wie seelische, verheilten, hatte er mir sehr viel Trost gespendet, doch erinnerte er mich auch sehr an einen Abschnitt in meinem Leben, den ich am Liebsten daraus verbannen würde. Der Kater hatte immer einen Gesichtsausdruck, als würde er auf einen herab sehen und war chronisch schlecht gelaunt, weshalb ich ihn Levi getauft hatte. Levi. Es war nun fast zwei Jahre her, seit er mich hier abgesetzt hatte. Noch immer stimmte es mich mehr als traurig, wenn ich an diesen Tag zurück dachte. Ich konnte mir sein Verhalten einfach nicht erklären. Des öfteren erwischte ich mich dabei, wie ich an die Zeit mit ihm zurück dachte und mir über ihn den Kopf zerbracht. „Meow“, wurde ich aus meinen Grübeleien gerissen. Angepisst blickte der Kater mir entgegen, wobei es den Anschein hatte, er würde die Augenbrauen verärgert zusammen ziehen. „Was ist los, Stinker? Hast du Hunger?“, fragte ich den Stubentiger. Levi atmete genervt durch, bevor er ein weiteres Mal maunzte. Es bedeutete wahrscheinlich in etwa „natürlich, du Dummkopf“. Zumindest interpretierte ich es so. Ich flocht meine Haare, die mittlerweile wieder brustlang waren, zusammen, während ich zu dem Schuppen ging, in dem ich das Futter aufbewahrte. Nach meiner Genesung hatte ich schnell wieder meinen Job als Schlittenhundeführer aufgenommen. Das hieß, wenn Schnee lag fuhr ich mit Touristen mit dem Hundeschlitten durch die Winterlandschaft. Manche saßen in meinem Schlitten und ließen sich kutschieren, andere waren mutig und führten ihr eigenes Gespann, wobei ich vorneweg fuhr und die Gäste, so wie ich sie immer nannte, mir folgen. Bevor ich von den Titanen erfuhr, hatte ich an professionellen Hundeschlittenrennen teilgenommen, doch war mir das noch zu stressig gewesen. Ich plante in diesem Winter wieder an einem teilzunehmen. Im Schuppen nahm ich einen kleinen Napf aus dem Regal und füllte etwas Trockenfutter hinein. Ungeduldig strich Levi mir um die Beine und maunzte. Zusammen gingen wir zurück zur Veranda, da blieb der Kater urplötzlich stehen, machte einen Buckel und fauchte in eine unbestimmte Richtung. „Hey Levi, was hast du denn?“ Vorsichtig berührte ich ihn, woraufhin er sich abrupt zu mir umdrehte. Er hüpfte auf meinen Schoss, platzierte sich dann weiter hoch auf meine Schulter und knurrte angsteinflößend Richtung Boden. „Du machst mir langsam echt Schiss, du komisches Vieh“, sagte ich, während ich unseren Weg fortsetzte. Ein riesiger Vogelschwarm erhob sich in die Lüfte und flog über meinem Haus davon. Unerwartet ertönte ein tiefes Grollen und ein Zittern ging vom Erdboden aus. Vor Schreck blieb ich ruckartig stehen und ließ sogar den Futternapf fallen. Auch die Hunde begannen unvermittelt zu bellen. Sie waren aufgeregt und verunsichert, sprangen in den Zwingern hin und her. Eine Gänsehaut zog sich über meinen gesamten Körper. Sofort musste ich an die Titanen denken und was ich alles mit ihnen erlebt hatte. Das Grollen erstarb und das Zittern hörte schlagartig auf. „Nein, du brauchst gar keine Angst haben. Diese Dinger sind dort, wo es große Menschenansammlungen gibt und ganz bestimmt nicht hier, wo auf einem Quadratkilometer nicht mal zwei Menschen leben“, redete ich mir selbst ein. Ich steckte Daumen und Ringfinger der rechten Hand in den Mund und pfiff laut, was das Zeichen für die Hunde war, sich zu beruhigen bzw. leise zu sein. Als dies geschehen war, sammelte ich Levis Futter auf und stellte den Napf auf die Veranda, wo der Kater sich sofort darüber her machte, nicht ohne mir einen Blick zu schenken, der soviel wie „das wurde auch mal Zeit“ hieß. Kurz beobachtete ich ihm beim Fressen, hob dann den Blick und sah mich befangen um. Auf dem Hof sah alles noch in Ordnung aus und auch der Wald, der uns umgab deutete auf keinerlei Gefahr hin. Nachbarn hatte ich keine. Ich ging um das Haus und schaute auf den See, dessen Wasseroberfläche leichte Wellen schlug. Doch auch hier konnte ich nichts erkennen. Als ich wieder zurück ging, bemerkte ich, wie Rauchschwaden hinter dem Wald aufstiegen. Es war die Richtung, in der die nächstgelegene Ortschaft lag. Natürlich war mein Helfersyndrom mal wieder stärker als meine Angst, so setzte ich mich in meinen Pickup und fuhr ins nächste Ort. Als die ersten Häuser in Sicht kamen, sah ich mich nach der Ursache für den Brand um, den ich hinter den Rauchsäulen vermutete. Da die Gegend nicht sonderlich stark besiedelt war, wunderte es mich nicht, dass keine Menschen auf den Straßen waren oder in ihren Vorgärten standen. Dennoch flatterte mein Magen aufgeregt. Ich bog gerade Richtung Ortsmitte ab, sah aus dem Fahrerfenster, da knallte etwas gegen mein Auto und schleuderte uns durch die Luft. Glücklicherweise landete das Fahrzeug wieder auf den Reifen. Mit wild schlagendem Herz starrte ich auf das, was sich in diesem Moment auf mich zubewegte. Es gab einen erneuten Ruck und der Wagen wurde angehoben. Nach kurzer Zeit tauchte ein riesiges Gesicht vor der Windschutzscheibe auf. Als der Titan sein Maul aufriss, erwachte ich endlich aus meiner Schreckstarre. Ich löste den Sicherheitsgurt, krabbelte auf die Rückbank und zog eine Axt unter dem Sitz hervor. Mit dieser Schlug ich die Heckscheibe ein, durch welche ich weiter nach hinten auf die Ladefläche des Pickups kletterte. Genau im richtigen Moment sprang ich von dem Fahrzeug auf das nächstgelegene Dach, wo ich hart auf die roten Ziegel fiel, bevor der Titan in meinen Wagen biss. Er spuckte die Autoteile aus und sah sich suchend nach mir um. Sobald er mich entdeckte, griff er direkt nach mir. Schnell rappelte ich mich auf, rannte auf dem Dach davon, bis ich vor dem Abgrund stand. Übergangslos sprang ich von dem Dach ins Gras, rollte mich ab, kam wieder auf die Beine und gab Fersengeld. Mit großen Schritten eilte ich auf die Tankstelle, die sich am Ende der Straße befand, zu, wo ich mir erhoffte, irgendetwas hilfreiches zu finden. Dabei kamen meine Füße klatschend auf dem Betonsteinpflaster auf und das Wasser spritze, wenn ich in eine Pfütze trat. Meinem Ziel war ich schon nahe, als die Tankstelle ohne eine Vorwarnung explodierte. Ich wurde von den Füßen gerissen und nach hinten geschleudert. Unsanft landete ich auf dem Rücken und brauchte einen Moment, um mich neu zu orientieren. Schnell hatte ich meine Situation erfasst, weshalb ich mich aufrichtete, damit ich die Flucht ergreifen konnte. Ich strich mir den Pony aus dem Gesicht, wobei ich eine feuchte Spur auf meiner Stirn hinterließ. Irritiert blickte ich auf meine Hände, um festzustellen, dass sie voller Blut waren. Entsetzt betrachtete ich auch meine Arme, mein Oberteil, meinen ganzen Körper. Ich war von oben bis unten voll. Erst jetzt erkannte ich, dass ich vorher nicht durch Pfützen voller Regenwasser gerannt war, es waren Blutpfützen. Die gesamte Straße war darin getränkt. Sprachlos sah ich zu der Stelle, an der vorher die Tankstelle stand. Nun war dort nur noch ein einziges Flammenmeer. Plötzlich tropfte mir etwas auf den Kopf. Mir gefror das Blut in den Adern, während ich mich widerwillig umdrehte. Vor mir stand ein Titan, der an seinem menschlichen Snack knabberte und mich dabei musterte. Das Oberteil der Person in seinen Händen stach mir sofort ins Auge, denn ich erkannte darauf das Logo, das ich mir einst für mein kleines Kennel zeichnen und auf T-Shirts drucken ließ. Außer mir besaß nur noch Sarah solch ein Shirt. Tränen kullerten über meine schmutzigen Wangen, als der Titan erneut in ihren leblosen Körper biss. Angewidert löste ich mich von ihrem Anblick und rannte davon. Damit schien ich allerdings den Jagdtrieb des Titanen geweckt zu haben, denn er setzte mir mit polternden Schritten nach. Ich sprintete durch die Gassen, bis ich an einem Geschäft stoppte, dass die wöchentlichen Sonderangebote draußen aufgebaut hatte. Ohne zu überlegen schnappte ich mir die Sense, die dort stand, umklammerte sie fest mir meinen Fingern und stellte mich dem Monstrum, das mich verfolgte. Mit aller Kraft holte ich aus und als der Titan sich bückte, um mich zu fassen zu bekommen, schlug ich ihm mit der Sense den Kopf ab. Ich wusste, dass ich ihn nicht erledigt hatte, doch hatte ich mir damit Zeit zur Flucht geschaffen. Erleichtert atmete ich auf. Jedoch währte diese nicht lange, denn ich konnte aus der Ferne einen Kopf, welcher über die Dächer ragte, erkennen. Ich ließ die Sense fallen und flüchtete in den dichten Wald. Querfeldein war ich schneller unterwegs, als auf der Straße, da diese immer wieder Schlenker und Bögen machte. Ich hastete nach Hause, dabei quälten mich die Bilder, die ich soeben gesehen hatte und die Sorge um meine Tiere. Gleichzeitig versuchte ich mir einen Plan zu überlegen. Ohne das 3DMG war ich komplett aufgeschmissen. Ich konnte nur fliehen und hoffen, dabei mit keinem Titanen in Kontakt zu kommen. Nur wo sollte ich hin? Durch die Bäume hindurch sah ich die Straße vor mir meinen Weg kreuzen. Ich musste diese nur noch überqueren und nach einem weiteren kleinen Stück durch den Wald war ich auf meinem Hof. Dort würde ich schnell ein paar Sachen zusammen packen, die Hunde aus ihren Zwingern lassen, damit diese ebenfalls fliehen konnten, und zusehen, dass ich Land gewann. Wohin genau, wusste ich noch nicht, Hauptsache weiter südlich. Im Moment herrschten bei uns die sogenannten weiße Nächte. In dieser Zeit ging die Sonne nicht unter, das hieß 24 Stunden Sonnenlicht. Wenn ich mich richtig entsinnte, bewegten sich die Titanen bei Nacht nur eingeschränkt, bis gar nicht. Also musste ich in den Süden, wo es Nacht wurde, um wenigstens etwas Freiheit vor diesen Biestern zu haben. Dann konnte ich weiter sehen. Total in Gedanken versunken schaute ich weder nach Links noch Rechts, als ich auf die Straße trat. Aus dem Augenwinkel sah ich etwas großes dunkles auf mich zukommen, blieb vor Schreck stehen und hielt die Arme schützend vor meinen Körper. Als warmer Lack sanft meine Handflächen berührte, öffnete ich erstaunt die Augen. Vor mir auf Bauchhöhe prangte der Mercedesstern auf einer schwarzen Motorhaube. Der Van war noch rechtzeitig zum Stehen gekommen. Während mein Herz weiter Adrenalin durch meine Blutgefäße pumpte, zitterte mein ganzer Körper. Für einen Moment fand ich den Gedanken, ich sei knapp den Titanen entkommen, um mich dann von einem Auto fast platt machen zu lassen, sehr lustig. Leise lachte ich, doch schlug die Stimmung schnell um. Erneut sammelten sich Tränen in meinen Augen und Schluchzer ließen meine Schultern beben. Ein Moment der Schwäche, in dem die Welt über mir einbrach. Allerdings unterband ich diese Schwäche augenblicklich wieder. Ich musste nun stark sein. Langsam hoch ich den Kopf und besah mir den Fahrer. Als ich erkannte, wer dort hinter dem Steuer saß, traf mich der Schlag. Ungläubig öffnete ich den Mund, trat ein paar Schritte rückwärts. Stocksteif blieb ich stehen und sah ihn an. Auch ihm konnte man die Überraschung deutlich aus dem Gesicht lesen. Dann vernahm ich lautstarkes Knacken aus dem Wald. Erschrocken fuhr ich herum und blickte in diesen. Vermutlich waren die Titanen in unsere Richtung unterwegs. Noch einmal schaute ich in den Wagen, ehe ich auf dem Absatz kehrt machte und zum Waldrand rannte. Ich hörte, wie die Autotür geöffnet und nach mir gerufen wurde, doch war ich schon im Unterholz verschwunden. Mein Herz machte einen Hüpfer, als er meinen Namen rief. Was machte ER hier? Levi. Kapitel 23: Frauengespräche --------------------------- Kapitel 24 - Frauengespräche Völlig aus der Puste erreichte ich meinen Hof, wo ich die Stufen der Veranda hoch stolperte und die Haustür aufriss. Drinnen rannte ich rastlos umher, stopfte ein paar Kleidungsstücke in einen Rucksack und holte eine große Flasche Wasser aus dem Kühlschrank. Währenddessen hörte ich laute Motorengeräusche und als ich aus dem Fenster sah, flog ein Hubschrauber über meinem Haus davon. Ich rannte ins obere Geschoss und fummelte das Säckchen mit meinem Erspartem unter der Matratze hervor. Auch dieses wanderte in meine Tasche. Hastig eilte ich wieder nach draußen, schmiss den Rucksack in Richtung der Garage, worin sich mein Zweitwagen befand, und betrat den Hundekennel. Ich wusste, dass die Titanen den Hunden keinerlei Beachtung schenken würden, dennoch wollte ich sie frei lassen. Ich ertrug den Gedanken nicht, dass sie eventuell unter Trümmern verschüttet werden könnten oder in ihren Zwingern verhungern würden. Denn eins war klar für mich: Solange die Sonne nicht unterging, war eine Rückkehr hierher ausgeschlossen. Vielleicht in ein paar Monaten, aber bis dahin musste ich mich von allem trennen. Schweren Herzens öffnete ich eine Zwingertür nach der anderen, dabei hörte ich schon, wie gewaltige Schritte sich näherten. Ich öffnete das große Tor des Freilaufes, damit die Hunde in den Wald flitzen konnten. Einige waren sofort auf und davon, ein paar hüpften um mich herum und verlangten nach meiner Aufmerksamkeit. Jedoch ignorierte ich sie, was mir in der Seele weh tat, und hechtete zurück zur Garage. Kaum war ich dort angekommen, brachen die Bäume am Waldrand weg und ein Titan kam zum Vorschein. Augenblicklich hatte er mich entdeckt. Panisch sah ich mich um und griff nach dem erstbestem Verteidigungsmittel, dass ich in der Garage liegen sah. Für einen Bruchteil einer Sekunde wunderte ich mich, dass es ausgerechnet eine Kettensäge sein musste, doch war mir gerade jedes Mittel recht, um meine Haut zu retten. Mit einem Ruck an dem Starterseil heulte der Motor auf. Der Titan stürzte sich auf mich, sobald ich aus der Garage wieder heraustrat, und ich konnte gerade noch rechtzeitig die Säge in Position bringen, damit er mich nicht erwischte. Seine Fingerglieder landeten dampfend auf dem Boden. Allerdings war das kein Grund zur Freude, denn dafür holte er mit der anderen Hand aus und klatschte mich um. Die Säge fiel mir aus den Händen und erst der Maschendrahtzaun, der um die Hundezwinger gespannt war, hielt meinen Körper auf. Benommen schüttelte ich den Kopf, richtete mich auf, wollte fliehen, doch war ich eingekesselt. Plötzlich wurde ich an der Taille gepackt und über eine Schulter geworfen. Erstaunt erkannte ich einen grünen Umhang. Ich hob gradewegs den Blick und sah zu dem Titan, der in diesem Moment zu Boden ging. Natürlich war es kein anderer als Levi gewesen, der den Titan niedergestreckt hatte, und dabei noch so unverschämt gut aussah, dass man am liebst gleich mit ihm in die Kiste hüpfen würde. Wie sehr ich ihn dafür hasste, denn meine Gefühle für ihn flammten direkt wieder auf und wollten ihn auf Knien nach Aufmerksamkeit anbetteln. Aber nicht mit mir! Er hatte mich verletzt und abgeschoben und genau das sollte er noch zu spüren bekommen. Missgestimmt zog ich die Mundwinkel nach unten. In meinen Racheplänen vertieft, bemerkte ich gar nicht, wie ich abgesetzt wurde. Eine Hand wedelte in meinem Blickfeld auf und ab, was mich erwachen und den Kopf anheben ließ. Vor mir erkannte ich Erd, der mich belustigt musterte. „Dich kann man wirklich nicht allein lassen.“ „Ich freu mich auch dich zu sehen“, sagte ich, als wäre dies nicht der Fall, was jedoch nur gespielt war. Kurz sahen wir uns an, ehe wir, trotz der weniger erfreulichen Umstände, zu lachen begannen. Ich wollte ihn umarmen, da ich mich wirklich sehr freute ihn zu sehen, doch er hob anwehrend die Hände. „Wow, nicht so stürmisch! Sieh dich erst mal an, so gibt’s keine Umarmung.“ Beleidigt schob ich die Unterlippe vor. Allerdings hatte Erd recht. Würde ich mich verdautes Ding mit meinen dreckigen Klamotten an ihn schmeißen, so wäre seine Kleidung nicht länger weiß und strahlend rein. Mittlerweile hatten sich Petra, Auruo und Gunther zu uns gesellt. Levi stand an das Auto gelehnt und reinigte seine Schwerter. Die Begrüßung war herzlich und ich hatte das Gefühl, als hätte ich sie gestern das letzte Mal gesehen. Petra zog scherzhaft an meinem geflochtenem Zopf. „Wie ich sehe, hat dir meine Frisur nicht gefallen“, witzelte sie. Sie blickte auf ihre Hand, an der nun das Blut aus meinen Haaren klebte. Angewidert verzog sie das Gesicht, weshalb ich loslachte. „Komm, wir gehen rein, da kannst du dir die Hände waschen“, schlug ich vor. „Lasst euch nicht zu viel Zeit. Wir sollten schnellstmöglich verschwinden“, ermahnte Gunther. Allesamt stimmten wir ihm zu. „Ok, ich geh aufs Dach und halte ausschau“, sagte er und schon war verschwunden. „Dann warte du am Auto, falls ein Funkspruch reinkommt, Auruo“, schlug Petra vor. Auruo meckerte, wackelte aber Richtung Auto davon. Im Haus stieg ich mit Petra die Treppen zum Obergeschoss empor, schubste sie sanft ins Bad und verschloss hinter uns die Tür. „Was hast du denn vor?“, fragte sie skeptisch. „Schau mich an, ich muss dringend duschen“, erklärte ich, während ich mir mein Oberteil über den Kopf zog. „Wolltest du dir nicht die Hände waschen?“, erinnerte ich sie. Daraufhin wandte sie sich von mir ab und trat ans Waschbecken. „Wie kommt es, dass ihr ausgerechnet hier seid?“, fragte ich, während ich das Wasser aufdrehte. Petra setzte sich auf den Klodeckel. „Hanji hat ein Nest unweit von hier ausfindig gemacht.“ „Wo?“, wollte ich wissen. Irgendwo bei Hetta.“ „Das ist wirklich nicht weit. Mich wundert es, dass die Titanen hier oben auftauchen, wo das Land nicht so dicht besiedelt ist.“ „Hast du in letzter Zeit irgendetwas von der Welt mitbekommen, Ivory?“, schoss es aus Petra, dabei schwang ein entgeisterter Ton in ihrer Stimme. „Nö, hab ich denn was verpasst?“ Petra starrte mich ungläubig an. „Das Erdbeben von Nepal?“, fragte sie. „Ja habe ich im Fernsehn gesehen. Das war 2015, stimmt`s?“ „Na immerhin. Das konnte man nicht nicht mitkriegen“, grummelte sie, „Was denkst du, wer dafür verantwortlich war?“ „Die Titanen“, schlussfolgerte ich, wobei meine Stimme belegt klang. „Richtig“, bestätigte sie. „Von dem Rest hast du nichts gehört?“, fragte Petra, „Dem Dammbruch, der Tsunami, das andere Beben?“ „Nein, ich hatte seit ich von Nepal erfahren habe kein Fernsehn mehr geschaut.“ Fassungslos schüttelte Petra mit dem Kopf und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. „Ich wollte eben nichts sehen, dass mich an euch erinnert“, gab ich etwas verärgert zu. Ich drehte das Wasser ab, schnappte mir ein Handtuch, in das ich mich einwickelte, und trat aus der Dusche. „Und dann hat Erwin gerade euch hierher geschickt?“, fragte ich nach. „Nein, Levi wollte es so.“ „Was?“, stieß ich verdutzt aus. Ich lehnte mich an die Zimmertür und verschränkte die Arme vor der Brust. „Hanji hat ihm von dem Nest erzählt. Da hat er bei Erwin den Antrag gestellt, dass wir in diese Gegend kommen“, erklärte Petra. Das wollte ich nicht glauben. Besonders nicht nach der Aktion, die er sich geleistet hatte. Wie konnte er mich hier aussetzen und dann, Jahre später, zu meiner Rettung eilen? Hielt er sich für einen bescheuerten Disney-Prinzen oder was? Die Verwunderung stand mir anscheinend ins Gesicht geschrieben, denn Petra begann seine Tat zu begründen. „Du bist ihm nicht so egal, wie er es nach außen hin ausdrückt.“ Ich schnaubte verächtlich, doch ließ sich Petra nicht von dieser Geste verunsichern. „Seit du nicht mehr da bist, hat auch er sich verändert. Wenn man ihn etwas länger kennt, merkt man, dass ihm etwas fehlt. Ivory, er vermisst dich!“ Gerade als ich widersprechen wollte, klopfte es an der Tür, an der ich lehnte. „Ich unterbreche eure Frauengespräche ja ungern, aber wir sollten uns langsam mal aus dem Staub machen“, drang Erds Stimme gedämpft zu uns vor. Kurz sahen Petra und ich uns kopfschüttelnd an, ehe ich die Tür öffnete. „Hast du etwa gelauscht?“, fragte ich ihn vorwurfsvoll. „Ein bisschen vielleicht“, gab Erd zu, trat dann den Rückzug an. Kapitel 24: Aufbruch -------------------- Kapitel 25 - Aufbruch Ich konnte es nicht leugnen: ich war aufgeregt. Zwei Jahre waren vergangen, seit Levi und ich das letzte Mal Kontakt hatten und unsere Trennung war alles andere als schön gewesen, nun stand er, mit einem Teil seines Trupps, in meinem Wohnzimmer. Lange hatte ich gebraucht, um mich mit der Situation, die er damals geschaffen hatte, zu arrangieren und jetzt warf er alles wieder über den Haufen. Natürlich war es kein Besuch zum Kaffeekränzchen. Er war hier, weil Titanen in meinem Umfeld aufgetaucht waren und er machte nur seinen Job, doch hatte mich Petras Auskunft, er hätte darauf bestanden, er würde mit seinem Team hierher kommen, mich doch irgendwie verunsichert. Allerdings hatten wir weitaus schwerwiegendere Probleme, um die wir uns kümmern mussten. Ich konnte mir zwar noch keine Vorstellung von dem Ausmaß dieser Probleme machen, doch war es klar, dass etwas Großes im Gange war. Das spürte ich. Ein weiteres Mal atmete ich tief durch, versuchte mich zu beruhigen, ehe ich den Raum betrat. Levi stand am Fenster, hatte die Gardine zur Seite geschoben und behielt den Wald im Auge. Kaum war ich in das Zimmer getreten, kam mein Kater aus der Küche angeflitzt. Maunzend verkündete er, wie sehr ihm die gegenwärtige Situation missfiel, denn Kater-Levi war noch nie ein Freund von Gästen gewesen. Zudem war das Tier hochgradig eifersüchtig. Sobald jemand in unserem Haus war, musste er zeigen, dass ich sein Frauchen war und das tat er immer auf seine ganz spezielle Art und Weise. „Oh ist der putzig", rief Petra aus, als sich das Fellknäuel von Katze vor mich setzte. Bestimmend miaute er und sah mich dabei an. Die Aufforderung ihn auf dem Arm zu nehmen, damit ja jeder mitbekam, dass er hier der Chef war. „Nein Levi", warnte ich den Kater mit ausgestrecktem Zeigefinger, wobei ich die verdatterten Gesichtsausdrücke der anderen ignorierte, obwohl der Blick von Mensch-Levi zu köstlich war, denn ich wusste was der Kater plante und genau so, wie ich es befürchtet hatte, kam es auch. Da ich ihm nicht die Aufmerksamkeit schenkte, die ihm seiner Meinung nach zustand, nahm er sie sich einfach. Erst strich er mir schnurrend um die Beine, nur um danach seine Krallen in meine Jeans zu jagen und an mir hochzuklettern. Ich sog scharf die Luft ein und verzog das Gesicht schmerzerfüllt, als er sich über meinen Rücken nach oben zog. Triumphierend thronte er schließlich auf meiner Schulter, wo er seine Stirn an meinen Kopf legte. „Deine Katze heißt Levi?", fragte Erd lachend. „Ja", bestätigte ich, wobei mich der humane Levi anschaute, wie eine Kuh, wenn es blitzt. „Wieso?", wollte Petra wissen. Es amüsierte sie genauso wie Erd, doch versuchte sie sich eher noch zusammen zu reißen und nicht wie ihr Kollege laut aufzulachen. „Na schaut ihn euch mal an", sagte ich und schnippte mit den Fingern neben dem Kopf des Katers. Bedrohlich langsam drehte er das Antlitz, das er bis dato in meinen Haaren vergruben hatte, den anderen zu. Angepisst blickte er ihnen entgegen, als wären sie schäbige Parasiten, die ihm seine kostbare Luft weg atmeten. Schallendes Gelächter brach unter Petra, Erd und mir aus, während Levi, also der ohne Fell, abfällig mit der Zunge schnalze. Plötzlich stand Auruo im Raum. Er wirkte gehetzt und beunruhigt. Augenblicklich verstarb das Lachen und eine greifbare Spannung machte sich im Zimmer breit. „Eben kam ein Funkspruch von Mike“, sprach er sogleich los, „Er sagt es stinkt!“ Unverzüglich kam Bewegung in die Runde. Auruo flitze gefolgt von Levi nach draußen, während Petra mein Handgelenk packte und den anderen folgte, wobei sie mich hinter sich her zog. Kater-Levi hatte Mühe sich auf seinem Platz zu halten, weswegen er seine Krallen in mein Fleisch bohrte. Schmerzerfüllt sog ich die Luft ein und wollte ihn von meiner Schulter auf den Arm nehmen, da wurde er von mir gehoben. Erd hielt ihn fest im Griff und trug ihn mit nach draußen. Kaum waren wir ins Freie getreten, rief Gunther vom Dach: „Eine Zwölf-meter-Klasse auf neun Uhr!“ Ich wusste nicht recht wie mir geschah, als Petra mich zu dem schwarzen Van zerrte. Dabei passierten wir meinen Rucksack, den ich zuvor achtlos Richtung Garage geschleudert hatte. Im Vorbeigehen schnappte ich ihn und warf ihn mir über die Schulter. Erd drückte mir den Kater in die Hand, bevor er nach den Controllern seiner 3D-Manöver-Ausrüstung griff und sich zu Gunther hinauf beförderte. Wir erreichten das Auto, als Levi, der bereits auf dem Fahrersitz platz genommen hatte, den Motor startete. Auruo öffnete die Schiebetür für Petra und mich, schmiss sie direkt hinter uns zu, sobald wir mit einem großen Satz im Wagen gelandet waren, und schwang sich selbst auf den Beifahrersitz. Er hatte die Tür noch nicht geschlossen, da fuhr Levi mit durchdrehenden Reifen los, so dass der Schotter aufflog. „Was ist mit Gunther und Erd?“, fragte ich fassungslos und hielt durch die Heckscheibe Ausschau nach ihnen. „Sie werden schon nachkommen“, sagte Petra und legte eine Hand auf meinen Unterarm. Zweifelnd sah ich sie an und erkannte, dass sie sich, trotz all dem Vertrauen, das sie in ihre Teammitglieder hatte, mit ihrer Aussage selbst nicht so sicher war. Was ging nur vor sich, dass selbst Team Levi, das sonst so kompetent und zuverlässig war, verunsicherte? Abermals blickte ich durch die Heckscheibe. Für einen kurzen Moment erblickte ich mein Haus, Gunther und Erd, die sich auf einen herannahenden Titanen stürzten, ehe der Wald, der mein Grundstück umgab, dieses Bild verschluckte. Ich richtete mein Augenmerk wieder nach vorne. Ein Klos hatte sich in meinem Hals gebildet und ich drückte den Kater fester an meinen Körper. Wir konnten nur hoffen, dass Petra recht hatte. Allerdings blieb nicht all zu viel Zeit, sich um die beiden Männer zu sorgen, denn plötzlich brach ein weiterer Titan durch die Bäume und hätte beinahe den Van von der Straße gekickt. Levi warf Auruo einen Blick zu, woraufhin dieser nickte. „Plätze tauschen, Hunter“, ordnete er direkt an. Überrumpelt starrte ich ihn einen Wimpernschlag lang an. Hatte er mich tatsächlich mit meinem Nachnamen angesprochen? „Was?“ „Quatsch nicht, mach verdammt noch mal platz!“ Auruo schob sich zwischen den Sitzen hindurch nach hinten, um mich aus meinem zu ziehen und mich auf dem selben Weg, wie er ihn nach hinten gekommen war, nach vorn zu befördern. Noch immer verwundert ließ ich mich neben Levi nieder und sah verdattert bei zu, wie Auruo und Petra in gebückter Haltung die letzten Teile ihres 3DM-Sets anlegten. Levi vollführte ein hektisches Ausweichmanöver, denn der Titan versuchte den Wagen zu zertreten, wie man auf eine Ameise oder Spinne trat, die, ekelhaft wie sie war, an einem vorbeikrabbelte, wodurch Auruo das Gleichgewicht verlor und vornüber fiel. „Pass doch auf, du Idiot“, schimpfte Petra, die sich noch halten konnte, aber von Auruo angerempelt wurde. „Scheiße, ich hab mir auf die Zunge gebissen“, heulte dieser auf. „Immer das Selbe mit dir!“ In Windeseile waren sie bereit den Titanen, mittlerweile waren noch mehr aufgetaucht, die nun Jagd auf uns machten, entgegen zu treten. Petra stupste mich an. „Wir sehen uns später“, zwinkerte sie mir zu. Ich wollte etwas erwidern, doch fehlten mir die Worte. In der Zwischenzeit hatte Auruo die Seitentür aufgerissen und schwang sich während der Fahrt hinaus, kurz darauf folgte Petra. Baff sah ich ihnen nach. Solche Stunts kannte ich nur aus Actionfilmen. Respekt! Doch für Menschen, die es mit Menschenfressenden Riesen aufnahmen, war es wahrscheinlich ein Klacks aus einem fahrenden Auto zu springen. Ich erinnerte mich an meine halsbrecherischen Aktionen. Vermutlich kam der Mut zu diesem Handeln von allein, sobald man das Vertrauen ins 3DMG aufgebaut hatte. Jedoch würde ich mir mittlerweile nichts mehr von all dem zutrauen. „Mach die Tür zu“, holte Levi mich aus meinen Gedanken. Ich wusste nicht wohin mit dem Kater, also warf ich ihn Levi auf den Schoss, ehe ich durch die schmale Spalte zwischen den Sitzen nach hinten kletterte. Es stellte sich als mühsam heraus, die Schiebetür zu schließen, denn ich wollte bei diesem Tempo garantiert nicht aus dem Wagen fallen und Bekanntschaft mit dem Asphalt machen. Jedoch meisterte ich meine Aufgabe und atmete danach erleichtert durch. „Schaff mir dieses Katzenvieh aus dem Gesicht“, hörte ich Levi fluchen. Der Kater saß, warum auch immer, auf Levis Kopf und spielte mit einem Zipfel seines Halstuches. Sobald Levi nach ihm Griff, schlug er nach Levis Hand. Prustend lachte ich auf, denn beiden stand der selbe verärgerte Ausdruck ins Gesicht geschrieben. Ich kraxelte wieder auf den Beifahrersitz und nahm Katzen-Levi auf meinen Schoss. „Was machen wir jetzt?“, fragte ich wieder ernst. „Wir fahren ans Nordkapp“, war die schlichte Antwort. Kapitel 25: Nordkapp -------------------- Kapitel 26 - Nordkapp "Zum Nordkapp?" "Ja." "Ernsthaft?" "Ja." "Warum?" "Warum was?" "Warum fahren wir zum scheiß verkackten Nordkapp?" Levi musterte mich skeptisch aus dem Augenwinkel. Er wusste, dass ich dazu neigte zu schimpfen, wenn ich wütend war, dennoch hatte er mich bis dato noch nie so gehört. Ob es noch die Wut auf ihn oder die Hilflosigkeit, die so eine Situation bei den meisten Menschen auslöste, daran schuld an meinem Ausraster waren, oder vielleicht die Kombination aus beidem, vermochte er nicht zu sagen. Konzentriert blickte er wieder auf die Straße, ehe er mir antwortete. "Wir haben dort eine Auffangstation für Flüchtlinge errichtet" "Seid ihr völlig bescheuert?", unterbrach ich ihn fassungslos. Dadurch kassierte ich mir einen bösen Blick von Levi, was mich jedoch völlig kalt ließ. "Na gut, was ist dein Problem?", fragte dieser grade heraus. Du bist mein Problem, hätte ich ihm am Liebsten gegen den Kopf geknallt, aber dem war ja nicht so. Obwohl...eigentlich schon. Kurz ballte ich die Hände zu Fäusten, um nicht direkt wieder in die Luft zu gehen. Als ich die Finger ausstreckte, versuchte ich meine Gedankengänge ruhig und sachlich zu erläutern. "Du hast mir an dem Tag erklärt, dass Titanen sich ohne eine gewisse Helligkeit nicht bewegen, stimmt's?" Ich brauchte nicht erwähnen, welchen Tag ich meinte, denn er wusste auch so, dass ich den Tag meinte, an dem wir uns kennengelernt hatten. Der Tag, an dem er mich mehrfach vor den Titanen gerettet hatte. Ich schaute auf meine Hände, die von Narben übersät waren. An diesem Tag, als Levi mich aus dem Auto gezogen hatte, hatte ich nach Halt gesucht und mir dabei die Scherben der zersprungenen Fensterscheibe in die Hände getrieben. Nun erinnerten sie mich jedes Mal von Neuem, an diese Zeit. "Richtig", bestätigte Levi. "Nun sind wir hier oberhalb des Polarkreises, was heißt, dass im Sommer zu einer bestimmten Zeit die Sonne nicht untergeht. Kurz gesagt: 24 Stunden Sonnenlicht", erklärte ich. Dabei sah ich, wie Levi nachdenklich die Augenbrauen zusammenzog. Anscheinend kam ihm ein Gedanke, worauf ich hinaus wollte. "Umso weiter im Norden, desto mehr Sonne. Wäre es da nicht angebrachter Richtung Süden zu ziehen, wo die Sonne untergeht und man zumindest für einen kleinen Zeitraum am Tag Ruhe vor den Biestern hat?", gab ich zu bedenken. "Im Süden gibt es aber vermehrt große Menschenansammlungen, als im Norden und wie du weißt zieht das die Titanen ebenso an", erläuterte Levi. "Und was ist dann bitte eine Flüchtlingsauffangstation?", hinterfragte ich. Er sah mich an und ihm dämmerte, was das hieß. "Scheiße", zischte er. Es wurde still zwischen uns, denn jeder hing seinen eigenen Gedanken hinterher. "Dennoch sollten wir dorthin fahren", durchbrach er das Schweigen. Er stoppte den Wagen und sah mich an. Als ich nichts erwiderte fuhr er fort: "Das ist die nächstmögliche Gelegenheit von hier weg zu kommen. Erwin hat Schiffe und Hubschrauber organisiert, die die Menschen von dort wegbringen. Was anderes bleibt uns nicht. Oder willst du am nächsten Flughafen ein Flugzeug klauen und kurzschließen?" "Wo werden die Menschen hingebracht?", wollte ich von ihm wissen. "Es wurden einst Mauern erschaffen, die hoch genug sind, um Menschen vor den Titanen zu schützen." City of Hope Ich erinnerte mich an den Foreneintrag, den ich damals gelesen hatte. "Dort ist genügend Platz für so viele Leute?" "Nein, deswegen sollten wir zu Erwin, weil dann bekommst du ganz sicher einen Platz. Einen guten vielleicht sogar noch", dabei sah er nach vorne, wo in der Ferne eine Kreuzung lag. Ich versuchte die Informationen zu verarbeiten. Es gab eine Schutzvorrichtung für die Menschen, jedoch würden nicht alle Platz darin finden. Das hieß, dass viele Sterben würden. Einfach so. Wie Vieh. Den Wölfen zum Fraß vorgeworfen. Dann realisierte ich, was er zum Schluss gesagt hatte. "Du kommst nicht mit?" "Ich werde mir vor Ort ein Team zusammenstellen und nach weiteren Überlebenden suchen", sagte er. "Weitere Überlebende?" "Es tauchen immer mehr Nester auf, wir können die Zahl der Titanen nicht mehr in Schach halten. Wir evakuieren gerade die Weltbevölkerung." Ich war sprachlos. Zwar hatte ich mir schon gedacht, dass etwas im Argen lag, doch hatte ich mir die Situation nicht so schlimm vorgestellt. "Die Titanen erobern so zu sagen gerade die Welt?", fragte ich, was sich in meinen Ohren komplett bescheuert anhörte. "Es scheint so." Wieder schwiegen wir. "Dann fahr da vorne links", wies ich ihn schließlich an und deutete auf die Kreuzung vor uns. Levi sah mich verständnislos an, denn im Prinzip war es die falsche Richtung. "Rechts kommen wir nach Hetta und Petra meinte, dass Hanji dort ein Nest ausfindig gemacht hat. Ich denke, wir sollten es umfahren", erklärte ich. Es schien, als würde Levi noch immer zweifeln. "Glaub jemanden, der schon seit Jahren hier lebt und nicht dem Navi. Das hat doch keine Ahnung", motze ich nun. Amüsiert sah er mich an, ehe er den Gang einlegte und weiter fuhr. Die weitere Fahrt verlief größtenteils schweigend. Levi konzentrierte sich auf die Straße, während ich Kater Levi, der sich auf meinem Schoß zusammengerollt hatte, kraulte und aus dem Fenster sah. Dabei beobachtete ich, wie die Landschaft sich immer mehr veränderte. Dominierten zu Beginn unserer Fahrt noch die Wälder, so machten sie, sobald wir das Dreiländereck Kilpisjärvi passiert hatten, immer mehr den steinigen Hügeln von Norwegen platz. Mittlerweile fuhren wir an der Küste entlang. Während sich auf der einen Seite des Autos die Berge, auf deren Spitze teilweise noch Schnee lag, entlangezogen, rauschte auf der anderen Seite das arktische Meer. Ich liebte Norwegen für diese atemberaubende Anblicke und versuchte diese Aussicht zu genießen, was mir jedoch nicht so wirklich gelang. Dafür arbeitete mein Kopf zu sehr. "Wir sollten bald da sein", informierte Levi mit einen Blick auf das Navigationsgerät. Ich sah erst zu ihm, dann zu dem Gerät und schließlich wieder aufs Meer. Mir schlug das Herz bis zum Hals und mir war schlecht vor Aufregung. "Den solltest du gut verstauen. Die Einfuhr von Tieren ist nicht erlaubt." Levi deutete auf den Kater. Ich nickte und griff nach meinem Rucksack im Fußraum. Ich räumte alles raus, außer einen Pullover und den Beutel mit dem Geld. Dann nahm ich den Kater und hob ihn vorsichtig in den Rucksack hinein. Er sah mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank, da ich langsam den Reißverschluss zuzog, nicht ohne ein kleines Luftloch für ihn zu lassen. "Danke", meinte ich. Levi sah mich kurz irritiert an. "Dafür, dass du mir das mit dem Kater gesagt hast. Das hättest du nicht tun müssen." "Noch habe ich dich nicht verpetzt", entgegnete er. Vor uns tauchten Fahrzeuge auf, die in einer Schlange zu stehen schien. Beide Fahrbahnen waren dadurch blockiert. "Natürlich keine Rettungsgasse! Diese Idioten", fluchte Levi. Da konnte ich ihm nur zustimmen. Überall, sei es auf der Autobahn während eines Staues oder hier, waren die Menschen unfähig etwas an den Straßenrand zu fahren, um eine Rettungsgasse bilden, damit Fahrzeuge des Rettungsdienst oder der Polizei ungehindert hindurch fahren konnten. Levi parkte den Wagen und schaltete den Motor aus. "Wir müssen wohl laufen", stellte er unnötigerweise fest, wobei sein Missfallen nicht zu überhören war. Er schnallte sich ab, stieg aus und ging um den Van herum zum Kofferraum. Ich stieg ebenfalls aus und schulterte den Rucksack. Levi kam mit einem Gewehr in der Hand zu mir. Für die Zeitspanne eines Wimpernschlags starrte ich auf die Waffe, denn sie flößte mir gehörigen Respekt ein. "Kein 3DMG?", fragte ich nach. "Sieh dich mal um. Siehst du hier irgendwo Bäume? Das Set ist unbrauchbar auf ebenen Gelände." Er ließ mich dastehen, als wäre ich die letzte Idiotin. Eingeschnappt schob ich die Unterlippe vor. Ohne ein Wort lief ich zwischen den Autos entlang los. Während wir Richtung Nordkapp marschierten, betrachtete ich die Fahrzeuge. Hier ein Volvo, da ein Mercedes, dort ein LKW und dann noch ein Oldtimer. Eine Interessante Mischung. Doch irgendetwas stimmte nicht, auch wenn ich nicht bestimmen konnte was. Ich sah zu Levi, der auf der anderen Seite des Autos vorbei lief. Er wirkte hochkonzentriert. Sein Blick schweifte rastlos umher, um jegliche Gefahr sofort zu erkennen. Eigentlich hätte es mich beruhigen sollen, so einen erfahrenen Soldat an meiner Seite zu haben, allerdings spannte ich mich immer weiter an. Da wir bergauf gingen, sahen wir nicht, wie weit es noch war und was sich hinter der Bergkuppe abspielte. Aus dem Nichts stieg ein Helikopter in den Himmel auf. Wir blieben stehen und sahen dabei zu, als sich plötzlich noch etwas anderes erhob. Ein Titan tauchte auf, sprang in die Luft und schlug, einem Volleyballspieler am Netz gleich, den Helikopter Richtung Boden. Der Hubschrauber explodierte beim Aufprall und eine dichte Rauchwolke, gespickt von Flammen, stieg von ihm auf. "Scheiße, ich glaub, da war Erwin drin", vernahm ich es von Levi. Ruckartig wandte ich ihm den Kopf zu. Noch nie hatte ich ihn so fassungslos gesehen. Seine Augen waren weit aufgerissen, während er versuchte, das Geschehene zu verarbeiten. In diesem Moment fühlte ich mich so schwach, so hilflos, so verloren. Unsere Hoffnung war eben vor unseren Augen in die Luft gegangen. Ein Aufschluchzen konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht unterdrücken, während ich ein stummes Gebet gen Himmel schickte. Der Titan wandte sich in unsere Richtung. Sein Interesse schien geweckt, den er stampfte auf uns zu. Levi stand noch immer regungslos da und starrte ungläubig auf das Wrack. "Levi", versuchte ich seine Aufmerksamkeit zu erlangen, doch reagierte er nicht. "Levi!" Munter kam der Titan immer näher. Ich eilte zu Levi, zerrte an seinem Arm, bekam ihn allerdings keinen Millimeter bewegt. "Levi", schrie ich hysterisch, nur schien er noch immer in seiner Starre gefangen. Panisch blickte ich zu dem Titanen, der die Autos unter seinen Füßen zerquetschte , als wären sie aus Pappe. Dabei entdeckte ich den LKW mit dem Propantank auf dem Anhänger. Eine Idee ploppte in meinem Kopf auf und ich verschwendete keine Zeit mit überlegen. Ich hatte es mal in einem Actionfilm gesehen und hatte keine Ahnung, ob es auch wirklich funktionieren würde, doch war es einen Versuch wert. Mit einem Mal riss ich Levi das Gewehr, dessen Gurt er sich umgelegt hatte, von der Schulter. Das schien ihn wieder ins Hier und Jetzt zu holen. "Was?", fragte er, als ich die Waffe ansetzte und losfeuerte. Die Kugel schoss in den Gastank, welcher lautstark explodierte. Der Druck der Explosion war so stark, dass er nicht nur Levi und mich von den Beinen riss, sondern auch den Titanen. Als ich mich aufrichtete, klingelte es in meinen Ohren. Ich steckte einen Finger in meinen rechten Gehörgang, doch minderte das den Tinnitus keineswegs. Levi kam zu mir gestolpert, packte meinen Oberarm und zog mich auf die Füße. "Schnell", befahl er und wir rannten los. Auf dem Weg zurück zum Auto sorgte ich mich um Kater-Levi, der in dem Rucksack ordentlich durchgeschüttelt wurde. Wir erreichten den Wagen und rissen zeitgleich die Türen auf. Sofort startete Levi den Motor, schaltete in den Rückwärtsgang und gab Vollgas. Nach einigen Metern lenkte er stark ein, während er in der selben Sekunde die Handbremse anzog. Das Auto schleuderte einmal um 180° herum. Levi knallte den Vorwärtsgang rein und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Kapitel 26: Haus am See ----------------------- Kapitel 27 - Haus am See Levi steuerte den Wagen über die langgezogene grade Straße durch die Tundra des Nordens. Den Kater hatte ich derweil aus dem Rucksack befreit. Nun saß er schmollend auf der Rückbank und schenkte mir einen seiner mörderischen Blicke. Selbst wenn ich nach vorne aus der Windschutzscheibe sah, spürte ich seinen Blick auf mir ruhen. Gruseliges Tier dieser Kater. Eine Bewegung zu meiner Linken ließ mich meine Aufmerksamkeit dorthin verlagern. Levi rieb sich die geröteten Augen und versuchte ein Gähnen zu unterdrücken. Ich fragte mich, wann er das letzte Mal geschlafen hatte. Vor kurzem war ich für etwa eine Stunde eingeschlafen. Zwar war ich dadurch nicht komplett wieder hergestellt, aber immerhin etwas erholt. Das Pfeifen in meinen Ohren war dadurch auch besser geworden. Noch immer betrachtete ich Levi, der sich sichtlich alle Mühe gab nicht einzuschlafen. Mir war auch schon aufgefallen, dass er mit dem Auto des öfteren gefährlich nahe an den Straßengraben kam. Irgendwie hatte ich schon Mitleid mit ihm. Obwohl er das nicht verdient hatte! Ja, ich war noch immer sauer auf ihn. „Halt an", bat ich ihn ruhig. Aus müden Augen blickte er mir entgegen. „Ich kann noch fahren", teilte er mir mit kratziger Stimme mit. Ja klar. Männer und ihr bekloppter Stolz. „In den Straßengraben vielleicht", zickte ich ihn an. „Also halt an." Er war selbst zum Kontern zu müde, weshalb er anhielt und mich ungeduldig ansah. Fehlte nur noch, dass er die Arme ausbreitete und 'tadaa' rief. Wenigstens war er so vernünftig und fuhr in seinem Zustand nicht weiter. Ich stieg aus und ging um den Wagen zu der Fahrertür, die ich sogleich öffnete. „Los, raus", forderte ich. Levi schaute drein, als hätte ich nicht mehr alle Latten am Zaun. Da er sich nicht bewegte, kletterte ich in den Wagen und versuchte ihn dazu zu bringen rüber zu rutschen, indem ich seinen Hintern mit meinem vom Sitz verdrängte. Er merkte, wie ernst ich es meinte, schnalzte mit der Zunge, ehe er sich auf den Beifahrersitz schwang. Streng sah ich ihn an. „Jetzt mach die Augen zu und ruh dich aus." „Bei deinem bekloppten Fahrstil kann ich mich nicht entspannen", bemerkte er. „Ach halt die Klappe", fauchte ich, als ich losfuhr. Es dauert nicht lange, da war er eingeschlafen. Mit der Zeit veränderte sich erneut die Landschaft. Es standen immer mehr Bäume entlang der Straße und die Tundra wich allmählich der Taiga. Levis leises Schnarchen lullte mich schleichend ein. Auch Kater Levi hatte sich auf der Rückbank zusammengerollt und schnurrte beruhigend vor sich hin. Meine Augenlider wurden schwer und fielen immer wieder für den Bruchteil einer Sekunde zu, ehe ich sie schlagartig wieder aufriss. Inzwischen waren wir wieder in einer Gegend, in der ich mich gut auskannte. Ich hatte schon eine Idee für einen Unterschlupf, doch waren es noch einige Kilometer bis dahin. Levi öffnete indessen die Lider. „Wo sind wir?", fragte er, nachdem er die Umgebung gemustert hatte. „Etwas nordwestlich von meinem Zuhause", berichtete ich. Plötzlich begann der Wagen zu stottern, bevor der Motor keuchend den Geist aufgab. Ich blickte zu Levi, der aussah, als würde er mir gleich an die Gurgel springen. „Sag mir nicht, dass das jetzt war ist", drohte er. Prüfend lugte ich auf den Bordcomputer, der anzeigte, dass der Tank keinen einzigen Tropfen Benzin mehr enthielt. „Äh doch." „Scheiße, warum warst du nicht tanken?", fuhr er mich an. „Scheiße, warum warst DU nicht tanken? Keine Ahnung warum die Tankanzeige nichts gesagt hat, sonst weist doch auch ein Lämpchen darauf hin, dass der Tank bald leer ist", schnauzte ich zurück. „Wo ist die nächste Tankstelle?", wollte Levi wissen. „Ich schätze so 50Km von hier", überlegte ich laut. „Was?" „Hallo, du bist hier in Lappland! Da kannst du froh sein, dass du im Umkreis von 50Km überhaupt eine Ortschaft mit einer Tankstelle hast." Er griff sich an die Stirn und knurrte etwas unverständliches. Kurz drauf stieg er aus und knallte die Tür lautstark zu. Durch den Luftstoß wurde das Pfeifen in meinem Ohr wieder lauter, weshalb ich einen Finger in den Gehörgang steckte, allerdings ohne eine Besserung zu erzielen. „Da kann das Auto jetzt auch nichts dafür", ermahnte ich ihn, was eigentlich totaler Schwachsinn war, denn hätte die Tankanzeige richtig funktioniert, säßen wir jetzt nicht in diesem Schlamassel. „Halt den Schnabel!" Eingeschnappt verschränkte ich die Arme vor der Brust und plusterte die Wangen auf. Dann löste auch ich den Sicherheitsgurt und verließ das Fahrzeug. Ich öffnete die hintere Schiebetür und zog den Kater vom Rücksitz. Dieser murrte genauso, wie sein Namensvetter, weshalb ich ihn auf der Straße absetzte. Die Beiden hatten sich doch gegen mich verschworen. Der menschliche Verräter wühlte im Kofferraum, was mich dazu veranlasste mal nachzuschauen, was er da tat. „Hier." Sobald ich neben ihm aufgetaucht war, drückte er mir ein Harness für die 3D-Manöver-Ausrüstung in die Hand. Ohne ein Widerwort legte ich es an, sowie alle anderen Einzelteile des Sets. Levi überprüfte alles noch einmal, dann machte auch er sich bereit. „Ich kenne einen Platz, wo wir uns erstmal zurückziehen könnten", eröffnete ich ihm, während er seine Ausrüstung überprüfte. „Wie weit?", fragte er, ohne mich anzusehen. „Anderthalb bis zwei Stunden Fußweg." „Dann geh voran", forderte er mich auf, wobei er mich nichtmal ansah, sondern ein einem seiner Riemen werkelte. Ich zog die Mundwinkel nach unten, sagte jedoch nichts, sondern ging los. Mal wieder schwiegen wir uns an. Ich ging vorweg, während Levi mit geringem Abstand folgte. Der Kater wuselte indessen umher. Zwischendurch verschwand er im hohen Gras, tauchte jedoch immer wieder auf. Wir waren schon eine ganze Weile unterwegs und ich schätzte, dass wir bald da sein würden. Aprubt blieb ich stehen. Ich erinnerte mich, dass nicht weit entfernt von der kleinen Ferienhäusersiedlung, zu der wir gerade unterwegs waren, auch eine kleine Ortschaft lag. Nur viel mir nicht mehr ein wie weit. Dabei überlegte ich, was sinnvoller wäre: Die Siedlung aufsuchen, um überhaupt einen Unterschlupf zu haben, an dem man Kräfte sammeln kann oder gleich ins Dorf starksen und dort alles weitere planen, wie zum Beispiel einen fahrbaren Untersatz zu besorgen und ähnliches. „Du machst gerade nicht den Eindruck, als wärst du ein professioneller Tourguide. Weißt du überhaupt wo wir sind?", ertönte es aus heiterem Himmel hinter mir. Ich griff nach kleinen Steinen und Dreck, der am Straßenrand lag, und schleuderte es Levi entgegen, während ich mich zu ihm umdrehte. "Du bist so ein Vollhorst", ging ich ihn an, ehe ich auf dem Absatz kehrt machte und davon schritt, wobei ich einen Zahn zulegte. „Da musst du jetzt nicht so ein Zickentheater machen." Ich hob beide Hände an und zeigte ihm die Mittelfinger. Wenn das seine Art war, mit dieser Situation umzugehen, dann riskierte er ganz großen Ärger. Er verhielt sich still, da nunmehr ein großer See zu unserer Linken auftauchte. Ich bog auf einen schmalen Schotterweg ab, welchem wir folgten, bis wenige Holzhütten zum Vorschein kamen. Es war eine Siedlung von Wochenendhäusern, die die meiste Zeit leer standen. Durch die Touren, die ich die letzten Jahre geguidet hatte, kannt ich diese Häuser und wusste, dass sie recht gut ausgestattet waren. Vor einem der Häuser blieb ich stehen. „Das ist es?", wollte Levi wissen und musterte das typisch nordische Gebäude. Ein Holzhaus, das auf einer Art Podest stand und dessen Außenfassade im typischen Falunrot gestrichen war. „Mökki, nennt man das hier", klärte ich ihn auf. „Gut, dann mach mal Platz, ich schieße das Schloss auf." Er nahm das Gewehr, das er aus dem Auto mitgebracht hatte, zu Hand und zielte auf das Türschloss. „Warte", hielt ich ihn auf, „das ist hier nicht nötig." Irritiert ließ er den Lauf des Gewehres sinken. „Man lebt hier oben nach dem Prinzip der offenen Tür", erwähnte ich und schritt die drei Stufen zur Veranda hoch. Mit der rechten Hand umfasste ich die Türklinke, die sich ohne Probleme runterdrücken ließ, wodurch die Haustür nach innen aufschwang. „Keiner schließt das Haus ab, damit man rein kann, sollte es ein Notfall sein. Zum Beispiel im Winter, bei einem Schneesturm oder heftigen Minustemperaturen", erklärte ich. „Außerdem leben hier nicht so viele Menschen. Da klaut keiner was.“ Ich gestattete dem Kater den Vortritt und betrat nach ihm selbst das Haus. Durch einen kleinen Vorraum, wo ein Schuhregal aufgebaut war und Haken, an denen man Kleider aufhängen konnte, erreichte man das Wohnzimmer. Es nahm im Prinzip das komplette Untergeschoss ein. Eine offene Küche grenzte daran und unter der Treppe, die wahrscheinlich zu den Schlafzimmern führte, vermutete ich eine Speisekammer. Nach einer kurzen Musterung des Raumes, stieg ich die hölzerne Treppe empor. Als ich oben angekommen auf den Flur trat, machte ich drei Türen aus. Durch die Erste, die ich öffnete, gelangte man in ein geräumiges Badezimmer. Die zweite Tür führte in ein Schlafzimmer mit einem großem Bett. Ich trat ein und entledigte mich meiner Ausrüstung. Freudig maunzend kam der Kater angetippelt und hüpfte sofort auf die weichen Laken. Über das Tier lachend setzte ich mich auf die Bettkante und ließ den Oberkörper zurücksinken. Das Bett war ein Traum. Mir schmerzte durch das lange Sitzen im Auto der untere Rücken, doch auf der weichen Matratze begann ich mich sofort zu entspannen. Levi tauchte im Türrahmen auf und betrachtete mich. „Meins", stellte ich sofort klar und versuchte mich so breit wie möglich zu machen, damit er ja nicht auf die Idee kam, ich würde mit ihm teilen. Er machte einen Zischlaut, ehe er 'mein' Zimmer wieder verließ. Allerdings konnte ich es mir nicht verkneifen aufzuspringen und in sein Zimmer zu schauen. Als er die dritte Tür öffnete und wir erkannten, was sich dahinter befand, verfiel ich in schallendes Gelächter. Es war nicht wie erwartet ein weiteres Schlafzimmer, sondern eine Rumpelkammer, bis oben hin vollgestopft mit Krimskrams. Levis Mundwinkel wanderten nach unten, während sich seine Augenbrauen zusammen zogen und die Augen sich zu Schlitzen verengten. Ich musste mir den Bauch halten, weil er bereits schmerzte vor lauter Lachen. Da blieb ihm wohl nur noch das Sofa, als Schlafplatz. Hach, Schadenfreude ist doch noch immer die schönste Freude. Angepisst rempelte er mich an, als er an mir vorbei zur Treppe ging, die er knurrend hinab stieg. Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und folgte ihm. Er hasste Unordnung, das wusste ich, und dieses Chaos trieb ihn wohl an den Rand des Wahnsinns. Er war durch eine Glastür im hinteren Bereich des Hauses nach draußen getreten. Ich tat es ihm gleich und trat auf die Terrasse, die an dem Haus angebaut war. Ich stieg die Treppe hinab und erkannte einen Holzschuppen neben dem Wohngebäude. Wahrscheinlich eine Garage. Vor mir stand ein weiteres, kleineres Holzhäuschen - die Sauna. Hinter dieser erstreckte sich ein großer See, in den ein langer Steg reichte, auf welchem Levi stand und die glitzernde Oberfläche des Wasser betrachete. Ich ließ Levi schmollen und watschelte zur Sauna. Er war eine moderne Variante, deren Ofen mit Elektrizität betrieben wurde und nicht wie üblich mit Feuerholz. Kurzerhand schaltete den Ofen an und lief zurück zum Haus. Es würde vermutlich eine halbe Stunde bis 60 Minuten dauern, bis sie eine angenehme Temperatur haben würde. In der Zwischenzeit sah ich mich weiter um. In der Garage war ein Haufen Schrott, aber befand ich dort auch ein Quad. Der Schlüssel steckte und der Tank schien auch voll zu sein. Ich drehte den Zündschlüssel und der Motor ließ sich problemlos starten. Zufrieden schaltete ich wieder ab. Das Quad war sicherlich noch nützlich. Im Wohngebäude öffnete ich einen Küchenschrank nach dem anderen, um zu sehen, was sich darin befand. Die Leute, die die Lebensmittel hierher gebracht hatten, waren bestens für einen längeren Aufenthalt ohne einkaufen zu gehen vorbereitet. Alles war vorhanden, außer frische Lebensmittel, wie Fleisch, Obst und Gemüse. Erneut stieg ich die Treppen empor. In 'meinem' Zimmer durchwühlte ich den großen Kleiderschrank, der eine komplette Zimmerwand in Anspruch nahm. Auch hier fehlte es an nichts und soweit ich es überschauen konnte, sollten die Kleider auch passen. Abgesehen von ein paar Teilen, die an Oma Herta erinnerten, dominierten Jeans und T-Shirts. Was brauchte man mehr? Danach verzog mich ins Bad, wo ich mir sogleich die Kleider vom Leib streifte. Ich sprang unter die Dusche und schrubbte mir all den Dreck von der Haut. Als ich mich sauber fühlte, stellte ich das Wasser ab und griff nach einem Handtuch, das ich vorher zurechtgelegt hatte. Darin eingewickelt marschierte ich zur Sauna, nicht ohne Levi über den Weg zu laufen, die mich mit einer angenehmen Hitze empfing, als ich eintrat. Ich löste das Handtuch, legte es auf die Saunabank und setzte mich darauf. Mir war nicht entgangen, wie Levi mir nachgesehen hatte, als sich unsere Wege gekreuzt hatten. Das Wissen, dass mein leicht bekleideter Körper ihn noch immer dazu brachte, mir nachzusehen, bescherte mir ein Lächeln. Ich schloss die Augen und lehnte mich zurück an die warme Holzwand. Kapitel 27: Foxtrot Uniform November Kilo ----------------------------------------- Kapitel 28 – Foxtrot Uniform November Kilo Als ich aus der Sauna kam, fühlte ich mich so müde wie noch nie zuvor, was allerdings kein Wunder war. Ich überlegte, wie lange ich nicht geschlafen hatte. Ungefähr 27 Stunden? Mein Blick glitt über den See, dessen Oberfläche leichte Wellen schlug. Sanft strich mir eine Brise über den Nacken und ließ die Bäume gemütlich hin und her wiegen. Es sah so friedlich aus, dass das Grauen, das wir vor kurzem erlebt hatten, so unwirklich wirkte. Die Bilder der vergangenen Stunden schossen durch meinen Kopf. Bei dem Gedanken an den abgestürzten Helikopter sträubten sich meine Nackenhaare. Ebenso begannen meine Augen verräterisch zu brennen. Im Moment war ich emotional nicht auf dem Höhepunkt. Ich sollte am Besten nicht an so etwas denken, sonst würde ich noch zur Heulsuse mutieren. Eiligen Schrittes ging ich zurück ins Haus. Dort erwartete mich ein anscheinend schlafender Levi auf dem Sofa. Er hatte mir den Rücken zugewandt, weswegen ich nicht genau sagen konnte, ob er wach war oder nicht. Für einen Augenblick betrachtete ich ihn und empfand Mitleid für ihn. Er würde sicher schreckliche Rückenschmerzen haben von dem Nickerchen auf der Couch. Dann auch noch die Ungewissheit, ob Erwin sich wirklich in dem Hubschrauber befand. Zwar hatte ich keine Ahnung von ihrem Verhältnis zueinander, aber ich schätzte, dass Erwin und Levi sich nahe standen. Plötzlich drehte er sich auf den Rücken und sah mich an. „Wie lange willst du noch da stehen und mich anglotzen?", fragte er murrend. „Ich genieße die Genugtuung, dass du auf dem Sofa schlafen musst", gab ich genauso genervt zurück. Levi setzte sich auf und fuhr sich durch die leicht zerzausten Haare. Ich musste zugeben, er sah in diesem Moment verdammt sexy aus, was mein Herz automatisch höher schlagen ließ. „Können wir uns nicht einfach vertragen, bis wir in Sicherheit sind und dann getrennte Wege gehen?", wollte er nun wissen. Verächtlich stieß ich die Luft aus, ehe ich an ihm vorbei die Treppe hoch in mein Zimmer stampfte. Dort ließ ich mich rücklings auf mein Bett fallen. Der Kater, aufgeschreckt durch mein plötzliches auftauchen, machte einen Buckel und fauchte mich an. Gereizt durch Levis zweite Frage, schubste ich das grantige Vieh vom Bett. Sollte er sich doch auf dem Sofa bei dem anderen Stänkerer breit machen, wenn ihm meine Anwesenheit nicht passte. Knurrend verschwand er durch den Türspalt aus dem Raum. Genau zu diesem Zeitpunkt wurde mir mein Verhalten bewusst. Ich legte die Hände vor das Gesicht. Gott, ich war doch sonst nicht so schlimm! Um mich von meinem schlechten Gewissen abzulenken, stand ich wieder auf und wühlte im Schrank nach etwas zum Anziehen. Ich brauchte dringend Schlaf, sonst würde ich wahrscheinlich noch unausstehlicher werden. Kaum lag ich im Bett, lösten sich alle Gedanken auf und machten wirren Traumbildern platz. • Ein schepperndes Geräusch ließ mich aus meinem Schlaf hochfahren. Mit pochendem Herzen lauschte ich, vernahm jedoch keinen Laut. Müde rieb ich mir die Augen, als ich das Katerchen bemerkte, das sich auf meinen Beinen genüsslich reckte. Lächelnd kraulte ich seine Brust und ließ meine Finger durch sein langes, samtweiches Fell gleiten. „Na Schlafmütze, hast du mir verziehen?" Friedliches Schnurren war von ihm zu vernehmen. „Das freut mich." Ich ließ mich zurück in die Kissen sinken, da hörte ich Levis Stimme aus dem unteren Stockwerk, jedoch verstand ich keines seiner Worte. Unterhielt er sich mit jemanden? Angestrengt spitzte ich die Ohren. Nein, aber was redete er da? Von Neugierde gepackt schwang ich die Beine aus dem Bett und tapste Barfuß zur Tür. Geräuschlos öffnete ich diese und lauschte erneut. „One Zero Three Seven Echo Romeo Whiskey India November von Seven Five Nine Zero Lima Echo Victor India, kommen." Ich hatte absolut keine Ahnung, was er da erzählte. Leise stieg ich die Treppe hinab, ging in die Küche und schaute in den Kühlschrank, wobei ich ihm ganz rein zufällig zuhören konnte. „One Zero Three Seven Echo Romeo Whiskey India November von Seven Five Nine Zero Lima Echo Victor India, kommen." Was hatte das zu bedeuten? „Du brauchst nicht so zu tun, als würdest du etwas suchen. Ich weiß, dass du lauschst. Erklär mich nicht für dumm!" Empört schnappte ich nach Luft, um ihm einen deftigen Kommentar an den Kopf zu knallen, besann mich dann eines besseren und schloss den Mund wieder. „Was machst du da?", fragte ich stattdessen, wobei ich mich an die geschlossene Tür des Kühlschranks lehnte. „Ich versuche Erwin zu kontaktieren", antwortete er und lehnte sich ebenfalls auf dem Sofa, auf dem er saß, zurück. Vor ihm auf dem Couchtisch stand ein uraltes Funkgerät. Echo Romeo Whiskey India November Erwin. Na klar, jetzt ergaben seine Worte einen Sinn. „Wo hast du das her?" Ich deutete auf das Gerät, das aussah, als hätte es schon zu Zeiten des zweiten Weltkriegs gelebt. „Aus dem Saustall oben." Wir schwiegen. Levi setze sich wieder vor auf die Kante und nahm das Mikro zur Hand. „One Zero Three Seven Echo Romeo Whiskey India November von Seven Five Nine Zero Lima Echo Victor India, kommen", sprach er hinein und wartete auf eine Antwort. Doch war nur Rauschen zu vernehmen. Er versuchte es erneut, während ich einen Blick auf die digitale Zeitanzeige der Mikrowelle schaute. Es war 2 Uhr in der Früh. Kaum zu glauben, denn draußen war es taghell. Diese Mitternachtssonne, die für Lappland üblich war, konnte einen ganz schön aus dem Rhythmus bringen. Ich sah zu Levi, erkannte die dunklen Ringe unter seinen Augen und fragte mich erneut, wie viel Schlaf er die letzten Tage bekommen hatte. Auf jeden Fall weniger als ich. „Vielleicht solltest du es später noch einmal versuchen. Es ist schließlich mitten in der Nacht", gab ich zu bedenken. „Das Bett oben ist frei. Eine Mütze voll Schlaf würde dir sicherlich gut tun." Dabei vermied ich es ihn anzusehen und wendete einen Magneten, den ich zuvor von der Tür des Kühlgeräts gepickt hatte, in meiner Hand hin und her. Als ich schließlich doch zu ihm aufsah, traf mich die Intensität seines Blickes so heftig, dass ich nach Luft schnappte. „Hast du dich wieder eingekriegt?", fragte er, während er mich skeptisch musterte. „Ein wenig vielleicht", gab ich zu. Für einen weiteren Atemzug hielt ich seiner Musterung stand, dann richtete er sich ohne ein weiteres Wort auf und verschwand nach oben. Ich hingegen machte mich auf die Suche nach etwas essbarem. Später stand ich vor dem Bücherregal und suchte nach einem Buch, das weder Krimi, Psychothriller oder Horrorgeschichte war. Dafür war mein Leben schon genügend abenteuerlich. Da stach mir ein Exemplar ins Auge. „Oh hallo Mr. Grey", raunte ich, als ich es zur Hand nahm. Eine komplizierte Liebesgeschichte mit viel Anfassen würde mich sicher gut von meiner ablenken. Ich schlug die ersten Seiten auf und begann zu lesen, während ich mich langsam auf das Sofa zu bewegte. Als ich mich darauf sinken ließ und gegen die Kissen lehnte, strömte mir Levis Duft entgegen. Es roch nach Seife, frisch gewaschener Wäsche und ein Hauch von Moschus. Mit geschlossenen Augen atmete ich tief ein und dachte an die Zeit zurück, in der Levi mein Mr. Unglaublich war. Wie eine Katze, rollte ich mich zusammen und bei dem Gedanken an zarte Küsse und sanfte Liebkosungen döste ich glatt ein. • Während ich von vergangenen Tagen träumte, senkte sich die Sitzfläche neben mir und Finger strichen mir einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Schlagartig öffnete ich die Augen. Neben mir saß Levi, der mich beobachtete. „Ich wollte dich nicht wecken", sagte er fast schon entschuldigend. „Schon gut", krächzte ich und richtete mich auf. Ich fühlte mich in Gegensatz zu vor meinem Nickerchen wie von einem LKW überrollt. „Kann man sich auch müde schlafen?", fragte ich mit quengelnder Stimme. „Dein Körper braucht den Schlaf. Du bist die ganze Aufregung nicht gewohnt", erklärte Levi schlicht. Dabei werkelte er wieder an dem Funkgerät, drehte an Reglern, drückte Knöpfe und legte Schalter um. „One Zero Three Seven Echo Romeo Whiskey India November von Seven Five Nine Zero Lima Echo Victor India, kommen." Kurz sah ich ihm dabei zu, schnappte mir dann aber wieder das Buch und las weiter. „50 Shades of Grey? Solchen Mist liest du?", fragte er, als würde er an meinem Verstand zweifeln. Ich gab ein bestätigendes Geräusch von mir, ging aber nicht weiter auf ihn ein, weswegen er sich dem Gerät vor ihm wieder zu wandte. „Was ist, wenn Erwin sich meldet?", durchbrach ich die Stille nach einiger Zeit. „Was wohl Dummerchen? Wir lassen uns abholen." „Und wenn du ihn nicht erreichst?" „Dann müssen wir uns auf eigene Faust durchschlagen." Ich dachte über seine Worte nach. Dann sprang ich ruckartig vom Sofa auf und ging zum Bücherregal, wo ich einen Atlas zwischen den Büchern hervor zog. Suchend blätterte ich darin umher, bis ich schließlich eine Finnlandkarte auf den Küchentisch legte. Levi erhob sich ebenfalls und trat neben mich. „Wir sind jetzt hier", ich deutete auf eine Stelle nahe der schwedischen Grenze, „wo stehen diese Mauern?" Er blätterte einige Seiten um, bis er die entsprechende gefunden hatte. „Hier", sagte er und zeigte auf ein Gebiet in Süddeutschland. „So weit weg?", rief ich ungläubig aus. „Falls ich keinen Kontakt zu Erwin herstellen kann", er blätterte zurück zur Finnlandkarte, „besorgen wir uns ein Auto, fahren nach Helsinki und setzen dort mit der Fähre über." Mit dem Zeigefinger zeichnete er die Strecke nach, schlug die Deutschlandkarte auf und zeigte auf den Punkt, wo anscheinend die Fähre ankommen würde. „Dann ist es nicht mehr all zu weit. Ich schätze, wir brauchen drei Tage." Konzentriert betrachtete ich die Karte. „Ich denke, wir sollten über Schweden fahren", warf ich schließlich ein. „Das wäre ein großer Umweg", gab Levi zu bedenken. „Ja, aber schau mal", ich öffnete die Schwedenkarte, „von Schweden aus haben wir mehr Möglichkeiten nach Deutschland überzusetzen. Stell dir mal vor, die Fähre von Helsinki aus fährt nicht. Was bleibt uns dann noch?" Ich zeigte auf Trelleborg, südlich in Schweden. „Von hier geht eine Fähre." Nun deutete ich auf Helsingborg, südwestlich in Schweden. „Hier ebenfalls." Als nächstes auf Malmö, südlich von Helsingborg. „So wie von hier. Außerdem gibt es noch zwei Brücken: Die Öresund und die Storebaelt, die von Schweden nach Dänemark führen." Abermals gab ich die entsprechenden Stellen auf der Karte an. Levi, der mich nicht ein einziges Mal unterbrochen hatte, sah mich an und ich glaubte, so etwas wie leichte Anerkennung in seinem Blick lesen zu können. „Gut", lobte er, „nicht schlecht für einen Dummkopf." Meine Augen verengten sich zu Schlitzen. Doch ehe ich etwas erwidern konnte, knackte das Funkgerät und eine Stimme ertönte. „Seven Five Nine Zero Lima Echo Victor India von Four Seven One Nine Mike India Kilo Echo, kommen." Levi stürmte zurück zum Couchtisch und riss das Mikro aus seiner Halterung. Er drückte einen Kopf und sprach: „Hier Seven Five Nine Zero Lima Echo Victor India, kommen." „Hey Levi, wo steckst du?" „Nahe dem Ausgangspunkt", antwortete er. „Scheiße", vernahm man Mikes Fluchen. „Allein?" „Ivory ist bei mir. Hast du etwas von Erwin oder meinen Leuten gehört?" „Von deinem Team weiß ich nichts und zu Erwin habe ich den Kontakt verloren. Sein letzter Funkspruch lautete: worst case. Du weißt was das heißt." „Schlimmster Fall - Jeder auf sich gestellt", sprach Levi die Bedeutung von Erwins letzten Worten aus. Entsetzt legte ich die Hände vor den Mund. Ich hatte das Gefühl mir würde es den Boden unter den Füßen wegzerren. Auch Levi wirkte angespannt. „Hör mal, ich bin mit einer Gruppe Zivilisten unterwegs. Wir sollten spätestens morgen ankommen. Ich tue was ich kann, um euch da raus zu holen", sagte Mike in die Stille, die entstanden war. „Komm erstmal selbst heil an. Ende." „Viel Glück, Mann", verabschiedete er sich. Levi steckte das Mikro zurück in seine Halterung. Als er den Blick hob und mir in die Augen sah, realisierte ich, dass alles, was wir die letzten Tage erlebt hatten, nur der Anfang war. Der Anfang vom Ende der Menschheit. Kapitel 28: Kein Alkohol ist auch keine Lösung ---------------------------------------------- Kapitel 29 – Kein Alkohol ist auch keine Lösung Nervös kaute ich am Fingernagel meines Daumens, während mein rechtes Knie unaufhörlich auf und ab wippte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich auf einen in verschiedenen Blau- und Gelbtönen gestreiften Teppich. Dabei dominierte nur zwei Worte meine Gedanken: worst case. Kurz nach Levis Gespräch mit Mike war er ins obere Stockwerk verschwunden. Seine Gedanken ordnen, hatte er gesagt. Seitdem saß ich auf einem hölzernen Stuhl am Esstisch und verfiel immer mehr meiner Angst. Wir würden es niemals bis nach Deutschland schaffen, geschweige denn die Mauern erreichen. Wir waren zum Tode durch blutrünstige menschenfressende Monster verurteilt. Bilder quälten mich. Vor meinem inneren Auge sah ich erneut den Helikopterabsturz, die Gestalt hinter meiner Mutter auftauchen, das Gemetzel bei dem Austreiben des Nestes, den Tod meines Vaters. Etwas berührte meine nackten Unterschenkel. Mein Herz schien stehen zu bleiben und all mein Blut in den unteren Bereich meines Körpers zu stürzen. Ruckartig sprang ich vom Stuhl und trat einige Schritte weg von ihm. Als ich mich umdrehte, machte ich den Kater unter dem Stuhl aus, der mich mit klopfenden Schwanz ansah. „Scheiße“, stieß ich aus, verärgert über meine eigene Schreckhaftigkeit, und begann im Raum auf und ab zu gehen. Was sollten wir nur tun? Irgendwann fiel mir auf, dass immer die selben Bodendielen mehr nachgaben als andere. Argwöhnisch schob ich den Teppich zur Seite und deckte eine Falltür auf. Sie war so gut wie unsichtbar, da sie aus dem selben Holz wie der Fußboden bestand und sich in keinster Weise vom übrigen Boden abhob. Lediglich die Ritzen um sie herum machten auf sie aufmerksam. Unsicher schob ich die Finger in eine Ritze und zog an der Tür, die sich problemlos öffnen ließ. Ich rechnete schon fast damit, dass mir ein Titan entgegen hüpfen würde, doch nichts geschah. Ich hatte lediglich einen weiteren Raum freigelegt. Es war der Platz, der durch das Podest, auf dem das Haus stand, zwischen Erdboden und dem Haus, welcher ebenfalls als Rumpelkammer genutzt wurde. Finnen sind ja solche Messies. Mit dem Smartphone leuchtete ich nach unten, entdecke eine Angelausrüstung, Campingstühle und weiteren Nippes, den man sich in den Garten stellen konnte. In einer Wand war eine kleine Tür eingelassen, damit man auch von draußen aus diese Kammer erreichen konnte. Kurzerhand stand ich auf, verließ das Haus durch die Terrassentür und ging um das Mökki, bis ich die Tür sah. Sie war nicht mal hüfthoch und durch kein Schloss oder Riegel gesichert. Ich zog sie auf und sah hinein. Licht drang durch die offen stehende Falltür in die Kammer. Da riss etwas meine Aufmerksamkeit an sich. Zwischen all dem Zeugs zog ich eine Flasche Rotwein hervor. „Mh, kein schlechtes Versteck“, murmelte ich. „Ein kleines Glas zur Beruhigung darf ich mir doch sicher gönnen.“ Mit der Flasche in der Hand dackelte ich wieder zurück ins Haus, wo ich die Falltür wieder sorgsam schloss und unter dem Teppich versteckte. In der Küche suchte ich nach einem Korkenzieher, griff mir eine Tüte Chips aus dem Schrank und ging wieder nach draußen. Unter einer alten Fichte, nahe dem See, ließ ich mich ins Gras sinken, öffnete die Chipstüte und zog den Korken aus der Flasche. Da fiel mir auf, dass ich gar kein Glas mitgenommen hatte. „Da wird eh niemand mehr draus trinken“, sagte ich zu mir selbst und nahm einen großen Schluck direkt aus der Flasche. Ich schmeckte seinen vollen und fruchtigen Geschmack und schloss einen Moment genießerisch die Augen. Mit der freien Hand stopfte ich Chips in meinen Mund und ließ meinen Blick umherschweifen. Keine einzige Wolke war am Himmel zu sehen, die Wasseroberfläche glitzerte einladend und eine leichte Brise forderte die Blätter in den Bäumen zum Tanz auf. Lange blieb ich nicht unentdeckt und Meisen gesellten sich zu mir. Ich zerdrückte einige Chips in meiner Hand und schmiss sie ihnen entgegen. Freudig hüpften die Vögel darauf zu und picken die Krümel auf. Da befiel mich die Melancholie. Würde ich jemals wieder in meinem Leben so unter einem Baum sitzen und Vögel füttern können? Ich dachte an mein Leben bevor ich von den Titanen wusste. An all die Reisen, die ich unternommen hatte. Würde ich, gesetzt dem Fall wir würden die Mauern erreichen, je wieder etwas von der Welt sehen? Da realisierte ich, was ich alles verloren hatte. Mein Zuhause, meine Hunde, meine Freunde, meine Familie. Ich würde niemals dorthin zurückkehren können. Nie mehr mit meinen Tieren arbeiten können. Keinen meiner geliebten Menschen um mich haben, denn es gab sie nicht mehr. Mein altes Leben nicht mehr leben können. Plötzlich flatterten die Meisen los und flogen davon. Der Kater war aufgetaucht und machte Jagd auf die Vögel. Allerdings gab er schnell auf und krabbelte stattdessen auf meinen Schoß, wo er sich zusammen rollte. Zärtlich streichelte ich ihn. Falls wir das überleben sollten, würde ich allein sein, denn Levis Aussage nach wollte er getrennte Wege gehen, sobald wir nicht mehr aufeinander angewiesen waren. „Du bist alles, was mir bleibt“, flüsterte ich dem Kater zu, wobei meine Stimme brach und Tränen sich ihren weg über meine Wangen bahnten. Ich nahm noch einen Schluck von dem Spätburgunder. Dann fummelte ich mein Smartphone aus der Hosentasche und sah mir die Bilder an, die darauf gespeichert waren. Ich weiß nicht, wie lange ich so da saß, doch der Flascheninhalt wurde weniger und die Tränen mehr, bis ich Levis Stimme hörte. „Wir sollten aufbrechen“, sagte er, während er auf mich zu schritt. „Du trinkst Wein?“, stellte er unnötigerweise fest, wobei seine Meinung darüber nicht zu überhören war. Es gefiel ihm nämlich gar nicht. „Rum wäre mir auch lieber“, lallte ich. Dabei wendete ich den Blick nicht von dem Display meines Mobiltelefons. Das Handynetz war schon seit unserem Rückzug vom Nordkapp tot, also diente das Gerät lediglich als Erinnerung an eine Zeit, in der die Welt noch in Ordnung war. Zumindest bis der Akku den Geist aufgab. „Ständig muss man auf dich aufpassen, Dummkopf!“ „Ich weiß“, nuschelte ich und setzte abermals die Flasche an. Doch bevor ich sie anheben konnte, wurde sie mir aus der Hand gerissen und Levi feuerte sie in den See. Ich wehrte mich nicht, schimpfte nicht, dazu war ich zu antriebslos. Levi setzte sich neben mich. Auch wenn er nichts sagte und seine übliche ungerührte Miene aufgelegt hatte, spürte ich, wie er innerlich brodelte. „Du kannst mich auch einfach hier sitzen lassen, wenn ich dir zu anstrengend bin“, eröffnete ich ihm. Ungläubigkeit stand in sein Gesicht geschrieben. „Willst du mich verarschen?“ „Wieso soll ich denn hier weg gehen? Es gibt nichts innerhalb der Mauern, weshalb ich dort hingehen sollte. Ich wäre doch nur allein“, sagte ich, den Blick aufs Wasser gewandt. „Da bin ich lieber hier oben einsam.“ „Wie kommst du auf diesen Mist?“, knurrte er. „Du willst mich auch verlassen, wenn wir angekommen sind.“ Ich hörte, wie er mit der Zunge schnalzte. Kurz darauf wurde das Katerchen von meinen Beinen gescheucht. „Du solltest ausnüchtern, bevor wir dieses Gespräch führen“, äußerte er sich genervt, ehe er einen Arm unter meine Knie schob und einen um meine Schultern legte. Bevor ich wusste, was passieren würde, hob er mich hoch und ging mit mir zurück ins Haus. „Was machst du da?“, fragte ich aufgebracht. „Halt einfach den Schnabel!“ Beleidigt schob ich die Unterlippe vor, was er jedoch gar nicht beachtete. Schnell gab ich das Schmollen auf und lehnte meinen Kopf an seine Brust. Deutlich vernahm ich seinen beruhigenden Herzschlag und synchronisierte meine Atemzüge mit seinen. Eine behagliche Vertrautheit vertrieb all meine Zweifel und ließ meinen Geist zur Ruhe kommen. Viel zu schnell erreichten wir das Schlafzimmer, wo Levi mich auf dem Bett ablegte. „Schlaf jetzt“, forderte er mich auf und wandte sich um gehen. Ich hielt ihn am Ärmel zurück. „Bleib bei mir“, bat ich ihn. Er sah mich an und ich meinte in seinen Augen erkennen zu können, wie er mit sich selbst rang. „Bitte.“ „Nein“, wies er mich schließlich zurück. „Magst du mich denn gar nicht mehr?“, fragte ich wie ein dummes kleines Mädchen. Levi setzte sich auf die Bettkante neben mich und strich mir eine Haarsträhne hinter das Ohr. Dabei war er mir so nahe, dass ich von dem Dunkel seiner Augen in den Bann gezogen wurde. „Ich kann meine Finger nicht von dir lassen, Ivory“, erklärte er mir. Vorbei war es mit der Ruhe. Mein Herz schlug wild in meiner Brust und für einen Moment blieb mir die Luft zum Atmen weg. In meinem Bauch flatterte mein Magen ganz aufgeregt, während ein Schauer den Nächsten über meine Haut jagte. „Dann lass sie nicht von mir“, flüsterte ich grade laut genug, dass er es hören konnte. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich, er würde mich küssen und öffnete erwartungsvoll die Lippen, da stand er plötzlich auf. „Du bist betrunken“, erinnerte er mich und riss mir damit die rosa Brille vom Gesicht, „und wir haben im Moment schwerwiegendere Probleme.“ Damit verließ er das Zimmer und ließ mich, zitternd vor Enttäuschung, allein. Kapitel 29: Lockvogel --------------------- Kapitel 30 – Lockvogel Unsanft wurde ich aus meinem Schlaf gerissen, als sich eine Hand auf meinen Mund presste. Der Alkohol hatte mich in einen komatösen Schlaf versetzt, weshalb ich von meiner Umwelt nichts mitbekam. Mit panisch aufgerissen Augen sah ich Levi entgegen, während er einen Zeigefinger auf die Lippen legte. Ich verstand und nickte langsam, wodurch er die Hand von meinem Mund nahm. Danach deutete er mir an, zu ihm zu kommen. Erst da fiel mir auf, dass er vor meinem Bett kniete und den Oberkörper flach auf die Matratze gedrückt hielt. Fast geräuschlos krabbelte ich zu ihm und ließ mich von der Bettkante rutschen. Levi machte ein wenig platz und drängte mich unter das Bett, sobald ich auf dem Boden saß. Auf meinem fragenden Blick hin hielt er nur wieder einen Finger vor die Lippen. Da hörte ich es plötzlich: ein lautes Stampfen, das die Holzdielen unter mir vibrieren ließ. Geschockt presste ich die Luft aus meinen Lungen und schickte ein Stoßgebet gen Himmel. Die Vibrationen nahmen zu und das Poltern der Schritte näherte sich, ehe sie unvermittelt verstummten. Ich drehte den Kopf auf die Seite, sodass ich in den großen Spiegel an dem Kleiderschrank blicken konnte. Was ich darin erkannte, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Eine monströse Fratze lugte durch das Fenster in das Zimmer. Ich biss mir auf die Unterlippe, um nicht vor Entsetzen los zuschreien und blickte wieder auf den Lattenrost über mir. Da legte sich Levis Hand um meine und drückte sie sanft. Nun wandte ich ihm den Kopf zu und sah in seine dunklen Seelenspiegel. Es schien, als würde die Welt still stehen. In diesem Moment, in dem mein Herz wild in meiner Brust hämmerte und das Blut in meinen Ohren rauschte, gab es nur ihn und mich. Keinen Titanen, der vor der Tür stand und uns fressen wollte. Keine menschenfressenden Riesen, die die Menschheit auslöschten. Nur ihn und das mysteriöse Dunkel seiner Augen. Erleichtert atmeten wir auf, als wir vernahmen, wie sich die Schritte wieder entfernten. Wir krochen unter dem Bett hervor und sahen aus dem Fenster. Eine Meute von 5 Titanen hatte sich in der kleinen Wohnsiedlung versammelt. „Wir sollten zusehen, dass wir Land gewinnen", sagte Levi neben mir. „Mach dich bereit." Schon wandte er sich ab und ging die Treppe hinunter. Hastig griff ich nach meiner 3D-Manöver-Ausrüstung und legte sie an. Für die Flucht ausgerüstet stieg ich ebenfalls die Treppen hinab und hockte mich neben Levi, der sich hinter dem umgekippten Essenstisch positioniert hatte. Auch er war bereit das Weite zu suchen. „Was machen wir denn jetzt?", flüsterte ich und spähte über die Tischkante zur Terrassentür, wo gerade ein Paar Füße vorbei stiefelte. „Wir müssen warten, bis sie weiterziehen. Sie haben uns eingekesselt", knurrte Levi ebenso leise. Mit rasenden Gedanken sah ich mich um. Gab es denn gar keinen Ausweg? Was sollten wir nur tun? Da fiel mir plötzlich der Teppich auf, unter dem die Falltür lag. Eine Idee nahm Form in meinem Kopf an. Ich schlich dort hin und schob den Teppich weg, was mir Levis Aufmerksamkeit bescherte. „Was hast du vor?", fragte er skeptisch, während er beobachtete, wie ich die Tür öffnete. „In der Garage steht ein Quad. Wenn du dem Schotterweg folgst und dich links hältst kommst du an einen Wegweiser genau auf der gegenüberliegenden Seite vom See. Warte dort auf mich, wenn's geht", erklärte ich ohne ihn anzusehen. Stattdessen setzte ich mich auf die Kante und schwang die Beine in den niedrigen Kellerraum. Levi hielt mich unsanft am Oberarm zurück. „Ich frage nicht noch einmal", drohte er. Daraufhin wandte ich mich zu ihm um, wodurch ich nun mit den Füßen auf dem Boden der Kammer stand. „Ich werde sie ablen-" „Nein", unterbrach er mich unwirsch. „Was glaubst du denn, was sonst passieren wird?", fuhr ich ihn an. „Die trampeln noch das Haus nieder, während wir hier Däumchen drehen. Allein haben wir gegen sie keine Chance und einfach abhauen wird doch auch nicht klappen. Wer von uns beiden kann sie eher weglocken?" Es schien, als würde er wirklich über meine Worte nachdenken. „Ich will dir nicht noch einmal beim Sterben zusehen", offenbarte er dann. Zum zweiten Mal an diesem jungen Tagen stand meine Welt für einen Augenblick still. Noch nie hatte er seine Gefühle mir gegenüber geäußert, doch gaben diese Worte mir nun eine Vorstellung, was ich ihm bedeutete. Für einen kurzen Zeitraum war ich überwältigt und wie gelähmt. Dann umfasste ich sein Gesicht mit meinen Händen, zog ihn langsam ein Stück zu mir hinunter und küsste ihn. Der Kuss war kurz, allerdings lagen all meine Gefühle für ihn darin. Dabei wurde mir bewusst, wie sehr ich dieses Kribbeln auf den Lippen vermisst hatte, das er bei jedem Kuss bei mir auslöste. Widerwillig löste ich mich von ihm. „Vergiss den Kater nicht", erinnerte ich ihn grinsend, ehe ich auf die Knie sank und zu der kleinen Tür in der Holzwand krabbelte. Mir schlug das Herz bis zum Hals und mein Magen flatterte aufgeregt. Ob es wegen dem Kuss war oder die Angst vor dem Bevorstehendem vermochte ich nicht zu sagen. Langsam schob ich die Tür auf, als ein gigantischer Fuß genau davor auftrat. Nur mit Mühe konnte ich einen Aufschrei verhindern. Ich wartete bis der Titan einige Meter gegangen war, sah mich hastig um, bevor ich aus meinem Versteck flüchtete. Eilig rannte ich zum nächstgelegenen Baum, währenddessen zog ich die Controller für den 3D-Manöver-Apparat aus den Holstern. Es dauerte nur wenige Sekunden, da stand ich auf einem der höchst gelegenen Äste und überblickte die Situation. Allerdings blieb ich nicht lange unentdeckt. Bereits einer der Titanen hatte mir das Gesicht zugewandt und stampfte auf den Baum zu, auf dem ich mich befand. Mal wieder fragte ich mich, was ich an mir hatte, dass ich diese Biester anzog, wie das Licht die Motten. Mit Daumen und Ringfinger im Mund stieß ich einen lauten Pfiff aus, was mir die Aufmerksamkeit aller fünf Titanen einbrachte. Das letzte Mal, als ich den Lockvogel gespielt hatte, wäre ich beinahe ums Leben gekommen. Ich sah diese Erfahrung als eine Generalprobe. Mit einem Klos im Hals beobachtete ich die herannahende Gruppe. Die Generalprobe war damals schief gegangen, also sollte ich nun nichts zu befürchten haben, oder? Ich sah Levi, der durch die Hintertür zur Garage sprintete, unbemerkt von den Menschenfressern. Erleichtert atmete ich auf, als ich das Starten des Motors vernahm. Also war ich nun an der Reihe. Um sie von Levi abzulenken, schoss ich die Anker in den nächsten Baum und schwang mich rüber, in die entgegengesetzte Richtung, in die Levi floh. Einige Zeit pendelte ich schon zwischen den Bäumen hin und her, wobei ich die Distanz zu Levi und dem Haus immer weiter vergrößerte. Noch immer wurde ich von den Fünfen verfolgt. Zu meinem Glück hatte sich keiner von ihnen als Abnormaler entpuppt, sonst hätte ich alt ausgesehen. Mittlerweile schätzte ich, dass ich sie lange genug abgelenkt hatte. Auf einer hohen Fichte wartete ich, bis sie nahe genug herangetreten waren, machte einen großen Bogen um sie und eilte so schnell wie möglich zurück Richtung des Ausgangspunktes. Dabei behielt ich immer den See im Blick, denn ich hatte mich mit Levi auf der anderen Seite verabredet. Der See war dafür, dass er sehr langgezogen war, nicht sonderlich breit. Nun suchte ich nach einer Stelle, an der ich ihn überqueren konnte. Plötzlich brachen unweit von mir die Äste auseinander und ein weiterer Titan tauchte auf. Gut, dass wir die Ausweichmanöver bis zum Erbrechen geübt haben, schoss es mir durch den Kopf, als ich dem Maul ausgewichen war. Der Titan wandte sich um und startete einen weiteren Versuch mich zu fassen zu bekommen. Auch dieses Mal konnte ich ihm entkommen. Da entdeckte ich die passende Stelle um den See zu überqueren. Leider befand sich auf der gegenüberliegenden Seite kein Baum, in dem sich meine Anker verhaken konnten, also warf ich sie in den erdigen Boden aus. Während ich auf den See zusteuerte, machte der Titan einen Satz nach vorne und schnappte mit weit aufgerissenem Mund nach mir. Haarscharf sauste er hinter mir vorbei und biss in einen Baumstamm. Einem Wasserskiläufer gleich fuhr ich über die Wasseroberfläche und hoffte vorher nicht noch unter zu gehen. Rasant näherte sich das Ufer und als ich dort ankam, blieb ich mit den Füßen in der Erde hängen, weshalb ich vorn über fiel. Direkt in Levis Arme. Kapitel 30: Stockholm I ----------------------- Kapitel 31 - Stockholm I Murrend wendete Levi die Straßenkarte hin und her. „Kommst du klar?", fragte ich, während ich den Wagen der Autobahn entlang steuerte. Nachdem wir den Titanen entkommen waren, hatten wir im Nachbarort, welches auch überrannt wurde, ein Auto kurzgeschlossen und fuhren nun Richtung Süden. Levi war den Großteil der Strecke gefahren, pausierte nun und wütete mit der Karte. Er antwortete nicht, ließ die Karte frustriert sinken und sah mich, mehr als nur unfreundlich, an. Bei diesem Gesichtsausdruck wurde mir wieder klar, wieso ich den Kater nach ihm benannt hatte. „Konzentriere du dich auf die Straße", maulte er dann. Ich sagte nichts, hob nur beschwichtigend die Hände, ehe ich das Lenkrad wieder umfasste. Per Knopfdruck schaltete ich das Radio ein und die Kassette wurde zum gefühlten zwanzigsten Mal abgespielt. Der Wagen war bestimmt so alt wie ich und die Musik auf der Kassette sogar noch älter. Summend trat ich aufs Gaspedal, während die Landschaft an uns vorbei sauste. Mittlerweile hatten wir Schweden zur Hälfte durchquert und waren in einer Zone, in der es nachts auch wieder dunkel wurde, nur wollten wir schnellstmöglich Deutschland erreichen, weswegen wir uns kaum Pausen gönnten. „Wir sollten bald Stockholm erreichen", informierte Levi, der anscheinend auf der Karte gefunden hatte, wonach er suchte. „Dort suchen wir nach einer Möglichkeit unsere Gasflaschen aufzufüllen und verschwinden." „Aye Aye Captain", rief ich aus und schmunzelte. Ich erinnerte mich an das letzte Mal, an dem ich ihn so geärgert hatte. Damals waren wir frisch verliebt und die Welt noch ansatzweise in Ordnung. „Wenn wir Stockholm hinter uns gelassen haben, suchen wir einen Unterschlupf für die Nacht. Wir sollten mal wieder in einem Bett schlafen und nicht nur im Auto", sagte er, ohne auf mein Necken einzugehen. „Alles was du willst", bestätigte ich zuckersüß, weshalb er mich kritisch über den Rand der Karte musterte. Ich tat hochkonzentriert, konnte allerdings nicht aufhören zu grinsen. Levi widmete sich wieder der Karte, nicht ohne vorher die Augenbrauen skeptisch zusammen zu ziehen. Unterwegs passierte nicht viel, was eigentlich gut war, denn für einen weiteren Titanenangriff waren wir nicht ausgerüstet, denn uns war das Gas ausgegangen. Dadurch wurde die Fahrt aber recht schnell äußerst langweilig. Ich spulte auf der Kassette hin und her, um mich wach zu halten und etwas anderes zu tun, als nur gerade aus zu blicken. Verkehr gab es keinen. Innerhalb der letzten zwei Tage, die nun schon vergangen waren, seit wir von dem Haus am See aufgebrochen waren, hatten wir vielleicht eine Hand voll anderer Autos gesehen. Auch die Städte und Dörfer, durch die wir fuhren, waren so gut wie unbewohnt. Hier und dort war ein Grüppchen Menschen gewesen, jedoch der Großteil von ihnen war von den Straßen verschwunden. Zwar wollten wir den wenigen Leuten, die wir trafen, helfen, doch hatten wir größere Chancen zu überleben, wenn wir nur zu zweit blieben. Der Kater krabbelte von der Rückbank auf meinen Schoß und lenkte mich somit von meinen Gewissensbissen ab. Er strich mit dem Kopf meinem Unterarm entlang und schnurrte so laut er nur konnte. „Wärst du nicht nur dann so lieb, wenn du etwas von mir willst", nuschelte ich und strich ihm über den Rücken. • „Wir suchen uns ein neues Auto und verschwinden", wies Levi mich an, nachdem wir ein Outdoorgeschäft verlassen hatten, in dem wir unsere Gasvorräte aufstocken konnten. Im Laufschritt eilten wir die Straße entlang und rüttelten an den Türen mancher Autos, um zu schauen, ob sie abgeschlossen waren. Bislang erfolglos. Auch hier war keine Menschenseele zu entdecken. Überall lagen Schutt und Trümmer, die darauf hinwiesen, dass auch hier die Titanen gewütet hatten. Ein süßlicher Geruch lag in der Luft, der von den verwesenden Leichenteile stammten, die gelegentlich auf unserem Weg lagen. „Schau mal dort", deutete ich auf einen Van, der Mitten auf der Fahrbahn stand. Die Türen standen allesamt offen und als wir in den Fahrerraum hinein lugten, steckte sogar - zu unserem Glück - der Schlüssel im Zündschloss. Ich schnallte die Schwertscheiden von meinen Oberschenkeln und verfrachtete sie auf der Rückbank, während Levi Tank und die Reifen prüfte. Danach hielt ich Ausschau nach dem Kater, damit ich ihn ebenfalls ins Auto setzen konnte. „Na los, komm schon her", drängte ich das Katzenbiest, als ich auf ihn zu schritt. Der Kater machte einen Buckel, sträubte das Fell und fauchte in meine Richtung, wobei er seine spitzen Zähne entblößte. Unsicher hielt ich inne, da ertönte ein lautstarker Knall und mir wurde der Boden unter den Füßen weggerissen. Die Erde bebte und ein tiefes Grollen ließ meine Nackenhaare zu Berge stehen. Ich machte Levi unweit von mir aus, der schwankend versuchte zu mir zu gelangen. „Pass auf!", warnte er mich noch, als die Hauswand neben mir zu bröckeln begann. Die Fenster zerbarsten und Glassplitter regneten auf mich hinab, die mir in die Haut schnitten. Ich legte die Arme schützend über meinen Kopf, als mich plötzlich ein brennender Schmerz in meinem Oberschenkel aufschreien ließ. Eine handgroße Scherbe steckte in meinem Fleisch. Kurz darauf erstarb das gewaltige Beben, doch hatte ich das Gefühl, das Nachhallen der Vibrationen in meinem Körper zu spüren. Sofort war Levi an meiner Seite und sah nach meiner Verletzung. Er setzte zu einem Vorwurf an, doch unterbrach ich ihn. „Spar dir deinen Spruch, selbst wenn du auf mich aufpasst tu ich mir noch weh", versuchte ich zu scherzen. Alles andere als Begeisterung stand in sein Gesicht geschrieben, jedoch schnalzte er mit der Zunge und sparte er sich einen Kommentar. Stattdessen nahm er sein Tuch von Hals und knotete es straff oberhalb der Wunde. Er war ebenfalls von haarfeinen Schnitten übersät und voller Staub. „Das wird jetzt schmerzen", prophezeite er und ergriff die Scherbe. Ich nickte und holte tief Luft. Der Schmerz der folgte war kaum auszuhalten. Es brannte höllisch, so dass ich die Zähne fest zusammen biss, um nicht los zuschreien, während ich meine Finger in den Betonboden zu krallen versuchten. Sobald Levi den Splitter entfernt hatte, zog er sein Tuch auf die Wunde, damit es als provisorischer Verband diente. „Alles in Ordnung?", fragte Levi danach mit sanfter Stimme. Dabei umfasste er mein Gesicht mit seinen Händen und wischte mit dem Daumen eine kleine Träne, die ich vor Schmerz verdrückt hatte, von meiner Wange. Ich wär überrascht von der Zärtlichkeit, die er in diesem Moment aufbrachte, weswegen ich stotternd bejahte. „Kannst du aufstehen?", wollte er als nächstes wissen, was ich erneut bestätigte. Er half mir auf und stützte mich, während wir zum Auto eilten. Die Straße war kaum wiedererkennbar. Der Boden war aufgerissen, Straßenlaternen umgekippt und Teile aus manchen Häusern gebrochen. Ein eiskalter Hauch strich über meinen Nacken, der mich dazu veranlasste nach Hinten zu sehen. Geschockt blieb ich mit offenem Mund stehen. Levi stoppte ebenfalls und wandte sich um. Bedächtig langsam erhob sich ein Titan aus einem der Graben, die sich durch die Straßen gefressen hatten, und blickte mit höhnischem Grinsen auf uns hinab. Ungläubig sah ich dabei zu, wie er sich zu voller Körpergröße aufrichtete. „Geh zum Wagen und sieh zu, dass du Land gewinnst", raunte Levi mir zu. Gleichzeitig zog er mich hinter sich. „A-aber", setzte ich zum Widerspruch an. „Verschwinde!" Als ich die Entschlossenheit in seinem Blick erkannte, machte ich auf dem Absatz kehrt und flüchtete hinkend zum Van. Dort blickte ich mich hastig nach dem Kater um. Ich machte ihn unter dem Auto aus, packte ihn unsanft im Knick und warf ihn in den Innenraum. Bevor ich einstieg, sah ich noch einmal zu Levi, der versuchte den Titanen niederzustrecken. Schnell hüpfte ich auf den Fahrersitz und startete den Motor. Erst da fiel mir auf, dass die Heckklappe noch geöffnet war. Also sprang ich wieder nach außen und flitzte zum Kofferraum, um diesen zu schließen, da ich befürchtete sonst den Kater noch zu verlieren. Danach erhaschte ich noch einen Blick auf Levi und blieb wie vom Donner gerührt stehen. Der Titan war an den Drähten, an denen die Anker befestigt waren, hängen geblieben und hatte somit die Anker aus der Fassung gerissen. Bei dem Versuch sich davon zu befreien, schlug der Titan um sich und erwischte Levi. Dieser raste im Sturzflug auf eines der Gebäude zu, durch dessen Schaufensterscheibe er krachte. Geschockt schlug ich die Hände vor den Mund. Es war, als würde mir erneut von den Füßen gerissen werden. Ich verlor all meinen Halt, all meine Hoffnung. Betend fixierte ich mit den Augen das große Loch im Schaufenster, hoffte, dass Levi gleich auftauchen würde, doch nichts geschah. Tränen kullerten über meine verstaubten Wangen, während ich auf die Knie sackte. Ich konnte nicht atmen und ich spürte eine arktische Kälte am ganzen Leib. In meinem Kopf herrschte nur ein Gedanke. Nein! Nun bemerkte der Titan meine Gestalt. Langsam, aber sicher schlenderte er auf mich zu, wobei seine Schritte den Boden erzittern ließen. Augenblicklich erwachte ich aus meinem Schock. Nicht auf die Schmerzen in meinem Bein achtend sprang ich auf die Füße und setzte mich wieder hinter das Steuer des Vans. Es war ein Wagen mit Automatikgetriebe, deshalb schaltete ich auf Drive und gab Gas. Kurz darauf lenkte ich stark ein, wobei ich gleichzeitig bremste, und das Heck schleuderte herum. Schaukelnd kamen wir zum Stehen. Für den Bruchteil einer Sekunde blickte ich den Titan an, trat dann das Gaspedal durch. Der Wagen raste an ihm vorbei und ich hielt auf das danebenliegende Fenster, durch das Levi verschwunden war, zu. Lautstark zersprang das Glas. Durch den Aufprall wurde kein Airbag ausgelöst, weshalb ich hart mit der Stirn auf das Lenkrad knallte. Dann war plötzlich alles schwarz. Kapitel 31: Stockholm II ------------------------ Kapitel 32 – Stockholm II tomp Schmerzen. Höllische Kopfschmerzen und diese Dunkelheit. Dazu das Gefühl kaum Luft zu bekommen. tomp Was war los? Wo war ich? Und wieso brummte mein Schädel so sehr? Warum fühlte dich meine Brust so zugeschnürt an? tomp Flatternd öffnete ich die Lider, kniff sie jedoch ohne etwas von meiner Umfeld erkannt zu haben sofort wieder zusammen, da mich die helle Halogenlampe blendete. tomp Was war das für ein Geräusch? Ein erneuter Versuch die Augen offen zu halten, der sogar gelang. Irritiert musterte ich meine Umgebung, ohne viel zu erkennen. Mein Blick war verschwommen und das Bild wackelte träge. Was war passiert? tomp Zögernd wandte ich den Kopf zu meiner Rechten. Ich befand mich in einem Auto, hing seitlich im Sicherheitsgurt und starrte auf den Beifahrersitz. tomp Ein Tropfen landete auf dem Lederbezug, bahnte sich seinen Weg über den Sitz, wo Sitzfläche und Rückenlehne sich trafen. Dort bildete sich bereits eine kleine Lache. tomp Etwas feuchtes lief mir über die Stirn lief. Wie in Zeitlupe hob ich meine Finger zum Kopf und spürte etwas feuchtes. Als ich das Blut an meinen Fingerkuppen betrachtete, setzte der brennende Schmerz auf meiner Haut ein, der unterhalb meines Haaransatzes hauste. tomp Stöhnend richtete ich mich im Sitz auf. Verwundert erkannte ich, dass ich mit dem Auto in einem Geschäft geparkt hatte. Vor mir waren Regale umgekippt und Verpackungen lagen überall zerstreut. Noch immer verstand ich nicht, was passiert war. Plötzlich machte der Wagen einen Satz nach vorne, wie, wenn man die Kupplung zu schnell los lässt und das Fahrzeug abwürgt. Ich blickte in den Rückspiegel, worin ich sah, wie gigantische Finger versuchten den Wagen zu fassen zu bekommen. In diesem Moment rasten die letzten Augenblicke vor meinem Bewusstseinsverlust wie ein Film an meinem inneren Auge vorbei. Sofort hielt ich Ausschau nach Levi. Dieser war in eines der schulterhohen Regale gekracht und hatte es zu Fall gebracht. Ungeduldig wollte ich den Sicherheitsgurt lösen, doch funktionierte es nicht, denn er klemmte. Von der Verzweiflung gepackt, da das Auto erneut angestupst wurde, suchte ich nach etwas in meiner Reichweite, mit dem ich den Gurt durchtrennen konnte. Im Handschuhfach fand ich ein Taschenmesser und schnitt mich umständlich damit frei. Als ich ausstieg waren meine Knie so weich, dass ich den Halt verlor und unsanft auf dem Boden landete. Kurz tanzten schwarze Punkte in meinem Blickfeld und ich kämpfte gegen eine weiter Ohnmacht an. Ich zog mich an der Fahrertür wieder auf die Beine und hinkte sogleich zu Levi, der noch immer regungslos da lag. „Levi", sprach ich ihn an und rüttelte an seiner Schulter. Keine Reaktion. „Levi!" Abermals ruckelte das Auto. Ich dachte an den Kater, der noch im Inneren sein musste. Unentschlossen sah ich zwischen dem Wagen und Levi hin und her. „Levi!", meine Stimme überschlug sich. Hilfesuchend sah ich mich um. Da entdeckte ich eine Tür auf der gegenüberliegenden Wand. Ich packte ihn unter den Achseln, ächzte unter seinem Gewicht und schleifte ihn zur Tür, wo ich ihn ablegte. Danach humpelte ich zurück zum Auto und riss eine der Hintertüren auf. Der Kater saß unter der Rückbank und sah mich aus großen Augen an. Auf dem ersten Blick sah er unversehrt aus. Ich zog ihn unter dem Sitz hervor und stopfte ihn in seinen Rucksack, was er mit einem grimmigen Knurren kommentierte. Wieder wurde das Auto durchgeschüttelt. Die Finger des Titanen bekamen immer mehr von dem Fahrzeug zu fassen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er es komplett greifen konnte. Also legte ich den Rest meiner Ausrüstung an, ehe sie mitsamt Wagen nach draußen gezogen werden konnte. Gerade noch rechtzeitig entfernte ich mich von dem Van, hastete zurück zu Levi, der sich noch immer keinen Millimeter bewegt hatte. „Levi?" Diesmal war es mehr eine Frage. Ich ging neben ihn in die Knie und bettete seinen Kopf auf meinem Schoß. Dabei fiel mir auf, dass ich keinen Puls bei ihm spürte. Noch einmal suchte ich nach seiner Halsschlagader. Nichts... „Levi, lass mich nicht allein", schluchzte ich nun und suchte an seinem Handgelenk nach einem Puls. Nichts... Zitternd legte ich meine Hände um sein Gesicht. Nun brach der Damm und die Tränen kullerten unaufhaltsam über meine Wangen, wo sie sich mit Dreck und Blut vermischten, ehe sie auf Levi hinab tropften. „Lass mich nicht allein", wiederholte ich flüsternd. Alles in meiner Brust zog sich auf schmerzhafteste Art und Weise zusammen, so dass ich befürchtete zu ersticken. Ungehemmt weinte ich, in der Hoffnung mich so von diesem Schmerz befreien zu können, doch wurde es immer schlimmer. Immer wieder verleugnete ich es in meinem Kopf, verneinte die Tatsache, bat ihn bei mir zu bleiben, schloss die Augen vor der Wahrheit. Doch war der Schmerz so präsent, so unausweichlich, dass ich dem einfach nicht aus dem Weg gehen konnte. Nur was sollte ich nun tun? In solch einer grausamen Welt, die sowieso dem Untergang geweiht war, wollte ich ohne ihn nicht sein. Sollten mich doch diese verdammten Titanen holen. Heftige Schluchzer schüttelten meinen Körper, während die Tränen weiter ihren Lauf nahmen. Urplötzlich fühlte ich eine Berührung an meiner Wange, so als würde mir jemand die Tränen aus dem Gesicht streichen. Schlagartig riss ich die Lider auf und sah in Levis dunkle Augen, die mich wachsam musterten. Ungläubig starrte ich ihn an. Wie konnte er mich so ansehen, so zärtlich berühren, wenn ich doch keinen Puls feststellen konnte? „Wie..? Du warst... Ich hab keinen Puls gefühlt", stammelte ich. Levi schloss die Augen und für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich, er würde sie nicht wieder öffnen. „Selbst die Ärzte finden ihn nicht immer gleich", antwortete er mit belegter Stimme, als er die Lider aufschlug. Ich verstand nicht wirklich, allerdings war ich zu perplex, dass ich seine Aussage nicht hinterfragte. Seine Antwort wäre ohnehin von keiner großen Bedeutung. Das Wesentliche war, ihn nicht verloren zu haben. Mit schmerzverzerrtem Gesicht richtete er sich auf und rieb sich den Hinterkopf. Dann hob er den Blick und sah mich an. „Was ist los, Heulsuse?" Schwungvoll fiel ich ihm um den Hals. „Ich dachte, du wärst", plärrte ich ohne meinen Satz zu beenden. Levi atmete angestrengt durch, ehe auch er seine Arme um mich legte. „Jetzt komm mal wieder runter, mir geht's gut", tröstete er mich, wobei seine Hand über meinen Rücken strich. Sanft schob er mich von sich. „Wir sollten erstmal weg hier, dann kannst du dir die Augen aus dem Kopf heulen." Ich lächelte, während ich mir die Tränen wegwischte. „Klingt gut." Kurz musterte er die Platzwunde an meiner Stirn. Immer verletzte ich mich am Kopf. Ein Wunder, dass ich nicht schon längst bleibende Schäden davongetragen hatte. Mit einem letzten Blick auf den Titan, der den Arm durch das Schaufenster streckte und versuchte uns zu erreichen, traten wir durch die Tür neben uns. Durch einen Flur und eine weitere Tür gelangten wir in eine enge Seitengasse. Von dort aus nutzen wir unsere 3D-Manöver-Ausrüstung, um schnellstmöglich die Gefahrenzone verlassen zu können. Es war ein hartes Stück Arbeit, denn war dieser eine Titan nicht der Einzige gewesen, der aufgetaucht war. Doch waren wir, als wir die Seitengasse verließen, vorbereitet auf einen weiteren Angriff. Immerhin konnten wir einem Kampf aus dem Weg gehen und uns ausschließlich auf die Flucht konzentrieren. Auf einem Haus, ein ganzes Stück von unserem Startpunkt entfernt, machte Levi halt, um die Orientierung zurück zu erlangen. Ich sah zurück in die Richtung, aus der wir kamen. In der Ferne ging die Sonne langsam zwischen den Hochhäusern Stockholms unter. Erleichtert atmete ich auf. Die Nacht zog herauf und würde uns eine Verschnaufpause bieten, die mir äußerst willkommen war. Außerdem bedeutete der Sonnenuntergang das Ende eines weiteren Tages, den wir überlebt hatten. Zudem glaubte ich, dass nun das Schlimmste hinter uns lag. Ich wandte den Blick wieder nach vorn und betrachtete Levis Profil, seine unordentlichen Haare, das Veilchen unter seinem linken Auge, die verdreckte Kleidung. Er würde sicherlich ausrasten, wenn er sich unter anderen Umständen so sehen könnte. Der Gedanke daran ließ mich kichern, was mir Levis Aufmerksamkeit einbrachte. „Was?" „Nichts", winkte ich ab und presste meine Lippen fest aufeinander, um nicht laut aufzulachen, da er genauso grimmig dreinschaute, wie in meiner Vorstellung. Er schnalze mit der Zunge und schaute wieder in die Ferne. Wortlos stellte ich mich neben ihn, verschränkte die Finger meiner Hand mit den seinen, während ich meinen Kopf an seine Schulter anlehnte. Gemeinsam beobachteten wir, wie die Nacht allmählich ihren dunklen Schleier über das Land legte. Die wenigen Lichter und Leuchtreklamen, die noch brannten, waren eine wage Erinnerung an das Leben, das vorher in Stockholm herrschte und wahrscheinlich nie wieder Einzug erhalten würde. Kapitel 32: Du Lümmel! ---------------------- Kapitel 33 – Du Lümmel! Es war bereits mitten in der Nacht, als wir endlich einen Unterschlupf außerhalb Stockholms gefunden hatten, der weit genug entfernt von der Stadt lag. Levi fand einen Erste Hilfe Kasten, mit dem wir uns auf dem Sofa niederließen und gegenseitig unsere Wunden versorgten, die zum Glück nicht all zu schlimm waren. Ich verband gerade Levis linke Hand, als er mich plötzlich innehalten ließ. Mit seiner freien Hand, strich er mir einige Haarsträhnen hinter das Ohr, ehe seine Fingerkuppen sanft den Konturen meines Kiefers folgten. Er legte seine Finger um mein Kinn und berührte vorsichtig mit dem Daumen meine aufgeplatzte Lippe. Ich sah ihm dabei unentwegt in die Augen und hielt Still, selbst als seine zärtliche Berührung schmerzte, denn war die Sehnsucht nach ihm größer als der Schmerz. Langsam beugte er sich zu mir vor, bis schließlich seine Lippen meine streiften. Ich schloss die Augen und genoss den kurzen Moment der Berührung, ehe ich flatternd die Lider öffnete. Seine dunklen Augen glänzten vor Verlangen, was mein Herz höher schlagen ließ. Sachte zog er mich wieder näher an sich und küsste mich erneut. Aus einem Impuls heraus fasste ich in seinen Nacken und vertiefte den anfangs behutsamen Kuss. Sorgsam wanderten seine Finger meinem Hals hinab, über meinen Ausschnitt zum Ansatz meiner Brüste. Er streifte den Träger meines Tops von meiner Schulter und warf meine Haare nach hinten, so dass sie auf meinem Rücken lagen. Dann löste er sich von meinen Lippen und beschrieb eine Spur aus Küssen meinem Hals entlang zu meiner Schulter. Gleichzeitig schob sich seine Hand unter mein Oberteil und machte erst an meinen Brüsten Halt, welche er sofort zu kneten begann. Plötzlich zog er sich von mir zurück, nur um mir das Kleidungsstück über den Kopf zu ziehen. Das Top landete auf dem Boden, direkt gefolgt von meinem BH. Unter seinen heißen Küssen schmolz ich regelrecht dahin, doch meldete sich tadelnd mein Hirn. „Meinst du nicht, wir sollten uns ausruhen, solange es dunkel ist?“, fragte ich, während er mit der Zunge einer meiner Knospen umkreiste. Seine schlanken Finger streichelten meinen Bauch und fuhren dem Bund meiner Hose entlang. „Nicht heute“, raunte er und ließ sich keineswegs beirren. „Aber“, versuchte ich zu widersprechen, da schlüpfte seine Hand in meine Hose und berührte mich an meiner empfindlichsten Stelle. Von der Lust gepackt keuchte ich auf. Levi hielt inne. „Aber was?“, fragte er und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. Schwer atmend und erregt durch seine Berührungen sah ich ihm in die Augen. „Hör bloß nicht auf“, brachte ich hervor, ehe ich ihn stürmisch küsste. Er drückte mich in die Kissen und umkreiste mit angenehmen Druck meine Klitoris, was mich dazu veranlasste ihm meine Beine zu öffnen. Während dem wilden Tanz unserer Zungen, in den wir verwickelt waren, knöpfte ich sein Hemd auf und fuhr mit den Fingernägeln über seine glatte Brust zu seinem Hosenbund. Ungeduldig löste ich auch diesen Knopf und als ich mit der Hand in seine Hose griff, erwartete mich bereits seine beachtliche Erektion. Er knurrte begierig, als ich meine Finger um ihn legte und auf und ab bewegte. Plötzlich biss er mir in die ohnehin schon lädierte Lippe und süßer Schmerz durchzuckte meinen Körper. „Wir sind ganz schön eifrig, mh?“, fragte er und musterte mich belustigt. Röte stieg mir ins Gesicht. „Ist eben lange her“, sagte ich schlicht und sah ihn mit all der Unschuld, die ich in diesem Moment aufbringen konnte, in den Augen an. Seine Seelenspiegel funkelten vor Verlangen, während er sich das Hemd und die Hose vom Leib streifte. „Hat es dir denn so sehr gefallen?“ Er befreite mich aus meiner Hose und küsste die Innenseite meiner Oberschenkel. Ich zitterte vor Erregung. „Hast du das denn schon vergessen?“, wollte ich von ihm wissen, während ich um meine Fassung rang und meine Finger in den Bezug des Sofas krallte. In der Körperregion, der er sich näherte, zogen sich alle Muskeln köstlich zusammen. Mein Blut geriet in Wallung und alles in mir schrie nach um. Bedächtig platzierte er sich zwischen meinen Schenkeln und legte eines meiner Beine über seine Schulter. Er beugte sich zu mir hinab und küsste mich leidenschaftlich. „Zeig es mir nochmal“, hauchte er gegen meine Lippen, während er in mich eindrang. Lustbetont schnappte ich nach Luft. Er schien mich vollkommen auszufüllen, bevor er sich langsam wieder zurückzog, nur im erneut zu zustoßen. Begehren pulsierte durch meine Adern, als er sein Treiben unablässig wiederholte. Dabei stupste seine Zunge spielerisch die meine an. Ich schlang das andere Bein um seine Hüfte und rückte ihn somit näher an mich heran. Das Blut rauschte in meinen Ohren, meine Nervenenden vibrierten und ich befürchtete, mein Herz könnte mir jeden Moment aus der Brust springen. Ich reckte ihm die Hüfte weiter entgegen, um ihn noch tiefer in mir aufnehmen zu können, was mich beinahe um den Verstand brachte. Die Spannung in meinem Unterleib war kaum noch zu ertragen und mein Körper sehnte sich nach der süßen Erlösung. Levi löste sich von meinem Mund, richtete sich etwas auf und umfasste meine Beckenknochen mit seinen Händen. Seine Stöße wurden allmählich immer schneller und härter. Völlig von Sinnen biss ich mir auf die Unterlippe, was erneuten Schmerz meine Nervenbahnen entlang jagte. Unter seinen stetigen Bewegungen bäumte sich mein Körper auf, bereit für die Welle der Leidenschaft, die jeden Moment über mir zusammenzubrechen drohte. Plötzlich entlud sich all die Spannung in mir und all die Lustbläschen, die in meinem Blut tanzten explodierten. Sinnlich stöhnend äußerte ich meine Befriedigung , während Levi ebenfalls abrupt verharrte und sich in mir ergoss. Entkräftet sackte er auf mir zusammen. Er platzierte den Kopf auf meiner Brust und ich konnte spüren, wie mein Herz gegen seine Schläfe hämmerte. Ich fuhr mit den Fingern durch sein samtweiches Haar, während ich versuchte wieder zu mir zu kommen. Gelegentlich zuckte mein Körper von den Nachwehen meines Orgasmus. Zögernd hob Levi den Kopf und sah mich aus verschleierten Augen an. Behutsam hauchte er mir einen Kuss aufs Brustbein, ehe er sich neben mich legte und in seine Arme zog. „Du Lümmel“, stieß ich aus heiterem Himmel aus und schlug ihn scherzhaft auf die Brust. „Du hast mich verführt!“ „Wer war denn voller Eifer und konnte es nicht abwarten?“, fragte er mit hochgezogener Augenbraue, wobei er sich aufsetzte. Ich richtete mich ebenfalls auf und setzte zu einem Konter an, doch gab mir Levi keine Gelegenheit meine Worte auszusprechen, denn er versiegelte unsere Lippen zu einem Kuss. Mit Leichtigkeit bugsierte er mich auf seinen Schoß, ohne den Kuss zu unterbrechen. Seine Hände vergruben sich in meinem Haar und strichen zärtlich über meinen Rücken. Er löste sich von meinen Lippen und liebkoste die empfindliche Haut an meinem Hals. „Und du tust es schon wieder“, wies ich ihn darauf hin, jedoch mit sanfter Stimme. Ich hörte ihn mit der Zunge schnalzen und musste kichern. Also begannen wir von Neuem. Kapitel 33: Öresundbrücke ------------------------- Kapitel 34 - Öresundbrücke Als der nächste Morgen anbrach, fühlte ich mich wie gerädert. Kein Wunder, denn war die Nacht alles andere als erholsam gewesen. Ich schloss die Augen einen Augenblick und träumte mich einige Stunden zurück. Hätte es denn nicht die letzten zwei Jahre so harmonisch zwischen Levi und mir laufen können, wie letzte Nacht? Wieso hatte er mich damals fortgeschickt? Oder war es gar nicht seine Entscheidung gewesen? Der Fahrtwind zupfte an meinen Haaren und ließ sie in der Luft tanzen. Diesmal hatten wir uns ein besonders schickes Auto ausgesucht: einen Triumph Spitfire. Wir fuhren das Cabrio mit offenem Verdeck und ich konnte das salzige Meer in der Ferne riechen. Sollte ich ihm all die Fragen stellen? Was, wenn die Antworten anders ausfielen, als ich es mir erhoffte und schlimmer waren, als diese Ungewissheit? An dem Vergangenem könnte ich doch ohnehin nichts mehr ändern. Etwas warmes umfasste meine Linke. Ich schlug die Augen auf und sah Levis Hand, die seine Finger mit den meinen verschränkte. Lächelnd sah ich ihn an und auch er warf mir einen kurzen Blick zu. Seine Mundwinkel zuckten nach oben, während er aufs Gas trat und wir die verlassene Autobahn entlang sausten. Stunden später erreichten wir die Öresundbrücke, die Schweden und Dänemark miteinander verband. Massenweise Autos standen vor den Kontrollhäuschen und auf der Straße, allesamt verlassen. Eine Gänsehaut überkam mich, denn wirkte alles, wie aus einem Endzeit-Horrorfilm. Levi steuerte den Wagen durch eine Schranke auf die 7845m lange Brücke, die von massiven Pylonen gestützt wurde. Ich bückte mich zu meinen Füßen, wo der Kater sich zusammengerollt hatte und schlief. „Scheiße!", stieß Levi plötzlich aus und trat heftig auf die Bremse. Gerade noch rechtzeitig konnte ich mich abfangen, damit ich nicht mit dem Kopf gegen das Armaturenbrett prallte. Der Wagen kam zum Stehen. „Was ist los?", wollte ich wissen und sah zu Levi, der geradeaus blickte. Ich folgte seinem Beispiel und sah nach vorn. Nicht weit vom Cabrio entfernt endete die Brücke im Nichts, ca. 15m weiter setzte sie ihren Weg über das Meer fort. „Leg deine Ausrüstung an, wir schwingen uns rüber", sagte Levi und war schon ausgestiegen. „Komm Mieze." Ich nahm den Kater und setzte ihn in den Rucksack, was er murrend über sich ergehen ließ. Am Ende unserer Reise würde er sicher nie wieder in die Nähe eines Rucksackes gehen, da war ich mir ziemlich sicher. Als ich den Vierbeiner eingepackt hatte, war Levi bereits fertig ausgerüstet. „Gib mir die Tasche", forderte er und ich überreichte sie ihm. Dann legte auch ich die Einzelteile der 3D-Manöver-Ausrüstung an. Währenddessen schaute Levi nach einer geeigneten Stelle für unseren Übergang. Relativ schnell schien er sie gefunden zu haben und schon schwang er auf die andere Seite des Zwischenraums. Ich war so gut wie fertig, nur hatte ich Probleme die zweite Klingenbox zu befestigen, denn einer der Riemen öffnete sich immer wieder und die Box rutschte mir vom Bein. Verärgert und ein wenig verzweifelt hielt ich nach Levi Ausschau. Dieser fuchtelte mit den Armen. „Hau ab", drangen seine Rufe zu mir. Ich verstand nicht ganz, was er von mir wollte. Wieso sollte ich denn jetzt abhauen? Da platzierten sich unvorhergesehen zwei riesige Pranken am Abgrund vor mir und ein monströs großer Körper zog sich empor. Vor Entsetzen ließ ich die Halterung für die Schwertklingen fallen und starrte mit offenem Mund dem Titan ins Gesicht. Levis Stimme, die meinen Namen rief, weckte mich aus meiner Starre und forderte mich zur Flucht auf. Ich machte auf dem Absatz kehrt und rannte, was meine Beine hergaben. Jedoch störte die bereits befestigte Klingenbox meinen Sprint und ließ mich hinken, was mein Tempo beeinträchtigte. Während dem Rennen schnallte ich sie mir vom Bein, um wieder um Gleichgewicht zu sein. Scheppernd landete sie auf dem Beton und blieb hinter mir zurück. Ich erkannte, dass beidseitig neben mir immer mehr Hände auftauchten, denen gewaltige Körper folgten. Panisch blickte ich umher, suchte nach einem Ausweg aus meiner Situation, während mir das Herz heftig gegen den Brustkorb hämmerte. Levi kam mir zur Hilfe und erledigte einen Titanen nach dem anderen, doch tauchten immer mehr auf. Aus heiterem Himmel brach der Beton vor mir auf. In letzter Sekunde bremste ich ab, rutschte aus und fiel auf den Hintern. Entsetzt beobachtete ich, wie sich das Monstrum vor mir zu voller Körpergröße aufrichtete. Hastig sprang ich zurück auf die Beine und rannte in die Richtung, aus der ich gekommen war, raus aus der Reichweite des Riesen. Als ich den Blick nach vorne richtete, hielt ich abrupt inne. Vor mir hatte sich eine ganze Rotte Titanen versammelt. Hektisch sah ich mich um. Ich stand auf einer Brücke, umzingelt von Titanen, mit einem unbrauchbaren 3DM-Set, von dem ich nur noch den Antrieb am Körper trug, der ohne Gasflaschen nutzlos war. Wie sollte ich da nur wieder raus kommen? Von der Brücke springen konnte ich mir gleich aus dem Kopf schlagen, denn aus dem Meer schienen diese Biester zu kommen. Levi zwang einen Titan unweit von mir in die Knie. Hilfesuchend sah ich ihn an. Er versuchte mich zu erreichen, da schlug ein weiter Titan nach ihm. Ich sah weiterhin nach einem Hilfsmittel, bis ich plötzlich etwas entdeckte, was vielleicht meine Rettung sein könnte, denn mein Hirn entwickelte bereits einen Plan. Mit großen Schritten eilte ich zu dem Motorrad und hievte es vom Boden in eine aufrechte Position. Der Schlüssel steckte, der Tank war gefüllt. Erneut sah ich nach Levi. Dieser fing meinen Blick auf und schien zu ahnen, was ich zu tun dachte. Seine Augen fragten mich regelrecht, ob ich noch alle Latten am Zaun hatte, während er ungläubig den Kopf schüttelte. Ich ließ mich von meinem Vorhaben jedoch nicht abbringen, schwang mich auf die Maschine und startete sie. Der Motor heulte auf, als ich Gas gab und die Kupplung kommen ließ. Mit quietschenden Reifen preschte ich los und schaltete die Gänge einen nach dem anderen nach oben. Im Slalom fuhr ich durch die Beine der Titanen und wich deren Pranken aus, näherte mich in rasender Geschwindigkeit der fehlenden Stelle in der Brücke. Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich auf den Tacho und musste schlucken. Würde ich bei diesem Tempo stürzen, so würde mein Kopf einer Melone gleich auf dem Beton zerplatzen. Um den Gedanken zu vertreiben gab ich noch mehr Gas. Ein kleines Stück vor dem Abgrund machte ich einen Kippanhänger aus, dessen Ladefläche nach unten gekippt war. Wiederholt arbeitete mein Hirn eine Idee aus und ich steuerte auf den Anhänger zu. Ich nutzte ihn als Rampe und flog schließlich durch die Lüfte über den Abgrund. In diesem Moment hörte die Welt auf sich zu drehen und die Zeit stand still. Ich spürte die Briese auf meiner Haut und wie sich mir sanft durchs Haar strich, sah die glitzernde Oberfläche das Wassers unter mir und schmeckte die See auf der Zunge. Das Wasser unterhalb teilte sich und eine abscheuliche Fratze erschien, die sich nach oben katapultierte und mich mit den Zähnen zu fassen versuchte, allerdings – zu meinem Glück – nicht erreichte. Die Maschine gab der Schwerkraft nach und stürzte in die Tiefe, mein Körper, der einiges leichter war, näherte sich ebenfalls dem harten Boden. Aus dem Nichts tauchte Levi auf, packte mich an der Taille und rettete mich somit vor dem tödlichen Absturz. Er beförderte uns durch die Luft, während ich mich an ihn klammerte. Ein ganzes Stück vom Abgrund entfernt setzte er mich vorsichtig auf dem Boden ab. Er warf einen Blick über die Schulter zu den Titanen, die uns verfolgten. „Mach ein Auto startklar, wir müssen verschwinden“, wies er mich an und drückte mir den Rucksack in die Hand, ehe er sich ihnen entgegenstellte. Sofort sprintete ich los, zerrte an den Türgriffen verschiedener Wagen, die kreuz und quer auf der Straße standen, um zu prüfen, ob sie aufgeschlossen waren. Bei einem Pick up hatte ich Glück, denn die Tür ließ sich problemlos öffnen. Ich musste einen Freudenschrei unterdrücken, als ich sah, dass auch noch der Schlüssel in der Zündung steckte. Während ich den Wagen startete, sendete ich ein Dank gen Himmel. Plötzlich rumpelte es auf der Ladefläche, was mich erschrocken herumfahren ließ. Erleichtert atmete ich auf, als ich Levi erkannte. „Fahr los“, rief er mir zu und ich trat aufs Gas. Erst nachdem wir Kopenhagen passiert und die Titanen weit hinter uns gelassen hatten, pausierten wir. Levi verjagte mich auf den Beifahrersitz und übernahm das Steuer. Es dauerte nicht lange, da forderte der wenige Schlaf der letzten Nacht und die Aufregung des vergangenen Stunden ihren Tribut und mir fielen vor Erschöpfung die Augen zu. Ein warmes paar Fingerkuppen strichen sanft über meine Wangen und weckten mich aus meinem traumlosen Schlaf. Ganz neben der Spur blinzelte ich mehrmals, bis ich begriff, wo ich mich befand. Levi saß noch immer neben mir auf dem Beifahrersitz und bedachte mich mit ruhigem Blick. „Wir sind da“, flüsterte er und wandte das Gesicht nach vorn. Ich drehte ebenfalls den Kopf geradeaus und sah aus der Windschutzscheibe. Vor dem Auto erstreckte sich ein Sandstrand, hinter dem die Ostsee ihre Wellen schlug, während gemächlich die Sonne in ihr versank. Kapitel 34: Luftballon ---------------------- Kapitel 35 - Luftballon Sanft umspielte das kühle Wasser meine nackten Waden, während ich die Zehen im Sand vergrub. Eine leichte Brise wehte vom Land aufs Meer und eine Möwe schwebte kreischend in der Luft. Den Blick hatte ich in die Ferne gerichtet, die Hände um ein kleines Schiff aus Plastik mit Stoffsegel gelegt, das ich am Strand gefunden hatte. Ein einzelnes Teelicht flackerte in dem Spielzeug. Langsam bückte ich mich und setzte das Schiffchen ins Wasser. Der Wind blies in die Segel und steuerte die Nussschale hinaus in die Ostsee. Ich dachte an meine Mutter, versuchte ihr Gesicht herauf zu beschwören, doch erinnerte ich mich nur an sie, wie ich sie von Fotos kannte. Dann kam mir die Zeit in den Sinn, in der ich reiste und mich schließlich in Lappland nieder ließ, wo ich mir ein eigenes kleines Hundecamp aufbaute. Dabei dachte ich an Sarah, meine erste und einzige Angestellte, und wie ich ihr das Hundeschlittenfahren beigebracht hatte. Kurz musste ich schmunzeln, als ich an ihre erste Fahrt zurück dachte. Der Tag, an dem ich Levi das erste Mal begegnet war, schob sich in meine Gedanken, gefolgt von dem Training mit seinem Team und dem Abend auf dem Rummel, wo wir uns auf einem Riesenrad geküsst hatten. Ich dachte an Gunther und Erd, die mir immer mit ihrer guten Laune zur Seite gestanden hatten, an Auruo und dessen kecke Sprüche. An Petra, mit der ich Freundschaft geschlossen und in mein Herz gelassen hatte. Und schließlich an meinen Vater. Trotz all der Schwierigkeiten und Unstimmigkeiten, die wir jemals hatten, war er dennoch immer mein Ein und Alles gewesen. Ich erinnerte mich an die Freude, die er ausgestrahlt hatte, als er endlich an der Forschung über die Titanen beteiligt war und dachte wehmütig an unsere Zukunftspläne zurück. Während ich beobachtete, wie das Licht der Kerze auf den Wellen hin und her wiegte und dabei immer kleiner wurde, verlor ich jegliches Zeitgefühl. Ein Vibrieren in meiner Hosentasche riss mich aus meiner Bekümmerung. Ich holte mein Smartphone hervor, das mich abermals daran erinnerte, dass nur noch drei Prozent der Akkuleistung übrig waren. Dieses kleine Ding war die letzte materielle Erinnerung an mein Leben der letzten 26 Jahre. Ein Leben, das ich so nie wieder führen würde. Nachdenklich wiegte ich es in meiner Hand auf und ab, ehe ich ausholte und es in die See warf. „Dein iPhone?“, fragte Levi, der plötzlich neben mir auftauchte. Ich zuckte mit den Schultern. „Nun brauche ich es nicht mehr.“ Er kramte in seiner Hosentasche und brachte sein Handy zum Vorschein. Auch er holte aus und ließ es einige Meter von uns entfernt in den Wellen verschwinden. „Das wollte ich schon lange mal machen“, sagte er und klang dabei erleichtert. Ich kicherte. „Lass uns aufbrechen.“ Damit wandte er sich um und watete zurück zum Strand. Ich warf noch einen Blick auf das Meer, schloss die Augen und sog ein letztes Mal dessen salzigen Duft tief ein, ehe ich Levi folgte. Der Wagen, mit dem wir unterwegs waren, machte nach einigen hundert Kilometern wegen einem leeren Tank schlapp, weswegen wir uns nach einem neuen Auto umsehen mussten.Der Katen fand es ebenso wenig toll, denn er wurde wieder in den Rucksack verfrachtet, welchen ich mir auf den Rücken schnallte. Mittlerweile hatte ich ein echt schlechtes Gewissen dem armen Tier gegenüber. Ich machte gerade einen Kombi ausfindig, dessen Türen nicht abgeschlossen waren, da rief Levi nach mir. „Was ist?“, fragte ich, als ich bei ihm ankam. Er stand neben einem Anhänger und schien angestrengt nachzudenken. „Hilf mir mal“, forderte er mich auf und deutete auf einen großen Stoffsack. Zusammen brachten wir eine riesige Plane ans Tageslicht, die wir auf der Straße ausbreiteten. Danach schnappten wir uns die Ecken auf der gleichen Seite und zogen sie zu einem großen Holzkorb mit ca. 1,5m Durchmesser. Da fiel auch bei mir der Groschen. „Ist das ein Heißluftballon?“, fragte ich baff. „Nach was sieht es denn sonst aus?“ „Kannst du das?“, wollte ich von ihm wissen und beobachtete, wie er mit geschickten Handgriffen die Seile des Ballons am Gestell des Korbes befestigte. „Ich hab es ein paar Mal gemacht“, brummte er, was mich jedoch nicht wirklich beruhigte. Wollte er tatsächlich mit mir Heißluftballon fahren? Gemeinsam installierten wir die Gasflaschen und Levi checkte noch einmal alle Knoten und Verbindungen. Mittlerweile schlug mir das Herz bis zum Hals, weil ich begriff, dass ich in wenigen Minuten augenscheinlich meine erste Fahrt mit einem Ballon erleben würde. Währenddessen wühlte Levi in einigen Taschen, die er auf dem Anhänger gefunden hatte. Er drückte mir einen Kompass, eine Karte, eine Signalpistole und eine Machete in die Hand, die ich im Korb verstaute. Danach kramte Levi einen riesigen Ventilator aus dem Anhänger, den er vor der Öffnung des Ballons abstellte und mittels Zugseil startete. Der Ballon wurde aufgeblasen und entfaltete sich zu voller Größe. Levi drehte das Gas auf und entzündete den Brenner. Mit vereinten Kräften richteten den Korb auf und stiegen ein. Keine Sekunde später hoben wir vom Erdboden ab. Es fühlte sich an, wie in einem Aufzug, der sich in Bewegung setzte, nur um einiges länger und intensiver. Es kribbelte im Magen, als würden tausend Ameisen darin umher wuseln. Ob der Kater auch solch ein Gefühl verspürte? Jedenfalls gab er keinen Mucks von sich. Wir stiegen immer weiter in die Luft, von wo aus wir einen atemberaubenden Ausblick über Deutschland genossen. „Fahren wir überhaupt in die richtige Richtung?“, fragte ich, ohne den Blick von dem Panorama zu wenden. Levi blickte auf den Kompass, dann auf die Karte und erneut auf den Kompass. „Ja“, antwortete er schlicht. Langsam neigte sich der Tag dem Ende zu und die Sonne sank gemächlich gen Erdboden. In der Ferne durchzog eine lange Mauer die Landschaft. „Fast geschafft“, murmelte ich dem Kater zu und betrachtete das Gelände, das die Sonne in kräftiges Gold tauchte. In diesem Moment verstummte der Brenner mit einem letzten Zischen. Es war, als würden wir noch eine Sekunde in der Luft schweben, ehe uns die Schwerkraft nach unten zog. Levi griff nach der Signalpistole und jagte ein Geschoss in den Himmel. Ich umfasste die Halteseile fest und wappnete mich für einen heftigen Aufprall. Wir krachten durch Baumkronen, die unseren Absturz ausbremsten, bis wir mit einem Rums auf dem Boden aufknallten. „Bist du in Ordnung?", fragte Levi nach der unsanften Landung, die uns von den Füßen gerissen hatte, während er sich aufrappelte. „Ich denke schon", sagte ich, zog mich ebenfalls auf die Beine und sah nach dem Kater, der unversehrt schien. Wir blickten uns um, da brachen plötzlich unweit von uns die Äste auseinander und ein kleiner Titan erschien. „Auch das noch", knurrte Levi. Er hob die Signalpistole vom Boden und warf sie mir zu. „Du hast noch zwei Schuss. Sieh zu, dass du Land gewinnst. Ich kümmere mich um den Bastard." Ich holte Luft, um zum Widerspruch anzusetzen, doch ließ mich Levis Blick schweigen. Widerwillig hüpfte ich aus dem Korb und sprintete in die Richtung, in der ich die Mauern vermutete. Als ich noch einmal zurück blickte, sah ich, wie Levi auf den Rücken der 4-Meter-Klasse sprang und die Befestigungsleinen des Ballons von hinten um dessen Hals legte, als dieser mir eifrig folgen wollte. Dann nahmen mir Bäume die Sicht. Keuchend erreichte ich das Ende des Waldes. Vor mir erstreckte sich ein weites Feld, dahinter die Mauer, die in diesem Moment unerreichbar schien. Ich überlegte, was ich tun sollte. Sollte ich bis zur Mauer laufen, um Hilfe zu holen? Denn Levi brauchte welche und das so schnell wie möglich. Unentschlossen trat ich von einem Fuß auf den anderen, als ich mir den Gegenstand, den ich schon die ganze Zeit über in der Hand hielt, bewusst wurde. Ich schoss ein weiteres Leuchtsignal in die Luft, bevor ich auf dem Absatz kehrt machte und zurück zu Levi stürmte. Dabei glaubte ich das Läuten von Glocken zu vernehmen, achtete allerdings nicht darauf. Als ich wieder bei Levi ankam, lag dieser in die Ecke des Korbs gedrängt und versuchte sich den Titan mit einer Metallstange, die er ihm in die Brust bohrte, vom Leib zu halten. „Hey du Hohlbirne", rief ich aus und der Titan wandte sich um. Ich zielte mit der Signalpistole auf sein Gesicht und feuerte los. Die Patrone traf ihn zwischen den Augen und explodierte, was ihn blendete. Levi nutzte die Chance, griff nach der Machete und schnitt dem Monstrum ein Stück aus dem Nacken. Der Körper erschlaffte, sank schließlich dampfend zu Boden. Zischend sog Levi Luft in seine Lungen, ließ die Waffe fallen und blickte auf seine Hände. „Was ist los?", fragte ich, derweil kletterte ich zu ihm in den Korb. „Schnapp dir die Plane, wir verstecken uns darunter", reagierte er auf meine Frage. Ich runzelte die Stirn, tat aber, was er mir sagte, wobei mir allerdings nicht entging, dass er knurrte, sobald er die Hände um den Stoff schloss. Wir zogen die Ballonplane über den Korb, sodass wir vorerst für die Umwelt nicht sichtbar waren. Dann nahm ich den Rucksack ab, befreite den Kater, bevor ich eine kleine Taschenlampe hervor kramte. „Was ist mit deinen Händen?", versuchte ich es erneut. Statt einer Antwort zeigte er mir seine Handflächen. Sie waren blutig und die Haut war abgeschürft. „Er hat mir die Seile aus der Hand gerissen", erklärte er, ehe er sie wieder zu Fäuste ballte. „Moment, gib sie mir mal", forderte ich in auf, woraufhin er mich skeptisch musterte, als ich auch noch nach dem Multitool an seinem Gürtel langte. „Was machst du da?", wollte er wissen, wobei sein Misstrauen kaum zu überhören war. Dabei beobachtete er, wie ich zwei lange Steifen aus dem Saum meines T-Shirts schnitt. „Ich habe gehört, dass bauchfrei diesen Sommer wieder total angesagt sein soll", zwinkerte ich ihm zu, woraufhin er die Augen verdrehte. Dann nahm ich beide Stoffstreifen und verband damit seine verwundeten Hände. „Was machen wir jetzt?" Meine Frage sollte unbeantwortet bleiben, denn unvorhergesehen wurde die Plane vom Korb gerissen. Aus Reflex griff Levi nach der Machete und zog mich gleichzeitig hinter sich. Beide verharrten wir in unsere Bewegung und starrten ungläubig auf die Personen, die sich um den Korb versammelt hatten. Wie in Trance richteten wir uns langsam auf. Auch als die Personen uns aus dem Korb halfen, waren wir zu keiner Reaktion fähig. Fassungslos musterte ich die junge Frau vor mir. Das konnte doch nicht sein..! „Ivory", lächelte sie mir entgegen. Dann begriff ich, dass es keine Einbildung war, dass sie wirklich vor mir stand. Ich versuchte die Tränen wegzublinzeln, scheiterte jedoch kläglich. „Petra", rief ich aus und fiel ihr schluchzend in die Arme. Sie lachte und drückte mich fest an sich. Auch Gunther, Erd und Auruo waren anwesend, sowie Erwin, von dem wir ausgegangen waren, dass er sich im abgestürzten Hubschrauber befunden hatte. Einen besseren Empfang hätte ich mir nicht wünschen können. Wir hatten es geschafft, wir waren angekommen, in Sicherheit. City of Hope Mit unseren Freunden. Epilog: City of Hope -------------------- Epilog – City of Hope „Danke fürs Mitnehmen“, bedankte ich mich, wobei ich umständlich vom Heuwagen kletterte. „Sicher, dass wir dich nicht fahren sollen?“ Erd war ebenfalls abgestiegen, um mir zu helfen. Ich winkte ab. „Nein, nein. Ich muss mir noch ein wenig die Füße vertreten.“ „Dann grüße Levi von uns und sag ihm, er soll gut auf dich aufpassen“, sagte Gunther, der noch auf dem Bock saß. „Letzteres lasse ich mal lieber aus, ich bin froh, dass er mich mal allein in die Stadt gehen lassen hat“, meinte ich und ging die ersten Schritte auf den schmalen Feldweg, der von der Hauptstraße wegführte. Gunther und Erd lachten, ehe sie winkten weiter fuhren. Beinahe drei Jahre waren seit unserer Ankunft hinter den Mauern vergangen. Durch Levis ehemalige Tätigkeit bei der Aufklärungslegion und Erwins guter Stellung war uns ein schöner Fleck Land außerhalb der Städte zugeteilt worden. Ende des Jahres 2016 waren die Uhren auf Null gestellt worden und eine neue Zeitrechnung hatte begonnen, die Außenwelt war endgültig aufgegeben worden, da die Titanenplage nicht mehr in den Griff zu kriegen war. Ich versuchte den Kummer, der mir dieses Wissen bereitete, ebenso hinter die Mauern zu verbannen, wie die Titanen. Das Leben war seit diesem Tag sehr einfach und schlicht gestaltet. Es gab keinen Strom, kein Wasser aus dem Hahn oder Heizungen, weder Handynetz, noch WLAN. Für mich persönlich nicht sonderlich schlimm, doch vermisste ich gelegentlich die Musik, besonders, wenn ein Ohrwurm mich quälte. Neben mir begann der Holzzaun unsere Weide einzugrenzen. Die kleine Schafherde, die man uns zur Zucht gestellt hatte, graste gemütlich, während die Hütehunde unter einem Baum sie wachsam beobachteten. Nur Bongo lag in der prallen Sonne und döste vor sich hin. Kichernd über diesen Anblick ging ich weiter und sah den Lämmern dabei zu, wie sie über die Wiese tobten. Eines kam an den Zaun und reckte mir blökend seinen Kopf entgegen. Ich hielt an und kraulte es am Kinn, als plötzlich ein Maunzen erklang. Levi balancierte auf dem Zaun, wobei er es eilig zu haben schien. „Na, Katerchen?“ Ich nahm ihn in den Arm. Schnurrend legte er seine Stirn an meine Wange und gemeinsam schlenderten wir nach Hause. Es war ein relativ großes Holzhaus mit Veranda, auf der zwei Schaukelstühle zu gemütliche Abende draußen einluden. Manchmal stellte ich mir vor, wie Levi und ich, alt und grau, in den Stühlen saßen, wobei wir die Schafe beobachteten und unsere Enkelkinder um uns herum tollten. Statt hinein zu gehen, umrundete ich das Haus und blickte in den Garten. Levi schüttelte frisch gewaschene Lacken aus und hing sie auf den Wäscheleinen auf. Für einen Augenblick sah ich ihm dabei zu, denn es hatte eine beruhigende Wirkung auf mich ihn zu beobachten. Gleichzeitig wuchs das Glücksgefühl in meiner Brust, bis ich glaubte, reine Freude würde durch meine Blutbahnen fließen. Für was brauchte ich Musik und Internet, wenn ich das haben konnte? Ich setzte den Kater ab und überbrückte laufend die Distanz zwischen uns. Levi bemerkte mich, wahrscheinlich anhand meiner stampfenden Schritte, und wandte sich zu mir um. „Du solltest nicht rennen“, sagte er, als er meine stürmische Umarmung abfing. Ich trat einen Schritt zurück und schüttelte meine Körpermitte. „Lass mich, solange ich noch kann“, feixte ich. Er schnalzte mit der Zunge und zog mich zurück in die Umarmung. „Was sagt der Arzt?“, fragte er und klang dabei sogar ein wenig besorgt. „Alles in bester Ordnung“, wiederholte ich die Worte des Mediziners und lächelte. Ich schmiegte meinen Körper an seinen, legte den Kopf auf seiner Brust ab und lauschte seinem Herzschlag. Sein Kinn platzierte er auf meinem Scheitel, seine Hände strichen über meinen Rücken, bis sie vor zu meinem runden Bauch wanderten. Wir genossen den Moment unseres persönlichen Friedens, da entfernte Levi urplötzlich seine Hand von meinem Bauch, als hätte er sich verbrannt, was mich in schallendes Gelächter verfallen ließ. Mit zusammengekniffenen Augen sah er mich an. „Levi, das war bloß ein Tritt“, lachte ich und griff nach seiner Hand, um sie wieder auf meinen Bauch zu legen. Es dauerte nicht lange, da spürten wir, wie unser Kind erneut gegen Levis Hand auskeilte. Erstaunt sah er mir in die Augen, ehe er vor mir auf die Knie ging und mein Oberteil hoch schob. Er legte ein Ohr auf die freigelegte Haut. Kurz darauf ein weiterer Tritt. „Ich glaube, er mag dich.“ „Er?“ Ich hatte Levi noch nie so große Augen machen sehen und musste unwillkürlich kichern. Levi richtete sich wieder auf. „Dummkopf“, beschimpfte er mich, woraufhin ich noch lauter lachte. Ich legte meine Arme um seinen Hals. „Ich liebe dich auch“, hauchte ich gegen seine Lippen, ehe ich ihn küsste. *.:。✿*゚‘゚・✿.。.:**.:。✿*゚’゚・✿.。.:* Ich danke euch, ihr lieben Leser, für eure Unterstützung, Rat und Kritik! Ohne euch und eure lieben Worte, wäre diese Geschichte wahrscheinlich in irgendeinem Ordner auf meinem Laptop verstaubt und bestimmt nie zu einem Ende gekommen. Ich kann mich nur tausend Mal bei euch bedanken und selbst das ist noch nicht genug. Ihr seid einfach toll *o* ♥ ❤ Und die Moral von der Geschicht', den Levi liebt man oder nicht :D Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)