Starke Kerle, starke Gefühle von Fara_ThoRn ================================================================================ Kapitel 18: Kapitel 12 - Starke Erinnerungen -------------------------------------------- Mann oh Mann … Ihr glaubt alle, dass hinter der Tür nicht Matthi steht, sondern wer anders? Vielleicht sogar der Kerl, der Niels misshalndelt hat? Dann habt ihr mehr Fantasie als ich. -___-" Die Wahrheit ist: Es war Matthi, der hinter der Tür stand! *Haare rauf* Soweit habe ich gar nicht gedacht. Allerdings habe ich auch nicht vor, Niels so schnell an den Kerl auszuliefern, vor dem er geflohen ist. Dafür spukt mir jetzt eine Szene im Kopf rum. Frank, Matthi und Theo, die geschlossen vor diesem miesen Typen stehen und den kleinen Niels beschützen. Der Anblick hat was. Vielleicht lässt sich daraus ja was machen. Hier geht es erstmal ganz langweilig und ohne Monster vor der Tür weiter. Eure nicht immer ganz so fantasiebeschenkte Fara. ;) Kapitel 12 - Starke Erinnerungen ~Matthias~ "Macht's gut ihr zwei. Und fahrt vorsichtig." Frank umarmt erst Theo und dann mich. "War nett dich kennenzulernen", sagt er zu mir und lächelt mich offen an. Trotz der Attacke vorhin auf meinen Hasen, kann ich Frank mittlerweile ganz gut leiden. Im Grunde ist er ein freundlicher, offener Mensch. Das konnte ich auf den ersten Blick erkennen. Ich bin sogar ganz zuversichtlich, dass er das mit Niels hinbekommt, und ihm helfen kann. "Frank? Nochmal zu Niels", flüstert Theo und spricht leise weiter. "Vorhin im Auto habe ich gesehen, dass er Fesselspuren an den Handgelenken hat." Was erzählt Theo da? Mir wird ganz anders und da Blut rauscht mir in die Knie. Niels hat Fesselspuren an den Handgelenken? "Bitte versuch alles, dass er mit dir zur Polizei geht und diese Mistsau anzeigt." "Ich regle das. Mach dir mal keine Sorgen." Frank klopft Theo auf die Schulter, winkt mir nochmal zu und verschwindet in seinem Haus. "Hast du die wirklich gesehen? Diese Fesselspuren?", frage ich ihn, als wir zum Auto laufen. "Ja." "Shit!" Niels tut mir so unendlich leid. Ich wünsche ihm so sehr, dass ab jetzt alles wieder gut wird. "Matthi? Kannst du zurückfahren? Ich bin total kaputt." Theo und ich kommen vor dem Auto zum stehen. Ich nicke und nehme ihm den Autoschlüssel ab. "Mach ich." Mein Hase sieht wirklich müde aus. Ich steige ein, schaue zuvor aber nochmal zu dem kleinen Reihenhaus, in dem Niels nun endlich in Sicherheit ist. Vorerst … 'Fesselspuren. Wie furchtbar.' "Meinst du, Frank kann Niels helfen und findet diesen verfluchten Kerl, der ihm das angetan hat?", frage ich Theo noch einmal nachdenklich und starte den Motor. "Wenn es einer kann, dann Frank", murmelt er und lehnt sich an die Scheibe. Seine Augen sind schon geschlossen. "Du kennst ihn ganz gut, nicht wahr?" "Sehr gut sogar. Wir haben früher miteinander geboxt. Dank ihm kam ich nicht auf die schiefe Bahn." "Was?!" Theo wäre beinahe auf die schiefe Bahn geraten?! Der heutige Tag hat es ganz schön in sich! Und ich dachte, ich hätte alle 'dunklen Seiten' meines Liebsten schon erfahren. "War halb so wild. Ich hatte in meinen Teenager-Jahren ein paar zwielichtige Freunde, denen ich aber bald den Rücken gekehrt hatte. Frank wollte schon damals zur Polizei und mich hatte es beeindruckt, dass er in seinem Alter schon so ein klares Ziel vor Augen hatte." "In seinem Alter? Wie alt wart ihr denn?" Ich bin einfach zu neugierig. Frank hat bei mir einen großen Eindruck hinterlassen. Mit seinem Spitzbart und dem rasierten Haupt. Hinter seinem linken Ohr schlängelte sich ein Tattoo. Sah aus, wie ein Atztheken Drache, oder sowas in der Art. "Ich war vierzehn und er fünfzehn. Frank war schon da viel disziplinierter als ich und hatte so eine ruhige Art an sich ... Er beeinflusste mich ziemlich stark. Ich wollte auch so sein wie er. Ausgeglichen und zielfokussiert." Ich kann ihn verstehen. In der halben Stunde, die wir bei ihm waren, hatte ich den selben Eindruck. "Erzählst du mir davon?" "Jetzt?" Sein linkes Augenlid öffnet sich und schielt mich müde an. "Morgen? Beim Frühstück? Dann erzähle ich dir auch ein wenig aus meiner Jugend." Theo lächelte schmal. "Du machst mich neugierig." "Freu dich nicht zu früh. Ein paar gruselige Geschichten habe ich auch drauf." Ich biege auf die Autobahn, trete das Gaspedal durch und schalte hoch. Nur fliegen ist schöner! "Sag mal, hast du Laurin schon Bescheid gesagt?" "Shit! Nein. Habe ich vergessen." Theo tippt ihm eine SMS und legt das Handy auf die Amateuren, als es leise brummt. Da hat wohl jemand schon zurückgeschrieben! "Danke Leute. Da sind wir aber froh! Habt was gut bei mir. Laurin", liest mir Theo vor. "Daran werde ich ihn noch erinnern." Mein Hase lacht leise, legt das Handy wieder vorne hin und schließt wieder die Augen. Typisch Laurin. Er macht sich um andere meist mehr Sorgen als um sich selbst. Als Theo sich wieder zum dösen an die Scheibe gelehnt hat, greife ich nach seiner Hand und verschlinge meine Finger mit seinen. "Weißt du, früher habe ich Händchenhalten gehasst. Doch seit ich dich kenne, kann ich gar nicht genug davon bekommen." Theo schmunzelt leise. "Wieso mochtest du das nicht?" "Keine Ahnung. Es war einfach ... Immer sind die Handflächen so nass und dann fangen die Innenseiten an zu jucken und man denkt, wenn man sich gleich die Hände wäscht, bekommt man die Krätze." "Wie nett!" "Uns meine ich doch damit gar nicht!", verteidige ich mich. "Ich habe doch gesagt, seit dem ich dich kenne, ist das anders." "Da bin ich aber beruhigt." Theo drückt meine Hand fester, murmelt noch etwas mir unverständliches und döst auf der Stelle weg. Wie gern ich ihn beobachte, wenn er schläft! Aber das lasse ich jetzt mal lieber, sonst lande ich noch in der Leitplanke. ~Theo~ "Aufwachen." Ich drehe mein Kopf weg. Ich mag noch nicht aufwachen! "Bärchen ... Schnäutzelchen ... Hasipupsi ..." Okay! Was reicht, das reicht! "Lass mich pennen! Und wehe, du nennst mich nochmal Hasipupsi", grolle ich, lasse die Augen aber geschlossen. "Gut. Wenn du im Auto pennen willst." Auto? Ich öffne die Augen jetzt doch und stelle fest, dass ich wirklich im Auto sitze. Wieso habe ich das nicht gemerkt? "Verdammt!" Als ich mich aufsetze, tun mir sämtliche Knochen weh. Ich strecke mich so gut es geht, wobei es einige Male ziemlich laut knackt in meinen Gelenkten. "Hört sich nicht gerade gesund an", meint Matthias und schnallt sich ab. "Ist es auch bestimmt nicht." Mein Nacken ist steif. Toll! Wirklich toll! "Soll ich dich hoch tragen?" Ich höre meinen frechen Schnuckel kichern und bedenke ihn mit einem bösen Blick. "Ist ja schon gut! Du oller Muffel." Matthi steigt aus, ich tue es ihm gleich, stöhne dabei aber gequält auf. Mir schmerzt jedes bewegbare Gelenk. "Ach her je! Nichts wie ab ins Bett mit dir, mein Lieber." Matthias schleift mich in meine Wohnung und dirigiert mich ins Schlafzimmer. "Ausziehen und hinlegen!" "Aber ich ..." "Nichts aber! Du entspannst dich jetzt." "Ich muss mal", brumme ich und stemme die Arme in meine Seiten. "Oder soll ich das im Be..." "Nein! Dann geh!" Tzäh! Warum nicht gleich so? Wieder zurück im Schlafzimmer, staune ich nicht schlecht. Matthias hockt mit den Knien auf meinem Bett und wedelt mit einem kleinen Fläschchen. "Jetzt?", frage ich verwundert. Mein Schnuckel legt den Kopf schief. "Das ist Massageöl." Ich zucke mit den Schultern. Natürlich weiß ich was das ist. "Ich will dir die Muskeln lockern, damit du morgen nicht völlig im Eimer bist." Ein Lächeln legt sich auf mein Gesicht. Eine Massage von meinem Schnuckel. Hört sich verlockend an. Schnell ziehe ich mich komplett aus und werfe mich auf mein Bett. Hätte ich vielleicht nicht tun sollen, denn mein Nacken zieht dabei tierisch. Zischend ziehe ich die Luft ein und muss mir von Matthi eine Standpauke anhören. "Ja, ja! Red nicht so lange! Massiere mich!", unterbreche ich ihn. "Ja, mein Gebieter." "Redest du mich jetzt immer so an?" Der Schlag auf meinen Hintern bedeutet wohl nein. Wohlig schnurrend gebe ich mich Matthis massagekundigen Händen hin und merke, wie sich meine Muskulatur langsam wieder entspannt. Er hockt auf meinen Oberschenkeln, knetet, streichelt und kreist auf meinem Rücken umher, bis ich fast eingenickt bin. "So, der Herr. Ich hoffe, die Behandlung hat Ihnen gefallen." Schon fertig? Schade. "Mehr als gut." "Ausgezeichnet! Ich hoffe, Sie empfehlen mich weiter." Matthias klettert von mir herunter und schlüpft unter die Decke. Fragend schaue ich ihn an, bleibe aber noch immer auf dem Bauch liegen. "Was ist?" "Das ist nicht dein Ernst." "Was denn?" Unschuldig blicken mich seine Augen an. "Ich werde dich ganz sicher niemanden weiterempfehlen! Du gehörst mir!" Matthias fängt an zu lachen, als ich mich auf ihn werfe und unter mir begrabe. "Nur mir. Ganz allein." Er beißt sich auf die Unterlippe, grinst frech, was so heiß aussieht, dass es in mir beginnt unheimlich zu kribbeln. Ich kann nicht anders, und versiegle seine Lippen. Mein Matthias! Ganz alleine meiner! *** ~Theo~ "Nun erzähl schon!" Nachdenklich beiße ich in mein Brötchen, während Matthias gleich zu platzen droht, wie mir scheint. "Bitte Theo! Ich wollte dir doch im Gegenzug auch was von meiner Jugend erzählen." Ein wirklich verführerisches Angebot. "Gibt's davon auch Bilder?" Grinsend nippe ich an meiner Kaffeetasse. "Die würde ich zu gern sehen." Matthi streckt mir die Zunge raus. Frechdachs! "Nur wenn du mir deine zeigst." "Die Paar, die es von mir zu der Zeit gibt, sind alle bei meinen Eltern." "Oh. Tut mir leid." Geknickt pickt mein Schnuckel das Innere des Brötchens heraus. "Muss es nicht", sage ich achselzuckend. "Sie sind mir egal. Die Fotos und meine Eltern. ... Du willst es also wirklich wissen, was?" Matthi nickt. "Gut. Dann erzähle ich es dir eben." Ich beiße nochmal in mein Brötchen, trinke einen Schluck Kaffee, und beginne ihm von der Zeit zu erzählen, in der ich Frank kennengelernt habe. "Ich war vierzehn, dauernd mies gelaunt und hasste meine Eltern. Der ganz normale Teenager also. In der Schule war ich nicht der Hellste, weil ich keinen Bock darauf hatte zu lernen, und ich hing nur mit meinen beiden Kumpels ab. Sie waren eine Klasse weiter als ich, aber dadurch, dass ich schon damals wie ein irrer trainiert hatte, durfte ich bei ihnen abhängen. Ich fand das total cool und tat alles, was sie auch taten. Nur von Alkohol und dem ganzen Kram ließ ich die Finger, weil ich meinen Platz in der Boxhalle nicht verlieren wollte. Da verstanden die keinen Spaß. Dafür aber, brachten sie mich dazu, mit ihnen zusammen anderen Scheiß zu machen. Wir hingen in der Stadt rum, pöbelten Leute an, was ich total lustig fand und ... na ja ... Ich streckte mir häufig Dinge in die Taschen, wenn wir in irgendwelchen Läden waren." Dies zu sagen war mir echt peinlich. Besonders vor meinem Schnuckel. Matthias Augen werden nach meinem Geständnis auch wie zuvor befürchtet riesengroß und er schüttelt den Kopf. "Du hast gestohlen für die?" Ich nicke. "Oh Mann! Bist du mal erwischt worden?" "Nein. Zum Glück nicht." "Und wann hast du gemerkt, dass das nicht richtig war?" "Das war, als ich Frank kennenlernte." "Im Boxclub?", fragt Matthias interessiert und lehnt sich auf den Tisch. "Ja. Ich sah ihn im Ring stehen, als ich in die Boxhalle trat. Er war gerade am Boxen und verteilte einen kräftigen Kinnhaken. Ich war sofort von ihm beeindruckt! Als er mit seinem Training fertig war, sprach ich ihn gleich an, bat ihn, mir ein paar Tricks zu zeigen. Frank tat es und so freundeten wir uns an. Er erzählte mir von seinen Plänen, davon, dass er unbedingt Polizist werden wollte. Das beeindruckte mich noch mehr. 'So einer wie er bei der Polizei', dachte ich. 'Kann man sich gar nicht vorstellen!' Irgendwann bekam er mit, mit was für Typen ich herumhing. Sie tauchten im Boxclub auf, und Frank sah auf den ersten Blick, was das für zwielichtige Jungens waren. Ein paar Tage später nahm er mich bei Seite und sagte, er habe ein ganz mieses Gefühl bei ihnen, und ich sollte mir überlegen, weiterhin mit ihnen abzuhängen. 'Die bringen dich noch in Teufels Küche', sagte er besorgt. Ich hörte auf ihn, weil ... Ich war verknallt in Frank." Neugierig studiere ich Matthis Gesicht. Er grinst bloß wissend, als habe er was in der Richtung schon geahnt. Also erzähle ich weiter. "Ab da an hing ich nur noch im Boxclub ab. Auch, weil ich es zuhause kaum noch aushielt. Frank wurde quasi der wichtigste Mensch in meinem Leben. Wir redeten viel, auch außerhalb unserer Trainingszeit. Mein Mut wuchs und nach drei Jahren (!) des stillen anhimmelns, flirtete ich ungeniert mit ihm und ließ ihn wissen, dass ich etwas von ihm wollte. Leider klopfte er mir nur auf die Schulter und sagte, dass er mich zwar mag, aber halt nicht SO mag. Ich war enttäuscht, besser gesagt, ich war sauer. Sauer auf mich, dass ich schwul war und das ich kein richtiges Zuhause hatte. Ich wohnte zwar bei meinen Eltern, doch für mich bedeutete das nur ein Dach Nachts übern Kopf. Nicht mehr und nicht weniger. Bis auf David natürlich. Ich kam also 'nach Hause', wutentbrannt darüber, dass der Mann, den ich vergötterte, mich nicht will. Um nicht wieder auszuticken atmete ich unzählige male tief durch und beschloss mit meinem Stiefvater darüber zu reden." "Das war Frank!" Fragend schaue ich Matthias an. "Du hast mir die Geschichte von deinem Outing doch schon erzählt. Weißt du noch?" Jetzt fällt es mir wieder ein! Ich habe Franks Namen nicht erwähnt, aber Matthi hat recht. "Ja. Wegen meiner unerwiderten Gefühle zu Frank, habe ich mir endgültig den Hass meiner Eltern auf mich geladen. Sie beschimpften mich, aber das habe ich dir ja auch alles erzählt." Ich flüstere nur noch, als ich weiter rede und das halbaufgegessene Brötchen vor mir anstarre. "All diese Wut und mein ständiges Ausrasten. Kein Wunder, dass sie mich nie lieben konnten." "Theo!" Matthias legt seine Hand auf meine. Dafür muss er über die Tischplatte greifen, wobei das Marmeladenglas gefährlich beginnt zu rotieren. Anstatt weiter mein Brötchen zu fixieren, beobachte ich nun seinen schwankenden Tanz, und bin so froh, die warme Hand meines Schnuckels zu fühlen. "Hör bitte endlich auf dir einzureden, dass du Schuld bist! Es gibt keine Dunkelheit in dir! Wütend kann jeder mal werden! Auch ich. Du kannst froh sein, dass du mich noch nicht richtig wütend erlebt hast, das versichere ich dir." "Aber nicht so wie ..." "Nix da!", erhebt er seine Stimme erneut und unterbricht mich. "Theo! Sieh mich an!" Ich tue ihm den Gefallen und versinke in der Wärme und Zuneigung, die seine Augen ausstrahlen. "Deine Eltern haben David sehr geliebt, nicht wahr?" Ich nicke. "Und dennoch reden sie keinen Ton mehr mit ihm, seit sie wissen, dass er wie du ist." Wieder nicke ich. "Das lag nicht an dir, dass du so aufbrausend warst, oder es vielleicht noch bist. Auch liegt es nicht an das, was dein Vater dir angeblich vererbt hat. Es liegt daran, dass sie dir niemals eine Chance gegeben haben, der zu sein, der du bist. Deine Mutter hat dir von Anfang an eingeredet, dass du so bist wie dein Vater. Und weil du das irgendwann auch geglaubt hast, denkst du jetzt, du wärst so. Wenn jemand an deiner Wut schuld ist, dann ja wohl sie!" ~Matthias~ Theos Augen werden groß und mir schlägt das Herz bis zum Hals. Ich bin so sauer! Sauer auf diese dämliche Kuh, die in Theo anscheinend nur ihren verhassten Exmann gesehen hat, und nicht ihren Sohn! "Sie hätte dich lieben sollen. Dir sagen müssen, dass du was ganz Besonderes bist, wie es Mütter eben tun. Sie hätte dir sagen sollen, dass du nicht daran Schuld bist, dass dein Vater so war, wie er war. Und ganz sicher hätte sie dir nicht sagen dürfen, dass du wie dein Vater bist. Das bist du nämlich nicht. Du schlägst die Menschen nicht, die du liebst. Du bist nicht so wie zum Beispiel dieser Kerl, der Niels so zugerichtet hat. Du bist stark, Theo." "Matthi, ich ..." Theo atmet tief ein. "Das stimmt nicht. Ich hab ..." Er zieht seine Hand unter meiner hervor und trinkt seine Kaffeetasse leer. Theo wirkt nervös und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, er fängt gleich an zu heulten. Was auch immer er mir sagen will, es muss ihm wirklich nahe gehen. Ich gebe ihm Zeit damit, auch wenn ich fast platze vor Neugier und einer kleinen Priese Angst. Was hat er bloß getan? "David", presst er schließlich hervor und stellt die Tasse wieder ab. "Als er zum wiederholten mal die Nacht bei Jack verbringen wollte ... Wir hatten einen riesen Krach deswegen und dann kam auch noch ein Bekannter von mir, der Jack angeblich kannte, und sagte, dass er ein mieses Arschloch wäre, vor dem man sich in Acht nehmen sollte. Ich wollte nicht, dass David sich mit ihm abgibt. Ich hatte ihn bis jetzt immer beschützt und den Kerlen, die ihn nur ausnutzen wollten, in die Flucht geschlagen. Erfolgreich. Bis Jack aufgetaucht war, und David sich Hals über Kopf in ihn verliebt hatte." "Und dann?", frage ich nach, weil Theo erneut beginnt zu stocken und ich mit der Zunge hastig über die Lippen fährt. "Jack tauchte dann auch noch auf, bollerte gegen meine Wohnungstür und ... Da ist es mit mir durchgegangen! David wollte einfach nicht auf mich hören, war schon auf dem Weg direkt in Jacks Arme zu rennen, und dann habe ich rot gesehen. Ich habe ihm eine ... eine Ohrfeige verpasst." Mein Magen zieht sich zusammen. Ich hätte jetzt mit vielem gerechnet. Das er Jack eine verpasst hätte oder vor Zorn seine Wohnung demoliert hätte. Aber nicht, dass er seinem Bruder eine runtergehauen hätte! "Es tat mir sofort leid. Doch David ging, nachdem Jack mir einen kräftigen Schlag verpasst hatte, den ich auch verdient hatte." Ich schweige, wage kaum zu atmen. "Ich habe mich tausendfach bei ihm entschuldigt und dann zog David bei mir aus. Es war unfassbar! Er zog zu diesem Mistkerl! Aber dann verstand ich es. Man sah es ihnen an. Sie hatten sich ineinander verliebt." "Dann habt ihr euch wieder vertragen?", frage ich unnötigerweise. "Ja. Ich half bei seinem Auszug und wir haben seitdem nicht mehr darüber gesprochen. Es war ein Ausrutscher. Und eher werde ich mir beide Hände abhacken, als dass ich David nochmal so anfasse, oder auch nur einen anderen Menschen den ich liebe!" Theo sucht zögernd meinen Blick und legt seine Hand nun auf meine, die noch immer so daliegt, wie vorhin. Ich erwidere seinen Blick und für eine Millisekunde überlege ich, ob das Geständnis irgendwas an meinen Gefühlen zu Theo verändert, merke aber dann, dass es das nicht tut. Es war eine Ohrfeige! Eine, die mein Hase sofort bereut hat. Wahrscheinlich nimmt sie Theo viel mehr mit, als es David jemals getan hat. Mein Vater hat mir auch schon mal eine Backpfeife verpasst. Die hatte ich da allerdings auch mehr als verdient. Man sollte eben nicht mit Schneebällen auf eine alte Dame zielen … "Dann ist doch alles gut." Ich lächle Theo beruhigend an. "Du kannst dich beherrschen. Das ist der Unterschied zu deinem Vater. Das, und dein gutes Herz. Das hast du mit deinem Bruder gemeinsam." Theo wirkt ungläubig und sieht aus wie ein überfahrener Waschbär. "Das glaubst du wirklich? Das ich was mit David gemeinsam habe?" "Natürlich! Würde ich sonst hier sitzen? Oder dich so sehr lieben?" Theo blinzelt und senkt den Kopf. "Alles in Ordnung?", frage ich nach. Er sieht ganz schön mitgenommen aus. "Ja", flüstert er. "Ich liebe dich auch." "Das will ich dir auch geraten haben!" Endlich lächelt mein Hase wieder. "Also gut! Wie wäre es jetzt mit meiner Outing-Story? Bock?" "Ich brenne schon drauf." Ich reise gedanklich einige Jährchen zurück, zu der Zeit, welche die schlimmste in meinem Leben war. "Ich war ungefähr dreizehn, glaube ich. So genau weiß ich das nicht mehr. Ich steckte jedenfalls mitten in der Pubertät. Mein Gesicht sah aus wie ein Streuselkuchen und ich hatte meinen Stimmbruch zum Glück schon fast hinter mir. 'Wenigstens etwas, das sich bessert', redete ich mir ein. Ich war ein dürres Kerlchen und in der Schule hatte ich nur wenige Freunde. Was mir aber nichts ausmachte. Was mir was ausmachte, waren die Deppen in meiner Klasse. Die 'Beliebten'. Für die war ich absolut nichts wert und sie hatten ihren Spaß auf meine Kosten. Ich nahm es hin, versuchte ihnen aus dem Weg zu gehen, was aber nicht immer gelang. Und dann kamen die Weihnachtsferien. Die verbrachten wir immer bei meiner Oma im Allgäu. Viel Schnee und viel Skifahren. Ich freute mich immer riesig darauf. Ich war also Skifahren. Und plötzlich, ich fuhr konzentriert die Piste hinunter, da haute es einen anderen Fahrer keine zehn Meter vor mir auf die Schnauze. Ich schlidderte zu ihm rüber und half ihm auf, nachdem ich mich versichert hatte, dass er sich nicht verletzt hatte. So traf ich Laurin. Wir hingen die ganzen Ferien über zusammen rum und verstanden uns blind." "Wusstest du da schon, dass du schwul bist?" Ich nicke. "Aber nicht das du jetzt denkst, ich hätte mich in Laurin verliebt! Er war von Anfang an nur ein Freund für mich. Das er ebenso tickt wie ich, wusste ich damals noch nicht. Aber seine Freundschaft, die wir auch noch nach den Ferien aufrecht erhielten, gab mir den Anstoß, endlich was in meinem Leben zu verändern. Ich saß nach den Ferien keine Stunde in meiner Klasse, da nahm ich es mir vor. So konnte es nicht mehr weiter gehen! Abends dann, wartete ich ab, bis meine Eltern im Bett waren. Dann schlich ich mich in den Keller, wo mein Vater ein paar Hanteln liegen hatte. Ich fing sofort an wie ein Irrer zu trainieren. Nächtelang tat ich nichts anderes, bis ich vor Erschöpfung kaum noch in mein Bett krabbeln konnte. Ich übertrieb es, wusste es aber auch nicht besser, bis mir eines Nachts dann eine Hantel auf den Fuß viel. Am nächsten Morgen dann die große Überraschung: Mein kleiner Zeh war gebrochen. Mein Vater fuhr mich zum Arzt, der wissen wollte, wie es passiert war. Ich log nicht und gestand meinem Vater, was ich Nachts heimlich tat. Er versprach mir zu zeigen, wie man richtig trainierte. So wuchsen meine Muskeln und meine Akne wurde zum Glück auch immer besser." Ich atme tief durch. "Und dann kam Benjamin. Ich war mittlerweile sechzehn. Benjamin zog gegenüber in die leere Mietwohnung ein und ich war sofort Feuer und Flamme für ihn. Er war schon Neunzehn. Das war mir aber egal. Ich wollte ihn! Er war blond, hatte stahlblaue Augen und einen wahnsinnig durchtrainierten Körper. Ich machte mich an ihn ran, unter dem Vorwand, seine Trainingsgeheimnisse wissen zu wollen. Wir freundeten uns oberflächlich an. Eines Tages standen wir im Hausflur und ich nahm all meinen Mut zusammen. 'Ich mag dich Benni', flüsterte ich ihm zu und küsste ihn einfach." "Nein! Echt?" "Echt. Mein erster Kuss und Benni ging sogar drauf ein." "Du Glückspilz", lacht Theo dunkel. "Wie man es nimmt. Meine Eltern erwischten uns. Benni rückte erschrocken von mir ab und redete von da an nicht mehr mit dir. Was ich inzwischen verstehen kann, da ich ja noch minderjährig war. Er hatte sicher Angst, dass er deshalb Ärger bekommen würde." "Und deine Eltern? Was haben die gemacht? Ihn etwa angezeigt?" "Nein. Sie hatten genug mit mir zu tun, glaube ich. Meine Mutter rastete aus. Zu meiner Überraschung war mein Vater gefasster. Er schickte meine Mutter in unsre Wohnung und versprach ihr, mit mir zu reden. 'Du ... Du bist schwul?', fragte er stockend und sah mich merkwürdig an. Ich nickte bloß schwach, so geschockt war ich noch selbst von all den Ereignissen die passiert waren. Ich hatte eben meinen ersten Kuss mit einem Jungen gehabt, meinem Traumjungen! Und dann wurde ich auch schon Zwangsgeoutet. Meine Gefühle fuhren Berg- und Talbahn. Mein Vater sagte, dass er sich sowas schon gedacht hatte, es aber nicht toll fand. Er fragte mich allen Ernstes, ob sich da nicht was machen ließe." "Shit. Mit sowas kam meine Mutter auch an. 'Du musst in eine Klinik! Du bist krank! Was, wenn du David ansteckst?' Ich kann sie noch immer hören." "So schlimm war es bei mir zum Glück nicht", sage ich und beginne mit Theos Fingern zu spielen. "Ich sagte ihm, dass ich daran gar nichts machen kann, und es auch nicht will. Er akzeptierte es anstandslos. 'Gut', meinte er 'Dann versuchen wir es mal deiner Mutter schonend beizubringen.' Das taten wir. Oder versuchten es zumindest. Sie sprach gut drei Wochen nicht mehr mit mir und fing die ersten Tage ständig an zu heulen, wenn sie mich sah. Mein Vater redete immer wieder mit ihr, doch sie blieb stur, bis sie abends zu mir ins Zimmer kam und sich auf mein Bett setzte. Wir redeten lange miteinander und am Ende konnte sie sich mit meiner 'Neigung' einigermaßen arrangieren. Ihr hatte nicht die Tatsache an sich gestört, dass ich schwul bin, sondern die daraus entstehenden Probleme. Sie hatte Angst, dass mich jemand deshalb totschlägt, oder ich keinen Job bekomme, wenn alle Welt sieht, dass ich auf Männerhintern stehe. Das ich mir irgendwelchen Krankheiten einfange, oder noch Schlimmeres. Mein Vater und ich konnten ihr klar machen, dass mir das auch passieren könnte, wenn ich auf Frauen stehen würde. Mittlerweile hat sie sich ganz gut damit abgefunden, doch unser Verhältnis ist noch immer … schwierig. Wir reden zwar miteinander, doch was in meinem Leben passiert, das will sie nicht genau wissen", schließe ich und lasse Theos Hand los. Mein Magen knurrt schon wieder, weshalb ein zweites Brötchen dran glauben muss. "Kommst du damit klar?" Besorgt guckt mich mein Hase an. "Ja", winke ich ab. "Inzwischen schon. Es ist ja nicht so, dass sie mich verteufeln würde. Sie lässt mich mein Leben leben und das reicht mir." Mehr oder weniger ... Theo nickt leicht und legt den Kopf schief. Ein freches Glitzern erscheint auf seinen Augen. "Benni also", höre ich Theo dunkel raunen. "Ja. Benni." "Blond war er auch noch." "Wasserstoffblond." Nur schwer unterdrücke ich ein Grinsen. Was mein Hase wohl gerade so denkt? "Und ihn hast du geküsst?" "Mit Zunge." Gut, das war gelogen. So forsch war ich damals noch nicht. "Wieso fragst du?" "Als du von diesem Benni erzählt hast, wurden deine Wangen ganz rot." "Wirklich?" Unbeeindruckt schmiere ich Butter auf eine Brötchenhälfte. "Wirklich." "Na ja. Der Kuss war auch ziemlich gut gewesen. Da erinnert man sich gerne dran." "So so ..." Laut rückt Theo seinen Stuhl zurück und steht auf. Ich lege das Messer auf meinen Teller und warte ab, was mein Hase gerade im Schilde führt. "Küsst er besser als ich?" "Hm ..." Ich lege den Kopf schief und überlege angestrengt, während Theo um den Tisch herum geht. "Keine Ahnung ..." "Soll ich dir auf die Sprünge helfen?" Eine Hand schiebt sich von hinten in meinen Nacken und ich lache überrascht auf, als Theos Lippen sich auf meinen Hals legen. "Gern", kichere ich. "Aber dafür knutschst du mich an der falschen Stelle." "Du freches Aas!" "Frech?! Ich doch nicht!" "Na warte!" "AHHmmm ..." Okay. Ich gebe es zu. Theo küsst definitiv besser als alle Kerle zusammen, mit denen ich schon herumknutscht habe! Nur ... Das binde ich ihm jetzt lieber nicht auf die Nase. Ich will das nämlich gerade bestimmt nicht ausdiskutieren. Unsre Münder haben heute schon genug geredet, und haben jetzt auch viel Besseres zu tun. ****** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)