(Außer)Gewöhnlich von RedRidingHoodie ================================================================================ Kapitel 3: März --------------- Sie trug ein schwarzes Shirt von Ihm und kurze Shorts, das Haar hatte Sie zu einem unordentlichen Dutt hochgesteckt und das Make Up bereits aus dem Gesicht gewaschen. "Du siehst hübsch aus", sagte Er trotzdem und Sie lächelte in die Webcam. Im Stillen dankte Sie Mikoto dafür, ihrem Sohn beigebracht zu haben, Seinem Mädchen so etwas zu sagen, egal, wie sie aussah. Allerdings sagte Er damit wohl auch Seine ehrliche Meinung, denn Er mochte zu stark geschminkte Frauen nicht. Sie zog die Knie an, sodass Sie Sein Bild auf dem Monitor weiterhin sehen konnte. "Wie ist es da drüben?" Das hübsche Gesicht auf dem Bildschirm verzog sich ungnädig. "Zu viele Leute." Sie kicherte über Seine Scheu Menschen gegenüber, die Er durch eine Schicht Schroffheit tarnte. Als Er sich entschied, Autor zu werden, hatte Er wohl vergessen, dass Menschen Seine Bücher lesen würden. "Je mehr Leute, desto besser. Die zahlen immerhin unsere neue Küche." "Ich bin eigentlich mit einer Ärztin zusammen, weil ich dachte, dann keine Möbel mehr selbst zahlen zu müssen." Erneut lachte Sie. Sie liebte Seinen trockenen Humor, vor allem, weil Sein Gesicht dabei völlig ausdruckslos blieb und man immer raten musste, ob Er es jetzt ernst meinte oder nicht. Seit Sie mit Ihm zusammen war, war Sie gut geworden im Raten; Sie erriet, was Er sich zum Geburtstag wünschte, Sie erriet, wann Familienfeste stattfanden, Sie erriet, wann Er am Flughafen abgeholt werden musste und Sie erriet sogar, was Er sich für Badezimmermöbel aussuchen würde. Alles nur, weil Er nie ein Wort sagte über Seine Wünsche und Vorlieben. Aber es war ok, denn das zwang Sie, sehr genau auf das zu hören, was Er zwischen den Zeilen andeutete, und so schaffte Sie es oft frühzeitig, Probleme zu erkennen und zu beseitigen. "Letztens ist dir aber noch was besseres als Geld verdienen eingefallen, das man im Arztkittel machen kann", schmunzelte Sie und der Glanz der angedeuteten Nacht trat zurück in Seine Augen. "Können wir wiederholen." "Vergiss es. Jetzt hast du schon gesagt, dass ich arbeiten muss, also hab ich keine Zeit für sowas." "Du weißt, was du verpasst." Erneut lachte Sie als einzige und dann herrschte eine Sekunde unangenehme Stille, die Sie hastig, bevor man sie in den Gliedern spüren konnte, mit weiteren Fragen nach Seiner Buchpräsentation verscheuchte. Sie unterhielten sich eine Weile, aber der Gesprächsstoff war bald verbraucht, weil Er nicht gerne telefonierte. Außerdem sah Sie Ihm an, dass der Promotion-Termin Ihn erschöpft hatte. Obwohl Sie Seine Stimme gerne noch weiter gehört hätte, gab Sie also schließlich auf und verabschiedete sich. "Ich vermisse dich", sagte Sie leise und Er nickte. "Hn." "Schlaf gut." "Du auch." "Ich liebe dich", sagte Sie, aber Er hatte den Videochat schon beendet. Und dann kugelte Sie sich auf ihrem gemeinsamen Bett zusammen, drückte das Gesicht in Sein Kissen und weinte, weil es weh tat, wenn Er nicht da war und weil Sie Angst hatte, dass es Ihm nicht genauso gehen könnte. Sie wusste, dass Ihn diese emotionale Seite an Ihr überforderte, deshalb zeigte Sie sie Ihm selten. Sie ließ Ihn mit Liebesgeständnissen weitestgehend in Ruhe und nahm das, was Er Ihr an Zuneigung gab, in sich auf, um es für karge Zeiten zu sparen und davon zu zehren. Nach der letzten, alleine verbrachten Woche war dieser Vorrat jedoch aufgebraucht und Sie fühlte sich wund und verletzlich, jedes Mal, wenn Sie an Ihn dachte. Sie brauchte viel mehr Liebe, als Er zeigen konnte, aber das hatte Sie gewusst, als Sie sich auf Ihn einließ, deshalb klagte Sie nie sondern begnügte sich mit kleinen Ausbrüchen wie diesem Weinkrampf gerade. Zeigen, wie schwach Er Sie machte, würde Sie Ihm nie. Er mochte keine Schwäche, also riss Sie sich für Ihn zusammen. Am nächsten Tag würde Sie die Wäsche wechseln, sich schminken und zur Arbeit gehen, weil alles bestens war, und Sie würde Ihn in ein paar Tagen vom Flughafen abholen, wo Er Ihr mit von ihrer Trennung unbeeindrucktem Gesichtsausdruck Blumen und Bücher überreichte und Sie würde Ihm um den Hals fallen. Nicht, weil Er Ihr Geschenke machte, sondern weil Er wieder da war und die Einsamkeit in ihrer Wohnung mit Seiner Schweigsamkeit vertreiben würde. Und sie würden beide wissen, wie unglücklich Sie war, als Er erzählte, dass Er im nächsten Monat schon wieder auf Reisen sein würde, aber Er würde nicht fragen, ob Sie mitkommen wollte. Das tat Er nie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)