(Außer)Gewöhnlich von RedRidingHoodie ================================================================================ Kapitel 11: November -------------------- "Nicht jetzt. Wir sind in der Bahn." "Oh, nimm den Stock aus dem Arsch", lachte Sie Worte, die Sie noch vor einem halben Jahr nie zu Ihm gesagt hätte. In den letzten Monaten hatte Sie so genau gesehen, was für Abgründe hinter Seiner vollkommenen Maske schlummerten, dass Sie Seine Fassade nur noch erbärmlich finden konnte. Er hatte sich selbst von dem Thron gestoßen, auf den Sie Ihn immer gesetzt hatte. Nicht, weil Er krank war. Sondern weil Er zu schwach und zu stolz war, Hilfe anzunehmen. "Was ist so schlimm daran, hier etwas über Romantik zu sagen? Du bist Autor. Du solltest kein Problem mit Worten haben." "Worte haben Orte, an die sie gehören." "Auf deine Lippen zum Beispiel, mein Liebster", zischte Sie sarkastisch. Ausgangspunkt des Gesprächs war ihr anstehender zweiter Jahrestag, zu dem Sie sich ´etwas Romantisches` gewünscht hatte. Als Er fragte, was genau das sein sollte, hatte Sie nach Seiner Definition des Wortes gefragt - Und bisher keine Antwort bekommen. Wahrscheinlich hatte Er sich über derartiges einfach noch nie Gedanken gemacht, doch Sie wollte Ihn nicht so schnell von der Angel lassen. Irgendetwas musste es doch geben, dass Ihm ein Heimatgefühl in einem anderen Menschen, in Ihr, gab, sonst wäre Er doch einfach eine leere Hülle... Und wenn nicht wegen eines solchen Gefühls, wieso sollte Er dann überhaupt bei Ihr bleiben? "Jetzt sag ihr doch einfach, dass du sie liebst, Alter", mischte sich ein Mann ein, der ihnen gegenüber saß. "Das will sie nicht hören." Doch - Etwas anderes hatte Sie nie von Ihm hören wollen. Sie war gekränkt, weil Er nicht mal das wusste und verlegen, weil dieser Fremde sie belauscht hatte, deshalb stimmte Sie giftig zu: "Ja - Heuchelei ist keine Romantik." Er sah Sie eindringlich, jedoch nicht überrascht an. "Ich bin also ein Heuchler." Ihr wäre nie in den Sinn gekommen, dass diese Worte Ihn kränken könnten, entschuldigen wollte Sie sich aber auch nicht dafür. Das hatte Sie schon zu oft getan. "Ich glaube, dass du dir keine Gedanken darüber gemacht hast. Und das ist in dem Fall genau dasselbe wie Heuchelei." In dem Moment hielt die Bahn, Er stand auf und stieg aus. Sie verdrehte die Augen und wollte schon sitzen bleiben, lief Ihm dann aber doch nach - Wenn auch nur, weil Sie nicht alleine dem Lauscher gegenüber sitzen wollte. "Was soll das?", fragte Sie gereizt, sobald Sie Ihren Freund einholte. Es war spät und der Bahnhof bis auf sie leer, sodass niemand hörte, als Er sagte: "Sollen wir jetzt schon Schluss machen?" Wie angewurzelt blieb Sie stehen, als wäre Sie gegen eine unsichtbare Wand gelaufen, die Ihr die Luft aus dem Körper presste und sich unüberwindbar zwischen Sie und Ihn stellte. "Was...?" "Früher oder später wird es dazu kommen, denn ich bin nicht der Typ, der dir sagt, dass er es romantisch findet, dass du seine Hand hältst, wenn ihr über eine Straße geht, weil du dir Sorgen um ihn machst. Ich werde dir nicht sagen, dass ich es romantisch finde, wie du immer noch rot wirst, sobald du mich siehst oder dass du dir jedes meiner Bücher hast signieren lassen. Es wird nicht vorkommen, dass ich dir bei Kerzenschein tief in die Augen sehe und Hauche, wie schön du bist und dass ich es romantisch finde, wenn du zu Hause meine Shirts trägst und dich einfach gehen lässt, weil du mir vertraust. All diese kleinen Dinge werde ich dir nicht sagen, aber ich möchte nicht daran schuld sein, dass dir etwas fehlt. Deshalb die Frage, ob du es beenden möchtest." Sie konnte für einige Momente nichts tun, als Ihn über die Mauer hinweg anzustarren, die sich während der letzten Monate zwischen ihnen aufgebaut hatte. Wie hatte es so weit kommen können? Wie hatte Sie irgendwann aufhören können, jedes Mal ´Ich liebe dich!` zu denken, wenn Sie Ihn ansah? Wie hatte Sie jemals aufhören können, es Ihm zu sagen? Und wie könnte Sie jetzt aufhören, es zu fühlen? Mit einer mörderischen Anstrengung überwand Sie die unsichtbare Barrikade zwischen ihnen und schmiegte sich an Seine Brust. "Verlass mich nicht." Befehl und Flehen zugleich lagen in Ihrer Stimme. Seine Hand legte sich auf Ihren Hinterkopf, Er stützte Sie, küsste Ihre Stirn. "Solange du es nicht willst." Alles an Ihrem Körper brannte, nur die Augen nicht. Keine erleichternden Tränen für Sie. Sie krallte die Finger in Seine Jacke, klammerte sich an der bröckelnden Fassade ihrer Beziehung fest, die Sie noch nicht loslassen konnte. "Wir... Wir können das schaffen. Ich meine, alles, was uns fehlt, sind ein paar Worte, oder? Und ich denke jetzt nicht an Romantische, sondern Ehrliche. Wir haben uns in letzter Zeit einfach zu wenig gesagt, aber das können wir jetzt ja ändern. Du bist Schriftsteller, du kannst uns ein Happy End schreiben, oder?" Er erwiderte Ihren flehenden Blick aus erschöpften Augen. Augen, die aufgegeben hatten. "Du weißt, dass ich es tun würde, wenn ich könnte." Und Er hatte Recht. Sie war die Einzige, die wusste, wie viel Ihm tatsächlich an dieser Beziehung lag, vielleicht wusste Sie es sogar besser als Er selbst. Wenn Er hätte kämpfen können, um Sie zu halten, Er hätte es getan. Doch Liebe war nichts, das man mit Gewalt erreichte, für das man in die Schlacht ziehen konnte. Sie war mehr wie ein zärtlich gehüteter Garten voller Pflanzen die Geduld brauchten, um zu reifen. Und Er war einfach zu kalt, um etwas zum wachsen zu bringen. So war Ihre Liebe zu Ihm mehr einem prächtigen Blumenstrauß gleich, den Er sich eine Weile ins Wohnzimmer gestellt hatte und dem Er dann beim stetigen Welken zugesehen hatte. Er hatte sich an der Schönheit erfreut und war vielleicht dankbar gewesen, war sich des Endes aber zu jeder Zeit überdeutlich bewusst gewesen. Ganz im Gegenteil zu Ihr, die das Fehlen Ihrer eigenen Gefühle traf wie ein Schwall kaltes Wasser ins Gesicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)