날 따라와 von dumm ([SuChen]) ================================================================================ Kapitel 1: Follow me -------------------- Das Zimmer fühlt sich leer und erdrückend an. Die vollen Bücherregale und die laufende Radioanlage sorgen nicht für schöne Stimmung und lenken ihn nicht ab. Nicht einmal die teuren Möbel und seine Markenklamotten sind für ihn von Wert. Seitdem er hier nicht mehr bei ihm sein kann, fühlt sich sein Zimmer mehr wie ein Gefängnis an. Joonmyun hat das erste Mal in seinem Leben Stubenarrest. Das, obwohl seine Noten hervorragend sind, obwohl er nicht mehr ganz so unordentlich wie vor ein paar Jahren ist und obwohl er aussieht und wirkt wie ein Vorzeigesohn und der Liebling aller Schwiegermütter. Es gibt nur ein gravierendes Problem mit Joonmyun. Er ist eklig und abstoßend, enttäuschend und der Beschmutzer des Rufes der Familie. Das sagen zumindest seine Eltern und man bringt einem bei, dass Eltern immer Recht haben. Joonmyun findet aber nicht, dass er etwas Schlimmes getan hat. Er beleidigt niemand, hat keine Feinde, schwänzt keinen Unterricht, klebt nicht einmal Kaugummis unter Tische oder lässt seinen Müll im Park liegen. Er ist wohlerzogen und macht alles so, wie seine Eltern es ihm beigebracht haben. Außer diese eine Sache. Aber seine Eltern hatten ihm nie gesagt, dass er sich nur in Mädchen verlieben darf. Seine Eltern hatten ihn nie vor dem Klassenclown gewarnt, der – aus welchen Gründen auch immer – sein Herz viel zu schnell gestohlen hatte. Seine Eltern hatten ihm nie gesagt, dass er sich nicht in einen anderen Mann verlieben darf. Aber, ohne ihre Erlaubnis, hat er das getan und aus unpraktischen Umständen hatte sein Vater ihn und seinen Freund erwischt. Pardon, seinen Exfreund. Sein Vater hatte seinen Freund aus seinem Zimmer gezerrt, vor die Tür gesetzt und ihm mit einer einstweiligen Verfügung gedroht, würde er sein abartiges Gesicht je wieder hier blicken lassen. Danach hatte er sich eine viel zu laute Predigt und eine harte Ohrfeige antun müssen. Er hatte Stubenarrest für das nächste Jahr bekommen und sein Vater hatte darauf bestanden, dass er Jongdae nicht einmal mehr im Unterricht ansehen durfte. Sie wären die längste Zeit allein zu zweit gewesen, hatte er ihm spuckend entgegen gebrüllt. Joonmyun hatte sich in dieser Nacht seit langem mal wieder in den Schlaf geweint, obwohl er geglaubt hatte, dass er das hinter sich gehabt hätte. Weil er so glücklich gewesen war. Am nächsten Tag hatte er mit Jongdae Schluss gemacht und jedes Aber und flehendes Joonmyun abgewürgt und hatte sich von seinem „Babysitter“ abholen lassen. Seine Eltern überwachen ihn seit diesem Tag. Er wird zur Schule gebracht, wird von dort abgeholt und wenn er Zuhause ist, dann ist er dafür verdammt in seinem Zimmer zu bleiben. Sie wollen auf Biegen und Brechen verhindern, dass sich ihr Sohn wieder mit falscher Gesellschaft abgibt und wollen verhindern, dass sie ihn manipulieren. Die einzige falsche Gesellschaft, die ihn manipuliert, sind seine heuchlerischen Eltern, die mehr auf ihren guten Ruf geben, als auf die Gefühle ihres zweiten Sohnes, der die besten Noten nach Hause bringt. Es fällt ihm schwer zu lernen, es fällt ihm schwer, in die Schule zu gehen und viel mehr fällt es ihm schwer, die Wut und den Ärger vor seinen Eltern zu verstecken. Er will mit ihnen diskutieren, will ihnen zeigen, dass er trotzdem der perfekte Sohn ist, auch wenn er sein Leben mit einem Mann und nicht mit einer Frau teilen möchte. Joonmyun weiß jedoch, dass er damit nur versagen würde. Seine Eltern sind zu homophob und für sie ist es die größte Folter, dass ihr Sohn einer dieser ekligen Menschen mit verkorksten Gedanken ist. Für sie ist es furchtbar, dass Joonmyun eine dieser Personen geworden ist, von denen sie tun, als würden sie nicht existieren. Er lernt wenig und weint viel, kann sich nicht konzentrieren und vermisst Jongdaes Lachen und seine Umarmungen und die Nähe. Im Klassenzimmer nicht zu ihm gucken zu dürfen ist die größte Herausforderung, der er sich je gestellt hatte und Joonmyun hasst sich dafür, dass seine Eltern ihn so gut in der Hand haben. Jongdae wäre egal was seine Eltern sagen oder tun würden. Er würde dennoch die Möglichkeit finden, Zeit mit ihm zu verbringen. Er würde alles daran setzen, dass sie wieder zusammen sein konnten und alles, was Joonmyun macht, ist, ihn zu verlassen und sich die Augen geschwollen zu weinen. Während er ein Loch in die Wand starrt, bemerkt er nicht, dass jemand ein Stein gegen das Fenster wirft. Erst nach dem dritten Mal registriert er das störende Geräusch, steht von seinem Schreibtisch auf und geht zu dem Fenster. Sein Herz bleibt einen Moment stehen, als er Jongdae, zusammen mit einer Taschenlampe, in der Dunkelheit erkennen kann. Er zögert keinen Moment und macht das Fenster auf. »Was machst du hier?«, fragt er, redet sofort weiter. »Du darfst nicht hier sein. Was, wenn meine Eltern dich sehen?« »Keine Angst, die schlafen. Das Licht ging vorhin aus.« Ungläubig starrt er hinab zu der Person, die dafür verantwortlich ist, dass sein Herz schneller schlägt, als es nötig wäre. »Du solltest gehen«, sagt Joonmyun dann, weil er ein braver Sohn ist und mehr auf seine Eltern hört, als er möchte. »Hatte ich vor. Aber nicht ohne dich.« Jongdae sieht zu ihm hoch und grinst breit, seine Stimme ist gesenkt, laut genug, dass er sie hört, aber leise genug, dass sie niemand wecken könnte. Ein Glück, dass das Zimmer seiner Eltern auf der anderen Seite des Hauses liegt. Und ihr Haus ist riesig. »Erinnerst du dich noch daran, als du zu mir meintest, dass du es schade findest, dass man hier kaum Sterne sieht, weil die Stadt so stark beleuchtet ist?« Joonmyun nickt. »Wir suchen uns einen Platz wo das nicht der Fall ist. Wir laufen so lange, bis wir die Milchstraße sehen können. Du und ich, nur wir beide.« »Ich kann nicht. Was, wenn meine Eltern das herausfinden?« »Lass uns abhauen. Lass uns rennen, irgendwo hin. Ich hab genug Geld, damit wir uns vorerst über Wasser halten können; ich hab mein Konto komplett geplündert. Ich will dir das zeigen, was du sehen möchtest, nicht, was deine Eltern wollen, was du siehst. Die Welt ist da draußen und nicht in deinem Zimmer oder in den Lehrbüchern. Du hast doch immer gesagt, dass du so viel sehen willst. Los, komm runter, komm mit.« Joonmyun glaubt, dass er kurz davor ist wieder zu weinen. Wieso ist dieser Mensch so verrückt und gleichzeitig so perfekt? »Pack ein paar Sachen ein und lass dein Handy ja hier!« »Ich kann nicht aus dem Haus, ohne die Alarmanlage weg zu machen – und meine Eltern haben den Code letztens geändert.« »Wegen mir? Das wäre doch nicht nötig gewesen.« Jongdae gluckst kurz. »Spring aus dem Fenster, ich fang dich auf.« »Bist du verrückt?« »Ist doch nur der erste Stock, so hoch ist das nicht.« Er hat recht. Joonmyun beobachtet ihn einen Moment und verurteilt ihn für seine dämlichen und gleichzeitig perfekten Ideen, ehe er sich von dem Fenster wegdreht und zu einem Rucksack greift. Er packt seinen Geldbeutel ein, legt das Handy auf den Schreibtisch, stopft rücksichtslos ein paar Klamotten in den dunklen Rucksack und zieht sich eine Jacke über. Er ist sich im Klaren darüber, wie dämlich diese Idee ist. Es war nur die Sache von ein paar Tagen, bis die Polizei sie irgendwo aufgabeln würde. Aber das war es wert. Eine Minute mit Jongdae war alles wert. Mit gepacktem Rucksack löscht er schließlich das Licht im Zimmer, wandert zu dem Fenster und klettert wackelig heraus, nachdem er sichergegangen ist, dass Jongdae noch da war. Es kostet nur wenig Überwindung zu springen, denn der Drang, Jongdae in die Arme zu schließen, ist stärker. Der Aufprall schmerzt in seinen Beinen, aber die Pein ist vergessen, als er dem anderen in die Arme fällt und ihn fest an sich drückt. Aber die Umarmung hält nicht lange, weil Jongdae nach seiner Hand greift und ihn mit sich zieht. Es fühlt sich gut an, etwas Verbotenes zu tun. Das ist das Dümmste und Beste, was er je in seinem Leben gemacht hat. Sie klettern über die Mauer, die nicht hoch genug ist, um pubertierende und verliebte Jungs aufzuhalten, springen auf die andere Seite und ihre Schritte hallen durch die Straßen Seouls, die um diese Uhrzeit noch immer leicht belebt sind. Der erste Stopp ist eine Bank; Joonmyun hebt Geld von seinem verdammt vollen Konto ab und dann geht es weiter. Mit Nervosität und Schmetterlingen im Bauch folgt er Jongdae, der nicht von seiner Hand ablässt und ihn durch die Stadt führt. Sie kaufen sich ein Ticket und nehmen die nächstbeste U-Bahn, die sie aus der Hauptstadt in eine der Satellitenstädte bringt. Die Aufregung wird von Minute zu Minute größer. Nach unzähligen Küssen und Umarmungen, Nickerchen und eine, knapp zwei Stunden später erreichen sie Icheon. Joonmyun ist müde und glaubt, dass er sich ironischerweise noch nie so lebendig gefühlt hat. Er weiß, dass er unglaublichen Ärger bekommt, wenn seine Eltern ihn wieder in die Hände bekommen – und er ist nicht naiv genug, um zu glauben, dass das nie passieren wird. Aber das ist ihm egal. Im Moment zählt nur, dass er zusammen mit Jongdae unterwegs ist. Dass er seine Gefühle nicht verstecken muss. Sie übernachten in einem Hotel und Joonmyun fragt Jongdae nicht, woher er die gefälschten Ausweise hat, auf denen sie falsche Namen haben und volljährig sind. Alles, was er in dieser Nacht fragt, ist, ob er Kondome dabei hat. Jongdae hat Kondome dabei. Am nächsten Morgen frühstücken sie und er verschwendet keinen Gedankengang an seine Eltern, fragt sich auch nicht, ob sie schon nach ihm suchen oder nicht. Das zählt alles nicht. Sie reisen weiter, nehmen diesmal einen Bus und kommen abends, nach einem langen Tag voller Laufen und Umsteigen, in einem Gasthaus in einem Dorf an, dessen Namen er noch nie gehört hat. Sie buchen ein Zimmer für eine Nacht, essen und bevor sie in ihr Zimmer gehen, entführt Jongdae ihn auf einen Spaziergang. »Sieht du, wie viele Sterne da oben sind?« Erst nach Jongdaes Frage bemerkt er, wie dunkel es hier ist. Und ein Blick nach oben bringt ihn zum Staunen. Der Himmel ist voller leuchtender Sterne und so viele hatte er noch nie mit seinen eigenen Augen gesehen. Er gibt einen Laut des Erstaunens von sich und im nächsten Moment zieht ihn Jongdae auf den Boden. Sie sitzen nebeneinander, Arme um ihre Rücken, Hände an den Seiten und blicken in das helle Himmelszelt, das genauso unbeschreiblich ist wie Joonmyuns Gefühle für Jongdae. Irgendwann löst er den Blick von dem Nachthimmel und drückt Jongdae einen kurzen Kuss auf die Wange und glaubt, dass er kurz davor ist zu weinen. Nicht, weil er sich daran erinnert, dass seine Eltern ihn abartig und schrecklich finden, sondern weil er so verdammt verliebt und glücklich ist. Jongdae sieht ihn an, hält den Blickkontakt und löst ihn erst, als er sich ihm nähert, die Augen schließt und ihn zärtlich küsst. Jongdae verspricht ihm, dass sie noch viel mehr sehen werden und dass er nur dann von seiner Seite weicht, wenn sie dazu gezwungen werden. Joonmyun sagt, dass es niemand geben muss, der sie dazu zwingen muss. Sie lieben sich unter dem dunklen Himmel mit seinen vielen Sternen und fallen im Hotelzimmer erneut übereinander her. Danach schläft er in den Armen Jongdaes ein und hofft, dass ihre gemeinsame Zeit nicht so schnell endet. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)