Der Joker und Harley von Kadaverpuppe (Ein Abend in Arkham und ein Jahrestag) ================================================================================ Kapitel 1: Ein Abend in Arkham ------------------------------ Es war die vollständige Abwesenheit von Furcht, welche das Leben so einfach machte. Draußen schlugen die Regentropfen an die Fenster. Ein stetiges Prasseln begleitete seine Schritte, als er beinahe lautlos über den dunklen Flur schlich. Nach dem dritten Aufenthalt in dieser dunklen, langweiligen Anstalt war es nicht mehr allzu schwer, aus der Zelle zu entkommen, selbst angesichts der Tatsache, dass man jedes Mal eine neue Überraschung für ihn bereithielt, wenn er eingeliefert wurde. Dieses Mal hatten sie ihn in eine abgedunkelte, fensterlose Zelle gesteckt. Ein Fehler, wie sie später feststellen würden – doch er würde nicht mehr da sein, um das zu beobachten. Er sah um eine Ecke, erblickte jedoch nur einen weiteren, leeren Korridor. Flink huschte er hinüber zur dunklen Holztür. Ein goldenes Schild war neben dem Türrahmen angebracht. Genüsslich schmatzend las er den eingravierten Namen. Wie der Clown, hatte sie gesagt. Er musste grinsen. Der Witz war nicht perfekt, aber es war die richtige Richtung. Wie erwartet war die Tür nicht abgeschlossen und so gelangte er ohne Probleme ins Innere des kleinen Büros. Zu seiner Enttäuschung sah es nicht sonderlich anders aus als die übrigen Büros auch. Andererseits hatte er irgendwie auch nichts anderes erwartet. Er lauschte einen Augenblick, ob eine Wache vorbeiging, doch kein Laut drang an sein Ohr – nur das noch immer stetige Prasseln des Regens. Beschwingt schlenderte er hinüber zu dem Sessel hinter ihrem Schreibtisch, ließ sich darauf fallen und legte seine Beine auf ihren Tisch. Die Hände hinter dem Kopf verschränkt betrachtete er den leeren Stuhl vor dem Schreibtisch. „Tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, dass Billy verrückt ist“, erklärte er dem leeren Stuhl und begann dann zu lachen. Wie beiläufig griff er ein Foto, das auf dem Schreibtisch aufgestellt war. Die Frau erkannte er wieder, doch der Mann, bei dem sie stand, sagte ihm nichts. Er hob eine Braue. Wenn es ihr Freund war, dann würde das die Sache nur unnötig verkomplizieren. Missbilligend rümpfte er die Nase und wedelte mit dem Foto durch die Luft. Er hielt inne. Im Inneren des Rahmens hatte etwas gescheppert. Er drehte das gerahmte Foto in seinen Händen, öffnete dann den Rahmen und zog ein Armband und ein Stück Papier heraus. Das Foto hatte sie verdeckt. Mit dem Armband konnte er nichts anfangen, also warf er es achtlos hinter sich. Das Papier weckte sein Interesse. Es war eine Todesanzeige. Der Name sagte ihm nichts, doch er ging davon aus, dass es sich um den Mann auf dem Foto handeln musste. Zumindest hoffte er das. Es herauszufinden würde eine Kleinigkeit werden, denn die Frau war erstaunlich redselig. Mehr schlecht als recht stopfte er dann halbherzig Todesanzeige und Armband wieder zurück an ihren angestammten Platz, stellte den Rahmen auf den Tisch und stand auf. Nicht, dass ihn ihre Motive sonderlich scherten, aber er konnte nicht aufhören, sich zu fragen, was sie sich von all dem versprach. Dieser merkwürdige Blick, den sie ihm zugeworfen hatte, der ihn so aus der Fassung gebracht hatte, dass er sogar vergessen hatte, sie zu erwürgen. Im Endeffekt war es eine gute Idee gewesen, das Würgen sein zu lassen und in wenigen Tagen würde er sich selbst erfolgreich vorlügen können, dass er sie nicht zufällig verschont hatte. Was war das gewesen? Diese Situation...? Er schmatzte, während er den Schreibtischstuhl in die Zimmermitte schob, sich darauf kniete und sich dann am Schreibtisch abstieß, um quer durch’s Zimmer zu rollen. Es war Begeisterung gewesen. Eine Mischung aus Begeisterung, Bewunderung seiner Person, ein wenig Unterwürfigkeit und natürlich auch ein kleines bisschen Angst. An seinen Fingern zählte er ab, was diese Gefühle zusammen ergaben. Ein wunderbares Spiel, das ergaben sie! Er grinste breit, während er mit dem rechten Zeigefinger gegen den linken Mittelfinger tippte. Sie flirtet nicht nur mit dir, du kannst sie sogar angreifen und sie betet dich an. Gegen seinen Willen wurde ihm merkwürdig warm. Wenn andere ihn genauso bewunderten wie er sich selbst bewunderte, konnte er nicht anders, als sentimental zu werden. Er klopfte sich zufrieden auf den Bauch, vergaß dabei seine Fahrtrichtung und krachte mitsamt Schreibtischstuhl scheppernd gegen ein Bücherregal. Geräuschvoll stürzte er vom Stuhl und riss im Fallen ein paar Bücher mit sich. Sofort spitzte er die Ohren. Mit einem Satz hatte er die Bücher ins Regal, den Schreibtischstuhl hinter den Schreibtisch und sich selbst darunter befördert. Unter dem Türspalt konnte er Licht erkennen. Die Tür öffnete sich und zwei Wachen schauten herein. Diese vollständige Abwesenheit von Furcht, die dein Leben so einfach machte. Er spürte sein Herz im Hals schlagen, ein breites Grinsen auf dem Gesicht. Spaß ist, wenn der andere den Schaden hat. Er musste sich nicht großartig viel Mühe geben, in seinem Versteck nicht aufzufallen. Die Wachen gingen eine Runde durch den Raum, bevor sie gelangweilt wieder abzogen. Offenbar glaubte niemand, dass tatsächlich jemand aus seiner Zelle entkommen könnte. Flink kroch er unter dem Tisch hervor, trat gegen den Stuhl (die gerechte Strafe für dieses waghalsige Manöver) und studierte dann mit mäßigem Interesse die Notizen, die auf dem Schreibtisch herumlagen. „Scheint fast so, als habe unser Nachwuchsclown keine anderen Hobbys....“, flüsterte er lächelnd und zog ein paar Papiere aus dem Durcheinander. Wenn er nicht seinen Namen darauf fand, dann war das Blatt meist unbeschrieben. Sie war völlig besessen von ihm und auch, wenn er es nicht wirklich bemerkte, so schmeichelte ihm das doch sehr. Vielleicht würde er sie ein wenig länger behalten als die anderen. Kapitel 2: Jahrestag -------------------- Drei Jahre. Es waren drei gottverdammte Jahre. Mit offenen Augen starrte er an die Decke, unfähig, zu schlafen. Als er sie vor zwei Stunden wieder hatte aus seinem Schlafzimmer werfen müssen, war es ihm aufgefallen. Seit drei verdammten Jahren schon klebte sie an ihm wie Hundescheiße am Schuh. Klar, natürlich, er hatte sie etwas länger behalten wollen – aber das war zu lange. Er konnte hören, wie sie sich draußen an die Tür presste, um ihm sogar durch das Holz noch so nahe wie möglich zu sein. Bei so viel Abhängigkeit konnte einem ja schlecht werden. Natürlich stand außer Frage, dass seine Person eine ausgesprochen interessante, großartige Ausführung war, die Ehrerbietung und Respekt verdient hatte. Wer sich mit ihm gut halten wollte, der sollte besser genauso hohe Stücke auf ihn halten, wie er auf sich selbst. Oder zumindest so viel Angst vor ihm haben, dass es ihm imponierte. Ja, kein Zweifel, was die Würdigung seiner Person anging, so leistete sie ganze Arbeit. Aber zur Hölle mit diesem verdammten Gekuschel, mit diesen verfluchten Kosenamen und gottverdammt nochmal, wie dumm musste denn ein einzelner Mensch sein, sich so derart idiotisch aufzuführen? Sie wollte ja schon fast, dass er sie ausnutzte. Natürlich hätte er das auch ohne ihre Einladung getan, immerhin war sie eine ganz praktische Fahrkarte aus der Anstalt heraus gewesen. Aber als er sie eben aus seinem Zimmer geworfen hatte, wie er es die Tage zuvor und die Wochen zuvor getan hatte (und er war dabei nicht gerade zimperlich), da war ihm aufgefallen, dass es inzwischen drei Jahre waren. Drei Jahre, die sie ihm hinterherlief, sich von ihm durch den Dreck schleifen ließ und sich vor ihm erniedrigte. Drei Jahre, in denen sein Wort ein göttlicher Befehl war, in denen sie ihm Wünsche von den Augen ablas und vor allem drei Jahre, in denen er sich von Zeit zu Zeit kleinere Gefälligkeiten hatte überlegen müssen, um sie bei der Stange zu halten. Jahrestag der Meister-Sklave-Beziehung. Vielleicht war sie auch deswegen so anhänglich gewesen. Er hatte sich nicht sonderlich darum geschert, aber es war ihm dennoch aufgefallen. Er schielte zur Tür. Wie es ihn ankotzte, sie durch das Holz atmen zu hören. Wie es ihn nervte, dass sie sich an die Tür presste, wie ihn ihre ganze, sich in Loyalität aufopfernde Art einfach anekelte... aber was tut man sich nicht alles an, um einen Fan zu behalten. Natürlich, er könnte jederzeit einen neuen Gefolgsmann suchen, der ihm Tag für Tag das Gefühl gab, ein Gott zu sein. Wahrscheinlich würde er auch genügend von der Sorte finden. Aber sie hatte einen entscheidenden Vorteil: Sie war kostenlos. Was auch immer er mit ihr vorhatte, es würde ihn im schlimmsten Falle maximal zwei Dollar kosten – den Preis einer handelsüblichen „Tut mir leid“-Karte. Er konnte sie mit einer Rakete zum Mond schießen, ihre Kleider in Flammen stecken während sie diese noch trug oder auch einfach nur nach ihr schlagen, weil ihm danach war – er musste nur warten, bis sie (mal wieder) weggelaufen war und ihr, sobald er glaubte, sie brauchen zu können, eine zwei Dollar Karte zu schicken, auf die jemand freundlicherweise bereits „Tut mir leid“ geschrieben hatte. Wie idiotisch musste man sein, um das zu glauben? Ein ersticktes Schluchzen drang durch die Tür zu ihm und er griff genervt nach seinem Wecker, warf ihn gegen die Tür und lachte, als er ihren erschreckten Aufschrei hörte. Bald darauf hörte man sie über den Flur tippeln. Sie war verschwunden. Er drehte sich seufzend im Bett herum, hoffte, dass man ihn am nächsten Morgen möglichst früh und möglichst ohne „Puddin“ und „Liebling“ wecken würde und versuchte wieder, zu schlafen. Vor seiner Tür tippelt wieder jemand vorbei, dieses Mal allerdings nicht sie. Ihren Schritt würde er aus tausend anderen wiedererkennen, auch, wenn er darauf nicht unbedingt stolz war. Auch ihr Atmen, das erstickte Schluchzen und die Art, wie sie ihn umarmte, erkannte er unter tausend anderen wieder. Dafür verwechselte er ganz gerne ihr Gesicht mit dem einer anderen Blondine, was immer zu nervenzehrenden Diskussionen ausartete. So lustig und praktisch sie bisweilen sein konnte, so nervtötend war dieses eifersüchtige Weibergehabe. Wieder ging jemand an seinem Zimmer vorbei, dieses Mal sie. Sie schien sich beruhigt zu haben, denn er hörte kein Schluchzen. Ihr Schritt war federnd und lang, was darauf schließen ließ, dass sie sich irgendwie aufgemuntert hatte und nun nach Beschäftigung suchte. Sie hielt nicht an, sondern passierte sein Zimmer ohne Zögern. Er setzte sich auf. Wie soll man denn bei so viel Bewegung schlafen? Er schlich zur Schlafzimmertür, wartete bis er sie wieder kommen hörte und stieß dann die Tür auf. Wie beabsichtigt traf er sie am Kopf. Sie stürzte zu Boden und er lachte laut, bevor er sie harsch anwies, sie solle sich gefälligst hinlegen. Bei ihrem Gehüpfe sei es eine Zumutung, zu schlafen. Zufrieden sah er der entmutigt wegschlurfenden Blondine nach und zog sich wieder in sein Zimmer zurück. Er konnte es einfach nicht ausstehen, wenn sie glücklich war, obwohl er sie von sich gewiesen hatte. Sie sollte traurig in irgendeiner Ecke sitzen, schluchzen und ihn am nächsten Morgen so liebevoll wie möglich wecken. Das kotzte ihn zwar an, aber genau das sollte sie tun. Drei Jahre alte Tradition. Manchmal ist es nicht verkehrt, zusammen über etwas zu lachen, dachte er, als er in die Kissen sank. Soll nicht heißen, dass sie nicht jederzeit austauschbar wäre, aber alles in allem hätte er es vor drei Jahren auch schlechter treffen können. Die Tür war nicht abgesperrt, damit er sicher sein konnte, am nächsten Morgen nicht alleine aufzuwachen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)