Die gute Klopapierfee von Namaiki (Tualetnaya Bumaga) ================================================================================ Kapitel 5: Besuch in Lila ------------------------- Es verlangte mir alles taktische Geschick, das ich besaß, jeden Funken Willenskraft, den ich noch zusammenkratzen konnte und ein gewaltiges Opfer ab, um Temari für den Rest des Abends aus dem Weg zu gehen. Ich stimmte einem Spielabend meiner Mutter zu. Ich war dazu gezwungen, doppeltes Spiel zu treiben, indem ich meine Zustimmung gab, als Sabakuno gerade nicht in der Nähe war und danach Sabakuno vorgaukelte, ich sei mit hinterhältigen Mitteln gehindert worden abzulehnen. Es sprach nicht unbedingt für ihre gute Meinung von meiner Mutter, dass sie es mir widerstandslos glaubte. Normalerweise liefen solche Spielabende immer nach dem gleichen Muster ab. Es begann mit einer Partie Mensch-ärgere-dich-nicht. Etwas, das meine Mutter seit jeher gewann, auch wenn es dafür keine logische Erklärung zu geben schien. Überhaupt war meine Mutter unschlagbar bei allem, was mit Würfeln zu tun hatte. Ich hatte im Laufe meines Lebens verschiedene Theorien entwickelt, warum das so war. Unter anderen hatte ich Zauberei, Telekinese und esoterischen Blödsinn wie Glück in Erwägung gezogen. Ich war letztendlich zu dem Schluss gekommen, dass die Würfel schlichtweg Angst vor ihr hatten und sich ihr deshalb in Selbstschutz unterwarfen. Aber das war der Fall an normalen Tagen. Denn wenn meine Mutter die Königin der Würfel war, war Sabakuno ihre Göttin. Geradezu blutdurstig kickte sie unsere Spielsteine aus dem Weg zu ihrem Triumph, meine Mutter ihr in ihrer Leidenschaft kaum nachstehend. Aus dem schweißtreibenden Kampf mit so aggressiven Würfen, dass unser Couchtisch sich von ihnen wohl nie erholen wird, ging Sabakuno siegreich hervor, wenn auch nur knapp. Nun hatte meine Mutter Blut geleckt. Und entgegen aller vorheriger Lustlosigkeit war auch Temari bereit, ihren Sieg bis auf's Messer zu verteidigen. Es brach eine Schlacht Monopoly aus, die wiederzugeben es einen oder zwei Chronisten gebraucht hätte. Beide Frauen waren dabei so ehrgeizig, besitzergreifend und gleichzeitig so vom Glück gesegnet, dass mein Vater und ich nie eine wirkliche Chance hatten. Als ich nach Stunden endlich pleite war – worauf ich es wirklich angelegt hatte – verschwand ich unauffällig in mein Zimmer. Mein Vater hatte mittlerweile die Bank übernommen aber mein Verschwinden wurde kaum wahrgenommen, zu sehr waren Sabakuno und meine Mutter damit beschäftigt sich wie Aasgeier auf den Westbahnhof zu stürzen, den ich zurückgelassen hatte und auf den beide schon die ganze Zeit scharf waren. Ich betrat nichtsahnend mein Zimmer, schloss die Tür hinter mir und Geschichte wiederholte sich. Ich fand mich an mein Bett gefesselt mit Plüschhandschellen. Was zur Hölle...? Vor meinem Bett hatte sich eine Figur in Lila aufgebaut, die sich kaum von den Schatten im Raum abhob. Ihre Haut war dunkel und ihr Blick aus noch dunkleren Augen war zumindest nicht völlig wahnsinnig sondern eher gelangweilt, aber ihr Kleid hatte Puffärmel und war voller Tüll, also ließ ich alle Hoffnung auf ein vernünftiges Gespräch fahren. Als wären die Plüschhandschellen nicht schon Indiz genug. „Was ist es diesmal?“, fragte ich, mittlerweile abgehärtet. „Hey“, machte die Fremde gelangweilt. „Lass uns reden.“ Es folgte eine Stille, die für eine ganze Weile keiner von uns brach. Bis sie plötzlich mit den Fingern schnipste und von irgendwoher – mich überkam ein starkes Gefühl von Déjà-vu – eine Handvoll kleiner, quadratischer Verpackungen nahm, mehr konnte ich im Halbdunkel meines Zimmer kaum erkennen... „Willst du ein Kondom? Die haben auch immer so Sprüche...“ Ich blinzelte. Sie las, was auf den Verpackungen stand und warf mir eines nach dem anderen zu. „Schwangerschaft kann zu Gewichtszunahme führen.“ Ein Kondom in meinem Schoß. „Aus Erfahrung gut. Das können sie auch.“ Das nächste traf mich am Arm. „Better safe than sorry.“ Am Kopf. „Keines macht mich mehr an.“ Brust. Bevor sie mir mit ihren Kondom-Shuriken noch ein Auge ausstechen konnte, begehrte ich auf. „Ich brauche keine Kondome! Was-“ Ich stockte, als sie mir in die Augen sah. Das schien ein Feuer in ihr entfacht zu haben. „Ich bin mittlerweile lang genug in diesem Gewerbe, um zu wissen, dass man Männern nicht vertrauen sollte, wenn sie sagen: ,Ich zieh' schon vorher raus!'“ Ihre Aussage brachte mich lange genug zum Schweigen, damit sie zu einer Predigt zu Verhütung ansetzen konnte und den unangenehmen Folgen bei Unterlassen. Sie war gerade bei einer sehr plastischen Darstellung eines unangenehm juckenden Pilzes und meine Laune an ihrem Gefrierpunkt angekommen, als ein unangenehmes Schrillen ihren Vortrag recht rabiat unterbrach. Sie zog ihren Zauberstab aus – von irgendwoher. Lila und nicht glitzernd. Plüschig. So wie sie ihn anstarrte, könnte man meinen, er flüstere ihr die Geheimnisse des Universums zu. Vielleicht tat er das auch. Was wusste ich schon von lila Plüschzauberstäben. Wenn man meine Erfahrungen mit rosa Glitzerzauberstäben analogisieren wollte, wusste ich vermutlich nichts von dem, was ich zu wissen glaubte. „Ach ja, richtig“, murmelte sie plötzlich abwesend. „Das sollte ich ja nicht mehr machen.“ Sie fixierte mich wieder mit ihrem Blick. „Zurück zum Wesentlichen.“ „Kondome?“, fragte ich. „Nein. Klopapier.“ Ich zuckte zusammen. Sie hatte das böse Wort gesagt. „Tualetnaya Bumaga ist untergetaucht und wird wegen Ausnutzung ihrer pflichtbegleitenen Kompetenzen gesucht. Unsere Quellen besagen, ihr Tun sei nicht durch deinen Wunsch autorisiert worden.“ War das die selbe Fee/Frau, die mir gerade noch Kondome an den Kopf geschmissen hatte? „Ist das wahr?“, hakte sie nach. Ich nickte. „Okay“, kam es von ihr, wieder tiefen entspannt, beinahe apathisch. „Das musste ich sicherstellen.“ „Ist Ihr Tun autorisiert?“, erkundigte ich mich, mit den Plüschhandschellen rüttelnd. „Was? Oh, ja, unsere Chefin ist da großzügig. Bis dann. Sei brav und lass deinen Willi in der Hose, wenn du noch nicht weißt, wie du ihn benutzen musst.“ Und damit war sie weg. Ich werde den Ausdruck auf Sabakunos Gesicht wahrscheinlich für eine Weile nicht vergessen, als sie stattdessen das Zimmer betrat und mich erblickte. An mein Bett gefesselt. Mit Kondomen auf mir und um mich herum verteilt. Mir nicht anders zu helfen wissend, sagte ich vermutlich den klischeehaftesten Satz, den man hier sagen konnte. „Das ist nicht so, wie es aussieht.“ Sie fiel etwas in sich zusammen. „Oh, wirklich? Schade.“ Die Welt gefror und die Dame in Lila war wieder da. „Sorry“, meinte sie. „Wünschst du etwas, an dieser Situation zu verändern?“ „Ja.“ Sie zog eine Augenbraue hoch. Ich nahm das als Aufforderung, das genauer zu erläutern. „Ich will nicht mehr mit Plüschhandschellen an mein Bett gefesselt sein und nehmen Sie ihre Kondome wieder mit.“ Sie warf mir einen strafenden Blick zu, was ich auf die Kondome bezog, grinste aber plötzlich und schwang ihren Zauberstab. Ich erkannte meinen Fehler erst, als es zu spät war. Und da war ich – ohne Kondome – mit Plüschhandschellen an Sabakuno gefesselt. Sie hob unsere zusammen geketteten Hände hoch und betrachtete sie mehr neugierig als beunruhigt. „Ich wusste nicht, dass du auf so was stehst.“ Oh, verdammt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)