Rise of an eagle von LynethNightmare ================================================================================ Kapitel 5: ----------- „Noch einen Schluck Wein, Monsignore?“, richtete sich Antonio an seinen späten Besuch. Maria brachte derzeit die übrig gebliebenen Speisen zurück in die Küche. „Bene Grazie, Antonio, aber nein. Andernfalls finde ich den Weg in mein Heim nicht mehr, heute Nacht.“, lachte der Arzt auf. Antonio schenkte ihm ein verschmitztes Lächeln, ehe er seinerseits seinen Krug in die Höhe hielt und stumm einen Schluck daraus nahm. „Ihr verpasst etwas. Es ist der beste Wein von ganz Florenz.“, bemerkte der Hausherr neckisch. „Das sagtest du bereits bei den vorherigen beiden Flaschen, mein Guter.“, konterte Rastelli augenzwinkernd. Sein Blick flog durch den Raum und blieb abermals an dem ruhenden Körper des jungen Mädchens hängen. Mit tiefen Atemzügen sog sie den Sauerstoff in ihre geschundene Lunge. Das todgeweihte Mädchen, dessen Wille sich so sehr an ihr Leben klammerte, dass sie nicht aus dieser Welt gehen wollte. Mit einer übermenschlichen Zähigkeit klammerte sie am letzten Halm ihres Seins, seit geschlagenen sechs Wochen. Noch immer war sie nicht erwacht. Rastelli konnte keine Prognose abgeben, denn so schwach sie schien, so schnell regenerierten sich ihre Verletzungen. Erst vor wenigen Tagen hatte sie starkes Wundfieber entwickelt und wieder hing ihr Überleben am seidenen Faden. Mittlerweile war der Doktor regelmäßiger Besuch in diesem förmlichen, leeren Herrenhaus geworden und auf eine eigenartige Art und Weise war ihm seine Patientin ans Herz gewachsen. Er bemühte sich das Kind mit bestem Wissen und Gewissen zu behandeln, denn es schien, als gäbe es noch Hoffnung. Mit jedem Atemzug, den sie von sich gab. Die Einzige, die dauerhaft an das Überleben des Mädchens geglaubt hatte war Maria. Es verstrich kaum ein Zeitpunkt, an dem sie nicht aufopferungsvoll an der Pritsche des Mädchens saß. Sie wusch den Körper mit heilenden Ölen, salbte die Wunden, erneuerte die Verbände und versuchte Speis und Trank in den geschundenen Leib zu flößen. Des Abends las sie der Schlafenden gerne Geschichten aus den Büchern der hauseigenen Bibliothek vor, ehe sie völlig erschöpft und auch etwas resigniert in ihr Schlafgemach schlich. Rastelli, langzeitiger Freund der Familie Santavenere, kannte Maria seit jeher. Seit sie ihren ersten Schritt auf das riesenhafte Anwesen der Santavenere getan hatte. Damals als Amme der drei jungen Sprösslinge. Ihr Lebenswunsch war es gewesen ein Haus voller Kinder, über Generationen hinweg, zu hüten. Sie wusste längst, dass eigene Kinder niemals eine Option waren. Sie war zeugungsunfähig, seit ihrer schweren Pockenerkrankung als Kind. Die Santavenere waren eine bedeutende und reiche Geschäftsfamilie gewesen. Das Oberhaupt, Marcello Santavenere, war für seine Raffinesse und sein Fingerspitzengefühl in schwierigen Angelegenheiten bekannt gewesen. Seine beruflichen Kontakte waren sehr umfangreich und somit wurde er schnell zu einem, der bedeutendsten Männer, mitunter auch die rechte Hand des Fürsten Lorenzo de' Medici, dem Herr über Florenz, mit dem er zusätzlich ein sehr enges freundschaftliches Band pflegte. Marcello war ein liebender Ehegatte und Vater, doch er hatte nicht viel Zeit dem nachzukommen, somit holte er sich Maria Vinelli ins Haus. Sie sollte seinen ganzen Stolz hüten, während er, eingeschlossen in seinem Büro, das tägliche Geschäft abwickelte. Die drei Kinder der Santavenere waren Marias ganzer Lebensinhalt. Sie begleitete den ältesten Sohn Taziano bis hin zu seinem Arztstudium in Roma und seine jüngere Schwester Carolina in die glatten Wogen der Verlobung. Der Jüngste hingegen, Antonio, lag ihr besonders am Herzen. Zwar hatte dieser nichts, als Flausen im Kopf und trat von einem Fettnäpfchen ins Nächste, dennoch war er für Maria, wie ihr eigenes Kind. Jener Tag traf Maria hart. Jener Tag, an dem sie auf dem Weg zu Doktor Rastelli in einen Aufruhr geriet. Sie wollte gerade die Medizin für den, an Sommergrippe, erkrankten Antonio beschaffen, als sie ihre Gastfamilie, umzingelt von vielerlei Schaulustigen, tot in den Seitengassen vorfand. Dabei waren sie erst vor wenigen Minuten zu einem lang ersehnten gemeinschaftlichen Familienausflug aufgebrochen. Maria war eilig zu Rastelli gerannt. Außer Atem versuchte sie in ihrer Verzweiflung seine Hilfe zu erbitten, doch dazu war es bereits zu spät. Der Doktor würde den Ausdruck ihrer Augen im Leben nicht mehr vergessen können, als er sich über die kalten Körper beugte und nur noch den Tod feststellen konnte. Die Täter wurden niemals ausfindig gemacht, demnach auch nie zur Rechenschaft gezogen. Daraufhin war Antonio lange Zeit einfach von der Bildfläche verschwunden. Die leerstehende Villa der Santavenere stand nie zum Verkauf aus, auch wenn Maria nach dem Zwischenfall ausgezogen war. Die Menschen mieden das Anwesen, Gerüchte drangen durch die Straßen, doch von dem letzten Santavenere fehlte jede Spur. Bis vor zwei Jahren, als es mitten in der Nacht an der Tür des Doktors pochte. Vorsichtig hatte er sie einen Spalt weit aufgetan, als ihm ein schwacher Körper nahezu entgegen fiel. Sein Gesicht war unter einer tief geschnittenen, dunklen Kapuze verborgen. Er holte den Fremden herein, bahrte ihn auf seiner Liege auf und begann sich um die tiefen Schnitt- und Stichwunden zu kümmern. Erst viel später kam er hinter das Geheimnis des Fremden. Es war der verloren geglaubte Antonio Santavenere. Seither hielten die beiden Männer sporadischen Kontakt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)