Rise of an eagle von LynethNightmare ================================================================================ Kapitel 14: ------------ „Da seid ihr ja endlich, Adrianna.“, murmelte Maria, als sie die massiven Außentüre des Herrenhauses öffnete und ihrer Ziehtochter Einlass gewährte. „Doktor Rastelli hat mich noch einmal untersucht. Er sagt, dass mein Körper sich langsam erholt. Außerdem bestand Signora Rastelli darauf, dass ich euch eine Schüssel voll Suppe bringen soll.“, erklärte sich das Mädchen, während sie einhändig die Besorgungen jonglierte und mit der anderen Hand versuchte aus ihren Schuhen zu schlüpfen. „Das ist sehr freundlich. Wenn ich wieder gesund bin, dann werde ich mich bei ihr bedanken.“ Ein feines, wenn auch nicht aufrichtiges Lächeln, zierte ihre Lippen, als sie Adrianna die Gegenstände aus der Hand nahm. „Doktor Rastelli meinte es sei sehr wichtig, dass ihr genug esst und trinkt. Die Medizin sollt ihr zu jeder Mahlzeit einnehmen.“, bemerkte Adrianna noch. „Dieses Gemälde. Woher habt ihr es?“, umging die Haushälterin die Anweisung und legte ihre rehbraunen Augen skeptisch auf die kleine Leinwand. „Ich hatte einen Zusammenstoß mit einem jungen Maler. Er schenkte es mir, weil er es nicht mehr brauchte.“, gestand das Mädchen vorsichtig. „Habt ihr ihm euren Namen genannt?“, wollte Maria sofort wissen. „No. Ich sagte nur, dass mir das Bild sehr gefällt.“, verteidigte sie sich. „Si. Prego, Adrianna. Ihr solltet noch etwas Lesen und Schreiben bevor wir zu Abend essen.“, gab Maria von sich. Sie wirkte immer noch etwas skeptisch, gab dem Mädchen das Gemälde jedoch wieder. Sie tat fast so, als sei Adrianna ein gemeiner Dieb, der das Gemälde von einem Stand gestohlen hatte. Ob sie ihr so etwas zutrauen würde? Wenige Monate später, gerade als Adrianna das Haus für ein paar Besorgungen für ihre erneut erkrankte Haushälterin erledigen wollte, hielt sie am Türrahmen inne. Sie ließ ihren Blick über die Schulter wandern und sah, wie Maria durch den Wohnraum schritt. In ihren Augen lag ein fiebriger trauriger Glanz, der von Tag zu Tag mehr wurde, je länger kein Lebenszeichen von Onkel Antonio zu hören war. Sie konnte es kaum mehr verbergen. Sie war krank vor Angst und Sorge und das raffte nach und nach ihren Körper dahin. Es schien fast so, als sei die gute alte Dame in dem knappen Jahr um viele Jahrhunderte gealtert. Adrianna seufzte stumm, ehe sie sich von der Szene abwandte und den weißen Weidenkorb fest in die Hand nahm. Maria war sehr stumm und nachdenklich geworden, seit letzter Nacht. Das Mädchen hatte fremde Stimmen im Wohnraum vernommen, war aber nicht hinab geschlichen, um etwas zu erfahren. Sie hatte wohl darauf vertraut, dass Maria sie aufklären würde. Doch ihre Lippen blieben versiegelt. Irgendetwas war geschehen, das konnte sie nicht mehr verbergen. Adrianna zermürbte es fast nicht zu wissen, was hinter ihren Augen verborgen lag. Völlig in Gedanken schritt sie die lange Handelsstraße entlang, auf dem Weg zum Markt auf dem Piazza della Signora. Dieser Weg war in letzter Zeit ihre einzige Ausflucht gewesen, um dem Trübsal und der Stille zu entgehen. Und sogar jetzt fühlte sie sich sofort etwas leichter ums Herz, da die vielen aufgeregten Menschenstimmen an ihr Ohr drangen. Gerade, als sie um die letzte Ecke biegen wollte, deren Abzweigung sie am Gemüseladen auf den Piazza bringen würde, wurde sie hart gegen die Mauer gerempelt. Etwas verwirrt und gleichzeitig erschrocken keuchte Adrianna auf, als merkte, wie geschickte Finger ihr den Florinbeutel vom Gürtel lösten, ehe der Fremde die Flucht ergriff. „Aspetta!“, entkam es ihr, als sie sich den Rock raffte und ihrem Hab und Gut nachhetzte. Sie schlängelten sich in wilder Verfolgungsjagd durch die Menschenmassen am Piazza. Adrianna konnte Schritt halten und erspähte den Flüchtigen immer wieder im letzten Moment zwischen den Einkaufenden, ehe er erneut einen Haken schlug und in eine dunkle Seitengasse einbog. Ohne recht zu überlegen sprintete das Mädchen hinterher. Ein ohrenbetäubender dumpfer Schlag ließ sie jedoch in ihrer Bewegung festfrieren, als sie mit überrascht weit geöffneten Augen versuchte die Situation zu analysieren. Vor ihr stand Leonardo, mit einer breiten Holzlatte, die wohl einst ein Teil seiner Staffelei gewesen war, während neben ihm auf dem Boden der Dieb kauerte und schmerzlich raunte. Beiläufig kniete sich der Maler neben sein Opfer und entwand ihm den gestohlenen Beutel Florin, den er Adrianna mit siegessicherem Lächeln entgegen hielt. „Als ich eure Hetzjagd verfolgt habe, dachte ich mir bereits, dass ihr beklaut wurdet.“, gab er zu verstehen. Noch immer war Adrianna viel zu verwirrt, um auf seine Geste zu reagieren, weswegen er sich vom Boden erhob, ihren Arm bei sich unterhakte und wieder aus der Seitengasse schritt. „Ihr solltet bei Zeiten vielleicht in Begleitung durch Firenze spazieren. Einzelne Frauen laufen immer schnell Gefahr von dem Lumpenpack ausgeraubt zu werden. Und dieser war noch harmlos.“, bemerkte Leonardo schlicht, als er seine Begleitung auf die Mitte des Markes führte. „Man könnte allerdings eine Vorrichtung an den Florinbeutel befestigen, der vor Diebstahl schützt. Mit einer hervorspringenden Klinge, beispielsweise.“, sinnierte er weiter. „Einer Klinge? Ist das nicht ein wenig übertrieben?“, wollte Adrianna wissen, die sich gerade wieder fing. „Übertrieben vielleicht, aber auch äußerst effizient.“, schmunzelte Leonardo. „Ich habe in der Aufregung meinen Korb fallen lassen.“, bemerkte sie mürrisch, als sie bereits suchend ihren Blick umher wandte. „Ich helfe euch tragen bis wir den Korb wiederfinden. Einen leeren Korb wird ja wohl wahrlich keiner stehlen. Buon giorno im Übrigen, Senorina.“, bemerkte Leonardo verschmitzt. „Buon giorno, Leonardo. Ich bin wirklich froh euch getroffen zu haben und bene grazie für eure schnelle Hilfe.“, entkam es Adrianna, auf deren Züge endlich ein feines Lächeln abzulesen war. Sie war wirklich froh, dass Leonardo in die Situation eingegriffen hatte. Vielleicht hätte sie den Dieb sogar selbst aufgreifen können, doch was dann? Alleine mit einem Lump in einer dunklen Seitengasse nur wegen einem Beutel Florin schien nicht die beste Idee gewesen zu sein, die ihr durch den Kopf geschossen war. „Prego, Bella Donna. Oh, da ich euch gerade treffe! Ich wollte euch etwas zeigen.“, entkam es ihm gehetzt, als er schon seinen Leinensack von der Schulter hievte und ihn unsanft auf dem Boden aufkommen ließ. Der Inhalt klimperte dabei gefährlich. Neugierig trat Adrianna näher an ihn heran, ohne die Öffnung dabei aus den Augen zu lassen, als der Künstler einen riesenhaften Zeichenblock hervor zog. Auf der ersten Seite schien es, als habe er eine Bauanleitung für ein seltsames Objekt aufgemalt. Schnell blätterte er um und durchsuchte den Inhalt, bis er fündig wurde. „Es sind bis jetzt nur eure Augen und der Umriss des Gesichtes, aber man erkennt es vielleicht.“, begann er zu erklären, als er es Adrianna so nah vor die Nase hielt, dass sie kaum etwas erkennen konnte. Sie nahm ihm kurzerhand sein Heiligtum aus den Fingern und betrachtete es in nötigem Abstand. Tatsächlich kam das Bildnis ihr selbst schon recht nahe und sie bewunderte die Genauigkeit, die Leonardo an den Tag gelegt hatte, dabei waren sie sich nur einmal flüchtig auf der Straße begegnet. „Wartet nur, bis es fertig ist. Das kann allerdings noch einige Zeit dauern. Ich habe so viel zu tun, dass ich gar nicht dazu komme meine Bilder fertig zu stellen. Ganz zu dem Leidwesen meines Lehrers.“, belächelte er entschuldigend. „Lasst euch die Zeit, die ihr braucht, Leonardo. Das Bild ist schon jetzt wunderschön.“, lobte das Mädchen die Arbeit seines Gegenübers. Verlegen strich er seinen Hut wieder in die richtige Position, als er den Notizblock wieder an sich nahm. „Allerdings braucht jedes Portrait einen Namen. Ich würde es nur ungern 'Bella Donna Firenze' nennen.“, merkte er an, als er seine Linien noch einmal studierte. Kurzerhand griff er erneut in seinen Sack und fischte nach einer Feder und einem kleinen Tintenfass, das mit einem Korken versiegelt war. „Gebt ihm selbst einen Namen.“, forderte er. Adrianna stand etwas hilflos vor dem unfertigen Bildnis, die Feder hatte sie in die Hand gedrückt bekommen und ein unwohles Gefühl durchzog ihre Magengegend. Zwar konnte sie mittlerweile Schreiben und Lesen, aber das mehr schlecht, als Recht. Das Einzige, was sie sich bis zum Umfallen eingeprägt hatte, war ihr eigener Name. Sie biss sich unentschlossen auf die Unterlippe, ehe sie die Feder in das Fass tauchte und die Spitze auf dem Blatt Papier ansetzte. „La ombra principessa.“, las der Maler vor und zeigte ein breites Lächeln. „Sehr kreativ, Schattenprinzessin. Ihr lest wohl gerade das alte Märchenbuch der Schattenprinzessin?“, wollte er wissen, was Adrianna mit einem Nicken bestätigte. „Ihr habt eine sehr saubere und feine Handschrift. Sicherlich könntet ihr auch gut mit einem Pinsel umgehen. Falls ihr mal Zeit habt, dann versuche ich euch etwas beizubringen.“, gab er noch von sich, ehe seine Aufmerksamkeit auf einen Stand fiel, der Antipasti an die Menschen verkaufte. Eilig durchquerte er die Ansammlung an Menschen und neigte sich über den Stand, nur um dem Verkäufer zu bedeuten, welche Leckereien er soeben erspäht hatte. Nachdem er gezahlt hatte und hingegen seine Ware in den Händen hielt schloss er wieder zu Adrianna auf. Beiläufig legte er ihr eines seiner Errungenschaften in die Hand, zeitgleich ergriff er ihren Oberarm und zog sie mit sich. „Seht euch nur diese Grazie der Kathedrale Santa Maria del Fiore an. Wie sie über uns allen steht und mit ihrem arroganten Blick auf uns herab blickt. Ich mag diese Art der Architektur.“, schwärmte er. Adrianna schmunzelte leicht, als sie ihn von unten herauf ansah. In seinen Augen sah man stets neue Ideen aufkeimen und das Feuer der Leidenschaft lodern. Auch wenn sie ihn noch nicht lange kannte, so bewunderte sie diesen jungen Mann sehr. Vielleicht würde es nicht schaden, wenn sie sich von ihm etwas beibringen ließe. „Leonardo?“, holte sie ihn aus seinem Tagtraum, als er seine Aufmerksamkeit wieder auf sich richtete. „Ich muss noch eine Einkäufe erledigen und dann nach Hause.“, gab sie zu. Er nickte verständlich und bedeutete mit der Hand, dass sie vorgehen soll. „Seht ihr. Ich sagte euch bereits, dass niemand einen leeren Weidenkorb stehlen würde.“, bemerkte Leonardo selbstsicher, als er auf das gute Stück zuschritt und kurzerhand seine voll beladenen Arme von der Last befreite, indem er die gesamten Einkäufe in den Korb fallen ließ. Adrianna schmunzelte freudig, als sie es ihm nach tat und daraufhin ihren Korb an sich nahm. „Sagt mal, interessiert ihr euch für Sterne?“, wollte er unverhofft wissen. Seinen Blick hatte er zum hellblauen Nachmittagshimmel gewandt, während er grübelnd die Stirn verzog. „Sterne?“, hinterfragte das Mädchen verwirrt, die seinem Gedankengang nicht ganz folgen konnte. Gerade eben hatte der junge Mann noch von menschlichen Strukturen und Anatomie geredet. Davor war es die Mechanik, die das Leben der Menschen um ein vielfaches erleichtern konnte. Er schien tatsächlich ein umfangreiches Wissen über die Welt zu haben. Je mehr er von seinen Interessen und Wünschen erzählte, je mehr er von seinen Plänen und seinen Zukunftsträumen preis gab, desto gespannter hing ihm Adrianna an den Lippen. Sie wollte auch die Möglichkeit haben all das zu lernen. Sie interessierte sich sehr für Musik und Malerei, wusste jedoch, dass sie erst den langen Weg des Lesens und Schreibens gehen musste. Jedoch hatte sie sich heimlich ihren vermeintlichen Lehrmeister bereits gewählt. „Die Sterne, si. Kennt ihr die Bedeutung, die man den Sternenbildern zuschreibt?“, wollte er wissen. „Ich kenne sie nicht, nein.“, gab Adrianna zu. Sie hatte sehr schnell gemerkt, dass sie mit seinem Wissen nicht mithalten konnte, aber sie akzeptierte es. „Bei Zeiten müsst ihr sie nachlesen. Astrologie ist ein sehr interessantes Thema. Es würde euch sicherlich gefallen.“, gab er mit einem Lächeln zu verstehen. Adrianna nickte artig, ehe ihr Blick auf die Turmuhr fiel. Zwei Stunden lang waren die Beiden über den Markt flaniert, hatten sich über tausend Dinge unterhalten. Sicherlich würde sich Maria bereits wieder Sorgen um das Mädchen machen, weswegen sie beschloss nun endgültig den Heimweg anzutreten. „Vielen Dank für eure Hilfe, Leonardo. Ich muss nach Hause.“, sagte sie mit leicht wehmütigem Unterton in der Stimme. „Achtet auf Halunken, die euren Weg kreuzen und denkt über meine Diebsicherung nach. Einen schönen Abend, Senorina.“, schmunzelte er, während er bereits die rechte Hand zum letzten Gruß erhob und sich in gegen gesetzte Richtung davon machte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)