Alaska von HellmotherEva ================================================================================ Kapitel 3: Aller Anfang ist schwer ---------------------------------- Als Jane sich am nächsten Morgen aus dem Bett kämpfte, fiel ihr gar nicht auf, dass Kaskae am Bettende lag. Doch als sie schließlich genauer hinsah erkannte sie den großen Hund zwischen einer Decke und fluchte leise vor sich hin. Wenn ihre Eltern mitbekommen würden, dass Jane den Hund über Nacht ins Haus genommen hatte… Das gab Ärger. „Hey. Hey, Kaskae, steh auf du oller Fußabtreter.“, sagte sie und zog die Decke von der Hündin herunter. Augenblicklich schoss Kaskae hoch und sah sich erschrocken um, ehe ihr die gestrigen Ereignisse wieder einfielen. Sofort sprang sie vom Bett und bellte freudig auf, als Jane begann ihr Bett zu machen. „Leise!“, zischte Jane jedoch und hielt sofort Kaskaes Maul zu. Dann war es ganz still. Jane lauschte angestrengt in die Dunkelheit. Sie flehte, dass weder Miss Morris noch ihre Eltern von dem Bellen wach geworden sind. Das wäre der totale Albtraum. Doch es tat sich nichts. Jane atmete erleichtert aus und ließ schließlich langsam Kaskaes Maul los. „Okay Mädchen, komm jetzt.“, sagte sie leise und öffnete vorsichtig die Tür in den Flur. Als sie mit Kaskae die Treppe herunter schlich, glaubte sie jedoch jeden Moment aufzufliegen. Die Stufen knarzten bei jedem Schritt. Hm, seltsam, Tagsüber schien dieses Knarzen irgendwie leiser zu sein. „Gut, da ist die Tür, und jetzt raus mit dir.“, flüsterte Jane, als sie den Schlüssel zur Eingangstür umdrehte und Kaskae raus schickte. „Guten Morgen Janny.“ Jane wirbelte erschrocken umher, das Herz schlug ihr bis zum Hals, und sah Miss Morris hinter sich stehen. Sie trug ihren Morgenmantel und sah mit einem äußerst strafenden Blick zu Jane herab. „Ich… ich wollte ihr nur guten Morgen sagen. Ich hab sie bellen hören und dachte, etwas stimme nicht.“, versuchte Jane sich zu erklären. Warum sonst stand sie mit Kaskae früh am Morgen zwischen Tür und Angel? Miss Morris schien einen Augenblick noch darüber nachzudenken, ob sie Janes Geschichte glauben sollte, doch dann zuckte sie nur die Schultern und sagte Jane, sie solle die Türe wegen der Kälte zu machen. Erleichtert atmete sie auf und schloss schnell die Tür. Sie konnte wirklich keinen Ärger am ersten Schultag gebrauchen. „Und denk daran, einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen. Und hier ist noch Futter für den Hund, ich hab‘s auf dem Herd aufgetaut.“, sagte Janes Mutter und gab ihr eine Schüssel voller Robbenfett und einigen Schlachtabfällen. „Keine Sorge, ich werde mich bemühen. Seid ihr heute Nachmittag eigentlich zu Hause oder wieder arbeiten?“, fragte Jane wie beiläufig und nahm die Schüssel an sich. „Kommt darauf an… Wenn wir einige schöne Eisbärexemplare finden, werden wir wahrscheinlich wieder bis zur Dämmerung bleiben.“ Jane seufzte und stellte die Futterschüssel auf dem Boden ab, woraufhin Kaskae angelaufen kam und ihr Frühstück in sich schlang. „Wieso müsst ihr denn immer so lange weg sein?“ „Jane, dein Vater und ich sind Biologen. Ich kann froh sein, dass ich als Frau damals überhaupt einen Studiumsplatz bekam! Und dass die Universität uns dieses Forschungsprojekt angeboten hat, finde ich ist eine wunderbare Sache!“ „Ja… Für euch.“ „Nun tu nicht so, ja? Wir haben das schon ausdiskutiert und dir wird das hier alles auch noch gefallen, ganz sicher. Es wird eine Weile dauern, bis du vielleicht ein paar Freundinnen gefunden hast, aber das wird schon.“ Enttäuscht sah Jane auf, nickte gehorsam und streichelte im Vorbeigehen noch schnell über Kaskaes Rücken, ehe ihre Mutter ihr noch etwas hinterher rief: „Ach, ahm Jane: Tu uns und dir selber den Gefallen und sag in der Schule nicht jedem, wer genau deine Eltern sind. Sag einfach dein Vater ist Forscher oder so… Ist ja nicht gelogen.“ Jane seufzte und nickte. „Ich weiß… Kommt in Gegenden wie diesen nicht so gut, wenn ich sage, dass meine Eltern Atheisten sind, die in Charles Darwin Theorien glauben und sich Jahrelang mit der Evolutionstheorie beschäftigten, was?“ Janes Mutter nickte und sah sie mit einem vielsagenden Blick an, der so viel sagte wie ‚Du hast es erfasst‘ „Okay, also dann, tschüss!“, rief Jane, womit sie jedoch Kaskaes Interesse erweckte. Die Hündin bellte ihr verwundert nach und sah ratlos über den Zaun, dann wandte sie sich an Janes Mutter und sah ihr völlig verwirrt in die Augen. „Na Kask‘? Jane muss jetzt wieder in die Schule, ja? Du weißt schon, sie muss lernen, damit sie eines Tages Chance in dieser von Männer dominierten Welt hat.“ Kaskae legte nur verwundert den Kopf schief. Sie verstand ja das meiste, eigentlich fast alles, was die Menschen sprachen, aber manchmal, da kamen sie mit solchen Dingen wie Politik, Wissenschaft oder sehr speziellen Themen an, die die Hündin einfach nicht verstand! Bei diesen Gesprächen fielen so viele Fremdworte, dass Kaskae nur verwundert zwischen den Menschen umher sah und es meistens aufgab. Ja, Menschen sind seltsam, das ist eine Tatsache. Aber dass Jane plötzlich wieder zur Schule geht… Das ging ja gar nicht! Kaskae hatte sich grade erst daran gewöhnt, ihr Frauchen ständig für sich zu haben. Eigentlich war es empörend, dass Jane zur Schule gehen musste. Aber gut, dann würde sie sich eben ihrem neuen Lieblingshobby widmen: Schnee spielen! Denn eines hatte Kaskae wirklich zu wertschätzen gelernt: Schnee! Sie hatte Schnee ja schon immer geliebt, aber in diesen Ausmaßen war er auch ihr neu. Sie liebte es sich in diesem Zeug zu wälzen, darin zu graben oder einfach nur willkürlich darin herumzuschlagen. Es sah immer so toll aus, wenn der Schnee dann zu allen Seiten hochflog und sich in ihrem Fell verfing. Jane sagte mal: Um einem Menschen eine Freude zu bereiten braucht man Geld und Zeit, doch bei einem Hund genügt schon ein alter Stock um ihn zum glücklichsten Wesen auf Erden zu machen. Und so ging das dann auch eine ganze Weile… Kaskae beschäftigte sich einzig und allein mit dem Schnee, tobte durch über das Grundstück und legte sich nach einer Weile zurück in ihre Hundehütte. Sie hechelte stark und sie verlor langsam das Gefühl in ihren Pfoten, sie waren einfach zu kalt. Doch inzwischen war die Sonne aufgegangen und ließ die weiße Schneelandschaft fast schon grell erscheinen. Als nach einiger Zeit wieder Gefühl in Kaskaes Pfoten kam, stand sie schließlich auf und legte sich genießerisch in die Morgensonne. Sie mochte die Sonne eigentlich, doch Hitze machte ihr zu schaffen. Gut, wirkliche Hitze hatte sie noch nie erlebt, aber ihr war schon oft zu warm geworden. „Hey, Mädchen, was liegst du denn hier mitten im Weg rum?“, ertönte jedoch eine Stimme und riss Kaskae aus ihrem morgendlichen Sonnenbad. Janes Vater. „Na komm Kaskae, leg dich wo anders hin.“, meinte er und streichelte ihr über den Rücken. Die Hündin stand schwerfällig auf und trottete an den Zaun, damit sie nicht mehr im Weg rumlag. Im Halbschlaf bekam sie jedoch noch mit wie Janes Eltern mit dem Auto davon fuhren. Eigentlich waren Kaskae diese Autos etwas unheimlich, doch in letzter Zeit wurden sie immer populärer. Immer mehr Leute leisteten sich eins und sie wurden immer schneller… Zumindest kam es ihr so vor. Okay, sie stanken ganz fürchterlich, aber dennoch schienen die Menschen diese Blechkisten wie Heiligtümer zu behandeln! Das Auto hatte sogar sein eigenes Haus! Okay, Kaskae hatte auch ihre Hundehütte, aber irgendwie war das nicht das gleiche… Ihre Hundehütte war… Naja, schon recht groß, aber das Auto hatte viel mehr Platz! Irgendwie fand Kaskae das unfair, aber wenn die Menschen wirklich so seltsam waren... Sollten sie doch. Kaskae hörte ein paar Schneegänse über ihr hinwegfliegen, doch unter das Gegacker der Gänse mischte sich noch was anderes… Ein Rufen oder so. Sie hob den Kopf und sah sich suchend um, doch nur Augenblicke später spürte sie, wie irgendwas gegen den Zaun rannte und sich wild fluchend den Kopf rieb. „Dixie, Sylvie, was macht ihr denn hier?“, fragte sie und stand schmunzelnd auf. „Hi Kaskae! Hey, wir kamen grade zuuufällig vorbei…“, erwiderte Dixie. Kaskae zog vielsagend eine Augenbraue hoch. „Ihr seid absichtlich hier, stimmt’s?“ Dixie kicherte verlegen. „Also… Nunja, das liegt im Sinne des Betrachters, weißt du?“ Kaskae setzte ein Sarkastisches Grinsen auf und lief an den Zaun. „Was wollt ihr denn?“ „Also eigentlich wollten wir dich zuuufälliger weise fragen, ob du vielleicht mit uns in den Ort gehen würdest…“, fragte Sylvie nun. „Was? Warum denn?“ Kaskae sah völlig verdattert drein. Nicht, dass sie nicht gerne im Ort war oder so, aber kam das nicht ein bisschen… Plötzlich? Sie war ein paar Tage in Nome und schon sollte sie mal, dir nichts, mir nichts, wie selbstverständlich, nach Nome spazieren? „Nunja… Du könntest ja mal unsere Freunde kennenlernen… Schließlich kennst du ja niemanden außer uns, oder?“ „Äh schon… Aber, aber, wie stellt ihr euch das um Himmels Willen vor?“, fragte Kaskae weiter und deutete auf den hohen Zaun, der sich um das Grundstück erstreckte. Sie hatte eigentlich keine große Lust ihr Sonnenbad aufzugeben, doch gleichzeitig wollte sie Dixi und Sylvie nicht enttäuschen oder so. „Dann hau doch ab… Wie schleichst du dich sonst immer von zu Hause weg?“, fragte Dixie. „Äh… Willst du mich auf den Arm nehmen? Ich hau nicht von zu Hause ab. Ich hab das noch nie getan und ich will auch keinen Ärger bekommen.“, erklärte Kaskae bestimmt. „Aber deine Besitzer sind doch alle weg, oder?“ „Ja, schon… Aber die Haushälterin ist noch da, sie wird das bestimmt bemerken.“, versuchte Kaskae sich wieder rauszureden. „Ach so ein Unsinn! Der alten Dame wird schon nicht auffallen dass du mal für ein paar Stunden weg bist! Es ist nicht mal Mittag, wem sollte da irgendwas auffallen?“, ermunterte Dixie sie weiter. Kaskae wusste, dass sie nicht einfach gehen durfte, doch der unbändige Reiz des Verbotenen war doch gewaltig! Und sie war, zugegeben, doch neugierig… Also gut, sie könnte es ja mal versuchen… „Meinetwegen… Aber erst wenn ihr mir sagt, wie ich hier raus komme.“ Sie klang zögerlich, doch das Gesagte konnte sie auch nicht mehr zurücknehmen. „Ha, klasse! Sylvie, zeig uns was du so tolles kannst!“ Sylvie grinste selbstgefällig, lief zum Zauntor, stellte sich auf die Hinterbeine und drückte die Klinke mit den Vorderbeinen herunter. „Hab ich mir selbst beigebracht, kein Grund mir zu danken!“, meinte sie mit einer verbeugenden Geste und schob das Tor mit der Schnauze auf. Etwas unsicher machte Kaskae ihre ersten Schritte raus. Ihr stellte sich zugegebenermaßen das Fell auf und sie fröstelte kurz. Sie wusste ganz genau dass sie etwas Strengverbotenes tat und sie tat es nicht gern, doch der Reiz gegen all diese Regeln zu verstoßen war gewaltig. Auch wenn sie sich nicht ganz wohl dabei fühlte… „Okay, aber wir beeilen uns, ja?“, hakte Kaskae nach und schob das Tor schnell wieder zu. „Jaja, und nun komm!“, ermunterte Dixie sie. Die drei Hündinnen trabten mit schnellen Schritten in Richtung Nome, immer die Straße entlang, bis Kaskae plötzlich etwas einfiel. „Aber sagt mal, ist das nicht gefährlich, wenn wir einfach herrenlos durch die Straßen laufen? Ich meine man könnte uns erschießen oder so.“ Sylvie verdrehte genervt die Augen und lachte dann spöttisch. „Oh bitte, hier laufen doch dauernd irgendwelche Hunde durch die Gegend und glaub mir: Die haben ALLE einen Besitzer. Und ich glaube kaum, dass man drei Rassehunde wie uns einfach abknallen würde… Zudem tragen wir alle Halsbänder, also kein Grund zur Sorge.“ „Ja, und was für ein hübsches du trägst!“, bemerkte nun Dixie. „Ach das… Danke, schön dass es dir gefällt, deins ist auch…“ Sie stockte und senkte den Kopf. „Sag mal… Ist das ein Spiegel auf der Rückseite der Hundemarke?“ Dixi grinste verlegen und legte die Pfote eilig auf den Anhänger. „Ach das… Äh, war eine dumme Idee, ich weiß…“ „Ähhh…“ Kaksae wechselte einen vielsagenden Blick mit Sylvie. „Ich frag gar nicht erst nach…“ „Solltest du auch nicht… Ist eine laaange, komplizierte und nervenraubende Geschichte. Das dunkelste Kapitel in unserem Leben. Bäh, reden wir gar nicht darüber.“ „Okay, ich frag nicht nach.“, meinte Kaskae mit einem sarkastischen Unterton. Doch plötzlich quiekte Dixie auf und sprang freudestrahlend auf eine Huskyhündin zu. „Jenna! Hier ist sie, ich sagte doch wir bringen sie mit, also die Hündin von der wir dir erzählt haben, schau, da!“ Die rotbraune Huskyhündin mit dem orangenen Halstuch hob den Kopf und lächelte Kaskae freundlich entgegen, als sie sie sah. Kaskae gab nur ein höfliches, kurzes nicken von sich und sah dann zu Sylvie. „Und das ist also eure Freundin?“ „Ja, aber nicht nur, es gibt noch viele, viele andere…“, erklärte Sylvie. Nun kam Jenna näher und stellte sich vor. „Ich bin Jenna. Du musst dann wohl Keska sein, oder?“ „Ähm… Nicht ganz… Kaskae. Aber freut mich dich kennenzulernen, Jenna.“ „Ebenfalls. Dixie erzählte, deine Besitzer seien Forscher, stimmt das?“ „Ach hat sie das?“ Kaskae sah grinsend zu Dixie, die sich ein wenig verlegen zwischen Sylvies Beinen stand und unschuldig dreinblickte. „Naja, sie hat ja nicht gelogen… Aber ich gehöre mehr der Tochter meiner Besitzer, sie verbringt eigentlich alle Zeit mit mir.“ „Oh, sie ist jetzt wahrscheinlich im Internat, nicht?“, fragte Jenna. „Nein, nein! Sie geht hier auf die Schule… Naja, sie muss aber schon sehr früh aus dem Haus und kommt erst spät wieder.“ „Aber das ist bestimmt spannend, Forscher als Besitzer zu haben, oder? Ich meine du kannst sie überall hin begleiten und machst bei einer Menge aufregender Dinge mit, nicht?“ Kaskae lachte amüsiert über Jennas Vermutungen. „Oh nein, normalerweise würde jetzt eine ältere Dame auf mich aufpassen. Miss Morris, die Haushälterin… Gute Frau. Aber ich muss dich enttäuschen: Ich war noch nie bei irgendeiner dieser Forschungsarbeiten mit.“ „Oh… Das wusste ich nicht, entschuldige…“ Jenna lächelte verlegen, dann trat sie jedoch zur Seite. „Und ansonsten? Haben deine Herrchen vor, dich bei unserem Schlittenhundeteam einzutragen?“ Augenblicklich stellte Kaskae mit einem gewissen Entsetzen die Ohren auf und blickte einen Moment lang fassungslos drein, doch dann fasste sie sich sofort wieder und schüttelte energisch den Kopf. „Nein, nein, nein, nein, das würden die nicht tun. Und mir ist das auch recht so! Ich habe nämlich keine Lust irgendjemanden hinter mir herzuziehen. Ich bin ein Hund, kein Pferd.“ „Oh… Okay.“ Irgendwie gefiel es Jenna nicht, wie Kaskae über Schlittenhunde zu denken schien, doch sie wollte keine voreiligen Entschlüsse ziehen. „Hey ihr beiden, kommt! Kaskae, gleich lernst du die anderen kennen.“, rief Dixie enthusiastisch und lief in eine dunkle Nebengasse Nomes. „Äh… Sind wir hier wirklich richtig?“, hakte Kaskae nach und sah angewidert zu dem Gerümpel und den Abfälle, die hier in den Gassen und hinter den Häusern lagerten. Aber was sollte denn diese dumme Frage grade eben bitte? NATÜRLICH wussten die anderen wo sie hinliefen, sie lebten schließlich schon ihr ganzes Leben hier! Oh je, Kaskae kam sich grade einfach nur dämlich vor. „Ganz bestimmt… Weißt du, es gibt hier einen Boilerraum, da treffen wir, also auch die meisten anderen Hunde, uns immer. Es ist toll dort, es gibt Decken, viel Platz und es ist kuschlig warm.“, erklärte Sylvie und hielt vor einer Tür. „Da sind wir. Oh, und mach dich auf die Höhle des Löwens bereit, wenn du läufig bist, ist das da drin, als Hündin, eine echte Herausforderung.“ Danke, zu viele Details. Sylvie öffnete die Tür und das erste was Kaskae entgegen kam, war ein Schwall neuer Gerüche. Einige Hunde saßen in dem Boilerraum, manche nur für sich, manche scharrten sich dicht nebeneinander. Doch als Jenna, Sylvie, Dixie und Kaskae in der Türschwelle standen, zogen sie sofort alle Blicke auf sich; Zum einen weil sie doch ganz hübsche Hündinnen waren, zum anderen, weil sie eine Neue dabei hatten. Kaskae spürte ganz genau all die Blicke im Nacken, sie spürte die plötzliche Aufregung der anderen Hunde und eigentlich war ihr das nicht allzu recht. Sie mochte es selbstverständlich, wenn sie Aufmerksamkeit auf sich zog, doch nicht auf diese Weise. Sie mochte es, wenn sie unter Freunden und Leuten die sie schon kannte, Aufmerksamkeit bekam, aber zwischen völlig Fremden… Nein, nicht dann. „Wunder dich nicht, Abends sitzen hier viel mehr Hunde.“, meinte Dixie und betrat, dicht gefolgt von den anderen, den warmen, fast schon stickigen Raum. Kaskae sah sich neugierig um und setzte sich schließlich neben Sylvie, die Hündinnen schienen hier wohl schon einen Art Stammplatz zu haben. „Okay ihr beiden: Ihr wolltet mir die anderen Vorstellen, könntet ihr das jetzt auch tun?“ „Ach haben sie das?“, fragte Jenna nun. „Ja… Die beiden haben mich sogar dazu gebracht von zu Hause abzuhauen… Eigentlich ist das bei meinen Herrchen eine Todsünde.“ „Oh… Ich glaube du kennst Dixie und Sylvie noch nicht gut genug. Die beiden können manchmal sehr hinterlistig sein, ist es nicht so?“ „Was? Wiiiir doch nicht!“, meinte Sylvie mit einem ironischen Unterton und räkelte sich genüsslich auf dem Rücken umher. „Naja, aber wir wollen doch mal nicht so sein.“, sagte Dixi nun. „Also uns kennst du ja schon. Naja, momentan sind nicht viele Hunde hier… Also der alte Bernhardiner ist Doc, die Bulldogge mit den seltsamen Zuckungen ist Morse und die drei Typen da hinten sind Nikki, Kaltag und Star… In der Reihenfolge.“ Jenna kicherte. „Ja, die drei sind die härte… Star kann einem wirklich leidtun, er ist immer der, der bei seinen unpassenden Kommentaren eins über die Mütze bekommt. Nicht zu vergessen, dass er nicht der allerhellste ist.“ „Ach, wenn man vom Teufel spricht…“, meinte Sylvie nun. „Schaut mal wer da kommt.“ Jenna seufzte. „Und schon kommt das Trio angelaufen. Kaskae, mach dich auf eine Menge Fragen bereit.“ Jenna erhob sich und schüttelte kurz das Fell auf, ehe sie zum Ausgang lief. „Ich treff mich gleich mit Balto, also dann Mädels, man sieht sich!“ „Eins muss man ihr lassen, sie weiß wie man sich rechtzeitig aus nervigen Situationen befreit…“, meinte Sylvie leise, ehe Kaltag, Nikki und Star zu ihnen kamen. Kaskae musterte die drei Hunde eindringlich. Nikki war dunkelbraun, ziemlich groß und bullig, er sah aus wie die meisten Hunde, dir Kaskae bisher kennengelernt hatte. Kaltag war etwas schlanker gebaut, hatte ein beiges Fell und einen braunen Fleck um sein linkes Auge. Und Star war etwas… ähm… Besonderes. Kaskae hätte ihn als zerrupfte Flohschleuder bezeichnet, zumindest sah er so aus. Sein Fell war ziemlich struppig und ungepflegt, die Ohren angebissen, wahrscheinlich von Kämpfen mit anderen Hunden und Star an sich war ziemlich klein und dünn. „Hey Dixie, wer ist das denn?“ Kaltag war der erste, der etwas sagte. „Hey Jungs. Ihr erinnert euch doch sicher noch an die Hündin, von der ich euch erzählt hab, die neu in den Ort gekommen ist, oder?“ „Ja, ist sie das?“, fragte Star. „Erraten, das ist…“ „Kaskae.“, stellte sie sich ungerührt vor. „Na schön das schon der halbe Ort über meine Existenz Bescheid weiß.“ Sie setzte sich auf und schüttelte das Fell auf. „Dann müsst ihr Kaltag, Nikki und Star sein, was?“ „Ganz genau! Von wo kommst du eigentlich?“, fragte Nikki. „Ketchikan. Meine Herrchen sind aus beruflichen Gründen hier hergezogen.“ „Wow, Ketchikan! Ist warm dort, nicht?“ „Äh… Also wärmer als hier, darauf könnt ihr aber wetten.“, meinte Kaskae grinsend. „Also ich steh ja voll auf Wärme, echt total, das beste was es überhaupt geben kann!“, schwärmte Kaltag und nickte unterstreichend. „Ich aber nicht.“, meinte Kaskae ungerührt, doch in ihrer Stimme lag ein sarkastischer Unterton, so als hätte sie nur darauf gewartet, dass Kaltag eine solche Antwort geben würde. Dixi gab ein Kichern von sich. Sie mochte schlagfertige Antworten und gewissermaßen hatte Kaltag sich so was verdient. Sie fand es wirklich erstaunlich, wie ruhig er plötzlich war. Ja, geb’s ihm Kaskae! Star lachte hysterisch, doch spürte im nächsten Moment einen Schlag auf den Kopf. „Junge, du lernst nie aus.“, meinte Nikki mit einem schadenfreudigen Grinsen, als Kaltag Star schlug. „Hehe… Idiot.“ Auch Kaskae konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. „Aber wie dem auch sei… Die Gegend hier ist verdammt cool– Besser als alles wo ich bis jetzt war.“ „Das freut uns zu hören. Und ansonsten? Wer sind deine Herrchen?“ „Ich gehöre der Tochter von zwei Forschern. Sie bleiben für die nächsten fünf Jahre hier und wollen die Tundra untersuchen… Oder so…“ „Aber sie ist doch gesund!“, wand Star verwundert ein. „Äh… Nein, nicht in dem Sinne… Sie machen Forschungsarbeiten, beobachten Tiere und lauter solches Zeug.“ „Ahhhh… Achsooo. Klingt interessant, darfst du auch mit? Schlittenhund sein, oder so?“ Wow, war es nicht erstaunlich, wie oft Kaskae diese Frage schon gehört hatte? Im ernst, sie verwunderte das richtig! Sie war vielleicht ein Malamute, das konnte sie auch nicht verbergen, doch es schien fast schon so, als ob es eine Selbstverständlichkeit wäre, dass in dieser Gegend jeder einzelne Hund ein Schlittenhund war. Vielleicht war es auch eine Selbstverständlichkeit für die Hunde hier, doch Kaskae erinnerte das nur an aufgerissene Pfoten, Peitschenhiebe, Schmerzen und unbegründete Bestrafungen. Kurz: An das schlimmste Jahr ihres kurzen Lebens. „Nein, nein, sie zieht keine Schlitten.“, meinte Dixie plötzlich. „Echt?“, fragte Nikki. „Ja, warum?“, hakte Kaltag nach. „Ich bin nicht damit aufgewachsen, man brauchte mich für derartiges nie. Warum also sollte ich es jetzt noch lernen?“ „Schon, aber früher oder später wird man dich in einer Gegend wie dieser ganz bestimmt dafür brauchen.“, erwiderte Kaltag verwundert. „Oh nein, das glaube ich nicht!“ Kaskae klang jedoch ein wenig energischer als sie es eigentlich wollte. „Meine Herrchen haben mich einzig und allein für ihre Tochter angeschafft.“ „Heißt das du bist einer dieser Schoßhündchen?“, kicherte Star. „Haha, sehr lustig.“, meinte Kaskae mit einem sarkastischen Unterton. „Naja, Leute, ich geh jetzt jedenfalls nach Hause. Es gibt bald Mittagessen.“, sagte Nikki nun und leckte sich über die Lippen. „Warte, ich komm mit.“, rief Kaltag ihm hinterher und stand auf. „Star kommst du auch?“ Star stand gehorsam auf und dackelte hinter seinen Kumpels hinterher. „Also dann, bis bald Mädels!“, verabschiedeten sie sich. „Bye!“, rief Dixie ihnen nach und räkelte sich dann auf Kaskaes Rücken umher. „Irgendwie riechst du nach Parfüm, weißt du das eigentlich?“ „Immer noch? Weißt du, ich hab heute Nacht im Bett von Jane geschlafen, wahrscheinlich riech ich deswegen wie ein Schminktisch.“ „Cool, du darfst das wenigstens!“ „Eigentlich nicht, sie hat mich nur ins Haus geholt, damit ich endlich ruhig bin. Ich hab gestern die halbe Nacht rumgejault. Und ins Bett durfte ich eigentlich auch nicht, das hab ich selber gemacht, als Jane schon geschlafen hat.“ „Uuuuh, du bist ja ungezogen.“, meinte Sylvie spaßend. „Wem sagst du das, ich bin immerhin auch wegen euch abge-“ Kaskae stockte und eine plötzliche Panik machte sich in ihr breit. „Äh… Sag mal, wie spät ist es?“ „Hm... Also Nikkis innere Uhr ist sehr genau… Ich würde sagen wir haben jetzt etwa Mittag… Warum?“ Ohne jegliche Vorwarnung sprang Kaskae auf und sah sich panisch um. „Oh Gott! Ich muss zurück nach Hause! Miss Morris wird merken dass ich nicht da bin, bald ist Essenszeit!“, rief sie panisch aus, wobei Dixie jedoch von ihrem Rücken fiel. „Hohhhw, sachte!“, meinte Dixie und rieb sich den Kopf. „Nix sachte, ich muss los! Also dann, man sieht sich ihr beiden!“ Kaskae stieß die Tür auf und rannte augenblicklich mit einem Affenzahn los. Sie durfte auf keinen Fall riskieren dass Miss Morris ihre Abwesenheit auffiel, das würde sehr, sehr viel Ärger geben, das wusste sie. Hm, vielleicht wenn sie sich jetzt sehr beeilen würde und dann sofort hinter dem Haus verschwinden würde, vielleicht würde es dann gar nicht auffallen? Aber davor musste Kaskae noch das Gartentor aufbekommen, das wäre die zeitraubenste Aufgabe. Obwohl, vielleicht, wenn sie sich ganz besonders anstrengen würde, vielleicht würde sie dann über den Zaun kommen? Ach verdammt, das war doch alles… Ein plötzlicher Aufprall riss sie unsanft aus ihren Gedanken und sie fand sich auf dem Boden wieder. „Kannst du nicht aufpassen?“, fuhr eine tiefe Stimme sie an. Kaskae sah völlig verdattert zu einem schwarzweißen Malamuterüden, der sich grade aufrichtete und sich den Schnee aus dem Fell schüttelte. „Äh… äh, tut mir Leid, ich… äh, ich hab grade wirklich keine Zeit.“, stotterte sie und sah sich verwirrt um. Toll, das war das blöde an diesen kleinen Gassen: Wenn man herausstürmte, sah man nie, wer auf der Straße auf dich zukam. Nun bemerkte auch Steele wer da vor ihm stand: Es war die Hündin von gestern, welche er vor der Bäckerei und am Hafen gesehen hatte. „Ach, schon okay…“, meinte er und nun sanfter und kam Kaskae näher. „Du musst die Neue sein, über die alle reden, was?“ „Wow, ich schein wohl schon ‘ne Attraktion oder so zu sein…“, meinte Kaskae unruhig. „Ich müsste jetzt aber wirklich nach Hause!“, meinte sie und wurde schneller. Um Steele kümmerte sie sich nicht wirklich, sie hatte andere Sorgen! „Ach, ich glaube wir hatten noch gar nicht das Vergnügen uns Vorzustellen…“ „Kaskae, weiblich, drei Jahre alt, Malamute. Und ich muss jetzt WIRKLICH nach Hause.“, meinte sie knapp ihre Schritte wurden schneller. „So eilig kannst du’s gar nicht haben…“, wand Steele jedoch ein und holte wieder auf. „Ich bin übrigens Steele.“ Kaskae gab ein genervtes Seufzen von sich und blieb so plötzlich stehen, dass Steele beinahe in sie gelaufen wäre. „Junge, ich weiß nicht was du willst, aber ich sag’s dir jetzt ganz direkt: Ich. Muss. Nach. Hause. Ich will ja nicht unhöflich sein, aber es ist dringend! Wir können uns ja mal unterhalten wenn ich die Zeit dazu habe aber momentan steh ich ein biiiisschen unter Stress.“, erklärte sie eindringlich und starrte Steele in die blauen Augen. Aus irgendeinem Grund fragte sie in diesem Moment, ob Steele eigentlich wegen seiner Augen diesen Namen hatte. Aber wie auch immer: Sie musste schnell weiter, wesshalb sie sich kommentarlos abwand und weiterlief. „Ich könnte dich gerne begleiten, momentan hab ich sowieso nichts anderes zu tun.“, meinte er einladend und senkte den Kopf ein wenig. Kaskae drehte sich nach Steele um und kam ihm genervt näher. „Hör zu: Du bist bestimmt ein ganz toller Hund, doch ich habe keine Zeit.“, erklärte sie ein letztes Mal mit ruhiger Stimme. Sie drückte die Schulter an Steeles und sah ihm Wimpernklimpernd entgegen, doch das sarkastische Grinsen war unverfehlbar. „Also dann, man sieht sich.“ Ha, ihre weiblichen Reize… Sie wusste, dass sie sie irgendwann doch mal gebrauchen könnte! Ohne weitere Worte raste sie davon und ließ einen äußerst perplexen Steele zurück. Steele hatte es früher immer auf Jenna abgesehen, doch diese Kaskae war fast schon besser– Kaskae war… Wie sollte man das sagen? Vorlauter? Dreister? Ja, sie war unverfrorener als Jenna, vor allem dafür, dass sie Steele eben erst kennengelernt hatte. Sie hatte dieses raue, ruppige, ungezogene an sich und irgendwie gefiel ihm dieses kecke Auftreten. Irgendwas hatte diese Hündin. Und von nahem betrachtet sah sie auch ziemlich reizvoll aus. Fand er. Naja, er und wahrscheinlich jeder andere Hund im Ort. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)